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Wo drückt der Schuh?

Die SPV will alle Menschen mit einer Querschnittlähmung oder ähnlichen Behinderung unter ihrem Dach und dem der Rollstuhlclubs vereinen. Doch nicht alle sind dabei.

Von Evelyn Schmid

Die SPV erhält seit Längerem das Feedback, dass es schwierig ist, frischverletzte Personen für eine Aktivmitgliedschaft und damit für einen Clubbeitritt zu begeistern. Zu viele andere Fragen beschäftigen sie in ihrer neuen Lebenssituation und viele hoffen, wieder in ihr gewohntes Leben zurückkehren zu können. Oft warten sie mit einer Mitgliedschaft zu. Dies führt dazu, dass es eine recht grosse Gruppe von Menschen mit einer Querschnittlähmung gibt, die letztlich nicht Mitglied der SPV werden. Ende Juni 2021 waren bei der SPV 1176 Personen erfasst, bei welchen eine Behinderung vermerkt ist, jedoch keine Aktivmitgliedschaft besteht. Die SPS geht davon aus, dass es weitere Menschen mit einer Querschnittlähmung gibt, die weder in einem Austausch mit der SPV noch mit einem Club stehen.

2021 hat der Zentralvorstand daher eine Arbeitsgruppe beauftragt herauszufinden, weshalb diese Menschen nicht Mitglied der SPV sind und wie wir diese künftig gemäss dem Auftrag der Schweizer ParaplegikerStiftung optimal beraten und begleiten können. Dabei sollen auch neue Mitgliedschaftsformen diskutiert werden.

Als Grundlage wurde eine Umfrage bei bestehenden Mitgliedern und eine bei obenerwähnten Nicht­Mitgliedern durchgeführt. Abgeholt wurden die Zufriedenheit mit den Strukturen und den Angeboten der SPV und der Rollstuhlclubs, aber auch die Wünsche an eine Weiterentwicklung. Von 3772 Angeschriebenen haben 587 Mitglieder an der Umfrage teilgenommen, bei den Nicht­Mitgliedern waren es 104 von 1112.

Hohe Zufriedenheit

Das Gute vorweg: Die Weiterempfehlungsrate und die Zufriedenheit mit der Mitgliedschaft sind sehr hoch, auch wenn es eine Gruppe gibt, die Verbesserungen wünscht. In Zahlen ausgedrückt heisst das: 61 % sind sehr zufrieden, 21% sind zufrieden, sehen allenfalls ein kleineres Verbesserungspotenzial, 9% sind unzufrieden, für sie muss sich etwas ändern, und 4% sind absprunggefährdet, da sie die SPV nicht empfehlen können. Die Zufriedenheit mit den Rollstuhlclubs ist etwas tiefer.

Auch die Zufriedenheit mit den Angeboten und Leistungen ist sehr hoch. Vier von fünf Mitgliedern sind sehr zufrieden respektive zufrieden. Die Zufriedenheit mit den SPV­Angeboten ist minim höher als mit den Angeboten der Rollstuhlclubs. Die wichtigsten Aufgaben der SPV sehen die

Befragten in der Rechts­ und Bauberatung, der Vermittlung von Informationen und der Interessenvertretung.

Wenn man die Antworten nach Altersklassen auswertet, ist festzustellen, dass Personen, die in jungen Jahren eine Querschnittlähmung erleiden (unter 35 Jahren), zwar sehr zufrieden mit der Dachorganisation der SPV sind, jedoch nicht mit den Rollstuhlclubs. Gerade jüngere Menschen tun sich schwer, sich einem Club anzuschliessen. Die Zufriedenheit bei den über 65­Jährigen ist dagegen signifikant höher.

Club oder Dachverband?

Jedes SPV­Mitglied muss sich für einen der 27 Rollstuhlclubs entscheiden und wird dann dort Mitglied. So kann es von Angeboten beider Seiten profitieren. Eine Mehrheit der Befragten wünscht, dass viele Leis­

Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit der Arbeit, den Angeboten und Leistungen des Dachverbands respektive Ihres Rollstuhlclubs?

Skala: 1 = sehr schlecht, 10 = ausgezeichnet (gewichteter Durchschnitt) tungen sowohl von der SPV als auch von den Clubs angeboten werden. Allerdings sind Beratungen (Bauen, Rechtsdienst, Sozialarbeit) primär von der SPV gewünscht, während regelmässige Treffen und Breitensportangebote eher von den Clubs erwartet werden.

In den ersten vier Jahren der Mitgliedschaft scheint die Zufriedenheit mit der SPV am höchsten zu sein, anschliessend pendelt sie sich auf hohem Niveau ein. Die Zufriedenheit mit den Clubs ist in den ersten vier Jahren etwas tiefer, aber auch hier pendelt sie sich auf einem hohen Niveau ein. Das Geschlecht der Befragten hat keinen Einfluss auf die Zufriedenheit mit der SPV als Dachorganisation. Frauen sind im Vergleich zu Männern aber unzufriedener mit den Rollstuhlclubs und fühlen sich dort nicht so wohl.

Identifikation

85% der Umfrageteilnehmer wissen, bei welchem Club sie Mitglied sind. 15% wissen es nicht oder können ihren Club nicht nennen. Rund 25% können nicht angeben, wie hoch ihr jährlicher Mitgliederbeitrag ist. Anhand der angegebenen Beiträge sehen wir hingegen, dass Mitglieder, die einen höheren Betrag bezahlen, gleich stark zufrieden sind wie Mitglieder der günstigeren Clubs. Daraus lässt sich schliessen, dass die Höhe des Beitrags kein Kriterium ist, ob jemand Mitglied wird oder nicht.

Etliche Clubs bekunden Mühe, Vorstände zu besetzen, und beklagen mangelnde Teilnahme an den Clubaktivitäten. Auch dies spiegeln die Antworten in der Umfrage wider. 40% der Mitglieder gibt an, nie ein Angebot eines Clubs wahrzunehmen. Und nur jede(r) vierte Antwortende nimmt regelmässig (wöchentlich oder monatlich) am Leben des Clubs teil. 34 % nehmen zwischen ein bis drei Mal pro Jahr am Clubleben teil.

Welche Anpassungen würden diese Situation verbessern? Eine(r) von zehn würde etwas an der Clubstruktur verändern. Von diesen 10% wünschen sich die meisten (90%) grössere Clubs. 45% finden die aktuellen Clubstrukturen gut. 30 % haben keine Meinung zu dieser Frage.

Ich würde Mitglied (m)eines Clubs bleiben Ich würde nur noch Mitglied der SPV sein Weiss nicht

Gut 20% aller befragten Mitglieder würden eine Direktmitgliedschaft beim Dachverband wählen, falls sie dies könnten. Diese Personen «zwingen» wir bislang zur Clubmitgliedschaft, denn es besteht keine Wahlfreiheit. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um Mitglieder handelt, die sich nie oder nur sehr selten in einem Club engagieren. Zusammen mit den Unentschlossenen sind es rund 40%, die lieber nicht Mitglied eines Clubs wären.

Nicht-Mitglieder schätzen die SPV Erwartungsgemäss war die Rücklaufquote der Umfrage bei den Personen, die keine

Mitgliedschaft haben, etwas geringer (9% im Vergleich zu 16 % bei den Mitgliedern). Die Zufriedenheit mit der SPV ist allerdings vergleichbar hoch. Die meisten (78 %) geben an, die SPV zu kennen. Von den 104 Antwortenden waren allerdings 44 der Ansicht, dass sie Mitglied der SPV sind. Das mag auf den ersten Blick überraschen. Es ist aber so, dass es sich hier um Personen handelt, die keine Leistungen der SPV oder Clubs in Anspruch nehmen (können) und daher mit grosser Wahrscheinlichkeit die Strukturen in Nottwil kaum kennen. Sie sind vermutlich Mitglied der Gönnervereinigung der Schweizer Paraplegiker­Stiftung und verwechseln die Organisationen.

40% der Befragten waren früher Mitglied in einem Rollstuhlclub und 14% haben sich über eine Mitgliedschaft informiert. 34% könnten sich vorstellen, Direktmitglied bei der SPV zu werden (ohne Clubmitgliedschaft). Interessant ist, dass sie die Angebote der SPV sowie der Rollstuhlclubs immer noch als sehr wichtig erachten. Auch bei Ihnen stehen Information und Interessenvertretung zuoberst auf der Liste der gewünschten Leistungen. Ihnen ist insbesondere wichtig, dass sich die SPV dafür einsetzt, dass die Lebensqualität der Menschen mit Querschnittlähmung steigt.

WIE WEITER?

Die 20-köpfige Arbeitsgruppe diskutiert aufgrund der Umfrageergebnisse verschiedene Mitgliedschaftsformen und stellt diese den Clubpräsident*innen vor. Im Zentrum stehen dabei folgende zwei Anliegen: Alle Menschen mit Querschnittlähmung sollen Zugang zu den Dienstleistungen der SPV haben. Jedes Mitglied entscheidet, in welcher Form es sich am Verbands- und Clubleben beteiligt. Bis zur Delegiertenversammlung 2024 werden mehrheitsfähige Lösungen entwickelt.

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