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Das JobMatchingTool
Ein von ParaWork und der Schweizer ParaplegikerForschung entwickeltes Tool hilft, dass Menschen eine Arbeitsstelle finden, die zu ihnen passt und mit der sie langfristig glücklich sind.
Von Urban Schwegler und Stefan Staubli, ParaWork
Wenn Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnisse einer Person mit den Anforderungen ihres Jobs übereinstimmen, sprechen wir von Job Matching (engl. match = zusammenpassen). Für Menschen mit Behinderung ist Job Matching der Schlüsselindikator nachhaltiger Integration in die Arbeitswelt. ParaWork entwickelte zusammen mit der Schweizer ParaplegikerForschung in einem staatlich geförderten Projekt ein webbasiertes JobMatchingTool, das eine individualisierte und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete berufliche Eingliederung unterstützt.
Abbild der Schweizer Arbeitswelt
Das Tool enthält standardisierte Profile der Anforderungen aller Berufe im Schweizer Arbeitsmarkt und erleichtert sowohl die Wiedereingliederung beim bisherigen oder einem neuen Arbeitgeber als auch die Wahl individuell passender Ausbildungsberufe.
Berufstätige Menschen haben in der Regel eine bessere Gesundheit und eine höhere Lebensqualität. Ungünstige Arbeitsbedingungen können sich auf Dauer aber negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirken. Arbeitssituationen zu schaffen, in denen Menschen langfristig zufrieden und produktiv sind und sich weiterentwickeln können, ist daher eine zentrale Aufgabe der beruflichen Integration.
Job Matching ist ein individualisierter Prozess, der die Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnisse einer Person mit den Anforderungen ihres Jobs in Einklang bringt. Arbeitspsychologische Studien zeigen, dass eine gute PersonJobPassung die Arbeits leistung und zufriedenheit verbessert. Die Person bleibt länger im Job, was zu einer besseren Gesundheit und einer günstigeren Laufbahnentwicklung beiträgt und somit eine nachhaltige Integration entscheidend fördert.
Wie das Tool funktioniert
Betroffene sind nach einem Unfall nicht einfach nur in den Arbeitsprozess zurückzuführen, sondern in einen individuell passenden Job, der ihnen den dauerhaften Verbleib im Arbeitsmarkt erleichtert. Als Leitziel im Eingliederungsprozess kann die PersonJobPassung durch Interventionen auf Ebene der Person (z. B. bei medizinischtherapeutischen Interventionen) und des Jobs (z. B. Anpassung der Arbeitsumgebung) verbessert werden.
Menschen mit einer Querschnittlähmung sind ein Paradebeispiel für die Notwendigkeit, die Passung zwischen Person und Job umfassend zu bestimmen und zu fördern. Oft ist das Spektrum an geeigneten Berufen für die Betroffenen reduziert, da bestimmte Tätigkeiten mit ihren Einschränkungen und Bedürfnissen nicht kompatibel sind. Aufgrund unpassender Jobs scheiden viele Betroffene trotz initialer Rückkehr zur Arbeit im weiteren Verlauf wieder aus dem Arbeitsmarkt aus. Für eine nachhaltige Integration ist es daher zentral, mit den Betroffenen berufliche Perspektiven zu eruieren, die sowohl ihren gesundheitsbedingten Bedürfnissen als auch ihren Interessen und Neigungen gerecht werden.
Das webbasierte Tool wurde zwischen 2013 und 2021 entwickelt und ist bei ParaWork im Einsatz. Es enthält standardisierte Profile, welche die Anforderungen von rund 2000 Berufen im Schweizer Arbeitsmarkt mittels 250 Parametern beschreiben und auf einer Skala von 0 (nicht gefordert) bis 5 (extrem gefordert) quantifizieren. Das Tool umfasst stabile Dimensionen (Grundfähigkeiten, Berufsinteressen, Arbeitswerte, Arbeitsstile), trainierbare Dimensionen (Fertigkeiten, Wissen) sowie Faktoren des physischen, strukturellen und interpersonellen Arbeitskontexts. Zudem werden spezifische Faktoren der Querschnittlähmung wie die Zugänglichkeit des Arbeitsplatzes erhoben. Das Instrument kann sowohl für die Eingliederung in eine bekannte Tätigkeit als auch für die Berufswahl verwendet werden. Seine Anwendung umfasst drei Phasen:
– Assessment (Einschätzung PersonJobPassung)
– Intervention (Planung und Durchführung von Massnahmen zur Optimierung der PersonJobPassung)
– Evaluation (Aufzeigen der Veränderung der PersonJobPassung über die Zeit)
Zurück in die Arbeitswelt
Bei der Wiedereingliederung in eine bekannte Tätigkeit bei einem alten oder neuen Arbeitgeber wird ein jobspezifisches MatchingProfil erstellt, bei dem die standardisierten Anforderungswerte im Tool auf die Zieltätigkeit angepasst und die potenziell eingeschränkten Fertigkeiten sowie die gesundheitsbedingten Bedürfnisse der Person und deren Abdeckung am Arbeitsplatz beurteilt werden. Offensichtliche Diskrepanzen, sogenannte Mismatches, zwischen Person und Job bestimmen, welche Interventionen nötig sind, um die Fertigkeiten der Person oder die Anforderungen des Jobs zu optimieren. Bei der Evaluation werden die Ausgangs und Endwerte der PersonJobPassung verglichen und so die Wirkung der Massnahmen dargestellt. Ebenso wird aufgezeigt, wo Verbesserungspotenzial und der Bedarf für weitere Interventionen bestehen.
Berufswahl
Wenn es um eine Umschulung oder eine geeignete Erstausbildung geht, steht die Wahl eines individuell passenden Zielberufs im Zentrum. Dazu werden die Fähigkeiten und Charakteristika der Person umfassend beurteilt und mit den standardisierten Werten der ToolBerufe verglichen. Durch die Verrechnung der resultierenden Über und Unterqualifikationen werden für die Berufe Passungswerte generiert, auf deren Basis die individuell passendsten Berufe eruiert werden. In der Interventionsphase ist das Ziel, zentrale Mismatches in
LEHRSTELLE
Mehr zu Silvanos Ausbildung modifizierbaren Faktoren zu reduzieren, um die Person bestmöglich auf die Ausbildung oder den Zielberuf vorzubereiten.
Mit dem Tool zum Traumberuf Silvano ist ein junger Mann, der in seiner frühen Kindheit eine Querschnittlähmung erlitt und den Wunsch hatte, nach der Schule eine Mechanikerausbildung zu absolvieren. In einer Erstabklärung bei ParaWork wurden Silvanos berufliche Fähigkeiten und Interessen im Tool erfasst und mit den standardisierten Profilen der Schweizer Lehrberufe verglichen. Der Beruf Mechaniker fand sich zuoberst auf der Passungsrangliste. Mismatches zum Zielberuf zeigten sich bei Silvano bei den Items «Sitzen», «Stehen», «Arbeitspensum», «Schutzausrüstung», «Mathematik» und «Zugänglicher Arbeitsplatz». Eine mehrjährige Interventionsphase widmete sich der Behebung dieser Mismatches. Zunächst erfolgte eine WirbelsäulenAufrichtungsoperation am Schweizer ParaplegikerZentrum, um Silvanos Sitzfähigkeit im Rollstuhl zu stabilisieren. In der Folgephase stand die Vorbereitung auf den ersten Arbeitsmarkt mit der Förderung seiner Belastbarkeit und seiner Mathematikkenntnisse im Fokus.
Nachdem ein Ausbildungsplatz gefunden war, folgte ein mehrjähriges Coaching, bei dem unter anderem der Ausbildungsplatz mit einem Treppenlift ausgestattet sowie eine Spezialschürze für Schweissarbeiten und ein Stehrollstuhl organisiert wurde. Silvano schloss seine Lehre mit Auszeichnung ab. Sein Fall ist ein Paradebeispiel gelungener Inklusion, bei dem alle Beteiligten ihr Bestes gaben. Das JobMatchingTool unterstützte die Kommunikation zwischen den Parteien, erlaubte eine systematische Fallkoordination und diente als Orientierungshilfe.
Weitreichendes Potenzial
Als einziges Instrument, das die Anforderungen der Berufe im Schweizer Arbeitsmarkt standardisiert und umfassend abbildet, erlaubt das JobMatchingTool eine ganzheitliche Beurteilung der PersonJobPassung und bietet eine valide Systematik zur individualisierten Koordination und übergreifenden Dokumentation eines zielorientierten Eingliederungsprozesses. Der Fokus auf die PersonJobPassung als Kernindikator nachhaltiger Integration begünstigt den Langzeiterfolg der Eingliederung, während das transparente Monitoring des Eingliederungsprozesses die Kommunikation zwischen den involvierten Parteien erleichtert. Da das Tool auf standardisierten Berufsinformationen basiert, ist es für die berufliche Integration von Menschen mit unterschiedlichsten Arten von Behinderungen anwendbar.