PAT Starter 2009

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Starter

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Statement „Hier erfolgt eine direkte Hilfe, dass gefällt mir. Jugendliche werden in einem geregelten Umfeld aufgefangen und haben so bessere Chancen“ Marie, 16, Wehrdorf


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Allein. Das würde Ibrahim sein, wenn sein Vater sterben würde. Allein, ohne Mutter, die für ihn sorgt. Ibrahim hat sie nie kennen gelernt, sie hat seine Geburt nicht überlebt. Und da sitzt er nun, an der Seite seines Vaters in einem Raum ohne Bett, in einem Haus ohne Hoffnungen. Zusammengekauert liegt er auf Matratzen, gehüllt in Decken. Hilflos sieht er aus – sein Vater Amdu ist schwer krank und wird nicht mehr lange leben. Zu diesem Zeitpunkt ist Ibrahim zehn Jahre alt. Er lebt in Shuto Orizari, einer der größten Roma-Siedlungen der Welt. Hier leben geschätzte 40 000 Menschen in kleinen Hütten, zum Teil ähnlich wie in Slums in Südamerika, mit Wellblechdächern, provisorisch gemauerten Wänden, alles ist umhüllt von Müll. Die einzigen frohen Farben scheinen die bunten Kleidungsstücke an den Wäscheleinen zu sein, in Mitten einer blassbraunen Siedlung die mit Sandstaub bedeckt ist. Einen anderen kleinen Lichtblick gibt es noch für Ibrahim: Er hat seit einigen Monaten die Möglichkeit zur Schule zu gehen. Viele Kinder können das nicht, weil sie auf jüngere Geschwister aufpassen müssen oder die Schulbücher zu teuer sind. Um Geld zu verdienen werden viele Kinder auf die Suche nach Plastikflaschen oder Pappkartons geschickt. Auch wenn es eigentlich seit diesem Jahr in Mazedonien Pflicht ist, die High School zu beenden für Kinder, die zur Primary School gegangen sind. Ein erster, vorsichtiger Schritt gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Das Team von “Education through Street Social Work” (Bildung durch Straßensozialarbeit) führt Hausbesuche durch und hilft Kinder, die besonders dringend Unterstützung brauchen. Zusammen mit Sozialarbeitern


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und Pädagogen, die an Schulen arbeiten, erfahren sie, welche Familien Probleme haben, welche Kinder besonders oft fehlen. In der Hütte von Ibrahim und Amdu mussten sie viele Gespräche führen, um den Vater davon zu überzeugen, wie wichtig ein Schulbesuch für seinen Sohn ist. Ibrahim sah seine Chance, ihm gelang es, seinen Vater zu überzeugen. „Man kann nicht unbedingt von Diskriminierung sprechen“, sagt Klara, die Leiterin des Projekts. Das Hauptproblem der Romakinder sei die unglaubliche Armut in der sie leben und aufwachsen. Die Gegend in der Ibrahim wohnt ist nicht urbanisiert, er lebt in sehr schlechten Bedingungen, viele Romakinder haben aufgrund dieser Verhältnisse nicht die Möglichkeit sich zu waschen. Oft haben sie Läuse und keine Medizin dagegen. In dem Projekt kaufen die Mitarbeiter Hygieneartikel die die Familien sich sonst nicht leisten können. Ibrahim geht gerne zur Schule, er arbeitet hart. Doch dann stirbt sein Vater und damit für einen Moment jede Hoffnung des Zehn-

jährigen. Sein Lächeln verschwindet und der Glanz in seinen Augen auch. Jetzt ist er ganz allein. Aber nicht lange. Das Team besucht ihn ständig in dieser Zeit. Sie fragen sich, wie Ibrahim sein Leben weiterführen kann, wer sich um ihn kümmern wird und wie man ihn unterstützen kann. Es gibt nur eine Tante. Doch die überlegt lange, ob sie die Verantwortung für ihren Neffen übernehmen kann – sie muss täglich um das Überleben ihrer eigenen Familie kämpfen. Das Team sichert ihr zu: Ibrahim wird weiterhin finanziell unterstützt mit 50 Euro im Monat, er wird Hilfe bekommen, wenn er Schulmaterial braucht. Über eine Woche lang schwebte das Team in Unwissenheit. Doch dann kommt Ibrahim in das Büro in Skopje. Seine Tante wird für ihn wie eine zweite Mutter sein, verkündet er. Und da ist es wieder, das Strahlen in seinen Augen. Ein Strahlen zwischen den Wellblechdächern von Shuto Orizari, ein Lächeln zwischen brennendem Plastikmüll, ein bisschen Hoffnung in einem Raum ohne Bett. Celina Ponz


Interview

21-Jährige aus Bosnien-Herzegowina ist gefragt: Er ist Präsident des ONAuBIH, des einzigen Jugendmedienverbandes in seinem Heimatland. Der Tag, an dem im Oktober 2007 der Jugendmedienverband gegründet wurde, war für Darko einer der schönsten Erlebnisse in seinem Leben. Da ist er sich ganz sicher und man sieht das Funkeln in seinen Augen, wenn er über diesen Tag spricht. Mit ONAuBIH ist ein Forum geschaffen wurden, in dem sich junge Medienmacher vernetzen und ausdrücken können. Seit der Gründung des Verbandes gibt es einen Vorstand aus 15 Jugendlichen, die aus Bosniaken, Serben und Kroaten besteht. Nach drei Jahren sind nun weit mehr als 500 junge Redakteure, die regelmäßig diverse Artikel zusenden. Nach ersten kleineren Projekten konnte ONAuBIH ein Jugendmagazin aus diesen Texten produzieren. Das lag zuerst einer kleineren Tageszeitung bei. Das Feedback seitens der Leser und des Verlages war so groß, dass das Heft jetzt und in Zukunft in einer Auflage von 15000 Exemplaren in der „Oslobodenje“ erscheint, einer der landesweit größten Tageszeitungen. Ein Grund des Erfolges: Vorher gab es kein Jugendmagazin für das Land.

Im Eingangsbereich des Ver.di Hauses steht Darko Maric: Mit Sonnenbrille, weißem Hemd, grünem Pullover und Jeanshose setzt er sich optisch nicht von den anderen PAT-Teilnehmern ab. Der Unterschied: Darko hängt dauernd an seinem Mobiltelefon, führt Gespräche auf kroatisch. Denn der

Neben der Arbeit für den Jugendmedienverband studiert Darko Politikwissenschaften in seiner Heimatstadt Mostar. Oftmals hört er warum er sich für die gute Sache engagiert, ohne dafür bezahlt zu werden. „Da kommt doch nichts bei herum“ und „Jemand anderes macht schon die Arbeit“ lauten die verwunderten Reaktionen. Oftmals ist er von solchen Meinungen sehr enttäuscht. Doch der Erfolg gibt ihm und der Organisation Recht.

Darko bleibt Optimist – vielleicht ist das einer der Gründe, warum die Mitgliederzahl weiter steigt. „Mit unserem Verband möchten wir junge Leute dazu animieren aktiv zu werden. Unter professioneller Anleitung ermöglichen wir Meinungsbildung in einer angemessenen Art und Weise ohne Vorbehalte.“ Name, Herkunft und Religion stehen bei ONAuBIH außer Frage. Selbst sein bester Freund ist Muslim und das für ihn überhaupt kein Problem. Vieles, denkt er, kommt aus dem Elternhaus. „Meine Eltern sagten mir immer, dass ich jeden als Menschen betrachten sollte“. Seiner Meinung nach ist gerade jetzt die junge Generation gefragt um aktiv im eigenen Land etwas verändern zu können. „Die Mentalität vieler Jugendlicher ist, dass es keine Zukunft in einem Land gibt, indem jahrelang Krieg geherrscht hat. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es gibt eine Zukunft. Man muss nur daran glauben“ Sein Appell: „Nehmt die Hände aus dem Schoss und schaut nach vorne!“ Auch die derzeitige Mediensituation in Bosnien-Herzegowina ist dem engagierten Journalist ein Dorn im Auge: „Ich weiß mehr über Tokio Hotel, Stefan Raab und Heidi Klum, als über Dinge, die in meiner Region geschehen.“ Zudem werden viele Radio- und Fernsehstationen von Politik und Geschäftsleuten gefördert und so auch zensiert. Es gebe keinen kritischen Journalismus, sagt Darko. Ordentliche Recherche sei sehr teuer, stattdessen laufen im Fernsehen deutsche und spanische Telenovelas mit bosnischem Untertitel. Für die Zukunft hat er ganz klare Ziele vor Augen: „Um auch in Zukunft Projekte sichern zu können, müssen wir uns in der europäischen Jugendmedienlandschaft vernetzen!“ Weitere Informationen auf www.onabih.ba Andreas Reinshagen


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Nachdem er ein paar Monate in Sarajevo gelebt hatte, kam ihm die Idee zu einem Literaturmagazin. „Album“ sollte es heißen und die Texte von Jugendlichen aus allen drei in Bosnien vertretenen Ethnien stammen. Mit Hilfe von EU-Geldern konnten sie das Magazin finanzieren. Zunächst nur in sehr geringer Auflage: 500 Stück betrug sie bei der ersten Ausgabe. Doch um die Reichweite zu vergrößern, versandte Szopa die Zeitschrift kostenlos an Büchereien im ganzen Land, die das Heft in ihren Fundus mit aufnahmen. Vier Jahre lang betreute Lukasz Szopa das Magazin in Sarajevo, danach zog es ihn nach Berlin. Nur eine weitere Station im Leben des heute 35-Jährigen: Als er dreizehn Jahre alt war, wanderte seine Familie von Polen nach Österreich aus. Dort ging er zur Schule und studierte. Mit 23 Jahren beschloss er, nach Sarajevo zu gehen. Warum ausgerechnet dorthin? „Ich hatte in Wien Kontakt zu Exilanten aus dem Balkan. Ich war neugierig auf die Region. Auf die Menschen dort. Nach dem Krieg zog es mich nach Bosnien.“ Wie er, als Pole aus Österreich, darauf kam, die zerstrittenen Ethnien in Bosnien zu versöhnen? „Das war gar nicht unser Ziel. Wir haben es gemacht, weil wir wussten wie wichtig es ist, dass junge Leute schreiben.“ Und weil sie die Literatur liebten. Zwei Lesetipps von Lukasz Szopa: Muharem Bazdulj (Bosnien-Herzigovina) – Der Ungläubige und Zulejha ISBN: 3-902406-380 Olja Savicevic (Kroatien) – Augustschnee ISBN: 3-938-424-281 Philipp Hauber


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