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«Erste Hilfe können alle leisten»
SCHULUNG
Wie schaffen es Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, wertvolle Hilfe bei der Erstversorgung von Personen in Notfallsituationen zu leisten? Eine Gruppe absolvierte einen ganztägigen Kurs und setzte theoretisches Wissen in die Praxis um.
Von Peter Birrer
Ein Mann liegt regungslos am Boden, der Grund dafür ist unbekannt, aber offensichtlich ist: Er benötigt dringend eine Erstversorgung. Sofort! Eine Frau im Rollstuhl trifft als erste Person ein und will helfen. Bloss: Funktioniert das mit ihrer körperlichen Einschränkung? Die Antwort: natürlich! «Erste Hilfe geht alle an», sagt Helge Regener, Geschäftsführer des Schweizer Instituts für Rettungsmedizin (SIRMED). Jede und jeder kann im Notfall einen wertvollen, vielleicht gar lebensrettenden Dienst tun.
Nun hat im Frühling ein Kurs speziell für Menschen im Rollstuhl stattgefunden, in dem aufgezeigt worden ist, welche Massnahmen und Techniken trotz körperlicher Einschränkungen machbar sind. Wie auch Personen beispielsweise mit einer Paraplegie reanimieren und beatmen können. Oder warum vor Ort allein mit den richtigen Anweisungen zur Ersten Hilfe wichtige Schritte eingeleitet werden können.
Dynamische Gruppe
Der ganztägige Kurs bei der SIRMED in Nottwil beginnt mit Theorie. Die Teilnehmenden lernen, welche Symptome potenziell auf einen Schlaganfall hinweisen. Sie beschäftigen sich mit dem Thema Defibrillation und erfahren, wie sie in ihrer Wohngemeinde am schnellsten einen Automatischen Externen Defibrillator (AED) finden. Oder sie bekommen mit, wie sich Erste Hilfe bei Kindern unterscheidet.
Katrin Frei ist als stellvertretende Bereichsleiterin Erste Hilfe der SIRMED die Referentin, und sie hat eine dynamische Gruppe vor sich. Die Teilnehmenden sind inte-
Im Notfall richtig reagieren
ressiert, stellen Fragen und diskutieren mit. Das ist es, was Katrin Frei anstrebt: «Es geht oft auch darum, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Denn alle Teilnehmenden mit Handicap haben individuelle Möglichkeiten, Erste Hilfe zu leisten.» Genau das zeigt sich im praktischen Teil, der in zwei Gruppen stattfindet. Einander Tipps geben, die Werkzeuge, über die zuvor nur gesprochen wurde, anwenden – es zeigt sich, wie Menschen im Rollstuhl als Erstversorger genauso bedeutende Unterstützung leisten können wie Fussgänger.
Besseres Verständnis
Andrea Emmenegger ist eine der Kursteilnehmerinnen, sie arbeitet im Büro der Spitex Dagmersellen. «Mit dem Stoff, der in diesem Erste-Hilfe-Kurs vermittelt wird, verstehe ich Zusammenhänge noch besser», sagt sie. Übertragen auf ihren beruflichen Alltag bedeutet das: «Wenn etwa ein Klient bei uns anruft und seine Situation schildert, kann ich diese besser nachvollziehen und vielleicht einen ersten Ratschlag geben, bis weitere Hilfe eintrifft.» Teilnehmer Louis Amport schätzt den intensiven Austausch mit der Kursleitung und den anderen Teilnehmenden. Der Berner, der als Fachperson Mobilitätseinschränkung arbeitet und Kindern mit Handicap Tanzunterricht erteilt, wünscht sich, dass die Erste-Hilfe-Schulung beibehalten und weiterentwickelt wird: «Idealerweise geschieht das in Zusammenarbeit mit Direktbetroffenen.» Und er fügt an: «Ich kann Interessierten nur empfehlen, sich anzumelden. Das, was ich erlernt habe, geht weit über den Nothelferkurs hinaus.»
Aktuell sind zwei Kurse pro Jahr geplant. Für Katrin Frei war jener Tag im April sehr gelungen. Und einer, der ihr die Bestätigung geliefert hat, dass in einem Notfall alle auf ihre Weise helfen können. Wenn sie denn über entsprechendes Wissen verfügen.
Nächster Kurstag 30.9.2022 in Nottwil, SIRMED spv.ch/veranstaltungen/kurse (kurzfristige Anmeldung möglich)