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GESETZGEBUNG
GESETZGEBUNG
IV-Revision
Per 1. Januar 2022 soll das revidierte Gesetz über die Invalidenversicherung in Kraft treten. Die SPV äusserte sich gemeinsam mit weiteren Behindertenorganisationen im Vernehmlassungsprozess zum Gesetzesentwurf.
Von Nadja Venetz
Im Sommer 2020 hat das Parlament die Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) verabschiedet. Das revidierte Gesetz soll per 1. Januar 2022 in Kraft treten und bringt weitreichende Veränderungen mit sich.
Inclusion Handicap, der politische Dachverband der Schweizer Behindertenorganisationen, engagiert sich sehr in diesem zentralen Prozess. SPV-Präsidentin Olga Manfredi stärkt als Vorstandsmitglied von Inclusion Handicap die Stimme der Querschnittgelähmten. Die Behindertenorganisationen waren eingeladen, sich an der Vernehmlassung zu beteiligen und bis zum 19. März 2021 ihre Position zum Gesetzesentwurf einzubringen. Auch die SPV hat eine solche Vernehmlassungsantwort eingereicht und auf kritische Punkte hingewiesen. Grossmehrheitlich begrüsst die SPV die Bestimmungen des revidierten Gesetzes. Nachfolgend finden Sie die Themenbereiche, welche gemäss unserer Auffassung und derjenigen von Inclusion Handicap einer Anpassung bedürfen.
Berufliche Eingliederung
Wir begrüssen die Weiterentwicklung der IV im Bereich der beruflichen Eingliederung, insbesondere die verstärkte Ausrichtung auf den ersten Arbeitsmarkt. Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass gute Absprachen und klare Rollenteilungen zwischen IV-Stellen, Schulbehörden und kantonalen Instanzen unerlässlich sind. Die Zukunft der Jugendlichen mit Behinderung muss im Zentrum stehen.
Rentensystem
Im Hinblick auf die Einführung eines stufenlosen Rentensystems auch bei der IV und der damit im Zusammenhang stehenden grösseren Bedeutung der prozentgenauen Ermittlung des Invaliditätsgrades begrüsst es die SPV, wenn die für die Ermittlung des Invaliditätsgrads massgebenden Grundsätze auf Verordnungsstufe geregelt werden. Das Gesetz sieht vor, für den Einkommensvergleich auf Tabellenlöhne des Bundesamtes für Statistik (BFS) abzustellen, soweit diese für die Berechnung des Invaliditätsgrades nötig sind. Sie widerspiegeln jedoch weitgehend das Lohnniveau von Personen ohne Behinderung. Da Löhne von Personen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung aber systematisch signifikant tiefer ausfallen, fordern wir und auch das Bundesgericht, dass für die Bestimmung des Invalideneinkommens (Einkommen mit Behinderung) eine Lohntabelle geschaffen wird, in welcher die Löhne gesundheitlich eingeschränkter Personen abgebildet sind. Erst wenn diese vorliegen, darf der heute im Sinne eines Korrektivs teilweise gewährte Abzug vom Tabellenlohn (sog. leidensbedingter Abzug) aufgehoben werden.
Verfahren und Gutachten
Der Gesetzesentwurf trägt der Hoffnung auf verbesserte Gutachten nur bedingt Rechnung. Aus unserer Sicht müssen Sachverständige regelmässig überprüft und allenfalls von einer Gutachtertätigkeit ausgeschlossen werden. Die Überprüfung und Sanktionierung der «schwarzen Schafe» wird leider weiterhin nicht konsequent an die Hand genommen. Ausserdem begrüsst die SPV die Tonaufnahme eines Gutachtergesprächs. Will jedoch die begutachtete Person auf eine Tonaufnahme verzichten, soll sie das nicht anlässlich des Gesprächs und im Beisein des Gutachters äussern müssen. Zudem wird verlangt, dass die begutachtete Person die Tonaufnahme jederzeit im Rahmen ihrer Akteneinsicht und nicht erst im Streitfall abhören und verwenden kann.
Finanzhilfen
Ein wichtiger Bestandteil der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) sind die Bestimmungen zur Finanzierung der Leistungen der privaten Behindertenhilfe. Das Ziel der Anpassungen ist gemäss Bundesrat die Förderung der Inklusion und der Innovation sowie die Schaffung einer Prioritätenordnung zur Vergabe der Finanzhilfen. Entgegen der Botschaft des Bundesrats, dass die Änderungen betreffend Finanzhilfen keine Auswirkungen auf die Organisationen der privaten Behindertenhilfe haben werden, drohen diesen nun Kürzungen. Um diese zu verhindern, unterbreiteten wir einen Gegenvorschlag. Statt der wiederkehrenden linearen Kürzungen von 3% bei jeder Dachorganisation sollen sich die Organisationen verpflichten, mindestens 3% der Mittel für die Weiterentwicklung der bestehenden Leistungen einzusetzen. Auf diese Weise werden Innovation und Inklusion gefördert und es kommt zu keiner Kürzung auf Kosten der Leistungen für Menschen mit Behinderung.
Wir hoffen sehr, dass die Einwände der Behindertenorganisationen nach Abschluss des Vernehmlassungsverfahrens zu einer Überarbeitung der kritischen Punkte führen, damit die neue Gesetzgebung dem Wohl der Betroffenen Rechnung trägt. Wir werden Sie über den weiteren Verlauf informieren.
Informationen zur IV-Revision www.bsv.admin.ch