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Krankenkassen

Krankenkassen Unbezahlte Prämien sind eine der häufigsten Verschuldungsursachen mit harten Konsequenzen für die Betroffenen. Nun scheint sich auf politischer Ebene etwas zu bewegen.

Auf der schwarzen Liste

Wer Krankenkassenprämien nicht bezahlt, landet in manchen Kantonen auf einer schwarzen Liste. Behandlungen und Medikamente können dann verweigert werden. Der ethisch fragwürdige Gesetzesartikel wird nun überarbeitet.

TEXT ANDRES EBERHARD ILLUSTRATION JULIA MARTI

Es geschah Ende 2017. Ein 50-Jähriger starb im Kantonsspital Chur an den Folgen seiner Aidserkrankung. Die Krankenkasse ÖKK hatte sich geweigert, die Kosten für die Medikamente zu übernehmen, die das HI-Virus hätten stabilisieren können. Der Mann stand auf einer schwarzen Liste, weil er seine Krankenkassenprämien nicht bezahlt hatte. Wer dort aufgeführt ist, dem werden nur noch Notfallbehandlungen bezahlt. Die ÖKK hatte die Erkrankung des Mannes – ein Büezer, dem einfach das Geld fehlte – nicht als «akut oder lebensbedrohlich» eingestuft.

Dass Krankenkassen nicht für Leistungen der Grundversicherung aufkommen, wenn Prämien nicht bezahlt sind, macht Artikel 64a des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) möglich. Ausnahme sind Notfallbehandlungen. Wann allerdings ein Notfall vorliegt, wurde nie definiert und obliegt dem Gutdünken der Versicherungen. So verweigerte eine Krankenkasse zum Beispiel die Kostenübernahme einer Geburt. Eine solche sei planbar und entspreche nicht einem Notfall, so das Argument.

Den Artikel 64a zur «Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen» gibt es seit 2006. Die Krankenkassenprämien stiegen damals genauso stark an wie die Zahl jener, die ihre Rechnungen nicht bezahlten. Mithilfe der bürgerlichen Mehrheit verankerte der damalige Bundesrat Pascal Couchepin den Zusatzartikel im überarbeiteten KVG. Bei der Revision im Jahr 2012 wurden die sogenannten schwarzen Listen hinzugefügt. Die Kantone entscheiden selbst, ob sie eine solche führen. Laut aktuellem Stand tun dies Aargau, Luzern, Schaffhausen, St. Gallen, Tessin, Thurgau und Zug.

Die Listen waren als Druckmittel gedacht: Bei einem drohenden Leistungsstopp der Krankenkasse würden die Prämien eher bezahlt. Diese Logik beruht auf einer folgenreichen Fehlannahme. Vorausgesetzt wird nämlich, dass es sich bei den Namen auf der Liste um Patient*innen handelt, die ihre Rechnungen zwar bezahlen könnten, aber sie nicht bezahlen wollen.

Ethisch unvereinbar

Vieles deutet heute darauf hin, dass es genau umgekehrt ist: Die Menschen auf der Liste würden ihre Schulden gerne loswerden, doch es fehlt ihnen dafür schlicht das Geld. Nur so lässt sich erklären, warum die Listen nicht wirken wie beabsichtigt. Eine Studie des Kantons Zürich von 2015 zeigte, dass die Zahlungsmoral in Kantonen mit einer Liste nicht besser war als in solchen ohne. Zudem werden die schwarzen Listen derzeit immer länger – rund 32 000 Namen aus sieben Kantonen stehen heute darauf. Würden die Abschreckungsmassnahmen wirken, müssten sie sich quasi selbst abbauen.

Wie konnte es so weit kommen? Die Politiker*innen waren irrtümlicherweise davon ausgegangen, schwarze Listen würden die Ärmsten verschonen. Diese seien durch Sozialhilfe – das Sozialamt bezahlt die Prämien – sowie Prämienverbilligungen abgesichert. Jedoch nehmen längst nicht alle Berechtigten die staatlichen Hilfen in Anspruch, häufig aus Unkenntnis, manchmal aus Scham. Ausserdem haben viele zwar Arbeit, aber das Einkommen reicht trotzdem nicht. Die steigenden Prämien sind hier ein erheblicher Kostenfaktor.

Die Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) fordert die Abschaffung der schwarzen Listen. Sie seien «mit den ethischen Prinzipien der Fürsorge und Gerechtigkeit nicht