Paracontact Herbst 2025

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Braucht es die Schweizer ParaplegikerVereinigung noch? Das ist eine Frage, die ich mir regelmässig stelle. Und nicht nur mir, auch meiner Geschäftsleitung und meinen Mitarbeitenden. Gerade zum 45. Geburtstag ist es wichtig, einen kritischen Blick auf unser Angebot und die Nachfrage zu werfen. Vieles, was 1980 als essenziell angesehen wurde –zum Beispiel das Organisieren von Filmvorstellungen und anderen Kulturevents oder das Vermitteln von Rollstühlen –ist nicht mehr gleichermassen gefragt. Rollstuhlgängige Kinos, Theater oder Museen gibt es in jeder grösseren Stadt, und die IV zahlt den Rollstuhl nicht erst ein Jahr nach dem Unfall.

«Gleicher Auftrag wie vor 45 Jahren»

Andere Angebote – Sport oder Reisen mit Pflegeunterstützung – braucht es heute genauso wie damals. Bei gewissen Themen hat die Komplexität sogar zugenommen. Die Rechts-, Sozial- und Peerberatung ist komplexer als in den 80er-Jahren, da es immer schwieriger ist, sich im Dschungel der Rechtsbe-

stimmungen, Versicherungsfragen oder Behördengängen zurechtzufinden. Diese Aufgaben müssen interdisziplinär angeschaut und unter viel grösserem Zeitdruck gelöst werden.

Was aber geblieben ist – und fortbestehen wird – ist der Auftrag der SPV. Wir machen uns stark, dass unsere Mitglieder Anerkennung erhalten und selbstverständlich und selbstbestimmt am Leben, an der Gesellschaft, am Arbeiten und vielem anderen teilnehmen.

Wie wir das machen und wie unsere tägliche Arbeit das Leben von Menschen mit Querschnittlähmung positiv prägt, lesen Sie zum Beispiel ab Seite 12, wenn Daniel Schiess aus seinem Leben erzählt, oder ab Seite 22, wenn Eliane Stoll erklärt, wie ein Umbau ihre Lebensqualität steigert. Daher kann ich auch heute die Frage «Braucht es uns noch?» mit einem klaren Ja beantworten.

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Herausgeberin

Schweizer Paraplegiker-Vereinigung

Kantonsstrasse 40, 6207 Nottwil

Telefon 041 939 54 00

E-Mail spv@spv.ch www.spv.ch

Chefredaktorin

Evelyn Schmid

Redaktion

Laurent Prince, Nadja Venetz, Felix Schärer, Michael Bütikofer, Daniela Vozza, Peter Läuppi, Peter Birrer, Tina Achermann

Koordination, Grafik, Inserate Tina Achermann

Fotos

SPV, SPS, Adobe Stock, Tobias Lackner, Blucamp, Daniel Schiess, Martin Bühler/ Evelyne Lüchinger, Sandra Henseler, Nicole Mellini, BASPO, Markus Binda, Swiss Paralympic/Tobias Lackner, PluSport, Pascal Christen, Ville de Lausanne, JJE, SBB, Inclusion Handicap, CFR Valais romand, Rückenwind plus Druck

Brunner Medien AG, www.bag.ch

Redaktionsschluss

Ausgabe Winter 2025: abgeschlossen

Ausgabe Frühling 2026: 1.12.2025

Auflage

8100 Exemplare deutsch

4 250 Exemplare französisch

Wir bemühen uns um gendergerechtes Schreiben, verwenden zur besseren Lesbarkeit manchmal die weibliche oder männliche Form stellvertretend für alle Geschlechter.

Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Fremdbeiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der SPV wieder. Ein Abdruck von unverlangt eingesendeten Manuskripten ist nicht gewährleistet.

WIR BEWEGEN AKTUELL 6

GLEICHSTELLUNG Forum Recht 9

AUS DEN CLUBS

Wer nichts wagt, kriegt nichts 10

NACHGEFRAGT

ESCIF – das Tor zu Europa 11

AUS DEM LEBEN

MOTIVATOR

Sich verkriechen? Im Gegenteil! 12

SOZIALBERATUNG

Temporärer Spitalaufenthalt 15

GEMEINSAME PERSPEKTIVE

Das Schicksal brachte sie zusammen 16

PREMIERE

Die erste inklusive Para-WG 17

berechnen 18

UND WISSENSCHAFT

Soziale Kontakte stärken die Seele 20

REKORDE BEI DER SPG

2 Mio. Mitglieder

Ende 2024 zählte die GönnerVereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) rekordhohe 2 Millionen Mitglieder, deren Beiträge und Spenden sich auf 94,7 Millionen Franken beliefen (Vorjahr 91,7 Mio.). Die SPS bezahlte im vergangenen Jahr 7,4 Mio. Franken an 36 neu verunfallte Mitglieder. Zusätzlich wurde an querschnittgelähmte Menschen 22,3 Millionen Franken Direkthilfe ausbezahlt (z. B. für nicht gedeckte Pflegekosten, Beiträge an Hilfsmittel, Anpassungen von Fahrzeugen oder Umbauten). Die SPS verzeichnete einen Jahresgewinn von 14,5 Millionen Franken (Vorjahr 5,9).

Gesamthaft arbeiten 2127 Mitarbeitende für die Schweizer Paraplegiker-Gruppe, darunter 190 Lernende und Studierende. Das ParaForum vermeldet mit 25 237 Besuchenden (Vorjahr: 23 478) einen neuen Rekord.

AUSZEICHNUNGEN

SPG erneut

Top Company

Zum vierten Mal in Folge wurde die Schweizer Paraplegiker-Gruppe von Kununu als «Top Company 2025» ausgezeichnet dank Bewertungen von ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden. Zudem belegt die Schweizer ParaplegikerStiftung im renommierten GfK Business Reflector 2025 in der Kategorie «Schweizer Non-Profit-Organisationen» wie im Vorjahr den zweiten Platz.

ZUGANG ZUR JUSTIZ

Olga Manfredi bringt Anliegen ein

Ein Anlass anlässlich der UNO-BRKVertragsstaatenkonferenz widmete sich dem wichtigen Thema «Zugang zur Justiz». Mit dabei: SPV-Präsidentin Olga Manfredi.

Inclusion Handicap (IH), bei der die SPV Mitglied ist, organisierte den Side Event in New York. Olga Manfredi, im Vorstand von IH und Präsidentin der SPV, erzählte aus ihren persönlichen Erfahrungen, die sie in der Schweiz machte. Als sie nach ihrem Rechtsstudium eine Querschnittläh-

mung erlitt, realisierte sie, dass ihre Karriere als Juristin von vielen Hindernissen geprägt ist. Der Zugang zu gewissen Gebäuden war schlicht unmöglich.

Olga Manfredi zeigte ausserdem auf, dass es für Menschen mit Behinderung wichtig ist, selbst vor Gericht erscheinen zu können – damit sie Fragen selbst beantworten und stellen können, wahrgenommen werden und ein Dialog stattfinden kann. Fakt ist: Es bleibt in dieser Hinsicht auch in der Schweiz noch einiges zu tun.

NEUE MITARBEITENDE

Lukas Zangger

Rechtsanwalt

Seit Februar 2021 besitzt Lukas Zangger das Anwaltspatent. Der gebürtige Berner zog nach einer Anstellung am Regionalgericht Bern-Mittelland nach Zürich, wo er drei Jahre in einer Anwaltskanzlei arbeitete. Spezialisiert hat er sich auf die Bereiche Haftpflicht- und Versicherungsrecht. Beim Institut für Rechtsberatung hat er im Juni 2025 angefangen.

Sportlicher Anwalt

In seiner Freizeit ist Lukas Zangger sportlich unterwegs. Er joggt, wandert und unternimmt mit dem Familienhund, einem Golden Retriever, ausgedehnte Spaziergänge an den Wochenenden.

Noel Sigrist

Lernender KV

Für Noel Sigrist aus Oberkirch stand seit Längerem fest, dass er die kaufmännische Ausbildung absolvieren will. Er arbeitet gerne am Computer, mag den Austausch mit anderen Menschen und freut sich nun auf die Zeit bei der SPV. Einen Einblick bekam er im April 2024, als er in seinem Lehrbetrieb einen Schnuppertag erlebte. Er ging damals mit einem guten Gefühl nach Hause: «Das ist genau das Richtige.»

Begeisterter Eishockeyspieler

Der junge Mann mit Jahrgang 2009 ist Fan des EV Zug und spielt seit vielen Jahren Eishockey in der Nachwuchsabteilung des EHC Sursee.

BESITZSTANDSGARANTIE

Wegweisendes Urteil

Das Bundesgericht stärkt die Besitzstandsgarantie: Ein Anspruch auf IVHilfsmittel, die einst für die Erwerbstätigkeit abgegeben worden sind, kann im AHV-Alter fortbestehen, wenn die Hilfsmittel für den Alltag nötig bleiben.

Am 29. April 2025 entschied das Bundesgericht, dass die Besitzstandsgarantie im AHV-Alter auch für Hilfsmittel greifen kann, wenn diese Hilfsmittel zwar nicht mehr für die Erwerbstätigkeit, aber weiterhin für den Aufgabenbereich nötig sind. Ein querschnittgelähmter Mann hatte 1993 von der Invalidenversicherung (IV) einen Treppenlift erhalten. Das sollte ihm primär ermöglichen, sein Domizil zu verlassen und zur Arbeit gelangen zu können.

Nach der Ehetrennung 2003 blieb er im Haus, führte den Haushalt allein und betreute seine noch schulpflichtigen Kinder. 2017 wurde der Mann pensioniert. Als vor zwei Jahren das Zugseil des Treppenlifts riss, ersuchte er die AHV, gestützt auf die Besitzstandsgarantie, die Reparaturkosten

zu übernehmen. Doch die AHV lehnte das Gesuch ab. Begründung: Der Lift sei zur Ausübung der Erwerbstätigkeit abgegeben worden. Der Mann sei nicht mehr erwerbstätig und der Anspruch somit verfallen.

Anspruch bleibt bestehen

Das Bundesgericht hielt dagegen: Wer sich bereits vor dem AHV-Alter in einem beachtlichen Umfang im Aufgabenbereich –d. h. der Haushaltsführung – engagiert habe und dazu auf IV-Hilfsmittel angewiesen bleibe, habe auch im AHV-Alter Anspruch auf ebendiese Hilfsmittel. Das Gericht wies die AHV an, abzuklären, ob sich der Mann bereits vor der Pensionierung in beachtlichem Umfang im Aufgabenbereich engagiert habe. Wenn dies der Fall ist, muss die AHV im Rahmen der Besitzstandsgarantie für den Ersatz des Zugseils aufkommen.

Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die auch nach der Pensionierung auf IV-Hilfsmittel angewiesen sind, und schafft Rechtssicherheit für die Praxis.

RÜCKBLICK

Zahlen aus der SPV

Die wichtigsten Zahlen und Fakten 2024: Die SPV nahm 398 neue Mitglieder auf. Rund 1000 Mitglieder wurden von unseren Peerberatenden und Sozialarbeiterinnen und -arbeitern begleitet. 273 Querschnittgelähmte erhielten eine Bauberatung und 111 Bauprojekte wurden abgeschlossen.

629 Dossiers waren im Institut für Rechtsberatung pendent. 548 Athletinnen und Athleten mit Wettkampf-Lizenz betreute

Rollstuhlsport Schweiz in 17 verschiedenen Sportarten. Diese gewannen 22 Medaillen an Titelwettkämpfen und den Paralympics. An rund 350 Events war die SPV beteiligt. 1726 Personen nahmen an unseren Sensibilisierungskursen für Firmen, Verbände oder Ausbildungsstätten teil. 15 verschiedene Reisen von Lausanne bis Südafrika führten wir durch. Mehr als 2000 Freiwillige unterstützten die SPV bei all diesen Aktivitäten.

AUS DEN CLUBS

CFR Genève

Anne Thorel Ruegsegger

Geburtsdatum: 8.12.1970

Beruf: Sozialarbeiterin, seit 1. Juli 2025 Geschäftsführerin des CFR Genève (60 Prozent). Gemeinderätin in Bellevue. Im Club seit: 1. Januar 2025 Hobbys: Lesen, Wandern und Gartenarbeit

Aktuelle Projekte des Clubs: Vorbereitung eines Sensibilisierungstages mit Sport und Spielen in Genf anlässlich des 35. Geburtstags des Clubs. Laufend Aktivitäten (rund 200 pro Jahr) aufgleisen. Angebote des Clubs: Sportaktivitäten (von Curling und Ski über Boxen und Segeln bis Gleitschirmfliegen), Tagesausflüge, gemeinsame Abende und Ferien, Beratungen für Mitglieder.

TAGE DER OFFENEN TÜR Kommen Sie vorbei

Am 6./7. September 2025 öffnet die SPG ihre Türen. Thematisch gegliederte Rundgänge geben Einblick in den Klinikalltag, den Umbau von Autos, die Rettungsmedizin, den Rollstuhlsport und vieles mehr. Besuchen Sie die SPV mit ihrer Rechts-, Bau- und Lebensberatung auf dem Rundgang «Pflege und Zuhause» und den Rollstuhlsport auf dem Rundgang «Sport und Freizeit».

#Bewegungsfreiheit bedeutet für mich Selbständigkeit im Alltag.

Wohnen und Tagesstruktur Stiftung Rossfeld

Wir bieten erwachsenen Menschen mit körperlichen Behinderungen attraktive Wohnangebote, eine sinnhafte Tagesstruktur und vielfältige Aktivitäten und Sport. Individuelle Pflege, Betreuung und Therapie ergänzen das Angebot.

Unser oberstes Ziel ist das selbstbestimmte Leben unserer Bewohner:innen. Erkundigen Sie sich jetzt für ein massgeschneidertes Angebot: info@rossfeld.ch oder Tel. 031 300 02 02.

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GLEICHSTELLUNG

Das Forum Recht begeistert –und ernüchtert

Was hat sich in den letzten 30 Jahren in der Behindertengleichstellung getan? Zu wenig! Da sind sich die Referenten am Forum Recht der SPV einig.

120 Teilnehmende waren am 8. Mai nach Nottwil gekommen, um vieles über aktuelle rechtliche Themen zu erfahren. Prof. Dr. iur. Markus Schefer, Mitglied des UNBRK-Ausschusses und Professor für Staatsund Verwaltungsrecht an der Universität Basel, informierte anschaulich über den Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die Revision des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) und den Stand der Inklusionsinitiative.

Wanderprediger gesucht

Markus Schefer weist in seinem Referat darauf hin, dass die ratifizierte UN-BRK eigentlich ohne Wenn und Aber gelten würde. Allerdings seien Sanktionen nicht möglich, wenn sich Staaten – wie etwa auch die Schweiz – nicht an Vorgaben hielten. Es gäbe einzig im Bereich des öffentlichen Verkehrs eine Frist, bis wann gewisse Verbesserungen umgesetzt sein müssten. Falls das nicht geschehe, könne eine Rüge ausgesprochen werden, mehr aber nicht. Aus

Sicht von Markus Schefer gehen die Bestrebungen zur Behindertengleichstellung daher aktuell nicht in die richtige Richtung.

Viele Menschen mit Behinderung seien in Parallelwelten zu Hause und würden kaum wahrgenommen. Das habe selten mit bösem Willen, aber oft mit Ignoranz zu tun. Daher brauche es Wanderprediger, Personen, die das immer wieder thematisieren. Das Problem sei, dass sich der oder die Einzelne selber wehren müsse und der Gesetzgeber nicht in die Verantwortung genommen werde. Das sei eine grosse Schwäche, die das vorliegende Inklusionsrahmengesetz nicht ausmerze. Markus Schefer rechnet mit einer langen Zeitspanne, bis bei der Behindertengleichstellung wirklich Verbesserungen umgesetzt würden.

Inakzeptabler Gegenvorschlag des Bundes

In die gleiche Richtung ging auch das Referat von Dr. iur. Caroline Hess-Klein, Abteilungsleiterin Gleichstellung von Inclusion Handicap. Sie zeigte auf, dass das aktuell diskutierte Inklusionsrahmengesetz als Antwort auf die Inklusionsinitiative zu verstehen sei. Dieses sei in der vorliegenden Ausprägung nicht akzeptabel, ja gar «unterirdisch». Deshalb sei davon auszugehen, dass die Initianten die Inklusionsinitiative nicht zurückziehen werden und sie vor das Volk komme. Wie beim BehiG so seien auch bei der Initiative die selbstbestimmte Wahl der Wohnform und die autonome Nutzung des öffentlichen Verkehrs zentrale Forderungen. Hierbei habe

sich gezeigt, dass das BehiG in den ersten zehn Jahren nach Inkrafttreten kaum Verbesserungen gebracht habe.

Die deshalb dringend nötige (Teil-)Revision des BehiG sei bereits im Parlament. Leider verstünden die meisten Parlamentarier das Zusammenspiel von UN-BRK, BehiG und Inklusionsinitiative nicht. Das erschwere die Arbeit und sei ein weiterer Grund, gerade jetzt aktiv zu bleiben. Die Lethargie in der Schweiz sei allerdings gross. Sie würde gerne viele Behindertenorganisationen stärker in die Verantwortung nehmen. Immerhin: Der SPV stellt sie dabei ein gutes Zeugnis aus.

Gezielte Prozesse, mehr Inklusion Im zweiten Teil zeigten lic. iur. Nuria Frei, Rechtsanwältin und Verantwortliche von Inclusion Handicap für das Projekt «we claim», und SPV-Präsidentin lic. iur. Olga Manfredi auf, was das Konzept der strategischen Prozessführung leisten kann und wie gezielte Prozesse vor Gericht zu mehr Inklusion führen können.

Zum Schluss gaben Nuria Frei und Olga Manfredi eine Übersicht dazu, wie wenig sich im Bereich hindernisfreies Bauen derzeit in der Schweiz tut. Mit diesem so bedeutenden Thema endete das Forum mit der Erkenntnis: Es ist wichtig, dass sowohl die Behindertenorganisationen wie auch die Betroffenen selbst in den kommenden Jahren mit Mut und Durchhaltewillen für die Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung kämpfen müssen.

Moderation durch Claudia Kobel (rechts)

AUS DEN CLUBS

Wer nichts wagt, kriegt nichts

Der CFR de La Côte hat ein umgebautes Wohnmobil gekauft, das er den Mitgliedern der SPV vermietet. Doch wie konnte Clubpräsident Oliviero Iubatti das Projekt finanzieren? Ein Rückblick auf eine schöne Geschichte.

Oliviero Iubattis ursprüngliche Idee war es, Menschen mit eingeschränkter Mobilität einen schönen Urlaub zu ermöglichen. Als er im Sommer 2023 von einem Wettbewerb der Pensionskasse Retraites Populaires hörte, beschloss er, die Gelegenheit beim Schopf zu packen. Bei diesem Wettbewerb gab es Prämien im Gesamtwert von 200 000 Franken zur Finanzierung von Solidaritäts-, Sozial- und Inklusionsprojekten zu gewinnen. Der Präsident des CFR de La Côte berichtete in seinem Club davon und brachte die Idee eines umgebau-

ten Wohnmobils ein, mit dem auch Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer auf Reisen gehen können. «Was anfangs als eine Herausforderung erschien, wurde zu einem echten Projekt», erzählte er.

CFR de la Côte als grosser Sieger Gemeinsam mit anderen motivierten Mitgliedern stellte Oliviero Iubatti ein umfassendes Dossier zusammen, drehte ein Video, in dem er die komplizierte Situation der Betroffenen darstellte, und schickte das Ganze an den Organisator des Wettbewerbs. Seine Bemühungen zahlten sich aus: Von den 35 eingereichten Projekten schaffte es der CFR de La Côte unter die fünf Finalisten. Nun musste er seine Idee nur noch vor einer Jury und 200 Gästen präsentieren. Oliviero Iubatti setzte dabei in den zwei vorgegebenen Minuten seinen ganzen Enthusiasmus ein.

Nach eingehender Jury-Beratung wurde der Club schliesslich zum Gewinner gekürt und erhielt neben einer Prämie von 60 000 Franken ein Preisgeld von 10 000 Franken. Da die anderen Finalisten das jedoch ebenso verdient hätten, beschloss der Gewinner, das Preisgeld mit ihnen zu teilen. So waren von den Gesamtkosten von 105 000 Franken für das Wohnmobil bereits 62 000 Franken gedeckt.

Um den Rest zu finanzieren, versuchte Oliviero Iubatti, potenzielle Geldgeber mit seiner Geschichte zu überzeugen. Er aktivierte sein Netzwerk und schickte eine PowerPoint-Präsentation an mehrere Unternehmen und Organisationen. Von seiner Geste des Teilens berührt, erklärten sich viele zu einer Spende bereit, darunter Pro Infirmis, die Schweizer Paraplegiker-Stif-

tung und Romande Energie. Am Ende sammelte der Club 130 000 Franken dank der Spenden und der Wettbewerbsprämie. Und das umgebaute Wohnmobil wurde rechtzeitig im Sommer 2025 geliefert.

Der Club feiert Geburtstag Am 4. Oktober 2025 wird der CFR de La Côte 45 Jahre alt. Die perfekte Gelegenheit, um einen grossen Anlass mit rund 300 Gästen zu organisieren und sich bei Sponsoren und Gönner*innen zu bedanken. Der Abend findet in der Sporthalle von Etoy VD statt. Auf dem Programm stehen ein Essen, ein Mentalist und eine Demonstration einer der neuesten technologischen Entwicklungen, die es querschnittgelähmten Menschen ermöglicht, mit Hilfe von elektronischen Implantaten wieder zu gehen. Die Veranstaltung wird auch eine gute Möglichkeit sein, die Öffentlichkeit für die Anliegen von Rollstuhlfahrer*innen zu sensibilisieren. Und natürlich kann das nagelneue Wohnmobil aus allen Perspektiven bewundert werden, denn es wird auf dem Aussenparkplatz thronen.

VERMIETUNG

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Das voll ausgestattete elektrische Wohnmobil

Ausstattung: Verbreiterte Tür, Lift, angepasstes Gas-/Bremssystem, Solarset, Bad/Dusche barrierefrei, elektrisches Bett, grosse Innenräume usw. Vermietung: Vorrangig offen für Mitglieder des CFR de La Côte und anderer Westschweizer Clubs (aus logistischen Gründen), aber auch für alle Personen mit Behinderung. Aktuelle Preise: CHF 600.–/Woche für Mitglieder des CFR de La Côte, CHF 800.– für andere SPV-Mitglieder und CHF 1000.– für Nichtmitglieder. Reservierung: Online bei unserem Partner in Bussigny, der auch für das Parken, die Instandhaltung, die Vermietung eines Campingplatzes und die Versicherungen zuständig ist.

Weitere Informationen: www.cfrlacote.ch

Wohnmobil des CFR de La Côte

NACHGEFRAGT

ESCIF – das Tor zu Europa

Martin Wenger ist seit 1. Mai 2025 Generalsekretär bei der European Spinal Cord Injury Federation (ESCIF), die 2006 auf Initiative der SPV entstanden ist und 34 nationale Verbände vereint.

Von Evelyn Schmid

Seit ihrer Gründung stellt die Schweizer ParaplegikerVereinigung den Generalsekretär der ESCIF. Martin Wenger, bisher als Sportartenmanager für die SPV tätig, hat diese Funktion von Albert Marti übernommen. Er erklärt, weshalb dieses Engagement so wichtig ist.

Was ist die ESCIF eigentlich?

Die ESCIF ist ein Netzwerk, das nationale Dachorganisationen vereint mit dem Ziel, in allen europäischen Ländern die Lebensqualität von Menschen mit Querschnittlähmung zu steigern. Sie dient primär dem Wissens- und Erfahrungsaustausch.

Welches sind aktuell die wichtigsten Herausforderungen?

Die ESCIF strebt eine umfassende Transformation an. Wir möchten weg vom simplen Austausch von Best Practices, hin zu einem strukturierteren gemeinsamen Vorgehen. Leider sind die Mitglieder sehr unterschiedlich organisiert, etliche Dachorganisationen werden durch Ehrenamtliche geführt, während andere professionelle Strukturen und bezahlte Mitarbeitende haben. Des Weiteren versuchen wir eine Übersicht über nationale Aktivitäten der Mitgliederorganisationen zu erhalten. Vieles bekommen wir nicht mit. Mit einer Übersicht könnten wir Trends und Entwicklungen besser erkennen und Massnahmen für alle erarbeiten.

Der wichtigste Aspekt der Transformation ist aber die Förderung von gemeinsamen, das heisst länderübergreifenden Projek-

ten. Um das zu tun, streben wir eine Aufnahme als Vollmitglied beim EDF, dem European Disability Forum, an.

EDF, was ist das und was brächte die Mitgliedschaft?

Das Europäische Behindertenforum ist sozusagen die Dachorganisation von über 100 Millionen Menschen mit Behinderungen in Europa und eine unabhängige Nichtregierungsorganisation, die von Betroffenen und ihren Familien geleitet wird. Dennoch hat sie grossen Einfluss auf politische Entscheide in der EU und kann von deren Strukturen und Geldern profitieren. Zum Beispiel gibt es eine Anlaufstelle für den öffentlichen Verkehr, wo wir uns gerne aktiv einbringen würden. Es bleibt jedoch noch einiges zu tun, bis es so weit ist.

Du warst im Mai am ESCIF-Kongress in Zagreb. Was waren die wichtigsten Themen und Erkenntnisse?

Das Hauptthema war «Zugänglicher Tourismus, Transport, individuelle Mobilität». Die Gastgeber gaben Einblicke in die Situation in Kroatien. Darauf aufbauend kamen ganz viele spannende Diskussionen zustande. Es wurde rege verglichen, wie es in den verschiedenen Ländern ausschaut, wie barrierefrei deren Tourismusinfrastruktur ist und welche politischen Prozesse Verbesserungen bewirken.

Für mich persönlich war der Kongress eine ideale Gelegenheit, ganz viele Delegierte kennenzulernen und sie mich. Das macht die Zusammenarbeit in Zukunft

leichter. Diese Kontakte werden mir helfen, die Zusammenarbeit zwischen den Organisationen zu stärken.

Ist die Förderung der Zusammenarbeit deine Hauptaufgabe?

Ja, sicher. Aber nicht nur. Neben der Unterstützung bei der Organisation des jährlichen Kongresses helfe ich auch bei den ESCIF-Foren mit. Das sind Online-Veranstaltungen zu einem spezifischen Thema, die wir drei- bis viermal pro Jahr durchführen. Im Mai gab es einen Event zum Thema Peerberatung in England. Schon jetzt bin ich auf der Suche nach weiteren Themen und Referenten aus den Organisationen.

Daneben bin ich als Generalsekretär auch für viele administrative Aufgaben zuständig. Auch die Kommunikation gehört dazu. Dieser Aufgabe möchte ich mehr Gewicht geben, zum Beispiel mit der Einführung eines regelmässigen Newsletters und dem Ausbau der sozialen Medien.

Und was bringt dieses Engagement auf europäischer Ebene für die SPV?

Der Wissens- und Erfahrungstransfer ist für unsere Bereiche wichtig. Daniela Vozza, Leiterin der Lebensberatung, hat vom Austausch zu Sozial- und Peerberatung geschwärmt. Auch bietet die ESCIF länderübergreifende Camps für gesundheitsorientierten Sport an. Das wäre etwas für unsere Mitglieder, aber auch für unsere Mitarbeitenden. Das Wichtigste ist aber, dass ganz viele schlaue Köpfe an einen Tisch kommen und der Austausch auf ganz vielen Ebenen geschieht. Das bringt alle voran, auch die SPV.

MOTIVATOR

Sich verkriechen? Im Gegenteil!

Daniel Schiess meistert als Paraplegiker viele Herausforderungen. Der 34-jährige Appenzeller will anderen Querschnittgelähmten vormachen, was mit Willen und Kreativität möglich ist.

Ein letzter Kontrollgriff, ein letzter Moment der totalen Konzentration – und los geht die Reise. Daniel Schiess hebt an seinem Hausberg ab, verabschiedet sich in die Luft und kostet jede Flugminute aus. Er blickt auf den mächtigen Bodensee, hinüber auf deutsches Gebiet, und wenn er nach rechts abdreht, hat er freie Sicht auf Liechtenstein. «Wenn ich fliege, fühlt sich das an wie in einer anderen Welt», sagt er, «ich bin frei, unabhängig – und habe meine Ruhe.»

Der 34-Jährige aus Wolfhalden in Appenzell Ausserrhoden entdeckte vor vier Jahren seine Liebe zum Gleitschirmfliegen. Wann immer sich eine Chance für einen Flug ergibt, packt er sie. Er ist zwar bei Weitem nicht der Einzige, der in dieser Gegend am Himmel segelt. Aber er unterscheidet sich trotzdem von den anderen – weil er im Rollstuhl sitzt.

Ein Traum: Paralympics-Teilnahme

Rückblende: Samstag, 2. September 2023. Daniel Schiess fliegt an diesem Samstag im Alpstein, als der Wind plötzlich dreht. Eine Böe erfasst ihn und schleudert ihn mit hoher Geschwindigkeit zu Boden. Der heftige Aufprall hat gravierende Folgen. Der Unfall, von einem Wanderer mit dem Handy gefilmt, macht den Appenzeller zum Paraplegiker.

Als er hört, dass er nie mehr gehen kann, sagt er sich: «Ich gebe die Hoffnung nicht auf.» Das positive Denken hilft ihm, diese Krise zu meistern und sein Leben neu auszurichten. Er kann nicht mehr als Kranführer oder Maurer arbeiten, die Beziehung hält nicht, und dann muss er auch noch sein altes Daheim in Walzenhausen verlassen – ein Umbau des klassischen Appenzeller-Hauses mit tiefen Decken und schmalen Zimmern hätte keinen Sinn gemacht.

Seither lebt er in einer Mietwohnung in Wolfhalden, die baulich angepasst wurde. Adrian Achermann, Sozialarbeiter bei der SPV, unterstützte ihn beim Gesuch für eine Vorfinanzierung durch die Schweizer Paraplegiker-Stiftung; Marcel Strasser vom Zentrum für hindernisfreies Bauen (ZHB) der SPV übernahm die Planung der Massnahmen, die vom barrierefreien Zugang zum Balkon über einen heruntergesetzten Dampfabzug in der Küche und einem neuen Kühlschrank bis zu Anpassungen im Badezimmer gehen.

Er schöpft neuen Mut und sieht mehr Chancen als Nachteile. «Vielleicht schaffe ich es jetzt einmal an die Paralympics», sagt er. «Diesen Traum will ich mir erfüllen.»

Daniel Schiess behält die Leidenschaft für den Sport bei. Er fährt Ski, schwimmt, ist begeisterter Basketballer – und er wagt sich wieder ans Gleitschirmfliegen. Vor dem

ersten Start hat er gehörigen Respekt. Was macht es emotional mit mir, wenn ich wieder an einem Schirm hänge? Wie klappt es mit dem Rollstuhl?

Einen Flugrollstuhl entwickelt Nach einem Schnuppertag sind all seine Fragen beantwortet. Und sämtliche Zweifel beseitigt. Ja, Fliegen bleibt ein Vergnügen, das in ihm Glücksgefühle auslöst wie zuvor. Aber er erkennt deutliches Verbesserungspotenzial, was den Rollstuhl betrifft. Also fängt er an zu tüfteln, bastelt daheim und entwirft ein Modell, das noch rund 12 Kilo wiegt und nun problemlos in jede Gondel oder jedes Auto passt. Vorne hat er das Rad eines Kickboards angebracht, hinten zwei Stützräder. Unterstützung benötigt er lediglich beim Start: «Es muss mich jemand anschieben. Danach komme ich bis einschliesslich Landung ohne fremde Hilfe aus.»

Daniel Schiess hat den Vorteil, handwerklich begabt zu sein. Und seit dem Unfall, sagt er selber, sei er kreativer geworden. Getrieben wird er vom Ehrgeiz, immer besser zu werden und sich mit internationaler Konkurrenz zu messen. Ende Januar reiste er für fast drei Wochen nach Kolumbien, um dort an der WM im Para-Gleitschirmfliegen teilzunehmen. Den Abstecher nach Südamerika krönte er mit einem zweiten Platz.

Mit dem Rollstuhl fliegen – das hat auch schon für Irritation gesorgt. Es gibt Leute, die ihn ungläubig anschauen. Oder den Kopf schütteln, weil sie kein Verständnis aufbringen, dass er offensichtlich nichts gelernt habe. Sie finden, dass er sich nach diesem Schicksalsschlag doch ein anderes, weniger gefährliches Hobby suchen sollte.

Daniel Schiess registriert kritische Stimmen gelassen, widerspricht aber dezidiert der Behauptung, dass Gleitschirmfliegen eine besonders riskante Sportart sei: «Verhältnismässig passiert sehr wenig.»

Schiess wirbelt auf der Tanzfläche Er lässt sich nicht von seiner Überzeugung abbringen, dass Menschen mit einer Querschnittlähmung unzählige Optionen haben – wenn sie denn wollen. «Ich möchte ein Vorbild für Rollstuhlfahrerinnen und

Rollstuhlfahrer sein», betont er, «ich möchte ihnen zeigen, welche Möglichkeiten ihnen offenstehen, wenn sie die Bereitschaft mitbringen, Neues auszuprobieren.»

Daniel Schiess tut genau das. Er verkriecht sich nicht, im Gegenteil. Diesen Winter hat er einen Bob-Schnupperkurs in St. Moritz absolviert und schliesst nicht aus, wieder den Eiskanal hinunterzudüsen oder so viel in den Sport zu investieren, dass er allenfalls für den Weltcup infrage kommt. Und er scheut sich nicht davor, an Partys auf der Tanzfläche zu wirbeln. «Es gibt ganz bestimmt keinen Grund, mich zu verstecken», sagt er, «der Rollstuhl ersetzt meine Beine, und ich mag es, lustig zu sein. Ich habe praktisch nie schlechte Laune und versuche, überall positive Energie zu verbreiten.»

Kleinunternehmer und Taxichauffeur Beruflich orientiert er sich gezwungenermassen neu. Seit März arbeitet er vier Stunden pro Tag bei der Stiftung «Klar.Doch.» in St. Gallen. Er hilft mit, Websites von Kunden zu betreuen und eignet sich kaufmännisches Wissen an. Das tut er nicht zuletzt deshalb mit Hingabe, weil er daran ist, ein eigenes Start-up zu lancieren. Das Ziel: eine Online-Plattform zu schaffen, auf der Personen im Rollstuhl für sie wertvolle und detaillierte Informationen über Hotels und Restaurants in der Schweiz finden.

Das Projekt treibt er beharrlich voran. Daneben bleibt der Sport ein wichtiger Pfeiler in seinem Alltag. Das heisst, er ist oft mit viel Gepäck unterwegs. Deswegen hat er sich einen Bus gekauft, dessen aufwendigen Umbau er sich mit Werbung von Firmen und Privaten finanzieren will, die er auf dem Gefährt platziert.

Ausserdem übernimmt er auch Taxidienste. Gleitschirmkollegen, die vom Fünfländerblick hoch oberhalb des Bodensees starten und später in Rorschach landen, fährt er zurück zum Ausgangspunkt. Und vielleicht erschliesst er sich mit Vorträgen eine neue Einnahmequelle. Für November hat er einen ersten Auftrag erhalten: Der Schweizer Hängegleiter-Verband engagierte ihn für ein Referat im Haus des Sports in Ittigen vor nationalen Wettkampfpiloten.

Applaus bei der Landung

So harzig sich zuweilen das Geldsammeln gestaltet: Daniel Schiess macht hartnäckig weiter. Er will sich mit seinem kleinen Unternehmen durchsetzen. Und er will fliegen. Als Fussgänger legte er mit dem Gleitschirm einmal die Strecke quer durch die Schweiz zurück, vom Wallis bis in die Ostschweiz. Das heisst, er genoss mehrere Stunden in der Luft. Er kann sich vorstellen, das wieder einmal zu tun. Und wenn nicht so viel Zeit bleibt, reicht auch bereits eine kurze Reise vom Fünfländerblick hinunter nach Rorschach. Der krönende Abschluss: Applaus der Leute, die darüber staunen, dass da tatsächlich einer mit dem Rollstuhl am Schirm hängt – und eine saubere Landung hinlegt.

Daniel Schiess mit seinen Sportrollstühlen daheim in Wolfhalden –und an der Gleitschirm-WM in Kolumbien.

SOZIALBERATUNG

Tipps zum temporären Spitalaufenthalt

Bei einem Spital- oder Heimeintritt gibt es einiges zu beachten. Wie hoch ist meine Beteiligung an den Kosten? Erhalte ich danach noch die gleichen Leistungen der Sozialversicherungen?

Kathrin Huber

Oft fragen Spitäler bei einem Eintritt nach einer Patientenverfügung, damit bei einer Urteilsunfähigkeit medizinische Massnahmen im Sinne des Betroffenen getroffen werden können. In dieser Verfügung kann stehen, welche medizinischen Behandlungen gewünscht sind und wer als Vertretung gegenüber den Ärztinnen und Ärzten handeln darf. Das müssen nicht zwingend die Angehörigen sein.

Im Vorsorgeauftrag kann festgelegt werden, wer im Falle einer Urteilsunfähigkeit (auch als Folge eines Unfalls, Altersdemenz, andere Krankheiten usw.) die notwendigen rechtlichen, administrativen und finanziellen, aber auch persönlichen Angelegenheiten im Interesse der auftraggebenden Person regelt. Bei Fragen zum Erstellen dieser Dokumente helfen Organisationen wie Pro Senectute oder Caritas.

Ein Spitalaufenthalt hat zudem Auswirkungen auf bestehende Leistungen von Sozialversicherungen. Nachfolgend sind dazu wichtige Punkte aufgeführt.

Spitalkostenbeitrag

Erwachsene müssen sich pro Aufenthaltstag im Spital an den Verpflegungskosten beteiligen. Der Spitalkostenbeitrag beträgt 15 Franken pro Tag, wenn die Krankenkasse die Leistungen übernimmt. Ausgenommen von dieser Beitragspflicht sind Kinder bis 18 Jahre, Erwachsene in Ausbildung bis 25 Jahre und Frauen, die Mutterschaftsleistungen beziehen.

Wenn der Leistungsträger die Unfallversicherung ist, beträgt der Unterhaltsbeitrag 20 Prozent des Taggeldes, höchstens aber 20 Franken bei Alleinstehenden ohne Unterhalts- oder Unterstützungspflichten und

10 Prozent des Taggeldes, höchstens aber 10 Franken bei Verheirateten und unterhalts- oder unterstützungspflichtigen Alleinstehenden.

Hilflosenentschädigung (HE)

Bei Spitalaufenthalten, die länger als einen Monat dauern, entfällt der Anspruch auf HE für jeden vollen Kalendermonat. Daher ist die Meldung des Spitalaufenthaltes an die IV oder die Unfallversicherung verpflichtend.

Wichtig: Ein Eintritt ins Pflegeheim im AHV-Alter kann Auswirkungen auf die Höhe der Hilflosenentschädigung haben. Ab Bezug der ganzen AHV-Rente wird bei IV-Bezügern die Rente wie auch die Hilflosenentschädigung in der gleichen Höhe wie im IV-Alter ausbezahlt, die sogenannte Besitzstandsregelung. Bei einem vorübergehenden Pflegeheimeintritt (ab 15 Nächten, während eines Kalendermonats) geht der Besitzstand der IV für die Hilflosenentschädigung für immer verloren und wird künftig nur noch in der Höhe der Hilflosenentschädigung der AHV bei Heimaufenthalt ausbezahlt. Auch wenn man danach wieder nach Hause zurückkehrt, wird nur noch die Hilflosenentschädigung in der Höhe der AHV-Leistung ausbezahlt.

Assistenzbeiträge

Assistenzpersonen, bezahlt durch IV-Beiträge, haben auch bei einem vorübergehenden Spitalaufenthalt der zu betreuenden Person Anspruch auf Lohnfortzahlung (Art. 323-324 OR). Entfällt danach der Bedarf an Assistenzpersonen, müssen die gesetzlichen und oder im Arbeitsvertrag festgelegten Kündigungsfristen eingehalten werden. Bei einem Pflegeheimeintritt von mehr als 15 Nächten geht auch der Besitzstand für Assistenzbeiträge der IV für immer verloren.

Ergänzungsleistungen

Bei einem Spitalaufenthalt von mehr als einem Monat wird den Anspruchsberechtigten in der Berechnung weniger Lebensunterhalt angerechnet. Es ist deshalb zu empfehlen, sich bei der zuständigen Ausgleichskasse zu melden, damit keine Rückforderung für zu Unrecht bezogene Leistungen entsteht.

GEMEINSAME PERSPEKTIVE

Das Schicksal brachte sie zusammen

Philipp Rüf und Simon Züst verunfallten 2020, lernten sich während der Reha in Nottwil kennen, wurden Freunde – und sind nun Geschäftspartner. Sie bieten Trainings an, die sie in den USA entdeckten und als Ergänzung zu den bestehenden Therapien betrachten.

Von Peter Birrer

Ob sie eine Schicksalsgemeinschaft bilden? «Ja, das trifft es gut», sagt Simon Züst. Philipp Rüf fügt an: «Und wir sind Freunde geworden.»

Bis 2020 kennen sich die 40-Jährigen nicht. Sie führen ein tempo- und abwechslungsreiches Leben, bis sie von Unfällen ausgebremst werden. Ein Badeunfall macht aus Philipp Rüf einen Tetraplegiker; Simon Züst sagt zum Grund, weshalb er als Paraplegiker im Rollstuhl sitzt, nur: «Es ist dumm gelaufen.»

Die Erstrehabilitation absolvieren beide im Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ), begegnen sich mehrmals, sinnieren über die berufliche Zukunft und haben dieselbe Haltung: Sie wollen alles ausprobieren, das die Chancen erhöht, ihre Verfassung zu verbessern.

Das alte Leben gibts nicht mehr

Der Vorarlberger Philipp Rüf möchte weiter als Geschäftsführer und Mitinhaber in einer Digitalagentur tätig sein. Aber kaum ist er zurück in der Arbeitswelt, merkt er, dass die frühere Leichtigkeit verschwunden ist. Der Zürcher Oberländer Simon Züst denkt gar nicht erst an eine Rückkehr in den früheren Beruf. Der gelernte Elektroinstallateur arbeitete als Projektleiter und war sportbegeistert. «Vieles fiel auf einen Schlag weg», sagt er, «aber ich wollte alles tun, um mich irgendwie dem alten Leben wieder anzunähern. Was fehlte, war ein Plan.»

Sein Glück ist es, dass sein Zimmergenosse in Nottwil von Therapieformen in den USA erzählt. Züst will sich davon ein Bild machen. Nach der Reha im SPZ verbringt er vier Monate an der Westküste und überzeugt Philipp Rüf, ebenfalls nach Kalifornien zu reisen. Tagsüber trainieren sie und fühlen sich kontinuierlich besser. Abends reden sie und entwickeln eine Idee: «Das müssen wir nach Europa bringen.»

Aus der Idee entsteht ein Unternehmen namens ACTIV360, das am 6. Dezember 2024 in Rothenburg LU eröffnet wurde und in dem Menschen mit einer Querschnittlähmung und neurologischen Erkrankungen von massgeschneiderten Trainingsprogrammen profitieren sollen. Gezielt trainiert wird primär die nicht mehr ansteuerbare Muskulatur. Warum? «Die Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Ner-

vensystems, sich während eines Lebens zu verändern und bei entsprechenden Reizen anzupassen, steht im Zentrum der Therapieansätze», sagen die beiden. «Die Forschung gewinnt laufend neue Erkenntnisse, die Neurowissenschaft entwickelt sich weiter. Unsere Therapien zielen darauf ab, dass Muskeln, Nerven, Sehnen und Knochen bereit sind für den Fall, dass ein Durchbruch erzielt wird und Menschen mit Querschnittlähmung wieder gehen können.» Philipp Rüf fügt an: «Die Frage ist für uns nicht, ob, sondern wann bei einer querschnittgelähmten Person zumindest eine gewisse Besserung eintritt.»

«Wir verkaufen keine Träume» Eines betonen sie: «Wir verkaufen keine Träume. Wir können keine Wunder vollbringen. Unsere Trainings sind eine Ergänzung zu den bestehenden Therapien», so Simon Züst, «aber wir sind überzeugt, dass Funktionen zurückgewonnen und individuelle Fortschritte gemacht werden können.» Ihre Kernbotschaft ist unübersehbar. «Push the limit» steht an einer Betonwand in ihrem Trainingszentrum.

Grenzen ausloten, Grenzen verschieben –das treibt sie an. Und eine Eigenschaft zeichnet sie beide aus: Beharrlichkeit. «Wir sind und bleiben hartnäckig», sagt Simon Züst. Sein Geschäftspartner nickt zustimmend.

Infos zum Trainingsangebot www.activ360.ch

Initiativ Simon Züst und Philipp Rüf

PREMIERE

Vorhang auf: Die erste inklusive Para-WG

Nach Schenkon und Nottwil hat nun auch mitten in Zürich eine Para-WG ihre Türen geöffnet. Mit einer Besonderheit: Menschen im Rollstuhl wohnen mit Studierenden der ETH.

Von Peter Birrer

Die grosse Begeisterung dringt in jeder Silbe durch. «Wir setzen ein geniales Leuchtturmprojekt um», sagt Regula Locher, «für alle Beteiligten ist das eine Win-winSituation.»

Die 55-jährige Leiterin dieses Projekts führt durch eine Wohnung, die in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlich ist: Es handelt sich um ein Objekt mit zwölf Schlafzimmern sowie sieben Nasszellen mitten im Seefeldquartier der Stadt Zürich. Hier entsteht eine Wohngemeinschaft, in der Menschen im Rollstuhl mit Studierenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) zusammenleben. Interessant ist der Grundriss. Die Zimmer haben alle eine ähnliche Grösse und unterscheiden sich trotzdem voneinander.

Gelebte Inklusion

Diese inklusive ParaWG ist eine nationale Premiere und wird von Regula Locher mit ihrem kleinen Team geleitet. Den Anstoss hierzu gab im vergangenen Jahr Stefan Staubli, Leiter Soziale und Berufliche In-

tegration im SPZ. Wie in Schenkon und Nottwil werden Menschen mit einer Querschnittlähmung nun auch in Zürich befähigt, die grösstmögliche Selbstständigkeit im Alltag wiederzuerlangen.

«Die Personen im Rollstuhl absolvieren bei uns ein Wohntraining. Dazu gehört alles vom Kleiderwaschen über das Kochen bis zum Putzen», sagt Regula Locher. «Sie sollen zudem auch die Erfahrung machen, wie man mit dem Tram fährt, Einkäufe erledigt oder sich mit dem Rollstuhl in einer grossen Stadt zurechtfindet.»

Für Menschen mit einer Querschnittlähmung ist der Aufenthalt in der WG auf drei Jahre beschränkt. Zudem verbringen sie das Wochenende weitgehend nicht hier – von Samstagmittag bis Sonntagabend ist das Betreuungsteam telefonisch aber stets erreichbar.

Von Anfang an war klar, dass ein inklusives Modell geschaffen wird. Vorrangig kommen ETH-Studierende aus dem Kompe-

tenzzentrum für Rehabilitationstechnik und -wissenschaft infrage. Sie müssen sich für ein Zimmer unter anderem mit einem Motivationsschreiben bewerben, dürfen bis zum Ende ihres Studiums bleiben und haben ebenfalls die Pflicht, Ämtli zu übernehmen.

Wünschenswert ist es laut der WG-Leiterin, dass abends gemeinsam gegessen wird und am Tisch ein Austausch stattfindet: «Wir hoffen, dass eine Dynamik innerhalb der Gruppe entsteht und es völlig normal ist, dass Studierende mit Menschen im Rollstuhl kochen oder zusammen ausgehen.» Der Plan sieht nun vor, die WG möglichst bald mit möglichst viel Leben zu füllen.

Die Unterstützung von IKEA

Regula Locher startete im April 2025 in der Siedlung Tiefenbrunnen ins Abenteuer. Zuerst galt es, die Zimmer und Aufenthaltsräume wohnlich zu gestalten. Grosse Unterstützung leistete dabei das Einrichtungshaus IKEA. Es stellte Möbel im Wert von 8000 Franken zur Verfügung. Zudem rief das Unternehmen Mitarbeitende auf, sich für den Einrichtungstag am 19. Mai zu melden – und die Resonanz war so beeindruckend wie selten. Nicht weniger als 26 Personen, die in den Filialen Dietlikon und Spreitenbach in verschiedenen Abteilungen arbeiten, stellten Schränke auf, schraubten Betten zusammen und hängten Bilder auf.

Regula Locher, die ihr Büro unterhalb der Wohnung im Erdgeschoss bezogen hat, ist nach den ersten Monaten im Amt überzeugt, dass sich die WG in Zürich zu einer Erfolgsgeschichte entwickeln wird: «Ein solches Angebot ist in der Schweiz einmalig. Ich freue mich auf das, was auf uns zukommt.»

INVALIDITÄTSBEMESSUNG

Wie berechnet sich die Invalidenrente?

Personen, welche bleibend arbeitsunfähig sind, haben unter Umständen Anspruch auf eine Invalidenrente – doch wie wird diese berechnet und worauf gilt es achtzugeben?

Der heutige Tag steht unter einem guten Stern. Mit freudigen Augen blickt Frau Müller auf den vor ihr liegenden Vorbescheid der IV-Stelle des Kantons Luzern, welcher mit fettgedruckten Buchstaben den Titel «Zusprache einer Invalidenrente» trägt. Doch die anfängliche Freude währt nicht lange. Schon bald schleichen sich Zweifel ein, und erste Fragen drängen sich auf: Wie wurde meine Invalidenrente berechnet? Ist diese Berechnung korrekt? Und weshalb wurde meine kürzlich abgeschlossene Ausbildung zur HR-Fachfrau nicht berücksichtigt?

Dieser Artikel widmet sich der Frage, nach welchen Grundsätzen eine Invalidenrente bemessen wird. Er soll betroffenen Personen eine Stütze sein, um einen künftigen

Rentenentscheid besser zu verstehen und ihnen eine erste Einschätzung ermöglichen, ob dieser korrekt ist.

Grundsätze zur Bemessung der Invalidenrente Ausgangspunkt der Bemessung der Invalidenrente ist in den meisten Fällen ein Einkommensvergleich. Konkret wird also danach gefragt, was die versicherte Person ohne gesundheitliche Einschränkungen im Zeitpunkt des Rentenbeginns verdienen könnte (sog. Valideneinkommen). Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung sowie der realen Einkommensentwicklung angepassten Erwerbseinkommen angeknüpft. Erhoben werden diese Angaben mithilfe eines Fragebogens, welche die zuständige IV-Stelle

im Rahmen der Rentenprüfung dem ehemaligen oder – sofern die versicherte Person weiterhin beim selben Arbeitgeber angestellt ist – dem aktuellen Arbeitgeber zustellt.

Dem dadurch erhobenen Einkommen ohne gesundheitliche Einschränkungen wird sodann dasjenige Einkommen gegenübergestellt, welches die versicherte Person trotz den gesundheitlichen Einschränkungen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit effektiv erzielt oder auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt unter Ausnützung der verbliebenen Leistungsfähigkeit erzielten könnte (sog. Invalideneinkommen).

Für die Bestimmung des Invalideneinkommens ist gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in erster Linie von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Das heisst, es wird danach gefragt, welches Einkommen die versicherte Person in einem ihr zumutbaren Arbeitspensum – z. B. im Umfang von 50 % – erzielt oder erzielen könnte. Und genau hier ergeben sich häufig Differenzen, welche nicht selten von einem Gericht beurteilt werden müssen. Zur Beantwortung der Frage, welches Arbeitspensum der versicherten Person angesichts ihrer gesundheitlichen Einschränkungen zumutbar ist, stellt die Invalidenversicherung regelmässig auf die Einschätzung ihres Regional Ärztlichen

Dienstes (RAD) ab. Diese Einschätzung kann durchaus von der Beurteilung der behandelnden Ärzteschaft abweichen, zumal die Einschätzung des RAD in den allermeisten Fällen auf einer reinen Aktenbeurteilung beruht.

Festsetzung des Validen- und/oder Invalideneinkommens anhand von statistischen Werten

Lässt sich das Valideneinkommen ausnahmsweise nicht aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse hinreichend genau bestimmen, kann die Invalidenversicherung zu dessen Bestimmung auf statistische Werte bzw. auf Tabellenlöhne der schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (sog. LSE-Tabellen) abstellen. Die Frage, gestützt auf welchen Tabellenwert das Valideneinkommen festzusetzen ist, lässt sich indes nicht allgemeingültig beantworten, sondern bedarf jeweils einer Einzelfallprüfung.

Neben dem Valideneinkommen kann auch das Invalideneinkommen gestützt auf statistische Werte gesetzt werden, sofern es nicht anhand des weiterhin effektiv erzielten Erwerbseinkommens bestimmt werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die versicherte Person nach Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung keiner oder keiner ihr zumutbaren Erwerbstätigkeit mehr nachgeht. Wird das Invalideneinkommen gestützt auf statistische Werte festgesetzt, ist seit dem 1. Januar 2024 vom ermittelten Tabellenwert ein Abzug von 10 % vorzunehmen. Ist der versicherten Person aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nur ein Arbeitspensum von 50 % oder weniger zumutbar, so erhöht sich der Abzug auf 20 % (vgl. Art. 26bis Abs. 3 IVV).

Die Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen

Nachdem die beiden Vergleichseinkommen – das Validen- und das Invalideneinkommen – in einem ersten Schritt nach den vorstehend erläuterten Grundsätzen ermittelt wurden, werden diese zur Berechnung des Invaliditätsgrades in einem zweiten Schritt einander gegenübergestellt. Ergibt sich aus der Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen ei-

ne Er werbseinbusse, so entspricht deren prozentualer Anteil gemessen am Valideneinkommen dem sog. Invaliditätsgrad. Zur Veranschaulichung dient das nachfolgende Beispiel.

Einkommen ohne Invalidität Basierend auf dem Fragebogen für Arbeitgebende:

CHF 75 000.– pro Jahr

Einkommen mit Invalidität Effektives Einkommen gemäss aktuellem Arbeitsvertrag

CHF 35 000.– pro Jahr

Erwerbseinbusse

Einschränkung in Prozent (prozentualer Anteil):

CHF 40 000.– pro Jahr:

53 % (100/CHF 75 000.– × CHF 40 000.–)

Der Invaliditätsgrad beträgt in unserem Beispiel somit 53 %. Damit ist jedoch – zumindest im Bereich der Invalidenversicherung – noch nicht gesagt, zu welchem prozentualen Anteil die versicherte Person Anspruch auf eine Invalidenrente hat. Anders ist dies im Bereich der Unfallversicherungen. In diesem Bereich entspricht der Invaliditätsgrad tel quel dem prozentualen Anspruch an einer Invalidenrente (prozentgenaue Festsetzung des Invaliditätsgrades).

Das stufenlose Rentensystem

Seit dem 1. Januar 2022 gelangt im Bereich der Invalidenversicherung auf Rentenansprüche, welche nach diesem Datum entstanden sind, das stufenlose Rentensystem zur Anwendung. Gemäss Art. 28b IVG haben die Versicherten deren Invaliditätsgrad 70 % oder höher ist, Anspruch auf eine ganze Invalidenrente. Zwischen einem Invaliditätsgrad von 50 bis 69 % entspricht der prozentuale Anteil dem Invaliditätsgrad; in unserem Beispiel hätte die versicherte Person Anspruch auf eine Invalidenrente in der Höhe von 53 % einer ganzen Invalidenrente. Bei einem Invaliditätsgrad unter 50 % hat die versicherte Person Anspruch auf folgenden prozentualen Anteil einer ganzen Invalidenrente.

Invaliditätsgrad Prozentualer Anteil

49 Prozent 47,5 Prozent

48 Prozent 45 Prozent

47 Prozent 42,5 Prozent

46 Prozent 40 Prozent

45 Prozent 37,5 Prozent

44 Prozent 35 Prozent

43 Prozent 32,5 Prozent

42 Prozent 30 Prozent

41 Prozent 27,5 Prozent

40 Prozent 25 Prozent

Exkurs: Entwicklung des Valideneinkommens

Obwohl Weiterbildungen – insbesondere bei jüngeren Personen – in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind, können Karriereschritte und eine damit verbundene Entwicklung des Valideneinkommens gemäss der Rechtsprechung nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen berücksichtigt werden. Vorausgesetzt werden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ohne die gesundheitliche Beeinträchtigung ein beruflicher Aufstieg und ein damit verbundenes höheres Einkommen auch tatsächlich realisiert worden wären. Blosse Absichtserklärungen genügen dabei nicht. Vielmehr muss die Absicht, sich beruflich weiterzuentwickeln, bereits durch konkrete Schritte wie den Besuch von Kursen, die Aufnahme eines Studiums oder ähnlichem vor Eintritt der Invalidität kundgetan worden sein. Insbesondere darf nicht ohne Weiteres aus einer nach Eintritt der Invalidität vollzogenen beruflichen Karriere geschlossen werden, dass die versicherte Person auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigung eine vergleichbare Position erreicht hätte. Gerade bei jüngeren Versicherten führe diese restriktive Praxis jedoch zu schwer nachvollziehbaren und mitunter stossenden Ergebnissen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Frage, ob ein Rentenentscheid korrekt ist, von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Sollten Sie in diesem Zusammenhang rechtliche Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Mitarbeitenden des Instituts für Rechtsberatung der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung selbstverständlich gerne zur Verfügung.

FORSCHUNG

Soziale Kontakte stärken die Seele

Eine SwiSCI-Studie belegt: Nach der Erstrehabilitation nehmen psychische Belastungen zu. Soziale Beziehungen können schützen.

Nach der Rehabilitation ist die Rückkehr ins Leben zu Hause für viele Menschen mit Querschnittlähmung ein grosser Schritt –nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Wie gut gelingt die Anpassung an ein Leben mit veränderten Voraussetzungen? Und welche Rolle spielen dabei Beziehungen und soziale Unterstützung?

forderungen gut – doch längst nicht alle schaffen das. Besonders wichtig für eine gesunde Entwicklung sind soziale Kontakte und Unterstützung. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Studie zusammen und zeigt, wo Betroffene in der Schweiz Hilfe finden können, wenn die Seele aus dem Gleichgewicht gerät.

Antworten auf diese Fragen liefert eine aktuelle Auswertung der Schweizer Bevölkerungsumfrage für Menschen mit Querschnittlähmung (SwiSCI). Sie zeigt: Die Mehrheit meistert die psychischen Heraus-

Belastung nach der Erstreha

Die Swiss Spinal Cord Injury Cohort Study (SwiSCI) ist die grösste Befragung von Menschen mit Querschnittlähmung in der Schweiz. Sie wird von der Schweizer Para-

plegiker-Forschung koordiniert und liefert regelmässig wichtige Erkenntnisse zu Themen wie Gesundheit, Lebensqualität und gesellschaftlicher Teilhabe.

In einer vor Kurzem erfolgten Auswertung standen psychische Belastung und ihre Entwicklung nach der Erstrehabilitation im Zentrum. Die Forschenden analysierten die Angaben von 240 Personen mit Querschnittlähmung, die zu zwei Zeitpunkten befragt wurden: einmal kurz vor dem Austritt aus der Erstrehabilitation und erneut Jahre später im häuslichen Umfeld. So konnten Veränderungen im psychischen Befinden – insbesondere Symptome von Angst und Depression – über längere Zeit hinweg untersucht werden.

Der direkte Vergleich der beiden Zeitpunkte offenbart einen klaren Trend zu ungünstigeren Belastungsprofilen – mit Symptomen wie innere Unruhe, Sorgen, gedrückte Stimmung oder Antriebslosigkeit. Kurz vor Austritt aus der Erstrehabilitation zählten rund 28 Prozent der Befragten zum mittleren und 7 Prozent zum hohen Belastungsprofil. Jahre später zu Hause lagen diese Anteile bei 37 Prozent (mittel) bzw. 13 Prozent (hoch). Das bedeutet: Der Anteil psychisch stärker belasteter Personen ist nach der Erstreha angestiegen, während der Anteil mit niedriger Belastung von 65 Prozent auf 50 Prozent sank.

Gute Anpassung möglich

Doch die Ergebnisse erlauben auch eine positive Interpretation. Knapp die Hälfte der Befragten meistert den Übergang von der Erstreha in den Alltag psychisch gut – obwohl dieser Prozess auf vielen Ebenen sehr herausfordernd ist. Das «behütete» und barrierefreie Umfeld der Rehabilitationsklinik fällt weg. Der häusliche Bereich ist oft noch nicht ideal an die neuen Lebensumstände angepasst. Erst jetzt wird deutlich, welche Auswirkungen die Querschnittlähmung auf den Alltag hat – was sehr schwierig und frustrierend sein kann. Nicht umsonst bezeichnen manche diese Umstellung als «zweite Querschnittlähmung».

Zudem zeigte sich bei einigen Personen eine positive Entwicklung. So hatten Personen mit ursprünglich hohem Belastungs-

Ein gutes soziales Netzwerk ist nach einer Querschnittlähmung wichtig.

profil eine 41-prozentige Wahrscheinlichkeit, sich im Lauf der Zeit auf ein mittleres Belastungsniveau zu verbessern. Personen mit mittlerem Profil hatten eine 28-prozentige Chance, ein niedriges Belastungsniveau zu erreichen. Personen mit niedrigem Belastungsprofil hatten eine 66-prozentige

Wahrscheinlichkeit, in diesem zu verbleiben. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass viele Betroffene über eine beachtliche psychische Anpassungsfähigkeit verfügen –trotz der grossen Herausforderungen, die das alltägliche Leben mit Querschnittlähmung mit sich bringt.

UNTERSTÜTZUNG

Wer psychisch belastet ist oder sich soziale Unterstützung im Alltag wünscht, muss damit nicht allein bleiben. In der Schweiz gibt es verschiedene Angebote speziell für Menschen mit Querschnittlähmung oder anderen Beeinträchtigungen. Eine Auswahl:

Lebensberatung der SPV Sozialarbeitende und selbst betroffene Peers unterstützen Menschen mit Querschnittlähmung und ihre Angehörigen in persönlichen Gesprächen während und nach der Erstreha bei allen möglichen Themen. Telefon 041 939 68 68 www.spv.ch

ParaHelp

Fachpersonen aus Pflege, Sozialarbeit und weiteren Bereichen beraten Menschen mit Querschnittlähmung und Angehörige nach der Erstreha im häuslichen Umfeld – auch zu psychischen Belastungen oder sozialen Themen. Telefon 041 939 60 60 www.parahelp.ch

Dazu gibt es eine Reihe von Angeboten für Menschen in psychischen Schwierigkeiten, die nicht auf Querschnittlähmung spezialisiert sind:

Psychiatrische oder psychologische Versorgung vor Ort Hausärzt*innen, Psycholog*innen, Psychiater*innen oder regionale Krisen- und Beratungsdienste bieten erste Anlaufstellen bei anhaltenden psychischen Beschwerden.

Die Dargebotene Hand Anonyme, rund um die Uhr erreichbare Nummer für emotionale Erste Hilfe. Gespräche mit ausgebildeten Freiwilligen. Telefon 143 www.143.ch

Seelsorge.net

Online-Beratungsangebot der reformierten und katholischen Kirche – für alle, ungeachtet ihrer religiösen Zugehörigkeit und ohne missionarische Absichten. Kostenlos und anonym via E-Mail. www.seelsorge.net

Selbsthilfegruppen

In vielen Regionen gibt es Selbsthilfegruppen, auch für Menschen mit Lähmungen oder psychischen Erkrankungen. www.selbsthilfeschweiz.ch

Soziales macht stark Ein zentraler Befund der Studie: Personen, die dauerhaft in einem günstigen psychischen Zustand blieben, verfügten über mehr psychosoziale Ressourcen. Das heisst: mehr soziale Unterstützung, das Gefühl dazuzugehören und Zufriedenheit mit den eigenen sozialen Beziehungen. Konkret zeigte sich: Wer in der Gruppe mit dauerhaft niedriger psychischer Belastung war, hatte signifikant höhere Werte bei der wahrgenommenen sozialen Unterstützung und beim Zugehörigkeitsgefühl als jene Personen, deren Belastungsprofil sich verschlechterte.

Umgekehrt hatten jene, die dauerhaft stark belastet blieben, die tiefsten Werte in allen drei Bereichen. Diese Zusammenhänge machen deutlich: Soziale Ressourcen wirken wie ein Schutzschild. Sie können entscheidend dazu beitragen, psychische Belastungen abzufedern – besonders in der Übergangszeit nach der Erstreha, wenn Unsicherheit, Isolation oder Zukunftsängste überwiegen können.

Frühzeitig vorsorgen

Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, bereits während der Erstreha gezielte Massnahmen zu ergreifen, die den Übergang ins häusliche Umfeld erleichtern. Dazu gehören nicht nur bauliche oder organisatorische Vorbereitungen, sondern auch psychosoziale Ressourcen zu stärken. Eine vorausschauende Planung kann helfen, Isolation vorzubeugen und persönliche Beziehungen zu stärken.

Idealerweise aktivieren Frischverletzte ihr soziales Unterstützungsnetz bereits vor dem Austritt – etwa durch Einbindung von Angehörigen, Peerberatungen oder Gespräche mit psychologischen Fachpersonen. Auch das frühzeitige Informieren über externe Beratungsangebote kann helfen, die Hemmschwelle für spätere Hilfe zu senken. Die Studie unterstreicht: Der nachhaltige Erfolg einer Erstrehabilitation entscheidet sich nicht allein während des Klinikaufenthalts – sondern hängt massgeblich davon ab, wie gut der Alltag danach gelingt.

Mehr über die SwiSCI-Studie www.swisci.ch

Dank des Lifts muss sie nicht wegziehen

Eliane Stoll leidet an Multipler Sklerose. Als klar war, dass sie ohne Rollstuhl nicht mehr auskommt, benötigte sie dringend eine Lösung, um die Zukunft in ihrer Oase zu sichern.

Eliane Stoll sitzt unter einer mächtigen Föhre, die im Sommer auf der Terrasse als willkommener Schattenspender dient. Das fröhliche Gezwitscher der Vögel passt zum ersten Eindruck, den man von diesem rund 900 Quadratmeter grossen Grundstück gewinnen kann. Wer hier vorbeischaut, fühlt sich unweigerlich in einer grünen Oase – fernab vom Trubel.

Grün ist es hier zwar sehr wohl, aber von Abgeschiedenheit kann nicht die Rede sein. Eliane Stoll lebt mit ihrem Partner in Wülflingen, einem Stadtteil von Winterthur – das Zentrum der sechstgrössten Schweizer Stadt liegt praktisch um die Ecke. Das zweigeschossige Haus in Hanglage entstand in den Sechzigerjahren und war bis Mai 2023 lediglich erreichbar über

eine Aussentreppe. Aber die heute 41-Jährige kann zu Fuss keine Stufen mehr überwinden. Doch der Reihe nach.

Die Diagnose: Multiple Sklerose Im Jahr 2002 erhält Eliane Stoll die Diagnose Multiple Sklerose. Die gebürtige Freiburgerin, damals in der Ausbildung zur Polygrafin, weiss nicht, was auf sie zukommt. Sie lernt, mit der Krankheit umzugehen und kann lange ohne Gehhilfe unterwegs sein. 2016, im Jahr des Umzugs nach Wülflingen, sitzt sie zum ersten Mal in einem Rollstuhl. Damals rechnet sie nicht damit, dass sie ihn dauerhaft benötigen würde, sondern lediglich für weitere Distanzen. Mit Hilfe ihrer Willenskraft, glaubt sie, würde sie mit der Treppe schon klarkommen.

Der Carport und der Lift sind für Eliane Stoll Gold wert.

Den Wohnbereich hat das Paar schon früh umgestaltet, Wände herausgerissen, so die Zahl der Zimmer markant reduziert und damit – unbewusst – günstige Voraussetzungen geschaffen, um sich mit dem Rollstuhl besser zurechtzufinden. «Uns gefallen grosszügige, offene und helle Räume. Im Nachhinein macht es sich bezahlt, dass wir das Innenleben des Hauses unseren Vorstellungen angepasst haben.»

Nun aber erfordert die gesundheitliche Situation eine Massnahme, die sich als Kraftakt herausstellt. 2019 zeichnet sich ab, dass Eliane Stoll nicht mehr ohne Rollstuhl auskommen wird. Dadurch ergibt sich ein Problem von grosser Tragweite. Ohne Vertikallift ist eine Zukunft in diesem Haus ausgeschlossen. Daraus entwickelt sich ein umfangreiches und anspruchsvolles Projekt, das auch einen Carport beinhaltet. Der Lift soll vom Erdgeschoss nach oben führen, direkt zur gedeckten Plattform. Das heisst: Der bisherige Abstellplatz des Autos verlagert sich von der Garage ganz unten an die obere Quartierstrasse.

ZHB: Beratung, Planung, Bauleitung

Die Ausführung ist mit einiger Denkarbeit und mit Hürden verbunden, auch deshalb, weil das Haus seit 2018 unter kantonalem Denkmalschutz steht. Das Zentrum für hindernisfreies Bauen (ZHB) der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung übernimmt die konkrete Planung und Bauführung. Felix Schärer, Bereichsleiter des ZHB, ver-

handelt nach der Bauberatungs- und Projektphase mit Handwerkern, erarbeitet mit ihnen Verträge und erstellt einen detaillierten Terminplan.

Zu den besonderen Herausforderungen gehören – neben der Denkmalpflege – Abklärungen zur Statik des Carports. «Wir mussten zuerst sicherstellen, dass ein solches Konstrukt an dieser Lage überhaupt möglich ist», sagt Felix Schärer.

Ein zweites und massgebendes Thema ist die Finanzierung mit dem Vertikallift als grösstem Budgetposten. Soll er das Erdgeschoss erschliessen, bedeutet das automatisch eine deutliche Verteuerung. Allerdings zeigt sich die Invalidenversicherung nicht bereit, sich an Kosten zu beteiligen, die über jene eines üblichen Treppenlifts hinausgehen. Aber für Eliane Stoll ist alles andere als ein Vertikallift keine Option. «Bei Regen wäre ich jedes Mal durchnässt, wenn ich den Weg über die Treppe nehmen müsste. Nur schon deshalb war ein Treppenlift kein Thema», sagt sie.

Einen grossen Teil selber bezahlt Die Kosten belaufen sich auf insgesamt rund 200 000 Franken. Die Invalidenversicherung steuert knapp einen Drittel bei, der Rest geht zu Lasten von Eliane Stoll und ihrem Partner. «Wir hatten keine Wahl», sagt sie, «die einzige Option wäre der Wegzug gewesen. Und das wollten wir unter allen Umständen vermeiden.»

Der Plan sieht vor, dass der Vertikallift die Verbindung zwischen dem Erdgeschoss und dem Carport herstellt. Das heisst für Eliane Stoll zwangsläufig, dass für sie die untere Etage des Hauses unerreicht bleiben wird. Damit kommt sie aber gut zurecht. Ihr steht ein barrierefreies Stockwerk zur Verfügung, auf dem sie ihr Büro eingerichtet hat und von dem sie mühelos auf die Terrasse gelangt. An Ostern, nach gut einjähriger Bauphase, ist das Werk in Wülflingen vollendet – inklusive neuem Ein- und Ausgang auf der Hangseite sowie einem überdachten Zugang zum Lift. Folgen soll in absehbarer Zeit die Anpassung des jetzt noch engen Badezimmers. Felix Schärer hat das entsprechende Baugesuch eingereicht.

Der Vertikallift in der grünen Umgebung ist die perfekte Lösung.

Ein aktives Vorstandsmitglied

Die Eröffnung des Lifts wird sogar ein kleiner Festakt. Mitglieder des Rollstuhlclubs Winterthur Schaffhausen schauen vorbei, um mit Eliane Stoll anzustossen. Den Club entdeckte sie übrigens, als sie sich im Internet erkundigte, was man mit dem Rollstuhl in Winterthur und Umgebung machen kann. Nun trägt sie seit 2023 die Verantwortung für den Bereich Kultur und Freizeit und gehört bei organisierten Anlässen zu den Stammgästen.

Dank der baulichen Massnahmen daheim besteht die Gefahr nicht mehr, isoliert zu sein von allen gesellschaftlichen Aktivitäten. Wenn ein Therapietermin in der näheren Umgebung stattfindet, benötigt Eliane Stoll keine fremde Hilfe. Mit dem Lift ist sie rasch beim Zuggerät, das im Carport parkiert ist. Sie kann nun auch spontaner mit Menschen abmachen. Früher hing es oft von der Tagesform ab, ob sie physisch überhaupt in der Lage war, die 52 Stufen zuerst hinunter- und später wieder hinaufzugehen. Diese Ungewissheit fällt nun weg. Und sie hat auch die Möglichkeit, Menschen mit einer Gehbeeinträchtigung bei sich zu empfangen.

Selber Auto fahren, das kann sie indes nicht mehr. Die Krankheit beeinträchtigt zunehmend die Fähigkeit, die Augen zu koordinieren. Ausserdem kämpft sie mit einer Rumpfataxie, die es ihr erschwert, im Sitzen das Gleichgewicht zu behalten. Oder in ihren Worten: «Die Ataxie hat Einfluss auf mein ganzes System.»

Im Qualitätsmanagement tätig Viele Stunden verbringt sie am Schreibtisch im Homeoffice. Eliane Stoll ist in einem 80-Prozent-Pensum im Qualitätsmanagement eines Unternehmens angestellt, das sich auf die Produktion von automatischen Türen spezialisiert hat. Einmal pro Woche arbeitet sie vor Ort in der Firma.

Sie versucht, ihr Leben so selbstständig wie möglich zu gestalten und möglichst niemandem zur Last zu fallen. Dass sie nicht gezwungen wurde, die Wohnsituation zu ändern, war dabei ein grosses Glück: «Hier fühle ich mich wohl und geborgen. Hier bin ich daheim.» Hier, in ihrer grünen Oase.

PARAREISEN

Gönnen

Sie sich eine Auszeit

Nehmen Sie an einer Reise der SPV teil – und geniessen Sie die Zeit weg von zu Hause.

Sie können mit uns baden oder dem süssen Nichtstun frönen, Abenteuer erleben, Unbekanntes entdecken und in aufregende Städte eintauchen.

Wir haben ein breites Angebot an Reisen zusammengestellt, das jeden Geschmack treffen dürfte. Unser Katalog «ParaReisen 2026» erscheint Anfang November 2025.

Drei Reisen stellen wir Ihnen in dieser Paracontact-Ausgabe schon einmal vor.

Sämtliche Reisen sind ab dem 10. November 2025 online auf www.spv.ch buchbar. Bei Fragen sind wir gerne für Sie da.

Kontakt reisen@spv.ch Tel. 041 939 54 22

DESTINATIONEN 2026

Fernreise ohne Pflege

Badeferien mit Ausflügen ohne Pflege

ohne

ohne

mit Pflege

Städtereisen mit Pflege

mit Pflege

mit Pflege

*Anmeldung mit fixer Betreuungsperson

Highlights 2026

BARCELONA

Reise mit Pflege

Barcelona hat unheimlich viel zu bieten –und wir nehmen uns Zeit dafür, die Millionenstadt am Mittelmeer zu erkunden. Natürlich darf der Besuch der Sagrada Família nicht fehlen. Die Basilika, ein weltberühmtes Wahrzeichen der Stadt, gilt als (noch unvollendetes) Lebenswerk des Architekten Antoni Gaudí. Oder Sie haben die Möglichkeit, das Museu Picasso zu bestaunen.

Sie erleben das emsige Treiben auf der Rambla, der Promenade, die sich vom Plaça de Catalunya bis zum alten Hafen erstreckt. Vom barrierefreien Aussichtspunkt Mirador del’Alcalde auf dem Hausberg Montjuïc haben Sie einen wunderbaren Blick auf Barcelona und das Meer.

Und für Fussballfans schlägt das Herz in der katalanischen Hauptstadt höher – erst recht im legendären Camp Nou, der Heimat des FC Barcelona. Das Stadion wird derzeit modernisiert und soll nach dem Umbau rund 105 000 Zuschauer fassen. Die vollständige Wiedereröffnung ist für Sommer 2026 geplant.

Datum 4.–11.4.2026

Gruppe max. 6 Rollstuhlfahrer*innen Inklusive Direktflug ab Zürich, 7 Übernachtungen im Zweibettzimmer mit Halbpension, Ausflüge und Transfers, Pflegeleitung von ParaHelp

SLOWENIEN

Reise ohne Pflege

Entdecken Sie mit uns eine Perle an der Adria: Slowenien, ein Land mit nur rund 2,1 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, gilt als Geheimtipp. Die Hotelanlage am Rande der malerischen Küstenstadt Izola wurde eigens für Menschen mit eingeschränkter Mobilität konzipiert.

Es ist der ideale Ort, um zu entspannen und zwischendurch zu baden. Das können Sie am privaten Strand tun: Über eine Rampe gelangen Sie barrierefrei ins Meer. Oder Sie geniessen das beheizte Salzwasserbecken mit Poollift.

Viel Sehens- und Wissenswertes bieten unsere Touren. Wir machen einen Abstecher in den Landschaftspark der Salinen Sečovlje, wo seit Jahrhunderten Salz abgebaut wird. Hier wird das traditionelle Handwerk gepflegt – Maschinen kommen nicht zum Einsatz. Wir besuchen das Landgut Lipica, auf dem die berühmten Lipizzanerpferde gezüchtet werden. Und wir machen uns mit Ihnen ein Bild von der slowenischen Hauptstadt Ljubljana.

Datum 28.8. – 4.9.2026 (Fr bis Fr) Gruppe max. 8 Rollstuhlfahrer*innen Inklusive An- und Rückreise mit Reisecar, 7 Übernachtungen im Doppelzimmer mit Halbpension, Ausflüge und Transfers, Führungen und Eintritte

THAILAND

Reise ohne Pflege

Wir lassen den Schweizer Herbst für zwei Wochen hinter uns und tanken in Thailand Energie für die Winterzeit in der Heimat. Zunächst tauchen wir ein in eine aufregende Weltmetropole: Wir lernen verschiedene Seiten von Bangkok kennen. Der Grosse Palast, der Smaragd-Buddha, das historische Viertel, ein Ausflug in die Hauptstadt des alten Königreichs Siam –lassen Sie sich von der Vielfältigkeit des Angebots überraschen.

Mit unzähligen Eindrücken geht die Reise weiter Richtung Pranburi, wo Entspannung angesagt ist. Im Chang Noi Resort, einer vollumfänglich barrierefreien Hotelanlage, geniessen Sie das süsse Nichtstun. Wenn Sie Lust aufs Meer haben, erreichen Sie die nahe Khao Kalok Beach in wenigen Minuten.

Zur Abwechslung unternehmen wir den einen oder anderen Ausflug, zum Beispiel zum geschichtsträchtigen Bahnhof von Hua Hin. Oder wir erfahren Spannendes zur traditionellen Landwirtschaft.

Datum 13. – 28.11.2026 Gruppe max. 8 Rollstuhlfahrer*innen Inklusive Direktflug ab Zürich, 14 Über nachtungen im Doppelzimmer mit Frühstück, 6 Mittagessen und 13 Abendessen, Ausflüge, Transfers und Führungen

FREIZEITAKTIVITÄT

Töpfern und Modellieren

Arbeiten Sie gerne mit den Händen und mögen Ton?

Dann könnte dieser zweitägige Workshop genau das Richtige für Sie sein.

Im Keramik-Atelier der Klubschule Migros Luzern experimentieren Sie am 8. und 22.11.2025 mit Farben und Formen. Sie lernen Grundtechniken und Umgang mit Glasuren und Farben und erstellen ein eigenes Keramikstück.

Anmelden spv.ch/eventkalender

SICHERES FAHREN

Fahrkurs

Fahren muss gelernt sein und zwar in jeder Situation.

Wissen Sie, wie Ihr Auto auf verschiedenen Untergründen reagiert? Das und noch viel mehr lernen Sie beim Fahrkurs am18. Oktober 2025 Kurs in Erstfeld.

Die erfahrene Kursleitung zeigt Ihnen alles Wichtige zur Notbremsung, zum Kurvenfahren unter erschwerten Bedingungen und zu den Assistenzsystemen. Freuen Sie sich auf einen abwechslungsreichen und interessanten Tag.

Mehr Informationen spv.ch/eventkalender

Neu: Reisekonzept ab 2026

Das Reisebüro der SPV bietet ein vielfältiges Reiseangebot für Aktivmitglieder im Rollstuhl an. Ab 2026 in einem neuen Rahmen: zehn Reisen mit Pflege für Personen mit Unterstützungsbedarf sowie fünf Reisen ohne Pflege für selbstständige Aktivmitglieder.

Das Reisebüro der SPV bietet im neuen Jahr zehn Reisen mit Pflege für Aktivmitglieder an, die bei täglichen Verrichtungen auf Dritthilfe angewiesen sind. Die pflegerische Verantwortung liegt bei einem ParaHelp-Zweierteam, während die persönliche Betreuung durch freiwillige Pflegebegleitungen erfolgt. Diese helfen rund um die Uhr beim Ankleiden, bei Transfers, beim Essen und mehr.

Hilfsmittel wie Duschrollstuhl, Rutschbrett und Strandrollstuhl sind vorhanden.

Malta

Eine Reisegruppe der SPV besuchte vom 28.6. bis 5. 7. die Mittelmeerinsel Malta. Sie nahm im Hotel «db Seabank Resort & Spa» eine Woche lang das grosszügige Angebot in Anspruch. Natürlich durfte bei den hohen Sommertemperaturen die Abkühlung im Meer oder Pool nicht fehlen.

Die Kosten für die Pflegebegleitung wird einmal jährlich vollumfänglich übernommen. Ab der zweiten Reise gelten gestaffelte Zuschläge.

Ausserdem werden fünf Reisen ohne Pflege für selbstständige Aktivmitglieder angeboten, ideal für alle, die unabhängig reisen, neue Orte entdecken und gemeinsam mit anderen Rollstuhlfahrerinnen und -fahrern unterwegs sein möchten. Wir bieten Ihnen ein abwechslungsreiches Ganztagesprogramm. Bei unseren Badeferien hingegen steht Erholung im Vordergrund. Deshalb sind keine Ausflüge geplant.

Für einen reibungslosen Ablauf sorgt die Gruppenleitung. Sie unterstützt bei Bedarf mit kleinen Hilfestellungen, übernimmt jedoch keine pflegerischen Aufgaben. Die SPV nimmt keine Hilfsmittel mit.

VERANSTALTUNG

ParaReisen Day

Lassen Sie sich am 9. November 2025 vom Reiseangebot 2026 inspirieren.

Von 13 bis 16 Uhr werden in der SPZ-Begegnungshalle die Reisen 2026 präsentiert. Kommen Sie vorbei und profitieren Sie von einem einmaligen Rabatt von 50 Franken für die nächste Reise.

Natürlich dürfen an diesem Anlass der Rückblick auf das Reisejahr 2025 und der Austausch untereinander nicht fehlen. Wir offerieren Ihnen Kaffee und Kuchen. Das SPVReiseteam freut sich auf Sie.

REISE FÜR ALLE MITGLIEDER

MOBILITÄTSKURS

Rollstuhlhandling leicht gemacht

Anfang Mai übten neun Teilnehmende das Rollstuhlhandling am traditionellen Mobilitätskurs – in Nottwil, in Luzern und Sursee.

Von Simone von Rotz

Nicole Mellini aus Würenlos gehörte zu den Teilnehmenden des Mobilitätskurses der SPV. Die zweifache Mutter ist Mitglied des RTC Aargau, spielt dort Rollstuhltennis und arbeitet in einem Teilzeitpensum in der Schulverwaltung.

Aufgrund einer Krankheit (HSP – hereditäre spastische Parese – eine seltene, nicht heilbare neurodegenerative Erkrankung) ist die 61-Jährige seit rund zweieinhalb Jahren auf den Rollstuhl angewiesen. Sie hat gemerkt, dass er ein wertvolles Hilfsmittel ist, um wieder mehr Selbstständigkeit zurückzugewinnen. Zu Beginn war für sie das Rollstuhlhandling aber völlig ungewohnt. Sie bemerkte schnell, welche Hindernisse ihr Schwierigkeiten bereiteten. Nicole informierte sich deshalb bereits in

dieser Zeit nach Kursen, um den Umgang mit dem Rollstuhl zu lernen und meldete sich 2023 für den Mobilitätskurs bei der SPV an. Leider verhinderte eine Operation die Teilnahme.

Ein Highlight: Rolltreppenfahren

Nicole Mellini startet in diesem Jahr einen neuen Versuch, nahm am Mobilitätskurs vom 2. und 3. Mai 2025 teil und äusserte im Vorfeld ihre Erwartungen: noch mehr Selbstständigkeit erlangen sowie Tipps und Tricks sammeln.

MOBILITÄT VERBESSERN

Haben Sie auch Interesse, einen Mobilitätskurs zu besuchen?

Im April oder Mai 2026 werden wir wieder einen Kurs anbieten (die Ausschreibung erfolgt im Oktober).

Oder Sie besuchen das Sportund Freizeitcamp «move on» in der Woche vom 6. bis 11. Oktober 2025 in Nottwil. Dort wird an drei Halbtagen ebenfalls ein Mobilitätskurs angeboten.

Diese Erwartungen habe der abwechslungsreiche Kurs erfüllt. Ein Highlight war das Rolltreppenfahren mit dem Rollstuhl. Hinauf gehts vorwärts auf die Treppe, hinunter allerdings rückwärts – schwierig vorstellbar, wenn man es nicht selbst gesehen und gemacht hat. Rolltreppen fährt Nicole Mellini nun selbstständig und ist begeistert. Was ihr an den zwei Kurstagen ebenfalls erneut bewusst wurde: wie schnell man mit dem Rollstuhl nach hinten kippen kann.

Noch etwas Mühe bereitet ihr das Ankippen des Rollstuhls und das längere Halten dieser Position. Das verbessert sich zwar mit fleissigem Üben, doch sagt sie: «Mir war das während des Kurses, an dem jederzeit jemand zum Helfen da war, gar nicht bewusst, dass es zu Hause ohne Hilfsperson dann gar nicht so einfach ist.»

Wichtig: den Rollstuhl akzeptieren

Nicole Mellini empfiehlt den Kurs allen, denen das Gehen zum Beispiel wegen einer Krankheit zunehmend schwerer fällt und die einen Rollstuhl als Alternative in Betracht ziehen. Zuerst sei es wichtig, den Rollstuhl zu akzeptieren, was sie definitiv geschafft hat. Zusätzlich empfiehlt sie, einen Mobilitätskurs zu besuchen. Leider sei das Angebot nicht so gross und eher auf die Region rund um Nottwil limitiert. Für eine allfällige Fortsetzung würde sie sich einen Kurs in ihrer Region wünschen.

Die Aargauerin verliess den Campus Nottwil am Samstagabend zufrieden und mit einem Gepäck voller neuer Tipps und Tricks, wie sie sich in Zukunft mit dem Rollstuhl noch besser fortbewegen kann.

Nicole Mellini wendet das Gelernte an.

AUSFLUG

Lust auf Luzern

Badi und Schifffahrt, Interaktionen und Bar-Erlebnisse: Wayra Huber unternimmt mit einer Gruppe junger Leute einen Abstecher nach Luzern – und kann das Programm auch Personen im Rollstuhl nur empfehlen.

Von Peter Birrer

Es gibt viele Möglichkeiten, um die Schönheiten Luzerns zu entdecken. Wayra Huber liebt es, in die Stadt einzutauchen – speziell an sommerlichen Tagen, an denen die Vorzüge noch stärker zum Vorschein kommen. Die 23-jährige Rollstuhlfahrerin stellt für junge Leute ein Programm zusammen und macht sich mit ihnen auf einen Streifzug, der aus einer Kombination von Genuss und Aktivitäten besteht. Am späten Abend fasst sie ihre Eindrücke in einem Satz treffend zusammen: «Luzern ist einfach schön.»

Ufschötti – gemütlicher Start Treffpunkt ist die Ufschötti, eine grosszügig angelegte Parkanlage mit kostenfreier Badi direkt am Vierwaldstättersee. Zum Grüppchen gehören neben ihrem Basketballkollegen Basil Dias auch Ellen Richters, Caroline Pechous und Linus Klemenjak, die zu Fuss unterwegs sind.

Ein Badetuch, kühle Getränke, Chips und Jasskarten – und schon ist der Tag in vollem Gange, ohne dass ein grosser Aufwand nötig wäre. Wayra, die ihr Auto auf dem Behindertenparkplatz gleich bei der Ufschötti abgestellt hat, findet sich mit dem Rollstuhl auf der Wiese ebenso mühelos

zurecht wie Basil. «Man kann sein eigenes Essen mitbringen, begegnet immer wieder Bekannten und verbringt gemütliche Stunden zusammen», sagt Wayra.

Der Zugang zum See ist für Menschen mit einer Beeinträchtigung derzeit nicht ohne Hilfe möglich. Doch das soll sich ändern: Die Stadt Luzern hat den politischen Auftrag, einen barrierefreien Seezugang zu schaffen. Im Optimalfall wird das Projekt 2026 umgesetzt sein.

Vierwaldstättersee – viele Optionen Die Zeit auf der Ufschötti läuft ab, weil eine Schifffahrt ruft. In 15 Minuten ist der Steg 1 am Bahnhofquai erreicht. Ein Abstecher auf den Vierwaldstättersee ist auch für Personen im Rollstuhl kein Hindernis. Von den 20 Schiffen, die auf dem Wasser unterwegs sind, ist einzig das Elektro-Motorschiff Rütli, das älteste Schiff der Flotte, nicht barrierefrei.

Ansonsten sind sämtliche Aussendecks und Restaurants in der 2. Klasse ebenerdig. Das Motorschiff «Diamant» verfügt zudem über einen Lift, der Menschen im Rollstuhl den Zugang zur 1. Klasse ermög-

licht. «Und wenn es doch irgendeine Hürde zu überwinden gibt, ist das Personal sofort da, um zu helfen», sagt Wayra.

Sie liebt die Fahrt und findet es «mega schön», dass so viele Destinationen im Angebot sind. Zum Beispiel kann die Reise via Vitznau und von dort mit der Zahnradbahn nach Rigi Kulm führen. Oder nach Kehrsiten und mit der Standseilbahn auf den Bürgenstock. Die Liste liesse sich beliebig erweitern. «Es lohnt sich, verschiedene Routen auszuprobieren», sagt Wayra, «und das Gute: Mit dem Rollstuhl ist vieles machbar.»

Verkehrshaus – Sensibilisierung

An diesem Sommertag gehts nach wenigen Minuten von Bord – weil die nächste Attraktion wartet: das Verkehrshaus. Das weckt bei Wayra und den Begleitpersonen auch Kindheitserinnerungen. Ausstellungen, IMAX, Planetarium, Mobilität in allen Formen – langweilig wirds nie.

Zum Bereich Mobilität gehört auch ein Rollstuhlparcours, der für Fussgängerinnen und Fussgänger erlebbar macht, welche Schwierigkeiten Menschen im Rollstuhl

Abwechslung in Luzern Wayra Huber geniesst mit der Gruppe den Tag in der Badi, auf dem Schiff, am See, im Verkehrshaus und in der Louis Bar.

im öffentlichen Raum zuweilen meistern müssen. «MovAbility» ist eine interaktive Ausstellung, die sensibilisiert, auch die Begleitung von Wayra. «Es ist anspruchsvoll, auf unterschiedlichen Unterlagen mit dem Rollstuhl unterwegs zu sein», sagt Caroline Pechous, «und es ist erst recht eine Herausforderung, in ein Auto umzusteigen. Diese Transfers wirken oft leichter, als sie sind.»

Wayra und Basil bewältigen den Parcours zwar ohne grosse Anstrengung. Aber sie halten ihn für geeignet, um Fussgängerinnen und Fussgänger zu sensibilisieren: «Damit wird ein gewisses Verständnis geweckt. Und sehr erfreulich ist auch, dass Kinderrollstühle zur Verfügung stehen.»

Sunset Bar – Ferienstimmung

Nach den vielen Eindrücken im Verkehrshaus ist Entspannung angesagt. 15 Minuten rollt und spaziert die Gruppe dem Wasser entlang zur Sunset Bar, direkt am See gelegen. Der Kiesweg lässt sich mit stabiler Rumpfmuskulatur gut bewältigen. Ansonsten empfiehlt sich ein Zuggerät. Rollstuhlgängige Toiletten kann die Sunset Bar zwar nicht bieten, dafür aber das Hotel Seeburg auf der anderen Strassenseite.

«Der Weg zum Tisch und die WC-Situation sind kein Grund, um die Sunset Bar auszulassen», sagt Wayra, «mit etwas Planung findet man immer eine Lösung. Und auch hier sind die Angestellten hilfsbereit.»

Nicht nur die Lage ist wunderbar, auch das Essen schmeckt. Die Bestellung funktioniert simpel: den QR-Code scannen, das gewünschte Menü und die Drinks auswählen – und ein paar Minuten später wird alles an den Tisch geliefert. «Mega easy, mega modern», so das Urteil von Wayra, «hier herrschen richtig gute Vibes. Man fühlt sich wie in den Ferien. Auch ein kurzer Besuch nach Feierabend lohnt sich.»

Louis Bar – stilvolles Ambiente

Es wird langsam Abend. Zeit, um noch eine Station weiterzugehen und den Tag gemütlich ausklingen zu lassen. Das geschieht hoch über Luzern – in der Louis Bar des Hotels Montana. In die Höhe bringt uns eine Standseilbahn: Innert 60 Sekunden ist die Hotellobby erreicht.

«Upper Class», denkt sich Wayra, als sie sich ein Bild von der prächtigen Bar macht. Wer Whisky mag, kommt hier besonders

auf seine Kosten: Über 130 schottische Classic Malts stehen im Angebot. Livemusik, Jam Sessions jeweils am Donnerstag – und für den musikalischen Rahmen ist auch gesorgt. «Das Ambiente ist überaus stilvoll», sagt Wayra und gönnt sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen einen (Whiskyfreien) Drink.

Die Louis Bar überzeugt sie in allen Belangen, nicht zuletzt wegen der Infrastruktur, zu der rollstuhlgängige Toiletten in der Nähe zählen. «Und dann diese Aussicht von hier oben …!», sagt sie. Ein Grund mehr, um den Abschied hinauszuzögern.

Als die Nacht über die Stadt hereingebrochen ist, machen sich die jungen Leute langsam auf den Heimweg. Und Wayra rührt noch einmal die Werbetrommel: «Luzern muss man einfach gern haben.» Video Begleiten Sie Wayra Huber mit ihrer Gruppe durch Luzern.

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ENTSCHLEUNIGUNG

Dieser Tag war ein Geschenk

Jacqueline Keller absolvierte ihren ersten Yoga-Workshop am Sempachersee – und integriert nun Übungen in ihren Alltag. Die 45-Jährige ist begeistert.

Von Peter Birrer

Das Angebot entdeckt sie auf der Website der SPV. «Yoga-Sommer-Workshop» heisst der Anlass und weckt das Interesse von Jacqueline Keller. Yoga ist für sie zwar Neuland, aber sie sagt sich: «Ich bin offen für alles, was meine gesundheitliche Situation verbessert.»

Die 45-Jährige aus Brunnen, Mitglied des RC Zentralschweiz und ausgebildete Pflegefachfrau HF, leidet an einer seltenen Krankheit und an Myalgischer Enzephalomyelitis (ME), einer chronischen Multisystemerkrankung. Seit 2016 kommt sie nicht mehr ohne Rollstuhl aus, seit fünf Jahren benötigt sie eine Sauerstoffzufuhr. Aber eines lässt sie sich nicht nehmen: die Lust am Leben.

Sie ist gespannt darauf, wie sich Yoga auf den Rollstuhl adaptieren lässt. Klar ist, dass der Workshop am Sempachersee für sie mit einem Kraftakt verbunden ist: «Ich werde in den Tagen danach büssen. Nach einer

solchen Anstrengung reagiert der Körper ziemlich heftig.» Doch das hindert sie nicht daran, sich anzumelden. «Ich habe die Gabe, im Kleinen etwas Grosses und Schönes zu sehen. Das macht meinen Alltag lebenswert. Das Hier und Jetzt ist wichtiger als das Morgen. Ich nehme jede Chance wahr, um aus dem Alltag auszubrechen.»

Lebensphilosophie», sagt sie, die einen eigenen Stil entwickelt hat, um gezielt auf die Bedürfnisse von Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung eingehen zu können. Ihr Credo: Yoga ist für alle möglich.

Jacqueline Keller begibt sich auf eine Gedankenreise. Schliesst die Augen. Vergisst alles rundherum. Blendet die hohen Temperaturen aus. Kann loslassen und entschleunigen. Spürt die Muskeln. Und empfindet die Lektion als «wohltuend schön, in einer wunderbaren Umgebung». Zum Programm gehören zudem Diskussionen innerhalb der Gruppe. «Die Gespräche und der Erfahrungsaustausch waren die perfekte Abrundung», sagt sie. «Dieses Erlebnis kann mir niemand wegnehmen.»

Übungen in den Alltag eingebaut Normalerweise reicht die Energie nicht, um sich nach dem Mittag noch stundenlang ausserhalb der eigenen Wohnung aufzuhalten. Deshalb kommen für sie nur Events am Vormittag infrage. Diesmal aber verfliegt die Zeit, und erst nach 16 Uhr macht sich Jacqueline Keller auf den Heimweg: «Ich war regelrecht in einem Flow und fuhr glücklich nach Hause. Dieser Tag war ein Geschenk.» Ihre Begeisterung brachte sie auch mit einem Facebook-Eintrag zum Ausdruck: «Ganz nette Menschen, Yoga direkt am See – einfach ein Traum! Und sehr nette und tiefgründige Gespräche.»

Yoga im Rollstuhl funktioniert Yoga für Personen im Rollstuhl – darauf hat sich Karin Roth spezialisiert. Die ausgebildete Lehrerin, einst zwei Jahrzehnte als Pflegefachfrau im SPZ tätig, sorgt in einer ersten Phase dafür, dass die drei Teilnehmenden im Moment ankommen und sich wohlfühlen. Dann folgen Atemübungen, die helfen, die innere Ruhe zu finden. Und schliesslich zeigt Karin Roth Möglichkeiten auf, mit Meditation die Körperwahrnehmung zu fördern. «Yoga ist eine

Im Workshop lernte sie Übungsformen, die sie bereits in ihren Alltag eingebaut hat. «Sie unterstützen mich dabei, die Balance zu finden», erklärt sie, «mit geringem Aufwand lässt sich bereits viel bewegen.» Sie glaubt, dass Yoga ein geeignetes Mittel ist, um erfolgreich gegen das Brennen in ihren Muskeln, die Fatigue, den Brain Fog (Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit) und gegen ME allgemein anzukämpfen. Und darum wird sie künftig bei Yoga-Sessions dabei sein, wann immer sich die Möglichkeit ergibt. Denn eines betont sie mit entschlossener Stimme: «Ich gebe nie auf!»

SPORTKARRIERE

Die Anstellung beim Militär als Glücksfall

2019 spielte Ilaria Renggli erstmals Rollstuhl-Badminton, 2024 gewann sie ParalympicsBronze. Seit Februar kann sich die 25-jährige Aargauerin, die inzwischen Ilaria Olgiati heisst, voll auf den Sport konzentrieren – dank der Schweizer Armee.

Von Peter Birrer

Die Bilder vom 2. September 2024 lösen heute noch starke Emotionen aus. Sie halten den Moment fest, in dem eine junge Schweizerin Geschichte schreibt: Sie gewinnt als Ilaria Renggli an den Paralympics in Paris die Bronzemedaille im Badminton-Einzel. Bis dahin hat das in der Historie der Olympischen Spiele und der Paralympics weder eine Athletin noch ein Athlet aus unserem Land geschafft.

Die 25-Jährige fährt den Lohn dafür ein, dass sie in den Monaten zuvor alles dem Badminton untergeordnet hat. Aber ein Leben als Profi lässt sich auf Dauer kaum finanzieren, erst recht nicht in einer Randsportart, in der die Sponsoren nicht gerade Schlange stehen. Und sie sagt zudem selber über sich: «Ich verkaufe mich nicht besonders gut.»

Anfang Februar 2025 änderte sich ihre Situation markant: Die Schweizer Armee nahm sie unter Vertrag – als ZeitmilitärSpitzensportlerin für die nächsten vier Jahre. Das heisst: Sie erhält einen 50-ProzentLohn und kann den sportlichen Fokus ganz auf die nächsten Paralympics richten, die 2028 in Los Angeles stattfinden werden.

2024 war ein turbulentes, ja wohl auch verrücktes Jahr im Leben der Aargauerin aus Hottwil. Und um das einordnen zu können, muss ein bisschen ausgeholt werden.

Karin Suter-Ehrats Einfluss

In ihrer Jugend entdeckt Ilaria das Kunstturnen. Badminton? Ist für sie Federball, ein Spiel zum Plausch. Bei einem operativen Eingriff tritt eine Blutung im Rücken auf, die sie 2018 zur Paraplegikerin macht. Während ihrer Rehabilitation im Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) lernt sie Karin Suter-Ehrat kennen, die eine lange und erfolgreiche Badmintonkarriere hinter sich hat und der jungen Kollegin schmackhaft macht, einmal ein Racket in die Hand zu nehmen.

Mit der ehemaligen Paralympics-Teilnehmerin spielt Ilaria im September 2019 erstmals das, was man unter Badminton ver-

steht. Ein paar Wochen später absolviert sie in Birrhard AG ihr erstes offizielles Training – und kommt von diesem Sport nicht mehr los.

Sie will lernen, möglichst viel und möglichst schnell. Alles, was sie an Informationen erhalten kann, saugt sie auf. Die Corona-Pandemie erzwingt einen Unterbruch, aber das vermag ihr die Leidenschaft nicht zu rauben. Im Gegenteil. 2021 bestreitet sie ihr erstes Turnier und wird seit diesem Zeitpunkt von Marc Lutz gecoacht. Der Nationaltrainer des Para-Badmintonteams fördert die Aargauerin, die ihn mit ihren Eigenschaften überzeugt: Ehrgeiz, Fleiss, Talent, Disziplin, strukturiertes Denken

Eingespieltes

Duo Ilaria Olgiati mit Trainer Marc Lutz

und Handeln – all das zeichnet die Athletin aus. «Ilaria fuchst es, wenn etwas nicht sofort klappt», sagt Marc Lutz, «manchmal muss ich sie fast bremsen, wenn sie zu rasch zu viel möchte.»

Ihr Tempo beeindruckt. An der WM 2022 holt sie WM-Bronze im Einzel und dieselbe Medaille im Doppel zusammen mit Cynthia Mathez. 2023 verbringt sie die Zeit von April bis August in der Spitzensport-RS und sichert sich in diesem Jahr einen Startplatz an den Paralympics. Offen sagt sie: «Ohne die RS wäre mir die Qualifikation nicht gelungen.» Und in Paris landet sie den Bronze-Coup. Wobei ihr nicht nur der Wettkampf in bester Erinnerung bleibt, sondern auch die Eröffnungsfeier: «Es war ein grandioses Erlebnis.»

Stolze Botschafterin der Armee

Die Spiele und der Grosserfolg machen Lust auf mehr. Im Jahr vor den Paralympics hatte sie den Vorteil, als Absolventin der Spitzensport-RS dem Sport genügend Raum geben und quasi Profi sein zu können. Jetzt aber braucht sie eine neue Lösung. Und die findet sie wiederum bei der Armee. Sie schickt ihr Bewerbungsdossier samt Motivationsschreiben ein. Sie tut das nicht mehr unter dem Namen Renggli, sondern Olgiati. 19 Tage nach dem Triumph von Paris hat sie geheiratet. Am 11. November 2024 meldet das Kompetenzzentrum Sport der Armee ihre Aufnahme.

Ilaria Olgiati ist die erste Zeitsoldatin mit einer körperlichen Beeinträchtigung. Und sie kann sich praktisch ausschliesslich dem Sport widmen. Gelegentlich stehen Termine an, die sie im Auftrag des Militärs wahrnehmen muss. Dazu zählen zum Beispiel Vorträge, in denen sie ihre Erfahrungen als Spitzensportlerin und die Verbindung zum Militär schildert. Für sie ist es eine Ehre, nun auch eine Botschafterin der Schweizer Armee zu sein: «Ich trage das Logo mit Stolz auf meinem Trikot und repräsentiere unsere Armee auch international.»

Es ist nicht so, dass sie in den vier Jahren finanzielle Reserven anlegen kann. Aber das ist auch nicht ihre Ambition. «Ich liebe den Sport und bin extrem dankbar, dass sich diese Konstellation ergeben hat», sagt

sie. Ilaria Olgiati kommt so über die Runden, dass sie keine schlaflosen Nächte haben muss und es sich leisten kann, die Flugreise an mehrere Turniere sowie die Hotelunterkünfte zu zahlen – und für die Spesen des Trainers aufzukommen, wenn er sie an einen Wettkampf begleitet.

Gleichzeitig kann sie an sechs von sieben Tagen intensiv trainieren. Fünfmal pro Woche verbringt sie mehrere Stunden in Birrhard, einmal fährt sie für eine Einheit nach Oberwil im Baselland. Ausserdem gehört die Arbeit im Kraftraum dazu. Einzig am Sonntag gönnt sie sich eine Trainingspause.

«Die Freude am Sport ist für mich die Basis»

Ein Topumfeld aufgebaut

Ebenfalls grossen Wert legt sie auf andere Faktoren, mit denen sie ihr Leistungsvermögen optimieren will. Sie tauscht sich regelmässig mit einem Mentaltrainer aus und setzt auch auf Ernährungsberatung. «Ilaria überlässt nichts dem Zufall», sagt ihr Trainer Marc Lutz, «sie hat sich ein ausgezeichnetes Umfeld aufgebaut und professionalisiert.» Der Aufwand ist beträchtlich – und auch zwingend. «Badminton ein bisschen nebenbei spielen, das funktioniert nicht auf diesem Niveau», sagt Andreas Heiniger, Leiter Leistungssport der SPV. «Darum ist das Zeitmilitär für sie eine Riesenchance. Und Ilaria tut dem Schweizer Para-Badmintonsport natürlich sehr gut. Sie ist für andere ein Vorbild.»

Nun könnte man meinen, dass für Ilaria Olgiati nur ein Thema existiert: Badminton. Aber dem steuert die Spitzensportle-

rin bewusst entgegen, indem sie ihre Hobbys pflegt. Sie liebt Gartenarbeit, zeichnet gern und spielt Klarinette in der Musikgesellschaft von Suhr, der Gemeinde, in der sie aufgewachsen ist. «Die Abwechslung ist wichtig», sagt sie, «natürlich dominiert Badminton meinen Alltag, doch es muss Platz für anderes haben.»

Ilaria Olgiati hat Stoff für Schlagzeilen geliefert und ihren Bekanntheitsgrad gesteigert. Wer allerdings auf die Idee kommt, sie als «Star» zu bezeichnen, erntet als Antwort lediglich: «Oh, Gott! Bloss das nicht! Ich bin und bleibe Ilaria, die gerne Badminton spielt und es als Privileg erachtet, das nun in einem professionellen Rahmen tun zu dürfen.»

Sie spielt, solange sie Spass hat Die Paralympics 2028 sind zwar ein Ziel, das mit dem Engagement beim Militär eng verbunden ist. Und Marc Lutz traut seiner Athletin zu, dass sie mit einer gezielten Vorbereitung auch in den USA noch einmal über sich hinauswachsen kann. Zu weit in die Ferne schauen, das möchte Ilaria Olgiati indes nicht. Entscheidend ist für sie nur eines: dass sie den Spass beibehalten kann. «Die Freude ist für mich die Basis. Wenn sie verloren geht, höre ich lieber auf.»

Unverändert ist ihr Streben nach Verbesserungen. Stundenlang kann sie auf dem Court an ihrer Technik feilen, notfalls Hunderte Male den gleichen Schlag üben, mit dem sie im Wettkampf ihre Gegnerin überrascht. Das erfordert viel Selbstdisziplin. Noch immer dürfte alles eine Spur schneller gehen. «Ich bemühe mich, geduldiger zu werden», versichert Ilaria Olgiati. Sagts und macht sich wieder an die Arbeit. Mit Racket und Shuttle.

Zeitsoldatin Ilaria Olgiati mit Kolleginnen und Kollegen

NLR-EXPERTENGRUPPE

Leistungsdiagnostikerin

Céline Knopfli

Geballtes Wissen an einem Ort: Das Team des Nationalen Leistungszentrums für Rollstuhlsport (NLR) begleitet unsere Athleten auf dem Weg an die Spitze. Céline Knopfli ist Expertin in Sachen Diagnostik bei der Sportmedizin Nottwil.

Im NLR-Expertenteam seit?

Ich bin seit Mai 2024 dabei.

Deine Aufgabe im NLR?

Als Leistungsdiagnostikerin führe ich regelmässig Leistungstests mit Athletinnen und Athleten durch, um ihre individuelle Leistungsfähigkeit zu beurteilen und Fortschritte messbar zu machen.

Deine Lieblingstätigkeit im Job?

Ich schätze besonders die Zusammenarbeit mit den Sportler*innen aus verschiedenen Disziplinen und Sportarten.

Was ist deine Superpower?

Ich kann mich gut in andere Menschen hineinversetzen und so eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen.

Deine Lieblings-App?

Instagram. Dort kann ich mich kreativ ausdrücken, mit anderen interagieren und neue Inhalte entdecken.

EM-BASKETBALL

A-Comeback

Die Schweizer Basketballer kehren nach gewonnener B-EM im vergangenen Jahr auf die grosse Bühne der besten zwölf europäischen Teams zurück.

In Sarajevo stiegen die Schweizer 2024 mit beeindruckenden Leistungen in die Division A auf. Das Team von Trainer Nicolas Hausammann brachte sämtliche Partien ohne Niederlage hinter sich, dominierte Gastgeber Bosnien-Herzegowina im Final und sicherte sich den hochverdienten Aufstieg. Nun kehrt die Auswahl in die bosnische Hauptstadt zurück und strebt an der A-EM vom 7. bis 9. Oktober den Klassenerhalt an. Hoffen wir, dass das gewonnene Selbstvertrauen und die positiven Erinnerungen unserer Mannschaft helfen werden, ihre Ziele zu erreichen.

RUDERN

WM 2025 in Shanghai (CHN)

Mit ihrem eindrucksvollen Sieg an der Lucerne Regatta sicherte sich Para-Ruderin Claire Ghiringhelli das WM-Ticket für die Schweiz.

Nach der verpassten Teilnahme WM 2023 infolge einer Thrombose möchte Claire Ghiringhelli an der WM in Shanghai vom 21. bis 28. September 2025 ihre bisher nahezu perfekte Saison mit einem Glanzpunkt abschliessen.

Sie konnte nach ihrem achten Rang an den Paralympischen Spielen in Paris 2024 mit EMBronze und dem Triumph in Luzern untermauern, dass sie bereits wieder in starker Form ist. In den kommenden Wochen soll an Technik und Ausdauer gefeilt werden, um im hochkarätigen Teilnehmerfeld zu bestehen. Coach Christophe Malchère zeigt sich zuversichtlich: «Claire kann sich noch weiter steigern und ist bereit für einen weiteren grossen Schritt Richtung Weltspitze.»

LEICHTATHLETIK

Neu-Delhi im Rampenlicht

Vom 27. September bis 5. Oktober 2025 misst sich die Weltspitze der Leichtathletik in der indischen Hauptstadt NeuDelhi.

Nach der erfolgreichen Medaillenjagd an den Paralympics 2024 in Paris heisst es für unser Leichtathletik-Team, ihre Qualitäten in Indien unter Beweis zu stellen. Fabian

Blum, Catherine Debrunner, Patricia Eachus, Marcel Hug und Licia Mussinelli vertreten die Schweiz. Die Gesamtdelegation wird von drei Athleten von PluSport (Stehend) komplettiert. Mit über 1000 Athletinnen und Athleten wird diese WM das grösste Para-Sportereignis in der Geschichte Indiens sein. www.paralympic.org

In Erinnerung an Lorraine Truong

Am 10. Juni 2025 verstarb Lorraine Truong – dreifache WCMX-Weltmeisterin und Mitgründerin des internationalen WCMX-Verbandes.

Mit beeindruckender Hingabe initiierte sie eine World Series, entwickelte ein Regelwerk und ein faires Klassifizierungssystem – trotz gesundheitlicher Herausforderungen. Lorraine war nicht nur sportlich eine Ausnahmeerscheinung. Sie inspirierte durch ihre offene, wertschätzende und motivierende Art unzählige Menschen – darunter viele, die ihr nie persönlich begegnet sind. Auch in der Schweiz,

EM-SELEKTION

Sportschiessen

WCMX

WM-Premiere

Am 12. und 13. September findet im Stones Family Skatepark in Bulle erstmals die WCMX-WM statt.

Nach einem Workshop am Freitag duellieren sich am Samstag Athlet*innen aus aller Welt, darunter der Schweizer Emiglio Pargätzi, um die WCMX-Qualifikation und Finals.

insbesondere in Nottwil, war sie eine geschätzte Persönlichkeit und beliebte Athletin.

Die erste offizielle WCMX-Weltmeisterschaft in der Schweiz am 12./13. September 2025 wird ohne sie stattfinden – doch ihr Geist wird spürbar sein.

Als Zeichen der Verbundenheit und Wertschätzung ehrt die Community sie am Freitag, 12. September 2025, mit einer besonderen Session im Skatepark Bulle: Ride for Lorraine. Ihr Vermächtnis lebt weiter – in jedem Run, mit jedem Trick. WCMX

TISCHTENNIS

EM-Fokus

Nach dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Europameisterschaften 2019 in Helsingborg wird Silvio Keller auch in diesem Jahr vom 20. bis 25. November an gleicher Stelle an den Start gehen – mit dem Ziel, eine weitere Medaille zu erringen. Für den derzeit auf Rang 7 der europäischen Rangliste geführten Athleten ist Helsingborg ein Ort mit besonderer Bedeutung.

Nicole Häusler, die erfahrene Gewehrschützin, und Stefan Amacker, der talentierte Pistolenschütze, dürfen sich berechtigte Hoffnungen auf eine Selektion für die Europameisterschaften 2025 machen.

Für Stefan Amacker wäre eine Nominierung ein bedeutender Meilenstein auf seinem Weg an die sportliche Spitze. Im Herbst wird er zudem die Spitzensport-Rekrutenschule absolvieren. Nicole Häusler ist mehrfache EM-, WM- und Paralympicsteilnehmerin. Der Anlass findet vom 30. September bis 7. Oktober in Osijek (Kroatien) statt.

BADMINTON

EM in Istanbul

Die Schweizer Athletinnen und Athleten werden bestrebt sein, die Medaillenausbeute von 2023 an den European Para Championships in Rotterdam zu bestätigen.

Die Europameisterschaft vom 30. September bis 5. Oktober wird eine gute Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften Februar 2026 in Bahrain sein.

Ein Hoch auf Pippi Langstrumpf

Rote Zöpfe, Kapitän Efraim, Villa Kunterbunt – und Kinder, die zwei vergnügliche Tage erlebten: Das war das Kids Camp 2025.

KIDS CAMP

Was für strahlende Augen! Was für ein Spass! Die Kinder tragen rote, abstehende Zöpfe oder tauchen als kleine Piraten auf. Jetzt sind sie alle Pippi Langstrumpf – oder Efraim, der bärtige Schrecken der Meere, Pippis Vater. Und sie dürfen das tun, wonach ihnen der Sinn steht. Ganz nach dem Motto von Pippi, dem Mädchen mit den frechen Sommersprossen: «Ich mach die Welt, wie sie mir gefällt.»

Zwei Tage dürfen sie sich ihre eigene Welt basteln. Sie verbringen gemeinsam viel Zeit auf dem Campus in Nottwil, mit ihren Eltern, Geschwistern und anderen Kindern im Rollstuhl, mit denen sie inzwischen befreundet sind. Und für die meisten von ihnen ist dieses Wochenende Mitte Juni ein Pflichttermin. Das Kids Camp steht an, ein Anlass, der sich grosser Beliebtheit erfreut und seit mehr als 30 Jahren aus dem Jahresprogramm der SPV nicht mehr wegzudenken ist.

Lust auf Rollstuhlsport wecken 17 Kinder im Rollstuhl sind diesmal dabei, fast ausnahmslos Stammgäste, dazu zehn Geschwister, die alle Aktivitäten ebenfalls mit dem Rollstuhl meistern. Die Grundidee des Kids Camp besteht darin, bei den jungen Teilnehmenden im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren die Lust auf Rollstuhlsport zu wecken – auf spielerische Weise. Das gewährleistet ein OK, bestehend aus einem routinierten Trio: Thomas Hurni (Leiter Breitensport – Freizeit – Gesundheit BFG bei der SPV), Martina Meyer (Koordinatorin BFG) und Ursula Basler, die das Kids Camp praktisch seit Beginn als Freiwillige begleitet.

Wertvolle Unterstützung erhalten sie von einem eingespielten, ehrenamtlichen Team, ohne das eine Durchführung nicht möglich wäre. Teile des Schweizer ParaplegikerZentrums in Nottwil werden dieses Jahr in eine kleine Villa Kunterbunt, in der Pippi Langstrumpf daheim ist, verwandelt. Am ersten Tag sind die Kinder unter anderem mit Reiten beschäftigt. Sie dürfen auf dem Rücken eines Islandpferdes, das in Nottwil jeweils bei Hippotherapien im Einsatz steht, über das Gelände reiten. Wobei das Islandpferd natürlich, ganz im Sinne des Mottos, zum «Kleinen Onkel» wird, Pippis Pferd.

Für die Eltern bedeutet das: Sie dürfen sich am Samstag zurücklehnen, sich untereinander austauschen und Zeit ohne Betreuungsaufgaben geniessen. «Sie schätzen es immer sehr, wenn sie einmal ein paar Stunden für sich haben», sagt Martina Meyer.

Sportlich und kreativ

Die Kinder stört das nicht, im Gegenteil. Sie vergnügen sich in der Villa Kunterbunt zum Beispiel mit dem Piratenspiel, ausgeheckt von Ober-Efraim Thomas Hurni. Und sie bewältigen mit grossem Eifer einen Abenteuer-Parcours, bei dem es darum geht, einen Schatz zu finden – selbstredend auf Rädern. Der Parcours, geleitet vom ehemaligen Kids-Camp-Teilnehmer Adrian Ruf und Céline Knopfli von der Sportmedizin des SPZ, dient zum Spass und gleichzeitig als Mobilitätstraining, bei dem Geschicklichkeit gefragt ist im Umgang mit dem Rollstuhl.

Am Sonntag schliesslich dürfen sie sich als Pippi oder Kapitän Efraim zusammen mit einem Kartonpferd fotografieren lassen. Die Rahmen für die Bilder werden liebevoll und bunt verziert. Ausserdem schmücken die Kinder in der Sporthalle die gebackenen Lebkuchenpferde nach Lust und Laune mit allerlei Süssem. Und den krönenden Abschluss bildet die Pippi-Rollolympiade: Familien absolvieren in der Turnhalle des SPZ gegeneinander einen vergnüglichen Wettkampf.

Impressionen

Dabeisein lohnt sich: Highlights Kids Camp 2025.

Die Begeisterung lässt sich aus den Gesichtern ablesen und ist wiederholt hörbar. «Das Kids Camp ist für uns ein Herzensprojekt», sagt Martina Meyer, «aber nicht nur: Unser grossartiges Helferteam, die Hippotherapie und die Gastronomie des SPZ helfen mit, damit das Fazit am Ende überaus positiv ausfällt.»

Sorgen um helfende Hände braucht sich das OK keine zu machen. Bereits haben Kinder, die dieses Jahr als Teilnehmende dabei waren, signalisiert, dass sie in Zukunft einmal als Freiwillige einen Beitrag leisten möchten. Das motiviert zusätzlich, sich auch für 2026 etwas Besonderes einfallen zu lassen – wie in diesem Jahr mit Pippi Langstrumpf, Efraim und Co.

UNTERSTÜTZUNG

Ein herzliches Dankeschön gebührt neben dem OK und den Volunteers den Partnern Stiftung Folsäure, SBH, Orthotec und Cosanum für die grosse Unterstützung.

SCHNEESPORT

Mehr Effizienz und Zugänglichkeit

Die Ausbildung von Instruktorinnen und Instruktoren in den Disziplinen Monoski und Dualski wird gezielt angepasst – und soll dazu beitragen, den Wintersport inklusiver zu gestalten.

Von Davide Bogiani

Mit dem nahenden Winter beginnt man bereits den Duft des Schnees zu riechen und sich die ersten Abfahrten auf den Pisten vorzustellen. Skifahren, Snowboarden, aber auch Monoski und Dualski: Die Berge bereiten sich darauf vor, alle Wintersportbegeisterten willkommen zu heissen –ohne Ausnahme.

Ohne Guides gehts nicht In der verschneiten Winterlandschaft der Alpen spielt Inklusion auch eine Rolle beim Skifahren, sei es selbstständig oder mit der nötigen Unterstützung. Während einige Athletinnen und Athleten mit Behinderung die Pisten eigenständig mit dem Monoski meistern, benötigen andere die Begleitung eines Guides – eine unverzichtbare Figur beim Dualski.

Seit Jahren bietet die Schweizer Paraplegiker-Vereinigung eine spezielle Ausbildung für Instruktorinnen und Instruktoren in

den Disziplinen Monoski und Dualski an. Der bisherige Ablauf umfasste einen theoretischen Teil mit medizinischem Schwerpunkt, drei Tage technische Ausbildung, fünf Praxistage zur Qualifikation als Guide und schliesslich den Prüfungstag zur Erlangung der Qualifikation als Specialist.

Die Zertifizierung als Guide erlaubt es, Menschen mit Behinderung auf die Pisten zu begleiten. Und das sowohl im Rahmen strukturierter Programme wie beispielsweise Schulskilager als auch bei individuellen Ausflügen mit Freunden oder der Familie. Das Specialist-Zertifikat hingegen ermöglicht es, in Skischulen in der gewählten Disziplin zu arbeiten.

Sport+Handicap EDUCATION entsteht Ab diesem Jahr gibt es eine wichtige Neuerung im Bereich der Ausbildung: Rollstuhlsport Schweiz und PluSport – zwei

langjährige Akteure im Bereich – haben sich in Zusammenarbeit mit Procap zu einem Anbieter zusammengeschlossen. So entstand Sport+Handicap EDUCATION, eine gemeinsame Ausbildungsplattform, die zu mehr Effizienz und Zugänglichkeit führen soll.

Neben der Vereinheitlichung des Angebots ändert sich auch die Struktur der Ausbildung. Die praktische Phase zur GuideAusbildung wurde von fünf auf drei Tage verkürzt. Diese Änderung soll es den angehenden Guides ermöglichen, schneller und kostengünstiger aktiv zu werden –selbstverständlich unter Einhaltung geprüfter Sicherheitsstandards. Die Beurteilung zur Guide-Qualifikation erfolgt nun am Ende des dritten Tages im jeweiligen Fachmodul.

Die Verkürzung der Praxistage löste logistische Herausforderungen. Eine geeignete Infrastruktur für fünf aufeinanderfolgende Tage zu finden, war nicht immer einfach. Das Risiko bestand, dass Teilnehmende die Ausbildung verschieben oder auf zwei Saisons aufteilen mussten. Mit dem kürzeren Zeitaufwand können Guides nun meist schon in derselben Saison tätig werden, in der sie die Ausbildung abgeschlossen haben.

Wer die Qualifikation als Specialist anstrebt, kann dies durch weitere drei Praxistage und eine Abschlussprüfung erreichen. Diese höchste Stufe der Ausbildung berechtigt dazu, als Lehrer*in in Skischulen zu arbeiten und wird als Zusatzqualifikation (für ein zweites Sportgerät) in den Fachrichtungen Ski, Snowboard, Telemark und Langlauf innerhalb der SnowsportsAusbildung anerkannt.

Antwort auf die steigende Nachfrage Mit diesen Neuerungen wird der Weg zur Guide-Ausbildung zugänglicher und eröffnet neue Möglichkeiten für Skiclubs, Skischulen und spontane Gruppen. Die ausgebildeten Guides können auf eine stetig wachsende Nachfrage reagieren, während die Specialists eine strategische Rolle innerhalb der Skischulen übernehmen – und so dazu beitragen, den Wintersport inklusiver zu gestalten.

EIN TAG MIT PASCAL CHRISTEN

Im Zentrum steht die Leidenschaft

Sommer, Schweiss, Mountain-Handbiken und Sit-Wake für das grosse Ziel von Milano Cortina 2026: Pascal Christen gibt auch im Sommer alles.

Von Nicolas Hausammann

Wenn sich der Morgen langsam über die Zentralschweiz legt, ist Pascal Christen oft schon in Bewegung. Der MonoskibobFahrer der Schweizer Nationalmannschaft lebt seinen Sport – auch dann, wenn kein Schnee liegt. Ein Tag mit ihm ist eine Reise durch physische Höchstleistungen, mentale Klarheit und das Streben nach dem schnellstmöglichen Ich.

Struktur trifft Freiheit

Pascal Christen trainiert neun Monate im Jahr auf dem Schnee für den Winter, und das beginnt im Sommer. Drei Monate nutzt er besonders intensiv für den physischen Aufbau: Kraft, Ausdauer und Koordination stehen im Fokus, Neuroathletik und Mentaltraining ergänzen das Programm. Die Grundlagen legt er in strukturierten Einheiten am Vormittag im Kraftraum mit dem Athletiktrainer des Nationalen Leistungszentrums für Rollstuhlsport. Der Nachmittag ist freier gestaltet und man trifft ihn auf dem Mountainbike-Trail, in der Halle beim Basketball spielen oder auch mal am Wakeboard-Lift an.

«Als Leistungssportler mag und suche ich konstant die Messbarkeit des Trainings. Dem wird das Training am Vormittag gerecht, bei dem alle Daten akribisch notiert und ausgewertet werden. Bei den Nachmittagseinheiten geht es bewusst ums Kopflüften und Geniessen der Freiheit», erzählt

der Ski-Crack. Trotzdem bringen diese Sportarten wertvolle Elemente für den Skisport mit: Rumpfstabilität, Timing, HandAuge-Koordination. Allesamt Elemente, die essenziell sind für den Rennsport und das gezielte Ansteuern der Tore. Und das Wakeboarden beinhaltet gar ähnlich fliessende Bewegungsmuster wie auf dem Schnee.

Sitzen, gleiten, fliegen

Zum Zeitpunkt des Gesprächs ist Pascal Christen unterwegs nach Bartenheim im Elsass zum Wakeboard-See. Sit-Wake mit Tessier-Schale ähnlich derjenigen von den Monoskibobs. Gleitend über das Wasser mit dem Gefühl von Fliegen, wird klar: Der See ist sein Sommer-Schneefeld.

«Ich fahre aber auch viel mit meinen Kollegen in Bikeparks – mit der Downhillversion des Bowhead Mountain-Handbikes. Kernwald, Marbacheregg, Engelberg sind meine Go-to Trails – blaue Jumptrails und rote Techtrails schaffe ich spielend. Das bereitet mir nicht nur Freude, sondern macht auch Mut, schärft die Sinne für Kontrolle und Reaktion», erzählt Pascal.

Luxus, Risiko und Leidenschaft Zwischen den Trainingseinheiten, Wäsche, Büro und E-Mails wird neben der ganzen Selbstdisziplin und Planung auch das Sozialleben «eingepflaumt», wie er sagt. Da-

für muss, wegen der vielen Abwesenheiten im Skirennsport im Winter, im Sommer unbedingt Zeit bleiben.

Pascal liebt die Vielfalt. «Ich arbeite polysportiv, das ist der Luxus eines Skifahrers. Klar, die Sportarten sind risikoreich, aber das ist Skifahren auch. Das Freiheitsgefühl hat seinen Preis definitiv im Risiko. Aber ich fühle mich dabei wahnsinnig lebendig.»

Der Load ist hoch – körperlich und mental. Aber das Ziel ist klar: «Die Paralympics Milano Cortina, die mein grosses Ziel sind.»

Und so endet ein Sommertag bei Pascal Christen nicht im Liegestuhl, sondern mit dem Blick voraus: «Am Ende des Tages organisiere ich jeweils den nächsten. Das geht von der Wartung und Weiterentwicklung des Equipments bis zum Ein- und Ausladen der Geräte – Skis, Handbikes, Wakeboard», erzählt er. «Das unterschätzt man gerne. Aber es braucht enorm viel Zeit als Paraplegiker.» Der Sommer ist für ihn keine Off-Season, sondern der Anfang des Winters.

Pascals Freiheit beim Biken miterleben. So flitzt der Ski-Crack über die Trails.

« MOVE ON»

Drei Tage Spiel, Sport und Spass

Attraktives Angebot, blauer Himmel, begeisterte Teilnehmende: «move on» Romandie 2025 erfüllte in jeder Hinsicht die Erwartungen.

Von Samia-Lou Rytz und Laurane Wermeille

Vom 16. bis 18. Mai 2025 fand das Sportund Freizeitlager «move on» Romandie in Bulle und Yverdon mit 16 Personen im Rollstuhl aus verschiedenen Regionen und Altersgruppen statt. Gemeinsam erlebten sie drei intensive Sporttage, Entdeckungen und Austausch. Die Veranstaltung von Rollstuhlsport und Freizeit der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung bot einen ausgezeichneten Rahmen, in dem jede und jeder eine Vielzahl von Aktivitäten in entspannter Atmosphäre ausprobieren konnte. Die Teilnehmenden hatten im Vorfeld eine Aktivität pro Halbtag nach ihren Wünschen ausgewählt.

Das vielfältige Programm beinhaltete eine ganze Reihe an Aktivitäten: Kajak, Rudern, Padeltennis, Tanzen, Boccia, WCMX (Rollstuhl-Skaten), Angeln, Badminton, Mobilitätstraining und zum ersten Mal ein City Game. Jede Aktivität war so konzipiert, dass individuelle Fortschritte möglich waren, sich niemand unter Druck fühlen musste und die Gruppe gesellige Momente erleben konnte.

Sport in allen Variationen Rudern und Kajakfahren boten die Gelegenheit, Koordination und Harmonie auf dem Wasser zu verbinden, während beim Padel die Beweglichkeit und Schnelligkeit

im Zentrum standen. Beim Tanzen konnte sich jede und jeder frei ausdrücken, sich im Rhythmus der Musik bewegen und den Zusammenhalt der Gruppe stärken. Boccia, ein Präzisionssport, brachte die Teilnehmenden zu lebhaften Spielen zusammen, in denen sich Strategie und Geselligkeit mischten. WCMX sorgte mit rollstuhlgerechten Tricks und Sprüngen für Adrenalin, was Bewunderung und Stolz hervorrief. Angeln bot einen Moment der Ruhe und Entspannung auf dem Wasser, während Badminton schnelle und spielerische Ballwechsel ermöglichte. Der Mobilitätskurs stärkte die Sicherheit und die Selbstständigkeit bei der täglichen Fortbewegung im Rollstuhl.

Das City Game war ein voller Erfolg. Die in Teams eingeteilten Spielerinnen und Spieler durchstreiften Yverdons Strassen, lösten Rätsel und Herausforderungen und entdeckten dabei die kulturellen und architektonischen Schätze der Stadt. Das Spiel förderte ihren Teamgeist, ihre Beobachtungsgabe sowie Kreativität und bot eine so originelle wie spielerische Art, die Mobilität in der Stadt zu üben.

Das schöne Wetter mit blauem Himmel und herrlichem Sonnenschein ermöglichte es, die Aktivitäten im Freien, die gemein-

samen Mahlzeiten und die Pausen in vollen Zügen zu geniessen. Diese informellen Momente waren wertvoll, um Beziehungen zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. So hoben viele Teilnehmende die grossartige Stimmung des Events, der von Partner Hollister unterstützt wurde, sowie die professionelle Leitung hervor.

Gleichstellung und Teilhabe Über den Sport hinaus ist dieses Camp ein Ort der Gleichstellung und Teilhabe, des Vertrauens und der Inspiration. Es ermöglicht, Barrieren zu überwinden, die Fähigkeiten von jeder und jedem zu fördern und zu zeigen, dass eine Behinderung kein Hindernis für die persönliche Entfaltung ist. Die Veranstaltung trägt dazu bei, die Autonomie zu stärken, Netzwerke zu schaffen und die sportliche Betätigung zu unterstützen.

Die Ausgabe 2025 zeigt, wie wichtig «move on» für den Rollstuhlsport der Westschweiz ist. Teilnehmende und Organisierende blicken bereits auf die nächste Ausgabe mit dem Wunsch, weiter zu wachsen, innovativ zu sein und immer mehr Menschen für diesen Anlass zu begeistern.

PARATHLETICS

Die Entlasterin

Anina Basler ist am dreitägigen Grand Prix in Nottwil die Anlaufstelle für allerlei Fragen. Sie hält den Verantwortlichen der Wettkämpfe den Rücken frei –  und braucht manchmal starke Nerven.

Von Peter Birrer

Das weisse Zelt steht neben dem Zeitmessturm. Seitlich angebracht sind drei Buchstaben: TIC. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich der Begriff «Technical Information Center». Drinnen sitzt die «Zeltchefin» an einer Festbank vor dem aufgeklappten Laptop: Anina Basler ist das Gesicht des TIC.

Seit 2015 ist es ihr Revier. Bei den ParAthletics in Nottwil dient es jeweils als Anlaufstelle für die Teilnehmenden und deren Begleitcrew, wenn Fragen oder Probleme auftauchen. Anina Basler kümmert sich um die Anliegen und erledigt vieles gleich selbst, weil sie inzwischen über eine Menge Erfahrung und spezifisches Fachwissen verfügt. Oder sie wendet sich an die zuständige Stelle, die bei der Lösungsfindung rasch behilflich sein kann: «Ich weiss, wer in welchen Fällen die richtige Ansprechperson ist. Das Zusammenspiel funktioniert tadellos.»

Nasse Aussprache, hoher Puls Mehrheitlich dreht sich im TIC alles um sportliche Belange, etwa um Proteste, die hier deponiert werden. Auch technische Formulare gehören dazu, um beispielsweise eine Assistenzperson beim Start oder bei einem Wurfevent zu beantragen. Aber Anina Basler unterstützt auch, wenn Athletinnen und Athleten sowie deren Betreuer Regelunsicherheiten kundtun, das Fundbüro suchen oder vergessen haben, wann sie vor ihrem Wettkampf im Callroom erscheinen müssen.

Was bei ihrer Aufgabe stets hilft: Ruhe und Gelassenheit. Wobei selbst sie, die normalerweise nicht so schnell aus der Haut fährt, schon einmal an Grenzen stossen kann. Einmal beschwerte sich ein aufbrausender indischer Trainer bei ihr über eine falsche Angabe seines Athleten in der Rangliste. Anina Basler hörte geduldig zu, auch als der Mann ihr gegenüber immer lauter wurde. Ihr Puls schnellte erst in die Höhe, als seine Aussprache zunehmend feucht wurde.

Amüsant wurde es einmal, als ein Athlet in gewöhnlichen Turnschuhen ganz gemütlich seine Runde auf der Bahn drehte und danach disqualifiziert wurde. Wieso? Weil das Reglement vorschreibt, dass Teilnehmende das Optimum aus sich herausholen müssen, was bei diesem Athleten offensichtlich nicht gegeben war. Der Sportler erkundigte sich bei Anina Basler, wie jemand von aussen beurteilen könne, ob er alles gegeben habe. Da sei sie froh gewesen, dass der Technical Delegate ihm schliesslich die Entscheidung selbst erklärt habe.

Highlight im Jahreskalender

Die 37-Jährige absolvierte einst das KV im SPZ. Seit 2014 organisiert sie die Teilnahme an Wettkämpfen und Trainingslager im Ausland, erledigt alle Abrechnungen im Leistungssport sowie Buchhaltungsaufgaben für den Bereich Rollstuhlsport und Freizeit (RSF). Während der ParAthletics übernimmt sie auch die Rolle der Entlasterin. Sie hält vor allem Linda Wiprächtiger und Andreas Heiniger den Rücken frei. Das Duo der SPV trägt die organisatorische Verantwortung für die Wettkämpfe mit rund 250 bis 400 Athletinnen und Athleten aus aller Welt.

«Anina ist für uns Gold wert», sagt Linda Wiprächtiger. «Sie kennt alle Leute und alles Relevante, was die ParAthletics angeht. Und alle, die nach Nottwil kommen, kennen auch Anina.» Über die Jahre sind sogar Freundschaften entstanden, und darum ist der Anlass im Mai nicht mehr aus der Agenda wegzudenken: «Für mich ist es jedes Jahr ein Highlight.»

Und wenn Anina Basler einmal vor ihrem Zelt sitzt, ohne in den Laptop zu tippen, das Telefon am Ohr zu haben oder jemandem Auskunft zu geben, geniesst sie das –und stellt allen in die Organisation Involvierten ein gutes Zeugnis aus: «Dann wurde im Vorfeld wirklich erstklassige Arbeit geleistet.»

Athleten bekommen Auskunft am TIC.

Rückblick

Fotos, Resultate und Medienmitteilungen finden Sie auf www.parathletics.ch.

Anina Basler hat Spass an ihrer Aufgabe.

BARRIEREFREIHEIT

Zugang zum See

Lausanne ist die erste Stadt in der Schweiz, die einen Strand mit einem SEATRAC Mover ausstattet, damit Menschen mit eingeschränkter Mobilität sicher baden können.

ACTIVE MOTION DAYS

Action im Sommer

Im Conthey fand im Juli ein Mountainbike-Tag statt –mit Tempo und Spass.

Der Anlass war einer von vier Active Motion Days, die von der SPV gemeinsam mit Partnern organisiert werden.

Die weiteren Aktivitäten in diesem Sommer waren ein Segelkurs auf dem Bielersee, Wasserskifahren auf dem Walensee und zuletzt ein Handbike-Trail in Alterswil FR Mitte August.

Das System ermöglicht Menschen im Rollstuhl einen sicheren, selbstständigen Zugang ins Wasser über eine Rampe. Es ist solarbetrieben, in 15 Minuten einsatzbereit und weltweit über 250-mal im Einsatz. Ergänzt wird die Anlage durch einen barrierefreien Umkleideraum, eine Dusche und ein öffentliches WC in unmittelbarer Nähe. Stadtrat PierreAntoine Hildbrand betont: «Es ist eine Priorität unserer Stadt, allen Menschen die Möglichkeit zu bieten, den See zu geniessen, unabhängig von ihren motorischen Fähigkeiten. Diese Anlage entspricht einer wachsenden Nachfrage. Der See ist für alle da.»

RECHTSGRUNDLAGE

IV-Entscheide überprüfen

Personen, deren IV-Leistungsanspruch ganz oder teilweise abgelehnt wurde, können heute keine Neubeurteilung verlangen. Selbst dann nicht, wenn das Gutachten nachweislich mangelhaft war.

Umso erfreulicher ist es, dass das Parlament die Schaffung einer Rechtsgrundlage beschlossen hat. Damit haben Versicherte die Möglichkeit, ein Gesuch um Revision zu stellen.

Sie können das tun, wenn sich ihr ganz oder teilweise abgelehnter IV-Entscheid auf ein medizinisches Gutachten einer Gutachterstelle beziehungsweise von Ärztinnen oder Ärzten stützt, mit denen die Zusammenarbeit aufgrund einer Empfehlung der Eidgenössischen Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung (EKQMB) eingestellt wurde. Das hatten Behindertenverbände schon lange gefordert.

Verzögerungen bei Anpassungen

Rund 500 der insgesamt 1800 Bahnhöfe und Bahnhaltestellen sind noch nicht barrierefrei.

Gemäss Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) hätten bis Ende 2023 alle Bahnhöfe in der Schweiz behindertengerecht umgebaut sein müssen. Allerdings wurde laut dem Bundesamt für Verkehr bei rund 500 der insgesamt 1800 Bahnhöfe und Bahnhaltestellen die gesetzliche Frist nicht eingehalten.

Hier müssen Überbrückungsmassnahmen (Hilfe durch Bahnpersonal oder Shuttledienst) angeboten werden, bis die Bahnhöfe für Menschen mit Beeinträchtigung grundsätzlich autonom benutzbar sind.

Für die Umsetzung der baulichen Anpassungen an Bahnhöfen sind die Verkehrsunternehmen und Infrastrukturbetreiber zuständig, bei den Bushaltestellen die Kantone und Gemeinden.

POLITIK

Inklusion stärken

An der Delegiertenversammlung von Inclusion Handicap forderten die Delegierten mit einer Resolution mehr Mut und Weitsicht von Bundesrat und Parlament für eine inklusive Behindertenpolitik.

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (im Bild) besuchte die DV und informierte über den für uns enttäuschenden Gegenvorschlag zur Inklusions-Initiative. Die Behindertenverbände lehnen den Gegenvorschlag ab und werden im Vernehmlassungsverfahren geschlossen umfassende Verbesserungen einfordern. Sie wenden

sich mit einer Resolution für eine mutigere Umsetzung der Behindertenrechte an Bundesrat und Parlament. Daher war die Anwesenheit der Leiterin des Eidgenössischen Departements des Innern äusserst wichtig. SPV-Präsidentin Olga Manfredi vertrat dabei die Anliegen der SPV.

Erfolge des letzten Jahres zeigen, dass Hartnäckigkeit wirkt. So etwa hat der Bundesrat nach starker Kritik der Behindertenverbände bei der BehiG-Revision nachgebessert oder die Unterstützung des betreuten Wohnens erhöht, indem er Änderungen im Ergänzungsleistungsgesetz (ELG) vornahm.

STÜRZE

Häufigste Unfallursache

Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) behandelte im vergangenen Jahr 1045 stationäre Patientinnen und Patienten mit Querschnittlähmung.

Von den behandelten Menschen waren 56 % von einer Tetraplegie betroffen, 44 % von einer Paraplegie. Die ambulanten Patientenkontakte haben sich im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 % auf 62 128 erhöht. 190 Patientinnen und Patienten oder 18 % der Auf-

enthalte wurden in der Erstrehabilitation behandelt. Bei den neu eingelieferten Patientinnen und Patienten, die 2024 aufgrund eines Unfalls querschnittgelähmt wurden, waren Stürze die häufigste Unfallursache (40 %), gefolgt von Verkehrsunfällen (27 %) und Sportunfällen (24 %). Der durchschnittliche Pflegeaufwand pro behandelte Person und Tag erhöhte sich durch steigende Komplexität der Behandlungssituationen von 6,1 auf 6,2 Stunden.

IMPFEN

Erstaunlich tiefe Quote

Eine SwiSCI-Studie der Schweizer ParaplegikerForschung zeigt: Nur 44,6 % der befragten Personen mit Querschnittlähmung sind gegen Grippe geimpft, gegen Pneumokokken sogar nur 7,5 %.

Die Zahl der geimpften Personen mit erhöhtem Risiko ist sehr gering. Die Hauptgründe: fehlendes Gefährdungsgefühl und mangelnde Information durch Fachpersonen. Dabei können Grippe- und Pneumokokkeninfektionen gravierende Folgen haben. «Lungenentzündungen zählen zu den häufigsten Todesursachen bei Menschen mit Querschnittlähmung. Eine Impfung kann Leben retten», betont Dr. med. Inge Eriks Hoogland vom Schweizer Paraplegiker-Zentrum. Eine Grippeimpfung sollte jährlich erfolgen, die Pneumokokkenimpfung ist nur einmal nötig.

BEFÖRDERUNG

Inge Eriks Hoogland

Seit dem 1. Juli 2025 ist Inge Eriks Hoogland stellvertretende Chefärztin Paraplegiologie.

Die Beförderung ist der nächste Schritt im beeindruckenden Werdegang von Inge Eriks Hoogland, die seit 20 Jahren Teil der Schweizer Paraplegiker-Gruppe ist und schon in verschiedenen Funktionen tätig war.

Querschnittgelähmte im SPZ haben stets Priorität

Luca Jelmoni ist seit August 2021 Direktor des Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ). Der 58-jährige Tessiner spricht über den Reiz dieser Aufgabe, den Fachkräftemangel, Fortschritte – und die Zusammenarbeit mit der SPV.

Von Evelyn Schmid und Peter Birrer

Wer ist eigentlich Luca Jelmoni?

Ich bin seit dem 1. August 2021 Direktor des Schweizer Paraplegiker-Zentrums. Und ich darf sagen: Ich bin ein glücklicher Direktor. An der ETH Zürich liess ich mich zum Informatikingenieur ausbilden. Im Anschluss studierte ich Betriebswirtschaft in den USA und war danach in der Beratung, im Handel und in der Finanzwelt tätig. 2007 kehrte ich nach über 20 Jahren zurück ins Tessin. Seither arbeite ich im Gesundheitswesen. Zuerst als Geschäftsführer in einer Klinik für Reproduktionsmedizin, ab 2012 im Regionalspital Lugano als Direktor. Und nun bin ich seit vier Jahren in Nottwil.

Was reizte Sie besonders daran, die Aufgabe im SPZ zu übernehmen? Das SPZ ist für mich DAS Beispiel einer spezialisierten Klinik. Damit meine ich die Fokussierung auf die Behandlung von Menschen mit Querschnittlähmung. Diese Konzentration und Spezialisierung stellen für mich die Zukunft im Gesundheitswesen dar. Mich faszinierte zusätzlich die starke interprofessionelle Zusammenarbeit. Diese wird im SPZ gelebt. Ausserdem handelt es sich um eine Organisation, die nicht regional, sondern national ausgerichtet ist. Wir sind für die ganze Schweiz da. Diese Perspektive war sicher auch einer der Gründe, weshalb ich mich für diese Stelle beworben habe. Ich habe meinen Entscheid keine Sekunde bereut.

Ist es in dieser Konstellation ein Vorteil, dass ein Tessiner an der Spitze einer Unternehmung mit Sitz in der Deutschschweiz steht?

Ja, das glaube ich schon. Wir sind das Schweizer Paraplegiker-Zentrum, nicht das Deutschschweizer Paraplegiker-Zentrum. Ich lege grossen Wert darauf, dass wir Patientinnen und Patienten bei uns haben, die aus der Südschweiz und der Romandie stammen. Und dass mit ihnen in ihrer Muttersprache kommuniziert wird. Da können wir sicher noch besser werden.

Was machen die vielen Jahre in der Deutschschweiz mit einem Tessiner?

Ich würde es so formulieren: Beruflich bin ich eher ein Deutschschweizer als ein Tessiner. Es war für mich einfacher, im SPZ anzufangen als damals, nach 20 Jahren Abwesenheit, die Stelle in Lugano anzutreten. Damals war die kulturelle Umstellung viel grösser.

Inwiefern?

Es gibt definitiv Unterschiede zwischen der Deutschschweiz und den lateinisch geprägten Landesteilen, was die Arbeit angeht und die Art und Weise, wie diskutiert wird. Ohne das jetzt werten zu wollen.

Können Sie ein Beispiel schildern?

Wenn man in der Deutschschweiz einen Auftrag erteilt, versucht man ihn auszuführen. Ich habe im Tessin die Erfahrung

gemacht, dass öfter diskutiert und hinterfragt wird, wo das Problem überhaupt liege und es keinen Anlass gebe für einen solchen Auftrag. Die Herangehensweisen sind unterschiedlich, hängen aber auch von der Unternehmenskultur ab. Ich darf sagen: Ich habe im SPZ ein super Team vorgefunden.

Was bedeutet es, Direktor des SPZ zu sein?

Zum einen bin ich stolz, dass ich diese Aufgabe ausführen darf. Zum anderen ist die Leitung des Unternehmens mit einer grossen Verantwortung verbunden. Ich bin in grosse Fussstapfen getreten. Wir müssen innovativ bleiben, weil wir das Referenzzentrum auf unserem Gebiet sind. Das wollen wir natürlich beibehalten und dafür sorgen, dass wir dynamisch in die Zukunft gehen. Sicher ist: Die Messlatte ist hoch.

Was für einen Führungsstil pflegen Sie?

Ich würde mich als integrative Person bezeichnen, als jemanden, für den die Zusammenarbeit mit anderen Menschen zentral ist und der nicht auf Konflikte ausgerichtet ist. Die konstruktive Beziehung zur Schweizer Paraplegiker-Stiftung wie auch zu allen Organisationen der Gruppe ist mir sehr wichtig – nur gemeinsam sind wir stark. Ich nehme aktuell die Stimmung auf dem Campus als sehr positiv wahr. Aber dazu haben viele Menschen ihren Beitrag geleistet.

In diesem Jahr hat das SPZ seinen 35. Geburtstag gefeiert. Worauf darf es besonders stolz sein?

Das SPZ hat sich von einem regionalen zu einer international anerkannten Spezialklinik mit 204 Betten sowie mehr als 1500 Mitarbeitenden entwickelt. Sehr gut funktionieren die interprofessionelle Zusammenarbeit und die kontinuierliche medizinische Innovation. Wir versuchen, das Optimum für unsere Patientinnen und Patienten zu machen und ihnen zur bestmöglichen Lebensqualität zu verhelfen – von der Erstversorgung bis zur lebenslangen Betreuung in Kooperation mit den anderen Organisationen der Schweizer Paraplegiker-Gruppe. Ich rede nicht von Exzellenz, was unsere Arbeit angeht. Das sollen andere beurteilen. Ich spreche lieber von bestmöglicher Versorgung, bestmöglicher Medizin und bestmöglichen Lösungen.

Sie haben die internationale Ausstrahlung des SPZ erwähnt. Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Zentrum? Wir wollen eine der führenden Kliniken bleiben, was die Behandlung von Menschen mit einer Querschnittlähmung betrifft –und das in allen Belangen: vom medizinischen Bereich bis zur beruflichen und gesellschaftlichen Wiedereingliederung. Wir wollen Vorreiter sein, präsent auch in Forschungsprojekten, wir wollen Standards mitgestalten und in allen relevanten Bereichen eine aktive Rolle spielen.

Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich derzeit am meisten?

Beim Thema Fachkräftemangel bin ich auf die Welt gekommen, weil wir in Nottwil –im Gegensatz zu Lugano – nicht auf Grenzgängerinnen und Grenzgänger zählen können. Seit März 2025 haben wir dank zahl-

reicher proaktiver und innovativer Massnahmen alle Pflegestellen besetzt. Vorher konnten wir 15 Betten nicht betreiben, weil schlicht zu wenig Personal verfügbar war. Nur auf der Intensivpflegestation haben wir noch temporäre Mitarbeitende.

Das SPZ rekrutiert sein Personal auch im fernen Ausland, nicht wahr?

Ja, in den Philippinen oder in Tunesien zum Beispiel. Wir rekrutieren aber auch in Italien und anderen europäischen Ländern. Man muss eines sehen: In den nächsten zehn Jahren scheiden doppelt so viele Arbeitnehmende aus wie in den vergangenen zehn Jahren. Das müssen wir wettmachen. Bis jetzt können wir bilanzieren: Unsere Bemühungen zahlen sich aus, diese Leute sind sehr gut ausgebildet. Dass sie zu uns kommen, spricht auch für uns. Unsere zahlreichen Auszeichnungen als attraktive Arbeitgeberin zeigen, wie sehr wir uns für ein herausragendes Arbeitsumfeld einsetzen.

Worauf stützen Sie diese Attraktivität?

Gute Arbeitsbedingungen, Spezialisierungen, Weiterbildungsmöglichkeiten, der hervorragende Ruf des SPZ … Es gibt viele Argumente. Wer bei uns in Nottwil angestellt ist, muss sich nie fragen, wofür man arbeitet. Es ist klar, wofür man sich einsetzt. Man ist Teil von etwas Grösserem. Und eines ist von zentraler Bedeutung.

Nämlich?

Die Fallzahlen sind steigend, die Komplexität nimmt zu. Es gilt, die Qualität sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass wir sie weiter anheben. Die Digitalisierung erfordert ebenfalls ein grosses zeitliches Engagement. Wir führen mit dem KIS ein neues Krankenhausinformationssystem ein und modernisieren die IT-Infrastruktur. In den letzten vier Jahren haben wir zudem die Organisationsstruktur weiterentwickelt, ambulante und stationäre Bereiche näher zusammengeführt und Behandlungspfade definiert, welche die Patientin und den Patienten ins Zentrum rücken.

Im SPZ werden auch Fussgängerinnen und Fussgänger behandelt. Es gibt SPVMitglieder, die kritisieren, sie müssten deswegen manchmal Wartezeiten in Kauf nehmen.

Der Fachkräftemangel fordert den SPZ-Direktor.

Eines ist und bleibt für mich unbestritten: Die Menschen mit einer Querschnittlähmung haben immer Priorität bei uns. Immer. Kein Fussgänger nimmt ihnen einen Platz weg. In der Medizin braucht man aber Fallzahlen. Und um eine gewisse Fallzahl zu erreichen, muss man auch Fussgängerinnen und Fussgänger behandeln. Um die bestmögliche Versorgung durch ein hochspezialisiertes Team in der Wirbelsäulenchirurgie gewährleisten zu können, genügen die jährlich 50, 60 Eingriffe bei Menschen mit einer Querschnittlähmung nicht. Wir müssen 400 bis 500 Patientinnen und Patienten mit und ohne Querschnittlähmung pro Jahr behandeln, denn wir brauchen Fallzahlen, um auch künftig Leistungsaufträge der Kantone zu erhalten.

Seit dem 1. Januar 2024 erfolgt die Verrechnung von Klinikaufenthalten im SPZ nicht mehr über Tagespauschalen, sondern über das Fallpauschalensystem SwissDRG. Was sind die Folgen bezüglich Rehabilitationszeiten?

Jede Behandlung muss die richtige Dauer haben. Dafür definieren wir individuelle Ziele und eine entsprechende Therapieplanung. Es liegt in unserer DNA, dass die medizinischen Ansprüche immer Vorrang

Luca Jelmoni gratuliert den Paralympics-Teilnehmenden.

vor wirtschaftlichen Interessen haben. Aber was sicher ist: Tendenziell steigt der Druck seitens der Versicherungen auf die Aufenthaltsdauer.

Was hat sich aus medizinischer Sicht verbessert, dass das überhaupt möglich ist?

Es hat sich in der Vergangenheit sehr viel getan, zum Beispiel auf dem Gebiet der robotergestützten Therapien, in der Rehabilitation und in der Wirbelsäulenchirurgie. Das hilft, Nachbehandlungen zu verhindern und Komplikationen vorzubeugen.

Gibt es Fortschritte in der Behandlung von Querschnittlähmung selbst?

Eine medizinische Lösung zur Heilung des geschädigten Rückenmarks gibt es noch nicht. Aber wir arbeiten eng mit der Schweizer Paraplegiker-Forschung und internationalen Partnern zusammen, um neue Behandlungen zu finden. Es gibt zwei vielversprechende Ansätze: pharmakologische Therapien, die das Wachstum des zentralen Nervensystems fördern, sowie technologische Lösungen wie implantierbare Stimulatoren. Wir sind optimistisch, auch wenn wir nicht sagen können, wohin die Fortschritte wirklich führen.

Wo stehen wir in zehn Jahren? Schwer zu sagen. Aber ich bin überzeugt, dass das SPZ dank innovativer Medizin weiter an der Spitze stehen wird. Künstliche Intelligenz muss eine Rolle spielen. Robotik wird an Bedeutung gewinnen wie auch die Anwendung von Medikamenten, welche die Regeneration des zentralen Nervensystems und die neuronale Plastizität bei Querschnittlähmung unterstützen. Eines kann ich versprechen: Wenn es eine bahnbrechende Lösung gibt, ist das SPZ involviert – in der Entwicklung und Anwendung.

Wird sich die Lebensqualität von Menschen mit Querschnittlähmung in den nächsten zehn Jahren steigern? Davon bin ich überzeugt. Wir kämpfen täglich dafür. Die Welt können wir nicht retten. Aber wir werden alles tun, was in unserer Kompetenz liegt, die Situation für Betroffene zu verbessern.

Sie haben die Leistungen der verschiedenen Gruppengesellschaften angesprochen. Welche Rolle spielt die SPV für das SPZ?

Eine extrem wichtige. Die SPV ergänzt unsere Arbeit entscheidend. Wir behandeln die Patientinnen und Patienten lebenslang. Die SPV kommt sehr früh ins Spiel, etwa mit der Rechts- oder Bauberatung, und sie ist national ausgerichtet. Das zeigt, dass wir unseren Auftrag der ganzheitlichen Versorgung nur gemeinsam erfüllen können, was uns in vielen Fällen gelingt. Perfekt sind wir noch nicht. Aber wir arbeiten daran.

Und wie nimmt der Direktor des SPZ die SPV wahr?

Als sehr engagiert und sehr kompetent, offen für die Zusammenarbeit und den konstruktiven Austausch. Von grosser Bedeutung ist auch das immense Engagement im Spitzen- und Breitensport. Die SPV vertritt aber alle Anliegen der Betroffenen, was uns immer wieder Impulse für die tägliche Arbeit liefert. Ich spüre einen gegenseitigen Respekt.

UNSERE ROLLSTUHLCLUBS

CFR Valais romand

Der Verein gilt als innovativ und dynamisch, zählt 240 Mitglieder, muss nie um Freiwillige kämpfen – und feiert 2025 sein 30-jähriges Bestehen. Was steckt dahinter?

Von Sonia Bretteville

Um das Erfolgsgeheimnis des CFR Valais romand zu lüften, haben wir mit seinem Präsidenten Jérôme Bagnoud gesprochen. Er ist seit der Gründung Mitglied, kennt die Geschichte des Clubs und erklärt, wie dieser aus anfänglichen Fehlern gelernt hat und erwachsen geworden ist.

Eine der grössten französischsprachigen Sektionen der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung ist ein sehr sportlicher Dreissigjähriger. Nicht weniger als neun Sportarten (Basketball, Curling, Fechten, Handbike, Kyusho, Rugby, Tennis, Tanz und WCMX) werden dort regelmässig betrieben. Der Club zählt 19 lizenzierte Athletinnen und Athleten – darunter auch Lorraine Truong, dreifache Weltmeisterin im WCMX, die leider am 10. Juni 2025 verstorben ist.

«Lorraine war mit ihrer Leidenschaft ein Glücksfall für uns – wie es auch unsere Basketball- oder Curlingteams und andere

CLUB IN KÜRZE

– 234 Aktivmitglieder

– 92 Passivmitglieder

– 9 Sportarten

– reiches Vereinsleben

www.cfrvr.ch

Sportler oder Visionäre sind», betont Jérôme Bagnoud. Er denkt dabei besonders an Michel Barras, der eine einzigartige Kampfkunsttechnik namens Kyusho entwickelte – inspiriert vom Aikido und speziell für Personen im Rollstuhl konzipiert. Die Rollstuhlbasketballer aus dem Wallis stehen auch im Mittelpunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten. Ein grosses nationales Turnier findet am 20. und 21. September 2025 in Martigny statt.

Gut vernetzter Club

Der Club nutzt die Vorteile seines Standorts geschickt. So etwa durch die Nähe zur Rehaklinik Clinique romande de réadaptation in Sitten, was regelmässigen Kontakt zu Patientinnen und Patienten sowie Zugang zu Sporthallen ermöglicht. Auch politisch ist der Verein gut vernetzt.

Ein weiterer Vorteil ist die Walliser Mentalität, wenn es darum geht, Freiwillige zu mobilisieren: «Die Menschen haben ein echtes Gefühl für Solidarität», sagt Jérôme Bagnoud. Er hebt auch die Treue und das Engagement der Vorstandsmitglieder hervor. Und: Der Club kümmert sich sehr um

potenzielle Neumitglieder – dank Einstiegscoach Thuy Essellier – und legt grossen Wert auf durchdachte Aktivitäten. Statt blind jedem Trend zu folgen, setzen die Verantwortlichen auf sinnvolle Angebote. Und wer sich vom Vereinsleben fernhält, dem wird entgegnet: Ein Ausflug mit dem CFR Valais romand ist oft die beste Gelegenheit, medizinische und technische Tipps zu bekommen oder sich besser im Versicherungsdschungel zurechtzufinden.

Vorschriften umsetzen

Mit der Erfahrung von zwölf Jahren als Präsident und jährlich über 400 Einsatzstunden stellt Jérôme Bagnoud fest: «Von Menschen mit Behinderungen wird viel verlangt. Sie sollen mehr arbeiten, Sport treiben, den wachsenden Druck der IV aushalten und gesellschaftlichen Erwartungen gerecht werden.» Er plädiert dafür, sich dieser «Hektikgesellschaft» zu widersetzen, um Erreichtes zu sichern und Beziehungen zu stärken. Zudem verfüge die Schweiz bereits über viele Vorschriften zur Gleichstellung und Barrierefreiheit. Es gehe nun darum, deren Umsetzung einzufordern, statt sich in neuen Gesetzesprojekten zu verlieren.

Dieses Bedürfnis nach Verankerung wird vermutlich auch in den Ansprachen zum 30. Geburtstag des Clubs thematisiert werden. Beim Jubiläumsfest sollen Geselligkeit und Spass im Mittelpunkt stehen. Ein Beispiel: Ein inklusiver Freiwurf-Wettbewerb ermöglicht es dem Publikum beim Basketballturnier, tolle Preise zu gewinnen. Ein Grund mehr also, am 20. und 21. September in Martigny das Team Magic Bern/ Martigny anzufeuern.

DER

SPEZIALISIERTE PFLEGE

Rückenwind plus ist mein Rettungsanker

Einen ganzen Monat lang stehen Dusche und WC daheim wegen eines Umbaus nicht zur Verfügung. Bruno Meyer findet eine Übergangslösung bei Rückenwind.

Gastbeitrag von Christine Zwygart

Er hat sich auf den Umbau gefreut. In der Wohnung von Bruno Meyer wird das alte Badezimmer saniert, auf den neusten Stand gebracht und der Wasserablauf optimiert. Rund einen Monat dauern die Arbeiten –während dieser Zeit kann der Rollstuhlfahrer weder Dusche noch WC oder Lavabo benützen. «Also habe ich mich auf die Suche nach einer Alternative gemacht.»

Was einfach tönt, wird zur Odyssee. Seine erste Anfrage, ob er ein öffentliches WC benutzen könnte, geht an die Gemeinde. Von dort kommt nie eine Antwort zurück. Also wendet sich Bruno Meyer selber an den Werkhof, wo es eine barrierefreie Toilette gibt. Doch dort fehlt eine Halterung, der Transfer wäre zu gefährlich gewesen. Der Reihe nach wird er vorstellig in einem Schwimmbad, in einem Wohnzentrum für Menschen mit Behinderung, in einem Fitnesscenter (wo er zuerst mal ein Abo hätte

lösen sollen) und in Rehakliniken. Hier und da dürfte er zwar die Toilette benutzen – einen gepolsterten Duschsitz und eine Dusche aber? Fehlanzeige.

Der entscheidende Tipp

Der Umbau rückt immer näher. Und jetzt? Bruno Meyer muss für einen Termin nach Nottwil ins Schweizer Paraplegiker-Zentrum, er spricht auch dort sein Problem an. Unmittelbar helfen kann zwar auch hier niemand, doch eine Mitarbeiterin von ParaHelp gibt ihm einen Tipp: «Frag doch mal bei Rückenwind plus in Bad Zurzach nach.» Der Ort im Kanton Aargau ist bekannt für sein Thermalbad – und er beherbergt auch eine einzigartige Institution: Hier finden Menschen mit Querschnittlähmung, querschnittähnlicher Symptomatik oder neurologischen Erkrankungen eine Station mit hochspezialisierter Pflege und medizinischen Dienstleistungen.

Wenn plötzlich ein Notfall auftritt, pflegende Angehörige ausfallen oder einfach mal eine Pause benötigen, erhalten Betroffene hier ein Daheim auf Zeit. «Wir sind verlässlich für alle da, die unsere Unterstützung brauchen», sagt Peter Lude, Verwaltungsratspräsident von Rückenwind plus.

Pflege mit Fachwissen und Zeit

Bruno Meyer ist schliesslich für einen Monat in Bad Zurzach eingezogen: «Rückenwind plus ist mein Rettungsanker in der Not.» Wie er sein Problem sonst hätte lösen sollen? Er schüttelt den Kopf und zuckt mit den Schultern. Zwar braucht er im Alltag kaum Hilfe und lebt unabhängig. Doch spezielle Situationen – wie der Umbau –erfordern manchmal spezielle Lösungen. «Ich schätze das Engagement der Mitarbeitenden hier enorm: Sie haben das nötige Fachwissen und Zeit für eine gute Pflege.» Und: Es stehen immer zwei Betten für Notfallsituationen bereit.

Regelmässig besucht der Rollstuhlfahrer seine Baustelle daheim, um die Arbeiten zu koordinieren. Bruno Meyer freut sich auf das neue Badezimmer und darauf, dass sein Leben bald wieder in die gewohnten Bahnen zurückkehrt. Das Angebot wird er weiterempfehlen. «Es ist beruhigend zu wissen, dass es diese Station gibt.» Für das Älterwerden und für Notfälle, in denen keine Rehabilitationsfähigkeit gegeben ist.

MEHR INFOS

Überbrückungsangebot von Rückenwind plus: www.rueckenwindplus.ch, info@rueckenwindplus.ch, Tel. 056 265 01 76

Bruno Meyer im Gespräch mit Stationsleiterin Monika Appelhans Für Notfälle stehen immer zwei Betten bereit

FORSCHUNGSSTAND PARAPLEGIE 2025

Gemeinsam Alltag und Zukunft verbessern

Wie kann Forschung Menschen mit Querschnittlähmung konkret helfen? Diese Frage steht im Zentrum der Veranstaltung «Paraplegie: Wo steht die Forschung heute?»

Der Anlass wird durch die Berner Fachhochschule gemeinsam mit der Schweizer Paraplegiker-Stiftung organisiert. Ziel ist es, Betroffene und Forschende direkt zusammenzubringen – auf Augenhöhe und mit offenem Dialog. Nur so kann sichergestellt werden, dass einerseits die Anliegen der Betroffenen in der Forschung aufgenommen werden und andererseits Erkenntnisse aus der Wissenschaft im Alltag von Menschen mit Querschnittlähmung ankommen.

Wissensvermittlung und Austausch

Sebastian Tobler, Initiator der Veranstaltung und selbst betroffen, bringt es auf den Punkt: «Als behinderter Mensch, der im Schweizer Paraplegiker-Zentrum Patient war und an verschiedenen Forschungsstudien teilnahm, hatte ich das Gefühl, es gibt einen Gap zwischen Menschen im Rollstuhl und den Forschenden. Es besteht oft kein direkter Austausch. Dabei wäre genau das ein Gewinn für beide Seiten.» Denn Betroffene stellen Fragen, die in der Forschung bisher kaum bedacht wurden. Gleichzeitig erfahren sie, welche Entwicklungen bereits im Gang sind – von neuen Technologien bis zu alltagsnahen Lösungen.

Die bisherigen Ausgaben der Veranstaltung haben gezeigt: Der direkte Kontakt wirkt. Forschende betonen, wie sehr sie vom Austausch mit Betroffenen profitieren. Das Verständnis wächst – und das auf beiden Seiten. Für die Wissenschaft ist es entscheidend zu wissen, welche Themen den Alltag prägen.

Warum teilnehmen?

Als betroffene Person erhält man Impulse und Wissen, kann eigene Probleme teilen und erfährt, was es bereits gibt – und was noch kommen wird. Dazu muss man selber kein Vorwissen besitzen, sondern nur genügend Neugier mitbringen. Die öffentliche Veranstaltung richtet sich aber auch an Angehörige und Fachpersonen. Sie alle erhalten einen direkten Einblick in aktuelle Forschungsprojekte.

«Paraplegie: Wo steht die Forschung heute?»

23. Oktober 2025, 13.30 –19.00 Uhr Schweizer Paraplegiker-Zentrum, Nottwil. Die Teilnahme ist kostenlos, um eine Anmeldung wird gebeten.

Mehr Informationen zur Veranstaltung gibt es unter www.bfh.ch (Aktuell/ Veranstaltungen).

Was wird an der diesjährigen Veranstaltung thematisiert?

Nach den Schwerpunkten «For schung zur Heilung» im Jahr 2023 und «Vom Spital bis zum Alltag zuhause» im vergangenen Jahr, steht 2025 ganz im Zeichen der Verbesserung der Lebensqualität.

Innovative Ansätze zur Dekubitusprophylaxe

Dr. Ursina Arnet (SPF), Prof. Dr. Jivko Stoyanov, (SPF und Universität Bern)

Spastizität verstehen: Mechanismen und gezielte Therapien

Claudia Kathe (Universität Lausanne)

Exoskelett-Training zuhause und in der Community

Dr. Mario Widmer (SPF), Dr. Tristan Vouga (Twiice)

Neue MRI Biomarker bei SCI

Prof. Dr. Patrick Freund (Universitätsklinik Balgrist)

Entwicklung eines Roboterarms mit und für Menschen mit Tetraplegie

Prof. Dr. Anja Raab (Berner Fachhochschule), Prof. Dr. Gabriel Gruener (Berner Fachhochschule)

Altern mit einer Querschnittlähmung: Quo vadis?

Prof. Dr. Carla Sabariego (SPF und Universität Luzern), PD Dr. med. Inge Eriks Hoogland (SPZ und Universität Luzern)

JETZT DABEI SEIN!

Theorie und Praxis

Philipp Pfäffli plant, setzt um – und freut sich, wenn er Menschen helfen kann. Der Architekt ist ein «alter Hase» beim Zentrum für hindernisfreies Bauen.

Von Peter Birrer

Das Inserat in einer Zeitung weckt seine Neugier. Das Team des Zentrums für hindernisfreies Bauen (ZHB) in Muhen AG sucht Verstärkung, und diese Stelle reizt Philipp Pfäffli. Er reicht seine Bewerbung ein, obwohl er gesteht: «Ich hatte von der Aufgabe nur eine vage Vorstellung.»

Tatsächlich erhält er den Zuschlag, fängt im November 2003 an und eignet sich ein breites Wissen an. 22 Jahre später ist der «alte Hase» immer noch Teil des ZHB, mit dem gleichen Enthusiasmus. «Mein Beruf hat nichts von seiner Attraktivität verloren», sagt der 52-Jährige, «er ist fordernd, abwechslungsreich und spannend.»

Planen, Skizzen entwerfen, bauen – das interessiert Philipp Pfäffli seit jeher. Und darum überrascht die Wahl der Lehre nicht: Der junge Mann, aufgewachsen in Willisau, wird Hochbauzeichner. Aber damit begnügt er sich nicht. Er mag es, mit den

Händen zu arbeiten, und hängt eine Ausbildung zum Maurer an. Und schliesslich füllt er seinen Rucksack mit einem Studium am Technikum in Horw, das ihn zum Architekten macht.

Der Luzerner ist zwei in einem: Theoretiker und Praktiker. Er sammelt Erfahrungen als Bauleiter, dem der Schreibtisch ebenso vertraut ist wie die Baustelle. Und der sich nicht vor Herausforderungen scheut. Learning by Doing macht er zu seinem Motto, erst recht beim ZHB. «Auf diesem Spezialgebiet gibt es so viele Dinge, die man nirgends lernen kann. Ich bin da hineingewachsen und blieb stets offen für Neues.»

Die betroffene Person im Zentrum Philipp Pfäffli liebt an seinem Alltag, dass er Projekte von A bis Z durchziehen kann, indem er selber plant, Lösungen erarbeitet, Kosten schätzt und regelmässig die Bauleitung verantwortet. Eine bedeuten-

de Rolle im ganzen Prozess übernehmen die Mitarbeitenden der Ergotherapie, die wertvolle Hinweise auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden liefern. «Was immer wir machen: Der Mensch, der sich in einer neuen Lebenssituation zurechtfinden muss, steht im Zentrum. Und es ist einfach schön, helfen zu können», betont der zweifache Familienvater, «die baulichen Massnahmen müssen zuerst möglichst zweckmässig sein. Natürlich achten wir darauf, dass die Ästhetik nicht zu kurz kommt.»

35 bis 40 Projekte betreut Philipp Pfäffli pro Jahr. Anpassungen von Badezimmern sind ein Dauerthema wie Balkonzugänge, und doch will der versierte Architekt nicht von Routine reden: «In jedem einzelnen Fall müssen mehrere Rädchen ineinandergreifen, um ein Produkt zur Zufriedenheit des Auftraggebers hinzubekommen.»

Abschalten kann er am besten bei der Familie und beim Sport. Er fährt Ski, wandert und ist ein begeisterter Tennisspieler. Die Bewegung benötigt er als Ausgleich zu einem Job, der manchmal stressig, aber trotzdem nie zermürbend ist. Philipp Pfäffli kann autonom arbeiten, sich bei Bedarf aber jederzeit mit dem Team austauschen.

Er schätzt das kollegiale Arbeitsklima und schliesst nicht aus, beim ZHB pensioniert zu werden. Eines ist jedenfalls sicher: «Es war ein Glücksfall, dass ich 2003 das Stelleninserat entdeckt habe.»

Für jedes Bedürfnis die passende Lösung.

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