SUMO #37

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Fachmagazin des Bachelor Studiengangs Medienmanagement der FH St. Pölten

Medienkrisen / Krisenmedien Ausgabe 37 - Oktober 2021 -


Medienmanagement studieren heißt die Zukunft der Medien mitgestalten. Wissen, was morgen zählt.

Medienmanagement · Bachelorstudium: 6 Semester · Vollzeit Schwerpunkte · Content Management · Marketing und Sales

© Martin Lifka Photography

· Strategisches Management

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Thema

fhstp.ac.at/bmm


Inhalt » Editorial von Roland Steiner

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» Der Wandel medialer Unterhaltungsbedürfnissevon Elizaveta Egorova

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» Stereotypisiert und unterrepräsentiert? Wie Kinderbücher das Denken prägen von Juliana Steiger

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von Jennifer Binder

» Alles nur Spaß? Was hinter dem Beruf der KarikaturistInnen wirklich steckt von Laura Sophie Maihoffer

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» Der jüdische Witz in den Medien von Michael Haas

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» „Alles was im Fernsehen nicht langweilt, ist schon Unterhaltung“ von Anna Hohenbichler

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» Wie Schlager von Helene Fischer und Co. auf den Menschen wirken von Kathrin Plchot

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» Was Menschen zur Selbstdarstellung im Fernsehen bewegt von Michael Haas

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» „Da kann ich mich daschiaßn als Nachrichtensatiriker“ von Linus Duschl

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» Neues Entertainment im Altenheim - Eine Reise in die zukünftige Vergangenheit von Jennifer Binder

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» Frauen gehören hinters Mischpult! von Cornelia Plott

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» Reality-TV und die Faszination von Fremdscham von Paul Jelenik

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» Wenn durch „Dancing Star“ das Tanzbein wieder selbst geschwungen wird von Kathrin Plchot

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» Die Farbe des Regenbogens in den Medien von Cornelia Plott

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» Von Prinzen und Königinnen von Anna Hohenbichler

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» VR-Gaming - Die Welt außerhalb der Brille von Paul Jelenik

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» Das Faszinosum Horror von Elizaveta Egorova

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» Eine Unterhaltung mit der Unterhaltung - parasoziale Beziehungen mit Medienfiguren

Inhalt

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Editorial Entertainment, Amusement, Unterhaltung... Um das Thema der SUMO-Ausgabe zu rahmen, einigten wir uns in der ersten Redaktionssitzung auf folgendes Verständnis von „Entertainment“: gesellschaftliche Unterhaltung im Sinne eines medial vermittelten Vergnügens. „Watching the news and not eating your tea / A freezing cold flat and damp on the walls / I say that’s entertainment”, sang Paul Weller vor 40 Jahren, die Ausdehnung des Entertainment-Universums (siehe unser Cover) konnte der Modfather of Brit Pop nicht erahnen.

Stichwort Produzent*innen: Das SUMO-Team hat in Zeiten, in denen Entertainment so nötig geworden ist, Großartiges geleistet. Sie haben Ihnen Themen aufbereitet wie neue Kinderbuchinhalte, jüdischer Witz, den Beruf von Karikaturist*innen, Entertainment in Seniorenheimen, weibliche DJs, Adelsberichterstattung u.v.m., die in anderen Medienmagazinen so nicht vorkommen. So nicht, auch weil alle Artikel auf Interviews mit Expert*innen aus Medienpraxis und -wissenschaft sowie Studien basieren. Zusätzlich hat dieses großartige Team aus – bitte wertneutral zu lesen – bloß neun werdenden Medienprofis es geschafft, den Druck via Anzeigenverkauf zu finanzieren, sowie die anderen Agenden (Vertrieb, Bildredaktion, Printproduktion, Onlineproduktion, Unternehmenskommunikation) bravourös zu schaffen. Und ein weiteres Highlight, hier aus der Lehrveranstaltung „Print“ (Ltg. Johanna Grüblbauer, Bachelor Medienmanagement), dürfen wir noch anbieten: ein Langinterview mit Peter Klien! SUMO entsteht jedes Semester dank engagierter Studierender aus den Praxislaboren „Journalistisches Arbeiten“ und des Freifachs „SUMO – Medienfachmagazin Print/Online“. Ihnen allen gebührt GRAZIE MILLE – und Ihnen wünschen wir eine unterhaltsame Lektüre – melden Sie uns doch Ihr Vergnügen.

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Entertainment umfasst eben alle Formen der Unterhaltung (Witz, Humor, Ironie, etc.) und Formate, Strategien und Intentionen, Medienbranchen und Medienkanäle und lässt sich seit langer Zeit nicht mehr abgrenzen zwischen diesen. Die Late NightShow eines TV-Senders wird über diverse Kanäle unterschiedlich ausgespielt, der Blockbuster-Film über unterschiedliche Quellen refinanziert – auch Nachrichten sollen zielgruppenadäquat „angebracht“ werden. Unterhaltung hat einen erheblichen Finanzierungsaufwand und bedarf erheblicher kreativer Anstrengung aufseiten der Produktion und Vermarktung. Um Erfolg zu antizipieren braucht es einen großen Aufwand seitens der Marktforschung bezüglich der Rezeption. Die Wirkung der Unterhaltung zielt auf Erholung, Eskapismus, Erfahrung, Entführung auf Seiten der unterschiedlichen Rezipient*innen –

und freilich auf Profit auf Seiten der an Produktionen Beteiligten.

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Liebe Leserin, lieber Leser!

FH-Prof. Dr. Johanna Grüblbauer

FH-Prof. Mag. Roland Steiner Praxislaborleiter Print Chefredakteur SUMO

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Studiengangsleiterin Medienmanagement

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Editorial


Der Wandel medialer Unterhaltungsbedürfnisse Wandel. Medien. Unterhaltung. Um den Wandel der Unterhaltungsbedürfnisse zu beleuchten, hat SUMO Interviews mit den Kommunikationsund MedienwissenschaftlerInnen Peter Vorderer (Univ. Mannheim) und Katrin Döveling (h_da Hochschule Darmstadt) geführt. 6.50 Uhr morgens, der Wecker am neu gekauften Handy klingelt. Markus R., Rechtsanwalt an einer großen Firma in Wien, schaltet den Wecker ab, bleibt aber noch im Bett liegen. Er checkt die sozialen Netzwerke. Er hätte zehn Minuten später aufstehen können, dennoch bevorzugt R. den Tag mit der Durchsicht einer neuen „Instagram“Story zu beginnen. Ist es eine neue Art von Unterhaltung? Was bedeutet das für die Medienrezeption generell? Und ist der Wert der Medien in der Gesellschaft heute so groß?

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Rezeption und Unterhaltung Beginnen wir mit dem Begriff „Rezeption“. Katrin Döveling, habilitierte Professorin an der Hochschule, University of Applied Sciences Darmstadt definiert ihn so: „Das sind alle Prozesse, die wir in den Medien wahrnehmen und empfangen“.Die Wissenschaftlerin hebt hervor, dass die Medienrezeption heute extrem angestiegen sei. Wir befinden uns jetzt in einer digitalen Filterblase, so Döveling, die hervorhebt: Wir sollten auch das wahre Leben genießen. Der Prozess der Rezeption laufe bei jedem anders ab, besonders die neuen Medienangebote betreffend. Sie sei von verschiedenen Faktoren abhängig, die oft gleichzeitig zusammenwirken. Zu diesen könnten etwa das Alter, das Geschlecht, persönliche oder gemeinsame Erfahrungen, berufliche Tätigkeit oder Familienstand gezählt werden. Das alles beeinflusst auch den Unterhaltungsbedarf. Peter Vorderer, Professor an der Universität Mannheim und Medienwirkungsforscher, erläutert, was hinter dem Begriff „Unterhaltung“ steckt. „Die Unterhaltung ist ein Prozess, bei dem MediennutzerInnen für einen begrenzten Zeitraum in eine Situation kommen, in der sie sich gut fühlen, in der sie belustigt, aber auch beeindruckt werden, durch das, was sie in den Medien wahrnehmen.“ Er konstatiert, dass der Bedarf an Unterhaltung immer sehr ausgeprägt war, jedoch existieren in der modernen Welt viele verschiedene Lebensbereiche mit der Möglichkeit, sich zu unterhalten,

und das Angebot war nie so groß wie heute. Der Anspruch an Unterhaltung sei aber auch höher geworden, er sei immer und überall vorhanden. Auf den Punkt gebracht: „Das Bedürfnis an Unterhaltung war immer da, die Nutzung sowie Nutzungszeit sind gewachsen“. Trotzdem kann man behaupten, dass je wohlhabender eine Gesellschaft ist, desto mehr will sie konsumieren. Die Menschen kennen oft aber selbst nicht, was sie brauchen. In diesem Fall bietet die Unterhaltungsbranche die Angebote für jeden Geschmack. Bleiben wir beim Beispiel von Markus R. In seinem Haus sind ein TV-Gerät, vier Handys, zwei Laptops, eine PlayStation und ein Radiogerät zu finden. Wie kann das Leben von Herrn R. ohne Medien vorstellbar sein, wenn so viele verschiedene Geräte seine Familie im Alltag begleiten? Kaum, könnte man vermuten. Die moderne Mediennutzung kann sowohl Vorteile als auch Nachteile bringen. „Ich sehe zwei Seiten der Medaille“, so Döveling. Einerseits böten die Medien viele Freiheiten. Jede/r kann beginnen, online Fremdsprachen zu lernen oder auf eine virtuelle Reise gehen. Die Serien auf „Netflix“ lassen viele Menschen von den alltäglichen Problemen abschalten. Mit Hilfe der Podcasts kann man eine neue Welt der Kunst oder Literatur für sich öffnen. Man kann mit dem Handy ins Internet gehen und „Grenzen überwinden, Nationen überwinden, kulturelle Grenzen überwinden, Zeithorizonte überwinden“, meint die Medienwissenschaftlerin. Andererseits entstünde das Problem des „Overloads“. Katrin Döveling unterstützt hierbei die Idee von Digital Detox: Manchmal muss man das Handy zur Seite schieben und mal „abschalten“ (im wahrsten Sinne). SUMO hat Peter Vorderer gefragt, ob man also sagen kann: „Wir rezipieren Medien, Medien rezipieren uns“? Vorderer meint hierzu: „Die Medien können selbst gar nichts machen“. Von den Medien selbst könne es nicht verlangt werden, sondern von den Menschen,

Der Wandel medialer Unterhaltungsbedürfnisse

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die die Inhalte konsumieren. Uns wird ein Gefühl verliehen, dass wir mit Medien ständig umgehen müssen. Döveling stimmt dem zu: „It is fear of missing out. Wir haben das Gefühl, wir müssen immer online sein, müssen immer mithalten“. Besonders betreffe Mediensucht die jüngere Generation, die sich immer häufiger in der digitalen Filterblase befinde, hebt die Medienforscherin hervor. Peter Vorderer betont aber das Bewusstsein der meisten von uns, dass die Mediennutzung sowohl viel Negatives als auch viel Positives evoziere. Das Positive sei jedoch so attraktiv, dass viele Menschen die negativen Effekte in Kauf nähmen, auch da ihnen das Gefühl verliehen wird, ein Teil von etwas Großartigem und Wichtigem zu sein.

riesengroßer Unterschied zu heute. Wir waren viel mehr draußen, haben viel mehr mit den FreundInnen gespielt“. Sie erinnert sich auch an andere Medien wie Hörspiele und Kassetten, aber auch an viele Emotionen und Erlebnisse, die mit Familie oder Freundeskreis „außerhalb der Medien“ geteilt wurden. Wie konnten sich nun aber die Kinder unterhalten, die vor 100 Jahren gelebt haben? Anstatt Medien haben sie vielleicht einen Ball gehabt oder waren glücklich, wenn sie mit schmutzigen Gesichtern vom Spaziergang nach Hause kamen. Und jetzt? Die Kinder träumen von einem neuen Handy und warten darauf, eine neue Story auf „Instagram“ zu posten. Döveling spricht auch vom Verlust an sozialer Integration oder von Eltern, die sich mehr soziale Interaktion für ihre Kinder wünschen.

Der Wandel der Massenkommunikation

Je interaktiver desto unterhaltsamer, darum versucht die moderne Unterhaltungsindustrie immer mehr Angebote zu finden, die das Gefühl verlorener Realität beheben. Medienschaffende entwickeln Technologien auf eine Weise, die den Realitätstausch gewährleistet, hebt Katrin Döveling hervor und erwähnt als Beispiel Augmented Reality. Man kreiert eine neue Welt, in der die NutzerInnen so emotional stark den Prozess der Unterhaltung fokussieren, dass sie die Aufmerksamkeit verlieren und die mediatisierte Welt von der realen kaum unterscheiden können. UserInnen bekommen Erfahrungen, die sie nie selbst direkt erlebt haben. Der Spaziergang im Wald voller Wundertiere, das Fliegen wie ein Vogel oder das Schwimmen am Boden des Ozeans – nicht nur das können moderne Virtual sowie Mixed Reality-Technologien uns vorschlagen. Die MediennutzerInnen werden immer stärker in den Prozess des Erschaffens von Unterhaltungsinhalten involviert, etwa im Bereich Tangible User Interfaces – also buchstäblich „begreifbare Interaktionen“ etwa im Musikbereich. Spezielle interaktive Geräte helfen die Musik für das Publikum sichtbar zu machen. Es besteht eine Möglichkeit für Improvisation durch Interaktion und es geht hierbei nicht darum, ein hochwertiges Musikstück zu erstellen, sondern um Spaß zu haben. Es lässt sich kaum voraussagen, ob diese neuen Technologien im Weiteren auch populär werden. Oder ob es heißen wird: „Pop will eat itself“.

Es veränderten sich sowohl die Formen der Kommunikation als auch das Publikum selbst, wie im Übrigen auch die Betrachtungsweise der Medienwirkungsforschung. Aus passiven RezipientInnen, die nur Unterhaltungsangebote auf Distanz konsumierten, wurden aktive UserInnen, die Information wahrnehmen, selbst schaffen und diese mit anderen tauschen. Vorderer betont, dass unterschiedliche Medien in unterschiedlichen Situationen auf die gleiche Person unterschiedlich wirken. Die Menschen können ihre Einstellung zum Inhalt oder Situation ändern oder zur Unterhaltung aufgefordert werden. Döveling erwähnt hierzu die These der Wissenskluft. „Je nachdem welchen Wissensvorrat ich bereits habe, nehme ich die Information anders wahr“. Für bestimmte Informationen in der zunehmend komplexer werdenden Welt sind gewisse Kenntnisse notwendig.

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Mediale Unterhaltung und deren Rezeption führen zu individualisierten Erfahrungen. Von Neil Postman stammt das Diktum „Wir amüsieren uns zu Tode“, bereits 1985 in Buchform ausgebreitet. Bekommen Menschen heute bei der Mediennutzung mehr Spaß? „Nein, mehr Spaß kann sicherlich nicht gehen“, so Vorderer. Medien machen die Kommunikation nur komplexer. Ihre hohe Attraktivität wird so eine Art von Ersatzerfahrung, die Medien künstlich schaffen.

„Entertain us!“ SUMO fragte Katrin Döveling, wie ihre Kindheit aussah. „Es besteht ein

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Der Wandel medialer Unterhaltungsbedürfnisse

von Elizaveta Egorova

Katrin Döveling / Copyright: Katrin Döveling

Peter Vorderer / Copyright: Universität Mannheim


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Stereotypisiert und unterre­ präsentiert? Wie Kinderbücher das Denken prägen HeldInnen aus Kinderbüchern prägen die Kindheit wie kaum etwas anderes – im Guten wie im Schlechten. Hier besteht die Möglichkeit, Stereotype für die nächste Generation aufzubrechen und mit Vorurteilen aufzuräumen. Ob und wie wir diese Chance als Gesellschaft bereits nutzen und was wir beitragen können, wollte SUMO im Gespräch mit Katrin Feiner, Kinderbuchlektorin beim Tyrolia-Verlag und mit Franz Orghandl, Autorin des Buches „Der Katze ist es ganz egal“ herausfinden.

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Mit seiner Schrift „Émile oder Über die Erziehung“ ebnet Jean-Jacques Rousseau im Jahre 1762 der kindgerechten Betrachtung und Behandlung von jungen Menschen und damit der modernen Pädagogik den Weg. Bis zu diesem Zeitpunkt ist Jugendliteratur kaum vorhanden und im besten Fall an „kleine Erwachsene“ adressiert. Auch in den folgenden Jahrzehnten bleibt die Moral weiter im Vordergrund und wird erst Ende des 18. Jahrhunderts – mit Beginn der Romantik – durch eine romantisierte Vorstellung der kindlichen Unschuld und Reinheit abgelöst. Ein jähes Ende findet diese Epoche mit der Veröffentlichung des „Struwwelpeter“ im Jahre 1845 – gerade rechtzeitig für die Revolutionswelle, die viele europäische Staaten in den darauffolgenden Jahren erfasst. Grotesk und makaber bricht dieses Buch von Heinrich Hoffmann mit allen Traditionen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bringt die Auflösung der Ständegesellschaft die bürgerliche Gesellschaft hervor, die auch in der Jugendliteratur Niederschlag findet: Mit „Max und Moritz“ macht sich Wilhelm Busch 1865 über die spießbürgerliche Moral seiner Zeit lustig. Nur etwa zehn Jahre später erschafft Mark Twain mit „Tom Sawyer“ einen der ersten realistischen Helden der Kinderliteratur. Zum ersten Mal steht die Moral nicht an vorderster Stelle, sondern ein abenteuerlustiges Kind, das man neugierig ein Stück begleiten darf. Für Mädchen ist die Literatur zu dieser Zeit hingegen sehr geprägt von Moral und der Anleitung zum Angepasstsein. Mit der sogenannten Backfischliteratur („Der Trotzkopf“) wird den gutbürgerlichen Töchtern ein kleines Stück Freiheit vorgegaukelt, das am Ende doch nur in der standesgemäßen Heirat enden darf. Mit der fortschreitenden Industriali-

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Stereotypisiert und unterrepräsentiert?

sierung erobern zivilisationskritische Werke den Kinderbuchmarkt. „Heidi“, „Das Dschungelbuch“ oder auch „Biene Maja“ haben als zentrales Thema den Gegensatz von Zivilisation und Natur und die Folgen für den Menschen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden die Erzählungen sachlicher, handeln von echten Kindern in Städten und zeigen zum ersten Mal soziale Probleme auf. „Emil und die Detektive“ beschreibt die Geldsorgen der alleinerziehenden Mutter und das „Doppelte Lottchen“ beschäftigt sich erstmals mit den Sorgen von Scheidungskindern. Die Nachkriegsjahre sind geprägt von Büchern, in denen Kinder das Sagen haben und ihre Welt selbst gestalten können, allen voran „Pippi Langstrumpf“ und „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. In Österreich versucht man den Nationalsozialismus aufzuarbeiten und hinter sich zu lassen. Das gelingt bei den Kinderbüchern, ähnlich wie im echten Leben, eher schwer. Offensichtlich Nationalsozialistisches wird rasch verbannt, andere Formen von Rassismus fallen aber erst viel später auf. So bleibt zum Beispiel „Hatschi Bratschis Luftballon“ lange Zeit als Kinderbuch bestehen, trotz abwertender Darstellung von Menschen anderer Kulturen. Selbst die Überarbeitungen des Buches in den 60er Jahren („Menschenfresser“ werden Affen) ändert nichts am Grundgedanken des Buches: Das Fremde ist Böse. Es etablieren sich zu dieser Zeit aber auch Autoren und vor allem Autorinnen, die mit ihren Werken den Kinderbuchmarkt für Jahrzehnte positiv prägen werden: Vera Ferra-Mikura, Mira Lobe, Käthe Recheis, Christine Nöstlinger, um nur einige zu nennen. In den folgenden Jahren, begünstigt durch die 68er-Studentenbewegung,


werden Kinder weiter emanzipiert und ernster genommen. Der „Anti-Struwwelpeter“ kommt im Jahre 1970 auf den Markt. Das Mädchenbuch wird als Mittel zur Unterdrückung enttarnt und zurückgewiesen. Mit den 80er- und 90er-Jahren rücken immer mehr gesellschaftspolitische Themen wie Integration, Scheidung und Selbstidentifikation in den Fokus. Im Jahre 1980 schafft es ein Kinderbuch erstmals in die „SPIEGEL“-Bestsellerliste: Michael Endes „Unendliche Geschichte“ erzählt aus der Sicht eines lesenden, kindlichen Protagonisten und nimmt ihn mit auf eine fantastische Reise. An die Bestseller-Erfolge konnten seitdem einige Kinderbücher anknüpfen – die „Harry Potter“ Romanreihe zum Beispiel. Mit einer Mischung aus Märchen, Magie und Detektivgeschichte verzaubert J.K. Rowling ein Millionenpublikum von jung bis alt.

Spiegel, Fenster und Glastüren Geschrieben von Erwachsenen, die brandaktuellen sozialen Themen ihrer Zeit behandelnd, prägen Kinderbücher somit die Generation, die nachfolgt. Bücher helfen Kindern dabei, sich selbst zu verstehen, ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Ängste kennenzulernen sowie ihren Platz in der Familie und Gesellschaft zu finden. Die afro-amerikanische Professorin Rudine Sims Bishop hat unter anderem mit ihrem 1990 erschienenen Artikel „Mirrors, Windows and Sliding Glass Doors“ die entsprechenden Begriffe in Bezug auf Kinder- und Jugendliteratur geprägt. So schreibt sie, Bücher können Fenster in eine andere Welt sein. Sie können auch als eine Glastüre fungieren, durch die man nur hindurch gehen muss, um Teil der Geschichte zu werden. Im richtigen Licht kann aber genau dieses Fenster auch zum Spiegel werden, der mit der erzählten Geschichte die eigenen Erfahrungen widerspiegelt. Kinderliteratur dient als Vorbild für die eigene Person, aber auch als Abbild der Welt, die das Kind umgibt. Hält man sich das vor Augen, betrachtet man Kinderbücher gänzlich anders. Was für eine Welt bekommen Kinder durch die Bücher „vorgelebt“? Finden sich in ihnen unterschiedliche Kulturen, andere Religionen, alternative Lebensstile, starke Frauen und verletzliche Männer? Oder werden Stereotype weitertradiert und der nächsten Generation unbewusst eingeimpft? Eine amerikanische Studie aus dem

Jahr 2006 untersuchte dafür 200 Kinderbuch-Bestseller und LiteraturpreisGewinner in Bezug auf Gender-Stereotypisierung und Unterrepräsentation. Die Ergebnisse sind recht trist. So sind Buben fast doppelt so oft als Mädchen die Hauptcharaktere in diesen Büchern. Dasselbe gilt für Illustrationen und Erwachsene, die in den Geschichten vorkommen, aber auch für die Aktivitäten und Eigenschaften, die den entsprechenden Geschlechtern zugeordnet werden: Es bleibt stereotyp.

Die Mühlen mahlen langsam Katrin Feiner vom Tyrolia-Verlag zeichnet ein positiveres Bild von der deutschsprachigen Kinderbuchlandschaft. Jährlich erscheinen rund 8.000 – 9.000 neue Kinder- und Jugendbücher im deutschsprachigen Raum und in dem kleinen Teil, dem sie ihre Aufmerksamkeit widmen könne, sehe sie sehr wohl einen erfreulichen Wandel. Haben sich vor zehn Jahren Bücher Themen wie Homosexualität, Patchwork-Familien und interkulturellen Freundschaften gewidmet, waren diese im zentralen Fokus der jeweiligen Texte. Mittlerweile kommen sie in einer Art „normalisierten“ Form, also nebensächlich und gleichsam selbstverständlich vor. „In Jugendromanen aus dem urbanen Bereich ist es nichts Besonderes mehr, wenn in der Schulklasse neben Jakob, Alexandra und Susi auch Mohammed und Fatima sitzen.“ Als einen möglichen Grund, warum diese positive Entwicklung hin zu mehr Inklusion immer noch so langsam voranschreitet, nennt Feiner die eingebaute Zwischenebene. Zwischen den AutorInnen und den LeserInnen stünden zumeist die Eltern oder Großeltern, welche sich von den Kinderbüchern angesprochen fühlen müssten und immer auch ihre eigenen Meinungen und Vorstellungen mitbrächten. Diese „Elternund KäuferInnenzensur“ verlangsame unter anderem eine rasche Etablierung von progressiven Themen. Ein weiterer Aspekt sind AutorInnen, die glauben, ein Kinderbuch schreibe sich auf Grund der „lieben“ Zielgruppe schnell und einfach. „Hier steckt meistens die Meinung dahinter, so eine liebe Geschichte kann man schnell schreiben.“ Die Erinnerung an die eigene Kindheit und die Sehnsucht nach der heilen Welt, in der Probleme noch einfach zu lösen waren, spiele hier auch immer wieder mit.

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Doch eine „liebe Geschichte“ reicht nicht. Der Tyrolia-Verlag legt großen Wert darauf, dass die ausgesuchten Kinderbücher literarisch-ästhetisch sind, dass die AutorInnen mit Sprache umgehen und literarische Bilder erschaffen können. Die Illustrationen sollen, wenn möglich, eine weitere Facette beitragen und im Idealfall in der Wechselwirkung mit dem Text eine neue Ebene schaffen, die die Geschichte weitererzählt. Diversität, Randthemen und Randgruppen sowie soziale Probleme seien auch willkommen. Es solle aber nicht zum „Muss“ werden und bei zensurähnlichen Ansichten zieht Feiner die Grenze. „Es kann nicht sein, dass eine Autorin dafür angefeindet wird, dass ihre Geschichte von einer klassischen Familie handelt. Eine gute Erzählung sollte man nicht ändern, nur um dem aktuellen Trend zu entsprechen, wenn es nicht dazu passt.“ Sie bezweifle, dass es diese Debatte um Diversität in der Erwachsenenbelletristik in ähnlich intensiver Form gäbe. Auf die Frage, was ihrer Meinung nach helfen könnte den Wandel hin zu weniger Stereotypisierung zu vollziehen, antwortet Feiner: „Ich sehe es als Puzzle. Es sind viele unterschiedliche Puzzleteile und jeder einzelne ist wichtig und trägt dazu bei, die Situation zu verbessern.“ Preise und Auszeichnungen, wie etwa das KIMI-Siegel für Vielfalt,

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Stereotypisiert und unterrepräsentiert?

könnten das Bewusstsein schärfen. Aber vor allem wünscht sie sich eine größere Präsenz der Kinder- und Jugendliteratur in den Medien. „Kinderbuchempfehlungen sollten nicht nur eine Randnotiz sein, sondern in seriösen Medien ernsthaft und mit Tiefgang besprochen werden.” Auch die Aktion „Buchstart“ sei so ein Puzzleteil. Sie geht davon aus, dass Kinder und Bücher schon sehr früh zusammengebracht werden sollen, stattet Eltern von Neugeborenen mit entsprechenden Informationen aus, macht kostenlose Zugänge zu Literatur (wie die Bibliotheken) bewusst und versucht, etwaige Berührungsängste und Schwellen in diesem Bereich abzubauen – in manchen Bundesländern auch in Form eines Pappbilderbuchs, das zur Geburt geschenkt wird. Brauchen Kinder Stereotype? „Ich glaube, man kann ihnen nicht entkommen. Absichtlich dagegen zu bürsten ist aber auch oft falsch. Ich glaube, im Großen und Ganzen (also bezogen auf den kompletten Kinder- und Jugendbuchmarkt) ist es wichtig, dass es Bücher gibt, die sich dessen annehmen und wo diese Themen – explizit oder nebenbei – vorkommen. Ich glaube nicht, dass alle so sein müssen.“ Für viele Kinder sei die traditionelle Familie immer noch gelebte Realität. Feiner meint, dass man von einem einzelnen Buch auch nicht

alles erwarten solle, man solle es als Teil des Ganzen sehen. Es müssen sich an vielen Stellen kleine Dinge ändern und es braucht Zeit, oft mehr Zeit, als man dem Ganzen geben will.

„Leo hat einen schönen neuen Namen“ So lauten die ersten Worte des Buches von Franz Orghandl und wäre es nach der Autorin gegangen, hätte das ganze Buch so geheißen. Der Klett-Kinderbuch-Verlag schlug schließlich „Der Katze ist es ganz egal“ vor. Ein Kinderbuch müsse immer auch verkauft werden und einem interessanten Titel kommt dabei große Wichtigkeit zu. Dabei geht es gar nicht um die Katze. Es geht um Leo, der verlautbart, er heißt jetzt Jennifer und ein Bub ist er auch nicht mehr, sondern ein Mädchen. Franz Orghandl sagt, sie schreibe über Dinge, die sie selbst kenne und die ihr vertraut seien. Als Kind habe sie mit Blick auf ihre Zukunft immer gedacht, sie würde ein Mann werden. „Ich habe gedacht, ich werde Sylvester Stallone – mit dem Stirnband und dem Gewehr. Wow, das wär’s! Ich habe aber auch oft Prinzessin gespielt, immer indische Prinzessin.“ In der Pubertät habe sie sich danach gesehnt, ein cooler Typ zu sein, aber ein tolles Mädchen wäre sie auch gerne gewesen.


Das Buch hält sich nicht an Traditionen und politisch korrekte Sprache. Jennifers Freund, der „dicke Gabriel“, ist schon einmal sitzen geblieben, nascht trotz seiner Körperfülle ungetrübt und ohne ermahnt zu werden Süßigkeiten und ist hoch angesehen bei seinen MitschülerInnen. In Orghandls Kindheit sei Sitzenbleiben ein großes Tabuthema gewesen und sie hätte sich gewünscht zu hören, dass davon die Welt nicht unterginge. Ob es nicht diskriminierend sei, heutzutage eine Figur zu erschaffen, die „dicker Gabriel“ heißt? „Dick, sitzengeblieben, Migrationshintergrund – eigentlich ein No-Go – darf man eigentlich nicht schreiben. Aber hätte ich es deshalb nicht geschrieben, hätte ich damit bestätigt, dass irgendwas Schlechtes dran ist. Und da habe ich mir gedacht: Moment mal! In meinem Kopf ist der dicke Gabriel der heißeste Feger. Natürlich führt die Betonung von etwas gleichzeitig auch zu einer bedingten Reduzierung darauf und beinhaltet somit ein diskriminierendes Element. Aber ich finde beim Schreiben ist es wichtig, dass man nicht hinschreibt, was man richtig findet, sondern die Dinge so wiedergibt, wie sie einem begegnen.“ Die Kinder hätten hier einen ganz unvoreingenommenen Zugang zu der Thematik, wäre Gabriel nicht dick, wäre er vielleicht der große oder der kleine Gabriel. Die Erwachsenen-Sicht draufzudrücken, empfinde sie als krumme Tour – es seien Kinder unter sich, da zähle die Kindermeinung. Untermalt wird diese ur-wienerische Geschichte mit Illustrationen von Theresa Strozyk und beschönigt auch hier nichts. Das unaufgeregte Zeigen von nackten Körpern mit dem kindlichen Versuch, die Klassifizierungen zu verstehen passt zur direkten Sprache, ohne vulgär zu wirken. Orghandl hatte eine genaue Vorstellung gehabt, wie die Illustrationen und handschriftlichen Erklärungen aussehen sollten. Kurz hat sie überlegt, ob sie das Buch selbst illustrieren soll, war aber glücklich mit der vom Verlag vermittelten

Illustratorin. Durch die Begriffserklärungen wird das Buch auch für nicht aus Wien stammende Kinder lesbar und verständlich. Trotzdem meint Orghandl, es wäre ein gutes Buch zum Vorlesen, da es sowohl Ebenen für die Kinder als auch für die Erwachsenen enthalte. Das Buch „Der Katze ist es ganz egal“ wurde mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2020 ausgezeichnet. Orghandl freut sich. Das sehr aktuelle Thema sei vielleicht ein Grund, warum sie den Preis gewonnen habe. Ob das gut sei, weiß sie nicht. Sie vergleicht es mit dem Feminismus, der auch oft mit Männerfeindlichkeit und auf ungutem Wege viel erreicht hat. Frauenquoten zum Beispiel empfinde sie als durchaus diskriminierend, aber oft sei es der einzige Weg etwas zu verändern. Vielleicht ist dieser Weg auch bei Diskriminierung, Stereotypendenken und Inklusion der einzige, der etwas bewirke. Es ginge um viel mehr als um die Reise von Leo zu seinem eigentlichen Ich, Jennifer. „Ich wollte ein zurückhaltendes, introvertiertes Kind, keine Rampensau. Ich fand wohl, dass das noch fehlt. Ein behütetes Kind, kein Mega-Konflikt zuhause, sondern reduziert auf die Basics.“ Es ginge um einen stillen, essentiellen Kampf, den jedes Kind nachempfinden könne. Um die Emanzipation, das Loslösen von den elterlichen Vorstellungen und das Finden des eigenen Ichs. Um alte Freundschaften, die sich nicht um optische Details kümmern und um neue Freundschaften mit unkonventionellen Menschen.

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„Der Katze ist es ganz egal“ – ein Buch, das Toleranz versprüht, ganz ohne aufgesetzte politische Korrektheit, ohne erhobenem Zeigefinger, dafür mit kindlichem Enthusiasmus gerade bei Themen, die für Erwachsene oft schwer verdaulich sind. Vielleicht ein weiterer Puzzlestein, um bei der nächsten Generation etwas zum Positiven zu verändern. von Juliana Steiger

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Gegen Kategorisierungen wehrt sie sich. „Ich würde mich nie als Frau einstufen.“ Die Frage einer Geschlechtsangleichung stellte sich aber für sie nicht. „Wenn ich sehe, wie sehr man immer wieder drauf angewiesen ist sich selbst zuzuordnen – selbst, wenn du zu einer Minderheit gehörst –, da möchte ich auf den Tisch hauen und sagen: ‚Jeder ist, wie er ist!‘“

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Eine Unterhaltung mit der Unterhaltung – parasoziale Beziehungen mit Medien­ figuren Beziehungsstatus: parasozial?! Was nach einem etwas komplizierten Verhältnis klingt, ist in der Medienwelt eine sehr weit verbreitete Beziehungsart. Um eine solche Beziehung besser verstehen zu können und beide Seiten dieser Verbindung zu beleuchten, sprach SUMO mit der Radiomoderatorin Stephanie Sperr („Life Radio“) und einer betroffenen Rezipientin, die in diesem Artikel den Namen Silvia trägt. Im Buch „Parasoziale Interaktionen und Beziehungen“ (2010) erläutert Tilo Hartmann, dass eine parasoziale Beziehung aus einer parasozialen Interaktion hervorgeht. Als soziale Interaktion führt Hartmann das Beispiel einer Kontaktknüpfung zweier Menschen auf der Straße an. Sie beschreibt eine wechselseitige Interaktion: Beide InteraktionspartnerInnen wissen voneinander und können einander beobachten, auf den anderen reagieren und aufeinander eingehen. Bei einer parasozialen Interaktion wissen meist auch beide Parteien voneinander, jedoch fehlt hierbei der Aspekt der Beobachtung. „Eine parasoziale Interaktion stellt lediglich die Illusion einer normalen sozialen Interaktion dar“, so Hartmann. In Bezug auf die Umstände der medialen Erscheinung merkt er an, dass sich beide Parteien, sprich Medienfigur und RezipientIn, dieser parasozialen Interaktion bewusst sind, jedoch meist der oder die RezipientIn diesen Umstand verdrängt. Diese Interaktion ist Grundbaustein für eine parasoziale Beziehung, welche dann aus einer solchen Interaktion hervorgeht.

Die eine Seite der Beziehung

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Um Einblick in diese beiden Seiten der Beziehung zu bekommen, führte SUMO Interviews mit den entsprechenden Parteien. Einerseits berichtet Stephanie Sperr von ihrem Agieren als Medienfigur und mit dem Umgang von parasozialen Beziehungen. Anderseits erläutert eine Rezipientin ihre Sichtweise auf die Situation der „irrealen“ Beziehung. Die Linzerin Stephanie Sperr ist Moderatorin bei dem Radiosender „Life Radio“. Ihr Talent frei zu sprechen und sich mit Menschen zu unterhalten, zeigte sie auch schon bei ihrem eigenen Maturaball. Sie führte Interviews mit

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Politikern und wichtigen Gästen. Nach einem Jahr als Flugbegleiterin bewarb sie sich 2007 für ein Praktikum bei „Life Radio“. Sperr wurde dann für ein Volontariat begrenzt auf ein Jahr eingestellt, hierbei durchlief sie jede Stufe im Sender: angefangen bei der Redaktion, den Nachrichten, der Service-Redaktion über Marketing bis hin zur Moderation. Nach diesem Jahr als Volontärin wurde sie fest angestellt. Derzeit moderiert sie gemeinsam mit Christian Zöttl die Morgenshow „Perfekt geweckt“. Sie übernimmt in dieser Show die Position der Co-Moderatorin, sprich des SideKicks. Das bedeutet, dass es zwar zwei gleichwertige Moderatoren sind, jedoch sie selbst nicht bei den Reglern steht. Sie erläutert, dass sie hierbei den weiblichen Part und das Gegenstück zum Mann übernehme, um möglichst viele ZuhörerInnen zu erreichen. Doch nicht nur das sei wichtig, um die RezipientInnen zu unterhalten. Auch eine aktive Sprache sei essenziell, also den oder die HörerIn direkt anzusprechen. Um dies umzusetzen sei es möglich, sich eine Gruppe Menschen im Studio vorzustellen und diese direkt anzusprechen. Außerdem werde auch viel mit Tönen gearbeitet: Diese Melodien oder Geräusche sollten zur jeweiligen Situation passen und helfen, die Stimmung einer Nachricht besser zu übermitteln. Mittels dieser Methode wolle man Earcatcher erzeugen, um die Aufmerksamkeit der HörerInnen zu bekommen. Zur Frage was denn die größte Herausförderung bei der Kontaktknüpfung mit den RezipientInnen ist, erklärt Sperr, dass vor allem die Kürze der Zeit, in welcher Nachrichten oder Gags übermittelt werden sollen eine Herausforderung darstelle. Denn diese Einstiege dauern meist nur 1:30 min, da die durchschnittliche Hördauer bei rund 15 Minuten liegt. Sie muss es also schaffen, innerhalb dieser 15 Minuten sehr viel

Parasoziale Beziehungen mit Medienfiguren


Information zu vermitteln. Das Schwierigste sei von Anfang an, kurz, knackig und interessant, mithilfe von Earcatchern die HörerInnen zum Dranbleiben zu bringen. Ein weiterer Punkt, der ihr bei dieser Aufgabe hilft, sei es, dass sie mit den RezipientInnen so spricht, als spreche sie mit der eigenen besten Freundin. Das bedeutet unter anderem auch eine Mischung aus Hochdeutsch und Dialekt zu verwenden, da die Zielgruppe von „Life Radio“ überwiegend OberösterreicherInnen sind und diese den Dialekt sehr schätzen. Außerdem erwähnt sie, dass ein kurzer und schlagwortartiger Satzbau von großer Bedeutung sei. Ein weiterer Aspekt, der HörInnen das Gefühl gibt den oder die ModeratorIn zu kennen ist die Präsenz in sozialen Medien. Sperr erklärt, dass sie und ihre Kollegen sich nicht nur im Radio „mit“ den Menschen unterhalten, sondern auch via „Facebook“, „Instagram oder „TikTok“. Auch durch Podcasts erlangen ZuhörerInnen das Gefühl, die ModeratorInnen gut zu kennen. Hat sie persönlich schon einmal von einer parasozialen Beziehung etwas mitbekommen? Ja, so gab es einen Hörer, der genau wusste, wie viel Dioptrien sie hatte. Sie dachte dann: „Woher weiß der das? Ich kenne den Menschen gar nicht.“ Doch diese Dinge passieren deshalb, da man als ModeratorIn auch viel Privates preisgibt. „Je offener man erzählt aus seinem Leben, desto mehr können sich die Leute auch mit dem identifizieren“. Stephanie Sperr betont außerdem, dass wenn die HörerInnen einen wie einen Freund, Nachbarn oder Bekannten empfänden, man diese als treue RezipientInnen gewonnen hätte.

Die andere Seite der Beziehung Silvia ist Teil einer solchen parasozialen Beziehung. Sie bezeichnet sich selbst als gute Freundin von so mancher Medienfigur. Vor dem Interview merkte sie an, dass es sehr schwierig für sie sei, dieses Interview zu führen. Außerdem erwähnte sie, dass sie sich selbst als ein Extrembeispiel für eine parasoziale Beziehung sehe. Silvia ist momentan in therapeutischer Behandlung, zwar nicht wegen der parasozialen Beziehungen, sondern ob anderer psychischer Probleme. Sie mache große Fortschritte und konnte sich unter anderem schon von vielen dieser Beziehungen lösen. Silvia betont, dass sie schon in ihrer Kindheit immer wieder parasoziale Beziehungen führte. Sie wisse nicht mehr genau, wann das anfing, jedoch sei sie bereits im Kindergarten mit einer fiktiven Figur

Parasoziale Beziehungen mit Medienfiguren

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befreundet gewesen: „Der Wauga“ aus dem gleichnamigen Buch von Christine Nöstlinger und Axel Scheffler war einer ihrer besten Freunde im Kindergarten. Ihre Mutter las ihr abends daraus vor und so fühlte sie sich sehr nah mit ihm verbunden. Solche Beziehungen zogen sich bis ins Teenageralter. Silvia erzählt, dass sie in der Hauptschule oft wegen ihres Aussehens gemobbt wurde und sich fast gänzlich in ihr Zimmer verkroch und dort die Beziehungen mit Stars aus Jugendzeitschriften pflegte. Die äußere Welt sei ihr oft grausam erschienen, bei ihren parasozialen Kontakten dagegen hätte sie immer wieder Geborgenheit gefunden. Das Mobbing wurde nicht nur verbal an ihr ausgeübt, sondern auch vermehrt handgreiflich. Sie erklärt, dass sie dadurch an Suizidgedanken litt und mit schweren Depressionen zu kämpfen hatte. „Hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht meine FreundInnen aus Zeitschriften, Büchern und Co. gehabt, könntest du heute nur ein Interview mit meinem Grabstein führen“, so Silvia. Mit diesem Satz wurde das Interview vorerst abgebrochen. Silvia betonte jedoch, dass das Thema extrem wichtig für sie sei und weitere Einblicke sehr gerne an einem anderen Tag geben möchte.

Im zweiten Interview wurde der Fokus daher weniger auf vergangene parasoziale Beziehungen gerichtet, sondern vielmehr auf ihren derzeitigen Umgang mit Medienfiguren. Silvia erläutert, dass ihre Tiefpunkte auch jetzt noch immer wieder auftauchten. Vor allem die Situation der Corona-Pandemie würde immer wieder Tiefs begünstigen. Sie erwähnt, dass sie weder einen Mann noch Kinder hat, ihre Eltern hätten sich nach ihrem Aufenthalt in einer Anstalt von ihr abgewandt. Auch jetzt seien parasoziale Beziehungen Zufluchtspunkte. Auf die Frage nach ihrem Tagesablauf erklärt sie, dass sie jeden Morgen mittels Radiowecker geweckt werde. Danach frühstücke sie gemeinsam mit dem Moderator oder der Moderatorin. Silvia betont, dass sie zwar weiß, dass die ModeratorInnen sie nicht hören oder sehen können, jedoch unterhalte sie sich immer wieder mit ihnen. In der Arbeit dann pflege sie soziale Kontakte und esse gemeinsam mit ihrer Arbeitskollegin zu Mittag. Am Nachmittag oder am Abend widme sie sich der Belletristik und stelle sich vor, selbst im Liebesroman zu sein. Abends habe sie dann eine Verabredung mit den Fernsehmoderatoren, um die neuesten Nachrichten zu erfahren.

mein semester plus mehr internet, mehr freiheiten, mehr ich

Silvia selbst sieht parasoziale Beziehungen als Zuflucht an. „Andere haben eine Katze, mit der sie sich unterhalten oder sprechen zu Gott. Bei mir sind es nun einmal die Personen aus der Medienwelt, die mich mental unterstützen.“ von Jennifer Binder

Stephanie Sperr / Copyright: privat

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Parasoziale Beziehungen mit Medienfiguren


© Copyright: Christian Redtenbacher

Alles nur Spaß? Was hinter dem Beruf der KarikaturistInnen wirklich steckt Wir schmunzeln über ihre Darstellungen. Wir ärgern uns mit ihnen über politische Geschehnisse. Wir bewundern ihre Fähigkeit, eine brenzlige Situation humorvoll dazustellen. KarikaturistInnen sind KünstlerInnen, die wissen, wie man Neuigkeiten, Skandale und Krisen so darstellt, dass man laut auflachen muss. SUMO sprach über das Berufsbild mit dem österreichischen Star-Karikaturisten Gerhard Haderer, sowie mit dem Künstlerischen Direktor des Karikaturmuseums Krems Gottfried Gusenbauer und mit der Leiterin des Österreichischen Karikaturenvereins Nina Herzog. Was mit übertriebenen Portraits im 18. Jahrhundert anfing, hat sich zu einer eigenständigen Kunstform entwickelt. Die Karikatur ist eine Form der satirischen Darstellung einer bestimmten Person oder einer Situation. Nina Herzog promovierte zu diesem Thema. Im SUMO-Interview erklärt sie, dass man einst angefangen hätte, Persönlichkeiten wie Könige nicht als erhaben und mächtig dazustellen, sondern anhand eines spezifischen äußeren Merkmals, wie etwa einer großen Nase. Manchmal hätte man auch versucht, einen bestimmten negativen Charakterzug bildlich aufzubereiten. Mit der Zeit wurden die Zeichnungen immer satirischer und noch übertriebener. Diese Entwicklung hat sich bis heute durchgezogen. Herzog meint, dass die Karikatur ihren Höhepunkt an persönlicher Freiheit im 21. Jahrhundert erreicht hätte, da man zum Beispiel hochrangige PolitikerInnen auf der Toilette zeigt. Sie kann sich nicht vorstellen, dass man Karikaturen wie diese noch übertrumpfen könne, aber hofft, dass diese Freiheit erhalten bliebe. Die Grundfunktion der Karikatur habe sich nicht verändert: Personen in einer hohen gesellschaftlichen Position von ihrem sinnbildlichen Podium herunterzuholen und sie zu vermenschlichen.

Wie man überhaupt KarikaturistIn wird Der Werdegang von KarikaturistInnen

kann auf verschiedene Weisen verlaufen. Gerhard Haderer berichtet, dass er zu Beginn Grafikdesigner in Linz war und das Zeichnen von Karikaturen als Hobby angefangen habe. Er benutzte das Zeichnen als Methode zum Stressabbau. „Es ist nie meine Absicht gewesen, lustig zu sein. Für mich ist es eine Art Ventil. Wenn ich jetzt irgendeine Zeichnung mache, die auch politisch ist, wobei ich mich zum Beispiel an Herrn Kurz reibe, dann fühle ich mich danach besser, vor allem, weil ich etwas öffentlich gesagt habe. Ich zeichne mir meine Sichtweise praktisch von der Seele.“ Haderer habe anfangs nur für sich selbst und seinen Freundeskreis gezeichnet, da jedoch die Karikaturen so gut aufgenommen wurden, kamen die ersten Jobangebote von Zeitungen. Er bezeichnet seinen Werdegang geradezu als paradiesisch. Wenn man heute Karikaturist/in werden will, sehen die Umstände vermutlich etwas anders aus. Gottfried Gusenbauer berichtet, dass es für KarikaturistInnen zunehmend schwerer werde, vor allem durch die Gratiskultur und den internationalen Wettbewerb aufgrund der Digitalisierung. Es scheint, als wären immer weniger finanzielle Mittel da, um von dem Beruf leben zu können. Versuche dem entgegenzuwirken gibt es: Sowohl das Karikaturmuseum in Krems, als auch der Österreichische Karikaturenverein veranstalten immer wieder Wettbewerbe, um die KünstlerInnen aktiv zu fördern. Die Karriere des österreichischen Karikaturisten Thomas Wizany

habe mit einem gewonnenen Malwettbewerb begonnen, und damit sei er kein Einzelfall. „Wir als Österreichischer Karikaturenverein haben den Salzburger Karikaturenpreis. Damit fördern wir Nachwuchstalente, also Leute mit Interesse ihr Talent auch zu zeigen. Wenn man so einen Wettbewerb gewinnt, hat man natürlich wieder einen Pluspunkt im Lebenslauf als Karikaturist/in und kommt so vielleicht auch weiter“, so die Leiterin des Karikaturenvereins.

Satirische Zeichnungen mit tiefer Bedeutung? So prägnant wie die Zeichnungen oft sind, hinterfragt man als Rezipient/ in gleichwohl die Intentionen dahinter und ob der/die Karikaturist/in auf die Gesellschaft einwirken möchte. Haderer meint dazu: „Wenn ich den Eindruck hätte, dass ich einen Einfluss nähme auf die politischen Abläufe, wäre ich vollkommen gehemmt. Ich hatte niemals als Ziel etwas politisch zu ändern, sondern immer eine bestimmte Perspektive strapaziert. Das ist die Perspektive der einzelnen Betroffenen, sprich meiner FreundInnen und meiner Familie.“ Haderer berichtet auch, dass ihn vereinzelte PolitikerInnen immer wieder wegen seinen Arbeiten getadelt hätten, andere jedoch versuchen ihn als Verbündeten zu gewinnen und laden ihn dazu auch hin und wieder zum Essen ein. Auch Nina Herzog schreibt der Karikatur keinen großen Einfluss zu.

Alles nurThema Spaß?

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Sie konstatiert, dass Karikaturen eher einen Symbolwert hätten und eine Botschaft zusätzlich verstärkten bzw. mehr wAufmerksamkeit auf ein Thema oder einen Diskurs lenkten. Gottfried Gusenbauer sieht es ähnlich und meint, dass Karikaturen vor allem das Zeitgeschehen mitverfolgten und kommentierten. Speziell durch die zunehmende Bedeutung von Social Media könne man Ereignisse durch Karikaturen besser einordnen.

Neue Bedingungen für eine alte Kunstform

© Copyright: adobe stick / Jean-Michel LECLERCQ

Das Arbeitsumfeld und die Bedingungen für den Beruf haben sich ebenso durch die Bedeutungszunahme sozialer Medien verändert. „Die Karikatur ist sehr stark mit der Geschichte des Mediums verhaftet. Sie ist richtig stark geworden mit dem Buchdruck, dann weiter mit dem Zeitungsdruck und natürlich jetzt noch stärker mit Social Media. Das sieht man vor allem anhand der vielen Karikaturen zum Arabischen Frühling, die massiv über die sozialen Medien verbreitet wurden“, sagt Gusenbauer. Andererseits gibt es auch Einschränkungen der Themenwahl. So wurden zum Beispiel im Juni 2019 die Karikaturen in der „New York Times“ gänzlich gestrichen und durch einen längeren Comic ersetzt, da die Inhalte und Themen der Karikaturen zu kontrovers gegenüber den Zeitungsinhalten wären, schreibt die „Washington Post“ in einem Bericht. Nach dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ haben sich Zeitungsredaktionen international dazu entschieden, die KarikaturistInnen speziell bei religiösen Themen etwas einzuschränken. Ob das der richtige Weg sei, wissen sowohl Haderer als auch Gusenbauer nicht, da man so der Angst nachgebe und dadurch eine Form der Selbstzensur betreibe. Über dies hinaus gibt es speziell für NeueinsteigerInnen noch andere Einstiegsbarrieren. So wird es durch die immer schneller werdende Nachrichtenwelt schwerer auf dem aktuellen Stand zu bleiben. „Der Job des Karikaturisten bzw. der Karikaturistin ist einer, bei dem man einige Dinge können muss. Man muss ein Talent zum Zeichnen haben, man sollte sich politisch auskennen. Man muss immer am aktuellen Stand sein und wissen, was gerade politisch passiert. Darüber hinaus sollte man dann noch historische Hintergründe kennen. Dazu kommt noch, dass es oft sein kann, dass die Zeichnung an Aktualität verliert, ehe sie noch veröffentlicht wurde. Der Job ist für mich mehr als ein Beruf, es ist ein

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Thema Alles nur Spaß?

Lebensstil“, stellt Gusenbauer fest.

Die Newcomer der Branche Die österreichische Karikaturenszene ist mit vielen mittlerweile bekannten Namen geschmückt. Der Nachwuchs ist eher spärlich vorhanden und die drei interviewten ExpertInnen sind sich auch nicht sicher, ob es noch möglich sei, in Österreich von den Karikaturen die in Zeitungen und Zeitschriften publiziert werden alleine zu leben. Trotzdem versuche man vor allem durch Schülerwettbewerbe die nächste Generation von der Kunst der Karikatur zu überzeugen und somit die Darstellungsform weiter zu erhalten. Neben dieser dominieren zurzeit andere Kunstformen, die im Unterschied zur Karikaturenbranche vermehrt von weiblichen Künstlerinnen ausgeübt werden. Dazu gehören Manga, Graphic Novels und Illustrationen. „Was nicht aussterben wird, sind die SatirikerInnen. Die machen sich lustig über sich selbst und die ganze Welt, und wahrscheinlich wird es trotz der Digitalisierung auch nicht verloren gehen, dass talentierte Menschen immer wieder die Lust haben, richtig schön manuell auf Papier zu zeichnen“, meint Haderer. Die Zukunft scheint nicht einfacher zu werden für die nächste Generation, dennoch deutet alles darauf hin, dass die Kunstform bestehen bleibt. Sie wird sich weiterentwickeln, in neuen Medienkanälen vertreten sein und die Freiheiten ihrer SchöpferInnen werden wohl weiterhin auszuloten sein. Man kann nur hoffen, dass es in Zukunft noch Künstler wie Gerhard Haderer gibt, die konstatieren: „Oft bekomme ich zu hören, du tust eigentlich nichts außer herumzusitzen und zu zeichnen. Das stimmt, aber für mich ist es die Welt.“ von Laura Sophie Maihoffer


Nina Herzog / Copyright: Karikatur Verband

Gerhard Haderer / Copyright: Christoph Haderer

© Copyright: adobe stick / Anas alhajj - Yemen

Gottfried Gusenbauer / Copyright: Lukas Beck

Alles nur Spaß? Thema

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Der jüdische Witz in den Medien Schon mal etwas von einem „jiddischen Witz“ oder einem „jüdischen Cartoon“ gehört? SUMO ist dieser besonderen Erzählform des Witzes und der Frage: Gibt es einen Unterschied zwischen dem jiddischen und jüdischen Witz, nachgegangen und im Gespräch mit Soziologin und Kulturvermittlerin Kathrin Ruth Lauppert-Scholz und Verlegerin sowie Kinderbuchautorin Myriam Halberstam auf interessante Ergebnisse gestoßen. Der Unterschied zwischen jüdisch und jiddisch liegt darin, dass Jiddisch eine Sprache ist. Diese Sprache setzt sich zum Großteil aus dem Althochdeutschen zusammen. Gesprochen wird sie je nach geografischer Lage leicht unterschiedlich. So klingt Jiddisch in England anders, als wenn es in Deutschland gesprochen wird, da man Wörter aus dem Alltäglichen in Englisch mit in die Sprachkultur des Jiddischen integriert. So kann man sich das auch im Jiddischen vorstellen. Besonders ist die Sprache aber deshalb, da sie mit hebräischen Buchstaben geschrieben wird. Bezogen auf die Witzkultur kann man sagen, dass es den „jiddischen Witz“ so nicht gibt, da es sich bei Jiddisch nur um eine Sprache handelt. Wo es aber einen Unterschied in der kulturellen Auffassung gibt, ist der Unterschied zwischen „jüdischen Witz“ und „Judenwitz“. Ein „jüdischer Witz“ bezieht sich auf den Kulturkreis der Aschkenasim, die vor allem in Nord-, Mittel- und Osteuropa die größte ethnoreligiöse Gruppe im heutigen Judentum bilden. Der Judenwitz hingegen spiegelt eine antisemitische Haltung gegenüber der jüdischen Minderheit wider und hat mit dem kulturellen Sprachgebrauch der Juden/Jüdinnen und der jüdischen Religion nichts zu tun.

Die Merkmale eines jüdischen Witzes Wenn man die jüdische Witzkultur mittels eines einzigen Wortes beschreiben müsste, dann würde „Selbstironie“ sie am besten treffen. Eine jüdische Witzkultur findet man schon im Mittelalter, wo es immer wieder Verordnungen und Regeln gab, die besagten, dass sich Juden nach außen hin durch Merkmale unterscheiden lassen müssen. So etwa trugen sie Armbinden oder „Judenhüte“, die wiederum nicht mit dem traditionellen und sehr ausladenden schwarzen Schtreimel (jüdische Kopfbedeckung) verwechselt werden darf, der unterschiedliche Erscheinungsformen haben kann und innerkulturell ein Merkmal der traditionellen Herkunft

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Der jüdische Witz in den Medien

der chassidischen Juden/Jüdinnen ist. Juden/Jüdinnen lachten über Juden/ Jüdinnen, und das kann man wohl als Selbstironie verstehen. Sie fiel leichter, wenn es andere Juden/Jüdinnen waren, über die man lachte. Die jüdische Witzkultur wird aber auch als psychologische Überwindungshilfe wahrgenommen, da der Humor sehr selbstkritisch ist und versucht, gewisse Situationen zu entschärfen und Erleichterung zu bringen, aufgrund dessen, da das Judentum von geschichtsträchtigen Ereignissen geprägt ist und eine Minderheit repräsentiert, die über 2.000 Jahre hinweg eine Geschichte der Verfolgung erlitten hat. Aufgrund der Minderheit, die das Judentum über die Jahrhunderte darstellte, litten ihre Angehörigen unter kontinuierlicher Ausgrenzung und Verfolgung. Unter diesen war der Holocaust der brutalste und opferreichste und somit hat das Judentum ein sehr prägendes Element, das einerseits die Diasporageschichte und andererseits die Opfergeschichte zu verarbeiten hat. Für die Verarbeitung dient auch der Effekt eines Witzes, um mithilfe des Humors die vergangenen und bestehenden Wunden zu heilen und prägende Ereignisse anderwärtig zu verarbeiten. So versucht er, das Machtverhältnis zwischen Täter und Opfer wieder auszugleichen, da er den Opfern wieder eine gewisse Macht zuspricht. Dass dieser geschichtliche Hintergrund auch missbraucht werden kann, liegt somit auch auf der Hand und hat aber mit dem jüdischen Witz nichts zu tun. Dies ist auch der Grund, weshalb es oftmals der Fall ist, dass jüdische Witze nur gut vertretbar sind, wenn sie von Juden und Jüdinnen selbst erzählt werden. Der gleiche Witz kann, wenn er von einem Nichtjuden erzählt wird, sogar eine antisemitische Ausstrahlung haben, da ein Witz eine eigene Erzählform ist und durch die Auffassung und Verarbeitung der erzählenden Person geformt wird. Abgesehen davon, dass der gleiche Witz, wenn man ihn als Nichtjude einer Gruppe von Juden bzw. Jüdinnen erzählt, vom Inhalt her anderes erzählt werden würde und damit

der Selbstironie des Judentums einmal mehr oder weniger entspricht. Abgesehen davon spricht man innerkulturell doch von einem tieferen Humor untereinander, wenn es um Witze geht, die beispielsweise an der Grenze zum Antisemitischen liegen, da man sich innerhalb der jüdischen Kultur versteht und schätzt.

Aus der „Witzkiste“ heraus Als Beispiel für einen vertretbaren Witz, der in diesem Fall unter die Kategorie „psychologische Überwindungshilfe“ fällt, erzählt Lauppert-Scholz mir jene Geschichte: „Treffen sich zwei emigrierte Juden 1942 in London. Sagt der eine ganz empört, warum hängt in deinem Wohnzimmer ein Bild von Hitler? Jetzt bin ich erfolgreich in der Emigration und dann komme ich zu dir in einen jüdischen Haushalt und sehe das. Daraufhin meint der andere, ja ich weiß, es ist schrecklich, aber es hilft gegen Heimweh.“ Anders wiederum ist der nachfolgende „Witz“, auf den der Verfasser bei einer Recherche im Internet gestoßen ist, bei dem es um ein Größenverhältnis bei Juden geht. Zitat: „Wie groß war der größte Jude? – Vier Meter Stichflamme. Wie groß war der Kleinste?– Fünf Zentimeter Aschehaufen.“

Kathrin Ruth Lauppert-Scholz / Copyright: privat


Lauppert-Scholz ans Herz gelegt, sich einmal mit der Thematik des jüdischen Cartoons und dem im Ariella Verlag erschienenen Buch „#Antisemitismus für Anfänger“ zu beschäftigen, da es eine Erweiterung des jüdischen Witzes ist und zu dieser Witzkultur einen entscheidenden Beitrag liefert. Myriam Halberstam, die Herausgeberin dieses Buches, klärte dann vor allem auch den Unterschied zwischen dem jüdischen Witz und dem jüdischen Cartoon auf und verriet, wie sie zu ihrem Buchtitel „#Antisemitismus für Anfänger“ gekommen ist.

Der schmale Grat zum Antisemitismus Es stellt sich hier nun die Frage, ob es typische Merkmale gibt, woran man echte jüdische Witze, basierend auf Selbstironie und psychologischem Hintergrund, von Aussagen mit antisemitischem Hintergrund unterscheiden kann. Ein entscheidendes Merkmal zur Unterscheidung des Judenwitzes zum jüdischen Witz dient zum einen die Wortwahl in der Aussage sowie natürlich der Inhalt der Aussage oder des „Witzes“ selbst. Ein Judenwitz ist eine bösartige Form der Erzählung. Die Intention steht nicht auf der Seite des Judentums. Er ist zum einen zutiefst herablassend und verletzend Juden/Jüdinnen gegenüber und hat zum anderen geistige Tötungsabsichten. Der markanteste Unterschied der jüdischen Witzkultur ist jedoch, wenn man sie mit anderen Witzkulturen vergleicht, die Tatsache, dass sich jüdische Witze nur innerhalb des eigenen Kulturkreises und dessen Traditionen richten, also sich selbst zur Zielscheibe machen. Außerdem macht sich der jüdische Witz nicht über Schwächere und andere Minderheiten lustig und zielt nicht auf bösartige Aussage anderen gegenüber ab. In anderen Witzkulturen ist dies nicht immer der Fall, wie dieses Beispiel zeigt: „In Österreich gibt es viele dumme Menschen. Zum Glück fahren die alle nach dem Urlaub wieder zurück nach Deutschland.“

Myriam Halberstam / Copyright: Heike Steinweg

Festzuhalten ist, dass sich ein Cartoon vom reinen Witz vor allem darin unterscheidet, dass die Erzählform durch eine bildliche Darstellung nochmals

verstärkt wird. Somit lassen sich nicht nur jüngere Personen leichter davon begeistern, sondern auch jene Personengruppen, denen es an Zeit oder auch an Verständnis zum intellektuellen Gut fehlt. Im Zusammenhang mit dem Buchtitel weist Halberstam darauf hin, dass das Buch durch den Hashtag auf den ersten Blick auf eine jüngere Zielgruppe abziele. Es solle aber auch aufzeigen, dass man mit gesellschaftskritischen Themen auch Spaß haben kann, nicht nur, was deren mediale Aufarbeitung angeht, sondern auch Zugang für Personengruppen schafft, die dem Thema „Antisemitismus“ Zuneigung zeigen oder sich nie wirklich damit auseinandergesetzt haben. Denn es werde nicht nur selbstironisch die jüdische Witzkultur vermittelt, sondern auch die antisemitische Haltung bildlich zum Ausdruck gebracht und gegenübergestellt. Das Wichtigste beim Erzählen von Witzen ist, ein Verständnis dafür zu haben, dass nicht jeder Mensch denselben Humor hat und dass Witze in ihrem Inhalt auch verletzend gegenüber anderen Menschen und Kulturen sein kann. Witze dienen aber nicht nur dazu, sich zu amüsieren, sondern auch, wie es bei jüdischen Witzen der Fall ist, gesellschaftliche Missstände anzusprechen und eine sprachliche Möglichkeit darzustellen, um diese Missstände humorvoll zu verarbeiten und sie mit einem anderen Auge zu betrachten. Witze dienen schlussendlich dazu, Freude zu verbreiten und den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. von Michael Haas

© Copyright: adobe stick / Corinna

Diese Metapher hat definitiv nichts mit der Selbstironie und dem eigentlichen Humor des Judentums und dessen Witzkultur zu tun. Hier handelt es sich klar um eine diskriminierende Aussage mit antisemitischem Hintergrund, die Bezug nimmt auf die Ermordung der Juden, diese in Lächerliche zieht und so den Holocaust verharmlost. In dieser Form findet er nur in rechtsradikalen Gruppen Verwendung. SUMO stellt hiermit klar, dass das Zitat rein zur Veranschaulichung dient und wendet sich von jener Aussage klar ab. Auch die Interviewten wurden mit diesem konfrontiert und wenden sich von solch einer Aussage ab.

Cartoons und ihr Beitrag zur ­jüdischen Witzkultur Bei Recherchen über die jüdische Witzkultur ist SUMO nicht nur auf diverse Portale im Internet gestoßen, die sich dieser Erzählform widmen, sondern es wurde auch im Gespräch mit

Der jüdische Witz in den Medien

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„Alles, was im Fernsehen nicht langweilt, ist schon Unterhaltung“ Es ist ein Zitat von einem, der es wissen muss: Hans Rosenthal war einer der ganz großen deutschen Showmaster. Er reiht sich in eine Liste mit Peter Alexander, Rudi Carrell, Hans Joachim Kulenkampff & Co. Allesamt waren sie Personen, die das deutschsprachige Fernsehen in den 1960er und 1970er Jahren maßgeblich geprägt haben. Der heutige Blick auf die historischen Samstagabendshows verrät manch überraschende Erkenntnis über die heile TV-Welt der Nachkriegsgesellschaft und wenig überraschende Entwicklungen der Fernsehrezeption. Bei allen medialen Veränderungen: Schöne Erinnerungen an eine „gute alte Zeit“ vor den Bildschirmen bleiben aber. „Ich kann mich noch gut daran erinnern. Der Samstag war der einzige Tag der Woche, an dem wir auch abends fernsehen durften. Darauf haben wir uns vorher schon gefreut“, erinnert sich die heute 55-jährige Andrea Müller. Kurz vor 20.15 Uhr hat sich die ganze Familie vor dem Fernseher versammelt. Das Abendessen im Bauch, waren alle bereit für das Ereignis der Woche. Und ja, das war es: Ein Ereignis, wenn Rudi Carrells „Am laufenden Band“, Hans Joachim Kulenkampffs „Einer wird gewinnen“, Hans Rosenthals „Dalli Dalli“ oder Peter Frankenfelds „Musik ist Trumpf“ über die Bildschirme flimmerten. Dabei ging es vor allem um eines: Unterhaltung. „Da hat man an keine Schule und auch an sonst nichts gedacht. Wir haben einfach nur gelacht“, erzählt Andrea Müller. Die großen Showmaster habe man einfach gekannt. „Und nie vergessen“, ergänzt sie.

Eurovisions-Format im Verbund von Deutschland, Österreich und der Schweiz gewesen: „Fernsehen in Österreich war damals Fernsehen aus Österreich oder Eurovisions-Fernsehen“, sagt sie. Noch heute wissen FernsehzuseherInnen, dass sie gute Unterhaltung zu erwarten haben, wenn die Eurovisions-Melodie erklingt. „Die 1960er Jahre waren die Blütezeit der Samstagabend-Shows, das Fernsehen war zudem ein zentrales neues Medium und vor dem Fernseher zu sitzen, war an sich schon ein Ereignis“, erklärt Bernold. Das traf auf eine „fast noch unschuldige Freude an den Inhalten, große Themenbreite und ein konkurrenzloses Umfeld“,

Unique Selling Points der ­historischen Shows Unvergessen sind die großen Showmaster des deutschsprachigen Fernsehens zweifelsohne. Oliver Heidemann ist Leiter der ZDF-Hauptredaktion Show und ehemaliger Leiter der „Wetten, dass…?“-Redaktion. Im SUMOInterview bezeichnet er die großen Showmaster gar als „gefeierte SuperStars“. Ähnlich sieht es Monika Bernold, Zeithistorikerin und Kultur- und Medienwissenschafterin. Sie lehrt am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Die Moderatoren der Showformate der 1960er und 1970er Jahre sieht sie als „Gallionsfiguren“ der frühen Fernsehjahre. Das Besondere der historischen Samstagabendshows sei aber auch die Austragung als

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„Alles, was im Fernsehen nicht langweilt, ist schon Unterhaltung“ Thema

Monika Bernold / Copyright: privat

betont Oliver Heidemann. Und freilich: „Showmaster, die diese Bezeichnung verdienten.“ Die heutige Fernsehlandschaft ist mit jener der 1960er Jahre kaum mehr zu vergleichen. „Wir sprechen von einer


„Wir“-Gefühl in mehreren Hinsichten Dafür, dass die früheren Formate trotz ihrer Leichtigkeit so beliebt waren, sieht Oliver Heidemann einen Grund: „Der Wunsch nach ‚einfacher‘ Unterhaltung in einem Deutschland, das sich langsam aus den Nachkriegsjahren herausgeschält hatte, war noch immer immens.“ Vielleicht war die Epoche der Nachkriegszeit gerade die richtige, lieferte den fruchtbarsten Boden für Unterhaltungsshows im noch jungen Medium Fernsehen. Die Nachkriegsgesellschaft im deutschsprachigen Raum wird auch in der Dokumentation „Kulenkampffs Schuhe“ von Regina Schilling aus dem Jahr 2018 gut aufgearbeitet und in einen Kontext mit der Biografie ihres eigenen Vaters und jener der drei Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff, Hans Rosenthal und Peter Alexander gesetzt. Die Samstagabendshows seien ein passendes Format gewesen, um Hoffnung zu vermitteln. Aber auch um eine „heile Welt“ zu erfahren, betont Monika Bernold. Viel mehr noch: „Es hat sowohl auf Seiten der Moderatoren als auch des Publikums mit der Verarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit als Verdrängung zu tun.“

Kulenkampff und Alexander waren bei der Wehrmacht, Rosenthal hatte den Holocaust als Jude überlebt. „Die Samstagabendshows waren ein Ort, an dem diese unterschiedlichen Erfahrungen öffentlich unbesprochen bleiben mussten und konnten“, sagt Monika Bernold. Ein Wir-Gefühl wurde aber auch durchs Fernsehen an sich erzeugt und wirkte sich auf die nationale Identität aus. „Es war wichtig für das Zugehörigkeitsgefühl zum demokratischen Staat“, erklärt sie. Gleichzeitig sei auch bei den Fernsehanstalten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ein Wir-Gefühl entstanden.

Oliver Heidemann / Copyright: ZDF: Kerstin Bänsch

Welche Rolle der Showmaster spielte Peter Alexander, Rudi Carrell, Hans Rosenthal und ihre Kollegen seien regelrechte Identifikationsfiguren gewesen, meint Oliver Heidemann: „Sie waren Leitfiguren, an denen die Leute hochsahen, die Vorbilder wurden und Werte transportierten.“ Als solche haben sie zum Erfolg ihrer Formate beigetragen. Wie sehr, das verdeutlicht Heidemann an einem Beispiel: der kurze Wechsel bei „Wetten, dass…?“ von Thomas Gottschalk zu Wolfgang Lippert. „Hier sah man, wie wichtig der richtige Kopf für die Show war. Ich glaube, dass diese ganz große Identifikation heute nicht mehr gilt. Es gibt noch ein paar Ikonen wie Jauch, Gottschalk und Elstner. Aber das sind ja auch die, die noch an die gute alte Zeit erinnern.“ Dass einige der großen Showmaster aus dem Schauspiel kamen, sei ein Vorteil gewesen, sagt Monika Bernold. Und was sie noch ausmachte: „Sie trafen einfach

den Tonfall der Zeit.“ Bei aller Anerkennung bleibt aus heutiger Sicht aber eine Frage: Können Showmaster auch weiblich sein? Es habe sich einiges verändert, sagt Bernold. Also ja, Showmaster können auch weiblich sein. Aktuelles Beispiel: Arabella Kiesbauer als „Starmania“-Moderatorin. Auch Oliver Heidemann beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja: „In manchen Bereichen wurde in den letzten Jahren aber zu wenig für weibliche Hosts getan, viele haben das mittlerweile erkannt. Bei uns im ZDF haben wir uns bewusst aktuell für neue weibliche Hosts entschieden, die auch in der Primetime präsent sind.“ Zentrales Element der Unterhaltungsshow sei der testierende Blick des Publikums auf die Kompetenzen der Mitwirkenden, betont Monika Bernold. Eine Show, die genau das angesprochen hat, war sicher auch „Wetten, dass…?“. Der frühere Redaktionsleiter Oliver Heidemann spricht von „immensen“ Vorbereitungsarbeiten inklusive Recherche und Tests der Wetten. „Nicht jede Bewerbung, die sich gut anhörte, schaffte es auch in die Show“, erinnert er sich. Wichtige Schritte waren auch technische Umsetzung und Inszenierung: „Jemand, der treffsicher Gegenstände in kleine Löcher wirft, was kann das sein? Am Ende wurde es ein Getränkeautomat und Flaschen, die aus großer Entfernung eingeworfen wurden. Besonders aufwändig waren auch Stadt- und Außenwetten.“ Dazu noch die Vorbereitung auf die Stars – etwa die richtige Bühne für Miley Cyrus oder Herbert Grönemeyer. Und die Frage aller Fragen: „Welche Superstars kommen auf die Couch?“, erzählt er: „Viele Gespräche, viel Abstimmung und viel Nervosität bis kurz vor der Live-Show. Ist Silvester Stallone pünktlich? Gefällt den Stars ihre Wetteinlösung? Spoiler: nicht immer. Dazu viel Pressearbeit und Kommunikation, ‚Wetten, dass…?‘ war wohl die Show mit dem größtmöglichen öffentlichen Interesse. Für uns war es Stress pur, aber auch die geilste Show ever.“

„Es war eine tolle Zeit, auf Wiedersehen“

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Zeit, in der Fernsehen ein neues Medium war und sich langsam durchzusetzen beginnt“, erklärt Monika Bernold. Auch die Ausstattung der Haushalte mit TV-Geräten sei noch auf einem geringen Level gewesen, von einer Sättigung könne erst in den 1970er Jahren gesprochen werden. Um den Erfolg der historischen Samstagabendshows zu verstehen, müsse man den zeitlichen Kontext sehen, sagt auch Oliver Heidemann: „Diese großen Familienshows trafen auf ein Publikum, das nur ARD und ZDF kannte – keine DVDs, Videotheken und Streamer.“ Selbst die Alternativen Kino oder Theater wurden von der breiten Bevölkerung eher selten genutzt. Spiele, wie es sie bei „Dalli Dalli“ oder „Am laufenden Band“ gab, würden heutige RezipientInnen wohl als „Kindergeburtstag“ bezeichnen, meint er: „Andere Shows, wie die von Peter Alexander, lebten von einem hochtalentierten Entertainer und einem Programm, das vom Operngesang bis zum Klamauk reichte.“ Die Inhalte haben dennoch Generationsgrenzen überschritten, Großeltern und Enkelkinder gleichermaßen erreicht. „Die heutige Fragmentierung war noch Lichtjahre entfernt. All diese Shows begeisterten aber ein Publikum oberhalb der 20 Millionen-Grenze“, weiß Oliver Heidemann.

Auch dieses Zitat stammt von einem der ganz großen Showmaster – nämlich Thomas Gottschalk. Er hat sie anlässlich seines Abschiedes von „Wetten, dass…?“ im Jahr 2011 gesagt. Drei Jahre später nahmen die deutschsprachigen Fernsehnationen ganz Abschied von der beliebten Show. Für manche galt sie als die „letzte große Samstagabendshow“. Jedes der bisher

„Alles, was im Fernsehen nicht langweilt, ist schon Unterhaltung“ Thema

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genannten Formate hatte seinen Erfolg. Auch jedes der bisher genannten Formate kam irgendwann zu einem Ende. Warum musste es kommen? Als Hauptgrund nennt Zeithistorikerin und Medienwissenschafterin Monika Bernold die veränderte Medienkonstellation mit vielen neuen Angeboten und starker Konkurrenz. Ganz verschwunden sei die Samstagabendshow aber nicht, Elemente hätten sich vielmehr verändert und wurden adaptiert. „Der Unterhaltungsaspekt des Testens hat sich auch in Richtung Social Media verschoben“, sagt sie. Der Fernsehmarkt hat sich im Laufe der Jahrzehnte freilich verändert, das öffentlich-rechtliche Fernsehen konkurriert nun mit globalen Playern. Gerade im politischen und sportlichen Bereich bleibe dem TV ein gewisses Ereignisformat. Den heutigen Fernsehmarkt sieht Oliver Heidemann fragmentiert. Prägendes Element ist das Non-lineare. „Die ganz große Zeit dieser Shows ist vorbei. Hin und wieder gelingen große Publikumserfolge – der‘ Eurovision Song Contest‘, der 80. Geburtstag von Udo Jürgens oder unser einmaliges ‚Wetten, dass…?‘ im Herbst können es schaffen. Das sind aber Ausnahmen“, fasst er zusammen. Noch einmal zurück zu Andrea Müller. Woran sie sich erinnert, wenn sie an die Samstagabendshows ihrer Kindheit denkt, sind nicht die genauen Inhalte der Shows. Es ist das eine ganz bestimmte Gefühl, das bis heute geblieben sein muss. Obwohl, ein Detail fällt ihr dann doch ein: „Hans Joachim Kulenkampff hat bei ‚Einer wird gewinnen‘ zum Schluss immer Mantel und Schal überreicht bekommen.“ Von Anna Hohenbichler

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„Alles, was im Fernsehen nicht langweilt, ist schon Unterhaltung“


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Wie Schlager von Helene Fischer und Co. auf den Menschen wirken Egal ob Helene Fischer, Andreas Gabalier oder Beatrice Egli: Nahezu jedem/r sind diese Namen ein Begriff. Mit ihren Hits erreichen sie nicht nur Millionen von Menschen, sondern füllen ganze Stadien. Doch welche genauen Wirkungen auf den Menschen haben eigentlich die Schlagersongs dieser Stars? SUMO interviewte dazu Schlagerexperte Andy Zahradnik und Wirkungsforscher sowie Musikpsychologe Felix Thiesen (Univ. Würzburg).

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Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse haben sowohl im Jahr 2018 als auch 2019 rund 14,9 Millionen Deutsche die Musikrichtung Schlager besonders gerne gehört. Neben Oldies, Pop und Rap ist die Schlager-Musik einer der beliebtesten Musikgenres der Menschen. Wirkungsforscher sowie Musikpsychologe Felix Thiesen bestätigt diesen Trend: „Die Zielgruppe des Schlagers ist nach wie vor sehr groß und divers. In das Genre sind insbesondere in den letzten zehn Jahren viele sehr unterschiedliche, musikalische Stilmittel eingegangen. Neben der Verständlichkeit der deutschsprachigen Texte ist es sicherlich diese Vielgestaltigkeit, die viele SchlagerhörerInnen anspricht.“ Dass Schlager sowohl ältere als auch jüngere Menschen fasziniert, zeigt ebenso eine Analyse des Marktforschungsinstitutes Spectra. Bei einer Befragung von 1.024 ÖsterreicherInnen im Jahr 2018 haben 30% der 30- bis 49-jährigen und 64% der 50- bis 65-jährigen angegeben, dass dieses ihr liebstes Musikgenre ist. Der Wiener Schlagerexperte Andy Zahradnik fügt ergänzend hinzu, dass sich mehrere Generationen für unterschiedliche Schlagerrichtungen interessieren. Während der klassische Schlager von zum Beispiel Andy Borg eher für ältere interessant sei, bewege jüngere Menschen vor allem der volkstümliche und PopSchlager von unter anderem Melissa Naschenweng und Andreas Gabalier.

Modernisierung „Wie alles in der Musikwirtschaft hat sich auch der Schlager über die Jahre hinweg verändert“, erklärt Andy Zharadnik. An besonders großer Beliebtheit erfreute sich der Schlager erstmalig in den 1950er Jahren. Im Laufe der Zeit haben allerdings andere musikalische Spielarten und Tendenzen zur Modernisierung auf dieses Musikgenre

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eingewirkt. Durch verschiedene junge und moderne Treiber, wie zum Beispiel Melissa Naschenweng, Andreas Gablier oder Kerstin Ott, wurden der Schlager und die Themen die darin vorkommen stark verjüngt. Zudem spielte auch die Unterhaltung im Bereich des Schlagers im Laufe der Zeit eine immer bedeutsamere Rolle. Orte wie der „Ballermann“ und diverse Après-Ski-Hütten wurden unter anderem zum Mittelpunkt dieser Musikrichtung. Neben all dem hebt Zahradnik ebenfalls die Veränderungen der Wertschöpfungskette von Schlagersongs hervor. Während der klassische Schlager nach wie vor auf das Hauptverkaufsprodukt CD setze, fokussiere sich der volkstümliche und Pop-Schlager auf verschiedene Streaming-Plattformen. Grund dafür sind die diversen Zielgruppen, die einen unterschiedlichen Zugang zu den Schlagersongs und der Digitalisierung aufweisen. Darüber hinaus betont Zahradnik, dass sich auch die mediale Begleitung des Schlagers über die Jahre hinweg verändert habe. Heutzutage spielen Schlagerhits lediglich eine untergeordnete Rolle in diversen Fernsehshows, denn die Zahl der einschlägigen TVShows im deutschsprachigen Raum hat sich in den vergangenen zehn Jahren massiv verringert.

Die Wirkungen auf den Menschen Laut Felix Thiesen wird der Schlager aufgrund unterschiedlicher Nutzungsmotive sehr gerne gehört. Zu den wichtigsten zählt hierbei vor allem die Stimmungsregulation. „Die oft einfachen emotionalen Muster des Schlagers machen es leicht, sich in eine gewünschte Stimmung zu versetzen. Tatsächlich ist diese sogenannte Emotionsregulation nicht nur für Schlager-Fans, sondern für die meisten MusikhörerInnen ein bedeutsames Nutzungsmotiv.

Schlager und ihre Wirkung auf den Menschen


Häufig schalten wir Musik an, wenn wir unsere Stimmung in eine bestimmte Richtung verändern wollen. Hinzu kommt, dass besonders die sogenannten Party-Schlager natürlich sehr bewusst gute Laune versprühen und zum Feiern animieren wollen.“ Dieser Behauptung schließt sich Andy Zahradnik an und betont, dass kein Musikgenre so stark emotionalisiere wie der Schlager. „Wenn Schlager zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Themen trifft, dann werden unterschiedliche Emotionen bei den Menschen ausgelöst“, fügt er hinzu. Schlager kann allerdings nicht nur Freude und gute Laune bei den Leuten auslösen, sondern auch Trauer. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die Menschen in den Texten der Schlagersongs wiederfinden können. Die Gründe für die diversen Auswirkungen sind zum einen die einfachen emotionalen Muster und zum anderen die Sprache. Die einheitliche Sprache kann speziell im deutschen Sprachraum leicht verstanden und unter Umständen auch besser nachvollzogen werden. Ein weiterer Grund sind die InterpretInnen, denn nicht nur die Melodie und der Text, sondern auch die jeweiligen Schlagerstars sind für die Wirkungen auf die Menschen verantwortlich. „Schlagerstars müssen zu ihren Liedern stehen und diese vertreten, denn dann wirken sich ihre Songs noch intensiver auf die Menschen aus“, so Andy Zahradnik.

Andere Genres nehmen ­Einfluss auf den Schlager

heutigen Schlagerlieder ähnliche Elemente beinhalten. Besonders oft kann man heutzutage in diversen Schlagerliedern Reggaeton-Elemente und unterschiedlichen Entwicklungen aus der Popmusik vorfinden. „Obwohl sich die Schlagerszene stark inspirieren lässt, ist sie sehr lebendig und wird dies auch noch in Zukunft aufgrund neuer AkteurInnen sein“, hält Thiesen abschließend fest. Ob via Rustikal-Rock, Herzenswärme in Autotune oder Allgäuer Schlager-Rap – die Stadien werden wieder erklingen.

von Kathrin Plchot

Felix Thiesen / Copyright: Gerhard Bayer

Auf die Frage, ob der Schlager nicht nur Menschen, sondern eventuell auch andere Musikgenres beeinflusse, antwortet Felix Thiesen mit einem klaren Nein. „Der Schlager hat die Eigenschaft, dass er offen für andere Einflüsse ist und Elemente sehr unterschiedlicher Musikgenres in sich aufnimmt – und das seit Jahrzehnten. So können heutzutage sowohl in der Komposition als auch in der Produktion bestimmte Teile von anderen Musikrichtungen vorgefunden werden“, erklärt der promovierte Musikpsychologe. Demnach werde der Schlager viel mehr von anderen Musikgenres beeinflusst als umgekehrt. Auch Zharadnik sieht, dass andere Musikrichtungen Einfluss auf das Genre nehmen. Er beschreibt die Musikwirtschaft als ein Geben sowie Nehmen und sagt: „Wenn man merkt, dass die Musik von Menschen gemocht wird und diese gut ankommt, dann bringt das auch automatisch NachahmerInnen mit sich.“ Da sich in den Charts vor allem Lieder mit Beats und schnellen Rhythmen befinden, sei es naheliegend, dass die

Andy Zahradnik / Copyright: Mican

Schlager und ihre Wirkung auf den Menschen

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Was Menschen zur Selbstdarstellung im Fernsehen bewegt „Shine bright like a diamond“, forderte Rihanna einst wohl auch für sich. Das Scheinen (wie auch der Schein) in der medialen Selbstdarstellung ist ein altes Phänomen, ob des Booms an Casting- und Talent-Show-Formaten gerade in Zeiten internetbasierter Plattformen jedoch wurde es massiver, sich in den Mittelpunkt zu stellen. SUMO sprach über ihre Beweggründe daran teilzunehmen mit Michael Russ, Semifinalist der bei „The Voice of Germany“ 2017 und Teilnehmer bei „Starmania 21“, sowie mit dem Finalisten von „Starmania 21“ Fred Owusu. Die Faszination einer Castingshow lebt von der Idee dahinter: ein Mensch mit einem Talent im Zentrum, ringsum als bedeutsam erachtete JurorInnen, deren pointierte oder bissige Beurteilungen wiederum jene des Publikums anheizen. Bei Singer-Songwriter Michael Russ begann die Faszination schon im jungen Alter, als er gemeinsam mit seinen Eltern Formate wie „The Voice of Germany“ („ProSieben“/„SAT.1“) oder „Die große Chance“ (ORF) vor dem TV-Gerät mitverfolgte. Er kann sich auch noch gut an jenes Konzert erinnern, das die FinalistInnen der ersten Staffel von „Starmania“ (ORF) 2003 gaben, und an ein gemeinsames Foto mit Gewinner Michael Tschuggnall und Christina Stürmer, die bekanntlich nach ihrer Teilnahme große Erfolge feierte. Seine Mutter war es dann, die ihn auf die Bewerberauswahl in München für die siebente Staffel von „The Voice of Germany“ aufmerksam machte, was er als Chance sah, um vielleicht einem Leben als Student entkommen zu können. An Talent habe es ihm nie gefehlt, jedoch fehlte ihm trotz musikalischer Erfahrung in seiner Band die Selbsteinschätzung, um von sich aus den Schritt zu wagen, bei einer Castingshow mitzuwirken. Dies ist durchaus häufig der Fall – ob im Sport, in der Musik oder Schauspielerei –, Talente wie der kolumbianische Reggaeton-Sänger Maluma oder Rennfahrer Lewis Hamilton wurden erst aufgrund der Förderung ihrer Eltern zu dem, was sie heute sind.

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Eine ähnliche Erfahrung teilt auch Fred Owusu, Finalist von „Starmania 21“, bei dem es eine Freundin war, die Wochen davor immer wieder versuchte, ihn zum Casting zu überreden und die ihn schlussendlich für die Show registrierte. Dass es dazu auch Mut benötigt, betont Fred in seinem Interview mit SUMO. Auch seine Schüchternheit war es, die ihn vor dem Schritt der Selbstinszenierung auf einer Bühne ferngehalten hat, denn im Unterschied zu Michael hatte Fred bis zu jenem Zeitpunkt keine Erfahrung diesbezüglich sammeln können. Den letzten Schritt musste Fred schließlich selbst tun und so bewarb

Fred Owusu / Copyright: Dominic Erschen

Was Menschen zur Selbstdarstellung im Fernsehen bewegt

er sich am letzten Tag der Anmeldefrist offiziell mit eine Casting-Video, bei dem er einen ausgewählten Song covern musste. Gleichwohl wurde er unter den zahlreichen BewerberInnen einer von insgesamt 64 KandidatInnen, der sich in den ersten Runden der Liveshow beweisen durfte.

Das Konzept hinter dem TV-Format Vom Prinzip her sind Castingshows alle gleich, da es immer darum geht, Menschen gegeneinander antreten zu lassen, die von einer Fachjury bewertet und Runde für Runde weniger werdend weitergewählt werden. Ziel ist es, am Ende eine/n Sieger/in zu finden. Es gibt Unterschiede in der Vorauswahl und der Aufbereitung der Shows, jedoch ist der Ablauf ein strikter, da dieses TV-Format mit viel Zeit, Geld sowie Rechten und Pflichten verbunden ist. Umso bemerkenswerter sei es jedoch, dass hier und da auch einmal improvisiert werde, erzählt Fred. Vokal-Coaches sowie ChoreografInnen stehen während des Prozesses zur Verfügung, die Runde für Runde ihre Schützlinge auf ihren Auftritt vorbereiten. Es sei vorgekommen, dass sich aber der eine oder die andere auf tänzerische „Moves“ verließ. Dass dies ein Risiko für den Auftritt sei und somit volles Vertrauen untereinander herrschen müsse, zeuge von Qualität und ließ so manche Hüllen fallen, wie


Fred es bei einem seiner Finalauftritte präsentierte. Anders hingegen sei es laut Michael bei „The Voice of Germany“: Sogenannte „Shoot-Out-Runden“ sorgen dafür, dass nur die Besten aus willkürlich zusammengesetzten Fünfergruppen weiterkommen, denen jeweils ein Song zugewiesen wird, den sie dann im A-cappella-Stil vorsingen müssen. Pro Gruppe kam immer eine/r weiter, die wiederum gegeneinander antreten mussten. Dies zog sich so lange hin, bis die gesuchte Anzahl an KandidatInnen feststand. Michael findet dies schade, da so viele gute Talente dabei wären, dass man selbst die Casting-Runden ausstrahlen hätte müssen. Die Chance zu bekommen, unter all den talentierten BewerberInnen dabei sein können, war für ihn zusätzliche Motivation. „Für einen, der so eine Erfahrung noch nie erlebt hat, stellt sich erst gar nicht die Frage, zu welchem Zweck man mitmacht.“ Ihm ging es dabei nie um den Sieg, Dabeisein und Erfahrung zählten. Ebenso sieht das Fred, der trotz des eher „ungewollten Dabeiseins“, nachdem er als Liveshow-Kandidat kontaktiert wurde, niemals an das Aufgeben dachte. Dass sich Michael im „Team Mark Forster“ bis ins Halbfinale beweisen konnte, war nicht nur für ihn ein Highlight. Familie und FreundInnen waren treue Wegbegleiter, die es auch brauchte, da nicht nur eine Flut an Nachrichten über ihn und in seine sozialen Netzwerke hereinprasselte, als zu Beginn die erste Blindaudition von Michael im Fernsehen ausgestrahlt wurde, sondern auch der Druck wuchs und mit ihm die Gedanken hinsichtlich seiner

musikalischen Zukunft. Mit seiner Teilnahme bei „The Voice“ folgten Anfragen zu Liveauftritten und desgleichen, mit dem er zu Beginn nicht gerechnet hätte. So berichtet er von möglichen Chancen, die er aufgrund von Unerfahrenheit ausließ. Ins Kapitel „Starmania 21“ ging er hingegen mit einem klaren Plan vor Augen und der Unterstützung seines Labels „Global Rockstar“, bei dem der Sänger seit Frühjahr 2020 unter Vertrag ist.

Diesmal erst recht! Neben dem Faktor „No risk, no fun“ war sich Michael diesmal auch der strategischen Komponente bewusst und wollte dort weitermachen, wo er bei „The Voice of Germany“ aufhörte – nämlich nach oben. Zum Zeitpunkt des SUMOInterviews (April 2021) war der junge Künstler im Tonstudio am Proben für seinen nächsten Auftritt bei „Starmania 21“, für Liveauftritte sowie den Release einzelner Singles. Denn gerade für Newcomers ist das Format eine der größten Chancen, Aufmerksamkeit und Reichweite zu generieren und so nicht nur seinem Talent freien Lauf zu lassen, sondern vor allem Promotion zu erzielen. Dies verlangt nicht nur Selbstbewusstsein nach außen hin, sondern viel Arbeit, die im Rampenlicht kaum sichtbar ist. Auch Fred Owusu investiert viel Zeit und Leidenschaft in neue Demo-Recordings. Er, der nebenbei studiert, ist sich des Gesetzes der Musikindustrie bewusst.

dir sagen würde, dass es auch einmal auf einer Castingshow-Bühne stehen möchte? Owusu: Erstmals würde ich das Kind fragen, ob es auch tatsächlich das ist, was es tun möchte; denn es gibt einen Unterschied, ob die Leidenschaft zur Musik dabei im Vordergrund steht oder der Entertainment-Faktor. Wenn es die Leidenschaft ist, die das Kind dazu bewegt, mitmachen zu wollen, dann auf jeden Fall. Wichtig dabei ist, dass man das Ganze ohne Druck macht, denn seine eigenen Erwartungen zu erfüllen, ist oftmals der falsche Ansatz und führt zu Enttäuschung. Dass die beiden Musiker optimistisch bleiben, was ihre Zukunft im Musikbusiness angeht und sie jedem/r Musiker/ in empfehlen würden, einmal selbst Teil einer Castingshow zu sein, zeigt, dass es nicht nur um den Faktor des Entertainment des Publikums geht, sondern auch tatsächlichen Talenten neue Türen zu öffnen und ihnen eine Plattform zu bieten, die es ihnen ermöglicht, sich öffentlich beweisen zu können. Was jedoch bleibt, ist die härteste Währung in der Mediengesellschaft: die Ökonomie der Aufmerksamkeit. Und diese sinkt im Fernsehen stetig: Lag die durchschnittliche Zuseherzahl von „The Voice of Germany“ in Deutschland bei der ersten Staffel 2012 noch bei knapp 4,2 Millionen, waren es 2020 nur mehr rund 2,7 Millionen. Aufmerksamkeit ist ein inflationäres Gut. von Michael Haas

SUMO: Was würdest du einem achtjährigen Kind mitgeben, wenn es zu

Michael Russ / Copyright: Markus Krampl

Was Menschen zur Selbstdarstellung im Fernsehen bewegt

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„How entertaining is key accounting?“ „Sehr“, weiß Daniela Grilnberger, BA – Absolventin der FH St. Pölten – zu berichten. Daniela arbeitet mittlerweile als Junior Account Managerin bei Publicis Media Austria in Wien. Mit SUMO sprach sie über ihre bisherigen Erfahrungen, ihre Ziele, die Herausforderungen, wie es ist mitten in einer weltweiten Pandemie in die Berufswelt einzutauchen und was genau der Osterhase mit ihrem neuen Job zu tun hat.

© Publicis Media Austria GmbH

SUMO: Hallo Daniela, danke vorab für das Gespräch. Du arbeitest in einer der größten Mediaagenturen Österreichs. Was war denn der ausschlaggebende Grund dafür? Daniela Grilnberger: Das sind einige! Media basiert auf Daten und nicht auf persönlichen Gefühlen. Ich liebe es, Kunden fundiert – auf Basis von repräsentativen Studien – beraten zu dürfen. Es ist ein gutes Gefühl, dass mir ein so

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Daniela Grilnberger im Interview

großes Vertrauen entgegengebracht wird und ich die Möglichkeit habe, eine starke Marke zu erschaffen bzw. zu fördern. Zum anderen kann man sich mit Media, entgegen vieler Vorurteile, auch kreativ austoben. Die Kombination aus handfesten Zahlen, kreativen ­Möglichkeiten und – wie es in meinem Fall ist – Kundenkontakt ist perfekt, weil ich unglaublich gerne mit Menschen zusammenarbeite. SUMO: Was waren die Beweggründe, dass du gleich nach dem Studium einem so großen Konzern wie Publicis Media als ersten Arbeitgeber ausgewählt hast? Grilnberger: In so einem Konzern hat man große Ressourcen an Wissen und viele Weiterentwicklungsmöglichkeiten, welche mir persönlich sehr wichtig sind. Zusätzlich profitiert man von dem großen internationalen Netzwerk und Marcel, unserer Informationsplattform, auf die alle Mitarbeiter weltweit Zugriff haben. Man hat internationale Groß­ kunden, mit denen man zusammenarbeiten darf, und die Möglichkeit, eines Tages ins Ausland zu gehen. Generell bin ich der Meinung, dass der berufliche Aufstieg leichter ist, wenn man in einer

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großen Agentur anfängt. Man muss sich jeden Tag großen Kunden und Herausforderungen stellen, an denen man Inserat-PMA-Jobs-Lo3-RZ.indd 1 nicht nur beruflich, sondern vor allem auch persönlich wächst. SUMO: Du arbeitest gerne mit Menschen. Wie war das aber anlässlich einer Pandemie, wenn deine Kollegen wie auch Kunden im Home Office sitzen und man sich nur per Videochat kennenlernt? Grilnberger: Das ist freilich eine besondere Situation. Aber hier kristallisiert sich heraus, wie viel Wert jeder einzelne Mitarbeiter einem Unternehmen ist – und da war ich sehr positiv beeindruckt. Vor allem wenn einem etwa zu Ostern ein Schokohase nachhause geschickt wird (lacht). Oder wir uns online zu Abend­ events treffen. Ich würde den Start im Home Office als virtuell, aber doch sehr persönlich zusammenfassen. SUMO: Du arbeitest als Junior Account Managerin. Das Rahmenthema dieser SUMO-Ausgabe lautet „Entertainment“: How entertaining is key accounting? Grilnberger: Very entertaining (lacht)! Aber es liegt an einem selbst, was man daraus macht. In meinem Fall achte ich darauf, etwas Besonderes daraus zu machen. Ich habe natürlich Studien als Basis und leite davon meine Strategien fundiert ab. Jedoch schaue ich immer, ob ich noch eine On-Top-Idee, vielleicht sogar eine First-Mover-Idee präsentieren kann, um die Kunden zu begeistern. Zum einen ist es spannend, solche Ideen zu entwickeln, zum anderen natürlich auch zu sehen, wie sie bei den Kunden ankommen. SUMO: Im Media-Bereich hast du natürlich mit Medien zu tun. Welche Medien nutzt du selbst? Grilnberger: Sehr viele! Im Hintergrund ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

läuft immer das Radio und ich schaue viel lineares TV – weil ich natürlich meine eigenen Werbungen anschauen möchte (lacht). Durch den Job hat sich mein Mediennutzungsverhalten geändert, weil ich beispielsweise Kunden habe, für welche wir viele Print-Umsetzungen machen. Die entsprechenden Magazine bekomme ich nachhause geliefert und schaue sie aktiv durch. Wegen meiner eigenen Kunden und um auf die Konkurrenz zu achten. Gesamt nutze ich sicher jetzt ein viel breiteres Spektrum. Generell würde ich sagen, dass ich mit offenen Augen durch die (Media-)Welt gehe. SUMO: Pointiert gefragt: Welchen Einfluss möchtest du auf die europäische Medienlandschaft nehmen? Grilnberger: Ich habe tatsächlich ein paar große Ziele. Einerseits möchte ich zeigen, dass man als Frau – und vor allem auch als junge Frau – K ­ arriere machen kann, und nur weil man aus einem kleinen Ort kommt, heißt das nicht, dass die Träume an der Ortsgrenze abgegeben werden. Andererseits habe ich das Ziel, dass ich irgendwann einmal für mein Spezialgebiet bekannt bin und wenn ­ Kollegen über dieses sprechen, mich sofort damit assoziieren. Mein Herzensthema ist, dass ich auf die Branche einen guten moralischen und ethischen Einfluss nehmen möchte – aus diesem Grund bin ich auch beim jungen Werberat. SUMO: Wie steht es bei Publicis Media um Weiterbildungsprogramme? Grilnberger: Weiterbildung ist bei uns ein zentrales Thema. Durch das große internationale Netzwerk bieten sich viele globale Möglichkeiten; außerdem gibt es bei uns interne Trainingspläne und ­ -plattformen. Und auch bei den vereinbarten Jahreszielen spielt der Trainingsplan eine große Rolle.

Zusätzlich habe ich einmal in der Woche ein Gespräch mit meiner direkten

27.05.21 11:38 Vorgesetzten. Hier geht es um mein Wohlbefinden, meine Herausforderungen und Ziele sowie Themen, bei denen sie mich vielleicht unterstützen kann. So gefördert zu werden ist mit Sicherheit keine Selbstverständlichkeit und weiß ich sehr zu schätzen. SUMO: Wie lautet dein erstes Resümee nach einem halben Jahr Arbeit bei ­Publicis Media? Grilnberger: Kurz und knapp: Es ist ein sehr herausfordernder Job, bei dem man gute Nerven braucht, aber wenn man die richtigen und – in meinem Fall – un­glaub­lich tollen Menschen an seiner Seite hat, ergibt sich jeden Tag die Möglichkeit, über sich selbst hinauszuwachsen. SUMO: Stichwort „hinauswachsen“: Wie siehst du deine zukünftige Rolle in der Agentur? Grilnberger: Mein nächstes Ziel ist der Aufstieg zum Account Manager – dafür habe ich auch meine persönlichen Timings, die ich versuche ­einzuhalten. In so einem großen Netzwerk ist natürlich auch der Schritt ins Ausland sehr verlockend. Ich bin jedenfalls offen und gespannt, welche Wege sich mir in Zukunft noch bereiten werden. SUMO: Unser Gespräch erscheint in einem studentischen Medienfach­ magazin. Was würdest du Studierenden aus diesen Bereichen auf ihrem Karriereweg empfehlen? Grilnberger: An seine Träume zu glauben, sich nicht unterbuttern lassen, wissen, was man gelernt hat und dieses Wissen zeigen. Man muss Chancen nutzen, darf nicht schüchtern sein und in den Momenten, wo es darauf an­­ kommt, zeigen was in einem steckt.

Daniela Grilnberger im Interview

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„Da kann ich mich daschiaßn als Nachrichtensatiriker“ Mit einem seriösen Auftreten und Fragen, die sich sonst vielleicht keiner zu stellen traut, ist Satire-Reporter Peter Klien DIE mediale Kultfigur der Stunde - vom Publikum geliebt, von Politikern gefürchtet. Ein Gespräch über die Grenzen der Satire, die Dünnhäutigkeit der ÖVP, Schmerzensschreie der Politik, den direkten Draht aus dem Bundeskanzleramt in den ORF und seinem Verhältnis zu Herbert Kickl. Und nicht zuletzt auch über die Verhaberung in Österreich und die positiven Seiten des Nichts-Tuns. SUMO: Peter Klien, Sie haben als Briefträger und in der ORF-Wissenschaftsredaktion gejobbt, Gedichte geschrieben, sind leidenschaftlicher Hobbykicker und riesiger Yoga Fan, Universitätslektor für Philosophie, Bibliothekar der TU Wien, Pressesprecher des österreichischen Bibliotheken Verbundes, Gag-Schreiber und Außenreporter von „Willkommen Österreich“, Journalist für den „online-Wiener“, „Millionenshow“ Kandidat, Sänger, LateNight Host von „Gute Nacht Österreich“ (GNÖ), Moderator für Ö1 in der Sendung „Neue Musik im Härtetest“, haben die Schauspielschule besucht und sind nicht zuletzt Bergbauer im Ötztal! Klien: Gut, nachdem sie mehr oder weniger mein Leben zusammengefasst haben, sind wir durch. (lacht) SUMO: Wie passt das zusammen, wie sind Sie in die Satire gerutscht? Klien: Na ja, das hat schon länger in mir geschlummert. Ich habe schon immer gerne Kabarett gehabt. Ich habe als Kind schon gerne den Komikern auf der Theaterbühne zugeschaut. Es hat mich immer schon selbst fasziniert, Witze auszuprobieren zum Beispiel auf irgendwelchen Kinderlagern am Lagerfeuer was zu spielen, und dann zu schauen, ob irgendwer lacht. Dementsprechend habe ich mir schon nach der Matura überlegt eine Kabarettkarriere einzuschlagen, hab davor schon mit Freunden Bühnenszenen geschrieben und aufgeführt. Ich habe mich aber doch dagegen entschieden, das professionell zu machen und hab gesagt, ich studiere etwas Vernünftiges. Hab mich dann, damit ich viel Geld verdiene für Philosophie entschieden. Nein, natürlich nicht. (lacht) Hat nicht zu großem Reichtum geführt. Es hat sich erst über die Jahre gezeigt, dass es für mich die größte Freude ist, auf der Bühne zu stehen. SUMO: Warum braucht es Satire, es gibt ja normale Nachrichten? Klien: Eine abgedroschene Rede sagt ja, dass die Realität die Satire permanent überholt. Die Chats, die

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aufgetaucht sind zwischen dem Bundeskanzler, dem Finanzminister und dem Chef der ÖBAG, haben natürlich in vielerlei Hinsicht Satire-Potenzial. In GNÖ habe ich Chats innerhalb der Bundesregierung präsentiert, die wahrscheinlich gar nicht so lustig waren, wie die echten Chats. Von daher mag schon etwas dran sein, dass die Realität die Satire überholt hat. Allerdings bin ich der fixen Überzeugung, dass es Satire als eigene Schiene braucht. Wenn man jetzt nach den Gründen suchen würde - ich bleib jetzt bei GNÖ ist es glaube ich schon ein Faktum, dass die Menschen nach der Mischung zwischen Fakten, harten Fakten und vielleicht Fakten, die gar nicht so eingängig sind, suchen. Eine Mischung aus Fakten, mit einer satirischen Präsentation, mit einem Augenzwinkern, mit einem Schmäh zwischendurch, ist ein Format, das den Leuten gefällt. Vor allem für die jungen Leute ist die Mischung attraktiv. Man lernt etwas, aber bekommt es nicht trocken präsentiert. Aus diesen Gründen sehe ich Satire als notwendig.

Satire hat die Freiheit einer eigenen Meinung. Journalismus hat das per se nicht. SUMO: Sind Satiriker*innen die besseren Journalist*innen? Klien: Kann man nicht per se sagen. Es gibt guten und schlechten Journalismus, es gibt gute und schlechte Satire. Satire hat die Freiheit einer eigenen Meinung. Journalismus hat das per se nicht. Es gibt zwar die Glosse oder den Kommentar aber diese werden als solche ausgeschildert. Bei Satire sind die Grenzen fließend, es werden Fakten gezeigt, aber auch schnell kommentiert, bestätigt, gelobt, kritisiert, verworfen. Das ist eine große Freiheit und die andere Freiheit der Satire ist die der Form der Präsentation. Ich kann am Moderatorenpult Nachrichten verlesen, genauso wie ich im Feld als Reporter die verschiedensten verrückten Sachen

Interview mit Nachrichtensatiriker Peter Klien

machen kann. Ich bin sehr frei in der Form. Diese Freiheit, in der inhaltlichen Präsentation als auch in der formalen Aufarbeitung, eröffnet viele Möglichkeiten, die normaler Journalismus nicht hat. Das macht den Journalismus nicht schlechter, aber grenzt Satire von Journalismus ab. SUMO: In GNÖ war der erste Teil immer newslastig während der zweite sich auf die Satire konzentriert hat. Hat das einen bestimmten Grund? Klien: Nein, die Grundidee der Show war ein satirisches Dossier. Einen Sendungsschwerpunkt zu einem Thema zu machen, das sich dann in unseren Plänen von 10 bis 15 Minuten erstreckt. Und das sollte das Herzstück der Sendung werden, das hat sich dann auch so verwirklicht. Der zweite Teil der Sendung war, was die Sendung besonders gemacht hat und den Wiedererkennungswert der Sendung garantiert hat. War natürlich etwas Neues, haben wir in Österreich bisher nicht gehabt, eine so ernsthafte Auseinandersetzung mit, Themen, die aufs Erste gar nicht so interessant klingen. Bodenverbrauch, Flächenversiegelung, dass Österreich zubetoniert wird. Ist vielleicht nicht so, dass man sofort darauf klickt oder sich besonders dafür interessiert, aber wenn man hineingezogen wird ins Thema, kann das passieren.

Mir waren die inhaltliche Recherche und die Überprüfung der Fakten immer extrem wichtig ... SUMO: Ganz viele Jugendliche und junge Erwachsene nehmen Satire als Information wahr. Sind Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst? Müsste man die Jungen nicht noch mehr mit Satire abholen? Klien: Ja das ist etwas, was ich unbedingt machen möchte. Ich bin mir der Verantwortung bewusst, nehme diese


auch voll inhaltlich wahr. Gerade bei den Auseinandersetzungen mit den größeren Themen im zweiten Teil der Sendung. Sie werden lachen es wird ernst (lacht). Dann haben wir immer genau geschaut, dass es penibel recherchiert ist, dass keine Information verbreitet wird, die nicht tatsächlich doppelt und dreifach überprüft ist. Also, da bin ich ganz weit weg von einem der einfach nur Stimmung machen möchte, der gewisse Leute nicht mag und zu Felde ruft oder Öl ins Feuer gießt, oder auch populistisch vordergründig auf Themen draufsetzt. Mir waren die inhaltliche Recherche und die Überprüfung der Fakten immer extrem wichtig und ich glaube, in dem Kontext funktioniert dann auch Satire als Informationsvehikel für junge Leute ausgezeichnet. SUMO: Sie fanden heraus, dass die Republik 90 Millionen zu viel für Corona Tests gezahlt hat. Sie haben dann auch noch andere Dinge aufgedeckt. z.B. Seilschaften in der ÖVP, die angekündigt wurden, die aber nicht ausgestrahlt worden sind. Was war da los? Wie sehr eckt man mit brisanten Themen an? Klien: Ich möchte das mal klarstellen. Es ist nichts zugedeckt worden.

Es wurde angekündigt und wurde dann nicht gleich ausgestrahlt. Es geht um die Erklärstrecke zum Kurz-Netzwerk, sie ist dann nachher, eine Woche später voll ausgestrahlt worden, es ist also keine Zensur geübt worden.

Weil man mir keine Parteilichkeit vorwerfen kann. Das ist für mich das Allerwichtigste, ... SUMO: Wieso ist sie dann nicht in der Sendung wie geplant ausgestrahlt worden? Im Trailer, der die Sendung präsentiert hat, wurde dieser Teil angekündigt. Klien: Das ist richtig. Ich will nicht auf alle Details dieser Geschichte eingehen, zumal sie schon sehr lange her ist. Fakt ist nur, dass die Politik - ich denke mir, das war zu keiner Zeit anders - bei Satire im ORF genau hinschaut: was wird behandelt, wie wird das behandelt. Auch der ORF schaut da sehr genau hin. Der ORF ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, er hat die meisten Zuseher. Da gibt es da und dort Diskussionen, oder man hört, dass die eine Partei über diesen Beitrag nicht glücklich war und die andere über diesen nicht.

Aber ja, ich habe versucht, mich nie beeinflussen zu lassen, hab das auch, glaube ich, nicht. Ich glaub, ich habe schon mit meiner Arbeit für den „Report“ oder als Reporter auf der Straße - die gibt es schon um einiges länger als GNÖ - immer bewiesen, dass mir wichtig ist, dass ich zu allen Parteien gleich bin, nämlich gleich schlecht und dieser Maxime bin ich auch bei GNÖ treu geblieben. Das kann jeder Zuseher nachvollziehen, das ist auch der Grund, weswegen die Arbeit geschätzt wird. Weil man mir keine Parteilichkeit vorwerfen kann. Das ist für mich das Allerwichtigste, weil ich mich nicht in ein Eck stellen lassen möchte. Die größte Glaubwürdigkeit erreicht man als politischer Satiriker dadurch. SUMO: Wie hoch ist der Druck auf Journalist*innen und Satiriker*innen in Österreich, wie groß ist er auf Sie? Hat es je Hinweise gegeben, etwas nicht zu senden? Klien: (ringt sichtlich länger um Worte) Im Grunde sind wir schon sehr frei gewesen. Wir konnten die Themen frei aussuchen, die Ergebnisse präsentieren, wie sie nach der Recherche vorgelegen sind.

Peter Klien / Copyright: ORF; Thomas Ramstorfer

Interview mit Nachrichtensatiriker Peter Klien

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- sowohl in den Medien, bei den Herausgebern, Chefredakteure, als auch in der Politik - sind oft einmal Leute, die sich seit 20 Jahren kennen. Die einander dann ständig anrufen wegen dieser Sache, wegen jener Sache. Und auch, wenn sie nur Stimmung machen, muss nicht einmal ein massiver Druck sein, dann geht das sehr schnell. So ist man dann halt sehr schnell bei dem „ich tu dir nicht weh, du tust mir nicht weh und wir kehren lieber alles unter den Teppich“, ein österreichischer Klassiker.

Peter Klien / Copyright: Ingo Pertramer

Dass die Sendung auf Pause geschickt worden ist, muss ich trotzdem in Verbindung damit bringen, dass es halt (überlegt wieder länger), dass auch der ORF lernen muss, mit dem Druck von verschiedenen Seiten umzugehen und dazu zu stehen, dass man Satire macht. Ich habe aber Signale aus dem Haus, dass die Sendung eine Fortsetzung erfahren soll, deswegen bin ich hoffnungsvoll, dass das einfach ein Lernprozess gewesen ist. SUMO: Sie haben den Druck angesprochen, der auf den ORF, auf Verantwortliche im ORF ausgeübt wird. Ist Österreich noch nicht bereit für eine Sendung wie GNÖ, die die politische Landschaft doch sehr intensiv beleuchtet? In Deutschland gibt es solche Shows schon länger und der Druck auf Verantwortliche, so scheint es, ist nicht so hoch wie hierzulande… Klien: Eine gute Beobachtung, das würde ich bestätigen. Was mich schon selbst überrascht hat, wie ich die Show begonnen habe, wie dünnhäutig die Politik ist, wie schnell man bei Punkten ist, wo es dann Rufe gibt, Schmerzensschreie gibt. (lacht) Ich bin immer davon ausgegangen als Satiriker und auch als Journalist ist es kein Thema, dass man einfach sagt, wenn man etwas gefunden hat, wenn einem etwas wichtig ist, wenn man etwas aufzeigen möchte. Das kann ich natürlich als Kabarettist sowieso auf der Bühne machen, diese Freiheit habe ich Gott sei Dank immer. In den Medien ist es doch so, dass die Wege kurz sind. Das ist jetzt kein Wortspiel. (lacht) Ich glaube, das war nie anders. Österreich ist ein kleines Land, das unterscheidet uns von Deutschland. Die Distanzen sind recht kurz, man trifft die Leute immer und immer wieder. Die Leute, die an den Schaltstellen sitzen

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Vielleicht ist das ein Phänomen unserer Zeit, dem es auf jeden Fall entschieden entgegenzutreten gilt und deswegen möchte ich auch doppelt hellhörig sein. SUMO: Hat sich die Medienlandschaft geändert? Ist es schwieriger geworden sein Metier auszuüben unter der jetzigen Regierung? Klien: Ja, diese Angst muss man haben, dass sich die Medienlandschaft verändert hat. Ich habe mich sehr viel mit Viktor Orbán beschäftigt, ich hatte damals diese Erklärstrecke, vor einem Jahr ist das ja auf Sendung gegangen. Zu dem Thema „wie hat Orbán innerhalb von 10 Jahren die Medien umgebaut.“ Ich habe nicht alle Texte in GNÖ selbst geschrieben, aber diesen habe ich selber geschrieben und bin sehr tief in die Materie eingetaucht. Es ist schon erschreckend zu sehen, wie der Herr Orbán sehr geschickt in unserem Nachbarland, in ganz kleinen Schritten, die Presse so verändert hat, dass du einfach mit Nachrichten, die sich gegen ihn wenden, die kritisch zu ihm stehen, kaum noch durchkommst in Ungarn. Weil alles so gleichgeschaltet ist, die wichtigen großen Medien erzählen nur noch schöne Sachen über ihn. Ein furchtbarer Zustand, den es um jeden Preis zu verhindern gilt in Österreich. Wenn man sich Slowenien, Serbien anschaut, die sind auch nicht anders unterwegs. Vielleicht ist das ein Phänomen unserer Zeit, dem es auf jeden Fall entschieden entgegenzutreten gilt und deswegen möchte ich auch doppelt hellhörig sein. Was schon passiert ist in den letzten Monaten, dass der direkte Draht aus dem Bundeskanzleramt in die Redaktionen sehr heiß sein dürfte, dass man einfach wirklich immer wieder durchruft zu den Chefredakteuren, zu bestimmten Themen, auf Storys, die schon veröffentlicht worden sind, Bezug nimmt, sich um Umformulierung einzelner

Interview mit Nachrichtensatiriker Peter Klien

Sätze bemüht und, aus meiner Sicht völlig unpassend, Einfluss zu nehmen versucht. Ich finde die Trennung zwischen Politik und Journalismus muss so weit wie möglich aufrechterhalten bleiben. Im Augenblick stehen die Zeichen schon darauf, dass sie aufgeweicht wird. SUMO: Können Sie sich vorstellen, Ihre Sendung GNÖ in den privaten Rundfunk zu verlagern z.B. auf Servus TV? Klien: Ja, kann ich mir durchaus vorstellen. An sich ist für mich der Sender und das Gefäß nicht vorrangig, es gibt in Österreich durchaus auch sehr guten privaten Journalismus. Es gäbe auch die Möglichkeit, GNÖ als reine Internetsendung fortzuführen, mit einem Sponsoring- Modell, mit Sponsoren aber auch mit Abonnenten. Ich schaue mir alle möglichen Plattformen an. Ich bin gesprächsbereit. Nach allen Seiten hin mein erster Ansprechpartner bleibt aber der ORF. SUMO: Warum hat sich in Österreich nur eine Late-Night Satire Sendung durchgesetzt mit „Willkommen Österreich“? Sowohl „Die Tagespresse“ als auch „Gute Nacht Österreich“ konnten sich nicht durchsetzen, während in Amerika und Deutschland eine Vielzahl von solchen Sendungen existiert. Klien: Ich bin total überzeugt, dass das funktionieren würde in Österreich, man muss es halt mal konsequent durchziehen. Aus dem Comedy Bereich weiß ich es. „Was gibt es Neues“ beispielsweise hätte nach einem Jahr abgesetzt werden sollen. Man muss dranbleiben und zu einem Format stehen. Ich gebe gern zu, dass es auch Schwächen gegeben hat bei GNÖ. Es gibt genug Rädchen, an denen man noch drehen kann, aber grundsätzlich muss man sich dafür entscheiden und weiterführen. Ich denke, dass wir eh das beste Beispiel sind, unsere Quoten sind ständig gewachsen. Die Leute müssen sich halt mal an eine Sendung gewöhnen, unser Problem war, dass wir drei verschiedene Sendeplätze hatten. So bringst du halt eine Sendung auch nicht konsequent in die Höhe. Es sind auch Fehler gemacht worden.

Ich kann eine Nachrichtensatire nicht parallel senden zur zweitgrößten Nachrichtensendung des Landes, ... SUMO: Welche konkret? Klien: Ich kann eine Nachrichtensatire


nicht parallel senden zur zweitgrößten Nachrichtensendung des Landes, da kann ich mich daschiaßn als Nachrichtensatiriker. Weil das gehört wie die „heute-show“, die rennt nach dem „heute-Journal“ um 22 Uhr. Von 22 bis 22:30 ist das „heute-Journal“ und im Anschluss um 22:30 ist die „heuteshow“, so funktioniert das. Da schauen viele die Nachrichten an am Freitagabend, dann lehnen sie sich zurück, machen sich noch ein Bier auf und schauen sich die Satire an und genießen das!

Herrn Kurz, auch wenn ich den durch Corona schon länger nicht gesehen habe, war es ja nicht möglich, Beiträge draußen aufzunehmen. Muss man auch sagen im ersten Halbjahr der Krise wäre es auch nicht gut gekommen, die auf die Schaufel zu nehmen, da war die Regierung ein bisserl sakrosankt. Aber ansonsten ist das hochentlarvend, wenn die ÖVP nicht darauf eingehen will, wenn da jemand kommt und sich spontan nähert, sondern stattdessen 10 bis 15 Leute schickt um den Reporter abzudrängen. Es legt das Verhältnis

der ÖVP zum Journalismus offen. SUMO: Wie sieht ihr Alltag aus, so ganz ohne Show und jetzt während Corona? Klien: Das darf ich ja nicht laut sagen, sonst hassen mich alle, aber ich genieße den Lockdown. Ich mach das, was die anderen vor einem Jahr gemacht haben. Ich räum die Wohnung zusammen, ich überleg, ob ich was an die Wand häng, ich sortiere die Fotos der letzten 15 Jahre und lese endlich wieder!

Von Linus Duschl

Ich glaube, dass sich die Politik von einer ganz anderen Seite zeigen kann, zeigen muss, wenn sie mir begegnet, und das bleibt für den Zuschauer reizvoll.

Peter Klien / Copyright: ORF; Thomas Ramstorfer

SUMO: Ist Ihre Rolle überholt, weil jeder Sie kennt? Klien: Meine Rolle ist eine andere geworden. Diese Art von journalistischem Partisanenkampf, wo ich aus dem Busch hervorspringe, dann dem Gegenüber als Waffe mein Mikrofon hinhalte, irgendwas Böses frage oder sage und weglaufe - hat natürlich hervorragend funktioniert in den ersten zwei Jahren. Aber der Charakter des Reporters hat sich verändert, weil ihn jetzt alle kennen. Aber es ändert nichts daran, dass es für die Politiker*innen unberechenbar bleibt, was ich mache und auch was ich frage. Entsprechend versuchen die einen, weiterhin vor mir davonzulaufen oder mich abzudrängen, möglichst in keine Konfrontation zu geraten. Andere wiederum trauen sich das zu, einzusteigen auf den spontanen Dialog und da entwickeln sich dann auch schöne Sachen. Zum Beispiel der Besuch bei der SPÖ Wien vor ein paar Monaten nach dem Wahlsieg, da haben mich alle gekannt natürlich. Ich glaube, dass sich die Politik von einer ganz anderen Seite zeigen kann, zeigen muss, wenn sie mir begegnet, und das bleibt für den Zuschauer reizvoll. SUMO: Sie werden von Sebastian Kurz und Herbert Kickl mit Nichtbeachten gestraft. Ist es so in Zukunft nicht mehr möglich Beiträge zu gestalten? Klien: Wenn Sie den Herrn Kickl ansprechen, der hat mich von oben herab behandelt, sehr, sehr unfreundlich. Ich finde, dass man mit der Reaktion auch was machen hat können. Ich finde der Beitrag lebt sehr gut davon, dass er sehr unfreundlich ist. Dadurch entlarvt er sich selbst, sein Verhältnis zur Satire, zu Humor, auch zum ORF, also das finde ich hat sehr gut funktioniert. Beim

Interview mit Nachrichtensatiriker Peter Klien

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Neues Entertainment im Altenheim – Eine Reise in die zukünftige Vergangenheit Das Verlangen nach Entertainment bleibt auch im höheren Alter nicht aus. Vor allem aber in Seniorenheimen ist Unterhaltung ein großes Thema. SUMO hat darüber mit Amadeus Linzer, Geschäftsführer des Unternehmens VitaBlick, und Leopold Kern, Obmann des Pensionistenverbands Ortsgruppe St. Pantaleon - Erla, gesprochen.

Es ist keine Ausnahmeerscheinung. Die Rede ist von der Pflege und Betreuung von älteren Menschen. Alleine in Österreich waren 2019 laut Statistik Austria 96.458 Menschen in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht. Wichtig hierbei ist es den Unterschied zwischen den einzelnen Pflegeeinrichtungen zu beachten. Denn Pflegeheime und Altenheime unterscheiden sich im Wesentlichen im Grad der Pflegebedürftigkeit der BewohnerInnen. Wo in Pflegeheimen die Pflege im Vordergrund steht, liegt die Priorität bei Senioren- und Altersheimen in der Betreuung und dem eigentlichen Wohnen. In Pflegeheimen ist es somit oft gar nicht mehr möglich, die BewohnerInnen mit genügend Unterhaltung zu versorgen, da der Aspekt der Gesundheit an vorderster Stelle steht. Anders ist es in Altenheimen. Hier wird Unterhaltung erwünscht. Beobachtet man verschiedene Werbeangebote, merkt man schnell, dass Unterhaltung ein wichtiges Auswahlkriterium bei der Wahl nach der SeniorInnenresidenz ist. Viele Senioren- und Pensionistenvereine nehmen das Angebot wahr, sich bei einem gemeinsamen Essen von VertreterInnen verschiedene Heime vorstellen zu lassen und auch da ist das Interesse nach dem Unterhaltungsangebot sehr hoch.

tun. Normalerweise finden um die acht Ausflüge im Jahr zu den verschiedensten Zielen statt. Des Weiteren werden auch andere Events, wie der Pensionisten-Fasching, ein Sommerfest und eine Weihnachtsfeier, veranstaltet. Bei der Frage nach dem beliebtesten Ausflug der Mitglieder wurde das Wandern thematisiert. Vor allem Spaziergänge auf den Berg oder um den See sind bei vielen sehr beliebt. Aber auch das gemeinsame Essen danach darf nicht fehlen. Dabei wird der Ausflug oft Revue passiert und so manch andere Geschichten und Erlebnisse werden geteilt. Weitere Angebote, die von den PensionistInnen freudig genutzt werden, sind unter anderem Nordic-Walking in der Gruppe, gemeinsames Turnen oder Stockschießen. Außerdem werden auch Krankenbesuche gemacht, beispielsweise werden zu Weihnachten ehemalige Mitglieder, die sich im Heim befinden, besucht. Das Motto des Pensionistenverbands ist: „Der Mensch steht im Vordergrund“. Genau nach diesem Motto ist es ebenfalls für Leopold Kern von großer Bedeutung, dass die Bedürfnisse und Interessen der Vereinsmitglieder bestmöglich erfüllt werden.

Gemeinsame Unterhaltung ist die beste Unterhaltung Ebenfalls mit den Interessen von SeniorInnen beschäftigt sich Leopold Kern. Seit 2016 ist er Obmann des Pensionistenverbands Ortsgruppe St. Pantaleon - Erla. Neben dem Planen und Organisieren besteht Kerns Hauptaufgabe darin die Interessen und unternehmerischen Vorlieben der 100 Vereinsmitglieder (Stand April 2021) zu vertreten und umzusetzen. Sei es das Organisieren der Musik oder das Veranstalten der gemeinsamen Clubnachmittage, es gibt meist immer etwas zu

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Neues Entertainment im Altenheim

Leopold Kern / Copyright: Jennifer Binder

Die VR-Brille – Ein Blick in die zukünftige Vergangenheit Genau diese Wünsche und Sehnsüchte möchte Amadeus Linzer, der Geschäftsführer von VitaBlick, auch Menschen in Seniorenheimen erfüllen. Mit seinem am 1. März 2020 gegründeten Unternehmen macht er es möglich, mittels 360-Grad-Videos die HeimbewohnerInnen an verschiedenste Orte in Österreich zu bringen. Um dies zu ermöglichen, werden virtuelle Ausflüge produziert, verarbeitet und dem Format angepasst. Diese Ausflüge sind speziell für SeniorInnen in Pflegeeinrichtungen, sprich Altenheime und Pflegeheime gedacht, jedoch wurde das Angebot auch auf Menschen mit eingeschränkter Mobilität ausgeweitet: beispielweise Menschen mit einer Beeinträchtigung oder psychischen Problemen, wie Angststörungen. Mithilfe dieser Technologie in Form einer VR-Brille ist es für solche Menschen wieder möglich am Aachensee in Tirol die schöne Gegend zu genießen, im Wiener Prater mit dem Riesenrad zu fahren oder im Tierpark ein paar Tiere zu beobachten. Und dies sind nur drei Beispiele der derzeit über 50 verfügbaren Ausflugsziele. Durch die VRBrille erscheint das ganze sehr lebendig. Linzer erklärt, dass die NutzerInnen durch Kopfschwenken ihre Blickwinkel verändern und den Ort so erkunden können, als wären sie wirklich dort. Durch das Gefühl des „Vor-Ort-seins“ kämen durch die Anwendung einer VRBrille Emotionen und Erinnerungen in den SeniorInnen auf, die durch andere Medien, wie dem Fernseher, gar nicht erst in der Form ausgelöst werden können. Zu dieser außergewöhnlichen Idee kam er durch seinen Großvater. Er erzählt, dass dieser ein Mensch war, der viel reiste, jedoch an Krebs erkrankte und bettlägerig wurde und somit nicht mehr an jene Orte reisen konnte, die er noch oder wieder besichtigen wollte. Aufgrund dieses Umstandes wollte Linzer


Das Unternehmen VitaBlick wurde dann zwei Wochen vor dem ersten Lockdown gegründet. Dies war auch der Grund, dass die Verbreitung der von VitaBlick bereitgestellten VR-Technologie etwas langsamer verlief. Durch die Kontaktbeschränkungen war es schwierig, die VR-Brillen an den Altenheimen bekannt zu machen und dort mit den SeniorInnen gemeinsam zu testen. Dafür wurde die Zeit auf andere Art effizient genutzt. Viele neue Ausflugsziele wurden produziert, mittlerweile sind es über 50 virtuelle Ausflüge in Österreich. Seitdem die Mehrheit der HeimbewohnerInnen gegen den Corona-Virus geimpft sei, gebe es sehr viel Interesse an der Technologie von VitaBlick. Mittlerweile zählen bereits einige namhafte Organisationen wie das Österreichische Hilfswerk und die Volkshilfe zu ihren Kunden, und zahlreiche Testphasen in weiteren Pflegeinstitutionen sind zurzeit im Gange. Meist reagieren die SeniorInnen sehr verwundert und sind begeistert, was die moderne Technologie schon alles möglich macht. Linzer erzählt außerdem, dass viele sich zurückerinnern und in Erinnerungen schwelgen. Doch was ist mit der „Motion Sickness“? Motion Sickness wird vor allem beim Thema Virtuell Reality oft als negativer Aspekt in den Vordergrund gerückt. Linzer erklärt das Phänomen anhand eines virtuellen Spaziergangs so, dass es bei bewegter Kameraführung einen

Widerspruch zwischen dem Gesehenen und dem tatsächlichen Gefühlten gebe – das Auge würde eine Bewegung des Körpers sehen, die der Körper aber nicht fühlt. Dieser Widerspruch wirke sich dann auf das Wohlbefinden aus und bewirke Schwindelgefühle. Zu Beginn hatten sie auch mit der Motion Sickness zu kämpfen, danach aber viel ausprobiert und getestet, und anschließend einige Faktoren verändert. Beispielsweise wurden statische Videos gedreht, dabei stand die Kamera während des Drehs auf einem Stativ. Es wurde ein virtueller Unterkörper eingebaut, damit man beim Runterschauen die „eigenen“ Beine und Hände sieht und sich so „geerdet“ fühlt. Außerdem gibt es gewisse Szenen-Voraussetzungen, die die Motion Sickness nahezu ausschalten. Laut Linzers Angaben hätte VitaBlick es durch eine Kombination aus diesen verschiedenen Faktoren geschafft, jene negative Begleiterscheinung zu 95% zu unterbinden.

Amadeus Linzer / Copyright: Julian Hobmaier

Zurzeit versucht das Team rund um Amadeus Linzer und VitaBlick sich langsam den meist schon sehr routinierten Abläufen in der Altenbetreuung und -pflege zu nähern, um allfällige Angst vor neuen Technologien zu nehmen. In den nächsten Jahren wollen sie ihre Ausflüge erweitern und auch in den Bereich der Therapie einsteigen, insbesondere die Bewegungstherapie, beispielsweise um die Bewegung von SchlaganfallpatientInnen zu fördern. Wichtig für Linzer ist es außerdem anzumerken, dass sie keinesfalls Ausflüge in die Natur ersetzen oder die SeniorInnen mit der Brille „ruhigstellen“ wollten, sondern jenen Menschen, denen es schlichtweg nicht mehr möglich ist, das Haus zu verlassen, mithilfe der VR-Brillen wieder Mobilität zu verleihen und dadurch die Kommunikation mit MitbewohnerInnen und Betreuungspersonen zu stimulieren. Die Technik soll einen positiven Nutzen für die SeniorInnen haben und ihnen damit wieder ein Stück Reisefreiheit zurückgeben. © Copyright: adobe stick / Prostock-Studio

ihm etwas aus der Welt draußen in sein Zimmer bringen, damit er wieder gewisse Highlights und Glücksmomente spüren konnte. Das Ganze passierte während eines Auslandsaufenthaltes in Rotterdam. Mit einem Studienkollegen, der ein ähnliches Problem mit seiner Großmutter hatte, diskutierte er die Umstände und so kamen sie auf die VR-Brille. Denn durch diese könnten sie ihren Großeltern geografisch unabhängiges Reisen ermöglichen. Zu Beginn probierten sie ihre Idee in einem Seniorenheim in Rotterdam aus. Linzer erwähnt, dass sie zuvor Reiseziele aus aller Welt vorbereitet hatten. Als sie dann die BewohnerInnen fragten, wohin sie den virtuell reisen möchten, kam als Antwort, dass sie am liebsten zu dem See oder der Markthalle in Rotterdam möchten. Es waren Orte in der Nähe, an denen die SeniorInnen früher waren und jetzt nicht mehr hinkönnen. An diesem Punkt haben die beiden gemerkt, dass vor allem der regionale Bezug für die SeniorInnen eine große Rolle spielt. Deshalb werden nun hauptsächlich Orte in Österreich reproduziert.

von Jennifer Binder

Neues Entertainment im Altenheim

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Frauen gehören hinters Mischpult!

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Michael Wendler singt „Sie liebt den DJ“, Cascada ist gemäß ihrer Zeile „Hey little DJ let the music take me underground“ ganz hin und weg und Che’Nelle drückt ihre Gefühlslage in „I fell in love with the DJ“ aus. So unterschiedlich diese Songs auch sein mögen, zwei Aspekte kristallisieren sich eindeutig heraus. Zum einen: DJs sind Objekte der Begierde. Zum anderen: Das vorherrschende Bild eines DJs in den Köpfen der Menschen ist männlicher Natur. Nicht nur Songtexte handeln von Männern an den Turntables und welche Wirkung diese auf ihr Publikum haben, auch die Realität ist durchwegs männerdominiert. SUMO führte dazu Interviews mit zwei heimischen weiblichen Produzentinnen, Dominique Jardin und Antonia XM.

Eine Party ohne Musik ist bekanntlich keine Party oder nur ein optimales Zusammentreffen von Menschen, die der Fraktion „Ich kann überhaupt nicht tanzen!“ angehören. Besteht jedoch das Bedürfnis, für eine Nacht jeglichen Alltagsstress abzuschütteln und auf gut Österreichisch „die Sau rauszulassen“, fließt neben reichlich Alkohol auch tanzbare Musik aus den Lautsprechern. Wer für die rhythmischen Songs sorgt, ist meist Nebensache, außer die Gestalt im Stroboskoplicht enthält eindeutig weibliche Züge. Frauen am Mischpult stellen für manche im schlimmsten Fall einen Grund zum Verlassen der Feier dar. Auch Dominique Jardin und Antonia XM kennen das Gefühl, hinter den Turntables nicht ernst genommen zu werden. Nur mit Durchhaltevermögen, Mut und einer gewissen Portion Humor schafften es die beiden Produzentinnen, in dieser Szene mitmischen zu können. Dass der Frauenanteil in zeitgenössischen Musikproduktionen äußerst gering ist, wird durch zahlreiche Studien belegt. Die „FACTS-Studie“, die von „female:pressure“ im Jahr 2020 veröffentlicht wurde, untersuchte die Lineups von internationalen Festivals in den Jahren 2017 bis 2019 und legte den Fokus explizit auf weibliche Acts. Der Anteil an weiblichen Produzentinnen, die bei Festivals auftraten, lag bei lediglich knapp 20 Prozent. Vergleicht man dies mit der Studie aus 2013, so lässt sich eine Steigerung von 10 Prozent ausmachen. Was auf dem ersten Blick wie ein Trend in die richtige Richtung aussehen

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Frauen gehören hinters Mischpult!

mag, lässt trotzdem noch einiges zu wünschen übrig.

„Man muss sich erst beweisen.“ Dominique Jardin, renommierte österreichische DJ und Produzentin, kann sich noch gut an ihre Anfänge in dieser Szene erinnern. Acht Jahre sind bereits seit ihrem Einstieg vergangen, zahlreiche Auftritte auf namhaften Festivals und Kooperationen, darunter mit Red Bull und Mercedes Benz, finden sich in ihrem Lebenslauf. Bis sie allerdings einen Platz am Siegerpodest abstauben konnte, galt es, einen langen Weg zu erklimmen. Die DJ erinnert sich besonders an die Anfangsphase, wo die Zeiten nicht rosig waren. „Als ich das erste Mal auf der Bildfläche erschienen bin, wurde ich natürlich sehr belächelt. Gerade zu Beginn musste ich mich erst beweisen und mir einen Status verdienen“. Bis dieser Zustand erreicht war, musste sie viel einstecken, was ihr im Nachhinein allerdings sauer aufstoßen lässt. „Erst jetzt merke ich, dass viele Leute auch wirklich gemein zu mir waren, was mir damals aber gar nicht richtig bewusst war.“ Aus diesen Situationen konnte sie jedoch auch eine ordentliche Portion Durchsetzungsvermögen mitnehmen, denn „würde heutzutage jemand so mit mir umgehen, würde ich natürlich völlig anders reagieren.“ Dominiques harte Arbeit und unermüdlicher Wille machten sich schlussendlich bezahlt, doch eine Sache betont sie besonders: „Erst als die Menschen merkten, dass ich einen wirklich guten Job mache und

die Partygäste nicht schreiend davonlaufen, sondern die ganze Nacht tanzen, kamen Anerkennung, Status und tolle Sponsoren.“ An den anfänglichen Schwierigkeiten kam auch die Wiener Produzentin Antonia XM nicht vorbei. So ist sie der Überzeugung, dass „man als Frau einfach viel stärker verurteilt wird und der Zugang in diese Szene gar nicht so einfach ist.“ Gerade bei technischen Angelegenheiten wurde ihr oft ungefragt „Fachwissen von Männern aufgezwängt, die es aber auch nicht besser wussten als ich.“ Dies resultierte darin, dass sich Antonia besonders zu Beginn hinter den Turntables sehr unsicher fühlte und „am liebsten wieder verschwinden“ wollte. Besonders unschöne Erfahrungen in Antonias DJDasein sind dadurch gekennzeichnet, dass nur mit ihren männlichen Kollegen kommuniziert wurde und ihr das Gefühl gegeben wurde, „als existiere ich gar nicht.“ Auch von sexuellen Belästigungen vor Auftritten oder unerwünschten Kommentaren über das Aussehen berichtet die Wienerin. Erst vor vier Jahren launchte die Produzentin gemeinsam mit KollegInnen ihr eigenes Musiklabel „Ashida Park“, das „allen Menschen, und eben nicht nur weißen Männern, eine sichere Plattform bieten soll“ und für eine hybride Form des Clubsounds steht.

Gendern in der Disco Was für viele generell ein Dorn im Auge ist, macht auch selbst vor der Clubszene keinen Halt. Die Rede ist von


der geschlechtergerechten Sprache, auch „Gendern“ genannt. Noch heutzutage liest man Titel wie „Die coolsten 10 DJanes, die man unbedingt kennen muss“. Doch geht es nach Dominique Jardin und Antonia XM, sollte dieser Begriff sofort aus dem Vokabular gelöscht werden. „Obwohl ‚die DJ‘ zwar zu Beginn komisch klingt, reicht es als gegenderter Begriff völlig. DJane hingegen kommt eher von Tarzan und Jane und steht für stereotypisch weibliche, sehr sexualisierte DJs, die nur da waren, um schön auszusehen“, so Antonia. Auch für Dominique Jardin stellt dieser auch „sehr sexistische Begriff“ ein absolutes No-Go dar. Ihrer Meinung nach „ist der Begriff DJane leider sehr negativ behaftet“, bei Anfragen, die diese Bezeichnung enthalten, reagiert Dominique „sehr empfindlich“.

Antonia XM / Copyright: Sabrina Haas

Dominique Jardin / Copyright: Bobbys Agency6

Routinierter Alltag ist Fehlanzeige

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Wer glaubt, dass jene Personen, die bei Dunkelheit für die gute Musik sorgen, nur abends ein wenig an den Knöpfen drehen müssen, wird bei einem Blick hinter die Kulissen eines Besseren belehrt. Ein geregelter Alltag ist kaum vorzufinden; vor der Corona-Pandemie „war einfach immer was los“, schildert Dominique Jardin. Egal ob Bookings oder Produktionen, die Zeit zum Verschnaufen ist begrenzt. „In dieser Szene muss man sich natürlich auch immer weiterentwickeln und insbesondere weiterbilden, besonders in der Technik gibt es ständig Neuerungen.“ Wo früher noch mit Schallplatten oder CDs hantiert wurde, kommen dieser Tage Laptops und Smartphones zum Einsatz. Dominique betont auch, dass es in der Szene besonders wichtig ist, die „Balance zwischen den alltäglichen Dingen und der Kreativität zu finden, denn gerade darum geht es hier.“ Auch bürokratische Aufgaben bleiben den DJs nicht erspart, „im Grunde ist es auch ein Bürojob“, meint Dominique schmunzelnd. Was sowohl Dominique Jardin als auch Antonia XM aktuell am meisten vermissen, sind fehlende physische Auftritte. „Ich habe zwar einige Online-Sets gespielt, aber auch das kann ziemlich anstrengend sein“, erzählt Antonia und fiebert schon darauf hin, sich wieder auf den Weg in Clubs zu machen und der Nacht freien Lauf zu lassen. Besonders die laute Musik, Menschenmengen und den Schweiß der Feiernden kann auch Dominique kaum erwarten. von Cornelia Plott

Frauen gehören hinters Mischpult!

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Auch Genies brauchen mal eine Pause! Komm vorbei!

Mariazellerstraße 104, 3100 St. Pölten

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Reality-TV und die Faszination von Fremdscham Unterhaltung hat viele Gesichter. Sie bringt uns zum Weinen und zum Lachen, sie kann informieren und ist Nährboden unseres Eskapismus. Im Falle von Reality-TV hat Unterhaltung noch eine weitere Funktion – sie bringt uns dazu, uns für andere zu schämen. SUMO geht diesem Phänomen auf den Grund und unterhielt sich dafür mit der Professorin für Kommunikationswissenschaften und Medienkommunikation Prof. Dr. habil. Katrin Döveling (Darmstadt) und Oliver Svec, Director of Entertainment bei ATV. Warum empfinden wir überhaupt Fremdscham bei der Rezeption? Für Döveling entsteht Fremdscham durch die Fähigkeit des Menschen, Empathie für andere zu empfinden und sich in deren Lage zu versetzen. Dementsprechend fühlten wir für diejenigen stellvertretend Scham, die es in der jeweiligen Situation nicht tun. In diesem Zusammenhang erwähnt Döveling den sozialen Vergleich als medienpsychologische Konstante. Diese gibt also unserem Drang nach dem permanenten Vergleich mit anderen einen Namen. Dabei entstehe oftmals ein Gefühl der Erhabenheit von RezipientInnen gegenüber den im jeweiligen Format vorkommenden Charakteren, was wiederum in Entspanntheit resultiere. Svec erkennt ebenfalls den Wunsch des Menschen, andere Personen zu sehen, denen es schlechter geht. Er fügt jedoch hinzu, dass Humor dabei eine zentrale Rolle einnehme und ein „ganz großer Treiber im Reality-TV“ sei. Für Svec ist die Humorebene in solchen Formate mittlerweile die definierende und bette die jeweilige Sendung in eine Weichheit ein, die es den ZuseherInnen erlaube, „Mein Gemeindebau“ & Co. ohne schlechtes Gewissen zu rezipieren.

Fremdscham als Quotenbringer Fremdscham als Emotion könne dabei laut Döveling über alle Länder hinweg empfunden werden. Reality-TV wiederum hat für Svec jedoch oftmals einen lokalen Touch. So seien jene RealityFormate, die auf ATV gezeigt werden, „extrem österreichisch“ und würden kaum auf einem deutschen Sender Platz finden. In diesem Zusammenhang stellt der Unterhaltungschef den bunten Blockbuster-Charakter bei RTL den selbstzweifelnden Underdogs bei ATV gegenüber. Beide Herangehensweisen scheinen zu funktionieren. So hatte RTL laut der AGF Videoforschung GmbH im April 2021 einen Monatsmarktanteil bei den ZuseherInnen in der Altersgruppe 14 bis 49 Jahre von 10,6 Prozent und steht damit an der Spitze der deutschen Sender und erreicht in Österreich laut Teletest im selben Monat 3,4 Prozent. ATV ist mit 3,3 Prozent nur knapp dahinter, liegt mit „PULS 4“ gleich auf und lässt „ProSieben“ und „Sat.1 Österreich“ hinter sich – allesamt zur gleichen Sendergruppe gehörend.

Keine ProtagonistInnen, keine Aufreger, kein Format Ideen für Reality-TV Formate werden erst dann bei ATV weiterfolgt, wenn sich Svec und sein Team die ProtagonistInnen angesehen haben, so der Unterhaltungschef. Damit machen jene Personen also das Zentrum des Entwicklungsprozess aus. Weiters stehe ATV für Aufreger und behandle dementsprechend nur Themen, die eckig genug sind, um für den Sender auch tatsächlich in Produktion zu gehen. Eben diese sei konträr der öffentlichen Meinung nicht durch „gescriptete“ Formate gekennzeichnet, da die RezipientInnen das sofort merken würden. Das schließe aber nicht ein Set-Up, eine Anordnung, aus, die dann „gewisse emotionale Prozesse fast zwangsläufig auslöst“, so Svec. Somit seien die Emotionen der Charaktere real, wären allerdings nie ohne dass vorher gesetzte Set-Up aufgetreten. Diese Charaktere müssen laut dem Unterhaltungschef Personen sein, denen RezipientInnen gerne eine Stunde ihrer Zeit widmen und miterleben wollen, was sie erleben. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein und von romantischen

Reality-TV und die Faszination von Fremdscham

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Gefühlen bis hin zur Hass-Liebe reichen. Laut Döveling nehmen die ProtagonistInnen aufgrund des Bedürfnisses nach Aufmerksamkeit und dem Wunsch im Gespräch der Öffentlichkeit zu bleiben teil. Im Falle von Formaten mit Prominenten habe das für eben diese dann zusätzlich oftmals noch Werbedeals zur Folge. Döveling spricht sogar von einer Aufmerksamkeitsmaschinerie, die da in Gang gesetzt werde.

Voyeurismus ist universal

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Katrin Döveling / Copyright: Katrin Döveling

Ausblick „Ich befürchte, es wird so ein“, stellt Döveling fest und beantwortet damit die Frage, ob aufgrund der zunehmenden Abgestumpftheit der RezipientInnen die Inhalte und Formate im Reality-TV in Zukunft extremer werden. Das zeigen die Entwicklungen der letzten 20 Jahre, in denen sich die Grenzen des RealityTV verschoben haben. In Hinblick auf kulturelle Strömungen wie #Metoo und Fridays For Future identifiziert sie Reality-TV als Bastion, in der Voyeurismus und Emotionen wie Fremdscham weiterhin faszinieren und Themen wie Naturschutz oder feministische Bewegungen wenig Anklagen finden würden.

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„Ich glaube nicht, dass es diesen gibt“, antwortet die Medienforscherin auf die Frage, ob es den typischen Rezipienten/die typische Rezipientin dieses Genres gibt. Reality-TV wird genauso in bildungshöheren Schichten verfolgt und daher sei die Zuseherschaft nicht notwendigerweise bildungsspezifisch oder sozio-ökonomisch klar definierbar. Die Faszination des Voyeurismus und der Selbsterhebung sei somit Schichtübergreifend sehr wichtig. Hinzu komme noch Sexualität, die unter dem altbekannten Motto „Sex sells“ als basaler Mechanismus fungiere. Auch Svec kann keine Zielgruppe grundsätzlich ausschließen, da Reality-TV mittlerweile ein sehr breites Genre sei. Besonders während der Pandemie habe es verstärkt Bedarf nach solchen Formaten gegeben, die laut Svec eine „Flucht aus der Krisenrealität“ darstellen. Döveling erkennt ebenfalls ein enormes Pandemie-bedingtes Unterhaltungs- und Entspannungsbedürfnis und glaubt an den weltweit anhaltenden Trend von Reality-TV. Das Reality-TV-Format, das für sie dabei besonders hervorsticht, ist

jenes, das Prominente und deren Bloßstellung ins Zentrum rückt. Als Beispiel führt sie hier das Dschungel-Camp an, das offiziell unter dem Titel „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ geführt wird. Das Faszinierende entstehe für Döveling darin, Prominente, die über uns zu schweben scheinen, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Der soziale Vergleich habe als Folge, dass die Stars zum Jedermann werden, und das tue RezipientInnen gut. Die breite Zuseherschaft könnte neben den angeführten Charakteristika von Reality-TV ebenfalls auf das Fernsehen im Allgemeinen zurückzuführen sein. So sieht Svec lineares Fernsehen als den „Spezialisten für den größten gemeinsamen Nenner“. Damit stehe es im starken Kontrast zu Streaming-Anbietern, die auf sehr spezifische Bedürfnisse einzelner Zielgruppen ausgelegt seien.

Reality-TV und die Faszination von Fremdscham

von Paul Jelenik

Oliver Svec / Copyright: Marlena Koenig


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Wenn durch ,,Dancing Stars‘‘ das Tanzbein wieder selbst geschwungen wird Tanzen ist beliebter denn je zuvor. Dies zeigt eine Studie der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse, denn das Tanzinteresse ist sowohl bei Jung als auch bei Alt über die letzten Jahre hinweg konstant gestiegen. SUMO sprach dazu mit Profitänzerin Roswitha Wieland sowie Executive Producer von „Dancing Star“ Stefan Zechner und klärte, ob die steigende Beliebtheit des Tanzsports mit der großen Beliebtheit der diversen Tanzshows im Fernsehen zusammenhängt.

Tanzen – eine Sportart, die sich bereits seit Jahren an großer Popularität erfreut. Genau dies zeigt eine Studie der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse, im Zuge deren repräsentativ mehr als 23.000 Deutsche befragt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich im Jahr 2017 hochgerechnet rund 8,3 Millionen sich besonders für den Tanzsport interessierten, lediglich ein Jahr später waren es bereits rund 8,9 Millionen. Profitänzerin Roswitha Wieland erkennt die steigende Beliebtheit ebenfalls: „Das Interesse am Tanzen ist auf jeden Fall sehr groß und speziell in den letzten Jahren stark gestiegen.“ Auch das SINUS-Institut untersuchte den Tanzsport genauer und fand heraus, dass rund 68% der befragten ÖsterreicherInnen zumindest hin und wieder das Tanzbein schwingen. Besonders beliebt sind dabei vor allem Standard-, lateinamerikanische sowie Discotänze. Etwas seltener werden Volkstänze wie zum Beispiel die Polka ausgeübt. Ebenfalls fand das Marktforschungsinstitut heraus, dass der höchste Anteil der aktiv Tanzenden insbesondere den Altersgruppen 60 und älter sowie den 18- bis 29-jährigen angehört. Hinsichtlich des Geschlechtes sind vor allem Frauen mit 57% die Tanzfreudigeren. Zu den häufigsten Motiven, einen Tanzkurs zu belegen zählen neben dem Fitnessgedanken und das Schließen neuer Bekanntschaften auch der Spaß. „Tanzen begeistert nicht nur Jung und Alt sondern auch Klein und Groß. Der

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Wenn durch „Dancing Stars“ das Tanzbein geschwungen wird

Tanzsport macht die Menschen einfach glücklich und versprüht gute Laune“, so Roswitha Wieland.

Tanzshows boomen Neben der ansteigenden Beliebtheit des Tanzsports weisen auch die im Fernsehen übertragenen Tanzshows wie ,,Dancing Star‘‘ oder ,,Let’s Dance‘‘ eine sehr hohe Popularität auf. Laut einer Presseaussendung des ORF verfolgten rund 1.251.000 ZuschauerInnen das „Dancing Star“- Finale 2020. Dies ergibt einen hohen Marktanteil von 27 Prozent bei der Zielgruppe der 12- bis 49-jährigen. Bei der Altersgruppe der 12- bis 29-jährigen konnte sogar ein Marktanteil von 32 Prozent erzielt werden. Das „Dancing Star“-Finale letzten Jahres verzeichnete somit die beste Reichweite seit der vierten Staffel 2008. „Obwohl es ‚Dancing Star‘ bereits seit einigen Jahren gibt, sind die Gesamtquoten sehr konstant und gut. Die einzige Show, die ähnlich gute Quoten erreicht ist lediglich die ‚Millionenshow‘“, erklärt Executive Producer Stefan Zechner. Genau wie die österreichische verzeichnet auch die deutsche Tanzshow ,,Let’s Dance‘‘ einen neuen Staffel-Bestwert. Gemäß einer Presseausendung des Fernsehsenders RTL verfolgten rund 4,3 Millionen Menschen jeden Freitag die Tanzshow. Dies entspricht einem Marktanteil von 21,2 Prozent bei der Zielgruppe der 12- bis


49-jährigen. Die ehemalige „Dancing Star“-Profitänzerin Roswitha Wieland spricht aus eigener Erfahrung: „Ich habe gesehen, wie die Quoten beim ORF immer mehr ansteigen, und im Laufe der Zeit wurde ich sogar öfters auf der Straße angesprochen.“ Neben dem Tanzen ist einer der Hauptgründe, warum sich Menschen so gerne Tanzshows anschauen vor allem die Teilnahme von diversen Prominenten. Durch „Dancing Star“ und Co. werden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus ihrer gewohnten Umgebung herausgenommen und vor neue, ihnen ungewohnte Aufgaben gestellt. Darüber hinaus lernt man die Prominenten auf einer neuen und vor allem persönlicheren Ebene kennen. Als einen weiteren Grund zählt Stefan Zechner auch die Musik auf. „Insbesondere Musik emotionalisiert und löst bei vielen Erinnerungen an eigene Lebensabschnitte oder Situationen aus“, so der Executive Producer.

Menschen merke sie, dass diese durch Tanzshows durchaus langfristig beeinflusst werden. „Nahezu jedes Jahr im Sommer leite ich Tanzwochen in einer österreichischen oder ausländischen Hotelkette und da nehmen in der Tat immer sehr viele Menschen Teil. Im Jahre 2012 dauerten die Tanzevents lediglich eine Woche, mittlerweile ziehen sich diese bereits über zwei Wochen.“ Sie hebt allerdings auch die andere Seite hervor und erklärt, dass das Interesse an Privatstunden nach jeder Staffel bei manchen Menschen auch abnehme. „Wie lange die Motivation das eigene Tanzbein zu schwingen andauert, ist tatsächlich sehr unterschiedlich. Fest steht jedoch, dass Menschen durch Tanzshows inspiriert und bewegt werden‘“, hält Roswitha Wieland abschließend fest. Everybody dance now – or just watch? von Kathrin Plchot

„Dancing Star“ lässt Quoten und Tanzbein schwingen

Roswitha Wieland / Copyright: Roman Zach-Kiesling

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Nun stellt sich die Frage, ob die große Popularität von Tanzen mit dem enormen Interesse der verschiedenen Tanzshows zusammenhängt. Roswitha Wieland bejaht: „Das Tanzinteresse ist zwar in den letzten Jahren stark gestiegen, aber dies vor allem aufgrund der verschiedenen Tanzshows wie ‚Dancing Star‘ oder ‚Let’s Dance‘.“ Laut der Profitänzerin werden Menschen durch solche glücklich gemacht und inspiriert, selber das Tanzbein zu schwingen. Stefan Zechner schließt sich dieser Meinung an und behauptet: „Menschen werden auf jeden Fall von Tanzshows inspiriert und belegen dann meist im Anschluss selber einen Tanzkurs. Vor einigen Jahren gab es sogar diesbezüglich eine Umfrage seitens des ORF, die zeigte, dass Tanzschulen aufgrund von ‚Dancing Star‘ einen Zuwachs verzeichnen konnten.“ Wie lange die Inspiration und die Motivation, einen eigenen Tanzkurs zu belegen andauern, sei laut Wieland jedoch von Person zu Person unterschiedlich. Bei manchen

Wenn durch „Dancing Stars“ das Tanzbein geschwungen wird

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Die Farben des Regen­bogens in den Medien Der Ruf nach mehr Sichtbarkeit von Gruppen, die einer Minderheit angehören, gedieh in den letzten Jahren zu einem Schrei. So fordert insbesondere die LGBTIQ*-Community, endlich ebenfalls angemessen in den Medien repräsentiert zu werden: also Lesbian, Gay, Bi, Trans, Inter, Queer. Die Medienbranche betont zwar gerne, wie offen und tolerant sie doch sei, doch hinter den Kulissen herrschen nach wie vor dunkle Wolken statt Regenbögen. SUMO diskutierte dies mit Kai S. Pieck und Gerhard Niederleuthner.  Chance, die Szene bei der Nachbearbeitung zu entfernen oder den Teilnehmer aus der Sendung zu werfen. Was folgte, war ein Sturm an Kritik in den sozialen Medien. Offensichtlich stellt es kein Problem dar, homophobe Aussagen in das Programm einzubetten, doch ein Spielfilm mit queeren Hauptcharakteren in der Primetime gilt bis dato als „unzumutbar und gefährdend“, wie auch Niederleuthner bestätigt.

Sichtbar unsichtbar Ein ähnlicher medialer Fauxpas weckte in Kai S. Pieck den Wunsch, queere Menschen endlich sichtbar zu machen. Als Farid Bang und Kollegah beim Musikpreis „Echo“ im Jahr 2018 den Preis in der Kategorie Hip-Hop/Urban National trotz eindeutig antisemitischer Textzeilen abstaubten, war der Aufschrei so groß, dass PreisträgerInnen ihre Trophäen zurückgaben. Die Ethikkommission bezeichnete das Album der Künstler zwar als Grenzfall, jedoch wurden die künstlerischen Freiheiten nicht derartig weit übertreten, dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre. Kurz darauf wurde seitens der „Echo“-Auszeichnung argumentiert, man möchte sich in Zukunft von Antisemitismus, Gewaltverherrlichung und Homophobie distanzieren. Schließlich wurde die Preisverleihung aufgelöst. Pieck

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Der deutsche Regisseur und Autor Kai S. Pieck und Gerhard Niederleuthner, Chefredakteur des österreichischen „PRIDE“-Magazins, sind beide keine Neuankömmlinge in der Medienbranche. Während Pieck bereits seit 1983 in der Film-, Fernseh- und Werbebranche tätig ist und Regie bei zahlreichen Produktionen führte, zeigt auch der Berufsweg Niederleuthners einen klaren Bezug zu Medien auf. Durch seine Mitgliedschaft beim österreichischen Werberat und die Gründung seiner eigenen Agentur „g+“ hat auch er einen ungefilterten Einblick in die Medienlandschaft. „Eine ziemlich heterosexuelle“, wie beide betonen. Obwohl die Medien oft den Eindruck vermitteln, Diversität und Toleranz zu leben, sind diesbezügliche Skandale nicht weit hergeholt. Erst im April 2021 folgte eine Welle an Kritik an der von „SAT.1“ ausgestrahlten Sendung „Promis unter Palmen“. Zwölf Reality-TV-Promis zogen für diese Produktion in eine Villa in Thailand, darunter Drag Queen Katy Bähm. Was im ersten Moment nach einer lang ersehnten Repräsentation von Diversität schien, endete in homophoben Aussagen des Teilnehmers Prinz Marcus von Anhalt. Die feindlichen Äußerungen wurden minutenlang gezeigt, auf eine Einordnung während der laufenden Sendung wartete man vergeblich. „SAT.1“ setzte auf eine ungefilterte Ausstrahlung der verbalen Ausfälle und verspielte die

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betrachtete diesen Vorfall als „zynisch, weil es Homophobie, Sexismus und Gewaltverherrlichung seit Jahrzenten in der Musik, insbesondere im Rap und HipHop, und in den Medien gibt und das bis dahin niemanden interessierte.“ Zudem spielte der Fakt, dass die Suizidgefahr unter homosexuellen Jugendlichen fast fünf Mal so hoch ist wie die der heterosexuellen, eine bedeutende Rolle in der Gründung der Queer Media Society (QMS), die Pieck gemeinsam mit medienschaffenden KollegInnen im Jahr 2018 ins Leben rief. „7,4% der in Deutschland lebenden Menschen bezeichnen sich als lesbisch, schwul, bisexuell oder trans“, heißt es auf der Website von QMS. Die Daten, die der Dalia-Studie von 2016 zugrunde liegen, zeigen, dass dieser Wert in Österreich 6,2% beträgt. Geht es nach der QMS, bilden die Medien diese Anteile jedoch in keiner Weise ab. Elizabeth Prommer von der Universität Rostock stellte 2017 in der Studie zur „audiovisuellen Diversität“ ferner fest, dass das deutsche Kino und Fernsehen immer noch inhärent heterosexuell ist.„Dagegen muss man etwas tun!“, lautet die Devise Piecks und so begann er, in seinem Umfeld queerer Medienschaffender zu verkünden, dass gerade jene, die in der Medienbranche arbeiten und tagtäglich Vorbilder erzeugen, nun endlich auch „ein realistischeres Abbild unserer Gesellschaft schaffen müssen, die


in Wahrheit viel diverser ist, als unsere Medien es sind.“ Die Idee, eine Gemeinschaft queerer Medienschaffender zu gründen stieß zwar keineswegs auf negative Rückmeldung, allerdings äußerten KollegInnen Skepsis gegenüber Piecks. „Einige wussten nicht, wie sie etwas dazu beitragen können. Vielen geht es privat und beruflich gut, sind sowohl in der Familie als auch im Arbeitsumfeld geoutet. Aber selbst diese werden doch keinesfalls abstreiten können, dass es Queerfeindlichkeit gibt“. Die Queer Media Society fordert daher „dass 7% des turnusmäßigen Outputs aller Medien-Produktionen mit LSBTIQ*-Inhalten und -Akteur*innen belegt werden.“ (Anm.: LSBTIQ* ist der deutsche Pendant-Begriff zu LGBTIQ*.) Zudem werde rege Aufklärung „durch die Veranstaltung von Panels, die teils unter den Begriff Diversität fallen“ betrieben und auch bei „der Novellierung des Film-Förderungsgesetzes in Deutschland haben wir uns eingebracht“, erklärt Pieck. Die QMS hat kürzlich zudem eine Petition mit dem Lesben- und Schwulenverband Bayern gestartet, um „in den bayerischen Medien- und Rundfunkräten eine queere Vertretung zu schaffen.“ Kai S. Pieck betont ebenfalls, dass „allein durch den Umstand, dass es die QMS gibt, eine gesellschaftliche Diskussion ausgelöst wurde.“ Nicht nur in der heterosexuellen Medienbranche, sondern auch unter jenen Medienschaffenden, die sich als Teil der LGBTIQ*-Community identifizieren, kam somit ein Stein ins Rollen und Pieck erhält nicht selten Nachrichten von Medienschaffenden, „die extrem glücklich sind, dass sie jetzt sozusagen auch professionell über LGBTIQ*-Themen sprechen können.“

Auch Print kann bunt sein  Auf die Frage, in welchen Medienbereichen noch das meiste Entwicklungspotenzial hinsichtlich queerer Inhalte steckt erwähnt Kai S. Pieck eine Branche, die in dem Gespräch rund um Diversität in den Medien meist völlig außen vorgelassen wird. „Der GamesBereich ist zwar bezüglich der Produktion und Entwicklung viel internationaler aufgestellt, dennoch ist diese Branche sehr archaisch und binär gekennzeichnet.“ Doch auch der Printbereich scheint von der Heteronormativität durchzogen zu sein. So gibt es in Österreich lediglich nur wenige Magazine, die den Fokus auf queere Themen legt. „PRIDE – das lesbisch/schwule Österreichmagazin“ wird seit 1991 in einem zweimonatigen Abstand durch „PRIDE - Verein für

queere Kulturarbeit“ ehrenamtlich herausgegeben. Redaktionsleiter Gerhard Niederleuthner erklärt, dass das Magazin ursprünglich als Vereinszeitung der Homosexuellen Initiative Linz veröffentlicht wurde, aber auch einige Kooperationen mit anderen Vereinen eingegangen war, die gleiche Interessen verfolgen. Die Intention des Magazins besteht darin, Meinung zu bilden und positive Bilder zu generieren, da über die Themen rund um Homosexualität in der Vergangenheit laut Niederleuthner nur dann berichtet wurde, wenn es zu negativen Vorfällen kam. „Das Magazin ist eine Mischung aus Coming-Out-Hilfe und politischem Lobby-Organ, vermittelt gesellschaftspolitische Themen und soll aber genauso zeigen, dass das Leben Spaß macht“, so der Redaktionsleiter. Bei der Finanzierung des Magazins ergeben sich jedoch bis dato noch einige Hürden. Niederleuthner beschreibt das Werbeschalten „eine Katastrophe“, da all jene Unternehmen, die in den vergangenen Jahren eine Sensibilität für LGBTIQ*-Themen aufbrachten, auf eine Werbeschaltung im „PRIDE“-Magazin aufgrund der geringen Auflagenzahl verzichten oder nur die LGBTIQ*-Community ansprechen, aber keine fixen Schaltungen tätigen möchten.

Diversität wird Normalität Eine flächendeckende Repräsentation von Diversität in den Medien trägt nicht unmaßgeblich zur eigenen Identitätsfindung bei. Sei es das gleichgeschlechtliche Paar in der Lieblingsserie oder die zahlreichen Artikel im „PRIDE“Magazin, all das führt dazu, dass sich die queere Gemeinschaft erfasst und akzeptiert und vor allem wertgeschätzt fühlt. Denn wie Kai S. Pieck betont, werde die queere Gemeinschaft zwar oft als Minderheit betitelt, „aber sie steht keinesfalls am Rande der Gesellschaft.“ Auch Menschen mit diversen Lebens- und Liebensformen müssen eine mediale Repräsentation genießen und dürfen nicht totgeschwiegen werden. Denn genau das führt wieder zu dem Punkt der äußerst hohen Suizidgefahr von queeren Jugendlichen. Hinsichtlich der Inhalte, die Aspekte der LGBTIQ*-Community zeigen, gilt es, diese transparent und eindeutig zu machen. „Früher konnten Unterhaltungsformen oft nicht konkret als lesbisch oder schwul festgestellt werden“, so Niederleuthner. Auch Pieck bestätigt, dass queere Sichtbarkeit gar nicht als solche wahrgenommen wurde. „Vieles lief über Codes ab oder wurde erst dann

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registriert, als die Medien über die Homosexualität dieses oder jenes Schauspielers berichteten“ und sich herausstellte, dass der im Film mit einer Frau verheiratete, fürsorgliche Familienvater in Wahrheit homosexuell ist. Für mehr Diversität im Film- und Fernsehmarkt hat sich zuletzt der Streaming-Gigant „Netflix“ ausgesprochen. Die Plattform hat sich demnach verpflichtet, in den kommenden Jahren eine mehrstellige Millionensumme in die Produktion von Inhalten, die unterrepräsentierte Gruppen in den Fokus rücken einfließen zu lassen. Dazu zählt auch die LGBTIQ*Community, die gemäß der von „Netflix“ in Auftrag gegebenen „AnnenbergStudie“ im Medienbereich noch sehr viel Luft nach oben aufweist. Somit gilt nur zu hoffen, dass auch andere Medienhäuser endlich mehr Mut zur Farbe zeigen.

Gerhard Niederleutner / Copyright: privat

Kai S. Pieck / Copyright: Andreas Schlieter

von Cornelia Plott

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Von Prinzen und Königinnen Die Welt der „Royals“ ist eine Traumfabrik, die selbst Hollywood in den Schatten stellt. Hochzeiten, Schwangerschaften und Todesfälle von Adeligen, das beschäftigt. Auch heute noch – und auch in Ländern, deren monarchische Zeit längst vergangen ist. Die moralischen Grenzen in der Adelsberichterstattung sind dabei nicht immer ganz klar. Welche gesetzlichen Regelungen gibt es für Medien eigentlich? Und kann Adelsberichterstattung auch ohne erfundene Geschichten auskommen? Eine Adelsexpertin und ein Medienjurist geben die Antworten.

Ein Brautpaar schreitet aus der Londoner Westminster Abbey, ein glückliches Lachen in den Gesichtern. Für einen Augenblick sind die beiden noch frisch vermählte Ehepartner, im nächsten schon künftiger König und Königin des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland. Spätestens als die tausenden Schaulustigen in aufgeregten Jubel verfallen, ist klar: Die Faszination für das, was am 29. April 2011 im Herzen der britischen Hauptstadt passiert, ist riesengroß. Doch woran liegt das? Am Prinzen in seiner roten Uniform der Irish Guards? Am Hochzeitskleid seiner Gemahlin? Zugegeben: Da hat es schon imposantere gegeben. Trotzdem ist die Schleppe mit ihren 2,7 Metern gerade lang genug, der Spitzenstoff gerade fein genug und der Rock gerade weiß genug, um der ideale Stoff zu sein, aus dem Märchen gemacht werden. Mediale Berichterstattung über Adelige hat nicht nur in den jeweiligen Ländern ihre Anhänger. Der Tod von Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, im April hat das einmal mehr klar gemacht. Medien rund um den Globus haben darüber berichtet – das liegt nicht nur daran, dass das britische Commonwealth weite Teile des Erdballs umfasst. Auch in Österreich schaffte es der Prinzgemahl nach seinem Ableben auf das Titelblatt der „Kronen Zeitung“, seine Trauerfeier wurde im ORF live übertragen. Woran diese Begeisterung für Adelige liegt und welch eine Gratwanderung die Berichterstattung über sie sein kann, hat SUMO mit Anika Helm besprochen.

Mehr als „erfundene Dramen“ Sie hat 2017 die Online-Seite ADELSWELT.de gegründet. Zuvor war sie Journalistin in anderen Promi- und Adelsredaktionen, deren Art der Berichterstattung habe ihr aber nie wirklich gefallen, wie sie heute sagt: „Es ging permanent nur um irgendwelche (erfundenen) Dramen. Mir als Fan fehlte die Wertschätzung für die Royals.“ Ein Fan, das wurde sie schon in jungen Jahren. „Meine Oma hat schon immer die bunten Blätter gelesen und mich mit ihrer Begeisterung angesteckt“, er-

innert sie sich. Bücher über Königshäuser standen bei Anika Helm schon im Kindesalter im Bücherregal: „Ich muss etwa zehn Jahre alt gewesen sein, als ich die ersten Bücher über Marie-Antoinette in die Hände bekam und regelrecht verschlungen habe.“ Seitdem lasse sie das Thema nicht mehr los. Auf ADELSWELT versucht sie, „die Dinge anders zu machen“ als einige der bunten Blätter. Auf Themen wird Anika Helm durch aktuelle Nachrichten aufmerksam, greift inzwischen aber auch schon einiges aus Sozialen Medien auf. „Die Royals teilen dort selbst gerne persönliche Geschichten. Das sind Informationen aus erster Hand“, erklärt sie. Auch LeserInnen und alte Adelsbücher regen Anika Helms Kreativität an: „Ich habe sicher noch 200 Themen liegen, die ich gerne einmal machen möchte. Mir fehlt es eher an der Zeit als an Ideen.“ Thematisch gibt es freilich auch manch verlockende Adelsgeschichte. „Gerade dieser vermeintliche Streit zwischen Herzogin Catherine und Herzogin Meghan hat sehr viele Leute interessiert“, erklärt sie. KollegInnen hätten sich damit „eine goldene Nase verdient“, das könne schon verlockend sein. Aber: „Ich habe versucht, das Thema auf ADELSWELT kleinzuhalten und habe eher die Berichterstattung der Medien hinterfragt.“ Die größte Herausforderung sei, für sie vertretbare Geschichten aus der Flut an Informationen herauszufiltern – also die Spreu vom Weizen zu trennen. Dann sei ihr wichtig, sich selbst zu hinterfragen, erzählt Anika Helm: „Ist das, was ich berichte, fair und angebracht? Mache ich meinen Job gut? Steht ADELSWELT für die Werte, die mir wichtig sind?“ Auch das sprichwörtliche Spiegelvorhalten der LeserInnen helfe, wenn sie Gefahr laufe, diesen inneren Kompass zu verlieren.

Aufmerksamkeit durch ­erfundene Stories? Der innere Kompass von Anika Helmwschlägt dann an, wenn es zum Beispiel um die angebliche Schwan-

gerschaft der niederländischen Königin Maxima geht – im Alter von 50 Jahren. Dass auf Geschichten wie diese gesetzt wird, liege nicht nur an den Medien, die sie erzählen: „Die Redaktionen, die teilweise einen hohen wirtschaftlichen Druck verspüren, produzieren das, was sich verkauft. Wäre also die Nachfrage nach solchen Geschichten nicht so groß, wäre die Berichterstattung wohl anders“, erklärt sie. Mit ADELSWELT versuche sie, mehr als das zu bieten. Deshalb ist die Seite kein klassisches Klatsch- und Tratsch-Portal, Anika Helm hinterfragt auch die Berichterstattung anderer Medien immer wieder – und greift Gerüchte manchmal explizit auf, um sie zu widerlegen. Zum Beispiel? „Die Geschichte, dass Prinz William Krebs haben soll. Ich möchte, dass die Menschen, die danach googeln, erfahren, was wirklich dahintersteckt.“ Ein Qualitätskriterium ist sicher auch das Bemühen um Angabe der Quellen auf ADELSWELT. Dadurch können die LeserInnen nachvollziehen, woher die Infos kommen, betont Anika Helm: „Viele LeserInnen schätzen meine Herangehensweise sehr und mögen meine Art der Berichterstattung. Und auch einige Royals haben sich schon bei mir bedankt.“

Nicht alles ist gesetzlich ­erlaubt Wenn Adelsberichterstatter wie Anika Helm ihrer Tätigkeit nachkommen, haben sie auch in gesetzlicher Hinsicht einiges zu beachten: Urheberrechte, Persönlichkeitsrechte. „Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Schutzmöglichkeiten für Personen, über die berichtet wird“, sagt der Wiener Rechtsanwalt Niki Haas. Er hat sich unter anderem auch auf Medienrecht spezialisiert. Die Schutzmöglichkeiten des Medienrechtes – das sind das Fordern von Schadenersatz für Verletzungen der Persönlichkeitsrechte, etwa wenn es in einem Medium zu übler Nachrede, Beschimpfung, Verspottung oder Verleumdung kommt. „Mit dieser Entschädigung kann auch eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches geltend gemacht werden“, erklärt er.

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Aber: Was dieser „höchstpersönliche Lebensbereich“ ist, könne letztendlich jeder selbst definieren. Grundsätzlich umfasse er Bereiche wie das intimste Privat- und Familienleben, Liebesbeziehungen – aber auch den Gesundheitszustand. Mit Unterlassungsverfahren kann gleichzeitig auch zivilrechtlich vorgegangen werden. „Vereinfacht gesagt: Sachverhalte, die man medienrechtlich mit einem Entschädigungsverfahren geltend machen kann, können zivilrechtlich in einem Unterlassungsverfahren behandelt werden“, erklärt Haas.

© Copyright: adobe stock / Konstantin Yuganov

Eigene gesetzliche Regelungen gibt es auch fürs Veröffentlichen von Lichtbildern eines Betroffenen. Der Fachausdruck: „Recht am eigenen Bild“. Konsequenzen in Form einer Unterlassungsklage oder Schadenersatzforderungen habe eine Veröffentlichung eines Bildnisses nur dann, wenn berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, sagt Niki Haas: „Nicht jede Veröffentlichung des Bildnisses eines Betroffenen bringt gleich einen Unterlassungsanspruch mit sich.“ Nicht unwichtig – sowohl für Berichterstatter als auch für Betroffene – ist Paragraf 9 des Mediengesetzes, in dem das „Recht auf Gegendarstellung“ geregelt ist: „Die Gegendarstellung kann ein Betroffener dann fordern, wenn es zu einer unwahren Tatsachenmitteilung kommt. Es geht nicht unbedingt darum, dass er in einem Persönlichkeitsrecht verletzt werden muss. Es geht um eine nüchterne Richtigstellung der Tatsachen“, erklärt Haas. Was das gesetzlich Erlaubte in der Praxis häufig überschreite, seien sogenannte Hass-Postings mit Beschimpfungen oder üblicher Nachrede.

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Thema Von Prinzen und Königinnen

Schwer zu stoppen, wenn es draußen ist Mögliche Rechtsverletzungen zu verhindern, das sei nicht ganz einfach, sagt Rechtsanwalt Niki Haas. Weil: „Von einer Rechtsverletzung erfährt man in der Regel erst, wenn es bereits passiert ist. Wenn etwas draußen ist, dann ist es draußen und man kann es nicht mehr zurückholen.“ Außerdem ist es nicht mehr so einfach, die Verbreitung zu stoppen. Insbesondere dann, wenn Berichte online erschienen sind. Das Internet vergisst nicht. „Das ist natürlich sehr belastend für die Betroffenen“, betont er. Wenn JournalistInnen über Vorwürfe gegenüber Personen berichten, gilt freilich ihre Sorgfaltspflicht. Sprich: Den Betroffenen mit dem Vorwurf zu konfrontieren. „Bedauerlicherweise kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass JournalistInnen diese Sorgfaltspflicht nicht wahren“, weiß der Anwalt. Häufig sind es angebliche Affären von adeligen Personen, über die in verschiedenen Medien berichtet wird – thematisch wird es also mitunter intim. „Grundsätzlich ist jede Berichterstattung über Themen wie dieses eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches“, sagt Niki Haas. Betroffene hätten dann einen Unterlassungsanspruch. Verglichen mit anderen Ländern bewertet er die Berichterstattung österreichischer Medien über solch intime Themen als „relativ zurückhaltend. Wahrscheinlich auch, weil die Medien wissen, dass das eindeutige Fälle sind, die man normalerweise verliert.“ Dass die gesetzlichen Regelungen


gegenüber Großbritannien oder den USA in Österreich strenger sind, sei gut so, meint Haas. Grundsätzlich gelte aber: „Je mehr eine Person selbst in die Öffentlichkeit drängt, desto mehr muss sie sich gefallen lassen. Man kann auch als Adeliger sehr in die Öffentlichkeit drängen oder sich zurückhalten“, betont er. Bleibt zum Schluss nur noch die Frage: Was fasziniert die Menschen an den Royals? Dass die Welt von Prinzen und Prinzessinnen etwas Besonderes ist, verinnerliche man schon früh, sagt Adelsexpertin Anika Helm: „Die meisten von uns sind mit Märchen aufgewachsen.“ Sie seien allgegenwärtig, begleiten das öffentliche Geschehen über Jahrzehnte. Und: „Wir dürfen bei den Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen dabei sein. Obwohl sie auf der einen Seite unnahbar und erhaben sind, wecken sie gleichzeitig familiäre Gefühle.“ All das müssen eben die idealen Stoffe sein, aus denen Märchen gemacht werden.

Anika Helm / Copyright: Adelswelt

Niki Haas / Copyright: privat

Von Anna Hohenbichler

Von Prinzen und Königinnen

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VR-Gaming – Die Welt außerhalb der Brille Virtual Reality bietet seinen RezipientInnen simulierte Welten, denen sich die jeweiligen SpielerInnen mit Kreativität, Entdeckungsfreude und Mut völlig hingeben. Um die Welt hinter diesen Welten zu verstehen, diskutierte SUMO mit Jörg Hofstätter und Julia Rose vom Entwicklerstudio ovos aus Wien, und Dr. Dominik Batthyány, dem Leiter der Therapieund Beratungsstelle für Mediensucht an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien. „Erfreulich wenig“, antwortet Gründer und Geschäftsführer von ovos, Jörg Hofstätter, auf die Frage, was man benötigt, um ein VR-Game heutzutage umzusetzen. Bereits zwei bis drei Personen, die die Aufgaben des Game and Asset Design sowie des Development übernehmen, sollen dank immer günstiger werdender Hardware reichen, um ein kleines Spiel in VR zu entwickeln. Redakteurin sowie Content und Game Designerin Julia Rose fügt jedoch weiterführend an, dass zuvor – bevor das Projekt überhaupt das Tageslicht erblickt – eine den Einsatz der VR-Technologie rechtfertigende Vision von Nöten sei. Denn die Coolness des Formats reiche nicht aus, um ein Spiel in 3D zu gestalten.

Unterhaltsam, lehrreich, spielerisch

© Copyright: adobe stock / gaihong

Sollte sich jedoch ein Entwicklerstudio für diese Technologie entscheiden, kann diese für mehr als nur Unterhaltungszwecke eingesetzt werden. Der Game Development Studie 2019, die im Auftrag des Fachverbandes Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (UBIT) und in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich verfasst wurde, ist zu entnehmen, dass es drei grundsätzliche Projektarten gibt. Neben Entertainment Games gibt es noch Education Games und Serious Games, die im Gegensatz zu den beiden erstgenannten nicht ihre Erklärung bereits im Namen finden. Diese Spieleart fokussiert auf die Vermittlung von Inhalten, die unterhaltsam sein können, aber nicht sein müssen. Dabei lag der Schwerpunkt der innerhalb der Studie befragten Spiele-EntwicklerInnen jedoch klar auf Entertainment Games, da 87% von ihnen diese bereits entwickelten hatten, ein rund dreimal höherer Wert als bei den anderen beiden Kategorien. Der Spielfaktor wird dabei aber bei keiner der drei vernachlässigt und findet auch

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Anwendungsmöglichkeit außerhalb der eigenen vier Wände. So könne sich Hofstätter vorstellen, dass es eines Tages neben Laptop- auch VR-Klassen an Schulen geben werde, die die Technologie zur spielerischen Vermittlung von Inhalten oder für z.B. virtuelle Exkursionen nützten. Das sei allerdings eine Frage der Hardware, also VR-Brillen wie Oculus Rift, die Software würde es geben. Grundsätzlich beeindrucken den ovos-Gründer und -Geschäftsführer dabei die konstruktiven und kreativen Möglichkeiten von VR Learning Games, die mit der Hand-Augen-Interaktion die SpielerInnen dazu motivieren, mit dem Körper zu arbeiten. Eine sehr körperliche Erfahrung können im Bereich der Entertainment Games VR-Spiele mit Horrorelementen sein. Games wie „Phasmophobia“ nutzen die Game Mechanics von VR laut Rose sehr gut aus und durch die fehlende Distanz zum Bildschirm und eine komplette 360 Grad Umgebung könne der Rausch nochmal stärker eintreten als beim Spielen auf der Konsole oder auf einem PC.

Gaming-Sucht Eine intensivere Spielerfahrung, die zu mehr Dopaminausstoß führt, komme einer Dosissteigerung gleich, die darauf schließen lassen könnte, dass VR der nächste logische Schritt für Menschen mit Computerspielsucht ist. Doch bis jetzt ist Batthyány in seinem Berufsalltag in der Therapie- und Beratungsstelle für Mediensucht an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien noch niemanden begegnet, der aufgrund einer expliziten VR-Gaming-Sucht dort Hilfe gesucht hätte. Eine Gaming-Sucht als Verhaltenssucht unterscheidet sich in ihren Grundfesten nicht von anderen, substanziellen Süchten, so Batthyány. Kennzeichen seien der Kontrollverlust über das eigene Verhalten, negative Folgen für schulische und berufliche


Leistungen sowie für Beziehungen. Weiters erklärt Batthyány, dass Menschen, die unter einer Suchterkrankung leiden das Interesse an Aktivitäten verlieren, die davor von großer Bedeutung für sie waren. Sofern Kinder und Jugendliche betroffen sind, treten meistens deren Eltern in Kontakt mit Batthyány und suchen Hilfe. Dabei unterstreicht er allerdings, dass es sich bei Problemen rund ums Spielverhalten nicht automatisch um eine Sucht handeln müsse, sondern auch der Fall vorliegen könne, dass die jeweilige Familie noch nicht den richtigen Weg gefunden hat, Gaming in den Alltag möglichst harmonisch und ausgewogen zu integrieren.

Der Geschlechterunterschied Sollte es zu einer Sucht kommen, seien Buben und Männer eher davon betroffen als Mädchen oder Frauen, so Batthyány. Den Geschlechterunterschied in der Nutzungsdauer verdeutlichen auch die Ergebnisse von „Mediensucht 2020“, einer deutschen Längsschnittstudie im Auftrag von DAK-Gesundheit. Die stärkste Gruppe in punkto Nutzungsdauer ist die der 16- bis

18-Jährigen, wobei die Angaben der befragten Jungen eine durchschnittliche Spieldauer von 273 Minuten an einem normalen Wochenendtag ergeben und somit den Durchschnittswert der gleichaltrigen Mädchen um rund 100 Minuten übertrifft. Batthyány führt diese Ergebnisse auf die Befriedigung männlich-spezifischer Bedürfnisse zurück, zu denen unter anderem das Erleben von Abenteuern oder die Umsetzung von Projekten zählten. Weitere Motive für das Gaming-Verhalten, die von den in der DAK-Studie befragten Kindern und Jugendlichen angegeben wurden, sind etwa das Bekämpfen von Langeweile, die Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten oder die Flucht von der Realität. Batthyány sieht bei VRGaming die Möglichkeit, in eine Welt einzusteigen und abzutauchen, die die Realität noch besser imitiert als andere Spieleformate, etwa Konsolenspiele. Das mache für viele auch die Faszination aus. Es sei auch denkbar, dass VR-Gaming einem Eskapismus, also dem Wunsch nach Realitäts- oder Weltflucht, sehr entgegenkommt und bei Suchtverhalten als eine für diese typische Dosissteigerung fungieren könnte. Dosissteigerungen können, so Batthyány, durch Steigerung der

Ereignisfrequenz immer längere Einheiten und extremere Inhalte erreicht werden. Ein immersives VR-HorrorGame könnte womöglich die gewollte Dosissteigerung bewirken.

Das Bein nie schwächer ­werden lassen Die beste Prävention einer GamingSucht seien für Batthyány Lebenskompetenzen, also Mechanismen, die uns helfen mit den Problemen des Alltags umzugehen und uns nicht dazu veranlassen, eine alternative Strategie zu wählen, die in einer Sucht enden könnte. Batthyány zeichnet dabei das Bild eines angeschlagenen Beins, das nur durch eine Krücke aufrecht gehalten werden kann. Das Bein steht hier für Probleme im Leben und die Krücke für das jeweilige Suchtverhalten. Je länger man die Krücke verwende, desto schwächer werde das Bein und desto weniger habe man gelernt, mit den eigenen Problemen umzugehen. Die Quintessenz dieser Metapher ist, das Bein nicht schwächer werden zu lassen und Lebenskompetenzen aufzubauen. Sollte das nicht gelingen, dann könne man auf kein Playbook zurückgreifen,

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um die Gaming-Sucht zu behandeln. Batthyány hebt hervor, dass jeder Fall unterschiedlich sei und nur die Suche nach dem individuellen Auslöser Heilung bringe. Ein grundsätzlich gesunder Umgang mit Gaming ist jener, der von den SpielerInnen kontrolliert wird, also selbstbestimmt ist, der Freude bereitet und genug Raum bietet für andere Aspekte des Lebens, beschreibt Batthyány abschließend. Dann kann man die Gaming-Erfahrung eines VR-Spiels auch wieder voll genießen, die Game-DeveloperIn Julia Rose als eine sehr persönliche beschreibt, da ja einem/r die simulierte Welt sehr nahekomme. Dass eine virtuelle, bessere Welt die tatsächliche irgendwann ersetzen könnte, liegt für Rose noch in ferner Zukunft. Derzeit sei man noch sehr froh, wenn man Brille wieder abnehmen und gegen das echte Leben eintauschen kann.

Dr. Dominik Batthyány / Copyright: Lukas Ilgner

von Paul Jelenik

© Copyright: adobe stock / Yingyaipumi

Julia Rose / Copyright: Tobe Mayr

Jörg Hofstätter / Copyright: Markus Bacher

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Das Faszinosum Horror Horror spielt mit unseren Gefühlen. Wir wollen aber immer mehr – düstere Szenen, Nervenkitzel, Angstlust. Im Endeffekt bekommt das Publikum (meist), was es will. SUMO hat im Gespräch mit dem Schriftsteller, Literaturund Filmwissenschaftler Thomas Ballhausen und dem Film- und Serienproduzenten Marvin Kren erfahren, was moderne Horrorserien so attraktiv macht und wie diese geschaffen werden.

Charaktere der Hauptfiguren zu beobachten. Im Film ist alles sehr komplex und schnell, die Handlung steht stärker im Zentrum als die Persönlichkeiten. SUMO hat sich auch dafür interessiert, welche Aspekte beim Drehen eines Horrorfilms berücksichtigt werden müssen. „Drehen ist nicht so schwer, es gibt nur Aufforderungen“, so Kren. Er verweist darauf, dass es manchmal schwierig sein könnte, den SchauspielerInnen Angstgefühl zu vermitteln. Die SchauspielerInnen müssen zusammen mit den ZuschauerInnen an die jeweilige Situation glauben und sich wirklich fürchten. Er betont aber, dass Erstere das auch ganz gut könnten. Manche ProduzentInnen benutzen solche Tricks wie „Ein totes Kaninchen ins Gesicht werfen“, Marvin Kren hält aber nichts davon.

Horrorserien und Horrorfilme benutzen dieselben Instrumente des Schreckens auf verschiedene Weise. Die Filme lassen ZuschauerInnen oftmals durch sogenannte „Jump scares“ – plötzlich abgespielte heftige Momente, die gewöhnlich durch einen Anstieg der Lautstärke begleitet werden – erschrecken. Es ist dunkel, niemand ist im Zimmer, es regnet, plötzlich springt eine Frau schreiend aus dem Schrank – als klassisches Beispiel. Horrorproduzent Marvin Kren betont, dass alle Menschen, die Horror ansehen, Angst nur vom Ton bekämen. „Der Ton ist alles, die einzige Geheimwaffe“. Der Ton bestimme 90 Prozent der Qualität des Filmes, und: „16 Scares verteilt auf 90 Minuten – das macht, technisch gesehen, einen guten Horrorfilm aus.“ Laut Kren würden auf Basis dieser Grundrechnung die Drehbücher geschrieben. Wenn der/ die Zuschauer/in sich auch noch mit der Geschichte identifizieren könne, werde er/sie zum Teilnehmer bzw. zur Teilnehmerin des Geschehens. Horrorserien versuchen zusätzlich, die Aufmerksamkeit fortdauernd aufrechtzuhalten und oftmals übernatürliche sowie gewalthältige Situationen in den Vordergrund zu bringen. Bei den Serien ist es möglich, die dauernde und tiefe Entwicklung der Gefühle und der

Warum haben wir Spaß, erschrocken zu werden? Thomas Ballhausen meint, dass Horror eine Erfahrung ist, die gerne mit FreundInnen geteilt werde, etwa „vor der Pandemie ... gemeinsam eine Pizza zu bestellen und einen Horrorfilm anzuschauen“. Auch spielten die neuen Distributionskanäle für Horrorserien eine Rolle, die „anders befüllt und aufbereitet sind“. Der Horror schließe laut Ballhausen „auf unbewusste Ängste und Träume an und verbindet auf bewusste Weise, was in einer Gesellschaft schief gehen kann und was es bedeutet, ein Mensch zu sein“. Ist die Wahrnehmung der Horrorserien bei Männern und Frauen unterschiedlich? Er zweifelt daran, ob es einen „female-friendly“ Horror gäbe, konstatiert jedoch, dass „das Horrorgenre eines der ersten ist, das die Heldinnen stark gemacht hat. Eine unwahrscheinliche Figur darf zur Heldin werden“. Marvin Kren stimmt dem Filmwissenschaftler zu und betont, dass weibliche Heldinnen schon seit langem als Hauptfiguren auftreten. Auch gebe es die Tendenz, dass heute Serienfiguren in Bezug auf Herkunft, sexuelle Ausrichtung und Religion diverser werden.

Die Philosophie hinter „The Walking Dead“ Horrorserien sowie Horrorfilme sind in verschiedene Genres unterteilt. Ziehen wir eine der repräsentativsten Horrorserien im Genre „Tote“ heran – „The Walking Dead“. Die Serie stellt eine bunte Mischung aus verschiedenen Erzählstrategien dar: Horror, Abenteuer, Western, Katastrophe, Science-Fiction und Thriller. Heutige DrehbuchautorInnen versuchen unterschiedlichste dramaturgische, Film- und Sprachstile, HeldInnen-Konstrukte und Handlungen miteinander zu kombinieren. Marvin Kren hat nur die erste Staffel der Serie angesehen, diese aber „spannend, toll und originell“ gefunden. Jede/r hat sich schon Gedanken gemacht, was hinter dem Leben steckt. „The Walking Dead“ öffnet für uns eine mögliche Variante. Aber was fasziniert Millionen von Menschen? Die Antwort ist – der Tod. Die Toten, die jederzeit aus dem Grab kommen können und einem in den Hals beißen. Die erste Pilotserie erschien Ende Oktober 2010 und wurde vom amerikanischen Fernsehsender AMC erstellt. Heute umfasst die Serie zehn Staffeln, die elfte Staffel erscheint 2021. Darüber hinaus hat AMC auch das Prequel „Fear the Walking Dead” produziert, welches ebenso ziemlich erfolgreich ist. Die Horrorserie lässt uns nicht nur von einer großen Anzahl an Toten und einer düsteren Atmosphäre erschrecken, sondern bringt uns auch auf Gedanken, die uns gewöhnlich kaum im Alltag erscheinen. Worin liegt der Unterschied zwischen Zombie und Menschen? Lohnt es sich gegen die Moral anzugehen, die Prinzipien der Gerechtigkeit und der Freiheit zu verletzen, wenn die Situation gefährlich ist? Ist es besser, alleine den Weg zum Überleben zu suchen oder sich an die Gruppe zu halten? Sind die Opfer sinnvoll? „Es werden die Geschichten von den Menschen erzählt, von deren Zusammenleben und Zusammenhalt“, so Kren. Die ZuschauerInnen versetzen sich an die Stellen der Hauptfiguren und grübeln, wie sie sich in der einen oder anderen Situation verhalten würden.

Das Faszinosum Horror

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Einen fast zwei Stunden dauernden Film oder doch eine 40-minütige Folge einer Horrorserie ansehen? Gemäß Thomas Ballhausen bieten die modernen Serien neue Ansätze und effektive Elemente sowie eine effiziente Nutzung von Filmstrategien. Ausgehend von den Strukturen fungieren in den Serien die tradierten Momente. Worin aber liegt der Unterschied? „Bei den Serien kann sich die Erzählungssicht ganz anders entfalten. Der Film hat sich immer für den menschlichen Körper interessiert“. Der Wissenschaftler weist außerdem darauf hin, dass in den Fernsehserien andere Momente von Horror abgespielt werden als in traditionelleren Medien. Er erwähnt das Beispiel „Dracula“: Das Werk hat verschiedene Ausformungen – Roman, Theaterstück, Spielfilm, Fernsehserie – und jede Erscheinungsform sei anders gestaltet.

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Es ist sicher schwer, die eindeutigen Antworten auf obige Fragen zu finden. Vor Hunderten von Zombies stehend, die nur ihnen Hunger stillen wollen, treten die moralischen sowie philosophischen Aspekte in den Hintergrund. von Elizaveta Egorova

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Eine gute Ausbildung ist eine, die mir zeigt, was noch getan werden muss. Wissen, was morgen zählt.

Moritz Wieser Student Data Science und Business Analytics

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