
2 minute read
Mode, die im Sitzen sitzt
Die Schweizer ParaplegikerStiftung lanciert ein Projekt über Mode. Projektleiterin Cathérine Gasser erklärt, was es damit auf sich hat.

Von Nadja Venetz
Wie kam es dazu, dass ihr euch als Stiftung mit Mode befasst?
Wir haben festgestellt, dass adaptive Mode immer mehr zum Thema wird, unter Rollstuhlfahrerinnen und fahrern, aber auch medial. In der Community der Schweizer ParaplegikerForschung haben wir Betroffene gefragt: Was vermisst ihr bei Mode?

Was wünscht ihr euch?
Aufgrund dieser Rückmeldungen haben wir entschieden, dass wir uns dem Thema annehmen möchten. Auch im Sinne der Rehabilitation sind wir überzeugt, dass alles, was schön ist, gut tut.
Welche Wünsche habt ihr aus der Community erhalten?
Es gibt Menschen, die interessieren sich für Mode, andere nicht; ganz egal ob jung oder alt, dick oder dünn, zu Fuss oder im Rollstuhl unterwegs. Für Personen, die sich im Rollstuhl modebewusst kleiden möchten, ist die Auswahl sehr limitiert. Kleider, die gezielt für Rollifahrer konzipiert sind, werden oft als hässlich empfunden. Hier geht es um Funktionalität, nicht um Ästhetik. Wer Lust auf Mode hat, kommt zu kurz, denn coole Kleider werden oft an stehenden Personen entworfen. Sitzend sind die Hosenbeine zu kurz, hinten am Rücken fehlt Stoff, während es vorne zu viel hat. Dasselbe bei Oberteilen. Zudem gibt es Stoffe und Materialien, die Druckstellen begünstigen.
Wo setzt euer Projekt an?
Uns geht es primär um Sensibilisierung. Wir wollen dem Thema ein Gesicht geben und ins Bewusstsein rufen, dass Menschen im Rollstuhl auch modische Kleider tragen möchten. Wir wollen Studierende und junge Modeschaffende sensibilisieren, damit sie künftig bei ihren Kreationen mitdenken, ob das Kleidungsstück auch von Personen im Rollstuhl getragen werden kann.
Wie geht ihr konkret vor?
Bereits im Herbst führten wir einen Austausch mit Studierenden der Schweizerischen Textilfachschule durch. Zwei Personen im Rollstuhl berichteten, was für sie bei der Kleiderwahl wichtig ist und was sie sich wünschen. Danach haben die Studierenden zwei Looks entworfen. In einem ersten Workshop im Februar geht es dann darum, diese Prototypen zu beurteilen. Rollstuhlfahrerinnen und fahrer sollen die Stücke anfassen und probieren können. In einem zweiten Workshop dreht sich alles um Materialien und Stoffe und am Ende eines dritten Workshops haben wir hoffentlich ein Ober und ein Unterteil, das wir präsentieren können. Diesen Prozess werden wir auf unseren Kanälen kommunikativ begleiten.
Wer ist am Projekt beteiligt?
Fix dabei ist ein kleiner Kreis von Personen im Rollstuhl, unterschiedlichen Geschlechts und mit unterschiedlichen Einschränkungen. Sie geben dem Projekt nach aussen ein Gesicht. Als Fachleute engagieren sich Modedesignerin und Labelinhaberin Lilla Wicki und Yannick Aellen, Gründer und Direktor der schweizweit grössten Modeschau «Mode Suisse». Sie bringen Wissen und ein grosses Netzwerk mit. Ulrich Kössl, Leiter Design und agile Methoden im SPZ, bringt sein Knowhow ebenfalls mit ein.
Welchen Zeithorizont verfolgt ihr?
2023 mit den drei erwähnten Workshops haben wir als Pilotjahr definiert. Wir möchten das Modethema aber langfristig verfolgen und auf ein Umdenken in der Modeindustrie hinwirken. Dazu benötigen wir aber Partner. Es kann und soll nicht Aufgabe der Stiftung sein, Mode zu entwerfen und zu vertreiben – sondern wir weisen auf die Problematik hin in der festen Überzeugung, dass Mode für Menschen im Rollstuhl von den Medien thematisiert, von der Bevölkerung wahrgenommen und von den Verantwortlichen der Mode, Designund Textilbranche künftig anders gewichtet wird. Zugunsten von Menschen im Rollstuhl.