SAISON 2018
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Begrüßung Liebe Festivalgäste, die Saison 2018 führt Soli Deo Gloria – Braunschweig Festival zu seinen Ursprüngen zurück: mit Ausnahme der Eröffnung im Schafstall Bisdorf sind alle Konzerte ausschließlich dem Werk Johann Sebastian Bachs gewidmet. Auch mit gleich mehreren Künstlern gibt es ein Wiedersehen: John Eliot Gardiner kehrt mit seinen Ensembles Monteverdi Choir und English Baroque Soloists in den Kaiserdom Königslutter zurück. Die Konzerte mit John Eliot Gardiner und seinen Ensembles gehören seit jeher zu den absoluten Höhepunkten von Soli Deo Gloria. Wir freuen uns daher umso mehr, dass wir dieses Jahr das große Vergnügen haben werden, zum ersten Mal ein reines Bach-KantatenProgramm im Kaiserdom zu erleben. Alexandre Tharaud begrüßen wir nach 2007 erneut, dieses Mal in Begleitung des Kammerorchesters Stuttgart. Er interpretiert die Bach-Konzerte für Cembalo Nr. 1 und 5 auf einem modernen Flügel. Evgeni Koroliov ist bereits zum vierten Mal bei Soli Deo Gloria zu Gast und damit fast schon ein „artist in residence“ in der Region – er ist in Gifhorn mit einem Bach-Rezital zu erleben. Aber auch zwei neue Namen stehen auf dem Programm, und es handelt sich dabei um ausgemachte Shooting Stars der Klassik-Szene: Cameron Carpenter macht mit seiner International Touring Organ in Wolfsburg Station
und präsentiert sein gefeiertes Programm „All you need is Bach“. Das nach seinen Plänen gefertigte Instrument ermöglicht es ihm, an fast jedem denkbaren Ort konzertieren zu können – so auch im Theater Wolfsburg. Mit seiner außergewöhnlichen Musikalität, einer nahezu grenzenlosen technischen Fertigkeit und seinem Pioniergeist hat er die Wahrnehmung der Orgel revolutioniert. Mit Jean Rondeau gibt in der Stiftskirche Steterburg der zurzeit international am höchsten gehandelte junge Cembalist eine Probe seines Könnens. Früh mit renommierten Preisen ausgezeichnet, ist er heute sowohl solo als auch mit diversen Formationen von Barock bis Jazz unterwegs. In der Stiftskirche allerdings stehen ausschließlich Werke der Familie Bach im Mittelpunkt, die Jean Rondeau gemeinsam mit einem Kammermusikensemble spielt.
Der Auftakt der Konzerte 2018 steht im Zeichen der Begegnung von Kunst und Musik: im Schafstall Bisdorf werden Werke von Daniel Richter gezeigt, der wie nur wenige seit den 1990er Jahren die deutsche Malerei prägt. Seit 2000 entstehen großformatige figurenreiche Szenen, häufig durch Reproduktionen aus Zeitungen und Geschichtsbüchern angeregt. Bestandteil des musikalischen Programms sind Werke von Hanns Eisler, Dmitri Schostakowitsch und Benjamin Britten, gespielt vom Atrium Quartett. Diese drei Komponisten eint ihre ambivalente Verbindung zu ihren Heimatländern zu Lebzeiten – heute sind sie und ihr Werk dort legendär und verehrt. Und auch das Weihnachtskonzert in St. Martini wird 2018 nicht fehlen, wenn mit den Wiener Sängerknaben der wohl renommierteste Knabenchor der Welt mit seinem stimmungsvollen Weihnachtsprogramm Station in Braunschweig machen wird. Wie stets gehört unser besonderer Dank unseren Förderern und Sponsoren, ohne die Soli Deo Gloria – Braunschweig Festival in dieser Form und Qualität nicht möglich wäre. Wir freuen uns nun bereits im dreizehnten Jahr mit Ihnen auf große musikalische Ereignisse bei Soli Deo Gloria 2018.
Günther Graf von der Schulenburg Künstlerischer Direktor
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INTERPRETEN
KONZERTE DER SAISON 2018
Die Mitwirkenden der diesjährigen Saison:
SAMSTAG 2. JUNI 2018 | 18.00 | SCHAFSTALL BISDORF
Atrium Quartett | 14 Cameron Carpenter | 18 Jean Rondeau | 22 Stuttgarter Kammerorchester | 26 Alexandre Tharaud | 28 Evgeni Koroliov | 32 Monteverdi Choir | 36 English Baroque Soloists | 37 Sir John Eliot Gardiner | 38 Wiener Sängerknaben | 48
ATRIUM QUARTETT Seite 16
KUNST + MUSIK – EINE BEGEGNUNG SONNTAG 3. JUNI 2018 | 20.00 | THEATER WOLFSBURG
ALL YOU NEED IS BACH CAMERON CARPENTER ORGEL Seite 20
MITTWOCH 6. JUNI 2018 | 20.00 | STIFTSKIRCHE STETERBURG
FAMILIE BACH
JEAN RONDEAU CEMBALO ENSEMBLE LOUIS CREAC’H VIOLINE THÉOTIME LANGLOIS DE SWARTE VIOLINE JÉRÔME VAN WAERBEKE VIOLA CYRIL POULET VIOLONCELLO THOMAS DE PIERREFEU KONTRABASS EVOLÈNE KIENER FAGOTT Seite 24 DONNERSTAG 7. JUNI 2018 | 19.30 | LESSINGTHEATER WOLFENBÜTTEL
BACH: KLAVIERKONZERTE
ALEXANDRE THARAUD KLAVIER STUTTGARTER KAMMERORCHESTER Seite 30
SONNTAG 10. JUNI 2018 | 18.00 | SCHLOSS GIFHORN
BACH-REZITAL
EVGENI KOROLIOV KLAVIER Seite 34 DIENSTAG 12. JUNI 2018 | 20.00 | KAISERDOM KÖNIGSLUTTER Alle Termine und Infos zu Soli Deo Gloria in einer App für iOS. Jetzt kostenlos downloaden!
BACH-KANTATEN
SIR JOHN ELIOT GARDINER LEITUNG MONTEVERDI CHOIR ENGLISH BAROQUE SOLOISTS Seite 40 SAMSTAG 15. DEZEMBER 2018 | 16.30 | ST. MARTINI BRAUNSCHWEIG
WEIHNACHTSKONZERT WIENER SÄNGERKNABEN Seite 48
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RÜCKBLICK 2017
INTERVIEW
BACH-PROJEKT
Die besten Bilder der letzten Saison Seite 6
Cameron Carpenter über Bach und Glamour Seite 8
Was Kinder von heute über den Komponisten wissen Seite 42
SPIELSTÄTTEN
INTERVIEW
VORSCHAU
Schloss Gifhorn ist der Raum für das Bach-Rezital Seite 44
Knud Maywald versichert den Konzertgenuss Seite 47
Die Wiener Sängerknaben erhellen die Weihnachtszeit Seite 48 KUNST+MUSIK
Daniel Richter stellt in Bisdorf aus Seite 12
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IMPRESSIONEN 2017
1 | Samuel Koch und Günther Graf von der Schulenburg bei der Eröffnungsveranstaltung in Nordsteimke. 2 | Im Zeichen Martin Luthers: das Thema Reformation bildete den roten Faden der Konzerte 2017. 3 | Isabelle Faust verzauberte das Theater Wolfsburg. 4 | Luther im Blick: des Publikums. 5 | Gruppenbild mit Geige: Isabelle Faust, Pablo Heras-Casado und Günther Graf von der Schulenburg mit Familie.
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REFORMATION & EMOTION 6 | Originalklang in Reinkultur mit der Capella Ducale und Musica Fiata in der Hauptkirche Wolfenbüttel. 7 | Re-Formation im Bergwerk: Ragna Schirmer begeistert am Rammelsberg. 8+9 | Reformation für den Nachwuchs: Katharina Bäuml spielt mit der Capella de la Torre das Kinderkonzert in St. Magni und sorgt für große Augen bei Jung und Alt.
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BACH IM GLITZEROUTFIT
Cameron Carpenter:
»Ich bin die Lisa Simpson der Orgelwelt.« Der glamouröse Organist sprach anlässlich der Veröffentlichung seines Albums »All You Need Is Bach« über kosmischen Bach, seine Lust auf Technicolor – und warum jeder Bach-Spieler ein bisschen Masochist ist.
HERR CARPENTER, IHR NEUES ALBUM »ALL YOU NEED IS BACH« KÖNNTE DOCH AUCH HEISSEN: »MY FAVORITE BACH«. ALSO: »MEIN LIEBSTER BACH«? Hm, mal überlegen. Nö! Vorlieben sind für mich nicht entscheidend. Jede Auswahl von Bach-Werken nimmt von selbst kosmische Dimensionen an, das ist bei dem Komponisten gar nicht zu vermeiden. Angenehm ist das nicht unbedingt, denn da kann man sich als Musiker schon einige Blessuren zuziehen. Ich sage Ihnen was: Bach ist die Erfindung der Quetschung und der blauen Flecken in der Musikgeschichte! Zumindest für Organisten.
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SO SCHLIMM? Bach enthält alles Herrliche und alles Negative, was die Welt zu bieten hat. So muss es sein, denn Bach besaß kein harmonistisches, sondern ein christliches Weltbild, in dem alles Leid des Menschen mitgedacht ist. Wenn man der großartigen Bach-Monographie von John Eliot Gardiner folgt, von der es, glaube ich, noch keine deutsche Übersetzung gibt, so schwingen in Bachs Kompositionen oft auch noch private Schwierigkeiten und Das Interview mit Cameron Carpenter führte Robert Fraunholzer für das Klassikmagazin Rondo.
Probleme mit. Nicht alles bei Bach ist freudvoll oder schön. Warum auch?! WENN MAN SIE IHRERSEITS AUF DEM PODIUM ARBEITEN SIEHT – MIT HÄNDEN UND FÜSSEN GLEICHZEITIG –, WIRKT DAS DURCHAUS STRAPAZIÖS. AUCH MIT IHRER NEUEN TOURING-ORGEL? Ist besser geworden! Die Touring-Orgel hat zur Folge, dass ich meine Auftrittspläne anders anlegen muss, weil das Instrument auf langen Wegen langsamer ist als ich. Große Teile des Instrumentes müssen verschifft werden, wenn ich in Amerika spiele. Ein anderer Teil existiert doppelt – sonst wäre es noch komplizierter.
So sind an die Stelle der Unzuverlässigkeit der Instrumente vor Ort, die oft schlecht gepflegt sind, andere Probleme getreten. Was soll’s?! Wir Organisten haben ständig mit Drangsalen vor Ort zu kämpfen. Die habe ich jetzt immerhin besser unter Kontrolle. Übrigens habe ich eine so kurze Aufmerksamkeitsspanne, dass ich schlechte Erfahrungen immer gleich wieder vergesse. KLINGT TROTZDEM EIN BISSCHEN MASOCHISTISCH… Neben Bach muss sich jeder schwach vorkommen. Seine Orgelwerke sind Schulstunden für jeden Organisten. Wer Bachs TrioSonaten oder die große Passacaglia spielen kann, dem kann nichts mehr passieren. Bach war ein Leben lang angestellt und hat Autoritäten gedient. Auch das finde ich lehrreich. Kurzum, man sollte sich nicht nur mit seinen Steckenpferden beschäftigen. Mein Lieblingskomponist ist keineswegs Bach, sondern, nebenbei gesagt, Percy Grainger. Trotzdem gibt Bach mir mehr. BACH WAR EIN RELIGIÖSER MENSCH. UND SIE? SPIELEN SIE BACH ANDERS, FALLS SIE NICHT RELIGIÖS SIND?
Tatsächlich bin ich nicht gläubig und ich würde mich gar nicht wundern, wenn Bach sogar Schwierigkeiten mit der Art hätte, wie ich seine Werke spiele. Das Problem ist: Ich sehe den Tod anders an als er. Mein Bach klingt mehr nach Technicolor – und auch halluzinierender als bei anderen. Ich tue das aber nicht aus Respektlosigkeit. Mein Gott heißt Bach! Und genau das hätte Bach nicht akzeptiert.
»Mein Gott heißt Bach!« Cameron Carpenter, geboren 1981 in Meadville/ Pennsylvania, gilt als einer der virtuosesten und exzentrischsten Organisten der Welt. In hautengem Glitzeroutfit und mit Irokesen-Schnitt hat er seinem Instrument zweifellos neue Publikumsschichten erschlossen. Gern setzt er für unspielbar gehaltene Werke von Dupré, Duruflé und Demessieux aufs Programm.
IHRE CD ENTHÄLT AUCH ORGELARRANGEMENTS ZUM BEISPIEL DER 1. FRANZÖSISCHEN SUITE, URSPRÜNGLICH GESCHRIEBEN FÜR CEMBALO. KÖNNTEN SIE SICH DAS GANZE BACH-OEUVRE AUF DEM BEARBEITUNGSWEGE ZU EIGEN MACHEN? Ja, das würde funktionieren, wenn man mit Fleiß und Hartnäckigkeit zu Werke geht. Als Amerikaner würde ich spontan so sagen: Ich bin die Lisa Simpson der OrgelWelt! Ich bin ein Nerd und habe vielleicht nicht viele Freunde … Aber ich habe trotzdem Spaß! Die Orgel ist für mich ein Bild des gesamten Universums – einige schwarze Löcher mit eingerechnet. Ich glaube, dass es innerhalb
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Unser Konzert spielt in der Logistik. Unsere Bühne ist die Automobilindustrie. Unser Auftritt ist immer „Just-in-Takt“. schnellecke.com Modulmontagen | Versorgungslogistik | Verpackungslogistik | Sequenzen | Transportlogistik
www.pwc.de des Bach’schen Werkes keinen Zufall gibt. Selbst dass er während der Komposition der „Kunst der Fuge“ starb, kann kein Zufall sein. Das bedeutet etwas. Nur was?! WARUM GIBT ES IN AMERIKA KEINE SO AUSGEPRÄGTE BACH-AUFFÜHRUNGSTRADITION WIE BEI UNS? Der Grund ist ganz einfach: Amerikaner singen zu wenig gemeinsam. Es gibt keine große Chor-Tradition so wie in England oder Deutschland. In den USA singt man höchstens Wahlkampfsongs, falls man für die entsprechende Partei votiert. Wir Amerikaner lassen singen – oder Orchestermusik spielen. Unser Herz schlägt eher für Filmmusik zu „Casablanca“ oder zu „Lord Of The Rings“
Eingespielt
BEGLEITEN SIE DESWEGEN SO GERN STUMMFILME IM BERLINER KINO »BABYLON«? Ganz genau. Ich schwärme für KinoOrgeln, übrigens auch für KaufhausOrgeln, wie es sie in Amerika häufig gab. Das sind Breitwand-Instrumente, die mein Bild der Orgel wesentlich geprägt haben. Ich spiele darauf so oft es geht. In Berlin habe ich im Kino etliche Stummfilme wie etwa „Nosferatu“ und „Das Kabinett des Doktor Caligari“ live begleitet. Und möchte das gerne fortsetzen. WAR »NOSFERATU« ZUFALL? ODER HÄNGT ES DAMIT ZUSAMMEN, DASS SIE SELBER SICH ZUWEILEN EIN LEICHTES VAMPIR-ANSEHEN GEBEN? Eher nicht. Ich bin nicht einmal sicher, ob mir diese Assoziation gefallen sollte. Es stimmt, dass ich mir bewusst zuweilen ein etwas artifizielles Aussehen gebe. Früher bin ich zum Ausgleich vor meinen Konzerten ins Foyer gegangen, um das Publikum persönlich zu begrüßen. Ich stilisiere eine gewisse Außenseiterrolle, die man als Organist ohnehin nicht los wird. In der Kirche bin ich der Mann hoch oben auf der Empore, der mit dem Rücken zum Publikum spielt. Durch Glitzerabsätze und Schlangen-T-Shirts versuche ich, meinen Auftritt etwas farbiger zu gestalten. Aber ich weiß sehr wohl, dass das alles nur Äußerlichkeiten sind.
Große Virtuosen verlassen sich auf ihr Können. Und auf zuverlässige Partner, die sie einfühlsam begleiten. Wir freuen uns auf ein harmonisches Zusammenspiel. Und wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Festival Soli Deo Gloria 2018.
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Bevor Kunst Gestalt annimmt: Ordentlich aufgereihtes Arbeitsgerät im Atelier Richter.
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aniel Richter wurde 1962 in Eutin geboren und lebt und arbeitet in Berlin. Wie nur wenige prägte der 1962 geborene Richter seit den 1990er Jahren die Malerei in Deutschland. In seinen großformatigen Ölgemälden verschränkt Richter kunsthistorische, massenmediale und popkulturelle Versatzstücke zu eigenwilligen, narrativen Bildwelten. Daniel Richter studierte von 1992 bis 1996 bei Werner Büttner – neben Martin Kippenberger einer der Protagonisten der Wiederbelebung expressiver, malerischer Tendenzen in den 1980er Jahren – an der Hamburger Hochschule für bildende Künste und arbeitete als Assistent von Albert Oehlen. Zunächst entstanden abstrakte Gemälde, deren farbintensiver, psychedelisch anmutender Formenkosmos sich zwischen Graffiti und verschlungenen Ornamenten bewegt. Seit 2000 entstehen großformatige figurenreiche Szenen, häufig durch Reproduktionen aus Zeitungen und Geschichtsbüchern angeregt. Sie zeigen Kampf und Bedrohung in überschießender Aggressivität und Vitalität. Der symbolistische Maler James Ensor und der Expressionismus-Pionier Edvard Munch können in diesem Zusammenhang als künstlerische Ahnen Daniel Richters gelten. Darstellung von Kunstlicht, Blitz-
licht, Wärme- und Röntgenbild evoziert eine Atmosphäre von Künstlichkeit und Nervosität. Das Thema der totalen Überwachung scheint wichtiges Leitmotiv in Richters Œuvre zu sein: Die Assoziation von Infrarot- und Wärmekameras
beim Überwachen von Grenzen drängt sich auf und offenbart einen paranoiden Blick. In diesem Zusammenhang suggerieren die Bildgegenstände bei Richter einen tagespolitischen Gehalt, den sie auf den zweiten Blick nicht haben.
Daniel Richter Er ist einer der größten deutschen Maler der Gegenwart – Daniel Richter stellt im Schafstall Bisdorf aus und präsentiert sein Werk im Kontext der Werke Eislers, Brittens und Schostakowitschs. UNTERSTÜTZT DURCH
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DIE KÜNSTLER VON SOLI DEO GLORIA n der Musikszene wird das Atrium Quartett gleichermaßen von Publikum und Presse gefeiert als ein dynamisches und charismatisches Ensemble. Das Quartett ist Gewinner zweier renommierter internationaler Streichquartett-Wettbewerbe: Es erhielt den 1. Preis und Publikumspreis beim London International String Quartet Competition 2003 sowie den „Grand Prix”, den Preis für die beste Interpretation des zeitgenössischen Werkes (Prix MMSG-Mecemnat Musical Société Generale) und den Zusatzpreis (eine CD-Produktion) beim Internationalen Streichquartett-Wettbewerb in Bordeaux 2007. Gegründet im Jahr 2000 an der Musikhochschule in St. Petersburg auf Anregung von Prof. Joseph Levinson, dem Cellisten des Tanejew Quartettes, errang das Atrium Quartett weitere wichtige Wettbewerbspreise, darunter 2. Preise in Moskau (2001), Cremona und Weimar (2002). Das Atrium Quartett erhielt Unterricht von Mitgliedern des Alban Berg Quartetts, Danel Quartetts und Vermeer String Quartetts und studierte 20062007 an der Niederländischen Streichquartettakademie in Amsterdam bei Stefan Metz, dem Gründer und Cellisten des Orlando Quartetts. Im Juli 2009 schloss das Ensemble ein weiterführendes Studium bei Prof. Eberhard Feltz an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin mit Bestnote ab. Konzertreisen führten das Atrium Quartett neben Auftritten in Russland bisher u.a. nach Großbritannien, in die Niederlande und die Schweiz, nach Spanien, Italien, Dänemark, Frankreich, Ungarn, Brasilien, in die USA und nach Japan. In Deutschland war das Ensemble bei namhaften Veranstaltern wie u.a. dem Beethovenfestival Bonn, Heidelberger Frühling, Schleswig-Holstein Musikfestival, den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, Schwetzinger Festspielen, beim Usedomer Musikfestival, den Traunsteiner Sommerkonzerten und den Kammermusiktagen
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Mettlach sowie in den Musikzentren Berlin, Hamburg und München zu Gast. In Frankreich konzertierte das Atrium Quartett bei zahlreichen der großen Festivals und in bekannten Kammermusikreihen. Im Rahmen von Meisterkursen unterrichteten die Musiker in den USA, Brasilien, Kolumbien, Russland, Finnland, Großbritannien, Österreich und Deutschland. Für die Saison 2017/18 sind Konzertreisen nach Großbritannien, in die USA, nach Japan und Russland vorgesehen. Mit einem Schostakowitsch Marathon (sämtliche fünfzehn Quartette des Komponisten an einem Tag) stellten sich die Musiker einer besonderen Herausforderung. Mehr als sechs Stunden Musik in drei Blöcken wurden aufgeführt u.a. in Hamburg, St. Petersburg, Reykjavik, Tokio sowie beim Festival in Wissembourg. Die Diskografie des Atrium Quartettes umfasst Werke von Haydn (op. 76,4), Mozart (d-moll KV 421), Beethoven (op. 74), Tschaikowski (Nr. 2 und 3), Rachmaninov (Nr. 1), Schostakowitsch (Quartette Nr. 3, 5 und 7) und Nurymov (Quartett Nr. 2). Die Einspielungen wurden bei den Plattenlabeln EMI Classics, Zig-Zag Territoires, RCM (Oclassica) und Columna Musica produziert und von namhaften Musikmagazinen wie Gramophone (Großbritannien) und Luister (Niederlande) als „CD des Monats“ ausgezeichnet. Darüber hinaus spielten die Musiker vier Quartette des spanischen Komponisten Jordi Cervello ein. Seine bisher letzte Arbeit für Streichquartett „Sant Petersbourg“ (2011) widmete der Meister den Musikern des Atrium Quartettes. Die aktuelle CD-Einspielung (auf Darmsaiten) mit Tschaikowkis Streichquartett Nr. 1 D-Dur op. 11 und Brahms’ Quartett c-moll op. 51 Nr. 1 erschien bei der Edition Günter Hännsler. Seit Beginn der Saison 2017/18 ist Nikita-Boriso-Glebsky, Gewinner u.a. des Jean Sibelius und des Fritz Kreisler Wettbewerbes sowie erfahrener Solist und Kammermusiker, neuer Primarius der Atrium Quartettes.
Atrium Quartett
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KUNST MUSIK EINE BEGEGNUNG
SAMSTAG 2. JUNI 2018 18.00 UHR SCHAFSTALL BISDORF HANNS EISLER (1898–1962) STREICHQUARTETT OP. 73 (1937) VARIATIONEN FINALE. ALLEGRETTO CON SPIRITO
DMITRI SCHOSTAKOWTISCH (1906–1975) STREICHQUARTETT NR. 9 ES-DUR OP. 117 (1964) MODERATO CON MOTO ADAGIO ALLEGRETTO ADAGIO ALLEGRO
P A U S E
BENJAMIN BRITTEN (1913–1976) STREICHQUARTETT NR. 1 D-DUR OP. 25 (1941)
ANDANTE SOSTENUTO – ALLEGRO VIVO ALLEGRETTO CON SLANCIO ANDANTE CALMO MOLTO VIVACE
ATRIUM QUARTETT NIKITA BORISO-GLEBSKY 1. VIOLINE ANTON ILYUNIN 2. VIOLINE DMITRI PITULKO VIOLA ANNA GORELOVA VIOLONCELLO
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wei Geigen, Bratsche, Cello: die perfekte Klangkombination. Die Faszination für diese ausgewogene Vierer-Konstellation, die in der frühen Klassik entstanden und in der Romantik noch einmal neu aufgeblüht war, ebbte auch im 20. Jahrhundert nicht ab. Die Quartette von Hanns Eisler, Dmitri Schostakowitsch und Benjamin Britten zeugen davon; sie wurden innerhalb einer Zeitspanne von knapp dreißig Jahren im mittleren 20. Jahrhundert geschrieben und sind in kühlen, aber ausdrucksstarken Farben komponiert. Die drei Werke setzen sich mit der Geschichte des Streichquartetts intensiv auseinander und konfrontieren zugleich die Tradition auf unterschiedliche Arten mit der Moderne: durch den Einbezug etwa der 12-Ton-Technik bei Hanns Eisler, durch die Aufbrechung der traditionellen viersätzigen Form bei Eisler und Schostakowitsch oder durch Anleihen an die amerikanische Musik bei Britten. Hanns Eislers zweisätziges Quartett entstand 1937 in New York. Eisler hatte, nach Jahren rastloser Reisen, im „Big Apple“ seine neue Heimat auf Zeit gefunden. Im Nazi-Deutschland war er verfolgt worden, vor allem wegen seiner jüdischen Wurzeln und seiner kommunistischen Gesinnung. Doch auch seine enge Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht, mit dem er bissige, gesellschaftskritische Werke schuf, und Eislers Interesse an der 12-Ton-Technik seines Lehrers Arnold Schönberg hatten ihn in Deutschland zur persona non grata gemacht und ins Exil getrieben. Im Vergleich zu anderen Werken von Eisler erscheint das Streichquartett von 1937 ein wenig abstrakt, fast akademisch. Den Beginn macht ein Variationensatz – eine traditionelle Kompositionsform, in der die Strenge der sehr klar vorgegebenen Abfolge und die gestalterische Freiheit innerhalb der einzelnen Variationen in einem spannungsvollen Verhältnis zueinander stehen. Für die 12-Ton-Technik, die Eisler in
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diesem Werk konsequent anwandte, bildet die Variationentechnik zugleich eine Art natürliche Form, basiert doch diese von Schönberg entwickelte Technik auf immer anderen Verarbeitungen der immer gleichen Ton-Abfolge. Beide Sätze basieren auf einer solchen Reihe aus 12 unterschiedlichen Tönen, die zunächst vom Cello allein vorgestellt wird und als Material dient für die folgende Erkundungstour der expressiven Möglichkeiten dieses Themas: Es wird gedehnt und gestaucht, wird umgedreht und rückwärts gespielt, durch verschiedene Intensitäten und Dynamiken geführt. Das anschließende Finale beginnt wie ein merkwürdig stilisierter Tanz, zurückhaltend fröhlich. Doch wenig später schon mündet dieses kühle Menuett in eine dichte Polyphonie der vier Streicher. Immer wieder wechselt die Musik zwischen dem Tanzcharakter des Beginns und virtuosen Zwischenspielen in einer freien RondoForm hin und her – ein Versuch, Tanz und Exzess musikalisch miteinander zu vereinen. Schostakowitsch schrieb im Laufe seines Lebens 15 Streichquartette, für diese Gattung hatte er ein besonderes Faible. Mit seinem neunten Quartett allerdings hatte der russische Komponist etwas zu kämpfen. Nachdem er die erste Version 1961 in einem Anfall von Selbstzweifeln und Depressionen im Ofen verbrannt hatte, schrieb er es noch einmal komplett neu und überarbeitete es mehr als drei Jahre lang, bis er 1964 schließlich die Komposition beendete. Die traditionell viersätzige Anlage erweiterte Schostakowitsch in diesem Quartett um einen zusätzlichen langsamen Satz. Schon von den ersten Klängen an kann man den unverwechselbaren Schostakowitsch-Sound erkennen: Eingängige, oft etwas abgehackte Themen wechseln sich ab mit mysteriösen, dunklen Klangflächen; ernste und verspielte, nachdenkliche und aggressive Passagen scheinen in einem beständigen Wettstreit miteinander zu stehen, der den Zuhörer schnell in seinen
Bann zieht. Die fünf Sätze gehen alle ohne Pause ineinander über, so ist diese Musik anstatt durch klar abgetrennte Sätze eher durch Phasen von Ruhe und Stille bzw. von Kraft und Intensität strukturiert, die wellenartig ineinander übergehen oder aber abrupt aufeinanderprallen. Die Grundtonart Es-Dur dient zwar in diesem Quartett als tonale Basis, doch Schostakowitsch verlässt sie immer wieder, um Grenzbereiche der Tonalität auszukundschaften und die Musik von der Eindeutigkeit in die Vieldeutigkeit zu heben, ins Fragende, Ahnende. Das erste Streichquartett von Benjamin Britten entstand im Sommer 1941 im Auftrag der amerikanischen Mäzenin Elizabeth Sprague Coolidge, die zuvor bereits bei Bartók und Schönberg Quartette bestellt hatte. Britten war damals für einen längeren Auslandsaufenthalt in den USA und machte sich in Kalifornien sogleich an die Arbeit. Bereits im September 1941 war das Quartett vollendet und wurde in Los Angeles uraufgeführt. Britten verknüpfte in diesem
Werk eine sehr differenzierte Struktur mit einer für ihn typischen Klangdramaturgie, die – ähnlich wie bei Schostakowitsch – konträre Sphären verbindet: Subtilität mit Expressivität, kühne Diatonik mit lyrischer Melodik. Der Kopfsatz, dem eine langsame Einleitung vorangestellt ist, steht in einer Sonatenform. Das folgende Scherzo ist ein mit Schwung („con slancio“) zu spielendes, sehr spritziges Allegretto mit abgerissenen Akkorden und abrupten Trillern. Dagegen bietet das „Andante calmo“ mit seinem erdigen, sanften Klang einen lyrischen Ruhepunkt. Im Finale scheint Britten, falls er denn ein Vorbild im Kopf hatte, auf Haydn und dessen quirlige Schlusssätze anzuspielen. Nicht nur hier meint man aber auch Einflüsse der amerikanischen Musik durchschimmern zu hören, vor allem der Kompositionsweise Aaron Coplands, den Britten in den USA kennen und schätzen lernte. Brittens erstes Streichquartett war eben auch – eine transatlantische Begegnung der musikalischen Welten. Anna Vogt
Herr Richter – warum Eisler, Schostakowitsch und Britten?
Mir schien es immer so, dass es bei allen dreien (nicht in allen Phasen und Werken, doch als grundierender Sound, den unterschiedlichen Produktionsbedingungen zum Trotz) ein schöner Stress sich formuliert, der in meinem Körper und dessen Ohren stets einen dankbaren und produktiven Resonanzkörper fand und findet, so wie sie selbst in unterschiedlichem Maße, (doch mit ähnlichen Verpflichtungen) gegenüber der Musik, ihrer Geschichte und der sie umgebenden Welt versuchten, sich ins Verhältnis zu set-
IN DEN FARBEN DER MODERNE
zen, zu eben derselben als produktive Kraft jenseits des Elfenbeinzimmerchens. Eingespannt zwischen den Versprechungen der Kunst und den Enttäuschungen der Gegenwart, sind mir alle drei Komponisten auch Anreger zu Bildern geworden, zwar keine Streichquartette, aber immerhin. Dankbar nimmt man, was man kriegen kann.
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DIE KÜNSTLER VON SOLI DEO GLORIA it seiner außergewöhnlichen Musikalität, einer nahezu grenzenlosen technischen Fertigkeit und seinem Pioniergeist hinterlässt Cameron Carpenter bereits Spuren in der neueren Musikgeschichte. Seit der Fertigstellung der International Touring Organ (ITO) im Jahr 2014 spielt Carpenter nunmehr fast ausschließlich, ob Rezitale oder mit Orchester, auf seinem eigenen Instrument. Die nach seinen Plänen gefertigte ITO ermöglicht es ihm, an fast jedem denkbaren Ort konzertieren zu können. Er bereiste mit seinem Instrument neben Europa und den USA auch Australien, Neuseeland und Asien. Im Frühjahr 2016 erschien, nach der mit einem ECHO ausgezeichneten Einspielung If You Could Read My Mind (2014), mit All You Need is Bach, Carpenters zweites Album bei Sony Classical, „unkonventionell, zutiefst lebhaft und von jeglichem Puderperückenstaub befreit“ (Rolling Stone). Als erster Organist überhaupt wurde Cameron Carpenter
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für sein Album Revolutionary (2008, Telarc) für einen Grammy nominiert. Ebenfalls bei Telarc erschien 2010 Cameron Live! In der Saison 2017/18 ist Cameron Carpenter „Artist in Residence“ des Konzerthauses Berlin und in vielfältigen Konzertformaten zu erleben. Dazu zählen Rezitale und Kammerkonzerte mit Mitgliedern des Konzerthausorchesters Berlin, sowie Orchesterkonzerte unter der Leitung von Christoph Eschenbach und Alexander Shelley. Weitere ausgewählte Höhepunkte sind Konzerte mit der ITO in Hamburg, München, Luxemburg, Basel, Gent, Moskau, und St. Petersburg. Erneut ist er auch bei den BBC Proms zu Gast. Nach einer Tournee mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien in 2016, auf dem Programm seine Bearbeitung von Rachmaninoffs Paganini-Variationen für Orgel und Orchester, war Cameron Carpenter und die ITO im Mai 2017 mit der Academy of St Martin in the Fields erneut auf Tournee.
1981 in Pennsylvania, USA, geboren, führte Cameron Carpenter mit elf Jahren erstmals J.S. Bachs Wohltemperiertes Klavier auf und wurde 1992 Mitglied der American Boychoir School. Neben seiner Mentorin Beth Etter zählten John Bertalot sowie James Litton zu seinen Lehrern. An der North Carolina School of the Arts studierte er Komposition und Orgel bei John E. Mitchener – und transkribierte währenddessen über 100 Werke für Orgel, unter anderem Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 5. Die ersten eigenen Kompositionen entstanden während Carpenters Zeit an der Juilliard School New York, deren Student er von 2000 bis 2006 war. Parallel zu seinen Studien an der Juilliard erhielt er Klavierunterricht von Miles Fusco. 2011 wurde sein Konzert für Orchester und Orgel Der Skandal, ein Auftragswerk der Kölner Philharmonie, von der Deutschen Kammerphilharmonie uraufgeführt. 2012 erhielt er den Leonard Bernstein Award des Schleswig-Holstein Musik Festivals.
Cameron Carpenter ORGEL
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er US-amerikanische Organist ist eine Kunstfigur mit Charisma und ein Musiker mit stupender Technik und großem Gespür für die filigrane Polyphonie und die komplizierten Klangarchitekturen gerade der Barockmusik. Er verhilft der Orgel, dieser traditionellen „Königin der Instrumente“, zu neuer Aufmerksamkeit und begeistert für die Vielfalt des Orgel-Repertoires, das ebenso komplex wie sinnlich und überwältigend sein kann. Eine wichtige Rolle für seine Kunst spielt die eigens für ihn entwickelte „Touring Organ“. Mit ihr macht sich Carpenter auf Gastspielen von den guten und weniger guten Instrumenten in den Konzerthäusern und Kirchen unabhängig und kann seinen exzellenten Orgel-Klang überallhin mitbringen. Sein Album „All You Need Is Bach“ wurde nicht zuletzt für die Klangqualität dieser Touring Organ hochgelobt. Und so gibt das heutige Konzert mit Bach-Werken, teilweise von Carpenter arrangiert, und eigenen Improvisationen des extravaganten Orgel-Virtuosen, eindrucksvolle Einblicke in die Vielfalt der Orgelkunst des Barock und der Gegenwart. Johann Sebastian Bach war ein Experte für dieses Instrument. Er war selbst ein hervorragender Organist und berühmt für seine flinken Beine auf den Pedalen: einer der besten Virtuosen seiner Zeit. In seiner Jugend war Bach unermüdlich unterwegs zu Organisten und Orgelbauern, um von ihnen über das Instrument zu lernen, über Register und Schalltrichter, Klangmixturen und Spieltechniken. Kam er an einer Kirche vorbei, konnte er nicht anders, als die Orgel dort auszuprobieren. Sein 13 Jahre älterer Bruder Johann Christoph, bei dem Johann Sebastian aufwuchs, war selbst Kirchenorganist. Bei ihm hatte Bach das Orgelspiel gelernt. Bereits als 19-Jähriger wurde Bach in Arnstadt als Organist verpflichtet, besuchte später drei Monate lang den berühmten Organisten Dieterich Buxtehude in Lübeck, um sein Orgelspiel bei diesem Meister
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SONNTAG 3. JUNI 2018 20.00 UHR THEATER WOLFSBURG
ALL YOU NEED IS BACH JOHANN SEBASTIAN BACH (1685-1750) CONTRAPUNCTUS IX AUS: DIE KUNST DER FUGE BWV 1080 IN DULCI JUBILO BWV 608 PRÄLUDIUM UND FUGE FÜR ORGEL A-DUR BWV 536 PRÄLUDIUM UND FUGE FÜR ORGEL a-MOLL BWV 543 PASSACAGLIA UND FUGE c-MOLL BWV 582 P A U S E
FANTASIE UND FUGE G-MOLL BWV 542 FÜR ORGEL FRANZÖSISCHE SUITE NR. 5 G-DUR BWV 816 (ARR. CARPENTER) CAMERON CARPENTER IMPROVISATIONEN JOHANN SEBASTIAN BACH TOCCATA UND FUGE d-MOLL BWV 565 (ARR. CARPENTER)
CAMERON CARPENTER ORGEL
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zu perfektionieren. Auch während seines Engagements als Thomaskantor in Leipzig spielte die Orgel eine wichtige Rolle, hier entstanden viele seiner Orgelwerke für die Gottesdienste. Nach Bachs Tod gerieten seine Orgelkompositionen allerdings lange Zeit in Vergessenheit und wurden erst im 19. Jahrhundert im Zuge der Bach-Renaissance wiederentdeckt. Das heutige Konzert bietet einen Querschnitt durch die Gattungen und Kompositionsformen des Barock: einen Contrapunctus, ein Choralvorspiel, Präludien, eine Fantasie, eine Toccata und eine Passacaglia, jeweils mit anschließender Fuge, und eine Französische Suite mit ihren typischen Tanzsätzen. Das Programm wird eröffnet durch den neunten Contrapunctus aus Bachs „Kunst der Fuge“, einem Zyklus von 14 Fugen und vier Kanons: Das anfangs vorgestellte Thema wandert kanonartig durch die vier Stimmen und wird später mit einem zweiten Thema mit langen Notenwerten – dem Grundthema der „Kunst der Fuge“ – gekoppelt. Das anschließende „In dulci jubilo“ (auf Deutsch: „In süßer Freude“) ist ein altes Kirchenlied, das traditionell in der Weihnachtszeit gesungen wird. Bach kombinierte diese bekannte Melodie mit triolischen Begleitfiguren. Überliefert ist es uns in seinem „Orgelbüchlein“, in dem Bach Choralvorspiele sammelte. Diese Vorspiele waren zur Verwendung im Gottesdienst gedacht, aber auch als kontrapunktisches Lehrmaterial für den Kompositions- und Orgelunterricht. Die Kombination von Präludium, Toccata oder Fantasie und anschließender Fuge war im Barock ein Standardmodell, das auf einem Kontrastprinzip basierte: Im eröffnenden Satz herrschen Freiheit, ein quasi-improvisierender Stil und großer emotionaler Ausdruck. In der Fuge dagegen herrschen Form und Strenge. Das A-Dur-Präludium von Bach beginnt mit sanft gebrochenen Akkorden freundlich und licht und ist auffällig unauffällig. In der anschlie-
ßenden Fuge wird zunächst ein Hauptthema vorgestellt: der „Dux“ („Führer“), dem alsbald ein „Comes“ („Begleiter“) folgt. Ein Fangspiel der Stimmen entwickelt sich, sie kontrastieren sich, ergänzen sich, umschlingen sich. So baut sich allmählich, durch den Wechsel der Orgel-Register und die wachsende Stimmenanzahl, eine Klangkathedrale auf. Im Geschwisterwerk in a-Moll, Präludium und Fuge BWV 543, herrscht schon durch die Moll-Tonalität ein dramatischerer Grundcharakter: Das Präludium wirkt durch chromatische Abwärtslinien seltsam gebrochen und schmerzlich. Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 sowie Fantasie und Fuge in g-Moll BWV 542 folgen ebenfalls dem Kontrastprinzip aus Freiheit und Strenge. Die Passacaglia (von span. „pasar una calle“ = „eine Straße entlang gehen“) verdichtet das Prinzip noch einmal innerhalb eines einzigen Satzes: Sie ba-
siert auf einer immer gleichbleibenden Basslinie, die hier durch ihren charakteristischen Rhythmus stets gut erkennbar ist. Über ihr spinnen die anderen Stimmen freie Variationen. Bachs siebensätzige Französische Suite entstand im Original für Cembalo und wurde von Carpenter für die Orgel arrangiert. Bach notierte sie in das „Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach“, seiner zweiten Frau. Es sind stilisierte Tanzsätze mit unterschiedlichen Charakteren, die Bach hier aneinanderreihte: eine frei fließende Allemande, eine zweistimmige Courante, eine langsame Sarabande, die durch den Musiker mit wohlplatzierten Verzierungen ausgeschmückt werden kann, und die melodisch reizvollen Sätze Gavotte und Bourrée. Schließlich folgt, nach einer etwas schwerfälligen Loure, noch eine lebhafte, kunstvolle fugierte Gigue: ein virtuoser Rausschmeißer. Anna Vogt
ALL YOU NEED IS BACH
Kommt Ihnen die Überschrift bekannt vor? Der Titel des Beatles-Hits »All You Need Is Love« diente Cameron Carpenter – leicht abgeändert – als Namenspate für sein Bach-Album aus dem Jahr 2016, aus dem in diesem Konzert einige Stücke zu hören sind.
Hier schlagen unsere Herzen Wurzeln.
Ob Kulturprojekte, Umweltinitiativen oder Sportveranstaltungen – wir engagieren uns für vielfältige Projekte im Braunschweiger Land. Und das aus Überzeugung. Schließlich sind wir seit über 260 Jahren ein starker Partner für die Menschen hier vor Ort. Und tief in der Region verwurzelt.
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DIE KÜNSTLER VON SOLI DEO GLORIA ereits vor seinem Studium am Pariser Konservatorium hatte Jean Rondeau zehn Jahre Cembalo-Unterricht bei Blandine Verlet. Neben Cembalo studierte er außerdem Generalbass, Orgel, Klavier, Jazz und Improvisation, Komposition sowie Dirigat. Nachdem er am Conservatoire National Supérieur de Musique in Paris mit Auszeichnung abschloss, setzte er seine Studien an der Guildhall School of Music and Drama in London fort, wo er mit einer Auszeichnung geehrt wurde. Mit gerade einmal 21 Jahren war Jean Rondeau, geb. 1991, einer der jüngsten Gewinner des internationalen Cembalo-Wettbewerbs des Musica Antiqua Festivals 2012 in Brügge, sowie Träger des European Union Baroque Orchestra Development Trust Awards, der an die vielversprechendsten jungen Künst-
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ler in der Europäischen Union vergeben wird. Er gewann den Zweiten Preis des Cembalo-Wettbewerbs des Prague Spring International Music Festivals, 2013 ernannten ihn die Radios Francophones Publiques zum „Jungen Solisten 2014“ und im Januar 2015 verliehen ihm die Victoires de la musique classique den Titel „Offenbarung des Jahres“ in der Kategorie Instrumentalsolist. Seine Engagements – ob als Kammermusiker oder Solist – führen Jean Rondeau regelmäßig nach Europa, Nordund Südamerika sowie Asien. Er ist Mitglied des Barockensembles „Nevermind“ und war Gründer des Jazz-Ensembles „Note Forget“, welches ihm bis Anfang 2017 als Plattform für seine Jazzkompositionen und -improvisationen diente. Jean Rondeau arbeitet mit Ensembles wie Les Violons du Roy, Kammerorchester Basel, Stuttgarter Kammeror-
chester, l‘Orchestre National de Lille und dem hr-Sinfonieorchester zusammen und gastiert in Konzerthäusern wie Carnegie Hall (New York), Théâtre des Champs Elysées (Paris), Elbphilharmonie (Hamburg) und Alte Oper (Frankfurt). Im März 2016 erschien sein Debütalbum „Bach – Imagine“ mit Werken von J.S. Bach bei Erato/Warner Classics in Deutschland. Sein im Februar 2016 in Frankreich erschienenes zweites Album „Vertigo“ hat bereits einen „Diapason d’or“ erhalten und wurde im Herbst 2017 auch in Deutschland veröffentlicht. Im März 2017 erschien sein erstes Ensemble-Album, auf dem er Cembalokonzerte der Bach-Dynastie eingespielt hat. Als Filmkomponist feierte Jean Rondeau 2016 sein Debüt: Er schrieb den Soundtrack für Christian Schwochows Film „Paula“, der beim Locarno Film Festival seine Premiere feierte.
Jean Rondeau CEMBALO
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eboren 1642 wirkte Johann Christoph Bach bis zu seinem Tod im Jahr 1703 als Organist in Arnstadt und Eisenach – in Eisenach war er zudem als Cembalist der Hofkapelle tätig. Über sein Wirken ist jedoch nicht allzu viel bekannt. In jedem Fall wurde seine Musik in Leipzig auch von Johann Sebastian zur Aufführung gebracht, der ihn in der Familienchronik als „profunden Componist“ beschreibt – ein Zeichen von Wertschätzung. Dass seine Werke im heutigen Konzertrepertoire Raritäten-Status haben, ist auch der Tatsache geschuldet, dass von Johann Christoph Bach nur sehr wenig Musik überhaupt überliefert ist. Eine Handvoll Motetten, geistliche Konzerte, einige Orgelchoräle. „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut“ ist einer davon. In ihm zeigt sich, dass Johann Christoph Bach die kleine Form durchaus beherrschte. Nicht zu verwechseln mit Johann Christoph ist Johann Christian Bach, der jüngste Sohn von Johann Sebastian, gemäß seinen Wirkungsstätten auch als „Mailänder Bach“ oder „Londoner Bach“ bezeichnet. Johann Christian Bach steht zwar im rezeptionsgeschichtlichen Schatten, den sein Vater heute auf die Familie wirft, hat aber ebenso beachtenswerte Musik geschrieben. Beachtenswert ist sie nicht zuletzt auch, weil sich in ihr die Entwicklung vom Barock zur Klassik zeigt. Empfindsamkeit ist hier das Stichwort. So begegnete Johann Christian Bach im Jahr 1764 erstmals dem damals acht Jahre alten Wolfgang Amadeus Mozart, später trafen sich beide in Paris wieder. Unbestreitbar zeigen sich in den Werken Mozarts stilistische Einflüsse von Johann Christian Bach. Sein Cembalokonzert in f-Moll hat mit dem typischen Sound, den man mit dem Namen Bach gemeinhin verbindet, nicht mehr viel zu tun. Auf ein pulsierendes, aber dennoch galantes Allegro di molto folgen nach dem dreisätzigen Modell ein bisweilen düsteres Andante und ein kurzer, stürmischer Schlusssatz im
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MITTWOCH 6. JUNI 2018 20.00 UHR STIFTSKIRCHE STETERBURG
FAMILIE BACH JOHANN CHRISTOPH BACH (1642-1703) WER GOTT VERTRAUT, HAT WOHL GEBAUT JOHANN CHRISTIAN BACH (1735-1782) CEMBALOKONZERT f-MOLL ALLEGRO DI MOLTO - ANDANTE - PRESTISSIMO
JOHANN SEBASTIAN BACH (1685-1750) SONATE G-DUR (BWV 1039)
ADAGIO - ALLEGRO MA NON PRESTO ADAGIOPE A PIANO U S -EPRESTO
CEMBALOKONZERT NR. 5 f-MOLL (BWV 1056) ALLEGRO - LARGO - PRESTO
CEMBALOKONZERT NR. 1 d-MOLL (BWV 1052) ALLEGRO - ADAGIO - ALLEGRO
JEAN RONDEAU CEMBALO
ENSEMBLE LOUIS CREAC’H VIOLINE THÉOTIME LANGLOIS DE SWARTE VIOLINE JÉRÔME VAN WAERBEKE VIOLA CYRIL POULET VIOLONCELLO THOMAS DE PIERREFEU KONTRABASS EVOLÈNE KIENER FAGOTT
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Prestissimo. Zum bekanntesten Familienmitglied: Johann Sebastian Bachs Triosonate in G-Dur BWV 1039 wurde vermutlich von Georg Philipp Telemanns Begeisterung für die Traversflöte inspiriert, die in dieser Sonate für zwei Flöten und Basso continuo eine zentrale Rolle einnimmt. Im Gegensatz zur modernen Querflöte klingt sie wesentlich lieblicher und zarter im Klang. Neben der Version für Traversflöten existiert unter BWV 1027 ebenso eine Version für Gamben. Einiges deutet darauf hin, dass beiden Fassungen eine verlorene Triosonate in der klassischen Besetzung mit zwei Violinen und Basso continuo zugrunde liegt. Im ersten Satz umranken sich die Flöten in einem melodiös-anmutigen Duett, das einer musikalischen Unterhaltung gleicht und in das sich nur ab und an unerwartete Dissonanzen mischen. Im Gegensatz hierzu steht das imitatorische Allegro ma non presto des zweiten Satzes, in dem das tänzerische Thema vielfältig kontrapunktisch verarbeitet wird. Der dritte Satz wirkt mit seinen gebrochenen Akkorden in den Flöten beinahe wie ein Präludium, dem sämtlicher Elan verlorengegangen ist. Was für ein richtungslos umherirrendes Kleinod! Fröhlich und beschwingt endet die Sonate, im abschließenden Presto führen die Stimmen einen gleichberechtigten Dialog. Johann Sebastian Bachs fünftes Cembalokonzert in f-Moll kommt stürmisch daher. Es gehört in der Gruppe der sieben Konzerte für Solo-Cembalo, Streicher und Basso Continuo zu den weniger komplexen Werken. Auch wenn die Vorlage verloren ist, lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass es sich um die Transkription eines früheren Konzertes handelt. Typische Spielfiguren und der gewählte Tonumfang deuten auf die Violine als Soloinstrument hin, Schreibfehler im ersten Satz legen die Originaltonart g-Moll nahe. Den Mittelsatz borgte sich Bach aus einem in seiner Originalgestalt verlorenen Oboenkonzert. Kompositorische Wiederverwertung
und Bearbeitung für andere Instrumente waren für Bach zu seiner Leipziger Zeit übliche Verfahren, im Gegensatz zur Komposition eines genuinen Cembalokonzertes. Die Idee, ein Violinkonzert in ein Cembalokonzert umzuwandeln, mag heute ungewöhnlich erscheinen, schließlich sind beide Instrumente sehr verschieden. Um die typischen klanglichen Besonderheiten der Violinen in einem attraktiven Cembalopart neu zu arrangieren, waren folglich Anpassungen nötig. Das Ergebnis kann sich jedoch hören lassen. Auch das beliebteste Konzert der Sammlung, das erste Cembalokonzert in d-Moll, war ursprünglich ein Violinkonzert, dessen Originalgestalt heute verloren ist. Seine Popularität hat das Konzert nicht ohne Grund erlangt. Der erste Satz, ein furioses Allegro, ist wahrlich ein musikalisches Feuerwerk. Die treibende Kraft, das punktierte Thema
in dunklem Moll, zieht die Hörer unmittelbar in seinen Bann und wird als Ritornell wiederholt. Dazwischen präsentiert sich das Cembalo. Schon der Einstieg ist bemerkenswert virtuos und erinnerte an eine Toccata. Während die Streicher miteinander interagieren, arbeitet sich der Cembalist an gebrochenen Dreiklängen, Läufen und Spielfiguren ab. Im langsamen Satz beruhigt sich das Geschehen zwar, die trübe Moll-Sphäre wird jedoch nicht verlassen. Das Unisono-Thema in traurigem g-Moll wiegt schwer, der Ton klagend und wenig optimistisch. Im Kontrast dazu das tänzerische Finale: Ein lebhaftes Miteinander von Streichern und Solo-Cembalo wechselt sich mit umfangreichen Cembalo-Soli ab. Am Ende steht ein hochvirtuoser Part, der verdeutlicht, was dieses Konzert für den Solisten ist: ein spieltechnischer Parforceritt. Jesper Klein
AUF DEN SPUREN EINER MUSIKERFAMILIE Im weit verästelten Geflecht der Musikerfamilie Bach, mit Johann Sebastian als prominentestem Mitglied, zählt der Name Johann Christoph Bach heute sicherlich zu den weniger bekannten. Dabei war der Cousin des Vaters von Johann Sebastian zu seiner Zeit ein wichtiger Komponist.
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Stuttgarter Kam D
as Stuttgarter Kammerorchester begeistert seit über 70 Jahren durch seine Verbindung von Tradition und Gegenwart. Chefdirigent Matthias Foremny vermag das Ensemble vielseitig zu präsentieren und um wertvolle Impulse zu bereichern. Er erweitert das Repertoire des Orchesters regelmäßig durch die Wiederentdeckung selten gespielter Werke aller Epochen und ermöglicht damit dem Publikum spannende Hörerlebnisse. Einen Akzent setzt das Stuttgarter Kammerorchester auf Neue Musik und arbeitet mit herausragenden Künstlern und Ensembles wie etwa Johannes Ka-
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litzke, Rupert Huber, Peter Rundel, mit dem SWR Vokalensemble, den Neuen Vocalsolisten, dem Aleph Gitarrenquartett und dem ensemble ascolta zusammen. Zahlreiche Uraufführungen, beispielsweise von Michael Pelzel, Michael Wertmüller, Mauricio Sotelo, Robert Moran, Gerd Kühr und Helmut Oehring stehen für den Drang nach Unbekanntem und den Mut, neue Wege zu gehen. Das Stuttgarter Kammerorchester setzt damit den Weg seines einstigen Chefdirigenten Dennis Russell Davies fort und macht sich zu einer spannenden Suche in die Gegenwart auf; Davies ist dem Klangkörper bis heute als Ehrendirigent verbunden.
In der Reihe SKO Sternstunden bringt das Orchester seine stilistische Bandbreite und die Lust am Experimentellen zum Ausdruck. So lassen etwa Konzerte mit dem legendären Avishai Cohen Trio, dem Jazzvirtuosen Richard Galliano oder die Fusion von Streicherklang und Flamencotanz Genregrenzen verschwimmen und erreichen damit auch Zuhörer jenseits des etablierten Konzertbetriebs. Darüber hinaus ist die Alte Musik ein wichtiger Bestandteil des Orchesterrepertoires. Die Musiker lassen sich auf Spieltechniken vergangener Jahrhunderte ein und machen durch ihre historisch informierte Aufführungspraxis
DIE KÜNSTLER VON SOLI DEO GLORIA
mmerorchester ein authentisches Klangerlebnis erfahrbar. Konzerte mit namhaften Künstlern wie Richard Egarr, Fabio Biondi, Reinhard Goebel, Dorothee Oberlinger und Robert Levin belegen die intensive Auseinandersetzung mit dem musikalischen Erbe. Das Stuttgarter Kammerorchester besinnt sich damit nicht zuletzt auf seinen ursprünglichen Repertoireschwerpunkt, welchen Gründungsdirigent Karl Münchinger in den Anfangsjahren des Ensembles etablierte. Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt des Stuttgarter Kammerorchesters stellt die Zusammenarbeit mit verschiedenen Bildungseinrichtungen dar: In den Projekten des SKOhr_Labor
begegnen sich Kinder und Jugendliche unterschiedlichster Herkunft und finden über das gemeinsame Musizieren zueinander. Außerdem wird durch die Kooperation mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart Studierenden die Arbeit mit einem professionellen Orchester ermöglicht. Gemeinsame Konzerte mit international bekannten Solisten wie Renaud und Gautier Capuçon, Steven Isserlis, Nicolas Altstaedt, Gabriela Montero, Fazil Say, François Leleux, Paul Meyer uva. bestätigen die Spitzenposition des Stuttgarter Kammerorchesters. Und auch die eindrucksvolle Diskographie des Orchesters, die mit breit gestreutem
Repertoire und Solisten von Weltrang aufwarten kann, ist Beleg einer der erfolgreichsten Orchesterbiografien der Gegenwart. Das Orchester nimmt darüber hinaus seine Aufgabe als musikalischer Botschafter durch eine rege Tournee- und Gastspieltätigkeit rund um den Globus ebenso wie in der Region Stuttgart wahr. Für sein außergewöhnliches Engagement wurde dem Stuttgarter Kammerorchester der Europäische Kammermusikpreis der Europäischen Kulturstiftung verliehen.
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DIE KÜNSTLER VON SOLI DEO GLORIA lexandre Tharauds internationale Karriere führt den Pianisten nach Nordamerika (Carnegie Hall, Boston’s Symphony Hall, John F. Kennedy Centre Washington D.C., Walt Disney Hall in Los Angeles) und Asien (Suntory Hall, Tokyo; Symphony Hall, Osaka; Beijing Concert Hall; Shanghai Oriental Art Center; Taiwan National Performing Arts Center and Macau Concert Hall). In Europa konzertiert er häufig in Deutschland (Philharmonien Essen und Köln, Alte Oper Frankfurt), Frankreich (Théâtre des Champs-Elysées, Opéra de Versailles) sowie in der Warschauer Philharmonie, der Victoria Hall in Genf, Muziekgebouw und Concertgebouw in Amsterdam, BOZAR in Brüssel, Wigmore Hall und Queen Elizabeth Hall in London, dem Auditorio Nacional Madrid, Santa Cecilia in Rom, Tonhalle Zürich, Casino Bern, Rudolfinum Prag und dem Wiener Musikverein. Zudem spielt er auf zahlreichen Festivals, u.a. BBC Proms, Edinburgh International Festival, Gergiev Festival in Rotterdam, Aix-en-Provence, La Roque d’Anthéron, Schleswig-Holstein Musik Festival, Rheingau Musik Festival, Ludwigsburger Schlossfestspiele und Klavierfestival Ruhr.
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Einige Highlights der kommenden Saison sind eine Europa-Tournee mit dem Metropolitan Orchestra und dessen Chefdirigenten Yannik Nézet-Séguin (Klavierkonzert für die linke Hand von Maurice Ravel), eine Recital-Reihe in Nordamerika (u.a. Carnegie Hall; John F. Kennedy Center; Salle Bourgie, Montreal) und eine Japan-Tournee mit einem Konzert mit dem Tokyo Metropolitan Orchestra (Klavierkonzert Nr. 2 von Dimitrij Schostakowitsch). Weitere Tourneen und Konzerte finden in Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz statt, gemeinsam mit der NDR Radiophilharmonie, dem Orchestre de la Suisse-Romande, dem Münchner Kammerorchester, der Jungen Deutschen Philharmonie und dem Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi. Mit Begeisterung setzt sich Alexandre Tharaud auch für zeitgenössische Musik ein. So ist er Widmungsträger zahlreicher neuer Werke und brachte Kompositionen etwa von Renaud Gagneux, Jacques Lenot, Guillaume Connesson, Thierry Pécou, Thierry Escaich und Olivier Greif zur Uraufführung. 2012 wurde durch ihn Gérard Pessons Konzert in Zürich, Frankfurt und Paris mit dem Tonhalle Orchester Zürich und dem hr-Sinfonieorchester uraufgeführt. 2016 erfolgte die Weltur-
aufführung von Hans Abrahamsens Klavierkonzert für die linke Hand, „Left Alone“, mit dem WDR-Sinfonieorchester. Daraufhin folgten Auftritte mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra, dem DR SymfoniOrkestret und dem Rotterdam Philharmonisch Orkest. Alexandre Tharaud arbeitet mit renommierten Dirigenten wie Lionel Bringuier, Marc Minkowski, Bernard Labadie, Raphael Frühbeck de Burgos, Stéphane Denève, Leo Hussein, David Zinman, Yannik Nézet-Séguin, Claus Peter-Flor und Georges Prêtre sowie Orchestern wie dem Atlanta Symphony Orchestra, Philadelphia Orchestra, Toronto Symphony Orchestra, Taïwan National Symphony Orchestra, Japan New Philharmonic, Kansai Philharmonic, Tokyo Metropolitan Orchestra, Singapore Symphony Orchestra, Münchner Kammerorchester, Orchestre National de France, Orchestre Philharmonique de Radio-France, Orchestre National de Bordeaux-Aquitaine, Orchestre National de Lyon, London Philharmonic Orchestra, Royal Concertgebouw Orchestra und Bolshoi Orchestra. Tharauds Diskographie demonstriert seine vielseitige Affinität zu verschiedenen Musikstilen. Seit Juli 2009 hat er bei Warner Classics/Erato einen Exklusivvertrag.
Alexandre Tharaud KLAVIER
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Als Johann Sebastian Bach in Weimar mit der Arbeit an seinem Orgelbüchlein begann, hatte er ein klares Ziel vor Augen. 164 Choralbearbeitungen sollte das Buch enthalten, nach dem Ablauf des Kirchenjahres angeordnet. Das wissen wir, denn Bach hatte bereits für alle Choräle die Titel eingetragen. An Nummer 24 setzte er „O Mensch, bewein dein Sünde groß“, eine kunstvolle und reich ausgezierte Bearbeitung, die auf dem gleichnamigen zur Osterzeit gesungenen Kirchenlied aus dem 16. Jahrhundert basiert. Der Kantor Sebald Heyden hatte den Text zu einer Melodie von Matthias Greitter geschrieben, noch heute ist das Lied Teil der einschlägigen Gesangbücher. Dass die Sammlung schlussendlich nur 46 statt der avisierten 164 Choräle enthält, lässt sich damit erklären, dass mit der Zeit andere Werke das zunächst ambitioniert angelegte Projekt in den Hintergrund drängten. Das Cembalokonzert Nr. 5 in f-Moll fällt hingegen, wie Bachs Cembalokonzerte generell, bereits in seine Leipziger Zeit. Das Orgelbüchlein ist zu diesem Zeitpunkt längst ad acta gelegt. Neben seinem Amt als Thomaskantor schrieb Bach auch weltliche Konzerte. Besonders gerne integrierte er nun das Cembalo – entweder in einer Gruppe zu mehreren Instrumenten oder als Solo-Instrument. So entstanden um 1738 in einer Handschrift notiert die Cembalokonzerte BWV 1052 bis 1058. Im fünften Brandenburgischen Konzert hatte Bach das eigentlich typische Generalbassinstrument zum ersten Mal in umfangreicher Form zum Soloinstrument umfunktioniert, es war gewissermaßen die Geburtsstunde des Klavierkonzerts. Der für das Cembalo so charakteristische helle und klare Klang bringt in solistischer Verwendung jedoch auch einige Schwächen mit sich. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Soloinstrumenten, etwa Violine oder Flöte, können auf dem Cembalo Melodietöne nicht besonders lange ausgehalten werden. Kleine Notenwerte und Triller leisten hier Abhilfe. So auch
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DONNERSTAG 7. JUNI 2018 19.30 UHR LESSINGTHEATER WOLFENBÜTTEL
BACH: KLAVIERKONZERTE JOHANN SEBASTIAN BACH (1685-1750) MAX REGER (1873-1916) CHORALVORSPIEL FÜR STREICHER »OH MENSCH, BEWEIN DEINE SÜNDE GROSS« JOHANN SEBASTIAN BACH KLAVIERKONZERT f-MOLL NR. 5 BWV 1056 (OHNE BEZEICHNUNG) – LARGO – PRESTO
KLAVIERKONZERT d-MOLL NR. 1 BWV 1052 ALLEGRO – ADAGIO – ALLEGRO P A U S E
JOHANN SEBASTIAN BACH 3. BRANDENBURGISCHES KONZERT BWV 1048 (ALLEGRO) – ADAGIO – ALLEGRO
KONZERT FÜR 3 VIOLINEN BWV 1064 ALLEGRO – ADAGIO – ALLEGRO
ALEXANDRE THARAUD KLAVIER
STUTTGARTER KAMMERORCHESTER
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im f-Moll-Konzert, das neben dem SoloCembalo mit zwei Violinen, Bratsche und Basso continuo besetzt ist – Bachs Standardbesetzung für die Cembalokonzerte. Die Außensätze gehen allerdings wohl auf ein Violinkonzert zurück. Den Mittelsatz, ein ruhiges Largo, transponierte Bach nach As-Dur, er stammt vermutlich aus einem verlorenen Oboenkonzert in d-Moll. Ungewöhnlich: die Modulation am Ende des Satzes, die zum Finale in f-Moll zurückleitet. Im Gegensatz zum kurzen Konzert in f-Moll ist das Cembalokonzert Nr. 1 in d-Moll ein wesentlich umfangreicheres Werk. Ihm liegt ebenfalls ein heute in seiner Originalgestalt verlorenes Violinkonzert zugrunde, das Bach für das Cembalo umarbeitete. Erkennbar ist dies etwa an den sogenannten Bariolage-Passagen – die Leerseiten des Streichinstruments werden im Wechsel mit gegriffener Seite für schnelle Spielfiguren genutzt. Die entsprechend anspruchsvollen Violinpassagen verlieren im Arrangement für Cembalo kaum an Effekt, auch wenn der musikalische Satz an das neue Instrument angepasst werden musste. Im Kontrast dazu steht das langsame Adagio in der Mitte des Konzerts. Anders als im 5. Brandenburgischen Konzert mit seinem ausgedehnten Solopart für Cembalo schreibt Bach dem Instrument im 3. Brandenburgischen Konzert keine hervorgehobene Rolle zu. Allgemein gelten die sechs Konzerte der Sammlung geradezu als Paradebeispiel für unterschiedliche Stile, Strukturen und Besetzungen; jedes Konzert weist eine andere Besetzung auf. Den Namen verdanken die Konzerte dem Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg, dem Bach sie 1721 widmete. Das dritte Konzert ist mit seinen drei Violinen, Bratschen und Cellos zu den Gruppenkonzerten zu rechnen. Im Vordergrund stehen die Streicher, das Cembalo übernimmt den begleitenden Part des Generalbasses. Der erste Satz wird vom fröhlichen Dialog der verschiedenen Gruppen und einzelnen solistischen Einschüben bestimmt. Er generiert sein mu-
sikalisches Material aus einem simplen Motiv zu Beginn des Satzes, einer einfachen Wechselnote. Einen langsamen Satz gibt es nicht, die Sätze sind lediglich durch eine aus zwei Akkorden bestehende Kadenz miteinander verbunden. Das bietet Raum für Interpretation und möglicherweise eine kleine Improvisation. Hier entscheidet der Interpret. Im Schlusssatz, einer belebten Gigue im 12/8-Takt, sind die nicht enden wollenden Sechzehntelläufe das beherrschende Gestaltungselement. Die Musik ist ausnahmslos in Bewegung. R wie Rekonstruktion: Bachs Konzert für 3 Violinen in D-Dur BWV 1064R trägt im Bach-Werke-Verzeichnis einen zusätzlichen Buchstaben, da es sich um eine rekonstruierte Fassung handelt. Unter BWV 1064 ist dort eigentlich ein Konzert in C-Dur für drei Cembali aufgeführt, das auch regulär überliefert ist. Doch beim Cembalokonzert handelt es sich sehr wahrscheinlich nicht um die Ori-
ginalgestalt des Konzertes, dies legt die Behandlung der Stimmen nahe. Die ursprüngliche Fassung ist allerdings nicht überliefert und muss folglich rekonstruiert werden, ein gewisser Grad an Unsicherheit bleibt. Dass die Musikwissenschaft überhaupt von zwei Versionen des Konzertes ausgeht, erklärt sich auch damit, dass Bach, nachdem er 1729 die Leitung des Leipziger Collegium musicums übernommen hatte, neue Werke präsentieren musste. Der Rückgriff auf älteres Repertoire, etwa das Violinkonzert, lag da nahe. Für die Geiger des Collegium musicums waren Bachs Violinpartien jedoch zu anspruchsvoll. Die Umarbeitung in Cembalostimmen löste das Problem, da hier bessere Solisten, etwa seine Söhne, zur Verfügung standen. Auf ein feingliedriges und beschwingtes Allegro folgt als langsamer Satz ein Adagio in melancholischem Ton, am Schluss steht ein fugiertes Allegro mit gleich drei Solokadenzen. Jesper Klein
Dreifach gut ist einfach.
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DIE KÜNSTLER VON SOLI DEO GLORIA vgeni Koroliov, 1949 in Moskau geboren, ist zweifellos eine herausragende Erscheinung der internationalen Klavierszene. Über sein Spiel schreibt die Süddeutsche Zeitung: „Koroliov behandelt jedes Ding nach seinem Wesen, er interessiert sich in einem emphatischen Sinn für das Sein statt für den Schein.“ Im Repertoire von Koroliov, das vom Barock über die Impressionisten bis hin zu Messiaen und Ligeti reicht, nehmen die Werke Bachs eine Sonderstellung ein. Der Komponist György Ligeti schwärmte: „Wenn ich nur ein Werk auf eine einsame Insel mitnehmen darf, wähle ich Koroliovs Bach, denn diese Platte würde ich, einsam verhungernd und verdurstend, bis zum letzten Atemzug immer wieder hören“. Seit 1978 lebt Evgeni Koroliov in Hamburg, wo er bis 2015 Professor an der Hochschule für Musik und Theater war. Er selbst war Student des legendären Tschaikowsky-Konservatoriums in Moskau. Zu seinen Lehrern zählten Heinrich Neuhaus, Maria Judina, Lew Oborin und Lew Naumow. Er war Preisträger der Bach-Wettbewerbe in Leipzig und To-
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ronto und gewann 1977 den „Grand Prix“ des Clara-Haskil-Wettbewerbs. Mit Recitals ist Koroliov in vielen der wichtigsten Konzerthäuser Europas aufgetreten: Concertgebouw Amsterdam, Teatro Olimpico Rom, Gulbenkian Stiftung Lissabon, Palais des Beaux Arts Brüssel, Konzerthaus Berlin, Konzerthaus Dortmund, Laeiszhalle Hamburg und Münchner Herkulessaal. Er war zu Gast bei renommierten Festivals wie Salzburger Festspiele, Carintischer Sommer, Chopin Festival Warschau, Settembre Musica in Turin, La Roque d’Anthéron, Rheingau Musikfestival, Musikfest Stuttgart, Ludwigsburg Festspiele und Schleswig-Holstein Musik Festival. In der Saison 2008/09 war er „Artist in Residence“ der Duisburger Philharmoniker. Mit Helmuth Rilling und dem BachCollegium Stuttgart spielte Evgeni Koroliov 2011 Klavierkonzerte von Bach auf einer Deutschland-Tournee. Mozart Klavierkonzerte standen 2012 auf dem Programm mit dem Orchester des Mariinsky-Theaters in St. Petersburg unter der Leitung von Valery Gergiev. Mehrfach konzertierte Koroliov zuletzt mit Gidon Kremers Kremerata Baltica. Im Herbst 2014 war Koroliov mit Bachs
„Kunst der Fuge“ im Klavierzyklus der Berliner Philharmoniker zu erleben. Weitere Recitals spielte er in letzter Zeit u.a. bei der Bachwoche Ansbach, den Schwetzinger Festspielen, im Palau de la Música Barcelona, Konzerthaus Wien und Théâtre des Champs-Elysées Paris, sowie einen vierteiligen BachZyklus in der Liszt-Akademie Budapest. Zu den Kammermusik-Partnern von Evgeni Koroliov gehören Natalia Gutman, Mischa Maisky, das Keller Quartett und das Pražák Quartett. Regelmäßig spielt Koroliov im Klavierduo mit Ljupka Hadzigeorgieva. CD Einspielungen von Evgeni Koroliov sind bei TACET, Hänssler Classic, Profil Edition und dem Label des Hessischen Rundfunks hr.klassik erschienen. Die „Goldberg-Variationen“ wurden von EuroArts auf DVD veröffentlicht, ein Mitschnitt vom Bachfest Leipzig 2008. Seine CDs wurden mehrfach ausgezeichnet; zuletzt erhielt er den „Preis der Deutschen Schallplattenkritik“ für die Einspielung von Bachwerken für Klavier solo und Klavierduo mit Ljupka Hadzigeorgieva und 2015 den SolistenPreis bei den International Classical Music Awards (ICMA) für seine jüngste Schubert CD.
Evgeni Koroliov KLAVIER
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it den vier Teilen seiner »Clavierübung« schuf Johann Sebastian Bach einen Fundus an Musik für Tasten-instrumente, der sich bei Pianisten heute großer Beliebtheit erfreut. Der Werktitel könnte in doppelter Hinsicht in die Irre führen. Zum einen meint „Clavier“ hier nicht nach unserem heutigen Verständnis den Konzertflügel, sondern erst einmal alle damals gebräuchlichen Tasteninstrumente, insbesondere Orgel, Cembalo und das handliche Clavichord. Zum anderen sind die Stücke keine Übung im Sinne der pianistischen Ausbildung; sie sind anspruchsvoll und richten sich nicht an Anfänger. Der erste Teil der Clavierübung ist den Partiten gewidmet, die Partita in e-Moll ist das letzte der sechs Stücke. Sie besteht aus sieben Sätzen, alle in derselben Tonart notiert, die sich, wie für die Partita üblich, an den klassischen Tänzen der barocken Suite orientieren. Eine Ausnahme stellt die umfangreiche einleitende Toccata dar, eine spezifisch für ein Tasteninstrument konzipierte Form. Nach den Tänzen Allemande und Courante folgt ein schlichtes Air mit großen Intervallsprüngen. An die Sarabande – sie ist das ausdrucksstarke Zentrum dieser Partita – schließt sich zunächst die Gavotte an. Eine streng kontrapunktische Gigue bildet das anspruchsvolle Finale dieser womöglich eindrucksvollsten der sechs Partiten. Auch die französischen Suiten bestehen, wie es schon der Name verrät, aus aneinander gebundenen Tanzsätzen. Bach komponierte die sechs Suiten zwischen 1722 und 1724, als er Kapellmeister in Köthen war. Nach der Kantatenkomposition in Weimar widmete sich Bach dort vor allem der Instrumentalmusik. Im Gegensatz zu den Partiten wird hier den relativ kurzen Tanzsätzen kein einleitendes Stück vorangestellt. Die Suite Nr. 5 in G-Dur vereint Tänze von ganz unterschiedlichem Charakter: Ruhige Sechzehntelbewegungen und feine Chromatik bestimmen die Allemande, bewegte Läufe die kontrapunktisch ge-
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SONNTAG 10. JUNI 2018 18.00 UHR SCHLOSS GIFHORN
BACH-REZITAL JOHANN SEBASTIAN BACH (1685-1750) PARTITA NR. 6 e-MOLL BWV 830
TOCCATA – ALLEMANDE – COURANTE – SARABANDE – TEMPO DI GAVOTTA – GIGUE
FRANZÖSISCHE SUITE NR. 5 G-DUR BWV 816
ALLEMANDE – COURANTE – SARABANDE – GAVOTTE – BOURRÉE – LOURE – GIGUE P A U S E
CHROMATISCHE FANTASIE UND FUGE d-MOLL BWV 903 KONTRAPUNKTE AUS »KUNST DER FUGE«
CONTRAPUNCTUS NR.1 CONTRAPUNCTUS NR.4 CANON ALLA DECIMA. CONTRAPUNCTO ALLA TERZA CONTRAPUNCTUS NR.9
ITALIENISCHES KONZERT F-DUR BWV 971 ALLEGRO – ANDANTE – PRESTO
EVGENI KOROLIOV KLAVIER
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arbeitete Courante. Die Sarabande ist reich verziert, die Loure dient als Ruhepol vor der nie zum Stillstand kommenden Gigue. Eine erlesene Mischung eleganter Tanzmusiken! Beeindruckend, dramatisch, expressiv. Die Chromatische Fantasie und Fuge in d-Moll zählt unzweifelhaft zu den Höhepunkten der Klaviermusik Bachs. Begeistert äußerte sich schon der erste Bach-Biograph und Begründer der Musikwissenschaft Johann Nikolaus Forkel: „Unendliche Mühe habe ich mir gegeben noch ein Stück dieser Art von Bach aufzufinden. Aber vergeblich.“ An seiner Popularität hat das Werk im Laufe der Zeit nichts eingebüßt, im Gegenteil, die Möglichkeiten des modernen Konzertflügels haben seine Beliebtheit vielmehr befeuert. Im Gegensatz zu Partita und Suite zählt die Fantasie zu den freien Formen. So beginnt Bachs Chromatische Fantasie wie eine Toccata mit hinauf- und hinabrasenden Läufen sowie auf die zwei Hände des Pianisten verteilten gebrochenen Dreiklängen. Es folgen arpeggierte Akkordfolgen, darauf ein rezitativischer Teil. Schon bald wird das chromatische Fugenthema mit Läufen und Trillern angereichert. Kurz vor Schluss poltern die Oktaven in den Keller der Klaviatur, wie man es eigentlich erst aus der Romantik kennt. Kaum ein musikalisches Werk ist so von Mythen umrankt wie die 14 Fugen und vier Kanons von Bachs Kunst der Fuge. Der Gipfel: Die Schlussfuge bricht ab, nachdem Bach ein Thema eingeführt hat, das mit den Tonbuchstaben b-a-c-h beginnt. „Über dieser Fuge […] ist der Verfasser verstorben“ schrieb Carl Philipp Emanuel Bach dazu in das Manuskript. Die Leitidee der Kunst der Fuge: Kontrapunkt in all seinen Facetten zeigen. So liegt zwar allen Variationen dasselbe Thema zugrunde, dessen Rhythmus und melodischer Verlauf wird jedoch stark variiert. Bach kehrt die Melodie um, verkleinert oder vergrößert die Notenwerte, verwendet unterschiedliche Fugenformen. Kurzum: Er reizt die Möglichkeiten der Fugenkom-
position gnadenlos aus. Das ist ohne Zweifel faszinierend, war aber schon bei den Zeitgenossen Bachs nicht besonders populär. Laut Johann Nikolaus Forkel ist das Werk „für die große Welt zu hoch“. Bachs Italienisches Konzert ist hier quasi das Gegenstück: Weniger komplex, dafür populär. Den Rang des beliebtesten Solostücks im Œuvre Bachs macht ihm heute höchstens die bereits angesprochene Chromatische Fantasie streitig. Bach stellte das dreisätzige Konzert im zweiten Teil seiner Clavierübung seiner heute wesentlich seltener gespielten Französischen Ouvertüre gegenüber. Wie der Name schon verrät, führt die Suche nach den musikalischen Vorbildern des Konzerts nach Italien, bei Antonio Vivaldi war dort das Solokonzert aus dem Concerto grosso heraus entstanden. Statt Gruppen von Musikern stand nun ein Solist dem Orchester gegenüber. Bach komprimiert diese Form nun auf einem Instrument: dem zweimanualigen Cembalo. Das
ist schon aus dem Grunde interessant, dass Bach in der Regel keine Angabe zum vorgesehenen Tasteninstrument machte. In diesem Fall erklärt es sich mit der besonderen Anlage. Mithilfe der zwei Klaviaturen kann das Cembalo den Orchesterklang nachahmen. In den Noten wird dies mit den Angaben „forte“ und „piano“ zum Ausdruck gebracht, die hier nicht die Lautstärke, sondern das Manual bezeichnen. Tutti und Solo für zwei Hände. Stilistisch kombiniert Bach in dem Konzert das italienische Gusto mit kontrapunktischen Techniken. Dies zeigt sich schon im Thema des ersten Satzes, der leichtgängig und unterhaltsam daherkommt und aus jenem Wechselspiel von Tutti und Solo seine Vitalität erhält. Im Kontrast dazu der zweite Satz: Stoisch setzt die linke Hand Terzen, während die rechte darüber Tongirlanden spinnt. Das abschließende Presto ist ein echter Rausschmeißer mit einem fröhlichen Thema und ausladenden Läufen. Jesper Klein
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Monteverdi Choir D
er von Sir John Eliot Gardiner 1964 gegründete Monteverdi Choir hat sich stets darauf konzentriert, seinem Repertoire eine neue Perspektive zu geben. Mit seiner perfekten Technik und historisch informierter Aufführungspraxis vermag das Ensemble auf einzigartige Weise, Hörern in aller Welt seine Musik nahezubringen. Der Chor geht dabei auf der Bühne über die Musik hinaus: er nutzt die visuelle Wirkung einer Aufführung unter Einbindung der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten und steigert damit die Unmittelbarkeit des Konzerterlebnisses für den Besucher. Dieser Ansatz hat dazu geführt, dass der Monteverdi Choir in den letzten 50 Jahren als einer der besten Chöre
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der Welt gefeiert wurde. Zu den bahnbrechenden Tourneen gehörte die Bach Cantata Pilgrimage im Jahr 2000, bei der der Chor alle 198 geistlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs in mehr als 60 Kirchen in ganz Europa und Amerika aufführte. Der Chor engagiert sich auch für die Ausbildung künftiger Sängergenerationen durch das Monteverdi Apprentices Program. Viele Akademisten werden später Vollmitglieder des Chores, und mehrere ehemalige Chormitglieder haben erfolgreiche Solo-Karrieren begonnen. Der Monteverdi Choir hat an mehreren Opernproduktionen mitgewirkt, darunter Der Freischütz (2010), Carmen (2009) an der Opéra Comique in Paris
und Les Troyens am Pariser Théâtre du Châtelet. Im Jahr 2015 führte der Chor in Zusammenarbeit mit der Hofesh Shechter Company Glucks Orpheus und Eurydice am Royal Opera House Covent Garden auf. Darüber hinaus hat der Chor an einer Vielzahl von Projekten mit verschiedenem Repertoire teilgenommen – von einer ausgedehnten Tour der Matthäuspassion (auswendig gesungen) mit den English Baroque Soloists bis hin zu Berlioz‘ Roméo et Juliette bei den BBC Proms. Unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner haben sie mit dem London Symphony Orchestra (Mendelssohns Ein Sommernachtstraum) und dem Tonhalle-Orchester (Janáčeks Glagolithische Messe) zusammengearbeitet.
DIE KÜNSTLER VON SOLI DEO GLORIA
English Baroque Soloists D
Die English Baroque Soloists haben sich seit langem als eines der weltweit führenden Orchester der historischen Aufführungspraxis etabliert. Mit ihrem Repertoire von Monteverdi bis Mozart und Haydn sind sie in der Kammermusik, der Symphonik und der Oper gleichermaßen zu Hause und durch den unverwechselbaren Klang ihres warmen und prägnanten Spiels sofort erkennbar. Das Ensemble trat bereits an vielen der renommiertesten Bühnen der Welt auf, darunter das Teatro alla Scala, Mailand, das Concertgebouw in Amsterdam und das Sydney Opera House. Im Laufe der 1990er Jahre führten sie Mozarts sieben späte Opern auf und
spielten alle seine Klavierkonzerte und späten Symphonien ein. wwDie English Baroque Soloists sind regelmäßig an gemeinsamen Projekten mit dem Monteverdi Choir beteiligt, mit dem sie im Jahr 2000 an der berühmten Bach Cantata Pilgrimage teilnahmen und alle geistlichen Kantaten Bachs in ganz Europa aufführten. Nach einer szenischen Inszenierung im Royal Opera House in Covent Garden in Zusammenarbeit mit der Hofesh Shechter Company tourten sie mit Glucks Orpheus und Eurydice nach Hamburg und Versailles. Im vergangenen Jahr waren sie an mehreren Tourneen in ganz Europa beteiligt, darunter Aufführungen von Bachs Magnificat in Es, der lutherischen Messe in F-
Dur, der Kantate „Süßer Trost“ mit dem Monteverdi Chor und der Matthäuspassion sowie einem gemischten Programm von Mozarts Sinfonien 39-41, seinem Requiem und der Großen Messe in c-Moll. Zuletzt nahmen sie an der „Monteverdi 450“ Trilogie-Tour teil, bei der sie alle drei erhaltenen Opern von Monteverdi in ganz Europa und in den USA aufführten.
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DIE KÜNSTLER VON SOLI DEO GLORIA ir John Eliot Gardiner wird als einer der innovativsten und dynamischsten Musiker der Welt gefeiert, der das Musikleben der letzten Jahrzehnte entscheidend geprägt hat. Seine Arbeit als Gründer und künstlerischer Leiter des Monteverdi Choir (MC), der English Baroque Soloists (EBS) und des Orchestre Révolutionnaire et Romantique (ORR) hat ihn zu einer Schlüsselfigur sowohl in der Wiederbelebung der Alten Musik als auch als Vorreiter der historisch informierte Aufführungspraxis gemacht. Als regelmäßiger Gast der weltweit führenden Symphonieorchester wie dem London Symphony Orchestra, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Royal Concertgebouw Orchestra und dem Gewandhausorchester Leipzig dirigiert Gardiner Repertoire vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Er wurde im Januar 2016 mit dem ConcertgebouwPreis ausgezeichnet. Das Ausmaß von Gardiners Repertoire zeigt sich im umfangreichen Katalog preisgekrönter Aufnahmen mit eigenen Ensembles und führenden Orchestern, darunter die Wiener Philharmoni-
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ker bei Major-Labels (u.a. Decca, Philips, Erato und 30 Aufnahmen für die Deutsche Grammophon), breit gefächert zwischen Mozart, Schumann, Berlioz, Elgar und Kurt Weill, Werken der Renaissance und des Barock. Seit 2005 veröffentlichen die Monteverdi Ensembles auf ihrem eigenen Label Soli Deo Gloria. Dort erschienen auch die LiveAufnahmen von Gardiners Bach Cantata Pilgrimage im Jahr 2000, für die er den Gramophone Award 2011 und 2012 einen Diapason d‘or de l‘année erhielt. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählen zwei GRAMMY Awards, und ihm wurden mehr Gramophone Awards verliehen als jedem anderen lebenden Künstler. Gardiner leitete Opernproduktionen am Royal Opera House, Covent Garden, an der Wiener Staatsoper und am Teatro alla Scala in Mailand. Von 1983 bis 1988 war er künstlerischer Leiter der Opéra de Lyon, wo er sein neues Orchester gründete. Nach dem Erfolg von Verdis Simon Boccanegra im Royal Opera House im Jahr 2008 kehrte Gardiner 2012 anlässlich des 40. Jubiläums seit seinem ROH-Debüt mit Verdis Rigoletto und 2013 mit Mozarts Le nozze di Figa-
ro zurück. Im Herbst 2015 dirigierte er in Covent Garden Glucks Orpheus und Eurydice unter Mitwirkung des Monteverdi Choir und der English Baroque Soloists; die Regie lag in den Händen von Hofesh Shechter und John Fulljames. Gardiners Buch „Musik im Himmelsschloss: Ein Porträt von Johann Sebastian Bach“ wurde im Oktober 2013 im Verlag Allen Lane veröffentlicht und wurde mit dem Prix des Muses (SingerPolignac) ausgezeichnet. Sir John Eliot Gardiner hat neben zahlreichen Preisen für seine Arbeit mehrere Ehrendoktortitel erhalten. Ihm wurde eine Ritterschaft für seine Verdienste um Musik in der Queen‘s Birthday Honours List 1998 verliehen. In jüngerer Zeit feierten Gardiner und die Ensembles von Monteverdi den 450. Geburtstag von Monteverdi mit szenischen Aufführungen seiner drei noch erhaltenen Opern in ganz Europa und in den USA. Aufnahmen im Jahr 2017 enthalten zwei Bach-Veröffentlichungen bei SDG, Magnificat in Es und Matthäuspassion sowie eine Aufnahme mit dem London Symphony Orchestra von Mendelssohns Sinfonie Nr. 2 (Lobgesang).
Sir John Eliot Gardiner DIRIGENT
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en mehrsätzigen Werken für Chor, Orchester und Solisten liegen ganz unterschiedliche textliche Vorlagen von verschiedenen Textdichtern zugrunde. Als Konzertmeister in Weimar war es Bachs Aufgabe, alle vier Wochen eine neue Kantate zu präsentieren, passend zum jeweiligen Sonntag. Auch später in Leipzig gehörte für Bach als Thomaskantor und Musikdirektor die Kantatenproduktion zum kompositorischen Tagesgeschäft. Neben der bekannten Kirchenkantate schrieb Bach auch Kantaten für weltliche Anlässe. Die prototypische Kantate gibt es folglich nicht, ihr Aufbau variiert je nach Anlass und Entstehungszeitpunkt. Verschiedene Typen von Kantaten sind die Folge. Üblicherweise enthält eine Kantate Eingangs- und Schlusschor, Rezitative, Arien und Choräle. Unter den rund 200 Kantaten im BachWerke-Verzeichnis finden sich genau drei Kantaten zum Sonntag Jubilate, dem dritten Sonntag nach Ostern. Eine davon ist „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen” (BWV 12). Sie ist zu Bachs Weimarer Zeit entstanden; es ist die zweite Kantate, mit der Konzertmeister Bach seiner Kantaten-Pflicht nachkam. Der ihr zugrunde liegende Text stammt aus dem Johannes-Evangelium und stellt unter der Überschrift „Eure Traurigkeit soll in Freude verkehrt werden“ das Leid des Gläubigen dem Leid Christi gegenüber. Dem Bachliebhaber wird nach der eröffnenden Sinfonia – hier spielt die Oboe die Hauptrolle – der Chorsatz „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen” bekannt vorkommen. Bach arbeitete ihn später zum berühmten Crucifixus seiner noch berühmteren h-Moll-Messe um. Der Komponist liefert in diesem Satz ein Paradebeispiel dafür, wie Trauer in der Musik symbolisch zum Ausdruck gebracht werden kann: Der Bass schreitet chromatisch abwärts, er wiederholt sich nach einem ostinaten Modell. Auch die zunächst fragmentarische Melodie – sie reicht die Anfangsworte durch die vier Vokalstimmen – ist nach unten gerichtet.
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DIENSTAG 12. JUNI 2018 20.00 UHR KAISERDOM KÖNIGSLUTTER
BACH-KANTATEN JOHANN SEBASTIAN BACH (1685-1750) »WEINEN, KLAGEN« BWV 12 »O EWIGKEIT, DU DONNERWORT« BWV 20 »IHR WERDET WEINEN UND HEULEN« BWV 103 »O EWIGES FEUER« BWV 34
SIR JOHN ELIOT GARDINER LEITUNG
MONTEVERDI CHOIR ENGLISH BAROQUE SOLOISTS
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Hinzu kommt ein von dramatisierenden Pausen durchsetzter Streichersatz. Allesamt klangliche Symbole für Schmerz, Leid und Trauer. Doch diese Kantate verharrt nicht im Depressiven, bald wandelt sich der Schmerz zur Freude. In musikalischer Hinsicht ungewöhnlich: Nach dem von Streichern begleiteten Rezitativ folgen gleich drei Arien aufeinander (für Alt, Bass und Tenor), ohne dass ein Rezitativ eingeschoben wird. Mit dem Schlusschoral ist der Wandel zum Positiven endgültig vollzogen. Thematisch unverkennbar verknüpft mit „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen” ist „Ihr werdet weinen und heulen“ (BWV 103), auch wenn diese Kantate bereits in Bachs Leipziger Zeit fällt. Der Anlass ist derselbe: Jubilate, der dritte Sonntag nach Ostern. Genauso das Motiv: der Gegensatz von Trauer und Freude. Im kunstvollen, groß angelegten Eingangschor, der eigentümlich zwischen den Gattungen Konzert und Motette changiert, wird das Weinen und Klagen in einer an Chromatik reichen Chorfuge zum Ausdruck gebracht. Die zwei folgenden Paare aus Rezitativ und Arie zeigen den Gegensatz von Schmerz und Freude auf. Als erstes wird die Trauer in Musik gesetzt. So ist im ersten Rezitativ zum Text passend das Wort „Schmerzen“ musikalisch ausgeziert. Im zweiten Rezitativ gestaltet Bach dann das Wort „Freude“ nach diesem Prinzip aus. Nach einer koloraturreichen Tenorarie endet die Kantate mit dem Choral „Ich hab dich einen Augenblick“. Neben diesem ersten Kantatenpärchen lässt sich auch bei den zwei weiteren gebotenen Kantaten eine unverkennbare Gemeinsamkeit feststellen. Sowohl in „O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe“ (BWV 34) als auch in „O Ewigkeit, Du Donnerwort“ (BWV 20) ist offenkundig Ewigkeit das bestimmende Thema, das ebenso wie Trauer und Freude in der Musik chiffriert werden kann. Bei „O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe“ handelt es sich um eine Leipziger Kantate für den Pfingstsonntag, sie basiert sehr wahrscheinlich auf einer früheren
KLINGENDER SCHMERZ UND TÖNENDE EWIGKEIT Kaum ein Komponistenname ist mit einer Gattung so eng verbunden wie Johann Sebastian Bach mit der Kantate. Bachkantate heißt es nicht ohne Grund. Aus der Kirchenmusik ist sie nicht wegzudenken. Hochzeitskantate. Zunächst fällt beim Hören der umfangreiche, prunkvolle Eingangschor mit Pauken und Trompeten auf. Lange Notenwerte verbildlichen hier die Ewigkeit, das Feuer lodert in bewegten Sechzehntelketten, Koloraturen und Trillern. Ein kurzes Rezitativ dient als Überleitung zur pastoralen Arie für Alt „Wohl euch, ihr auserwählten Seelen“ – in der Hochzeitskantate ist hier treffenderweise von Schafen die Rede. Mit gedämpften Violinen kontrastiert die Arie zur prächtigen Eröffnung. Ihren warmen Ton verdankt sie zahlreichen Terz- und Sextklängen. Ein kurzes Bassrezitativ geht in den strahlenden Schlusschor „Friede über Israel“ über. Einen Schlusschoral gibt es nicht. Mit dem umfangreichen Werk „O Ewigkeit, Du Donnerwort“ (BWV 20) eröffnete Bach seinen zweiten Leipziger Kantatenjahrgang. Am 11. Juni 1724 wurde die Kantate zum ersten Mal aufgeführt, Bach komponierte sie für den ersten Sonntag nach Trinitatis. Ihr liegt ein Kirchenlied des Hamburger Dichters Johann Rist zugrunde. „O Ewigkeit, Du Donnerwort“ besteht aus zwei Teilen und ist besonders dadurch gekennzeichnet, dass der Text hier besonders augenfällig von der Musik ausgedeutet wird. Im kunstvollen Eingangschor steigen die Sänger mit dem titelgebenden „O Ewigkeit, Du Donnerwort“ zum Text passend mit einer Melodie in langen Notenwerten ein. Wie schon in „O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe“ wird so die Ewigkeit auch im musikalischen Satz deutlich. Das „Donnerwort“ zeigt sich hingegen in kleinen Notenwerten. Beide Teile der Kantate schließen mit einem musikalisch identischen Choral, zunächst textlich als „Solang ein Gott im Himmel lebt“ und zuletzt als den Rahmen beschließendes „O Ewigkeit, du Donnerwort“. Jesper Klein
Erleben Sie mit uns großartige Momente: Wir wissen, wer die erste Geige spielt.
»Gib dich zufrieden und sei stille.« EIN BACHPROJEKT VON CLAUDIA BIGOS
»Johann Sebastian Bach? Ich kenne keinen Bach, auch Beethoven nicht«. Diese Antwort bekam ich von meinem aus dem Iran stammenden Schüler. Auch wenn Napoleon Bonaparte das erste Klavier in den Iran einführte, dauerte es noch sehr lange, bis sich dieses Instrument dort musikalisch etablierte. Es ist also verständlich, dass ein 16-jähriger, der aus einem völlig anderen Kulturkreis stammt, den alten Meister nicht kennt.
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ie aber ist es um Schüler, die in Deutschland aufgewachsen sind, bestellt? Was sagt Bachs Klaviermusik Schülern im Jahr 2018, die sich täglich im Spotify-Dschungel bewegen, die unzählige Songlisten durchforsten oder ziellos das konsumieren, was die App ihnen vorschlägt? Wann ist der richtige Zeitpunkt, um sie mit Bachs polyphoner Kunst zu konfrontieren? Von Bach haben sie schon gehört. Ziemlich alte Musik, höre ich manche sagen. Sie finden aber die Lieder von Taylor Swift, Mark Forster und Ed Sheeran oder Rap von Kollegah ebenso wichtig. Kann Bachs Musik mit dem Pop von heute konkurrieren und begeistern, wenn bereits zu Bachs Lebzeiten seine Musik schwer und unmodern wirkte? Immerhin: die Mehrheit der Schüler nennt beim Anblick von Beethovens Büste auf meinem Klavier den Komponisten Bach.
Ein unbekannter Fluss? Die Idee zum Bach-Projekt entstand einerseits aus meiner positiven Erfahrung aus Projekten mit meiner Klavierklasse – Schülerinnen und Schüler von der 1. bis zur 13. Klasse –, wie z. B. ein Konzert nur mit Walzern oder eines mit Klavierstücken ausschließlich von Komponistinnen von der Renaissance bis in die Gegenwart. Andererseits lieferte ein Gespräch mit einer Schülerin, die Bach für einen ihr unbekannten Fluss hielt, den Anlass dazu. Bach und seine Musik bedeutet vielen Schülern nicht viel, eher aus Unkenntnis heraus und nicht aus Ignoranz. Man kann Bachs Werke im Konzert hören, man kann Bachs Musik aber auch intensiv ergründen, indem man selbst in die Tasten greift. Beides ist pädagogisch wertvoll und gewinnbringend. Das im Unterricht genutzte Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach von 1722 enthält 42 Stücke, es stehen aber noch andere Klavierstücke, wie die Kleinen Präludien oder die 2- und 3-stimmigen
Inventionen zur Wahl, die französischen und englischen Suiten, die Partiten, zudem die unerschöpfliche Quelle des Wohltemperierten Klaviers. Auch wenn Bach fast alle diese Stücke als Lehrwerke konzipiert und besonders die Anfänger bedacht hat, sind sie nicht unbedingt für die heute schulisch und medial überforderten Schüler ad hoc zugänglich. Wer kann also was spielen, ohne Einbußen an Motivation? Am Ende meiner Suche nach passendem Material bekamen alle Schüler 2-3 Klavierstücke zugeteilt: variatio delectat. Bei der Vorstellung des Projektes reagierten die Schüler mit: „Oh, cool“, „Ist die Musik nicht zu alt?“, „Muss ich Bach dann auch vorspielen?“, „Musik von Bach? Keine Ahnung was du meinst, aber klar, warum nicht“, „Einfache Struktur, aber 1000 Ideen, genial!“, „Trug er nicht eine Perücke und Strümpfe?“. Einige der Schüler wussten nicht mal, wie Bachs Vornamen lauten, wunderten sich aber, dass er gar nicht so alt geworden ist (65 Jahre) im Vergleich zum kürzlich verstorbenen Opa mit 97 Jahren. Ich ließ sie die Töne B A C H spielen („Klingt wie im Gruselfilm!“), dann in Notenform aufschreiben und erst, als sie die Buchstaben unter die Noten schrieben, fiel ihnen auf, dass es sich um Bachs Namen handelt. „Es war ganz schön clever von ihm, dass er seinen Namen in seinen Stücken (Kunst der Fuge) verewigt hat“. In der ersten Phase dachte ich, dass Bach für die meisten der jüngeren Schüler eine pure Überforderung darstellt. Die vielen Menuette, Präludien und einzelnen Tanzsätze aus den Suiten sind zwar kurz, weisen aber viele technische Schwierigkeiten auf: zerlegte Klänge, Sprünge, Verzierungen, entfernte Lagen, ungewohnte Fingersätze, Aufteilung der Stimmen in untypische Lagen und vor allem einen für sie ungewohnten Melodieverlauf: „So klingt Bach also, na ja, etwas komisch“, sagte ein Schüler. Als Einstieg bekamen fast alle Schüler ein recht einfach zu spielendes Choralstück BWV 510: „Gib dich zufrieden und
Auch nach 333 Jahren erhält Bach noch Fanpost.
sei stille“. Die Melodie sagte allen zu: „Die halben Noten sind wie Kirchenglocken, echt cool“, und die Überschrift wählten wir zum Motto unseres Projektes; Zufriedenheit und stille Besinnung als Kontrapunkt zu der hektischen Welt des Schulalltags. Die fortgeschrittenen Schüler ließen sich vorurteilslos auf das Projekt ein, und wir nahmen Bachs Stücke buchstäblich auseinander: technische Aspekte, harmonische Besonderheiten, formale Strukturen, faszinierende Modulationen, zyklische Zusammenhänge bei den ausgewählten Sätzen der Suiten und „immer wieder dieses Dur am Ende“, was Bachs lebensbejahenden Optimismus bezeugte. Es machte sichtlich Spaß, an Bachs Stücken zu tüfteln, denn das Notenlesen war für manche oft wie ein „Kreuzworträtsel“ oder „Schachspiel“ mit viel Denken verbunden. Viele empfanden Bach sehr strukturiert, logisch: „Wenn man sich auf seine Logik einlässt, versteht man besser, was er meint“. Für viele waren die vielen, oft recht schwierigen Verzierungen über den Noten einfach nur „doof und überflüssig“. Der Wunsch nach textgetreuer Wiedergabe war bei manchen Schülern motivierend und entmutigend zugleich: „Einzeln klingt das echt blöd, zusammen ist es furchtbar anstrengend“. Das Durchhaltevermögen war auf die Probe gestellt. Dabei verflog die Zeit nur so,
manche Rückenbeschwerden oder Müdigkeit wurden vergessen: eins meiner Bach’schen „Wunder“. Wir redeten viel über Bach, über sein Leben, seinen vielschichtigen Beruf, seine Bedeutung innerhalb der Musik. Die Geschichten sind spannend und oft sehr überraschend: „Wie viele Werke? Na ja, der Choral ist Nr. 510, also schon doppelt so viel wie Louis Spohr (!), keine Ahnung, wie viel genau“, „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Werk aus so vielen Stücken besteht, oh Gott, aus so vielen Noten!“, „Wie kann man so viel komponieren… 1128 Werke davon 222 nur für Klavier!“, „So viele Kinder und alle musizierten? Was für ein Krach!“. Auch wenn ich mich oft bei der Durchführung des Projektes fühlte, als ob ich hier Pionierarbeit leisten würde, war diese Aktion für beide Seiten als „win-win“-Erfahrung zu betrachten. Die Schüler haben sich mit einem der wichtigsten Komponisten der Musikgeschichte auseinandergesetzt und werden seine Musik nicht mehr mit der von Beethoven verwechseln.
»Keine Ahnung, klingt alt.« Die Erfahrung, Bach selbst zu spielen, zeigte vielen Schülern ihre spieltechnischen Grenzen. Eine Schülerin weigerte sich sogar, Bach zu spielen, ein anderer Schüler kam zu der Erkenntnis: „Zu
Hause werde ich diese Stücke garantiert nicht üben, nicht meine Musik, Romantik ja, aber Barock sagt mir nichts“. Das ist legitim. Ein gemeinsamer Konzertbesuch des Klavierrecitals von Evgeni Koroliov mit Bachwerken soll der krönende Abschluss des Bach-Projektes sein. Mein Wunschziel war, bei den Schülern die Neugier auf Bachs Musik zu wecken, damit sie die Fähigkeit entwickeln, Bach zu erkennen, ohne den ratlosen Satz: „Keine Ahnung, klingt alt“, sagen zu müssen. Ob sie jemals mit einem Klick im Netz Bachs Werke unaufgefordert anhören werden, bleibt offen. Man muss jedem einzelnen Schüler die Gelegenheit geben, Bachs Musik zu erfahren, damit sie von der Tragweite bachscher Kunst wissen und um Beethovens bewundernden Satz über Johann Sebastian Bach besser zu verstehen: „Nicht Bach, Meer soll er heißen“.
Claudia Bigos ist Klavierlehrerin in Braunschweig und betreibt musikalische Nachwuchsförderung mit Leidenschaft.
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Schloss Der AuĂ&#x;enbereich des Schlosses lädt mit Rosengarten und Wasserspielen zum geruhsamen Verweilen ein.
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Gifhorn D I E S P I E L S TĂ„T T E N VO N S O L I D E O G L O R I A
Das ab 1525 erbaute Schloss Gifhorn bezaubert als architektonisches Kleinod der Renaissancezeit. Im Rittersaal gibt der gefeierte Bach-Interpret Evgeni Koroliov ein Klavier-Rezital. 45
1547 wurde die Kapelle fertiggestellt. Sie zählt zu den frühesten Sakralbauten, die eigens für den protestantischen Glauben errichtet wurden.
Historisches Museum Schloss Gifhorn Schlossplatz, 38518 Gifhorn Öffnungszeiten: Di. – Fr. 14.00 – 17.00 Uhr Sa., So. und Feiertage: 11.00 – 17.00 Uhr em Besucher, der durch das mächtige, rundgiebelige Torhaus den Schlosshof betritt, fällt sofort die harmonische Geschlossenheit der beiden Hauptflügel ins Auge. Zwischen dem sogenannten Ablager- und dem Kommandantenhaus erhebt sich die repräsentative Architektur der Kapellenfassade mit ihrer geschwungenen Freitreppe und dem Laubengang. Herzog Franz von Braunschweig-Lüneburg, jüngerer Bruder des in Celle re-
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gierenden Herzogs Ernst des Bekenners, ließ das Schloss ab 1539 zur Residenz ausgestalten. Doch der höfische Glanz verblasste, als Franz nach nur zehn Jahren kinderlos verstarb. Den eigentlichen Charakter des Schlosses prägten die folgenden Jahrhunderte. Die Anlage wurde zur Festung ausgebaut, beherbergte eine Garnison, diente als Sitz der fürstlichen Amtsverwaltung und war in Teilen zeitweise Gefängnis. Heute sind im Schloss die Kreisverwaltung, ein Restaurant und das Histori-
sche Museum untergebracht. Der Ausstellungsbereich des Museums widmet sich auf rund 1000 qm nicht nur der Geschichte des Landkreises von der Urzeit bis in die Gegenwart, sondern hält auch einen großen Teil der Innenräume des Schlosses einschließlich der Kapelle für die Öffentlichkeit zugänglich. Eine Besonderheit stellt die original erhaltene Kasematte dar, in der regelmäßig wechselnde Sonderausstellungen sowie zahlreiche Veranstaltungen stattfinden.
Wenn man einen verlässlichen Finanzpartner hat, mit dem ganz besondere kulturelle Höhepunkte möglich werden. Wir engagieren uns für das Festival Soli Deo Gloria, weil es stetig herausragende Künstler einlädt, die imposante, intensive und innovative Bachmomente zu Gehör bringen – und für ihr Publikum damit unvergessliche glänzende Momente erklingen lassen.
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Das Festival hat in der Region und darüber hinaus eine Alleinstellung und große Strahlkraft. KNUD MAYWALD
Die Öffentliche Versicherung unterstützt Soli Deo Gloria seit Gründung des Festivals. Ist diese Partnerschaft aus Ihrer Sicht als erfolgreich zu bewerten? Die Öffentliche Versicherung engagiert sich traditionell im Braunschweiger Land und fördert bewusst Kunst und Kultur. Das Festival hat in der Region und darüber hinaus eine Alleinstellung und große Strahlkraft. Die Partnerschaft mit Soli Deo Gloria ist allein deshalb ein Gewinn, weil auf diesem Weg die unterschiedlichsten Menschen zu den Konzerten zusammengeführt werden. Musik verbindet und berührt die Menschen. Somit ist unsere Partnerschaft durchaus ein großer Erfolg.
Welches Konzert möchten Sie in diesem Jahr gern besuchen? Ich möchte gern „All you need is Bach“ von Cameron Carpenter besuchen. Er ist aus meiner Sicht ein genialer Organist, den ich schon einmal in Hamburg hören durfte. Er war damals noch nicht sehr bekannt, ich war jedoch sofort begeistert von seinem Spiel.
Welches Konzert im Rahmen von Soli Deo Gloria ist Ihnen aus den letzten Jahren besonders in Erinnerung geblieben? Da gibt es mehrere. Zum Beispiel eine Aufführung von Bachs Johannes-Passion in der St. Trinitatis Kirche in Wolfenbüttel unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner vor einigen Jahren. Auch die Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach ist mir in besonderer Erinnerung. Es fand letztes Jahr in der St. Martinikirche in Braunschweig statt und war eine schöne Möglichkeit, nicht nur die Kantaten I bis III, sondern auch die selten gespielten Kantaten IV bis VI zu hören.
Welche Rolle spielt Musik in Ihrem Leben? In meinem Alltag bleibt mir leider oft zu wenig Zeit, mich ihr in Ruhe zu widmen und sie zu genießen. Sie ist aber trotzdem einer der schönsten und effektivsten Wege für mich, den beruflichen Alltag hinter mir zu lassen und zu entspannen.
In diesem Jahr steht Johann Sebastian Bach wieder im Zentrum des Programms. Was verbinden Sie mit diesem Namen? Für mich bedeutet Bach großartige Musik. Auch durch ihn habe ich eine Begeisterung für die Komponisten klassischer Musik entwickelt.
Knud Maywald ist Vorstandsvorsitzender der Öffentlichen Versicherung und freut sich auf Cameron Carpenter.
Spielen Sie ein Instrument? Bedauerlicherweise spiele ich kein Instrument, obgleich ich vor Jahren versucht habe, Violine zu lernen, später dann Klavier. Aber leider war es wohl zu spät und es ist mir nicht gelungen, sie zu meistern. Dennoch liebe ich diese beiden Instrumente; ich verbinde mit ihnen besonders Konzerte alter Meister, die ich mir immer wieder gern anhöre, weil sie meine Seele berühren.
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SAMSTAG, 15. DEZEMBER | 16.30 UHR | ST. MARTINI BRAUNSCHWEIG
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it ihren perfekten, kristallklaren Stimmen wissen die Wiener Sängerknaben ihr Publikum in den Bann zu ziehen. Sie präsentieren in ihrem Weihnachtskonzert neben klassischen Werken auch Lieder von ihren Reisen aus aller Welt, die sie in Originalsprache singen. Einen besonderen Höhepunkt
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stellen jedoch die internationalen und deutschen Advents- und Weihnachtslieder dar. Die »Wiener Sängerknaben« sind eine Institution in der Musikgeschichte. Sie blicken auf eine über fünfhundertjährige Tradition zurück. Als Stars von Film- und Plattenaufnahmen unter anderem mit Leonard Bernstein, José Carreras, Placido Domingo oder Zu-
bin Mehta und als Gastchor der Wiener Staatsoper gehören die zehn- bis vierzehnjährigen Knaben zu den wenigen Ensembles, deren Bekanntheitsgrad weltumspannend ist. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen werden dem Chor immer wieder zuteil. Der Chor hat so gleich zwei Mal den begehrten Grammy – den »Musik-Oscar« – erhalten.
Wiener Sängerknaben Der berühmteste Knabenchor der Welt verleiht der schönsten Zeit des Jahres festlichen Glanz.
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Veranstalter: Soli Deo Gloria – Braunschweig Festival Verein zur Förderung der Feste Alter Musik im Braunschweiger Land e.V. Haus der Braunschweigischen Stiftungen Löwenwall 16, 38100 Braunschweig www.solideogloria.de Vorstand: Günther Graf von der Schulenburg, Künstlerischer Direktor Hans Reimann, Kaufmännischer Direktor Dr. Anja Hesse Tobias Henkel Julius von Ingelheim in Kooperation mit: Cm Reimann GmbH Adlershofer Straße 6, 12557 Berlin Kuratorium: Ulrich Markurth, Benita von Maltzahn, Gerhard Döpkens, Julien Mounier, Nikolaus Külps, Knud Maywald, Elisabeth Pötsch, Claas Schmedtje, Werner Schilli, Dr. Wolf-Michael Schmid, Thomas Stieve, Prof. Dr. Christoph Stölzl Einführungen: Anna Vogt, Jesper Klein Redaktion: Birgit Niemeyer Layout: Siegmar Förster (www.sfbdesign.de) Titelfoto: Edouard Bressy Bildnachweis: S. 6/7: Andreas Greiner-Napp S. 9: Thomas Grube S. 10/18: Heiko Laschitzki S. 12/13: Günther Graf von der Schulenburg S. 15: Evgeny Evtyukhov S. 23: Edouard Bressy S. 26/27: Reiner Pfisterer S. 28: Marco Borggreve S. 32: Gela Megrelidze S. 36: Barbara Frommann S. 37: Slawek Przerwa S. 39: Sim Canetty-Clarke S. 43: Alwina Unruh S. 44/45: Thomas Hardt; Stadt Gifhorn S. 46: Dr. Rüdiger Rodloff S. 47: Öffentliche Versicherung S. 48/49: Lukas Beck Redaktionsschluss: 7. Mai 2018
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Bild- und Tonaufnahmen sind nicht gestattet. Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten.
FOTO: ANDREAS GREINER-NAPP
Tradition bewahren – Zukunft fördern Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz trägt die reiche Geschichte einer selbstbewussten Region in der Mitte Europas in die Zukunft. Sie ist lebendiges Beispiel dafür, dass traditionell und modern, zukunftsorientiert und historisch keine Gegensätze sind. Seit ihrer Gründung im Jahr 2005 vereint die Stiftung unter ihrem Dach den Braunschweigischen Vereinig-
ten Kloster- und Studienfonds und die Braunschweig-Stiftung. Aus den Erträgen des Teilvermögens Braunschweigischer Vereinigter Klosterund Studienfonds unterstützt die Stiftung kirchliche, kulturelle und soziale Projekte. In den Genuss der Zuwendungen aus dem Teilvermögen der Braunschweig-Stiftung kommen die Technische Universität, das Braunschweigische Landesmuse-
Erfolgsmodell Stiftung Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz ist seit der Errichtung des Klosterfonds 1569 eine Erfolgsgeschichte. Immer wieder hat die Intention Herzog Julius’ als Begründer der Stiftung ihre Kraft entfaltet: ein großes Vermögen zu widmen und nachhaltig für die Zukunft zu bewahren. Und in eben dieser Tradition ist
auch die Entscheidung von Niedersächsischem Parlament und Landesregierung im Jahr 2004 zu sehen, als das neue Dach für die überkommenen Vermögen geschaffen worden ist. Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz ist in jeglicher Hinsicht ein Erfolgsmodell – ein Braunschweigisches Erfolgsmodell!
um und das Staatstheater Braunschweig. So bewahrt und fördert sie seit 1569 die kulturelle und historische Identität des ehemaligen Landes Braunschweig und sichert die Grundlagen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in dieser Region. Außerdem hat sie für das Land Niedersachsen die Organisation der regionalen Kulturförderung übernommen.
Cameron Carpenter Jean Rondeau Alexandre Tharaud Evgeni Koroliov Sir John Eliot Gardiner … weil Kulturförderung am Standort beginnt! Wir wünschen Ihnen einzigartige Konzerterlebnisse beim Soli Deo Gloria Festival. vwgroupculture volkswagengroup_culture