Katalog der mittelalterlichen Handschriften des Stifts Beromünster

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Einleitung

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das Missale) und die Ausstattung der Pfründe genau aufgeführt sind, kopierte Dörflinger in das Proprium de tempore zwischen Gründonnerstag und Ostern (81rb–82vb). Schon 1459 hatte Johannes Teller ein heute verlorenes Missale im Wert von 28 Gulden an die Kaplanei St. Thomas gestiftet,58 deren Inhaber zu dieser Zeit Dörflinger war. Aber auch sonst sind öfters Schenkungen von liturgischen Büchern belegt, die nicht erhalten blieben. So stiftete Gerung von Säckingen im Jahr 1312 dem Altar der 11'000 Jungfrauen in der Galluskapelle unter anderem ein Missale.59 Vierzehn Jahre später widerrief er einen anderen Teil der Schenkung, gab aber zugleich ein zweiteiliges Missale und ein Brevier an den Hauptaltar in der Stiftskirche.60 Von dem Brevier des Johannes Witzig war oben bereits die Rede, und ein Rektor von Römerswil namens Eberhard vermachte dem Kapitel ein Diurnale. Der betreffende Eintrag im Jahrzeitbuch von Schwarzenbach ist allerdings mehrdeutig: Es heisst darin, um den Preis des Buches sei Eberhards Gedenktag gekauft worden.61 Bestand die Bezahlung in dem Diurnale selbst oder wurde es verkauft, um mit dem Ertrag die Messe zu finanzieren? Vielleicht sind auch andere Schenkungen von Büchern nicht unbedingt als Beitrag an die Bibliothek zu verstehen, sondern geschahen mit Hinblick auf deren materiellen Wert. Viele Bände, die heute nicht mehr vorhanden sind, haben aber wohl schlicht den Lauf der Jahrhunderte nicht überstanden – das betrifft besonders diejenigen, die regelmässig im Gottesdienst benutzt wurden. Reste von zerstörten liturgischen Handschriften finden sich zahlreich im Stiftsarchiv: Viele der jüngeren Verwaltungshandschriften sind in Fragmente eingebunden. Allerdings muss es sich dabei nicht unbedingt um Blätter aus Handschriften des Stifts selbst handeln, denn nach der Reformation wurden liturgische Bücher aus dem Bestand der aufgelösten Klöster auch systematisch auseinandergeschnitten und als Einbandmaterial verkauft.62

ein thematisch geordnetes Cassian-Florileg, eine Kompilation über verschiedene Häresien aus Isidors Etymologiae und die Legenda aurea. Mit einem Blatt aus dem Decretum Gratiani und einem Doppelblatt aus dem Ordo iudiciarius des Aegidius de Fuscarariis sind auch juristische Schriften vertreten. Für den Bereich der Medizin steht ein Doppelblatt aus dem Carmen de urinis des Aegidius von Corbeil, ein weiteres Doppelblatt über die Lepra und ihre Therapie aus einer Foliohandschrift des 14. Jahrhunderts und eines mit Eintragungen zu Aderlassterminen aus einem Kalendar (14./15. Jh.). Falls diese Fragmente Hinweise auf den früheren Bestand der Stiftsbibliothek geben, lassen sie auf eine am praktischen Nutzen orientierte Handschriftenauswahl schliessen. Anders verhält es sich mit einem Fragment, das heute nicht mehr in Beromünster, son-

3. Die Verwaltungshandschriften

Überreste von makulierten Handschriften fanden in Beromünster nicht nur als Aktenumschläge Verwendung, sondern kommen auch in fast allen Bänden der Stiftsbibliothek vor. Eine Sammlung von abgelösten Fragmenten wird heute im Stiftsarchiv verwahrt.63 Auch darin finden sich viele Blätter aus liturgischen Handschriften, häufig mit Musiknotation. Ausserdem enthält sie theologische Texte wie Psalmenkommentare,64

Koperteinband des Liber crinitus mit Resten der stark abgeriebenen Behaarung (StiA Bm 634a).


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