SUMO #33

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Crime

Copyright: Raffael Hagleitner

» True Crime Podcasts » „Richter Alexander Hold“ » Polizei auf „Facebook“

Ausgabe 33 - Oktober 2019 -


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St. Pölten University of Applied Sciences

fhstp.ac.a

© Martin Lifka Photography

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Medienmanagement studieren! Das Bachelorstudium für Radio | TV | Print | Online mit den Schwerpunkten: n n n

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Inhalt » Mord ist ihr Hobby

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» „Richter Alexander Hold“ – Was steckt hinter den Kulissen der Gerichtsshow?

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» Polizei auf „Facebook“ und „Twitter“

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» Operation „Parnass“ – Die Suche nach dem verlorenen Schatz

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» Fokus statt High? Microdosing

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» Gedruckt, geladen und entsichert

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» Wie soziale Medien die Kommunikation über sexuelle und andere Gewalt verändern

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» „Last Goodbye“ – Publicity angesichts des Freitodes

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» Framing in der (Gewalt-)Berichterstattung

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» Doping und die Rolle der Medien

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» Darknet: Anonymität vs. Kriminalität

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» Cyberwar und Cyberdefense

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» Horrorfilme: Lust auf Angst und Spannung vs. Ekel

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Editorial

Dennoch, liebe Leserinnen und Leser, berichten wir darüber nur am Rande. In dieser SUMO-Ausgabe lesen Sie Berichte und Reportagen, wie stets basierend auf Experteninterviews und Studien, zu Themen eben an den Rändern – etwas, das SUMO ausmacht. Abgesehen davon, dass dieselben RedakteurInnen auch die Bildredaktion, Sales, Produktion unseres gedruckten Magazins wie dessen Schwester sumomag. at, Distribution, Release-Organisation und Controlling verantwortet haben. Alle Schritte in einem Medienunternehmen zu durchlaufen und noch wenig thematisierte, jedoch kommende Inhalte wirtschaftlich aufzubereiten für Sie: Das unter anderem zeichnet den

Ach ja, Erklärung: Es erwarten Sie Artikel zu True Crime Podcasts, zur Gefahr von Suizidforen bzw. 3D-Drucker-Waffen, zur Cyberdefense Österreichs, gelüftet werden die Geheimnisses um „Richter Hold“, warum die Polizei twittert und Museen bei Kunstdiebstählen eher nicht... Eine interessante Lektüre wünschen

FH-Prof. Mag. Ewald Volk

Studiengangsleiter Bachelor Medienmanagement

FH-Prof. Mag. Roland Steiner Praxislaborleiter Print Chefredakteur SUMO

Inhalt und Editorial

© Copyright: pexels

Streaming-, aber auch lineare TV-Kanäle basieren einen Gutteil ihres Geschäftsmodells darauf, Zeitschriften wie „Stern“ erzielen mit ihren Spin-Offs gute Reichweiten, Onlinekanäle finanzieren sich über Gewaltattraktion, Verbrechensberichte in Zeitungen lukrieren die größten Schlagzeilen und online meisten Klickraten und Posts, Thriller haben auf Stränden die Badetücher als Reservierungsablage abgelöst... Warum interessiert uns das, was uns derart Angst macht derart?

SUMO, das einzige studentische Medienfachmagazin mit dieser Konzeption, liegt auf Ihrem Schreibtisch und jenem aller MedienmanagerInnen Österreichs und in den Klassenzimmern vieler Höher Bildenden Schulen zu hoffentlich Ihrem Interesse – in unserem liegt auch das Referenzieren auf medienpraktische Leistungen unserer Studierender in diversen Mediengattungen. Stichwort: medienmachen.at.

Copyright: Ulrike Wieser

Ich schulde Ihnen eine Erklärung: Diese Ausgabe war unter dem Rahmenthema CRIME – in etwa: woher rührt das mediale Faszinosum Gewalt in unserer Gesellschaft und was bewirkt es – intendiert. Die RedakteurInnen jedoch haben mich eines Besseren belehrt: Sie schweiften ab in Gefilde, die zumeist indirekt Gewalt und Verbrechen beleuchten.

Bachelor Studiengang Medienmanagement der FH St. Pölten aus.

Copyright: Claudia Mann

Liebe Leserin, lieber Leser!

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Mord ist ihr Hobby Im Leben gibt es Höhen und Tiefen. Auf der Autofahrt zur eigenen Geburtstagsfeier zu weinen, würde für die meisten wahrscheinlich zu Zweiterem zählen. Für mich war es aber nur eines von vielen kuriosen Erlebnissen, mit denen ich im Laufe dieser Reportage konfrontiert wurde. Die Ursache für diese Umstände ist das Thema dieses Artikels: True Crime Podcasts. Die erste Frage, die ich klären wollte: Wie beliebt sind Podcasts? Es wird immer wieder die Hypothese in den Raum gestellt, dass die Jugend keine Aufmerksamkeitsspanne mehr und lieber Informationshäppchen als tiefgehende Berichte hätte. Podcasts sind die Antithese zu dieser Behauptung: oftmals stundenlange Monologe oder Gespräche zu Themen, die kaum ein Radiosender relevant finden würde. Vom detailierten Geschichtsvortrag bis zur lockeren Datingshow hat jede Nische ein Zuhause und eine treue Hörerschaft auf Podcastplattformen finden können. Nutzung und Formate von Podcasts Von Saruul Krause-Jentsch, Co-Initiatorin des Berliner Podcast-Labels „Auf die Ohren“, erhoffte ich mir eine Erklärung zu der Koexistenz dieser beiden divergierenden Thesen. Laut ihr gebe es zumindest vier Argumente, die dies erklären können. An vorderster Front sei die Intimität, die Podcasts innewohne. Mehr als 70% der HörerInnen benutzen Kopfhörer, was, insbesondere im Vergleich zum Fernsehen oder Autoradios, für ein anderes Verhältnis zum Inhalt sorge. Die Ursache dafür ist die besondere Nutzungssituation: Der Großteil höre Podcasts nicht zuhause auf der Couch, sondern unterwegs. Krause-Jentsch sieht darin auch den Grund, warum gerade ein zeitlanges Format gewünscht sei. Wenn man läuft oder Fahrrad fährt, könne man nicht dauernd das nächste Video einschalten, das dann wieder nur drei Minuten dauert. Man benötige ein Format, welches das Pendeln entspannter und nicht anstrengender mache. Ein weiterer Grund ist die Fantasie, denn im Gegensatz zu anderen Medien solle diese stärker angeregt werden. Die Podcast-Rezeption sei laut Krause-Jentsch näher beim Buch als beim Fernsehen, da uns nicht vorgekaut werde, was man sich vorstellen soll. Schlussendlich sieht sie auch einen Überdruss an dem viralen Shortform Content, der den Großteil des Internet darstelle. Podcasts mit ihren oft weitläufigen und detaillierten Ausführungen stellen dafür das optimale Pendant dar. Damit war für mich zumindestens geklärt, warum Menschen Podcasts

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Mord ist ihr Hobby

hören. Die Frage, warum sie gerade Mord- und Kriminal-Podcasts hören, war allerdings noch offen und größer denn je, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich mir beim Laufen, Fahrradfahren oder Pendeln anhöre, wie jemand abgestochen oder erdrosselt wird. Doch wer könnte mir diese Frage beantworten? Am besten natürlich True Crime Podcaster. In Deutschland gibt es von diesen allerdings noch nicht so viele wie beispielsweise in den USA, wo dieser Trend durch „Serial“ vom „Chicago Public Radio“ in die breite Öffentlichkeit rückte. Im deutschsprachigen Raum wurde es dann u.a. von „ZEIT“ mit ihrem Podcast „Verbrechen“ aufgenommen. Ebenso hat das deutsche Content Network „funk“ von ARD und ZDF vor einigen Monaten ein Format übernommen: „Mordlust“, von Paulina Krasa und Laura Wohlers, wird seit letztem Jahr von den beiden produziert und über Streaming-Plattformen wie „Spotify“ verbreitet. Mit einer Hälfte des Teams, Paulina Krasa, konnte ich dann zumindest einige meiner Fragen klären. Davor wollte ich mich allerdings in die Welt der Fans hineinversetzen. Zwei Wochen lang habe ich jede freie Minute genutzt, um mich von der realen Welt abzuschotten und in die Welt der True Crime Podcasts abzutauchen. Getting the real motive Dabei konnte ich gleich mehrere Phänomene beobachten. Erstens hatte ich das dringende Bedürfnis, jedes Gespräch zu kapern, um über komische und verstörende Mordfälle zu reden. Aus einer Unterhaltung über Wochenendpläne wurde ein Vortrag über die schlimmsten Weihnachtsmorde. Aus einer Diskussion über Artikel 13 (EU-Uploadfilter) wurde ein Segment zu deutschen Amokläufen. Dies geschah aber weniger aus Freude, sondern mehr aus einem Bedürfnis, diese Geschichten zu teilen und zu sehen, wie andere Menschen darauf reagieren würden und ob sie die Erzählungen gleichermaßen verstörend fanden wie ich selbst. Gleichzeitig hatte ich auch das Gefühl, dass die im Podcast erzählten Geschichten an Grausamkeit und Ekelfaktor verloren. Dadurch wurde ich dann mit der Frage konfrontiert, ob die


Nach diesem Selbstversuch war es dann Zeit, Paulina Krasa zu interviewen und dabei stellte sich heraus, dass einige Fragen, die ich mir stellte sie sich ebenso schon gestellt hat. Unter anderem, wieso ihre Fans den Podcast hören. Deswegen haben sie bereits eine wiewohl nicht-repräsentative Umfrage unter ihren ZuhörerInnen gemacht, um ebendies herauszufinden. Dabei gab es unterschiedliche Begründungen, die in mehrere Kategorien unterteilt werden konnten. Ebenjene Begründungen finden sich auch in mehreren Studien wie-

der. Ein großer Faktor ist das Bedürfnis nach Verständnis. Eine Zuhörerin schrieb, sie wolle „versuchen [...] zu verstehen, warum ein Mensch eine Tat begeht, bzw. was ihn dazu getrieben hat“. Dadurch soll aus einer für den Durchschnittsmenschen unverständlichen Tat etwas werden, das man einordnen kann. Wie eine andere Zuhörerin schrieb, werde es so „verständlich oder zumindest nachvollziehbar“. Manche gaben auch zu, dass Sensationslust – in der Kommunikationswissenschaft lautet das theoretische Konstrukt „Sensation Seeking“ – einen Einfluss auf ihr Interesse habe. Es sei fesselnd zu sehen, wozu Menschen fähig und wie sie dazu geworden sind. Auch der Gruselfaktor wurde mehrfach erwähnt. Bei beiden handelt es sich um ein Interesse an dem Unbekannten. Etwas, das einem/r komplett fremd ist und nicht

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Geschichten wirklich harmloser wurden oder ich einfach desensibilisiert. Die Kommunikationswissenschaft begründet die Desensibilisierung in der Arousal-Theorie. Bis zur Veröffentlichung dieses Artikels konnte ich mir diese Frage nicht beantworten.

Mord ist ihr Hobby

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dem Alltag entspricht und gerade deswegen ein verdrehtes Interesse weckt. Mordinteresse ist weiblich... Für mich der interessanteste Grund war allerdings die Vorbereitung. Dazu fand ich bei meiner Recherche auch die Studie „Captured by True Crime: Why Are Women Drawn to Tales of Rape, Murder, and Serial Killers?“, die mir auch zu einem anderen versteckten Wissen verhalf. Der Großteil der True Crime Fans ist weiblich. Gleichzeitig beantwortete sie auch die Frage, warum das so ist. Noch dazu bestätigte sie auch die Ansichten der befragten ZuhörerInnen. Amanda M. Vicary und Chris R. Fraley von der University of Illinois zeigten in ihrer Studie einen Unterschied auf zwischen Männern und Frauen. Während weibliche Leserinnen eher zu Lektüre griffen, die ein weibliches Opfer hat, Tipps enthielt oder eine Erklärung zum Motiv des Mörders andeutet, war es bei Männern zwar manchmal auch

ein Faktor, aber weitaus geringerer als bei Frauen. In der Studie wird besonders beim Unterschied durch das Geschlecht der Protagonistin darauf hingewiesen, dass dies dadurch bedingt ist, dass der gleichgeschlechtliche Protagonist ansprechender ist, da er oder sie einem selbst ähnlicher sei. „Emotional Rescue“ Das ist auch ein Thema, das Paulina Krasa ansprach und ich als besonders interessant empfand: Was trifft uns emotional am meisten? Die Anekdote mit der tränennahen Autofahrt erklärt sie mit dem Kontext, den ich zu dieser Situation habe. Dieser Kontext gibt mir eine Nähe zu dem Geschehen, die ich zu einem Hamburger Prostituiertennmörder nie haben könnte. Ein anderer Weg diese Nähe zu schaffen, die Podcasts bzw. auditiven Medien im Vergleich zu Texten eigen ist, sind originale Ton-Aufnahmen. Bis heute haben sich Telefonatmitschnitte des Podcasts in mein

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Mord ist ihr Hobby

Gehirn gebrannt. Geschichten von verzweifelten Müttern setzen einem zwar allein wegen dem bekannten Bezug zu, der Mitschnitt eines Notrufs von einer weinenden Mutter deren Tochter gerade angeschossen wurde, trifft einen aber auf einem Level, den kein Zeitungsartikel je erreichen könnte. Denn nicht nur haben wir den Bezugspunkt, sondern wir hören auch noch die Verzweiflung in ihrer Stimme und haben noch dazu das grauenvolle Wissen, dass das was wir in diesem Moment hören, nicht geschauspielert ist. Dass wir nicht zu einem Happy End vorspulen können. Dass wir gerade hören, wie eine Mutter mit dem Gedanken kämpfen muss, ihr eigenes Kind zu begraben.

von Alexander Weller


„Richter Alexander Hold“ – Was steckt hinter den Kulissen der Gerichtsshow? Zwar ist die pseudo-dokumentarische Gerichtsshow schon seit 2013 abgedreht, doch werden Wiederholungen nach wie vor via „Sat1Gold“ ausgestrahlt. Was aber steckte hinter dem Hype um die Scripted-Reality Show, in der fiktive Gerichtsverhandlungen in Strafsachen dargestellt werden? Und was sind die Motive, die Gerichtsshow zu rezipieren? SUMO ging diesen Fragen nach und sprach mit drei DarstellerInnen: Alexander Hold, Isabella Kirkitadse und Alexander Stevens. Es ist in jeder Folge dasselbe Schema: Tagtäglich sitzt der Richter in gleicher Robe sowie Kulisse und verhandelt nach dem üblichen Ritual des Strafprozesses die Fälle, die ihm jeden Tag aufs Neue aufgetischt werden. Mag eintönig klingen, ist es aber keineswegs – denn die Pseudo-Gerichtsshow zeichnet sich seit nun schon über 20 Jahren durch anhaltenden Erfolg aus. Generell erlebte das Genre bereits im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen der 1970er, aber auch später bei den privaten Sendern (etwa „Richterin Barbara Salesch“, Sat.1, oder „Das Jugendgericht“; RTL) Hochblüten. Der echte Beruf in fiktiver Maske Auf Seiten der ZuseherInnen bleibt die Serie ein spannendes Fernseherlebnis. Doch was die Wenigsten wissen: Die DarstellerInnen der juristischen Rollen üben diese auch im echten Leben aus. So ist Hold auch off-screen Richter und verhandelt Straffälle, die Staats- bzw. Rechtsanwälte und -innen sind in der Realität ebenfalls solche. Wie ist es für sie, den echten Beruf auch in fiktiver Rolle zu spielen? „Der Unterschied

ist gar nicht so groß, da ich auch im Fernsehen in völlig richterlicher Unabhängigkeit agiert habe. Das heißt, ich habe selbst die Fälle, mit Ausnahme von Formalia juristisch sauber nach der Strafprozessordnung vorbereitet. Völlig frei im Ablauf führte ich die Verhandlungen nach eigenem Gutdünken und habe schließlich die Entscheidung am Ende so getroffen, wie ich es auch bei der Justiz getan hätte. Tatsächlich habe ich die Entscheidungen für mich selbst erst nach den Plädoyers getroffen – so wie es in der Realität im Gerichtssaal abläuft. Ich habe also genauso als Jurist gehandelt wie bei der Justiz, nur über fiktive statt über echte Fälle“, so Hold. Alexander Stevens, der als Anwalt in der Serie tätig war, entgegnet auf die Frage, dass es – unabhängig vom Beruf – für viele sicher nicht so einfach sei, den Beruf auch vor laufender Kamera darzustellen. Deshalb war es auch für die Casting-Abteilung schwierig, die Rollen richtig zu besetzen, da das Cast die Rolle schließlich authentisch verkörpern muss. Dank medialer Vorerfahrungen war

es für Stevens aber kein Problem, seine Rolle lebensnah auszuüben. Mehr Reality als Scripted Wie es in vielen TV-Serien üblich ist, liegt den SchauspielerInnen ein Drehbuch vor, an das sie sich zu halten haben. Ganz so streng lief es bei „Richter Alexander Hold“ jedoch nicht ab. „Im Laufe der zwölf Jahre haben wir immer wieder neue Wege ausprobiert, in welcher den DarstellerInnen die Tiefe und Genauigkeit der Aussagen vorgegeben waren. Eines blieb jedoch immer gleich: Ich habe die Verhandlung unabhängig geführt, mit eigenen Worten gesprochen und immer wieder spontan zusätzliche Fragen gestellt, was auch für meine KollegInnen, die Staatsanwälte und -innen und VerteidigerInnen galt“, sagt Hold. „Das Drehbuch diente vor allem zur Orientierung für SchauspielerInnen und KomparsInnen, damit sie wissen, wann ihr Einsatz ist“, bestätigt Stevens. Auch Plädoyers, Urteile und Urteilsbegründungen durften völlig frei gehalten und nach eigenem juristischen Background selbst bestimmt werden, ohne sich an Vor-

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„Richter Alexander Hold“ – Was steckt hinter den Kulissen der Gerichtsshow?

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gaben oder ein Skript halten zu müssen. Isabella Kirkitadse, die von 2006 bis 2012 ebenfalls in der Verteidigerrolle zu sehen war, meint, dass es vom Sender bewusst so gewollt war, dass RichterInnen sowie Anwälte/innen nicht nur strikt Drehbücher auswendig lernen, sondern auch juristische Eigenleistung einbringen. Die Fälle wurden schließlich vor Drehbeginn nochmals besprochen, jede/r Jurist/in hat ein individuelles Resümee gezogen und dieses dann im Plädoyer verarbeitet.

Kirkitadse meint, dass der Hype auch daran lag, dass die Sendung einen besonderen Charakter habe, relativ authentisch und kaum „fake“ sei, was den Strafprozess betreffe. Aus diesem Grund wurden die Rollen auch an echte JuristInnen vergeben und nicht an SchauspielerInnen. „Die Leute finden die Geschichten spannend, die Auflösung kommt ja eher erst zum Schluss. Interessant wird es wahrscheinlich auch für die ZuschauerInnen sein, Strafverhandlungen zu sehen, ohne selbst direkt im Gerichtssaal anwesend zu sein. Man fragt sich als Zuseher/in, was das Urteil sein wird, wie die TäterInnen überführt werden und was die Begründung für jenes Urteil, die Haft- oder Geldstrafe ist.“ Um die Serie noch realistischer zu gestalten, wurde im Laufe der Dreharbeiten auch das Format noch näher an die Realität angepasst. Zu Beginn war schlichtweg der reine Gerichtssaal zu sehen, wo täglich Delikte und Straftaten verhandelt wurden. Nach einiger Zeit wurde die Show so adaptiert, dass auch die Welt außerhalb des Gerichts Teil der Sendung war. So fügte der Sender Außendrehs hinzu, in denen vor Ort Besichtigungen und Ermittlungen durchgeführt wurden. Dabei wurde auch Wert daraufgelegt, die Ermittlertätigkeit des Staatsanwalts bzw. der Staatsanwältin und

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Hinter den Kulissen des Quotenbooms Insgesamt 2.038 Episoden mit einer Sendungslänge von 60 Minuten in 12 Staffeln wurden produziert. Laut dem Check auf www.quotenmeter.de beliefen sich die Einschaltquoten dabei durchschnittlich auf 19,1% und lagen damit deutlich über dem Sat.1-Sendeschnitt von 10,2%. Warum die Quoten nach wie vor stark seien, liege laut Stevens an drei verschiedenen Gründen: Zum ersten daran, dass Gerichtsverhandlungen in Deutschland und Österreich für das Fernsehen nicht öffentlich zugänglich sind – deshalb auch das stete Bedürfnis. Zweitens, das Interesse an juristischen Alltagsthemen, was wie juristisch gehandhabt und bestraft wird. Und letztlich erwähnt Stevens den Emotionalisierungsfaktor, auf welchen oftmals im TV und in Boulevardmedien zurückgegriffen

wird, indem sich viele ZuseherInnen gerne am Leid anderer ergötzen.

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„Richter Alexander Hold“ – Was steckt hinter den Kulissen der Gerichtsshow? Thema

der Polizei näher ins Licht zu rücken. „Wichtig für den andauernden Erfolg ist es natürlich, jeden Tag eine spannende Geschichte zu erzählen. Das Besondere aber am Format der Serie ist, anders als bei einem Krimi, dass es nicht nur um die Frage geht, wer Täter/in ist, sondern vielmehr um die spannende Frage, was die gerechte Folge dieser Wahrheit ist“, konstatiert Hold. Selbstverständlich wollen ZuschauerInnen zuallererst gut unterhalten werden. Aber darin erschöpft sich deren Motivation nicht, wie zahlreiche Analysen zeigen. Eine Gerichtsverhandlung bietet ZuseherInnen die Möglichkeit, das eigene Wertesystem zu hinterfragen, mit dem anderer Menschen zu vergleichen und am Ende neu zu justieren. Alexander Hold dazu: „Wir wissen, dass die Sendung in vielen Haushalten zu intensiven Diskussionen führt und zu Fragen wie zum Beispiel: Was ist eigentlich gerecht? Wie kann die Gesellschaft einer persönlichen Schuld begegnen? Wie kann man dem Opfer gerecht werden? Wer hat wann noch eine Chance verdient? Und das Beste: Es gibt da einen Richter, der am Ende mit seiner Entscheidung all diese Fragen verbindlich beantwortet und damit eben das Wertesystem justiert. Dass das den ZuschauerInnen sehr wichtig ist, wissen wir auch deshalb, weil anders als bei Krimis die Einschaltquoten gegen Ende der Sendung auch dann noch stabil


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bleiben, wenn der Täter gefunden ist. Die ZuschauerInnen bleiben trotzdem bis zum Ende der Urteilsbegründung.“ Überspitztheit oder Realität? Das in der Reality Show häufig vorkommende Geplänkel zwischen Justiz und Angeklagten spricht für sich und zeichnet die Gerichtsserie auch in gewissen Maßen aus. Für RezipientInnen kommen hier häufig Zweifel auf, ob jene Streitereien nicht zu überspitzt und realitätsfern dargestellt sind. Isabella Kirkitadse entgegnet darauf, dass die Palette, was an Straftaten

Alexander Hold Copyright: Mathias Sienz

begangen wird, so bunt sei, und die Beweggründe für die Begehung von Straftaten so vielfältig, sodass in der Serie hier nichts verzogen sei, sondern ganz im Gegenteil realistisch. „Von zehn Strafverhandlungen am Tag haben Sie mindestens eine, die in ähnlicher Qualität verläuft.“ Alexander Hold hingegen differenziert, dass in dem Format tendenziell häufiger Zuspitzungen vorkommen als im tatsächlichen Justizalltag, auch wenn er bereits die skurrilsten Dinge erlebt habe. Er fügt hinzu, dass die Sendung aufgrund der räumlichen Grenzen des Gerichtssaals und des

Isabella Kirkitadse Copyright: Isabella Kirkitadse

engen Korsetts der Strafprozessordnung nur begrenzte Möglichkeiten der Spannung und Abwechslung zur Verfügung habe und deshalb fast als echtes Kammerspiel dargestellt werde. „Allerdings sind nur die Fälle erdacht. Der Ablauf und die Entscheidung entsprechen ja 1:1 der Realität. Dadurch ist das Format näher am Leben dran als so mancher Krimi und beispielsweise jede Arzt- oder Krankenhausserie.“

von Marlene Lampl

Alexander Stevens Copyright: Julian Hartwig

„Richter Alexander Hold“ – Was steckt hinter den Kulissen der Gerichtsshow?

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Polizei auf „Facebook“ und „Twitter“ Durch die stetig steigende Beliebtheit von Social Media entstehen vor allem Chancen, aber auch zahlreiche Herausforderungen für die Polizei. Darüber sprach SUMO mit Bernadette Neumeyr und Barbara Zöchbauer, Social Media-Verantwortliche der Landespolizeidirektion (LPD) Niederösterreich, sowie Rudolf Haas und Maria Pichler von der LPD Wien. Das Betreiben eigener Profile auf „Facebook“ und „Twitter“ stellt heute zwar noch Herausforderungen für die Polizei dar, jedoch wird daraus eine Vielzahl von Vorteilen generiert. Das europäische Forschungsprojekt COMPISTE (Comparative Police Studies in the European Union) zeigt einige Möglichkeiten auf, wie man von einer Online-Präsenz profitiert. Dafür wurden im Zeitraum von 2010 bis 2014 Workshops mit zahlreichen VertreterInnen der Polizei in verschiedenen Ländern der EU durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt nutzte die Exekutive in einigen Ländern bereits Plattformen wie „Facebook“ und „Twitter“, während andere erst darüber nachdachten, wie sie diese Herausforderung umsetzen könnten. Seit Oktober 2016 ist auch die Landespolizeidirektion Niederösterreich auf „Facebook“ vertreten, erzählt Bernadette Neumeyr im SUMO-Interview.

Copyright adobe stock/sgonin

Ansprache der RezipientInnen COMPOSITE hat ebenfalls herausgefunden, dass die Polizei über traditionelle Medien nicht mehr dieselbe Anzahl an RezipientInnen erreicht, wie es früher der Fall war. Heute bietet Social Media mit der stetig steigenden Anzahl an NutzerInnen die Möglichkeit, eine

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Polizei Thema auf „Facebook“ und „Twitter“

sehr große Zielgruppe zu erreichen. Auch wenn sich freilich nicht alle ÖsterreicherInnen auf „Facebook“ oder „Twitter“ immer darüber informieren, was die Polizei veröffentlicht, landen ihre Posts oftmals trotzdem im Newsfeed, da es andere Menschen teilen oder den „Gefällt mir“-Button drücken. Die LPD Niederösterreich versuche sogar jene Menschen zu erreichen, die selbst gar nicht auf Social Media-Plattformen aktiv sind, indem Menschen dazu animiert werden, sich mit anderen über bestimmte Themen auszutauschen. Dafür gibt Neumeyr den sogenannten „Neffen- oder Enkeltrick“ als Beispiel an, wo Familienmitglieder über Soziale Medien über diese Form des Betruges aufgeklärt und animiert werden, andere Familienmitglieder zu warnen, die selbst nicht auf den Plattformen sind. Neue Arten der Kommunikation Auch wenn das Betreiben eigener Profile auf Sozialen Medien keine fundamentalen Veränderungen in der Organisation der Exekutive mit sich bringe, bedeute es trotzdem eine Erweiterung der Polizei-Arbeit auf ein bisher neues Feld. Auch Rudolf Haas bestätigt, dass diese eine neue Möglichkeit bieten, direkt mit der Bevölkerung zu


kommunizieren. „Facebook“, „Twitter“ und Co. eröffnen der Polizei Chancen auch ohne den Zwischenschritt „Medium“ nach außen hin präsent zu sein und mit den Menschen in Kontakt zu treten, diesen Vorteil betont auch Neumeyr. Diese direkte Art der Kommunikation zwischen Polizei und Bevölkerung hat auch das Forschungsprojekt COMPOSITE als wichtig für die Exekutive befunden und leitet daraus zahlreiche Vorteile ab. Denn durch Soziale Medien verändert sich eine Konversation von privatem E-Mail-Verkehr hin zu öffentlichen Konversationen auf „Facebook“ und „Twitter“, die von allen anderen UserInnen einsehbar und ebenfalls mitgestaltbar sind. Dieser direkte Kontakt bietet der Bevölkerung die Möglichkeit mit der Exekutive zu interagieren, ihren Arbeitsalltag näher kennenzulernen und ihre Handlungen besser zu verstehen. Wie auch COMPOSITE hält Barbara Zöchbauer es für große Vorteile, dass direkter Kontakt mit der Bevölkerung aufgenommen werden kann, Fragen beantwortet werden können und direkt miteinander interagiert werden kann. Das Forschungsprojekt COMPOSITE hat ebenfalls ergeben, dass die Menschen großes Interesse dafür zeigen, mit der Polizei direkt zu interagieren und diese auch über Soziale Medien zu unterstützen. Eine andere Chance für die Kommunikation mit der Bevölkerung bieten sie, indem sie es der Polizei ermöglichen, einen direkten Standpunkt zu diskutierten Themen einzunehmen. Denn auch wenn die Exekutive selbst nicht aktiv auf Social Media ist, werden Themen rund um Polizei, Verbrechen und Kriminalität dort besprochen. So wird es für NutzerInnen immer schwieriger, zwischen nicht- und vertrauenswürdigen Quellen zu unterscheiden. Auch das bestätigen die Ergebnisse des Forschungsprojekts COMPOSITE. Maria Pichler konstatiert, dass andere Medien Geschehnisse teilweise übertreiben, wohingegen Informationen durch die Landespolizeidirektion Wien immer neutral herausgegeben würden, ohne etwas zu verschönern oder zu verschlimmern. Auch Zöchbauer beteuert, dass sie in ihrer Arbeit nicht auf Sensationen aus sei. Schnellere Ergebnisse Ein weiterer Vorteil für die Polizei durch die Nutzung von „Facebook“, „Twitter“ und Co. wird dadurch generiert, dass sie die Bevölkerung direkt um Mithilfe bitten kann. Die Polizei Hannover berichtete, dass während des Untersuchungszeitraums von COMPOSITE acht nützliche Informationen zu Fällen über Social

Polizei auf „Facebook“ und „Twitter“

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Media gesammelt werden konnten, in welchem durch traditionelle Presseaussendungen keine wichtigen Informationen generiert werden konnten. Das große Interesse und die Motivation zur Unterstützung der Polizei, welches durch COMPOSITE herausgefunden wurde, trifft laut Neumeyr ganz besonders im Bereich der Fahndung zu. Der Fokus Die Landespolizeidirektion Niederösterreich, erzählt Neumeyr, legt in ihren Beiträgen sehr großen Wert auf Aktualität, weil genau das die Bevölkerung auch wirklich erwartet. Auch Zöchbauer betont die Relevanz der Inhalte für die NutzerInnen. Beide halten deshalb auch eine bestimmte Post-Anzahl in einem konkreten Zeitraum nicht für sinnvoll, sie produzierten nur Content mit polizeilichem Bezug, und freuten sich auch über ruhige Tage, wo nichts gepostet werde. Denn das wiederum zeige nur, wie gut ihre KollegInnen in den Dienststellen ihre Arbeit erledigen. Oder auch, dass die Bevölkerung bereits so gut informiert ist, dass es nicht mehr so häufig zu Delikten kommen könne, denn das oberste Ziel der Social Media-Präsenz der Polizei liege immer in der Prävention. Darum orientieren sie sich in ihrer Arbeit auch nicht nach einer bestimmten Menge an Followern, sondern die Interaktion der NutzerInnen stelle das Hauptaugenmerk in ihrer Arbeit dar. Den beiden Social Media-Verantwortlichen Neumeyr und Zöchbauer ist bewusst, dass ihre LPD auf Social Media noch eher unbekannt ist, jedoch arbeiten sie daran, ihre Bekanntheit zu steigern. Statt Geld dafür aufzuwenden, die Reichweite zu

steigern, nutzen sie andere Mittel und Wege um mehr Menschen zu erreichen, wie zum Beispiel ein bestimmtes Wording, die Länge eines Beitrags etwa. „Die Länge von Fotos ist uns eigentlich egal, die am besten bei der Community ankommen zählen. Einfach gesagt: an die Zielgruppe angepasstes Wording. Dann ersparst du dir den komplizierten Satz. Bilder sowie Informationen zu Beiträgen lassen teilweise andere Kollegen uns zukommen, was aber leider noch nicht sehr oft vorkommt. Meistens erarbeiten wir uns unseren Content selbst.“ Die größte Herausforderung dabei sei es, dass es für viele PolizistInnen noch neu sei, in Sozialen Medien als Polizei vertreten zu sein. Daher geben Neumeyr und Zöchbauer Schulungen als Teil der Grundausbildung in der Polizeischule. Dadurch können sie den kommenden Generationen die große Relevanz von Social Media für die Polizei erklären und sie mit diesem Thema vertraut machen. Auch die Landespolizeidirektion Wien, so Haas und Pichler, lege großen Wert darauf, dass jeder veröffentlichte Beitrag einen Mehrwert für den Nutzer oder die Nutzerin hat. Zwar sei auch die Vielfalt in Bezug auf den geposteten Content ein großes Thema, trotzdem liege auch bei ihnen das Hauptaugenmerk auf Präventionsbeiträgen. Informationen sollen über Social Media aus

Rudolf Haas und Maria Picher Copyright: Katja Müller

Barbara Zöchbauer und Bernadette Neumayr Copyright: Katja Müller

erster Hand an die Bevölkerung weitergegeben werden. Darüber hinaus nutzen sie diese auch vermehrt dafür, den Recruiting-Prozess zu bewerben. Auch für sie steht nicht die Anzahl der Klicks im Vordergrund ihrer Arbeit, sondern der Mehrwert für den User bzw. die Userin. von Katja Müller

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Polizei auf „Facebook“ und „Twitter“


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Operation „Parnass“ – Die Suche nach dem verlorenen Schatz Jahr für Jahr sorgen Fälle von Kunstdiebstahl oder -raub für Schlagzeilen, umso mehr, je kostbarer der „Schatz“ ist. SUMO diskutierte mit Otto Hans Ressler, Kunstexperte und Auktionator, und Petra Eibel, Leiterin der Kunstversicherungs-Abteilung ArtUniqa, über das Thema Kunstdiebstahl und welche Rolle die Medien bei der Berichterstattung und Aufklärung einnehmen. Kunstraub hat Konjunktur, sogar Hochkonjunktur, glaubt man den Statistiken, welche die internationalen Polizeibehörden und die Versicherungen zu diesem Thema regelmäßig veröffentlichen. Laut Verbrechensstatistik gilt Kunstdiebstahl in ihrer Schwere heute neben Rauschgift- und Waffenhandel als das lukrativste kriminelle Geschäft – mit nach wie vor steigender Zuwachsrate. Von der Antike bis zur Gegenwart wurden Kunstwerke gestohlen, um die eigene Habgier zu befriedigen, sei es, um finanzielle Gewinne zu machen oder einen Kriegsgegner zu demütigen. Die Mutter aller Kunstdiebstähle Es war ein spätsommerlicher Tag in Paris, an dem die TouristInnen durch die Stadt entlang der Seine flanierten oder im Park Bücher genossen. Die Menschen hielten sich lieber im Freien auf, als eines der zahlreichen Museen aufzusuchen – nichts deutete darauf hin, dass der 21. August 1911 in Kürze weltweit für Schlagzeilen sorgen sollte. Am helllichten Tag wurde aus dem größten Museum der Welt das wohl bekannteste Kunstwerk aller Zeiten entwendet. Unbekannte Täter hatten

Otto Ressler Copyright: Klaus - Dieter Weber

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das Bild aller Bilder, Leonardo da Vincis „Mona Lisa“, aus dem Pariser Louvre gestohlen. Es war ein Montag, also Putztag, auch Handwerker gingen ein und aus, und mehr als 24 Stunden lang wunderte sich niemand über die leere Stelle an der Wand. Gelegenheitsdieb Vincenzo Peruggia versteckte sich über Nacht in einem Schrank, nutzte das Durcheinander um die morgendlichen Reinigungsarbeiten, nahm die Ikone und verschwand. Jahrelang wurde fieberhaft nach ihm gesucht und wild spekuliert bis zu dem Tag, an dem ein Kunsthändler in Florenz einen Brief von Peruggia bekam. In dem Schreiben behauptete dieser, die „Mona Lisa“ aus Rache für den Raub Napoleons an der italienischen Kunst gestohlen zu haben. Als Gegenleistung forderte er 500.000 Lire, jedoch kam es nie zur Geldübergabe und der Meisterdieb wurde kurze Zeit später verhaftet. „Sara, bitte komm zurück“ Für ähnliche Rätsel sorgte am 11. Mai 2003 kurz vor vier Uhr morgens der Diebstahl der „Saliera“ aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien. Die nur 26 Zentimeter große und auf einen Wert von mehr als 50 Millionen Euro geschätzte „Saliera“ von Benvenuto Cellini wurde mit Leichtigkeit aus dem Museum entwendet. Der Täter drang über ein Baugerüst in das Museum ein und zerschlug die Vitrine der Skulptur, der ausgelöste Alarm wurde von den Wächtern vorschriftswidrig ignoriert. Der Eindringling verschwand mit der vielleicht wertvollsten Goldschmiedearbeit der Renaissance. Mit diversen Erpressungsversuchen versuchte der Dieb an Geld zu kommen – zum allgemeinen Entsetzen drohte er, Cellinis Goldgefäß einzuschmelzen, sollte man ihm nicht 10 Millionen Euro zukommen lassen. Schließlich kamen ihm die Behörden auf die Schliche und konnten nach der Festnahme auch die vergrabene „Saliera“ in einem Waldstück nahe Zwettl sicherstellen. „Der Raub der ‚Saliera war das Ereignis, das in allen Museen dazu geführt hat, die Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen“, so Kunstexperte und Auktio-

Operation „Parnass“ – Die Suche nach dem verlorenen Schatz

Petra Eibel Copyright: Sabine Klimpt


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nator Otto Ressler, Gesellschafter der Ressler Kunst Auktionen. Unüberwindbar sind sie seitdem jedoch noch nicht, da das Problem ist, dass es lange dauern kann, bis der Diebstahl überhaupt entdeckt wird. (Das Wien Museum etwa zählt mehr als 1 Millionen Objekte.) Heutzutage verwerfen SkeptikerInnen die Theorie vom besessenen Sammler, dem verrückten Milliardär, der einen Auftrag erteilt und danach glücklich ist, wenn er seinen illegal erworbenen Picasso im Keller verstauen und ganz für sich anhimmeln kann. Der verrückte Milliardär ist eine Fantasiefigur, ein Mythos, der nur auf der Kinoleinwand präsentiert wird. In keinem der spektakulärsten Kunstdiebstähle der letzten sechs Jahrzehnte wurde ein/e Auftraggeber/in gefunden, der oder die

einen Kunstraub um der Kunst willen bestellte. Diesen Typus, der sich vor der Welt versteckt, gibt es nahezu nicht, da es SammlerInnen geradezu danach drängt, ihre Bilder in aller Öffentlichkeit zu präsentieren. „Die geheime Sammlung gestohlener Kunstwerke ist eher ein Phänomen der Literatur“, so Petra Eibel. Kunst werde nicht aus Leidenschaft gestohlen, sondern wegen Erpressung, Geldgier, Betrug oder Dummheit. Allerdings sieht Otto Ressler bei den Dieben, die ein weltweit bekanntes Objekt stehlen, eigentlich nur eine Art, um an Geld zu gelangen – dem „Artnapping“, also die Versicherung so lange zu erpressen, bis diese das Lösegeld bezahlt. Hierbei sei der heikle Punkt das Szenario der Geldübergabe, woran letztlich auch der Dieb der „Saliera“ gescheitert ist. Heutzutage

komme es vor, dass viele Museen ihre Werke nicht mehr versichern, was Eibel nicht gutheißen kann, denn nur eine spezielle Kunstversicherung könne eine Lösung für gestohlene Kunstwerke anbieten, da kaum ein Objekt einen Diebstahl ohne Beschädigung überstehe. Aufklärung von Kunstdiebstählen „Die Medien sind von Kunstdiebstählen fasziniert und wenn ein Gemälde für ein paar tausend Euro gestohlen wird, ist das eine Meldung wert“, so Ressler. Jedoch wären bei der Aufklärung von Kunstdiebstählen in der Vergangenheit die Medien laut Eibel nicht maßgeblich beteiligt gewesen. Wegen der Datenschutzgrundverordnung dürfen allerdings auch keine Informationen nach außen gegeben werden. Versicherungen seien nämlich durchaus

Operation „Parnass“ – Die Suche nach dem verlorenen Schatz

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bereit, Hinweise, die zur Aufklärung des Verbrechens beitragen zu honorieren. Gerade mal zwei Kunstdiebstähle sind Ressler in Erinnerung, die „Saliera“ und der kleine Renoir im Dorotheum. In beiden Fällen wurde in den Medien massiv berichtet, allerdings wurde seitens dieser auch hier kaum zur Aufklärung der Fälle beigetragen. Dass kein/e Betroffene/r – FahnderInnen, TäterInnen, Geschädigte, Versicherer – gerne über Kunstdiebstahl spreche, habe unterschiedliche Gründe. Ein Diebstahl sei für Museen und eine/n Museumsdirektor/ in eine der schlimmsten Nachrichten überhaupt, wovon auch der ehemalige Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums, Wilfried Seipel, ein Lied singen könnte, da der Diebstahl der „Saliera“ ihm letztlich den Kopf gekostet hat. „Die Geschädigten in den Museen – oder im Dorotheum – waren gegenüber den Medien überhaupt nicht kooperativ“, behauptet Ressler. Das Dorotheum habe gegenüber den Medien völlig zugemacht, was laut Ressler ein großer Fehler war, denn je weniger die

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Fokus statt High? Microdosing

Medien wirklich wüssten, umso mehr spekulierten sie. Es liegt am Fernsehen, warum unbekannte Kunstdiebe von der Topmeldung in der Nachrichtensendung über das Kleinformat bis an diese Stelle so sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, denn einmal mehr hat die Macht des Bildes gewonnen. Die FahnderInnen wissen, dass rund 80 Prozent der Kunstraub-Fälle nicht geklärt werden, da die Werke entweder verschwunden bleiben oder sie kehren hinter dem Rücken der Polizei zu den BesitzerInnen zurück. Die Täter schließlich meiden das Licht der Öffentlichkeit, und nur selten bringt es einer von ihnen zu trauriger Berühmtheit, wie etwa der Franzose Stéphane Breitwieser, der über seine jahrzehntelangen Diebstähle 2006 eine Autobiografie publizierte. Dank Internet unverkäuflich? Wem könnte man ein weltbekanntes Gemälde von van Gogh oder Rembrandt ohne weiteres verkaufen? Solche Transaktionen werden in der Internet-Ära immer heikler. Durch Datenbanken wie

etwa dem Art-Loss-Register (ALR), der weltweit größten Datenbank verlorener und gestohlener Kunstwerke, und die Polizei trägt spektakuläre Raubkunst rasch allerorts das Kainsmal der „heißen Ware“. Angesichts des von Interpol auf jährlich mehreren Milliarden Euro geschätzten illegalen Kunstgeschäfts wird mit Hilfe des Internet den DiebInnen und HehlerInnen auf diese Weise das Handwerk erschwert. Nichtsdestotrotz musste sich die Polizei in gewissen Fällen nur mit Teilerfolgen begnügen, da oftmals nur die Täter ausgeforscht wurden, die gestohlenen Werke aber nicht. Und investigativer Journalismus ist auf diesem Sektor rar.

von Klaus Ofner


Fokus statt High? Microdosing Im Jahr 1969 pilgerten Hunderttausende Menschen zum Woodstock Festival. Neben der Musik stand vor allem der Substanzkonsum zur Veränderung der Wahrnehmung im Fokus. Menschen, die LSD konsumierten, berichteten davon, Farben und Musik zu riechen oder Formen zu schmecken. Mit dem Abflauen der Hippiebewegung infolge Illegalisierung der meisten psychoaktiven Substanzen trat LSD in den Hintergrund, erst durch das Aufkommen von Techno-Veranstaltungen nahm der Konsum in der westlichen Welt erneut zu. Eine überraschende Wendung bringt jedoch das in den letzten Jahren aufgekommene „Microdosing“. SUMO sprach mit Larissa Maier, Psychologin und Suchtforscherin an der University of California San Francisco (UCSF), um herauszufinden was es damit auf sich hat. Eine Zahl junger Fachleute im Silicon Valley ist überzeugt, dass die Einnahme von kleinen Dosen psychedelischer Drogen sie dazu bringt, ihre Leistung bei der Arbeit zu verbessern indem sie kreativer und konzentrierter werden. Andere Leute sagen, dass es den Nebel der Depression heben soll. Es geht hierbei also nicht darum, ein psychedelisches High zu erreichen, sondern die Aufmerksamkeit zu steigern. Wie der Kaffee in der Früh, so ist für einige das Einnehmen von winzigen Mengen von psychedelischen Substanzen an einem oder mehreren Tagen pro Woche ein Teil der Morgenroutine. Trotz des internationalen Verbots von psychoaktiven Substanzen bleibt die Nachfrage stabil. Denver hat als erste Stadt in den USA

den Konsum und Besitz von Psilocybin (Magic Mushrooms) entkriminalisiert. Der Verkauf der Substanz bleibt illegal, Besitz und Konsum sollen aber nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Oakland ging noch einen Schritt weiter und hat kürzlich den Konsum und Besitz von allen entheogenen Pflanzen inklusive Psilocybin, Ayahuasca, Peyote und Ayahuasca dekriminalisiert. Die klinische Psychologin und Suchtforscherin Larissa Maier erklärt im SUMO-Interview, dass legale Derivate selten für Microdosing verwendet würden. Die Personen, die 1P-LSD oder andere Analoge konsumieren, täten dies hauptsächlich aufgrund des LSD-ähnlichen psychedelischen Effekts. Ob Kleinstmengen von LSD und

Larissa Maier Copyright: UCSF

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Fokus statt High? Microdosing

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Fokus statt High? Microdosing

Psilocybin tatsächlich wirksam sind, um die kognitive Leistungsfähigkeit zu verbessern, wurde wissenschaftlich noch nicht belegt. Das Auswahlverfahren geschehe lediglich nach der Präferenz der Personen, dem Freundeskreis und dem Zugang zur beziehungsweise Verfügbarkeit der Substanz.

erwähnte nennt man den „Workaholic’s Approach“, die durch Microdosing die Leistung am Arbeitsplatz verbessern möchten. Die Wochenenden bleiben offen für Erholung und Regeneration. Zwischen „on“- und „off“-Tagen sollte kein Wahrnehmungsunterschied bemerkbar sein, so Dr. Maier.

Was ist Microdosing? Darunter versteht man das Einnehmen von winzigen Mengen an psychedelischen Drogen wie zum Beispiel Lysergsäurediethylamid, kurz LSD oder Psilocybin, dem Wirkstoff in Magic Mushrooms, zu verwenden. Bei LSD definiert man eine Microdosis als <20 Mikrogramm, ein „Trip“ hingegen entspricht einer Dosis von 75-150 Mikrogramm. Ein LSD-Rausch kann positiv sein und helfen, neue Einsichten zu gewinnen, aber auch Ängste, Panik und Paranoia auslösen, wenn die nötige Vorbereitung und Integration des Erlebnisses fehlt. Diese starke Wahrnehmungsveränderung und Emonationalität kommen beim Microdosing nicht vor. Bevor man mit Microdosing beginnt – und SUMO distanziert sich klar davon –, sollte man sich genauestens darüber informieren. Die Wahl der Substanz, die Beschaffung, der Zeitpunkt der Einnahme und die Dosierung sind wichtige Aspekte. Welche Substanz eingenommen wird, hängt von den erwarteten Zielen ab, hauptsächlich aber von der individuellen Reaktion auf die Substanzen. Wie häufig und in welchen Abständen die Substanzen eingenommen werden, hängt von der Wahl des Protokolls ab. Von „alle drei Tage“ bis zu „weekdays on, weekends off“ gibt es alle möglichen Varianten. Die zuletzt

Forschung „Die Forschung zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Microdosing mit psychedelischen Substanzen steht größtenteils noch aus, da die Substanzen aufgrund der Prohibition nur schwer für die Forschung zugänglich sind.“ Larissa Maier schrieb ihre Doktorarbeit an der Universität Zürich zum Thema „Neuroenhancement – Substanzkonsum zur kognitiven Leistungssteigerung“ und beschäftigte sich somit intensiv mit diesem Phänomen. Bisher seien keine negativen Nebenwirkungen von LSD-Microdosing bekannt. Es bestehe kein physisches Abhängigkeitspotenzial, das Risiko einer psychischen Abhängigkeit sei jedoch gegeben, wenn die individuelle Leistung von den Substanzen abhängig gemacht werde. Diese Personen befürchten, ohne die Substanz nicht mehr funktionieren zu können. Bisher gebe es keine Aufzeichnungen zu dieser Art von Nebenwirkung, sie wäre jedoch das Hauptrisiko, erklärt Maier. Ebenso wie bei der negativen Wirkung gibt es für die positive keine Studien. Neuere Studien zeigen vielversprechende Vorteile für das psychische Wohlbefinden, ob es sich jedoch um die Wirkung von Microdosing oder um ein Placebo handelt und wer tatsächlich davon profitiert, ist


weitgehend ungeklärt. Doch bevor man sich auf den Weg macht, in der Hoffnung die Kreativität am Arbeitsplatz zu fördern, sollte man sich daran erinnern, dass das Microdosing mit einer illegalen, unregulierten Substanz natürlich mit Risiken verbunden ist. Der Besitz kann zu Einträgen im Strafregister führen. Außerdem unterliegen die Herstellung sowie die Lieferung illegaler Drogen keinen strengen regulatorischen Kontrollen. Das bedeutet, dass die KonsumentInnen sich nie sicher sein können, was sie bekommen. Trotz der allgemeinen Betonung subtiler gutartiger Effekte haben Befragte einer Studie der „University of Bergen, Norway“ auch auf eine Reihe von Herausforderungen hingewiesen. Das versehentliche Überdosieren führt zu Bewusstseinszuständen, die nicht als kompatibel mit alltäglichen sozialen Aktivitäten angesehen werden. Manche Personen hören auch wieder mit Microdosing auf, da sie keine Effekte auf die Leistung gespürt haben. Bis jetzt konnten keine allgemeingültigen Nebenwirkungen festgestellt werden, das schließt jedoch nicht aus, dass es welche gibt. Mediale Aufbereitung Microdosing ist ein gefundenes Fressen für die Medien. Jede Menge Magazine wie „Rolling Stones“, „Vice“, aber auch Zeitungen wie „Der Standard“ berichteten darüber. Von negativer Publicity ist jedoch keine Rede. Auch einflussreiche Persönlichkeiten äußerten sich dazu. Jason Silva, venezuelisch-amerikanischer Filmemacher, Philosoph und Redner, der vor allem für seine Dokumentarfilme bekannt ist, greift dieses Thema gerne auf. In

diversen Interviews erläutert er seine positive Einstellung LSD gegenüber. Insbesondere die Bekämpfung von Depressionen mit Microdosing ist für ihn der Grund, wieso er den Trend als sehr positiv empfindet. Nehme man eine Mikrodosis von LSD, so würden Menschen nichts davon merken. Dies ist auch der Grund, wieso medial eher positiv berichtet wird. Auch Steve Jobs äußerte sich oft und gerne zu seinem LSD-Konsum. Es gibt keine Langzeitstudien und keine belegbaren negativen Auswirkungen. Bis auf den angeblich verbesserten Workflow gibt es also keine bemerkbaren Veränderungen durch Microdosing. Würde man bei den „Microdosern“ eine Verhaltensveränderung bemerken, würde die mediale Aufbereitung vermutlich ganz anders aussehen. Conclusio Die leistungssteigernden Effekte des Microdosing bleiben anekdotisch, und da es keine quantifizierbare Forschung zum Microdosing mit psychedelischen Substanzen gibt, ist es unmöglich, endgültige Schlussfolgerungen in dieser Angelegenheit zu ziehen. Es ist daher wichtig, dass mehr Forschung über die Sicherheit und Wirksamkeit des Microdosing betrieben wird. In der Zwischenzeit können körperliche Betätigung, Bildung, soziale Interaktionen, Achtsamkeit und genügend Schlaf ganz natürlich dabei helfen, die kognitive Leistungsfähigkeit und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.

von Elena Weissengruber

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Fokus statt High? Microdosing Thema

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Gedruckt, geladen und entsichert Das Gefahrenpotential des 3D-Drucks ist enorm, wie der Amerikaner Cody Wilson mit seinem im Netz veröffentlichten Plan für eine funktionierende Schusswaffe bewiesen hat. Diese Pläne sind in Österreich verboten, aber wie leicht kommt man an sie heran und wie gefährlich ist sie wirklich, die selbstgedruckte Waffe? SUMO sprach mit Daniel Handle-Pfeiffer, dem Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für 3DDruck (OEG3D), über die Bedrohungslage, sowie mit Robert Gartner, Spezialist auf dem Gebiet der Waffenrechtskunde aus dem Innenministerium.

Der 3D-Druck ist ein Verfahren, dessen Prinzip schon vor tausenden Jahren von den Ägyptern angewandt wurde. Die Pyramiden wurden vom Fundament bis zur Spitze gebaut, Stein für Stein, und genau nach diesem Prinzip funktionieren moderne 3D-Druckgeräte. Ein Objekt wird durch ein Programm in Layer aufgeteilt, diese Layer stehen für eine Schicht Kunststoff und der Drucker setzt eine Schicht nach der anderen aufeinander, bis das Objekt fertig ist. Abhängig von Größe und Qualität dauert dies mehrere Stunden. Die Technologie wird kontinuierlich verbessert, damit komplexere Formen erzeugt werden können und 3D-Druck auch im Privathaushalt möglich bis normal wird. Eine Studie zeigt das Interesse innerhalb Deutschlands: Im Jahr 2016 sag-

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ten 1.000 Befragte aus, dass 3% selbst einen Drucker besitzen und 17% schon einmal etwas gedruckt haben, aber 61% würden diese Technologie gerne nutzen. Vor allem Ersatzteile, Spielfiguren und individuelle Objekte werden bevorzugt von Privatpersonen gedruckt Codie Wilson – der Mann, der eine neue Waffenära eingeleitet hat Bereits 2013 trat der damals 25-jährige Texaner mit seinem ersten Bauplan für eine funktionierende Schusswaffe, dem „Liberator“, in den USA an die Öffentlichkeit. Gleichzeitig gründete er seine Organisation „Defense Distributed“, die sich das Ziel setzte, allen Menschen mit 3D-Drucker oder CNC-Fräse die Herstellung von Waffen zu ermöglichen. Die damalige Regierung von Barack

Obama hat die Plan-Veröffentlichung verboten, da sie die Innovation als illegalen Export von Waffen einstufte. Jeder Mensch hätte die Möglichkeit, eine lebensbedrohliche Waffe ohne Seriennummer herzustellen, die durch einen Metalldetektor nur schwerlich entdeckt werden könnte. Diese werden auch „Geisterwaffen“ genannt, da sie sehr viele Eigenschaften besitzen, welche heutige Sicherheitssysteme umgehen können. Mithilfe der Waffenlobby hatte Wilson mehrere Male geklagt, jedoch jedes Mal verloren, da es viel zu gefährlich für die Allgemeinheit wäre. Eine Wendung kam in den Prozess, als Donald Trump Präsident wurde und Wilson ein außergerichtlicher Vergleich zugesprochen wurde. Abgesehen von 40.000 US-Dollar als


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Entschädigung, erhielt er die Erlaubnis, seine Pläne zu veröffentlichen und somit den (buchstäblichen) Startschuss für eine neue Waffenära. Die Bundesstaaten jedoch nahmen dies nicht einfach so hin und klagen Codie Wilson genauso wie Trumps Politik, welche dies ermöglicht hat. Bis heute wurde kein Verbot gegen die Pläne erwirkt. Die Community der 3D-Druck-Waffen nimmt stetig zu, genauso wie die unterschiedlichen Pläne. Wie gefährlich ist die selbstgedruckte Waffe? Heutzutage gibt es schon mehr als hundert verschiedene Waffenpläne zum Ausdrucken: für kleine Handfeuerwaffen wie einen Revolver, aber auch große Vollautomatische wie eine AR-

15. Die meisten benötigen Metallteile, um reibungslos zu funktionieren und mehrere Schüsse abgeben zu können, ohne auseinander zu brechen. Sie sind aufwendig in der Herstellung, aber von diesen Waffen geht weniger Gefahr aus als von jenen, die fast ausschließlich aus Kunststoff bestehen. Die erste Waffe, die von Wilson veröffentlicht wurde und als Musterbeispiel dient, ist der „Liberator“. Das Gehäuse lässt sich in wenigen Stunden drucken, die Teile sind nicht komplex und als einzige Ergänzung benötigt man einen Nagel. In Online-Berichten lässt sich nachlesen, wie einfach die Produktion ist, unzählige Videos verifizieren, dass sie tatsächlich funktioniert. Obwohl die Waffe immer nur mit einer Schnur aus sicherer Distanz abgefeuert wird, da

jeder Schuss zum Zerbersten der Waffe führen kann, sind die Schüsse tödlich. Die Fakten klingen bedrohlich, 3D Druck-Experte Daniel Handle-Pfeiffer entschärft diese im SUMO-Interview – angefangen bei den verwendeten Materialien. Im Hobbybereich sei vor allem Polylactide (PLA) verbreitet, da es sehr einfach zu drucken sei und für herkömmliche Objekte ausreiche. Aus diesem Material sei es unmöglich, einen Schuss abzugeben, da es sich schon ab 60°C zu verformen beginne. Laut Handle-Pfeiffer würde die Waffe niemand verletzten – außer den Schützen bzw. die Schützin selbst. Ein anderes verbreitetes Material im 3D-Druck ist ABS, das derselbe Kunststoff ist, aus dem auch Legosteine produziert

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werden. Er sei robuster und hitzebeständiger, jedoch auch schwieriger zu handhaben und deswegen nicht einfach für AnfängerInnen. Nicht nur Erfahrung im 3D-Druck ist Voraussetzung, sondern auch ein Drucker, der sich auf ähnliche Kosten beläuft wie eine Glock-Pistole. Der Experte resümiert, dass der Druck einer schussfähigen Waffe möglich sei, jedoch benötige man Wissen, Geduld und Geld. Es wäre wahrscheinlich einfacher und billiger, eine illegale Schusswaffe auf den Schwarzmarkt zu besorgen, besonders in den USA. Er selbst und seine KollegInnen haben noch nie und werden nie eine Waffe 3D drucken, da dies den Ethik-Guidelines der OEG3D widerspricht. Ziel der Organisation ist es, Menschen zu zeigen, welche positiven Effekte der 3D-Druck für Menschen schafft.

nige Tage online und wurden hundertfach heruntergeladen. Dass sie der Erzeuger zu Beginn wieder entfernen musste, macht kaum Unterschied, da diese trotzdem im Netz existieren und geteilt werden können. Durch die Legalisierung in den USA lässt sich nun auch auf legalen Wegen viel Informationsmaterial über verschiedene Waffen finden, genauso aber auch auf illegalen zu den detaillierten Druckplänen: etwa über Videos, die erschreckend genaue Beschreibungen von Einzelteilen bzw. Anleitungen zum Druck und Benutzung der Waffe liefern. Weiters gibt es im Internet unzählige Foren, in denen über dieses Thema geschrieben und diskutiert wird und Links zu dubiosen Websites geteilt werden, wo die Pläne zum Downloaden sind. In den meisten Fällen sind es Virusfallen, aber nicht immer. Nach verblüffend kurzer Zeit fand der Autor einige Dateien, die angeblich alle Einzelteile eines „Liberator“ enthalten. Da ein Selbstversuch illegal ist, lässt es sich nicht mit Sicherheit konstatieren, ob es sich um Fake handelt oder nicht. Jedoch gibt es als Alternative das Darknet, in dem man alles findet, was das Verbrecherherz begehrt. Mithilfe einer Online-Anleitung ist der Weg in die dunkle Ecke des Internet schnell hinter sich gebracht und spätestens dort lassen sich massenhaft Anleitungen und Baupläne finden und erwerben. Somit ist jeder Mensch mit Zugang zum Internet und ein bisschen Recherche fähig, die Pläne für die schussfähige Waffe runterzuladen. Aber STOPP: neben moralisch-ethischer Verwerflichkeit reden wir hier von Illegalität.

Das Internet vergisst nicht Die Pläne des „Liberator“ waren nur we-

Gesetzliche Lage Robert Gartner erklärt, dass im öster-

Daniel Pfeiffer Copyright: Der Knopfdrücker

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reichischen Waffengesetz die selbstgedruckte Waffe an sich nicht explizit geregelt sei. Jedoch falle diese unter das Waffengesetz 1996, wie normale Schusswaffen, in dem Vorrausetzungen für den legalen Besitz niedergeschrieben sind. Waffen werden nach Kategorien von A bis D eingestuft, abhängig von verschiedenen Faktoren wie, ob sie nach jedem Schuss nachgeladen werden müssen, ob sie einen glatten oder gezogenen Lauf besitzen und einige weitere. Falls die selbstgedruckte Waffe in die Kategorie A oder B eingestuft wird, benötigt man eine Waffenbesitzkarte oder einen Waffenpass. Falls es sich um Kriegsmaterial handelt, muss eine Bewilligung gemäß §18 des Waffengesetzes vorhanden sein. Werden diese Vorrausetzungen nicht erfüllt, ist der Besitz der Waffe illegal und gerichtlich strafbar. Falls die Waffe in die Kategorien C oder D fällt, dann gelten andere Bestimmungen: Man muss 18 Jahre alt sein, darf kein Waffenverbot auferlegt haben und die Waffe muss im Zentralen Waffenregister registriert werden. Bei Verstoßen gegen diese Vorrausetzungen handelt es sich um eine Verwaltungsübertretung, Zusammengefasst, gelten für selbstgedruckte Waffen genau dieselben Gesetze wie für übliche Schusswaffen, da das Waffengesetz so formuliert ist, dass es auch diese neue Art der Waffe abdeckt. Disruptive (medien-) technologische Innovationen können, müssen aber nicht per se positive Auswirkungen zeitigen – hierbei überwiegen eindeutig die negativen. von Thomas Picher


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Wie soziale Medien die Kommunikation über sexuelle und andere Gewalt verändern Soziale Netzwerke revolutionierten die Debatten über sexuelle Belästigung und Gewalt. Jedoch ist die offene Kommunikation nicht zwingend positiver Natur – oft treiben sogenannte „Trolls“ ihr Unwesen, die sich gegen die Opfer von Missbräuchen verbünden und diese gezielt provozieren oder beleidigen. SUMO sprach darüber mit Alexandra Wachter, Journalistin, Moderatorin und Reporterin bei „ProSiebenSat.1 PULS4“, und Simon Bertsch, Gründer der SEO- und Online Marketing-Agentur SIBERCON. Die Einführung sozialer Medien erlaubte es seinen NutzerInnen, offen, publik, meist unwiderruflich die eigene Meinung kundzutun und diese mit anderen zu teilen. Denn, wie die zeitgenössische Floskel bestätigt: Was einmal im Netz ist, das bleibt auch dort. Zwar konnte man früher in Foren miteinander diskutieren, dies aber meist anonym und mit geringerem Verbreitungsausmaß. Die Dimensionen, die Aussagen in sozialen Medien einnehmen, können maßlos sein und tausendfach geteilt, retweeted etc. werden. Alexandra Wachter meint, dass wir durch den Verbreitungseffekt viel mehr Informationen verarbeiten müssen als früher. Für sie ergeben sich dadurch zwei Ausformungen: Einerseits können durch die unterschiedlichen Erzählungen, Kommentare und Postings Eindrücke entstehen, die sich dann mit Zahlen und Fakten kaum belegen ließen. Andererseits biete diese schnelle und offene Kommunikation die Chance, dass gesellschaftliche Probleme an die Oberfläche kommen, die vorher keinen

Raum gefunden haben und nicht laut genug gehört wurden. „Ganz grundsätzlich muss man meiner Meinung nach aber sehr wachsam bleiben und sich selbst kontrollieren. Sprich, nicht nur auf Twitter und Facebook Meinungen und Erfahrungen nachlesen, sondern auch gezielt Online-Plattformen etablierter Medien konsumieren, um ein vollständiges Gesamtbild zu einem Thema zu erhalten.“ Ermöglichen Facebook, Twitter und Co. mehr Offenheit? Soziale Netzwerke können den Kommunikationshorizont der NutzerInnen erweitern. Dies zeigt etwa die #MeToo-Kampagne, die für viele Posts über sexuelle Belästigung gesorgt hat. Die Plattformen ermöglichen dem einzelnen User/der einzelnen Userin ein breiteres Spektrum an Offenheit, um über Tabuthemen wie Gewalt, Belästigung oder Missbrauch zu sprechen. Alexandra Wachter stimmt zu, dass Social Media diesbezüglich für mehr Offenheit sorgen, denn die Betroffenen können ohne jegliche Barriere und zu

jedem Zeitpunkt darüber sprechen und werden auch gehört. Dies sei einerseits gut, da die Menschen dadurch offener werden, andererseits könne es auch ein gewisses Risiko für RezipientInnen bewirken, da das Geschriebene nicht den „Check, Re-Check, Double-Check“-Filter von JournalistInnen durchlaufe. Damit es für Betroffene überhaupt so weit kommt, öffentlich solch persönliche Erfahrungen kundzutun, benötigt es jedoch sowohl Mut und Stärke, als auch Bewusstsein für das Ausmaß, das ein Post, ein Kommentar oder ein Share einnehmen kann. Simon Bertsch nach sorgen soziale Medien zwar für mehr Bewusstsein, er ist jedoch der Meinung, dass solch sensible Themen aber eher im privaten Kreise besprochen werden, denn wenn Betroffene darüber nicht anonym kommunizieren können, dann werden sie dies wahrscheinlich auch nicht in sozialen Medien tun. Bewegungen wie #MeToo, die sich viral so rasant verbreiten, ziehen auch an Regierungen nicht spurlos vorüber. Je nach Thema handle die Politik natür-

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Opfer von Gewalt oder Missbrauch sind, müssen folglich dringend dazu ermutigt werden, diese Fälle auch anzuzeigen. Sonja Aziz, im Bereich Opferschutz spezialisierte Rechtsanwaltsanwärterin, konstatierte dazu in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „profil“ im Dezember 2018: „Schätzungen zufolge wird nur jede zehnte Vergewaltigung angezeigt, in nur zehn Prozent der Verfahren kommt es zu einer Verurteilung. Es gibt also nur sehr wenige Täter, die wirklich Konsequenzen spüren.“

Alexandra Wachter Copyright: Puls4

Simon Bertsch Copyright: Sebastian Gratzer

lich unterschiedlich, was schließlich auch von den jeweiligen politischen AkteurInnen, die darauf eingehen, abhängig sei. „Grundsätzlich kann man sagen, dass durch soziale Netzwerke eine zusätzliche Plattform für gesellschaftspolitische Debatten entstanden ist“, sagt PULS4-Journalistin Wachter. Simon Bertsch ergänzt, dass auch ein „Shitstorm“ ein gutes Mittel sei, um mediale wie politische Aufmerksamkeit zu erlangen: Kommentieren, teilen und kommunizieren viele Personen über ein Thema, werden diese meist auch gehört.

Frauen und Männer, die von ihren Erfahrungen mit sexueller Belästigung berichten. Wachter stellt fest, dass dies vor allem gegenüber Frauen der gezielte Versuch sei, patriarchale Strukturen um jeden Preis zu erhalten und diesen das Recht abzusprechen, in der Öffentlichkeit über einen offensichtlichen Missstand zu sprechen.

Nichtsdestotrotz findet die Kommunikation über Gewalt, sexuelle Belästigung und Missbrauch in sozialen Medien immer wieder auch negativen Anklang. „Trolls“, also (meist anonyme) UserInnen, die andere im Netz provozieren oder beleidigen, attackieren

Wer bin ich, darüber zu urteilen? Zwar mögen Social Media als Sprachrohr fungieren, jedoch sei es laut Wachter wesentlich, zwischen einem richterlichen Urteil und jenem einer Social Media Community zu unterscheiden. Es gilt grundsätzlich für jeden Menschen die Unschuldsvermutung. Fakt ist, dass die Dunkelziffer von Gewalt und sexueller Belästigung weitaus höher ist und viele Fälle niemals angezeigt werden. Frauen und Männer, die

Bis dato gibt es in den meisten sozialen Medien geringe bis gar keine Einschränkungen. Die Betreiber benutzen lediglich Filter, die es NutzerInnen nicht erlauben, bestimmte Inhalte zu veröffentlichen. Alexandra Wachter hinterfragt beispielsweise auch die Reaktionszeit von Twitter: „Jemand hat vor ein paar Monaten mein Konterfei als sein Profilbild verwendet. Ich habe es dann gemeldet und Twitter hat mir geschrieben, dass hier kein Verstoß gegen die „Twitter-Regeln“ vorliege. Twitter würde ‚bei Auseinandersetzungen nicht vermitteln. Das Unternehmen entzieht sich also seiner Verantwortung. Nachdem ich mich an den Internet-Ombudsmann gewendet habe und viele UserInnen das Profil gemeldet haben, hat Twitter dann doch reagiert und das Profil gesperrt. Die Reaktion des Konzerns zeigt dennoch, wie Verantwortungen einfach abgeschoben werden und zwar auf vielerlei Ebenen.“

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Wie soziale Medien die Kommunikation über sexuelle und andere Gewalt verändern

von Marlene Lampl


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„Last Goodbye“ – Publicity angesichts des Freitodes Wer die Worte „Suizid“ und „Webcam“ gemeinsam in eine Suchmaschine eingibt, erhält eine große Auswahl an Home-Suicide-Streams. Doch warum entschließen sich Menschen, vor der Kamera ihr Leben zu beenden? Ist der finale Wunsch ein letzter Ruf nach Aufmerksamkeit? SUMO ist diesen Fragen auf den Grund gegangen und interviewte dazu Silvia Breitwieser, Bereichsleiterin der Diözese Linz, und Logotherapeutin Sandra Ebner. Die Suizidrate in Österreich sei ab 1986 rückläufig, erläutert Silvia Breitwieser, auch Leiterin der Telefonseelsorge in Oberösterreich. Damals lag der Höchstwert bei über 2.000 Suiziden pro Jahr, nun bei knapp über 1.000. Seit der Wirtschaftskrise 2009 habe sich ein Plateau gebildet. Die Suizidrate bei Männern sei höher als bei Frauen, wobei es bei den Suizidversuchen genau umgekehrt sei. Breitwieser beschreibt, dass sich Menschen die an Suizid denken oft in einer verzweifelten Situation befinden und so wie sich ihr Leben derzeit gestaltet nicht mehr leben wollen. Doch wie kommt es überhaupt soweit, dass man sich das Leben nehmen will? Ausschlaggebend seien Krisen im Leben. „Wie der eine

oder die andere mit diesen schwierigen Lebenssituation klarkommt, hängt oft von den persönlichen Ressourcen ab.“ Die Persönlichkeit, wie man aufgewachsen ist, innere und äußere Einflüsse, auch soziale Ressourcen oder einfach welche Bedeutung die Krise hat, seien entscheidend für die Bewältigung dieser schweren Phasen, meint Breitwieser. Betrachtet man den Suizid nach logotherapeutischem Ansatz, so wird er als „Nein auf die Sinnfrage“ beschrieben. Ein suizidaler Mensch sei nach dieser Auffassung unfähig, in seinem aktuellen Leben einen Sinn zu finden und sich vorzustellen, zukünftig einen Sinn zu finden, erklärt Sandra Ebner. Grundsätz-

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lich zählen zu den Risikogruppen Menschen, die schon einen Suizidversuch hinter sich haben, suchtbetroffen sind oder einen Suizid von einer/einem Angehörigen miterlebt haben. Der häufigste Grund sei jedoch eine psychische Erkrankung, Menschen mit Depressionen hätten das höchste Suizidrisiko. Bei Kindern bis zu 14 Jahren sind es in Österreich pro Jahr „nur“ ein paar Suizide. Bei 15- bis 19-Jährigen liegt die Zahl weit unter hundert. Jugendsuizide erreichen eine höhere mediale Aufmerksamkeit und auch eine größere Betroffenheit bei der Bevölkerung. Es steigen also nicht die Jugendsuizide an, sondern die

Medienberichte. Das Internet bietet vor allem für junge Menschen eine große Fläche an Austauschmöglichkeit. Sogenannte Suizidforen dienen als Anlaufstelle für die Informationssuche rund um den Suizid. Andererseits bilden diese auch eine Plattform, die es Betroffenen ermöglicht, sich über das tabuisierte Thema „Selbsttötung“ auszutauschen. Auch wenn es professionell geleitete Foren gibt, die zur Suizidprävention dienen, darf man die negative Seite nicht aus den Augen verlieren. Suizidhandlungen werden glorifiziert, die natürliche Hemmschwelle zur Selbsttötung wird herabgesetzt und man feuert sich gegenseitig zur Tat an.

„Wer sich selbst tötet, ist egoistisch.“ Menschen, die den Freitod wählen wird öfters das Urteil an den Kopf geworden, egoistisch zu sein und nicht an ihre Angehörigen zu denken. Bis es überhaupt zum Suizid kommt, durchleben die Betroffenen verschiedene Phasen, die Außenstehenden nicht ersichtlich sind, daher ist es leicht zu urteilen. Tatsächlich ist es aber oft genau anders, als es aussieht. Erwägen – Abwägen – Entschließen, sind grob gesagt die drei Hauptphasen. Im ersten Stadium wird die Suizidhandlung in Erwägung gezogen, um Probleme, die unlösbar wirken zu lösen. Das 2. Stadium ist durch die Ambivalenz zwischen Leben wollen und

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sich, als ob es den Angehörigen erst besser gehen würde, wenn sie nicht mehr da sind. Der Suizid ist das Opfer, das sie bringen, um den Liebsten ein besseres Leben zu ermöglichen, eigentlich eine sehr uneigennützige Überlegung. Es gibt aber verschiedene Gründe, aus welchem Motiv sich Menschen das Leben nehmen: Hier unterscheidet man zwischen dem egoistischen, altruistischen, anomischen und fatalistischen Selbstmord. Silvia Breitwieser Copyright: Diözese Linz

Sandra Ebner Copyright: Privat

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Sterben wollen geprägt. Im letzten Abschnitt wird die endgültige Entscheidung gefällt, werden die Vorbereitungen getroffen und der passende Augenblick abgewartet. In Bezug auf Suizidprävention ist es besonders wichtig, während der ersten zwei Phasen mit der persönlichen Beratung anzufangen. Sobald das letzte Stadium erreicht wird, ist der innere Kampf vorüber und der Entschluss zum Suizid gefasst. Erst hier einzugreifen erschwert die Suizidprävention enorm. Ziel ist es, den langen Weg zu begleiten und das Ende zu verhindern. Oft fühlen sie

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Ebner meint, dass es nicht allgemein belegbar sei, welche Menschen aus welchem Motiv Cybersuicide begehen. Unter Cybersuicide, oder auch „social suicide“ genannt, versteht man einen Suizid oder Suizidversuch, der von Websites beeinflusst wird. Durchaus gebe es aber den Fall, dass Leute im medialen Mittelpunkt stehen wollen und sich daher entschließen, ihren Suizid zu streamen. Ein anderes Motiv sei Rache. Bei Mobbingopfern sei die Verbreitung über das Internet beliebt. So wollen Betroffene ihren Mobbern als letzten Abschluss mit Schuldgefühlen und übler Nachrede schaden. Nicht Aufmerksamkeit zu erlangen, sondern vielmehr Mut zu beweisen stehe hier im Vordergrund, so Silvia Breitwieser, Leiterin der Notseelsorge. 8 von 10 Personen, die ihr Leben beenden wollen, reden davon. Nur sehr wenige sprechen darüber, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Es sei daher sehr wichtig, jede Anspielung auf Suizid ernst zu nehmen. Denn selbst wenn Menschen Aufmerksamkeit erhaschen wollen, sei das ein Zeichen, dass sie Hilfe brauchen und sich nicht anders zu helfen wissen. Wenn mental labile Personen von anderen auch anfälligen Personen zur Selbsttötung angestachelt werden, sei es naheliegend, dies auch gleich vor laufender Kamera in einem Chatroom zu machen. Es gehe daher oft weniger um die mediale Verbreitung, sondern um die Anerkennung und Erfüllung

„Last Goodbye“ – Publicity angesichts des Freitodes Thema

der Wünsche der im Chatroom Anwesenden. Trotzdem hat jeder Mensch eigene Motive und Gründe zur Selbsttötung, weshalb es unmöglich sei, eine allgemein geltende Antwort zu geben. Maßnahmen 2017 starben in Österreich dreimal so viele Menschen an Suizid als bei Verkehrsunfällen, so der Bericht von „Suizidprävention Austria“ (SUPRA). Grund dafür ist vor allem die weitaus schwierigere „Regulierung“ von Suiziden im Vergleich zu Maßnahmen für den Straßenverkehr. In Österreich gibt es auf institutionalisierter Ebene zwei nationale und einige lokale Projekte zur Suizidprävention. Diese sind laut dem Bundesministerium für Gesundheit einerseits ein koordinierter und standardisierter medialer Umgang für die Berichterstattung von Suiziden sowie eine Einflussnahme auf die Waffengesetzgebung im Sinne einer Suizidprävention. Seit einigen Jahren werden unter medialen Suizidberichten Notrufstellen genannt. Neben den nationalen Richtlinien, die zur Reduzierung der Selbsttötungsrate verhelfen sollen, gibt es auch andere Maßnahmen, die zur Reduktion führen. Der Social Media-Gigant „Facebook“ sucht aktiv nach bestimmten Keywords und reagiert auf diverse Postings. Hilfseinrichtungen vermitteln in Deutschland und Österreich an „Facebook“, wenn Suizide angekündigt werden. Medial präsente Selbsttötungen führen zu unzähligen Nachahmungen – insbesondere unter Jugendlichen, wie erst kürzlich eine südkoreanische Studie (Lee 2019) ergab. Vor allem bei berühmten Persönlichkeiten, die ihr Leben beenden, wird eine Ausnahme bei der Berichterstattung gemacht, was tödliche Folgen hat.

von Elena Weissengruber


Framing in der (Gewalt-)Berichterstattung SUMO sprach mit Martin Gebhart, Chronikressortleiter der Tageszeitung „Kurier“, und „derStandard“-Redakteurin Gabriele Scherndl über den Einsatz von Frames, um die Interpretation bestimmter Informationen bei RezipientInnen zu beeinflussen.

Bertram Scheufele und Ines Engelmann beschreiben im „Handbuch Journalismustheorien“ Frames als bestimmte Bezugs- oder Interpretationsrahmen, die Menschen heranziehen, um Geschehnisse, AkteurInnen oder Umstände einzuordnen, zu interpretieren oder zu beurteilen. Zu dieser Theorie gibt es zahlreiche FürsprecherInnen, wie zum Beispiel Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling, die meint, dass es kein Wort gebe, welches keinen Frame im Kopf der RezipientInnen hervorrufe. Gegnerinnen dieser Theorie berufen sich darauf, dass Menschen rational denken und die Fakten selbst beurteilen können, sodass sie also den Framing-Effekten nicht schutzlos ausgeliefert seien. Framing auf drei Ebenen Das Einsetzen von Bezugs- und Interpretationsrahmen zur Steuerung der

Wichtigkeit von bestimmten Fakten beurteilt, ob man mit denen in den Artikel einsteigt und manche erst am Schluss schreibt, kann die eigene Denkweise eines Journalisten widerspiegeln.“ Eine zweite Ebene auf der Framing entstehen kann und in Folge dessen an die RezipientInnen weitergegeben wird ist jene, in der sich Frames bereits in den Quellen der BeitragsverfasserInnen befinden. Scherndl behalte dies bei Gesprächen stets im Hinterkopf, des Weiteren betont sie, dass man bestimmte Menschen zu einem Thema interviewe, um deren Standpunkt und Sichtweise zu erfahren. Scheufele und Engelmann beschreiben, dass Frames besonders von politisch-gesellschaftlichen AkteurInnen gesetzt werden. JournalistInnen übernehmen diese Bezugs- und Interpretationsrahmen in ihren Texten und geben diese so weiter. Gebhart bestätigt ebenfalls, dass Framing eher in den Bereichen Politik und Polizei-Berichten vorkomme. Die von diesen politisch-gesellschaftlichen AkteurInnen angewandte Strategie der Setzung von Frames wird „Strategic Framing“ genannt: Hierbei wird versucht, die eigens gesetzten Bezugsrahmen erfolgreich in Medien zu lancieren. Auch Scherndl ist der Meinung, dass Framing am häufigsten in politischen Kontexten vorkomme. „Je nachdem aus welcher Richtung über Migration gesprochen wird, wird es mit ‚kultureller Vielfalt’ oder mit ‚Terrorismus’ gleichgesetzt.“ Auch Unternehmen oder Protestgruppen bedienen

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Gabriele Scherndl Copyright: Katja Müller

Aufnahme von Information, derer Interpretation und Beurteilung, diese Deutungsrahmen also können in der Praxis auf mehreren verschiedenen Ebenen entstehen. Zum Ersten, bei der Selektion der Inhalte durch eine/n Journalistin/en. Scherndl meint dazu, dass die thematische Auswahl dessen, worüber sie schreibe, bis zu einem gewissen Grad von ihrem Interesse geleitet sei. Wird in Medien häufiger die Kriminalität von AusländerInnen beleuchtet, erzeugt das ein bestimmtes Bild bei RezipientInnen. Auch wenn laut der Polizeistatistik die Gesamtkriminalitätsrate sowohl von Menschen mit anderer Herkunft als Österreich als auch von ÖsterreicherInnen gesunken ist, wird die Gefahr durch erstere als größer werdend empfunden. Oftmals geben JournalistInnen ein Bild wider, wie es sich bereits in ihren Köpfen befindet. Sie bevorzugen all jene Themen, die zu ihrer eigenen Denkweise passen. Ihre Sichtweise geben sie dann auf diese Art und Weise auch an die RezipientInnen weiter. Dazu sagt die Redakteurin von „derStandard“: „Natürlich zitiere ich Menschen in meinen Texten, mit denen ich vielleicht nicht einer Meinung bin. Das nicht zu machen, würde ich auch als falsch ansehen, das würde nicht meinem Anspruch an Qualitätsjournalismus entsprechen.“ Ihr persönlicher Standpunkt zu einem Thema dürfe für einen Text nicht relevant sein und werde deshalb außen vor gelassen werden. Ressortleiter Gebhart vom „Kurier“ hingegen konstatiert: „Schon alleine wie man die

Framing in der (Gewalt-)Berichterstattung Thema

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sich strategischer Bezugsrahmen. Durch den Kommunikationserlass des Bundesministeriums für Inneres, welcher mit 1. Mai 2019 in Kraft trat, werden sowohl das BMI als auch die nachgeordneten Behörden und Dienststellen zur „[…] Nennung der Staatsbürgerschaft bzw. Herkunft von Verdächtigen bzw. Opfern von Straftaten [, denn diese] soll etwa nur dann unterbleiben, wenn dadurch eindeutige Rückschlüsse auf konkrete Personen gezogen werden können.“ Diese Anführung des Herkunftslandes von Verdächtigen oder Opfern von Kriminalität könnte nun zum einen dazu beitragen, dass der Frame der „Ausländer-Kriminalität“ immer weiter zunimmt. Andererseits könnte dieser Kommunikationserlass auch das genau Gegenteil davon bezwecken, denn in Folge dessen wird auch die österreichische Staatsbürgerschaft eines Täters oder eines Opfers genannt und somit der Frame der „Ausländer-Kriminalität“ neutralisiert. Allerdings steigt auch weiterhin die Anzahl jener Artikel, welche eine Nähe zwischen Asylwerbern und Kriminalität herstellen. Im Jahr 2019 waren dies sieben Prozent aller Artikel. Fritz Hausjell, Stellvertretender Institutsvorstand des Instituts für Publizistikund Kommunikationswissenschaft

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Framing Thema in der (Gewalt-)Berichterstattung

Wien meint dazu: „Ich hoffe, das ist nicht das Ergebnis der Informationspolitik des Innenministeriums.“ Die dritte und letzte Ebene, auf der Frames eingesetzt werden, ist von JournalistInnen direkt. Neben der nie zu 100 Prozent objektiven Selektion und Aufbereitung von Informationen und den Quellen der BeitragsverfasserInnen, die bereits Frames enthalten können, setzen hier JournalistInnen selbst, oftmals ganz bewusst, bestimmte Interpretations- und Deutungsrahmen für ihre RezipientInnen. Dies erfolgt zum Beispiel durch die gezielte Auswahl bestimmter Worte oder Phrasen, wie zum Beispiel „Das Glas ist halb voll“ versus „Das Glas ist halb leer“. In beiden Fällen ist das Glas zu Hälfte gefüllt, jedoch wird es in einem Fall als positiv und im anderen Fall als negativ interpretiert. Gebhart meint dazu, dass ein/e Journalist/in immer versuche, einen Bericht so neutral wie möglich zu verfassen, das jedoch nie ganz sauber gelingen könne. Scherndl ist ebenfalls der Auffassung, dass durch JournalistInnen Frames gesetzt werden, jedoch glaubt sie, dass dies vor allem unterbewusst geschehe. Sie hält Frames erst dann für problematisch, sobald sie zu Schemata werden. Was alle diese drei Ebenen des

Framing gemeinsam haben? Sie prägen maßgeblich die öffentliche Meinung. Die Macht des Framing Bereits 1981 wurde das kommunikationswissenschaftliche Phänomen „Framing“ durch die Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky untersucht. Sie baten ihre ProbrandInnen um ihre Einschätzung zu einer Geschichte, die sie ihnen vorlegten. Folgender Sachverhalt sollte durch die Versuchspersonen beurteilt werden: „Stellen Sie sich vor, die USA bereiten sich auf den Ausbruch einer […] Erkrankung vor, die unbehandelt 600 Menschen töten wird. Zwei alternative Programme zur Bekämpfung der Krankheit wurden vorgeschlagen. […] Durch Programm A würden 200 Personen gerettet. Bei Programm B gäbe es eine 1/3-Wahrscheinlichkeit, dass alle 600 Menschen gerettet werden, und eine 2/3-Wahrscheinlichkeit, dass niemand gerettet wird. Welches der beiden Programme würden Sie bevorzugen?“ Hierbei entschieden sich 72% der ProbandInnen dafür, mit Hilfe das Programms A 200 Personen zu retten. Eine weitere Gruppe von Testpersonen sollte nun erneut die Geschichte einschätzen, aller-


dings aus einem anderen Blickwinkel: „Durch Programm C würden 400 Menschen sterben. Bei Programm D gibt es eine 1/3- Wahrscheinlichkeit, dass niemand stirbt, und eine 2/3-Wahrscheinlichkeit, dass 600 Menschen sterben werden.“ Nun entschieden sich 22% der Probandinnen dafür, Programm C umzusetzen und somit 400 Menschen sterben zu lassen. Vergleicht man nun beide Geschichten miteinander, so stellt man fest, dass sowohl bei Programm A im ersten Versuch als auch bei Programm C im zweiten Versuch 200 Menschen gerettet und 400 Menschen sterben würden. In Programm B und Programm D wiederum leben mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/3 alle Betroffenen weiter, jedoch beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass alle Erkrankten sterben in beiden Fällen 2/3. Ein ähnliches Phänomen beobachteten Adam Simson und Jennifer Jerit im Jahr 2007 in einem Experiment, welches sie im „Journal of Communications“ veröffentlichen. Sie untersuchten das Thema „Abtreibungsverbot“ und die damit verbundene Wortwahl der

JournalistInnen und PolitikerInnen in den USA. Dadurch fanden die beiden heraus, dass AbtreibungsbefürworterInnen ausschließlich das Wort „Fötus“ und AbtreibungsgegnerInnen im selben Zusammenhang „Baby“ verwendeten. Während dieser Begriff das Bild von einem Kind mit Gesicht und Händen in den Köpfen der Menschen hervorruft, denken die Meisten beim Begriff „Fötus“ an einen Zellhaufen. Aus diesem Grund passten Menschen, die Berichte lasen, in denen ausschließlich eines der beiden Worte vorkam ihre Meinung auch dieser politischen Position an. Framing in österreichischen Medien Gebhart ist davon überzeugt, dass die meisten Medien darauf bedacht seien, alle ihre Informationen so neutral wie möglich weiterzugeben, also wie RedakteurInnen glauben, dass sich ein Sachverhalt darstelle. Sie versuchen also „das Bild so zu zeichnen, wie die RedakteurInnen eben glauben, dass es ist.“ Während Qualitätszeitungen sich in ihrer Art und Weise Fakten zu präsentieren neutraler verhalten, beobachtet Gebhart, wie im Boulevard

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vermehrt versucht werde, die Inhalte von Artikeln in eine bestimmte Richtung zu lenken. Scherndl konstatiert, dass dies vorrangig aus dem Grund der Vereinfachung passiere: „Die Welt ist voller komplexer Sachverhalte, die kein Medium in ihrer ganzen, umfassenden Kompliziertheit präsentieren kann“. Diese Boulevard-Medien kennen laut Gebhart ihre LeserInnen sehr genau und versuchen ihre Geschichten auf deren Denkweise hin zu gestalten. Sie wollen eine größere Aufmerksamkeit innerhalb der Zielgruppe generieren, indem sie deren Denkweise weiter untermauern. Scherndl sieht diese Vorgehensweise als ökonomisch sinnvoll, „denn die Menschen lesen gerne, was sie in ihrer Meinung bestätigt.“ Sie betont, dass sie beim „Standard“ versuche, Inhalte für die LeserInnen aufzubereiten, ihnen aber das Angebot geben wolle, über den Tellerrand hinauszublicken. Deutungsstrategien sind also auch vom einzelnen Medium abhängig.

von Katja Müller


Doping und die Rolle der Medien Die Berichterstattung über das Thema Doping führte ab März 2019 zu Aufregung bis Fassungslosigkeit, national wie international. David Müller, Leiter für Information und Prävention der Nationalen Anti-Doping Agentur Austria GmbH (NADA Austria)- und Beachvolleyball-Legende Clemens Doppler setzten sich im Interview mit SUMO mit dem polarisierenden Thema auseinander. Kaum ein Sportthema sorgte für so viel Entsetzen in den österreichischen Medien wie die Doping-Skandale bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft im März 2019 in Sveefeld. Doping ist nichts Neues, SportlerInnen aus der ganzen Welt treiben sich mehrmals täglich zu Höchstleistungen: Es geht immer schneller, höher oder besser. Muss man in einer leistungsorientierten Gesellschaft nicht damit rechnen, dass einfache Motivation und Wille oft nicht reichen, um an der Weltspitze dabei sein zu können? Leistungssport ist härter denn je. Ist man erfolgreich, ist man der Star einer Nation und es steht einer/m jede Türe offen. Hat man aber einen schlechten Tag und liefert nicht ab, wie man es gewohnt ist, steht viel auf dem Spiel. Negative mediale Berichterstattung, Verträge, die möglicherweise nicht verlängert werden, Sponsoren, die einen verlassen bis hin zur finanziellen Unsicherheit können die Folgen des „Versagens“ sein. Diesen Druck hält nicht jede/r SportlerIn aus und greift dadurch zu Hilfsmitteln, die mehr Leistung versprechen.

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Der einzige Weg, der zu Ruhm führt? Clemens Doppler spricht offen über Nieder- und Rückschläge in seiner Karriere: „Ich hatte schon viele Situationen in meiner sportlichen Karriere, wo ich dachte, dass meine Kraft oder Leistungsfähigkeit nicht ausreicht. Ich habe drei Kreuzbandrisse und sieben Knie-Operationen hinter mir, die jeweils lange Rehabilitationen verlangten. Die hätte man mit illegalen Substanzen verkürzen können. Aber ich habe keine Sekunde daran gedacht, und würde es auch nie machen.“ Warum einige SportlerInnen sich dennoch zu Doping verleiten lassen, kann der österreichische Beachvolleyball-Vizeweltmeister nachvollziehen. Der Druck unserer Gesellschaft sei so hoch, ein normaler Sieg reiche schon lange nicht mehr aus. Das Publikum wolle neue Rekorde und Bestzeiten sehen. Man könne es mit einem Hamsterrad vergleichen, als SportlerIn erreiche man so nie Zufriedenheit.

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Thema und die Rolle der Medien Doping

Prävention ist vordergründig Die NADA Austria setzt den Fokus der Präventionsarbeit auf den Nachwuchs. „Kinder assoziieren Sport nicht mit Tabletten, Infusionen oder Blutmanipulationen. Die Auseinandersetzung mit verbotenen Substanzen oder Methoden beginnt erst später in der sportlichen Laufbahn“, so David Müller. Ein klares Ziel der Anti-Doping-Organisation sei es, dass sich die kommenden Sportgenerationen selbstbewusst und aus eigener Überzeugung gegen Doping und dopingäquivalentes Verhalten entscheiden. Jährlich werden über 2.500 junge SportlerInnen mit dem Anti-Doping-Schulprogramm erreicht, sowie das gesamte sportliche Umfeld (SportlerInnen, TrainerInnen, SportfunktionärInnen, etc.) mittels Schulungen, Vorträgen und Seminaren in puncto Doping sensibilisiert. Doping-Falle „Man darf sich das nur nicht so vorstellen, dass man sich ein Pulver einwirft und auf einmal einen Meter höher springt oder schneller läuft. Die Regenerationszeit zwischen den Trainings minimiert sich stark, dadurch kann man öfters und härter trainieren, was somit das Resultat verbessert“, klärt Doppler auf. Für ihn würde Doping auch im Beachvolleyball absolut (negativen) Sinn machen, aber für ein richtiges Dopingnetzwerk fehle es dieser Sportart an wirtschaftlichem Reiz. Für eine durchschnittliche Doping-Kontrolle gebe es laut Müller seitens der NADA keine festgelegte Häufigkeit. Die Auswahlkommission erarbeite einen Dopingkontrollplan, der Kriterien wie zum Beispiel Dopingrisiko einer Sportart, die individuelle Leistungsentwicklung oder finanzielle Anreize berücksichtige. Es kann durchaus passieren, dass auch ungewollt gedopt wird. Das geschieht zum Beispiel durch Einnahme von Nahrungsergänzungs- oder Schmerzmitteln, bestimmte Hustensäfte oder durch den Verzehr von Fleisch, das aus Ländern stammt, wo


die Viehzucht mit verbotenen Substanzen arbeitet. Jede/r SportlerIn ist selbst für alle Substanzen verantwortlich, die sich in seinem bzw. ihrem Körper oder in Körperflüssigkeiten befinden. Daher muss er/sie sich auch vergewissern, dass jedes Arznei-, jedes Nahrungsergänzungsmittel oder jedes andere Präparat keine verbotenen Substanzen enthält. David Müller warnt daher, dass es sich aus der Verpflichtung der SportlerInnen ergebe, dass eine positive Analyse in aller Regel als Verstoß gegen die Anti-Doping-Bestimmungen gilt und je nach individueller Sachlage bzw. Milderungsgründen mit einer mehrmonatigen, mehrjährigen oder lebenslangen Sperre geahndet wird. Die Sportwelt braucht Veränderungen Der Druck ist hoch, und die Gier nach Gold groß. Doch wie minimiert man die Anzahl der TäterInnen, die mit illegalen Substanzen betrügen? Für Clemens Doppler, den siebenfachen österreichischen Meister im Beachvolleyball,

ist es ganz klar, es brauche härtere Strafen: „Eine zweijährige Sperre schreckt doch nicht ab.“ Auch David Müller von der NADA wünscht sich Veränderungen: Langfristig müsse ein Umdenken in der Gesellschaft passieren. Es benötige die Etablierung im kollektiven Bewusstsein, dass Doping und dopingäquivalentes Verhalten kein Kavaliersdelikt ist. Und dafür bedarf es eines kritischen, durchaus investigativen Journalismus, der SportlerInnen nicht vorschnell zu

Stars stilisiert – um sie nach ersten Misserfolgen in Grund und Boden zu schreiben. Denn dies wirkt ein auf die olympische, heutzutage oft pervertierte Spirale: Schneller, höher, stärker.

David Müller Copyright: NADA Austria

Clemens Doppler Copyright: BeachMajors

von Katja Müller

Was zählt, sind die Menschen.

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Doping und die Rolle der Medien Thema

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Darknet: Anonymität vs. Kriminalität Das Darknet ist für die meisten negativ konnotiert. Denn schließlich gibt es dort keine Kontrolle und somit blühen auch illegale Geschäfte – und damit assoziieren wir das Darknet dann auch: Prostitution, Kinderpornografie, Drogenhandel, Medikamentenmissbrauch. Über die Risiken der Anonymität sprach SUMO mit Kriminalhauptkommissar Achim Steiger vom Bundeskriminalamt Deutschland und Michael Suda, Mitarbeiter der Österreichischen Datenschutzbehörde. Dark Net, Deepweb, Dark Web – diese Begriffe werden oft synonym verwendet für den verborgenen, „bösen“ Teil des Internet. Achim Steiger jedoch differenziert im SUMO-Interview: Das Internet unterteilt sich in einen sichtbaren und einen unsichtbaren Teil. Der sichtbare Teil ist das sogenannte Clearnet oder Visible Web. Dieses kann von jeder/m genutzt werden und diesen Teil durchsuchen gängige Suchmaschinen, wie beispielsweise Google, Yahoo oder Bing. Der unsichtbare Teil, Invisible oder Deepweb, beschreibt jenen Teil, der nicht über diese Suchmaschinen gefunden wird. Das können beispielsweise Datenbanken, Intranets oder Fachwebseiten sein, die nicht für jeden zugänglich sein sollen. Einen Teil des Deepweb bildet dann das Darknet. Dessen Inhalte sind lediglich unter Nutzung bestimmter Software-Anwendungen möglich. Wer im Darknet surfen will, der braucht einen eigenen Browser, wie beispielsweise den Tor Browser. Mit diesem ist es jedem möglich, anonym im Internet zu surfen und das völlig legal. Die illegale Seite des Darknet Ist dies nicht ein großer Vorteil, wenn NutzerInnen darauf achten sollten, ihre persönlichen Daten im Internet immer mehr zu schützen, da diese missbräuchlich verwendet werden und wir überall unsere Spuren hinterlassen, die rückverfolgbar sind? „Im Zeitalter der Digitalisierung sind das Internet, Laptops und Smartphones oder Onlineshops gar nicht mehr wegzudenken. Doch aufgrund der steigenden Nutzung des Internet ist auch eine zunehmende Nutzung des Darknet als Tatmittel zur Begehung von Straftaten erkennbar“, so Kriminalhauptkommissar Steiger. Daraus ergebe sich ein routinierter

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Darknet: Anonymität vs. Kriminalität

und professionalisierter Umgang mit dem Darknet, was es einerseits für den Gesetzgeber erschwere, eine geeignete Rechtslage zu erstellen, andererseits aber auch die Gegenmaßnahmen und die Strafverfolgung deutlich schwerer gestaltet. Denn bei einer Recherche im Darknet werden keine – zumindest öffentlich einsehbaren – digitalen Fußabdrücke hinterlassen. Es gelingt der Kriminalpolizei allerdings immer wieder mit den richtigen Ermittlungsansätzen Straftaten aufzuklären und illegale Plattformen stillzulegen. Allerdings sind hierzu sehr viel Zeit und Personal notwendig. Auf den Darknet-Marktplätzen sind verbotene Betäubungsmittel der Hauptbestandteil der angebotenen Waren. Obwohl man diese Angebote nicht wirklich quantifizieren kann, ist auf alle Fälle zu sagen, dass es sich bei den Betäubungsmitteln um Massendelikte handelt. Achim Steiger zählt auf, welche weiteren Straftatbestände in der Regel auf dem Marktplatz zu finden seien: Der unerlaubte und gewerbsmäßige Handel mit Waffen, Kriegswaffen und Explosivstoffen ohne Erlaubnis. Geldfälschung und Inverkehrbringen von Falschgeld, weiters die Verbreitung, der Erwerb oder der Besitz von kinderpornografischen Schriften. Urkundenfälschung und Handel damit oder Computerbetrug und ebenso Strafvorschriften des Arzneimittelgesetzes und Ausspähen von Daten und Datenhehlerei. Der Tor Browser Mithilfe des Tor Browser, dessen Installation nicht illegal ist, können auch „normale“ Inhalte aus dem Clearnet aufgerufen werden. Um aber ins Dar-


knet zu gelangen und dort eine Seite aufzurufen, ist es notwendig, gewisse Kenntnisse von der Seite zu haben, da die Bezeichnungen der Seiten nicht so einprägsam und intuitiv sind, wie man es aus dem Clearnet kennt. Bei vielen Plattformen (Foren und Marktplätzen) ist es außerdem notwendig, sich auf der Seite anzumelden, die man besuchen möchte. Erst wer illegale Transaktionen hierbei abwickelt, verstößt gegen das Gesetz. „Das Tor Netzwerk wird auch als The Onion Router bezeichnet und man erkennt eine Seite daran, dass sie mit „.onion“ endet“, erklärt Herr Steiger. Bedeutung des Datenschutzes PolitikerInnen oder Whistleblower ist es oft essenziell, ihre Anonymität bei Recherchen im Internet zu wahren und keine sogenannten digitalen Fußabdrücke zu hinterlassen, um nicht rückverfolgbar zu sein. Datenschutz hat hier Priorität. Michael Suda erläutert dazu: „Die Datenschutzbehörde ist eine Aufsichts- und Rechtsschutzbehörde. Wir sehen es als unsere vorrangige Aufgabe, entsprechende Verfahren durchzuführen und Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte zu informieren. Die Einschätzung technischer und sozialer Entwicklungen überlassen wir regelmäßig anderen.“

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Seit dem 25. Mai 2018 regelt die Datenschutz-Grundverordnung der EU vor allem den Umgang von Unternehmen mit personenbezogenen Daten. Dabei geht man davon aus, dass Verantwortliche es mit mündigen BürgerInnen zu tun haben, die Risiken abwägen und bewusst entscheiden. Von den üblichen Suchmaschinen und Websites werden Daten gespeichert, beispielsweise via Cookies, die allerdings auch positiv sein können, um Suchergebnisse an das jeweilig individuelle Kaufverhalten anzupassen. Wie viele und welche Daten das genau sind, hängt vom jeweiligen Nutzungsverhalten ab. Durch den Tor Browser jedoch ist eine anonyme Suche möglich, ohne ein vergleichsweise größeres Risiko einzugehen. Die Entscheidung trifft jede/r selbst – eine Anonymität ist nie gewährleistet.

von Lisa Müllner

Darknet: Anonymität vs. Kriminalität

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Cyberwar und Cyberdefense

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Hackerangriffe schaffen Schlagzeilen – abseits der Quoten ist ihr Gefahrenpotenzial der Bürgerin und dem Netznutzer eher peripher. Staaten wie staatswichtige Unternehmen haben diese Gefahr etwa durch Verschlüsselung und Trojaner erkannt. Mag. Walter J. Unger, Oberst des Generalstabsdienstes, klärt im SUMO-Interview über digitale Kriege und Verteidigung auf.

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In den späten 1990er-Jahren fanden die ersten größeren Cyber-Kriege statt. Die NATO störte und manipulierte während des Kosovokrieges gezielt serbische Flugabwehrsysteme, schränkte das Finanzsystem ein und beeinflusste das Telefonnetz. In diesem Jahrhundert werden häufig China, Russland und Israel als über das Netz attackierende Mächte genannt. So etwa beschuldigte die NATO Russland, hinter unzähligen Hackerangriffen zu stecken. In diesem Krieg gibt es keine definierbaren Soldaten, Generäle oder Regierungen. Im Prinzip könnten alle Menschen KriegerInnen oder Opfer sein, denn jede/r von uns ist unmittelbar betroffen. Fakt ist, dass Internetangriffe als ,,Waffen‘‘ reichen könnten, um eine ganze Nation lahmzulegen. Beispielsweise die Cyber-Angriffe gegen Estland, wo im Jahr 2008 ein russischstämmiger estnischer Staatsbürger angeklagt und verurteilt wurde, daraufhin hat sich im März 2009 Konstantin Goloskokow, ein Funktionär der regierungsnahen russischen Jugendorganisation Naschi, als Drahtzieher zu den Angriffen

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Cyberwar und Cyberdefense

bekannt. Jedoch wies die russische Regierung alle Vorwürfe zurück. Die Absicht eines Cyberwars ist es, Netzwerke zu zerstören, sodass essenzielle Funktionen wie die Telekommunikation, die Energie- und Wasserversorgung oder das Finanzsystem eines Staates beeinflusst werden oder sogar nicht mehr funktionieren. Dadurch wird einem Staat, einer Gesellschaft, einem Unternehmen oder einer einzelnen Privatperson enormer Schaden zugefügt. Und: Die Kombination macht es aus, denn Cyberangriffe können auch begleitend zu diversen kriegerischen Handlungen genutzt werden, um strategische Erfolge zu erzielen. Viren, Würmer, Trojaner Im Vorfeld eines Cyberwars ist es das Ausspionieren der Wirtschaft, Wissenschaft und von militärischen Vorgehensweisen, um strategische Erkenntnisse beziehungsweise Vorteile zu erlangen. Mit Hilfe von Schadsoftware wie Viren, Würmern oder Trojanern wird versucht, die Informationssysteme zu infiltrieren,

wodurch das System manipuliert oder sogar lahmgelegt werden könnte. Einer der bekanntesten Programme zur Lahmlegung des Kommunikationsnetztes oder einzelnen Daten ist ,,Wannacry‘‘, ein Schadprogramm für Windows. Laut ,,Spiegel Online’’ wurden bislang durch diese Schadsoftware mehr als 300.000 Computer infiziert. Die Opferzahl liegt derzeit bei weit über 200.000. Cyber-Angriffe sind auch in Österreich ein ernstzunehmendes Problem Laut Walter J. Unger, Leiter der Abteilung Cyber-Defense und IKT-Sicherheit Verteidigungsministerium, hätten schon mehr als die Hälfte der österreichischen Unternehmen einen Cyber-Angriff erlebt. Denn Österreich sei ein besonders beliebtes Ziel, da es ein Innovationsund Wissenschaftsland ist, wo viel Geld in die Forschung investiert werde. Also gelte es Unternehmen darauf präventiv vorzubereiten – aber auch die Politik und Wahlbürgerinnen selbst, denn: Seit dem US Wahlkampf sind viele andere Länder sensibilisiert und aufmerksamer und versuchen von vornherein


zu erkennen, was genau passiert. Daher müsse man versuchen, die Menschen zu erziehen, damit sie Vieles hinterfragen und nicht an alles glauben, was veröffentlicht wird. ,‚Sogar ‚Facebook’ hat Sites gestrichen, die den Wahlkampf in der EU manipulieren.“ Das Österreichische Bundesheer begann 1990, die Sicherheit digitaler Systeme und Geräte auszubauen. Alle Geräte sind verschlüsselt, damit keine Viren und Trojaner eindringen können. Man braucht ein Passwort und eine Safe Card, damit man auf die Geräte Zugriff hat. Laut Oberst Unger vom Abwehramt des Bundesheeres gab es bis heute keine schwereren Auswirkungen durch ein Schadprogramm beim Bundesheer. Sicherheitsmaßnahmen für Unternehmen Der Hauptverbreitungs- bzw. Angriffsweg für Schadprogramme läuft nach wie vor über E-Mails. Ein Beispiel dafür ist die Porr AG, das zweitgrößte Bauunternehmen Österreichs, die Anfang Mai zugegeben hat, dass sie Opfer eines Cyber-Angriffs wurde, da der Mailver-

kehr nicht ausreichend gesichert war. Um Sicherheitslücken zu schließen, sollten so oft wie möglich Audits durchgeführt werden, um Datenverlusten vorzubeugen. Außerdem rät Walter Unger strengstens davon ab, Mails von Unbekannten zu öffnen und auch keine fremden Sticks am Computer anzustecken, da diese ein Virus oder einen Trojaner einschleusen könnten. Ebenfalls ratsam sei die physikalische Trennung wichtiger Rechner oder Netze. Verlässliches Personal sei ebenfalls ein essenzieller Punkt in punkto Sicherheit. Des Weiteren müsse darauf geachtet werden, dass Rechner nicht gestohlen werden. In der Vergangenheit sei es häufig vorgekommen, dass Diebe in Büros eingedrungen sind, um Daten und Geräte zu stehlen. Es werde eindringlich geraten, in IT-Sicherheit zu investieren.

eines hohen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen. Es verpflichtet Unternehmen zur Einrichtung umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen und zum Nachweis ihrer Effektivität. Von dem Gesetz sind 100-150 Unternehmen betroffen, die essenziell für die Versorgung der Bevölkerung sind. Im Fokus stehen die sogenannten Betreiber wesentlicher Dienste. Damit sind Unternehmen aus den Sektoren Energie, Verkehr, Bankwesen und vielen weiteren Branchen, die wichtig für die gesamte Bevölkerung sind, gemeint. Bei Nichteinhaltung der Anforderungen drohen Verwaltungsstrafen bis zu 100.000 € – den Reputationsverlust nicht eingerechnet. Die Sicherheit der BürgerInnen steht über medialem Image.

Das Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetz (NISG) Laut Oberst Unger wurde das Gesetz am 29. Dezember 2018 vom Nationalrat beschlossen. Das NIS -Gesetz ist ein Bundesgesetz zur Gewährleistung

von Deniz Aslan

Horrorfilme: Lust auf Angst und Spannung vs. Ekel Das Filmgenre Horror polarisiert: einerseits gibt es Fans, andererseits auch Menschen, welche die Faszination an Blutrausch oder Folterungen nicht nachvollziehen können. Warum also beoder entgeistert Horror? SUMO interviewte dazu Medienforscherin Anne Bartsch, sowie Horrorfilmliebhaber und -gegner. Die Geschichte des Horrorfilms reicht so weit zurück, wie die Entwicklung des Films selbst – bis ins Jahr 1900. In den 1910er-Jahren wurden durch den filmischen Expressionismus typische stilistische Mittel wie Licht und Schatten dazu verwendet, schaurige Kulissen zu gestalten, inhaltlich Themen aus der Literatur der Schauerromantik implementiert. Mit „Der Golem, wie er in die Welt kam“ erschien 1920 die Monster-Thematik auf der Leinwand, kurz darauf mit „Nosferatu“ und „Graf Dracula“ die ersten Vampire. Zur Legende gerieten 1931 die vom deutschen Expressionismus beeinflussten US-Filme „Frankenstein“ mit Boris Karloff in der Monsterrolle und „Dracula“, dargestellt von Bela Lugosi. Über die „Universal Studios“ wurde das Genre dann durchgehend gefestigt, etwa durch Werke

wie „Wolfsmensch“, „Mumie“ und „King Kong“. Am Ende des 20. Jahrhunderts orientierten sich die Regisseure daran, dass das Böse vom Menschen selbst ausgeht und nicht mehr von Monstern oder anderen irrealen Kreaturen. Woher stammt die Faszination an Horrorfilmen? Horrorfilme haben die Absicht Grauen und Entsetzen auszulösen. Im Vergleich zu Thrillern, die Spannung erzeugen wollen, zeigen Horrorfilme viel Blut, Morde und grauenhafte, böse Wesen. Prof. Dr. Anne Bartsch, Professorin für empirische Kommunikations- und Medienforschung an der Universität Leipzig, beforschte unter vielem anderen auch die Nutzung von Horrorfilmen. Um zu analysieren, wieso Menschen bestimmte Medien rezipieren ist es

Anne Bartsch Copyright: Markus Scholz

Thema Horrorfilme: Lust auf Angst und Spannung vs. Ekel

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notwendig, ihre Motive und Bedürfnisse zu verstehen. Einige wichtige Faktoren, welche beeinflussen, ob jemand gerne Horrorfilme sieht seien das persönliche Erregungsspektrum jeder Person, der Nervenkitzel und die Spannung während der Filmrezeption. Verschiedene Theorien können dies erklären, Prof. Bartsch fokussiert hierzu das Sensation Seeking. „Der oder die eine ist bereits aufgeregt, wenn er oder sie einen fremden Menschen auf der Straße ansprechen muss – das genügt der Person bereits an Adrenalin. Wieder andere brauchen eine wesentlich stärkere Stimulation, um eine Aufregung zu spüren und diese tendieren dann zu solchen Genres.“ Sensation Seeking beschreibt also das Merkmal eines jeden Menschen, wieviel Spannung, Adrenalin oder Nervenerregung er bzw. sie aushält. Es sei ein allgemeines Persönlichkeitsmuster, das auf Stimulation aus ist und auch beispielsweise bei ExtremsportlerInnen zu finden sei. Die schaurigen Seiten von Horrorfilmen „Horrorfilme sind für mich persönlich viel zu gruselig! Ich kann gar nicht zusehen, wie Menschen sterben und hasse es mich zu erschrecken, außerdem bekomme ich immer Alp-

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träume von den schrecklichen Szenen“, antwortet Denise auf die Frage nach ihrer Ablehnung von Horrorfilmen. Sie kam gerade aus einer Kinokomödie. Können Horrorfilme bei den ZuseherInnen negative Effekte auslösen? Es gebe durchaus die Gefahr, dass man sich immer mehr an die schaurigen Szenen gewöhne und daher ein Gewöhnungseffekt eintrete. Aus den Studien von Prof. Bartsch resultierte allerdings nicht, dass Menschen sich am Anblick von Grausamkeiten erfreuen. Wenn es Menschen mit solchen Neigungen gäbe, seien sie so selten, dass sie in den Studien nicht auffallen. Den meisten ZuseherInnen gehe es nicht um Grausamkeiten an sich, sie suchen eher den Nervenkitzel oder wollen Gewaltphänomene verstehen und nehmen dafür den Anblick von Grausamkeiten in Kauf. Ein Grund für Jugendliche, sich solche Filme anzusehen sei das Austesten von Grenzen und etwas bisweilen Verbotenes zu tun. Es können auch Mutproben sein, sich Filme anzusehen, bei denen das empfohlene Mindestalter ab 16 oder 18 ist. In einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen anno 2010 wurden dazu Neuntklässler (also im Alter von 14 bis 15 Jahren) befragt: 19,3% der Jungen und 9,4% der Mädchen gaben

Horrorfilme: Lust auf Angst und Spannung vs. Ekel Thema

an, häufiger Horrorfilme zu sehen. Die schaurig schönen Seiten von Horrorfilmen „Ich liebe die Spannung während des Films und die Aufregung kurz bevor man sich erschreckt“, sagt Michael, der gerade aus einer Vorstellung des Horrorfilmes „Wir“ von Jordan Peele gekommen ist. Bei einzelnen Filmen gibt es für RezipientInnen auch tiefsinnige Motive, sich mit einem Gewaltphänomen gedanklich auseinander zu setzen, beispielsweise wenn bestimmte Horrorfilme einen Bezug zur Realität bieten oder man sich verspricht, etwas davon zu lernen, wie bei „Schweigen der Lämmer“, der einen Kultstatus genießt, so Prof. Bartsch. So wie andere Filme auch, bieten Filme des Horrorgenres den RezipientInnen Eskapismus, also in eine Welt abtauchen zu können fernab der Realität und somit die Sorgen und Probleme für einen Moment vergessen zu können. Dies gelingt manchen eben über das Eintauchen in eine fiktiv-monströse Geisterwelt – ein Quäntchen Angstlust motiviert für den Wiedereinstieg in die bisweilen monströs wirkende Realität. von Lisa Müllner


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