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Dem Gegner ins Auge blicken

Ken Holden: Matchplay ist das wahre Game

Strokeplay ist die schwierigste Spielform, Stableford ist die leichteste, aber Matchplay ist das wahre Golfspiel – sicherlich das interessanteste und auch das originale Golf. Leider wird der Sinn des Wortes «Matchplay» durch die unbeholfene Übersetzung «Lochspiel» überhaupt nicht getroffen, auch wenn das grammatikalisch noch so korrekt ist. Viel besser wäre «Wettkampfspiel»...

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Matchplay: den Gegner genau beobachten und sich auf sein Spiel einstellen (André Bossert am Abschlag, Vivian Ross schaut genau hin).

In einer Strokeplay-Runde muss der Spieler sich mit dem Golfplatz und mit den herrschenden Bedingungen an diesem konkreten Tag auseinander setzen. Spielt er eher gut, stellt er sich auf Elemente wie den Wind, den Regen oder die Temperatur ebenfalls gut ein, dann hat er eine ausgezeichnete Chance auf eine gute Klassierung. Wird hingegen nach Stableford gewertet, dann ist es noch lange kein Unglück, wenn er zwei, drei Löcher strei- chen muss; spielt er die restlichen Holes dafür umso besser, dann kann er das Turnier noch immer gewinnen. Das allerdings sind alles Überlegungen, die im Matchplay keine Rolle spielen – hier geht es nur darum, was der Gegner macht!

Matchplay-Bühne Ryder Cup

Viele Player, gerade auch einige der weltbesten Spieler, haben eine ausge- sprochene Affinität zur einen oder anderen Turnierform. Tiger Woods zum Beispiel ist mit Sicherheit der beste Strokeplayer aller Zeiten – sein Leistungsausweis im Matchplay dagegen ist eher durchschnittlich. Da hilft es ihm wenig, dass er die Events der Tour sowie die Majors buchstäblich dominiert (er hat zum Beispiel in seiner Karriere jedes dritte Turnier, zu dem er angetreten ist, gewonnen!). Doch die World Matchplay Championship hat er in dieser Zeit bloss zweimal gewonnen, und er ist nicht nur einmal schon in Runde 1 eliminiert worden. In Sachen Matchplay gibt es keinen schärferen Test als den Ryder Cup, eines der meistbeachteten Turniere diesund jenseits des Atlantiks. Die extreme Popularität dieses alle zwei Jahre stattfindenden Wettkampfes zwischen einer europäischen und einer US-Mannschaft hat leider das schweizerische Publikum bisher nicht erreicht, was nicht zuletzt mit dem Fernsehen zusammenhängt (Ryder Cup in der Schweiz nur am Pay TV). Drei Tage faszinierendes Matchplay in Foursome, Fourball und Single zwischen zwei Teams zu je 12 Weltklassespielern – das ist der Ryder Cup. Das führt zu mehr Emotionen, mehr nervösen Spielern und mehr Dramen als jedes andere Turnier, und der Grund dafür ist die simple Tatsache, dass jetzt eben Matchplay gilt und nichts anderes. Ich bin sicher, dass keine andere Spielform so viel prickelnde Spannung schaffen könnte.

In einem Match im Ryder Cup zu spielen, heisst ständig unter Druck zu stehen. Jeder Abschlag, jeder Pitch, jeder Chip und vor allem jeder Putt können entscheidend sein. Für die Mannschaft zu spielen und den enormen Erwartungsdruck zu spüren, das ergibt zusammen ein Mass an «Pressure», wie

Ken Holden ist es in keiner anderen Situation im professionellen Golf vorstellbar ist. Diese drei Tage maximalen Drucks sind nicht nur der schärfste Test, der im Golf denkbar ist, sondern das macht die besten Spieler der Welt auch regelrecht süchtig. Im letzten Ryder Cup hatte Tiger Woods die Ehre, den ersten Ball des Turniers zu spielen – und er schoss diesen Abschlag prompt links ins Wasser. Das wäre ihm in einem Strokeplay-Turnier höchstwahrscheinlich nie passiert!

Engländer und arbeitet seit über zehn Jahren in der Schweiz; heute unterrichtet er auf der Driving Range Härkingen.Er ist Mitglied der Swiss PGA.

Taktik

Auf dem Papier sind die Amerikaner den Europäern krass überlegen; die Spieler des US-Teams sind im offiziellen World Ranking deutlich besser klassiert als die Euros. Trotzdem sind die letzten drei Austragungen des Ryder Cup von der europäischen Mannschaft geradezu total dominiert worden (kleiner Seitenhieb an die Politik: Europa kann sehr erfolgreich sein, wenn die Zusammenarbeit klappt!).

Über die Gründe für die Überlegenheit des europäischen Teams ist viel diskutiert worden. Teamgeist, Erfahrung, Motivation – vieles kann eine Rolle gespielt haben, aber ich glaube, dass es vor allem die aggressivere Spielweise der Europäer ist, die aus ihnen bessere Matchplayer macht. Wer es schafft, den Druck, unter der er spielt, in den Griff zu bekommen, der ist der bessere Matchplayer.

Wie man sich taktisch verhält, das ist sehr wichtig. Während es überhaupt nicht darauf ankommt, wie die Spieler der gleichen Gruppe im Strokeplay scoren, geht es im Matchplay um genau das. Wer Fehler macht, der baut den Gegner richtiggehend auf und gibt ihm Selbstvertrauen; mit guten Schlägen dagegen setzt man ihn sofort unter Druck. So kann es eine gute Taktik sein, für den Abschlag einen kürzeren Club einzusetzen. So bekommt man die Chance, den zweiten Schlag zuerst zu machen, den Ball aufs Green zu schiessen und dem Gegner so einzuheizen.

Doch es kann schwierig sein, auf jeden Ball des Gegners zu reagieren. Im- merhin gibt es zahlreiche taktische Varianten, um den Gegner zu destabilisieren. Handelt es sich eher um einen Langsamspieler, dann macht es Sinn, rasch zu marschieren, den Ungeduldigen zu markieren oder darauf zu drängen, langsamere Gruppen zu überholen. Das wird ihm punkto Spielrythmus Mühe bereiten. Ebenso macht es Sinn, auf Fehler des Gegners zu reagieren: schiesst er ins Wasser, dann wählt man einen kürzeren Club und zielt weg vom Wasser. Die taktischen Varianten im Matchplay sind genauso endlos wie die Situationen, in welche man geraten kann. Zwar ist es nach den offiziellen Golfregeln nicht erlaubt, seinem Mitspieler Ratschläge zu erteilen. Das hindert die schweizerischen Clubspieler nicht daran, genau das zu tun –und zwar non-stop, was eine hervorragende Methode ist, das Spiel eines anderen blitzartig zu ruinieren; jedenfalls ausserhalb offizieller Turniere. Auf Hindernisse, weisse Pfosten oder grosse Fairwaybunker hinzuweisen, ist eine exzellente Methode, negative Gedanken in den Game Plan des Gegners einzuschleusen. Gleichermassen effizient ist es, kleinere Unstimmigkeiten in seinem Schwung zu beobachten oder hörbar Überlegungen über die Tauglichkeit seines Materials anzustellen. Einem Gegner ungefragt Ratschläge für seinen Golfschwung zu erteilen, das ist die sicherste Methode, ihn schlecht spielen zu machen. Dafür zu sorgen, dass der Gegner mehr an seiner Technik herumstudiert als daran, den Ball zum Ziel zu hauen, das wird immer helfen, das Loch zu gewinnen. Natürlich eine eher dubiose Vorgehensweise, die im Englischen mit «Gamesmanship» umschrieben wird...

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Paolo Quirici, dem besten Golfer, den die Schweiz je gehabt hat. Zur Frage, warum gewisse Länder bessere Golfspieler hervorbringen als andere, meinte er, dass nach seiner Erfahrung die Briten ständig auf einen Gamble aus seien; ganz anders als seine Schweizer Kollegen. Die Tatsache, meinte Paolo, dass in jeder Stadt, je- dem Kaff mindestens ein Buchmacher seinen Shop habe, wo die Leute auf alles Erdenkliche wetten könnten, von Pferdewetten bis darauf, wer der nächste Premierminister werde, habe für eine Kultur gesorgt, die geradezu zum Risiko anstachle. Und das, meinte Paolo, sei die genau richtige Voraussetzung für einen guten Matchplay-Golfer.

Wo der Spass herkommt

Fourball und Foursome heissen zwei Spielformen, welche immer für ein interessantes Matchplay gut sind. Zwei Golfer gegen ein anderes Zweierteam, das garantiert eine spannende Runde. Obschon Golf von vielen Leuten eher als Hobby denn als Sportart gesehen wird, habe ich nie begriffen, wie man eine ganze Runde von 18 Löchern abmarschieren kann und dabei Bälle haut, ohne dass es um etwas geht. Ich weiss, die Leute sagen «Ich spiele nur zum Spass»; aber wenn am Schluss von vier oder fünf Stunden auf dem Golfplatz kein Resultat vorliegt, dann kann ich nicht viel Spassiges erkennen. Wenn ich jemanden in der Schweiz frage, ob er (oder sie) gut gespielt habe, kommt «Das Eisen habe ich sehr gut gespielt, das Holz weniger» als Antwort. Wenn ich in Schottland jemandem die gleiche Frage stelle, dann wird man mir mitteilen, ob man gewonnen oder verloren habe; denn ums Gewinnen geht es!

Matchplay ist das Golfspiel der Gladiatoren, ein Kampf, ein Kräftemessen mit einem Gegner – anders als die übliche Schinderei gegen den Golfplatz oder die Punktejagd im Stableford. Jeder Schlag zählt, jedes Loch kann die Entscheidung sein, aber das Spiel ist erst verloren, wenn es verloren ist!

Zum Schluss noch diese Feststellung: wer sich selber als nicht besonders tauglicher Matchplayer einschätzt, dem sei gesagt, dass der beste Weg zu einem Sieg in einem Game das Auswählen des richtigen Gegners ist!

■ Ken Holden

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