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„Die verlängerte Hand Gottes“
Als Ordensschwester dient Barbara Brunner Jesus Christus, als Hebamme werdenden Müttern und schon mehr als 2.000 Babys. Zwei Welten, eine Leidenschaft: für Menschen.
Von Claudio Honsal
Barbara Brunner wuchs in einer katholischen Familie auf. Ihr Plan: eine Familie gründen und Mutter werden. Sie absolvierte die Ausbildung zur Hebamme, bis heute ihr Traumberuf und arbeitet im St. Josef Krankenhaus Wien, einem Ordensspital der Salvatorianerinnen. Zu ihrer Familie wurde jedoch die „Gemeinschaft der Schwestern Jesu“. Der Orden wurde erst 1981 in Klagenfurt gegründet. Hier und in Wien leben neun Schwestern, weitere in Tschechien und seit Kurzem auch welche in Rom.
Vinzenz magazin: Hatten Sie ein Erweckungserlebnis? Wie spürten Sie die Berufung?
Schwester Barbara: Als ich den Beruf der Hebamme ergriff, hatte ich mein Leben anders geplant. Doch bei dem Besuch einer Jugendfreundin, die schon zuvor den Weg zu den Schwestern Jesu gegangen war, wurden die Weichen gestellt. Da klopfte plötzlich der liebe Gott bei mir an. Ich habe nicht ihn gesucht, er hat mich gefunden. Gott spricht immer mit einem, man muss es nur richtig zu deuten wissen. Wenn ich es nicht ausprobiere, dachte ich nach längerem Ringen, werde ich nicht wissen, ob es etwas für mich ist. Im Augenblick meiner Entscheidung empfand ich eine tiefe innere Freude und Glück. Natürlich war es anfangs ein Kämpfen, aber keine Flucht. Gott hatte einen Plan für mich. Den Weg habe ich bis heute kein einziges Mal bereut.
Sie leben nach der Spiritualität des heiligen Ignatius. Was bedeutet das?
Das ist keine Geheimlehre – sie ist allen öffentlich zugänglich. Ignatius von Loyola achtete stets darauf, was sich im Inneren tut, und ging dem konsequent nach. Er hilft uns, Gott in allem zu suchen, zu finden und ihm zu dienen. Im Berufsleben, in der Erholung, im Gebet oder im Gespräch. Papst Franziskus lässt Ignatius‘ Denken und Wirken in fast all seinen Schriften und Predigten einfließen.
Sie tragen keine Schwesterntracht.
Nein, auch nicht während des Noviziats (Anm.: Ausbildung). Außerdem haben wir keine eigenen Schulen, Kirchen, Krankenhäuser. In unseren erlernten Berufen gehen wir dorthin, wo wir gebraucht werden, ob als Buchhalterin oder eben Hebamme. Mein Glücksfall war, dass ich einen tollen Arbeitsplatz in einer apostolischen Einrichtung wie der Vinzenz Gruppe gefunden habe. Viele werdende Mütter bemerken erst, dass ich Schwester bin, wenn ich mich als Schwester Barbara vorstelle. Für sie bin ich einfach ihre Hebamme.
Hat Ihre Entscheidung für Gott Ihren Beruf als Hebamme beeinflusst?
Der natürliche Geburtsvorgang ist seit Millionen Jahren gleich. Ich sehe meinen Beruf als Handwerk. Wir greifen und spüren, aber es ist für mich auch ein Begleiten, Anleiten, Durchführen und Durchtragen der Frauen in oft langen Stunden. Früher hätte ich vielleicht gesagt: Ich bin Hebamme mit Leib und Seele. Heute bin ich in erster Linie Schwester Jesu. Das beeinflusst aus meinem Inneren heraus alles, was ich denke, rede und tue. Als Christin glaube ich, dass das Leben aus Gottes Hand hervorgeht. Und immer, wenn neues Leben das Licht der Welt erblickt, helfe ich als Hebamme. In 36 Jahren durfte ich an der Seite Gottes über 2.000 Kindern zur Welt helfen. Ich bin sehr dankbar, im übertragenen Sinn seine verlängerte Hand zu sein.
Hebamme ist ein sehr emotionaler Beruf. Wie gehen Sie damit um?
In die Frauen, die ich begleite, investiere ich viel, baue eine innige Beziehung auf. Denn eine Geburtsbegleitung verbindet, auch wenn man die Frau nie mehr wiedersieht. Eine Freundschaft muss sich allerdings nicht entwickeln. Beim Eingehen in die neue Lebensphase sind die Frau und das Kind die wichtigsten Menschen für mich. Danach muss ich jedoch emotional loslassen, denn das ist nicht mein Platz.
Vita
Ein Leben für die Kinder Gottes
Barbara Brunner wird 1966 als eines von sechs Kindern im oberösterreichischen St. Florian am Inn geboren. Nach der Matura im Gymnasium Schärding absolviert die Innviertlerin die Hebammenausbildung in Salzburg.
1989 tritt sie als Novizin in die Ordensgemeinschaft der Schwestern Jesu ein und arbeitet als Hebamme im Sanatorium Maria Hilf in Klagenfurt. Als Schwester Barbara lebt sie nach der Spiritualität des Ignatius von Loyola.
1997 folgt die Übersiedlung in die Bundeshauptstadt als Geburtshelferin im Göttlicher Heiland Krankenhaus, 2019 der Wechsel ins St. Josef Krankenhaus Wien.
© Alek Kawka, Headerbild