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Dass die Funken stieben!

Den Ball ins Spiel zu bringen, das war immer wichtig, und es ist es auch heute noch. Länge und Gelingen des ersten Abschlags können vorentscheidend sein für die ganze Runde. Wie also kommt man zu Vertrauen in sein Driving, und wie transferiert man es von der Range auf den Golfplatz? Wie trainieren? Welche Preshot Routine? Wie also die Qualität seiner Abschläge verbessern? Einige simple Verhaltensweisen, die ich Ihnen im Folgenden vorschlage, können mithelfen, den Stress auf dem Abschlag zu reduzieren, was sich positiv auf die Abschläge und auch auf das Score auswirkt.

Lang muss er sein, der Abschlag. Aber das ist absolut kein neues Phänomen – seit Golf gespielt wird, geht es um lange Tee Shots! Technische Fortschritte bei Clubs und Bällen haben in den letzten Jahren massiv dazu beigetragen, dass nicht nur die Pros, sondern auch die Amateure längere Drives zustande bringen. Doch fantastische Längen von über 300 Metern, wie sie bei den Pros an der Tagesordnung sind, bleiben für die meisten Golfer ein Traum. Dabei sollte man nicht ausser Acht lassen, dass auch die Bodenverhältnisse an einem Turnier der PGA Tour längere Abschläge zulassen als auf einem mitteleuropäisch-feuchten Fairway.

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Ein guter Driver und ein langer Ball sind wichtig, ohne Zweifel. Doch an den Fortschritten eines Spielers ist seine physische Verfassung genau so beteiligt: gut trainierte Muskeln sind kräftig und elastisch genug, um eine höhere Bewegungsgeschwindigkeit im Schwung zu erzielen. Schliesslich und über allem stehen die mentalen Aspekte. Oftmals fehlt es einem Spieler bloss am notwendigen Durchhaltewillen; der Kontinuität im Training wird nicht genügend Gewicht eingeräumt, und eine Änderung wird nicht lange genug automatisiert und oftmals wieder aufgegeben, bevor sie sich in Ergebnisse umsetzt. Etwas anderes scheint kurzfristig attraktiver, nur um bald darauf ebenfalls nicht mehr zu funktionieren.

Der bessere mentale Approach

Was ich Ihnen in Bezug auf die mentalen Aspekte beim Driven vorschlage, das lässt sich in drei Kapitel gliedern. Alles beginnt mit den eigenen Erwartungen, die fassbar (also messbar), vernünftigerweise realisierbar und auch auf der Zeitachse realistisch sein sollten. Beschäftigen wir uns also zuerst mit den Zielsetzungen.

1. Ziele

• Aufwand: man entscheidet selber, wie gross er sein soll. Will man ein besonderes Training nur für die Abschläge in Angriff nehmen? Technische Korrekturen müssen automatisiert werden, was viel Geduld erfor- dert. Die Anzahl Trainingseinheiten pro Woche und auch die Anzahl Bälle mit dem Driver pro Training müssen richtig bemessen werden.

Olivier Knupfer arbeitete 1999–2001 als Coach auf der European Tour, unter anderem während einiger Turniere auch mit Ernie Els. Er ist Inhaber eidgenössischer Trainerdiplome für Elite und Nachwuchssportler und Mitglied der Ausbildungskommission der Swiss PGA. Er verfügt ebenfalls über Diplome als Sportmanager (idehap) und als Trainer Swiss Olympic. Im Karate hat er den 5. Dan.

• Was will man erreichen? Das sollte man ausformulieren – im Golf sind das meistens relative Tagesziele. Man will das beste Score, will das Turnier gewinnen, oder man will die längsten Drives seines Flights spielen. Solche Ziele sind deshalb nicht ideal, weil die Leistungen der anderen ebenfalls eine Rolle spielen. Besser wären also absolut messbare Ziele; zum Beispiel «alle Fairways treffen».

• Vorgehen: Aus den Zielsetzungen ergeben sich die Schritte, die am ehesten Erfolg versprechen. Zum Beispiel befolgt man auch im Training auf der Driving Range seine Preshot Routine peinlich genau, bei jedem Ball. Das kann den Weg zum Verständnis seines eigenen Schwungs ebnen, ein Schlüssel des Erfolgs. Das zweite und das dritte Kapitel beschäftigen sich mit den mentalen Aspekten: die emotionale Stabilität (dynamischer oder ruhiger, je nach Situation, unter Einbezug der Atmung), und die ideale Leistungsbereitschaft.

Doch zuerst – und bevor man auch auf der mentalen Ebene überhaupt Fortschritte erzielen kann – gilt es, sich Klarheit über die praktische Vorgehensweise zu verschaffen. Immerhin will man mit dem Driver ja etwas treffen; das ist das Ziel, und zwar auch im Sinne von «Zielscheibe». Wenn man also auf etwas zielt und das trifft, hat man das Ziel erreicht. Sowohl auf der Driving Range als auch auf dem Platz sollte man sich Ziele aussuchen; auf der Range sind das Fahnen, Bäume oder Häuser am Horizont, oder es können Couloirs zwischen den Fahnen oder entlang der Grenze der Range sein. Das Ziel muss sichtbar sein, so dass man beurteilen kann, wie nahe man ihm gekommen ist. Je besser man wird, desto schmalere Couloirs versucht man zu treffen.

Auch der Aufbau des Trainings auf der Range kann wichtig sein. Ideal wären zum Beispiel je fünf Bälle mit Pitchung Wedge, Eisen 8, Eisen 6, Hybrid Club, Holz 3 und dann Driver; diese Serie kann man bis fünf Mal wiederholen, bevor man mit einem Wedge eher auf Rhythmus und Feeling hin arbeitet.

Es gibt Untersuchungen im Bereich der Trainingvsmethodik und der Didaktik, die zeigen, dass fünf Wiederholungen ideal sind, um einen Bewegungsablauf zu automatisieren, sowohl bezüglich Visualisierung als auch bezüglich Koordination. Natürlich: um «perfekt» zu werden, muss man solche Trainingseinheiten Tausende Male durchziehen – dazu fehlt den meisten Leuten die Zeit und die Geduld. Als Empfehlung kann man aber immerhin formulieren, dass zwei Mal pro Woche akzeptabel wären; zur Abwechslung einmal mit den geraden und einmal mit den ungeraden Eisen...

2. Die emotionale Stabilität Wenn man den weltbesten Spielern zuschaut, dann erkennt man sofort, wie sie vor jedem beliebigen Schlag die genau gleiche Vorbereitung abspulen, mit an Sturheit grenzender Regelmässigkeit. Alle Bewegungen, der Zeitablauf – alles einstudiert. Das wird «Preshot Routine» genannt; zu deutsch etwa «Schlagvorbereitung». Man könnte sie mit Check des Piloten vor dem Starten eines Flugzeugs vergleichen: auch vor einem Drive gibt es eine genau definierte Anzahl Punkte, die gecheckt werden müssen. Eine solche Preshot Routine könnte ungefähr so aussehen:

• Hinter dem Ball stehend fixiert man das Ziel und visualisiert den Flug des Balles.

• Der ganze Körper wird gelockert, zum Beispiel mit einem leichten Practice Swing, bei dem man vor allem den Fluss und den Rhythmus spürt.

• Tiefes Durchatmen befreit den Geist vor unnützen Gedanken. Greg Norman hat einmal eine Anspielung auf das Spülen einer Toilette gemacht: aller überflüssige gedankliche Ballast werden so weggespült.

• Schritte zum Ball kombinieren sich mit dem Zielen, dem richtigen Hinstellen von Clubhead und Füssen und mit dem Ausrichten der Hüft- und Schulterlinie auf das Ziel.

• Ein letzter Blick, und der Schwung wird ohne weitere Verzögerung gestartet. Der Blick zum Ziel gibt dem Körper die unterbewusste Information, was er zu tun hat; das zeigen auch neurologische Untersuchungen, die bestätigen, was schon der legendäre Harvey Pennick («The little red Book»; Pennick war ein bekannter Golflehrer aus Texas, der zum Beispiel mit Tom Kite oder Ben Crenshaw gearbeitet hatte und 1995 im Alter von 91 Jahren verstarb) gesagt hatte: «Take dead Aim», sinngemäss etwa «Ziele ganz genau» oder auch «Mach keine Kompromisse».

3. Die ideale Leistungsbereitschaft

Wenn im Körper alles wie geschmiert funktioniert, die Bewegungsabläufe ohne zu überlegen von alleine stimmen, wenn alles im Fluss ist, dann kann der Sportler aus diesem Wohlbefinden und aus diesem Selbstvertrauen zusätzliche Kräfte schöpfen; viele Athleten reden denn auch von «Flow». Dieser Zustand hat einen selbstständigen Wert, die sportlichen Resultate (Scores zum Beispiel, oder lange und gerade Drives) dagegen kommen fast von alleine und als Konsequenz davon. Man überlegt sich jetzt nur noch, wo man seinen Ball hinschiessen will; Gedanken wie «auf diesem Hole darf ich auf keinen Fall nach rechts verfehlen» kommen schon gar nicht auf, während man sie sonst ja kaum verdrängen kann.

Zusammenfassung

Mentales Training besteht zum grossen Teil aus praktischen Tätigkeiten, die aber genau geplant sein müssen.

Man fixiert Leistungsziele (wie Anzahl, Rhythmus und Dauer der Trainings), die dann beharrlich absolviert werden. Als Ergebnis stellt sich mit der Zeit von selber eine Verbesserung ein: regelmässigeres Driven, mehr getroffene Fairways, längere Drives. Von Bob Rotella stammt das Zitat: «Fortschritte sind garantiert, man weiss nur nicht, wie lange es dauert».

■ Olivier Knupfer

Harvey Pennick: «Take dead Aim», sinngemäss etwa «Ziele ganz genau» oder auch «Mach keine Kompromisse».

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