PAT Starter 2013

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Starter

Vier Projekte zur Wahl

Schnackt a Madl platt?

Dein sozialer Fingerabdruck

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Grußwort

A

ls 1992 Schülerinnen und Schüler die Initiative ergriffen und mit dem Auto ihrer Eltern einen Hilfstransport nach Kroatien organisierten, als der 1994 gegründete Verein Schüler Helfen Leben die Jugendbegegnungsstätte in Sarajevo einrichtete oder auch als 1998 der erste Soziale Tag durchgeführt wurde, waren dies nahezu selbsterklärliche Projekte. Funktionsweise, Umfang und Ziel waren auf den ersten Blick erkennbar, waren greifbar. Im Laufe seines nunmehr 20-jährigen Bestehens hat der Verein allerdings eine neue Dimension von Unterstützungsarbeit erreicht. Die Projekte, die auf dem Projektauswahltreffen zur Wahl stehen, laufen auf einer abstrakteren Ebene ab. Es geht nicht nur um bloße humanitäre Hilfe, sondern vor allem um Langfristigeres, Tiefgreifenderes, es geht um die Unterstützung der Jugend, die die Balkanländer in Zukunft gestalten soll. Viele junge Menschen spielen angesichts von Krisen-Situationen mit dem Gedanken, ihr Land zu verlassen, um sich anderswo eine Existenz aufzubauen. Die Staaten Südosteuropas sind vielerorts noch immer von Armut, Korruption, Kriminalität und Arbeitslosigkeit gezeichnet. Um diesen Problemen zu begegnen, sollen gesellschaftliche Integration, freiwilliges Engagement und regionale Zusammenarbeit gefördert werden. Die Projekte ermöglichen den Jugendlichen,

Unterstützer

offen und gleichsam kritisch mit der Geschichte ihrer eigenen Länder umzugehen und sich dort aktiv in eine Gesellschaft einzubringen, in der sie leben möchten. Diese Entwicklung in der Unterstützungsarbeit Eures Vereins zeigt aber auch, dass soziales Engagement zeitlos wichtig ist. Mit materieller Hilfe während eines Konflikts oder kurz danach, so essentiell sie ist, ist es längst nicht getan. Nach dieser Maxime handelt Ihr seit Vereinsgründung und das ist gut so. In den vergangenen 20 Jahren habt Ihr Großartiges geleistet. Ihr schafft Identifikation mit Jugendlichen, denen es weniger gut geht als Euch, Ihr haltet die Augen offen für Missstände und Probleme außerhalb Eures persönlichen Umfelds. Auch in Zukunft gilt also: Drückt dieser Welt, eurer Umgebung weiterhin euren sozialen Fingerabdruck auf. Damit könnt Ihr viel bewegen und verändern – genauso wie mit einer Stimme auf dem Projektauswahltreffen. Letztes Jahr habt Ihr für ein Projekt gestimmt, das straffällig gewordene Jugendliche zurück in die Gesellschaft führt. Ich bin gespannt, wofür Ihr Euch dieses Jahr entscheiden werdet. Herzlichst, Ulrich Wickert


Editorial „Einmal Balkan zum Mitnehmen, bitte!“ Das diesjährige Projektauswahltreffen (PAT) ist gerade vorbei und ihr haltet den „Starter“ in den Händen. Paradox? Auf den ersten Blick schon. Aber dieses Magazin heißt Starter, weil es jetzt an euch ist, die Dinge in die Hand zu nehmen. Startet durch, erzählt euren Mitschülern von diesem Wochenende, von Schüler Helfen Leben (SHL), vom Balkan. Erklärt ihnen, wofür sie am Sozialen Tag ihre Stifte gegen Gartenscheren oder ihre Hefte gegen Aktenordner tauschen werden und warum soziales Engagement wichtig ist. Ihr kennt euch jetzt aus, macht euch zu Botschaftern für Jugendhilfe in Südosteuropa. Und nicht nur das. Dank eurer Stimmen kann SHL weiterhin gezielt vor Ort helfen. Wie das Projekt eurer Wahl von nun an gefördert wird, könnt ihr auf Seite 6 nachvollziehen. Dort stellen wir euch noch einmal das Gewinnerprojekt aus dem letzten Jahr vor und haben einen Blick hinter die Kulissen der Unterstützungsarbeit geworfen. Hier und auch in vielen anderen Bereichen gilt: Gemeinsam können wir mehr bewegen als allein. Vielleicht wird aus diesem Grund bald sogar ein europaweiter Sozialer Tag in Zusammenarbeit mit Jugendhilfsorganisationen anderer

Länder realisiert. Einen Ausblick darauf Seite 24 von ihren Erfahrungen bei SHL. geben uns die Projektkoordinatoren auf Als kleines Extra haben wir ab Seite 12 den Seiten 22-23. ein wenig Balkan to go für euch zusamApropos Internationalität: Sie ist oft Her- mengestellt. Ob Südosteuropa-Literatur ausforderung und Bereicherung zugleich, oder die Top Ten-Balkansongs von SHLsei es im Bereich Integration, sei es im Auslandsmitarbeitern, nehmt ein Stück Bereich Völkerverständigung. Auf letzte- dieser faszinierenden Region mit nach re wird übrigens nicht nur auf dem Bal- Hause! kan hingearbeitet, sie findet auch auf viel kleinerer Ebene auf dem PAT statt: Schü- Sei es dank interessanter Workshops ler aus den verschiedensten Regionen (S. 8), Balkanreise (S. 7) oder Energizern Deutschlands kommen hier zusammen (S. 10) – wir hoffen, ihr behaltet dieses und entdecken ihre Gemeinsamkeiten. Wochenende lange in guter Erinnerung Nordlichter diskutieren auf einer Wellen- und gebt euer Wissen weiter. länge mit Bayern über Jugendpartizipation und Berliner Hipster tauschen sich mit Bleibt nur noch zu sagen: Kölschen Jecken über die Organisation des Sozialen Tags an der eigenen Schu- Hvala! - Danke! ...für eure Teilnahme am le aus. So geschehen auf dem PAT 2013. PAT und am Sozialen Tag! Glaubt ihr nicht? Wir empfehlen euch die Lektüre der Seite 11. Wenn ihr auch Völkerverständigung betreiben möchtet, denkt doch mal über ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder Melanie Schippling über andere Formen des Engagements für die Starter-Redaktion bei SHL nach. Möglichkeiten, sich aktiv in den Verein einzubringen, haben wir auf Seite 20 für euch age aufgeführt. Außerdem f unserer Homep Besuche uns au de n. be le nfe el berichten Alumni und www.schueler-h aktuelle Freiwillige auf oder

om/ www.facebook.c en eb schuelerhelfenl

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Wie stark bist du vom Balkan fasziniert? (Jan-Nicholas Vogt, 19, Eckernförde)

Deine stärkste Empfindung während des PATs war? (Lina Horstmann, 17, Werpeloh)

Wie viel Lachfalten kann dir der beste Energizer bereiten? (Charlotte Danner, 17, Grafing, und Vanessa Sedlmeier, 16, Grafing)

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1 | Editorial

balkan news 12 | Viel Engagement und große Wünsche Interview mit Nada und Marija

2 | Sag jetzt nichts! 27 | Impressum pat gehabt 4 | Vier Projekte zur Wahl Eine Vorstellung der Projekte die auf dem diesjährigen PAT zur Auswahl standen 6 | Bühne frei für eure Entscheidung Wie sich das Projekt des PAT 2012 entwickelt hat 7 | „Putujemo balkanom!“ Auf der Reise durch den Balkan des Projektauswahltreffens 8 | Aus den Workshops 10 | „Do you know my big fat pony?“

11 Schnackt a Madl platt?

Völkerverständigung auf dem Projektauswahltreffen. 14 Von Spontanität, Abenteu-

ern und Gastfreundschaft

Yuka, Freiwillig in Skopje, berichtet von ihrer Arbeit auf dem Balkan 22 Gemeinsam mehr bewegen

Vision für einen europaweiten Sozialen Tag

16 | „Die Seele hat keine Nationalität“ Interview mit der Autorin Marica Bodrožić shl aktuell 20 | Engagement auf allen Ebenen Deine Möglichkeit, bei SHL aktiv zu werden 21 | Dein sozialer Fingerabdruck Was macht soziales Engagement aus? 24 | FSJ-Timeline Vom Aktiven bis zum Vorstand

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Vier Projekte standen zur Wahl – ihr habt euch entschieden. Das Gewinnerprojekt findet ihr auf dem Einleger im Magazin, einen Überblick aller Projekte gibt es hier. Most – „Freiwillige packen‘s an!“ Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption und Kriminalität prägen vielerorts das Leben in Bosnien und Herzegowina. Vor allem bei Jugendlichen führt das zu Resignation. In einer Umfrage gab fast die Hälfte der Befragten an, ihre Heimat für immer verlassen zu wollen, sollte sich eine Chance dazu bieten. Genau an diesem Punkt setzt die Organisation „Most“ an. In den Städten Visegrad, Doboj und Zenica möchte sie im Rahmen ihres Projektes Jugendliche dazu ausbilden, in ihren Gemeinden aktiv zu werden und so selbst etwas zum Wandel der Gesellschaft beitragen zu können. Hierfür hat „Most“ ein mehrstufiges Projektprogramm geplant. In Schulen der drei Städte gibt es zunächst Workshops für Schüler und Lehrer, in denen

PMSH – Chance Plus – „Neue, alte Heimat“ In die Heimat zurückkehren müssen, die völlig fremd geworden ist. Für viele Jugendliche aus dem Kosovo ist das Realität. Mit dem Projekt „Chance Plus“ möchte die Organisation „Per Mendje te Shendoshe“ (PMSH), was auf Albanisch so viel heißt wie „für den gesunden Verstand“, diesen jungen Menschen Unterstützung bei der Reintegration in die kosovarische Gesellschaft bieten. 1999 endete der KosovoKrieg, seitdem sind viele Menschen wieder in ihre alte Heimat zurückgekehrt, um dort das Land und ein neues Leben aufzubauen. Doch nicht alle taten dies freiwillig, immer mehr Menschen werden von westeuropäischen Ländern zwangsweise in das Kosovo zurückgebracht. Meist handelt es sich dabei um die ethnische Minderheit der Roma. Diese hat in der kosovarischen Gesellschaft, wie auch andere Minderheiten wie Serben, Ashkali und BalkanÄgypter, schwer. Sie werden nicht als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt, Ausbildungs- und Arbeitsplätze sind ihnen nur

sie mehr über das Thema soziales Engagement erfahren. Für die zweite Seminarphase können sich aus jeder Stadt circa 40 Schüler bewerben. Anschließend lernen sie, Freiwilligenprojekte konkret zu planen und umzusetzen. Für die dritte Phase des Projektes haben sich Aktivisten in Gruppen zusammengeschlossen, um konkrete soziale und gesellschaftliche Probleme anzugehen. Dies sind beispielsweise Umweltschutzaktivitäten oder Programme für Kinder, Jugendliche und alte Menschen. Durch das Projekt gewinnen junge Menschen Fähigkeiten, die sie einsetzen können, um die Probleme der Gesellschaft selbst anzupacken und werden so auch zum Vorbild für andere.

schwer zugänglich. Ein weiteres Problem ist, dass viele Kinder und Jugendliche in Westeuropa aufgewachsen sind und weder die Kultur noch die Sprache jemals richtig kennen gelernt haben. Diese Situation überfordert viele junge Menschen, so leiden viele unter psychischen Problemen, auch die Selbstmordrate ist hoch. Aus diesem Grund betreut PMSH durch das Projekt „Chance Plus“ junge Rückkehrer individuell. Zum einen bietet PMSH Seminare und Workshops an, die die Jugendlichen auf ihr neues Leben im Kosovo vorbereiten. Zum anderen gibt es Sozialarbeiter, die sich mit persönlichen Situationen, Problemen und Erwartungen jedes einzelnen beschäftigen. Vor Ort bietet die Organisation ein Betreuungsprogramm an, das auch bei der Suche nach Arbeitsplätzen unterstützt. Um die Betreuung der jungen Rückkehrer weiterhin zu sichern, setzt sich PMSH auch vor der Lokalregierung für deren Förderung ein. Durch das Programm „Chance Plus“ schafft die Organisation so in einer schwierigen Situation wertvolle Perspektiven.


Lice Ulice – „Gesichter der Straße“ „Lice Ulice“, was auf Serbisch so viel bedeutet wie „Gesichter der Straße“, ist der Titel eines Straßenmagazins. In einem Straßensozialzentrum in Belgrad produzieren auf der Straße lebende Kinder und Jugendliche die Ausgaben des Magazins. Seit der Gründung von „Lice Ulice“ vor zwei Jahren konnten so bereits fünfzehn reguläre und drei regionale Ausgaben erscheinen. Ohne Chance auf Ausbildung oder

Open Communication – „Deine Meine Unsere Geschichte“ Vor mehr als zehn Jahren endeten die Kriege im Südosten Europas, doch eine umfassende Verständigung und Versöhnung gibt es zwischen den Völkern Serbiens, Bosniens und Kroatiens noch immer nicht. Hier möchte „Open Communication“ einhaken und durch Seminare und Simulationen an Schulen für eine grenzübergreifende Aufarbeitung sorgen. Dafür bildet die Organisation Studenten zu Trainern aus, die dann an den teilnehmenden Schulen mit den Schülern arbeiten. Kinder und Jugendliche sollen verstehen, wie es zu den Konflikten der 1990er Jahre kam und wie sie dazu beitragen können, solche Auseinandersetzungen in Zukunft zu vermeiden. Auch Lehrer nehmen an Trainings teil, um zu lernen, auch im Schulunterricht die Themen

Arbeit leben in der Hauptstadt Serbiens über 1.000 von ihnen. Diesen bietet „Lice Ulice“ die Möglichkeit, den Teufelskreis von Armut und Ausgrenzung zu durchbrechen und Arbeitserfahrung zu sammeln. Zunächst lernen die Jugendlichen die Produktion einer Zeitung kennen und verkaufen die Ausgaben von „Lice Ulice“ anschließend. Dabei dürfen sie die Hälfte des Verkaufspreises behalten. Auch in Fragen der Aus- und Weiterbildung unterstützt das Zentrum Projektteilnehmer. Doch nicht nur das Arbeitsleben steht im Fokus des Projektes: Durch Sozialkampagnen motiviert es die Jugendlichen dazu, sich für ihre eigenen Interessen einzusetzen. Diese Kampagnen machen Öffentlichkeit und Politik auf die Zustände auf den Straßen Belgrads aufmerksam. Die Projektverantwortlichen hoffen, so die Belgrader dazu bewegen zu können, Perspektiven für Straßenkinder zu schaffen, da es momentan von offizieller Seite nur unzureichende Unterstützung gibt. Im Mittelpunkt des Straßensozialzentrums stehen aber auch Kultur- und Freizeitangebote wie Sportturniere oder Workshops. Durch diese vielfältigen Angebote möchte „Lice Ulice“ Kindern und Jugendlichen, die auf der Straße leben, einen Weg zurück in die Gesellschaft zeigen, aber gleichzeitig auch die serbische Gesellschaft für diese Thematik sensibilisieren.

Menschenrechte, Krieg und Versöhnung, kritisches Denken und Toleranz aufzugreifen. Weiter tragen die Seminare dazu bei, Vorurteile gegenüber den Nachbarvölkern abzubauen, denn diese werden oft noch immer durch die ältere Generation geschürt. Nach der Seminarphase bereitet „Open Communication“ die Schülergruppen aus allen drei Ländern auf eine Simulation von Gerichtsverfahren vor. Dabei geht es um Prozesse zu Menschenrechtsverletzungen, die im ehemaligen Jugoslawien geschehen sind. Die Schüler spielen dabei die Rollen der Prozessbeteiligten. So erfahren die Schüler hautnah, was sich in den 1990er Jahren zugetragen hat und lernen dabei, Meinungen respektvoll zu äußern. Durch die Zusammenarbeit der Schülergruppen aus Serbien, Bosnien und Kroatien stärkt das Projekt das Verständnis und die Toleranz zwischen den Völkergruppen. Durch ihr Engagement hofft „Open Communication“, Tabus zu brechen und der Versöhnung einen Schritt näher zu kommen. (ip)

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Hinter den Kulissen der Projektförderung von SHL.

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as PAT 2012: Junge, motivierte Schüler kamen zusammen, informierten sich über Südosteuropa und wählten schließlich ein Gewinnerprojekt aus. Das Vorhaben „Aus der Kriminalität in die Gesellschaft“ gewann die meiste Zustimmung. Doch was geschieht eigentlich im Anschluss, wenn alle Schüler den Tagungsort des PATs verlassen haben und der Schulalltag wieder beginnt?

seine Arbeit jährlich 70.000 Euro (befristet auf zwei Jahre), der Projektstart war im Oktober 2012. Seitdem bekommen in Serbien 200 straffällig gewordene Jugendliche zwischen 14 und 22 Jahren die Möglichkeit, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Der Bedarf ist da: Nach wie vor fehlen in Serbien staatliche Unterstützungsmöglichkeiten für junge Menschen, die ihre kriminelle Vergangenheit hinter sich lassen wollen. „Lange Gefängnisstrafen würden den Jugendlichen ihre Perspektive rauben“,

Die Projektkoordinatoren von SHL sind vor Ort direkter Ansprechpartner für die ausführende Organisation. Während der zweijährigen finanziellen Förderung wird versucht, die Leitidee des Vorhabens dauerhaft im Land zu etablieren. Die Sozialämter sollen für eine Zusammenarbeit gewonnen werden, damit diese im Optimalfall die Idee des Projektes aufgreifen und somit die Perspektiven von Jugendlichen dauerhaft verbessern. Das bedeutet: Viel Überzeugungsarbeit und Geduld werden benötigt.

Jedes Jahr gewinnt ein Projekt mit einem anderen Schwerpunkt, doch die Projektförderung von SHL läuft immer ähnlich ab: Zuerst wird dem Gewinner die gute Nachricht mitgeteilt: Deine Idee hat gewonnen! Zumeist vergeht ein halbes Jahr zwischen der guten Nachricht und dem Projektstart. Dieser lange Zeitraum kommt zustande, weil sich im Vorfeld SHL und die kooperierende Organisation zu ausgiebigen Verhandlungen treffen. Gesprochen wird über den genauen Starttermin, die finanzielle Unterstützung und Zuständigkeiten. Letztendlich muss der Soziale Tag, die finanzielle Quelle der Förderung, dann auch noch stattgefunden haben. Das Verhandlungsergebnis aus dem letzten Jahr: „Aus der Kriminalität in die Gesellschaft“, getragen von der Organisation „International Aid Network“ (IAN), erhält für

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Als zweites Standbein von „Aus der Kriminalität in die Gesellschaft“ gilt die Öffentlichkeitsarbeit. Sowohl bei der Bevölkerung als auch bei staatlichen Ämtern wird für eine andere Jugendpolitik geworben.

Die Bilanz fällt nach etwa einem halben Jahr positiv aus. Nach anfänglicher Skepsis der Sozialämter sehen diese die Projektmaßnahmen nun als gute Ergänzung an und vor allem die Jugendlichen vor Ort profitieren von dem geschaffenen Angebot. oben: Teilnehmer eines Computerkurses mit ihren Abschlusszertifikaten. unten: Theaterprojekt mit Jugendlichen. ist Oliver Kainrad, Projektkoordinator von SHL, überzeugt. Stattdessen setzt sich IAN für das Ableisten von Sozialstunden ein. Des Weiteren unterstützt „Aus der Kriminalität in die Gesellschaft“ Ausbildungsmaßnahmen, das Erlernen von ComputerKnow-How und Trainings für Bewerbungsgespräche. Bei Bedarf können die durch die Folgen des Bürgerkriegs teils traumatisierten jungen Menschen psychologisch betreut werden.

Durch eure Wahl beim PAT setzt ihr einen großen Prozess in Gang, über verschiedene Länder, mit ganz unterschiedlichen Menschen und Zielen. Im Vordergrund steht dabei immer: Schüler wie du und ich wollen Lebensperspektiven retten. (fm)


„Wir machen eine Balkanreise.“ Ganz unbedarft mischte sich der STARTER unter die Reisenden in Selo Veselo, dem glücklichen Dorf. Sehen, riechen, hören, schmecken, den Balkan mit allen Sinnen erleben. Kommt mit, folgt unseren Eindrücken in der Fotoreise quer durch Südosteuropa. (fm, ip)

Der Kiosk Am Kiosk wird erst mal Proviant eingepackt. Wurst, Wurst und nochmal Wurst. Kandierte Früchte, die unglaublich süß schmecken, aber auch nur in kleinen Portionen. Ajvar, ein Paprikamus, wird noch schnell auf die Stullen geschmiert. Zum Nachtisch gibt‘s Baklavar. Nichts wie los.

Der selbsternannte Roma-König Der bärtige Mann schwärmt von den alten Zeiten in den 70er-Jahren. Damals waren alle gleich. Gleiche Arbeit, gleicher Lohn. „Danach ging‘s nur noch bergab.“ So musste er nach Deutschland flüchten. Doch die Deutschen konnten mit einem Roma nicht viel anfangen. 1998 wurde seine Abschiebung innerhalb einer Woche durchgeführt. Nun ist er wieder in seiner Heimat. Seine derzeitige Arbeit: Postkartenverkäufer.

Die Grenze Geraune, Aufregung, Unbehagen. Am Grenzposten wird einem jungen Mann die Einreise verweigert. Wird es den anderen auch so ergehen? Die Bier trinkende Grenzpatrouille ist heute gut gelaunt und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie essen, trinken und summen ihre Lieder. Immer wieder ertönt ein synchrones Stempelgeräusch. Puh, Erleichterung, die Reise geht weiter.

Das Wettbüro „Betrug, Betrug, Betrug!“, schreit ein aufgebrachter Landsmann. Unbeeindruckt zählt Wettbaron Safet Haliloveć die Geldscheine in seiner Hand und zieht an seiner Zigarette. „Neues Spiel, neues Glück! Hast du Arbeit? Hast du Frau? Frau ist gut zu Haus‘ bei Kindern, aber nicht hier.“ Resigniert zuckt der Landsmann mit seinen Schultern und lässt sich wieder auf den maroden Stuhl fallen. Nun ist es sein letzter Schein. Ein erbärmlicher Anblick, bloß schnell weg von hier.

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Man stelle sich folgende Situation vor: zwei Serben wollen in ihrer Ortschaft ein großes Fest feiern. Jedoch fühlen sich die 2.000 dort lebenden Albaner schon seit langem von deren Traditionen mit den lärmenden Festen belästigt. Die Situation ließe sich mit einer demokratischen Abstimmung klären. Wie aber kann man gleichzeitig die Rechte der Minderheiten schützen? An diesem Beispiel wird deutlich, dass reine Demokratie nicht unter allen Umständen fair ist. Wie ließe sich hier ein Ausgleich schaffen? Mit dieser Grundsatzdiskussion beschäftigen sich die Teilnehmer des Workshops „Demokratie jenseits des Mehrheitsprinzips“ und suchen nach Lösungsmöglichkeiten, die die Demokratie aufrechterhalten und Minderheiten schützen. Mit verschiedenen demokratischen Modellen, die jeweils die Stimmen der Fraktionen

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unterschiedlich gewichten, werden die Positionen genau aufgearbeitet. Durch die Diskussion und Gruppenarbeiten führen Wenz Federer, er studiert Internationale Beziehungen, und David Roth-Isigkeit, der schon seit 2004 bei SHL dabei ist. Eventuell versteckte Probleme zeigen beide auf und förderten auf diese Weise die Diskussion mit sachlichem Input. Die Diskussion innerhalb des Workshops ist sehr angeregt – die eigentliche Problematik kann, den Erwartungen entsprechend, leider nicht optimal gelöst werden. Selbst Kompromisse lassen sich schwer schließen, da immer eine Partei benachteiligt sein könnte. Demokratie und Fairness können in bestimmten Situationen Gegensätze bilden. Für friedliches Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen ist eine gewisse Balance notwendig. (pf)

Eine Wohnwagenkolonne, Frauen in bunten Gewändern. Eine Karawane zieht durch die Wüste. Im Hintergrund sind orientalische Klänge zu hören. Die musikalische Reise startet dort, wo die Geschichte der Roma begann – in Indien. Von dort geht es weiter, über Ägypten, die Türkei und den Balkan bis nach Frankreich und Spanien. Die Kultur der Roma ist geprägt vom ständigen Unterwegssein. Verstreut in vielen Ländern der Erde nehmen sie dort kulturelle Einflüsse auf und verändern ihre eigenen. Wie sich dieses Leben auf die Musik des Volkes auswirkt, verdeutlicht Žarko Jovašević in seinem Workshop. Zu Hörbeispielen erklärt er lebendig, welche Völker die Balkanmu-

sik geprägt haben, wo die regionalen Unterschiede liegen und welche geschichtlichen Ereignisse Einfluss nahmen. Die rhythmischen Klänge entführen die Teilnehmer in die bunte Welt des Balkans, aber erinnern auch an die traurigen Momente in der Historie der Roma. Auch wenn sie zuvor noch keinen Kontakt zu diesem Musikgenre hatten, spüren sie in diesem Moment den ganz besonderen Charme, den es versprüht: Es gibt nur das Jetzt, der Moment muss gelebt werden. Zum Abschluss der Reise schlüpfen die Teilnehmer selbst in die Rolle der Roma und studieren das Lied „Nane cocha, nane gad“ („Ich habe keinen Rock, ich habe kein Kleid“) ein. (ip)


„Formal kann man als Roma kein Asyl in Deutschland erhalten“, machte der Referent Kristian Cierpka unmissverständlich klar. Der Workshop „Abgeschoben! Hintergründe zur Asylsuche von Roma aus Mazedonien“ vermittelte Wissen über die Lebensumstände der mazedonischen Roma und ihre Aussichtslosigkeit, in Deutschland Asyl zu beantragen. Roma bilden mit einem Anteil von vier Prozent an der Gesamtbevölkerung eine kleine Minderheit in Mazedonien. Die Regierung gewährt ihnen umfangreiche Rechte, als Beispiel ist die Roma-Quote zu nennen. Diese Quote ermöglicht den Roma ausreichend Personal in der Verwaltung stellen zu können. Diskriminierungen zwischen Roma und anderen Ethnien sind aber immer noch allgegenwärtig. Unter den Arbeitslosen finden sich viele Roma und vielfach sind ihre Perspektiven durch fehlende staatliche Unterstützungen düster. Doch es ist verkehrt, nur diesen Blick auf Roma zu haben. Es ist keine Schande,

ein Roma zu sein, sondern die Armut, in der viele von ihnen leben müssen, ist es. Einige Roma entscheiden sich für das Verlassen ihrer Heimat und verbinden mit der Flucht nach Deutschland ein besseres Leben. Aber: Dieser Wunsch wird oft genug enttäuscht. Laut dem Deutschen Grundgesetz wird einem Flüchtling Asyl gewährt, der von staatlicher Seite wegen seiner religiösen Einstellung, seiner politischen Meinung, seiner Herkunft oder seiner Sexualität diskriminiert wird. Perspektivlosigkeit zählt nicht zu den Asylberechtigungsgründen. „Im Durchschnitt hält sich ein Roma eineinhalb Monate in Deutschland auf, bis er wieder abgeschoben wird“, sagt Kristian. Die Workshopteilnehmer sind sich uneinig, wie der deutsche Staat mit Roma umgehen soll. Auf der einen Seite steht die Notwendigkeit, ihnen eine Perspektive zu ermöglichen, auf der anderen Seite wird der Verlust von fähigen Leuten im Herkunftsland angemerkt. (fm)

14 Jugendliche, eine Bühne, ein Referent: Der ehemalige Auslandsfreiwillige Lukas David Meyer leitet dieses Jahr den Workshop Improvisationstheater. In Spielen rund um Gang, Körperhaltung, Sprache und Improvisation lernen die Teilnehmer, wie wichtig ihre Haltung und ihr Auftreten für die Präsenz sind. Um einen selbstbewussten Gang darzustellen, sollen sie beispielsweise die Schultern zurücknehmen, die Brust vorstrecken und „laufen wie ein serbischer Macho“. In kleinen Rollenspielen, Assoziationsketten und Improvisationen können die Teilnehmer dann das Gelernte anwenden. Dabei steigert sich der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe zunehmend, sodass die Jugendlichen am Ende in wechselnden Paarkonstellationen kurze Szenen selbst improvisieren. Obwohl nicht alle der Teilnehmer schauspielerische Erfahrungen haben und das Improvisieren nicht immer leicht fällt, ist der Referent am Ende mit der Improvisationsdarbietung zufrieden. Spaß, Bewegung, Kommunikation,

gegenseitiger Respekt und ein Aufeinander-Eingehen erleichtern das gemeinsame Improvisieren. Aber die Teilnehmer sollen nicht nur spielerisch dazulernen, sondern den Sprung von der schauspielerischen auf die politische Ebene schaffen und damit die Problematik, mit der SHL auf dem Balkan konfrontiert wird, tiefer verstehen. Improvisationstheater ist eine Form der Kommunikation, die mehr Sinne anspricht und andere Räume erschließt. Außerdem wird durch die Bewegung gedankliche Mobilität angeregt und verfestigte Strukturen können gelockert werden. Auch die Teilnehmer erkennen dies und stellen fest, dass Improvisationstheater Menschen verschiedenster Herkunft in kreativer Weise zusammenbringt und ihnen losgelöst von starren Stereotypen eine Stimme gibt. Aufeinander einzugehen ist wichtig, nicht nur bei Improvisationen, sondern auch auf politischer Ebene, das haben die Teilnehmer des Workshops erkannt. (jm)

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Eine Anleitung zum Selbsthüpfen. (jm)

Alle Teilnehmer bilden einen großen Kreis, einer begibt sich in die Mitte. Durch Klatschen findet man einen gemeinsamen Rhythmus. Die Person in der Mitte beginnt, an den anderen entlang zu hüpfen. Alle singen: „Do you know my big fat pony? Do you know my big fat pony? Do you know my big fat pony? This is how it goes!” Nun bleibt die Person aus der Mitte vor einem der Teilnehmer stehen und tanzt diesen an.

„Front to front to front, my baby“

„Side to side to side, my baby”

Alle, die angetanzt wurden, begeben sich auch in den Kreis, hüpfen und singen: „Do you know my big fat pony? Do you know my big fat pony? Do you know my big fat pony? This is how it goes!” Wieder wird die Person, vor der man stehen geblieben ist, angetanzt, sodass sich eine immer größere Gruppe im Kreis befindet. Sein fröhliches Ende findet der Energizer, wenn alle Teilnehmer im Kreis hüpfen und das Pony-Lied singen.

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„Back to back to back my baby, this is how it goes”


Auf dem PAT geht es nicht nur um soziales Engagement – auch Persönlichkeiten lernen sich kennen. Dabei kommen die einen oder anderen Vorurteile an den Tag. Mit dabei sind Katja (15) aus Lübeck und Natalie (16) aus Augsburg. Beide haben sich zuvor noch nie gesehen und erst auf dem PAT kennengelernt. Im gemeinsamen Gespräch äußern sie sich über Klischees über den Norden und den Süden. SchleswigHolstein und Bayern sind natürlich nur beispielhafte Regionen Deutschlands, zwischen denen SHL Verbindungen schafft. „Vielleicht sind die Nordlichter blasser als wir, da dort oben die Sonne weniger scheint“, vermutet Bayerin Natalie über die Haut von Katja. Beide halten sich zum Vergleich spontan die Arme aneinander. Natürlich ist ein Unterschied feststellbar – es wird gelacht. Aber auch zum Freistaat sind nicht alle Meinungen unvoreingenommen, wie Katja bestätigt: „Man muss sich anstrengen, um die Bayern zu verstehen.“ Selbstverständlich gibt es im Norden ebenso Dialekte, Katja demonstriert ihre Plattdeutsch-Kenntnisse. Über die Geschicklichkeiten der Schleswig-Holsteiner hat Natalie anzumerken: „Viel-

leicht ist der Nordmann sehr begabt beim Angeln.“ Katja lässt das nicht auf sich sitzen und – die Atmosphäre ist erheitert – entgegnet: „In Bayern isst man nur Brezeln!“ Natalie fragt prompt: „Wieso? Was esst denn ihr?“ Die Diskussion verliert zu keinem Zeitpunkt an Lebendigkeit. Den beiden ist natürlich klar, dass nicht nur Vorurteile über den anderen sie verbinden. Sie engagieren sich hier

über ihre Erfahrungen austauschen. Auf persönlicher Ebene begegneten sich die beiden zuerst bei einem Kennenlernspiel am Freitagabend. Dabei sollten sich Nord- und Süddeutsche in Pärchen zusammentun. Nach Hobbies, Haustieren und Geschwistern tauschen sich die beiden nun freundschaftlich über schulorganisatorische Dinge aus. Beispielsweise äußern sie sich über Probleme bei der Ver-

Katja (links) und Natalie (rechts) hinterfragen Klischees. auf dem PAT und im Rahmen des Sozialen Tages für einen guten Zweck und können sich

waltung der Arbeitsvereinbarungen oder ihre Motivation für den Besuch des PATs.

Die Meinung Katjas „Bayern ist als Freistaat auch irgendwie überheblich“ konnte sich, zumindest bei Natalie, in keinster Weise bestätigen. Entgegen der typischen Erwartungen saß Natalie auch nicht mit Bier und Tracht in der Runde. Im Gegenteil: Beide finden die Gemeinsamkeiten von großen Festen der Region. Man unterhält sich über die Münchner Wiesn und die Travemünder Woche, die für beide ein großes jährliches Ereignis darstellen. Obwohl die Events verschiedene Namen tragen – so sind die Gründe für den Besuch gleich: etwas Zeit mit seinen Freunden verbringen. Auf dem PAT werden Vorurteile überwunden – einander bisher fremde Jugendliche arbeiten zusammen für einen guten Zweck. Mittendrin entdecken sie untereinander Gemeinsamkeiten, wie bei Katja und Natalie. Beide unternehmen viel mit ihren Freunden. Vielleicht trifft man die zwei bald irgendwo zusammen an. Ob Natalie dabei plattdeutsch lernt, ist eine andere Frage. (pf)

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An diesem Wochenende standen vier Projekte zur Auswahl, mit denen ihr euch intensiv beschäftigt habt. Doch auf dem Balkan gibt es noch viel mehr Projekte, die SHL unterstützt. Der STARTER hat zwei Frauen getroffen, die in solchen Projekten arbeiten, und sie nach dem Engagement von Jugendlichen in ihren Ländern befragt. Nada Matković lebt in Novi Sad in Serbien und arbeitet dort im Begegnungshaus CK13. Marija Brzovska kommt aus Skopje in Mazedonien. Dort arbeitet sie im Center for Social Initiative NADEZ. Hallo Nada, hallo Marija! Was macht ihr in euren Projekten? Nada: In unserem Begegnungshaus CK13 organisieren wir verschiedene Veranstaltungen, zu denen wir alle Menschen einladen, zu kommen. Mit Konzerten, Filmabenden, Theateraufführungen, Workshops und mehr bieten wir ein abwechslungsreiches Programm. Dabei wollen wir uns vor allem für mehr Toleranz und gegen Fremdenhass einsetzen. Ein Projekt, dass ich dort betreue, ist der Women’s Bazar, bei dem Frauen Handarbeitsprodukte verkaufen können. Marija: Bei uns im Jugendzentrum betreuen wir Grundschüler aus benachteiligten Roma-Familien. Sie haben oft nur schlechte Chancen auf eine Schulbildung. Wir unterstützen sie dabei, den Schulalltag zu meistern, verteilen

Nada (links) und Marija (rechts) im Gespräch mit Inka Philipp. Hilfsgüter und Schulmaterialien an die Familien und helfen bei Hausaufgaben. Außerdem bieten wir im Jugendzentrum Freizeitaktivitäten und Workshops an. Wie können sich junge Leute in eurem Projekt engagieren? Nada: Im CK13 ist das Engagement nicht sehr konstant.

Es ist eher so, dass Leute, die eine Idee oder ein Projekt vor Augen haben, zu uns kommen und es mit und bei uns im Haus umsetzten. Es ist schwierig, die Leute dazu zu bewegen, sich am Projekt zu beteiligen. Was wir auf die Beine stellen, ist alternativ und das trifft in Serbien nicht immer auf Zuspruch. Marija: Wir haben bei uns immer fünf bis sechs Freiwillige, die sowohl aus Skopje als auch aus der Umgebung kommen. Einige davon kommen über Organisationen zu uns, die Freiwilligendienste vermitteln. Wie ist die Motivation der Jugendlichen, sich in euren Projekten zu engagieren? Marija: In Mazedonien wird die Freiwilligenarbeit immer


bekannter und es entstehen mehr und mehr Organisationen, die diese koordinieren. Die Menschen erkennen, dass die Arbeit in sozialen Projekten nichts mit der Bezahlung zu tun hat, sondern einen Wandel in Gang bringt. Nada: Wir haben im CK13 nur eine Freiwillige, die aus Deutschland kommt. Die Einheimischen kommen zu uns, um ihre eigenen Projekte zu realisieren, engagieren sich aber sonst nicht. Es werden auch immer weniger Menschen, die zu uns kommen, um etwas zu realisieren. Wenn ihr das Engagement der jungen Leute in euren Ländern mit dem der deutschen Jugendlichen vergleicht, was stellt ihr da fest? Nada: Die Menschen in Deutschland sind motivierter, Freiwilligenarbeit zu leisten. Es ist auch einfacher, so etwas zu machen, wenn die Grundbedürfnisse gedeckt sind. Die Lebensumstände in Serbien lassen es oft nicht zu, dass junge Leute ehrenamtlich arbeiten. Wenn sie sich dann jedoch dafür entscheiden, dann machen sie dies bewusst und stehen hundertprozentig hinter dem Projekt. Marija: In Deutschland ist die Freiwilligenarbeit viel weiter entwickelt als in Mazedonien. Bei uns ist es in manchen Studiengängen Pflicht, ein soziales Praktikum zu leisten. Aber es ist schwierig, Leute zu motivieren, sich ehrenamtlich zu engagieren. Doch es wird leichter. Der Vorteil ist, dass junge Leute erkennen, dass die Arbeit in sozialen Projekten viele Vorzüge bietet. Beispielsweise treffen sie durch die Projekte neue Leute aus ganz Europa oder können an Reisen und Seminaren teilnehmen. Wenn ihr einen Wunsch für eure Projekte hättet, welcher wäre das? Nada: Obwohl wir im letzten Jahr den 6. Geburtstag vom CK13 gefeiert haben, kennen viele Menschen in Novi Sad unsere Einrichtung noch nicht. Ich würde mir mehr Besucher wünschen, Menschen, das CK13 und seine Vorteile kennenlernen wollen. Marija: Mein Wunsch ist größer. Ich würde mir mehr Geld wünschen, um ein größeres Haus zu bauen, wo wir allen Kindern helfen können, die unsere Hilfe brauchen. Das Interview führte Inka Philipp.

Durch die Fusion verschiedener Musikgenres einen neuen Sound entwickeln, so beschreibt Žarko Jovašević die Vision seiner Band Mr Žarko. Die Balkanmusik verschmilzt immer mehr mit der weltweiten Musikszene – in Hamburg mixen DJs südosteuropäische Sounds mit Elektrobeats, in Amerika gibt es Balkan-Beatbox-Bands und auch in Berlin entwickelt sich seit zehn Jahren eine solche Musikszene. Ein Konzert ist für Žarko eine imaginäre Reise, die die Zuhörer in fremde Welten entführt. Musik verkörpert die Gefühle, die Kultur und die Geschichte eines Volkes. Balkanmusik verkörpert die Lebensphilosophie der südosteuropäischen Bevölkerung: „Weinen, aber trotzdem tanzen, das macht die Kultur auf dem Balkan aus“, beschreibt Žarko dieses Gefühl. Auch, wenn Musiker in ihren Liedern melancholische Anklänge einfließen ließen, so bliebe trotzdem immer das positive Lebensgefühl. Auch in „The Land of forgotten dreams“, schlägt Mr Žarko eine Brücke zwischen

der Schönheit Serbiens, dem Heimatland Žarko Jovaševićs, und den dunklen Seiten des Staates. „Ich empfehle allen Menschen zu reisen, neue Kulturen und Länder kennenzulernen“, regt der Musiker an. Nur so finde jeder zu einer eigenen kulturellen Identität. Auch einen Filmtipp zum Thema Reisen hat Žarko: „Latcho Drom“ – „Gute Reise“, ist ein Film des französischen Regisseurs Tony Gatlif. Dort nimmt er die Zuschauer mit auf eine Reise der Roma und lässt sie deren Geschichte musikalisch erleben. (ip) Mr Žarko: www.mrzarko.com Debütalbum „Electric Gipsy Disco Noise“ erscheint 2013.

Die Auslandsmitarbeiter haben ihre Top10-Playlist der Balkanhits zusammgestellt. Die Lieder findet ihr unter dem Link http://bit.ly/12JxXEJ oder scannt einfach den den QR-Code ein. 1. Blam Blam – Dubioza Kolektiv 2. Borino oro – Boban Markovic Orkestar 3. Balkan – Azra 4. Djurdjevdan - Bijelo Dugme
 5. Dobar Dan – Elemental 6. Izbejglica - Zoster 7. Mahalageasca – Mahala Rai Banda 8. Ti Ti Ti – S.A.R.S 9. Sve prolazi – Edo Maajka 10. Ja sam lazljiva - Denis & Denis

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Yuka Mahn, 22 Jahre, absolviert derzeit ihren Freiwilligendienst bei der Organisation ARSIS in Tirana. In regelmäßigen Blogeinträgen berichtet sie von ihrem Leben in Albanien. 25.08.2012: Albanische Hochzeit Oha, was haben denn Albaner für ein Party-Durchhaltevermögen! Da kann ich leider echt nicht mithalten. Andererseits wurde ich auch nicht vorgewarnt, dass die Party bis zum nächsten Mittag dauern würde. Eine echt albanische Hochzeit, mit ganz viel Tanz und Popullore. Schon die Vorbereitungen waren balkanesk geprägt. Zwei Stunden vor Abfahrt herrschte Chaos: „Was soll ich anziehen, was mache ich mit meinen Haaren, ach Gott, du musst noch zum Friseur, oh nein Elvira, dein Kleid muss noch gekürzt werden,…“ Planen im Voraus? Achwas! Als wir irgendwann tatsächlich alle soweit waren, ging es mit dem Auto nach Kavaj. Dass auf der Rückbank vier Leute sitzen und sich auf dem Schoß des Beifahrers auch noch eine Person im Überschuss befindet, scheine nur ich nicht für selbstverständlich zu halten. Immerhin ist Kavaj mehr als eine Stunde Autofahrt entfernt. In solchen Momenten wird mir bewusst, wie deutsch ich doch geprägt bin. Ansonsten fühle mich wie in einem Film. Das überfüllte Auto kurvt bei Sonnenuntergang mit albanischer Volksmusik über die Landstraße, vorbei an Straßenhunden, Schäfern und spielenden Kindern. Ich genieße die ausgelassene Stimmung im Auto und freue mich, dass ich in Albanien genau das erleben kann, was ich schon immer wollte: Leben inmitten einer anderen Kultur. In Albanien ist es Brauch, dass die Braut samstags und der Bräutigam sonntags Hochzeit feiert. Der zukünftige Ehepartner ist daher nur teilweise beim Fest des Partners anwesend. Wir fuhren also zur Party der Braut – dort wurde gegessen, zu LiveMusik getanzt, gratuliert, noch mehr gegessen und noch mehr getanzt. Irgendwann taten meine Füße merklich weh. Um 6 Uhr morgens ging es zurück zum Haus der Braut. Dort legten sich die Hochzeitsgäste schlafen – im Bett, auf der Couch, auf dem Boden. Ich ließ mir erklären, dass wir auf den Bräutigam warten. Der holt nämlich nach albanischem Brauch die Braut ab und „entführt“ sie zu ihrem neuen Zuhause. Als der Bräutigam endlich gegen 12 Uhr mittags ankam, gab es noch ein paar Tänze zu Live-Musik und dann fuhr das frischgebackene Ehepaar durch die albanische Hitze davon.

06.12.2012: Pasdite Germane Die erste Aktivität, die ich organisiert und durchgeführt habe: „Pasdite Germane“, der „deutsche Nachmittag“. An diesem Tag sollten die Kinder durch Spiele, Musik und ein Quiz die deutsche Kultur kennen lernen. Schon seit Anfang dieser Woche konnte ich nur noch unruhig schlafen, weil diese erste Aktivität doch unbedingt gelingen musste. Der erste Eindruck hat schließlich ziemliches Gewicht. Eine meiner Erkenntnisse dieses Nachmittags ist, dass die Kids ruhige Spiele mit Ordnung gern haben. Sie haben in ihrem Alltag keine Ordnung, keine Regeln und keine Regelmäßigkeiten. Sie leben im Hier und Jetzt. So mögen sie Spiele, die nicht noch mehr Unordnung in ihr Leben bringen. Was mich aber wirklich am meisten gerührt hat, ist wie die Kinder meinen selbstgedrehten Film angenommen haben, den ich zum Abschluss gezeigt habe. In meiner ganzen Zeit hier habe ich sie noch nie so still und gespannt gesehen. Ich hatte einen Kurzfilm in Deutschland gedreht, um den Kindern, Jugendlichen und Kollegen hier einen Eindruck von Deutschland und meinem Leben dort zu geben. Diese Idee kam mir, da ich plötzlich in deren Leben eingetreten bin und ich deren Leben kennenlernen darf. Sie hingegen kennen nur die albanische Yuka und wissen gar nicht, was es mit diesem deutschen Mädchen, das asiatisch aussieht und Englisch spricht, überhaupt auf sich hat.

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13.12.2012: Stromausfall Letztens hatten wir abends im Büro kurz vor Feierabend wieder einmal Stromausfall. Hier nimmt man das ziemlich gelassen, weil in Tirana im kalten Winter alle ein bis zwei Wochen regelmäßig der Strom ausfällt. Für mich war es am Anfang immer noch etwas Aufregendes, auch das ist Teil meiner Albanien-Erfahrung. Da fast keiner mehr weiterarbeiten konnte, weil alle Computer ausgingen, entschlossen mein Kollege Vitmar und ich uns, eine kleine Jam-Session zu machen. Wir hatten beide unsere Instrumente dabei, da wir uns schon länger abgesprochen hatten, endlich mal die Lieder, die wir mit den Kindern einüben wollen, zusammen mit Instrumenten zu proben. Er packte seine Gitarre aus, ich meine Geige und Arditi, ein anderer Kollege, ging Bier holen. So saßen wir abends im Büro bei Kerzenlicht mit meinem Boss, Bier und Musik.

09.03.2013: Reisen auf dem Balkan Eine Sache kann ich auf jeden Fall nicht behaupten: Dass ich nicht genügend Abenteuer auf dem Balkan erlebe. Ich befinde mich gerade – es ist 00.46 Uhr – in einem Café an der kosovarisch-serbischen Grenze. Der erste Schock ist überwunden und ich kann darüber schmunzeln, wie zum Teufel ich in diese Situation geraten bin. Meine Absicht ist, nach Serbien zum Zwischenseminar zu reisen. Da ich aus Albanien die längste Anfahrt habe, hatte ich mich schon einen Tag vorher aufgemacht. In Prishtina verpasste ich meinen Anschlussbus nach Belgrad. Der nächste Bus: 22 Uhr! Uff - es war gerade mal 11 Uhr morgens. Das Glück war heute wohl nicht auf meiner Seite. Aber ich hatte im Bus ein Mädchen aus Prishtina kennengelernt, das den ganzen Tag mit mir verbrachte. Sie zeigte mir ihre Lieblingscafés, traditionell kosovarisches Essen und nahm mich am Abend mit zu ihren Freunden, sodass ich mich bis kurz vor der Busabfahrt in einer Wohnung mit Musik, Bier und kosovarisch-albanischer Gastfreundschaft wiederfand. Später an der kosovarisch-serbischen Grenze: „Bejeni dokumentat gati!“ – „Halten Sie bitte Ihre Dokumente bereit!“- Der serbische Grenzbeamte sammelt die Reisepässe ein, 10 Minuten später kommt der Busfahrer zu mir und fragt mich, ob ich meinen Personalausweis dabei hätte. Ich hatte meinen Personalausweis gestern Abend absichtlich aus meinem Geldbeutel genommen mit dem schlauen Gedanken: „Ich möchte ja nicht gleich beide Dokumente verlieren, falls meine Tasche verloren geht.“ Er schüttelt seinen Kopf und murmelt: „Ki problem“ – „Das gibt ein Problem“ und sagt mir, dass ich die Grenze nicht überschreiten kann. Serbien verteilt keine Stempel, wenn man vom Kosovo aus in das Land will, da es Kosovo nicht als eigenen Staat ansieht. Einreise nur über Mazedonien oder Montenegro oder eben mit Personalausweis. Ich stehe mitten in der Nacht an der Grenze und die Grenzbeamten sagen mir, ich müsse zurückkehren. Ich schaue nach links und nach rechts: schwarze Nacht! So, wie das eben ist in verlassenen Grenzgegenden. Ich bin einfach nur sprachlos! Ausgesprochen herzlich und hilfsbereit sind dann die kosovarischen Beamten. Sie helfen mir, eine Lösung zu finden. Um 3 Uhr Weitere spannende Blogeinträge von Yuka findet ihr auf ihrem Blog: fährt der nächste Bus nach Prishtina, noch eineinhalb Stunden bis www.yukadiscoversalbania.blogspot.de dahin. Dann fahre ich zurück nach Tirana und werde nach Belgrad fliegen.

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Marica, Du bist bereits 1983, also vor Ausbruch des Krieges, nach Deutschland gezogen – wie hast Du den Krieg auf dem Balkan aus der Ferne erlebt? Kurz bevor der Krieg ausbrach, saß ich während der Sommerferien mit meinen Verwandten in unserem Garten in Dalmatien, unter einem riesigen Mirabellenbaum, und in der Ferne hörten wir Schüsse, die aus Bosnien kamen – wir tranken gerade türkischen Kaffee und aßen Feigen am Nachmittag. Meine Tante sagte, dass der Krieg bereits begonnen habe. Ich erinnere mich genau an diesen Moment, alles war still, keiner sprach, die Kinder hörten auf zu spielen und dann kam es ein paar Monate später genauso, der Krieg brach aus. Ich sah dem Geschehen traurig aus Hessen zu, über das Fernsehen bekam ich die schrecklichen Bilder mit. Aber ich erlebte den Krieg vor allem durch die Erzählungen meiner Verwandten, die Angst hatten und die um ihr Leben und das Leben ihrer Kinder fürchteten. Meine Cousins gingen alle in den Krieg, das waren plötzlich zwölf junge Männer, die ich mir in militärischen Uniformen vorstellte – statt in Jeans. Einer von ihnen sah aus wie Patrick Swayze in Dirty Dancing, ein wunderschöner junger Mensch, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er jeden Tag an irgendeiner Front war und eine Waffe trug. Aber so war es. Und es hat uns alle verändert. Als er aus dem Krieg zurückkam, sah er nicht mehr wie er selbst aus. Keiner sah mehr wie er selbst aus. Die Ferne in Deutschland war also für mich emotional

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Marica Bodrožić wurde in Svib in Dalmatien geboren und lebt heute als freie Schriftstellerin in Berlin. Im STARTER-Interview spricht sie darüber, wie sie die Balkan-Konflikte der letzten Jahre erlebt hat und was Sprache für sie bedeutet. gesehen keine. Im Gegenteil. Meine Eltern nahmen Flüchtlinge aus Bosnien in unserem Haus im Taunus auf und die Geschichten, die diese Menschen uns erzählten, waren noch schlimmer als das, was wir im Fernsehen sahen. In Deinen Werken thematisierst Du unter anderem die Konflikte in Deiner Heimat, Du selbst lebst seit einiger Zeit in Berlin. Macht die geographische Entfernung es für Dich leichter oder schwieriger, darüber zu schreiben? Was ändert sich dadurch? Meine Heimat ist nicht nur der Balkan, meine Heimat ist auch die Sprache, das Menschsein an sich und der konkrete Lebensort ist es auch. Allerdings sage ich nie oder selten das Wort Heimat, ich würde eher das Wort Liebe und das Wort Leben benutzen. Dort, wo ich l(i)ebe, dort bin ich. Und man lebt ja nie allein, sondern immer mit den anderen zusammen. Die Sprache ist der Ort der Betrachtung, auch des Verstehens, der Distanz – das verändert also alles. Es macht mich vor allem frei und ohne das Bedürfnis nach fester Zugehörigkeit. Allerdings habe ich einen deutschen Pass, darauf bin ich stolz, weil ich in diesem Land lebe und auch eine politische Stimme habe und wählen gehen möchte. Ich lebe seit über dreißig Jahren nicht mehr in Dalmatien,

wo ich geboren wurde. Das verändert auch alles. Nationalität und der eine Pass kommen mir mehr und mehr vor wie Fiktion, die wir jeden Tag neu für uns konstruieren. Wir brauchen Identitäten. Aber für mich sind das nur Orientierungen, die im Fließen authentischer sind als im festgezurrten Zustand. JeanJacques Rousseau sagt in seinem „Gesellschaftsvertrag“, dass es die Eigentumsverhältnisse sind, die zerstörerisch auf Menschen wirken, nicht die Verhältnisse zwischen den Menschen. Und beim Schreiben interessiert mich nur das Innere des Menschen, sein Kern, in dem alles gespeichert ist. Und natürlich erzählt sich damit auch das Äußere, die Lebensumstände, das Unterwegssein, die den Kern abbilden und wiederum von neuem beschriften. Ich glaube, dass jeder Mensch seine eigene innere Musik hat und diese will ich finden, das gilt für ein persönliches Gespräch genauso wie für die Konstruktion einer literarischen Figur. Die Seele hat keine Nationalität. Julia Kristeva hat kürzlich in einem Interview gesagt, sie glaube an „eine Menschheit, die zwar überall verschieden, aber doch universell ist“. Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.

Sprache entschieden?

Du bist gebürtige Kroatin, publizierst aber auf Deutsch – warum hast Du Dich für diese

Du unterrichtest Schreibwerkstätten an Schulen und arbeitest auch sonst gern mit

Für mich gibt es da kein Aber. Vielmehr ist es ein Und. Das Und ist der Antrieb für jedes Erzählen, für Kunst überhaupt, für den Atem, der in den Dingen wohnt. Das Und ist der Ort, an dem sich alles verbindet. Und da ich seit über dreißig Jahren in der deutschen Sprache lebe, habe nicht ich sie, sondern sie mich erwählt. Man kann nur in einer Sprache schreiben, die auch das eigene Leben enthält. In der deutschen Sprache bin ich einfach zu Hause. Was bedeutet der abstrakte Begriff „Sprache“ für Dich persönlich? Sprache ist Bewusstsein, Sprache ist ein Archiv des Lebens, der Klänge, der Ereignisse, der Gedanken und des inneren Seins und Sinns. Prosa oder Lyrik, was ist Dir lieber? Ich schreibe sowohl Prosa als auch Lyrik und liebe es das jeweils eine vom anderen durchdringen zu lassen; aber die Lyrik ist die Grundmelodie meines Schreibens, im Klang wohnt oft die viel größere Kraft und manchmal ist er sogar logischer als alle Logik.


Jugendlichen. Wie nimmst Du das Bewusstsein für die heutige Situation auf dem Balkan außerhalb Südosteuropas wahr? In meinen Werkstätten, die ich im deutschsprachigen Raum seit vielen Jahren unterrichte, sind die Jugendlichen sehr begeisterungsfähig, offen, spontan – sie verstehen im Grunde sofort, dass Sprache und Leben zusammenhängen, deswegen ist diese Arbeit so interessant für mich. Die Jugendlichen thematisieren von alleine manchmal den Krieg auf dem Balkan, aber auch den Zweiten Weltkrieg und die Rolle der Deutschen. Sie sehen einen strukturellen Zusammenhang zwischen allen Kriegen und haben ein natürliches Empfinden für Gerechtigkeit und für soziale Not. Durch Deine Tätigkeit als Autorin und Übersetzerin und bestimmt auch aus persönlichem Interesse kennst Du

Dich in der Literaturszene Südosteuropas aus. Was ist Dein Lieblings-Balkan-Buch? Das Buch, das ich seit Jahrzehnten liebe und immer wieder lese, ist das Buch „Garten, Asche“ von Danilo Kis; dieser Schriftsteller ist 1989 in Paris im Exil gestorben. Er hat in serbokroatischer Sprache geschrieben, hatte ungarisch-jüdische und montenegrinisch-serbische Wurzeln. Er war ein homo poeticus wie er im Buche steht; luzide wie er war, wusste er, dass er der „letzte jugoslawische Schriftsteller“ ist, er hat geahnt, dass es einen Krieg geben könnte. Seine persönliche Geschichte und die seiner Familie hat ihn zu einem einzigartigen Autor gemacht. „Garten, Asche“ ist ein Buch über seinen Vater, der in Auschwitz umgekommen ist, aber Kis erwähnt das Wort Auschwitz darin nicht ein einziges Mal. Es ist ein außerordentlich lyrisches

Steven Galloway

Der Cellist von Sarajevo Eine Mörsergranate nimmt 1990 im belagerten Sarajevo 22 Menschen das Leben, die für Brot anstanden. Daraufhin beschließt ein couragierter Musiker, 22 Tage lang an der Einschlagsstelle der Opfer zu gedenken und allen anderen mit seinem Cellospiel Hoffnung zu geben. Fragmentarisch erzählt der Autor einige Tage aus dem Leben der in der Stadt Gefangenen: Dragan hat seine Frau und seinen Sohn noch rechtzeitig evakuieren können, ihm kommt die Erinnerung an ein freies Sarajevo längst wie eine Illusion vor. Kenan begibt sich täglich beim Wasserholen für seine Familie und eine Nachbarin in Lebensgefahr. Strijela schließlich ist Scharfschützin, die auf die Belagerer in den Bergen zielt. Sie will den Cellisten beschützen, während andere weit laufen, um ihn spielen zu hören. Das einfache Überqueren einer Kreuzung ist zur alltäglichen lebensgefährlichen Herausforderung geraten. Ein Roman über Hoffnung inmitten von Ausweglosigkeit und über Solidarität inmitten von Angst. (ms)

Buch und es entstammt einer solchen Tiefe, dass es lebensund bewusstseinsverändernd wirken kann.

beschäftige mich mit der Frage, was Europa von der ehemaligen Föderativen Republik Jugoslawien eigentlich lernen kann. Denn Jugoslawien war vor dem Zusammenbruch auch eine Gemeinschaft, in der verschiedene Völker, Religionen, Nationen und Mentalitäten einen gemeinsamen Pass hatten. Auch wenn dieses Land tragisch gescheitert ist, glaube ich noch immer an die Idee, die es ausgemacht hat. Und Europa ist im Grunde, von Details einmal abgesehen, © Peter von Felbert nichts anderes. Ein europäischer Pass würde mir sehr Du schreibst derzeit an einem gefallen! Das wäre der vierte neuen Buch. Kannst Du uns in meinem Leben. Die Vier ist darüber schon etwas verra- eine schöne Zahl! ten? Das Interview führte Melanie Ich schreibe an einem Essay Schippling. über die Folgen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien und

Danko Rabrenović

Der Balkanizer

Der Autor Danko Rabrenović floh 1991 als junger Mann vor dem Krieg in seinem Heimatland von Belgrad nach Deutschland. Hier angekommen musste er sich mit einer für ihn gänzlich neuen Sprache, deutschen Eigenheiten und einer Menge kultureller Unterschiede auseinandersetzen. Denn die Deutschen frühstücken, planen, zahlen und schimpfen ganz anders als die „Jugos“. Beiden Bevölkerungsgruppen hält Rabrenović in diesem Buch humorvoll den Spiegel vor. Er erzählt pointiert, wie er sämtliche Aufenthaltstitel der Bundesrepublik gesammelt hat, wie Integration trotz einiger Hürden und ohne den Verlust der eigenen Identität gelingen kann und warum er sich heute auf die Reise in beide Richtungen, auf den Balkan und zurück nach Deutschland, freut. Auch das vom Autor selbst gelesene Hörbuch lohnt sich, ebenso wie in seine Radiosendung „Der Balkanizer“ samstags um 20 Uhr bei WDR 5 – Funkhaus Europa mal ‚reinzuhören. Livestream und Playlist gibt es unter http://www.funkhauseuropa.de/sendungen/balkanizer/. (ms)

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Bosnienkrieg 1993: Im Konflikt zwischen Bosniaken und Serben ist kein Ende absehbar. Beide Parteien kämpfen mit vielen Verlusten. Inmitten der Fronten begegnen sich der Bosnier Ciki und der Serbe Nino in einem Graben. Beide sind schwer verletzt und auf der Suche nach der Lösung für die Situation. Mit Sätzen wie „Ich habe hier die Waffe und du eben nicht“ schieben sie im Wechsel die Kriegsschuld hin und her. Der eine richtet seine Waffe auf den anderen. Immer wieder wird geschrien. Mit dabei, jedoch bewegungsunfähig, ist Cikis Kamerad Cera, der auf einer scharfen Mine liegt. Alle Beteiligten realisieren, dass es um ihr Überleben geht. Schließlich erkennen die drei vermeintlichen Feinde aber die Sinnlosigkeit der Gewalt und versuchen, friedlich und lebend aus der Situation herauszukommen. Inzwischen haben auch beide Kriegsparteien die Geschehnisse im Graben wahrgenommen, können aber die Personen nicht er-

Bosnisches Sprichwort Ko se smije ne misli loše. Wer lacht, beabsichtigt nichts Böses.

kennen. Sie kontaktieren die internationalen Blauhelmtruppen zum Klären der Situation. Jene sind durch ihre Befehle eingeschränkt und dürfen nicht einschreiten, sollen sich neutral verhalten und beobachten. Entgegen dieser Befehle rücken jedoch einige Blauhelme vor, um Hilfe zu leisten. Unterstützt werden sie dabei von Journalisten, die mit ihrer Berichterstattung die Befehlshaber unter Zugzwang setzen. Der Oskar-prämierte Film zeigt ohne Tabus die Realität des Krieges. Mit vielen überspitzten Szenen kritisiert Regisseur Danis Tanovic die einzelnen Positionen der Kriegsparteien. Insgesamt macht der mit Humor angehauchte Kriegsfilm durch seine schonungslosen Darstellungen auch jeden Filmliebhaber zum Politversteher. Wegen teils dokumentarischer Inhalte ist der Film sowohl inhaltlich als auch emotional auf eine erschreckende Weise sehenswert. (pf)

Serbisch Učenici pomažu učenicima. Schüler Helfen Leben.

Albanisches Sprichwort Qё duke gabuar njeriu mёson andaj mё lejoni tё gaboj. Man sagt, dadurch, dass der Mensch Fehler macht, lernt er. Also lass mich Fehler machen.

Serbisch Balkan za poneti. Balkan zum Mitnehmen.

Serbisch Na dan društvenog aktivizma ostavljam sovj pećat. Am Sozialen Tag hinterlasse ich meinen Fingerabdruck.

Serbisch Na dan društvenog aktivizima, krečim zidove. Am Sozialen Tag streiche ich Wände.

Serbisches Sprichwort Uporedjivati babe i žabe. Omas mit Fröschen vergleichen (deutsch: Äpfel mit Birnen vergleichen)

Serbisch Na dan društvenog aktivizima, kosim travu. Am Sozialen Tag mähe ich Rasen.

Albanisches Sprichwort Mё mirё tё humbasёsh njё qast tё jetёs se sa jetёn nё njё qast. Besser einen Moment im Leben verlieren als das Leben in einem Moment verlieren.

Serbisch Kako si? Wie geht es dir? Zusammengestellt von Inka Philipp.

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Die meisten von euch wurden wahrscheinlich über das PAT oder den Sozialen Tag auf SHL aufmerksam. Doch SHL ist viel mehr: Während des Jahres bietet dir der Verein vielfältige Möglichkeiten zu weiterer Mitarbeit an. Beim bundesweiten Aktiventreffen (BWAT) treffen sich Alte SHLer und Frischlinge. Diskussionen über aktuelle Entwicklungen in der Balkanregion haben ihren Platz genauso wie Filmabende, Reflexionen über Migration, Spaß und Vernetzung. Auf Landesebene kannst du dich entweder den Nord-Aktiventreffen oder den Süd-Aktiventreffen anschließen. Je nachdem in welchem Bundesland du lebst. Wenn du selbst eigene Projekte und Aktionen starten willst, dann schau bei einer Regionalgruppe vorbei. Regionalgruppen sollen dir helfen, dich mit anderen SHLern aus deiner Region zu vernetzen. Dir steht ein Koordinator zur Seite, damit du eigene Ideen auf die Beine stellen kannst. Von Infoständen, öffentlichen Demonstrationen oder FlyerVerteilaktionen, vieles ist möglich. Die Regionalgruppe Itzehoe veranstaltete im März diesen Jahres zum Beispiel eine Mahnwache für syrische Flüchtlingskinder. In Kooperation mit dem Bundesbüro malten Aktive Transparente und zündeten Kerzen als Zeichen des Gedenkens an. Einige Passanten hielten inne,

blieben stehen und wollten sich über das Anliegen der Gruppe informieren. Wenn du erst seit kurzer Zeit aktiv bei SHL bist, dann ist dies ein idealer Ort, um dich einzubringen. Lass deinen Gedanken freien Lauf! Hast du Freude am Organisieren und Vereinsarbeit macht dir Spaß? Dann könnte dir ein Praktikum oder ein Freiwilliges Soziales Jahr bei SHL gefallen. Viele ehemalige FSJler bleiben dem Verein auch nach ihrem Arbeitsjahr treu. Sie engagieren sich im SHLVorstand oder bringen ihre erworbenen Erfahrungen in die Stiftungsarbeit ein. Vorstandsmitglieder bei SHL betreuen die Freiwilligen und geben dem Verein eine strategische Richtung: „Da wollen wir hin“. Sowohl in den Herbst- als auch Osterferien wird dir etwas ganz besonders angeboten: Es wird nicht nur über die Balkanländer geredet, sondern ihr könnt mit euren Freunden direkt nach Südosteuropa fahren. Das letzte zehntägige Camp führte die Balkanreisenden nach Belgrad, Sarajevo und Bijeljina. Neben Projektbesuchen erhältst du Einblicke in die Kultur und Gesell-

schaft der Länder. Eine große Chance, dem Balkan mal wirklich nahe zukommen. Eine mit viel Einsatz und Herzblut verbundene Aktionsform ist das Durchführen von Hilfstransporten. Dazu braucht ihr einen langen Atem, aber es lohnt sich. Im Januar diesen Jahres wurde vom Bundesbüro in Neumünster aus ein Päckchentransport organisiert. Im Vorfeld wurde an Schulen um Sachspenden gebeten. Es kamen Kleidung, Schals, Decken und Schulutensilien zusammen. Vier Schüler schafften das Kunststück, zwei Hilfstransporter nach Montenegro ins Flüchtlingslager Konik zu fahren. Diese Hilfsaktion hat den Flüchtlingen den Winter erträglicher gemacht. Damit aber dauerhaft ihre Notsituation überwunden werden kann, sind weitere Anstrengungen nötig. Auf verschiedenen Ebenen kannst du SHL mitgestalten und eigene Einblicke und Erfahrungen sammeln. Die vielen SHLer, die schon seit Jahren den Verein ausmachen, können dies bestätigen. Sei dabei! (fm)


Kim Scheible (17) aus Wiernsheim: „Der Fingerabdruck ist Teil meiner Identität. Auch wenn ich mich beruflich nicht damit identifizieren kann – ich möchte nicht Erzieherin werden –, arbeite ich am Sozialen Tag in einem Kindergarten. Hier ist Uneigennützigkeit wichtiger als persönliches Interesse.“

Sönne Jensen (15) aus Hohenweststedt: „Mit dem eigenen Fingerabdruck kann man seine persönliche Note setzen. Denn ohne jeden einzelnen Finger sind Aktionen wie der Soziale Tag unmöglich.“

Maximilian Jens (18) aus Kiel: „Man sollte auf jeden Fall fest andrücken. Denn so kann man langfristig seine Spuren hinterlassen und etwas Gutes tun.“

John-Lloyd Holler (17) aus Neumünster: „Als zukünftiger FSJler bin ich stolz, dass ich bald die Verantwortung für die Arbeit bei SHL in Neumünster und deutschlandweit übernehmen darf. Mit meinem Engagement werde ich hoffentlich auch einen schönen Fingerabdruck hinterlassen.“

Lukas Peters (16) aus Braunschweig: „Der Fingerabdruck als solcher ist wertlos, da er viele Lücken hinterlässt. Mithilfe vieler Fingerabdrücke übereinander kann man jedoch ein Zeichen setzten.“

Moritz Adam (15) aus Oldenburg: „Der Fingerabdruck symbolisiert gemeinsame Arbeit und Individualität in einem. Beides ist für mich besonders wichtig – denn mithilfe von SHL als zentralisierendem Medium kann man beides gleichzeitig tun.“

Interviews von Philippe Fischer.

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spielsweise auch die erwähnte Rotation des Sommercamps, dass jeder seine Aufgabe im Netzwerk übernimmt.

S.A.M.E.: „Solidarity Action day Movement in Europe“ ist ein Netzwerk acht verschiedener Organisationen, die in insgesamt sechs verschiedenen Ländern einen Sozialen Tag (in mehreren Ländern auch „Action Day“ genannt) durchführen. Jugendliche aus Norwegen, Dänemark, Belgien, Deutschland, Serbien und Italien versuchen durch Kooperation ihr Ziel eines europaweiten Sozialen Tages zu verwirklichen. Niklas Kaapke (21) und Stefan Winkelmann (22), zwei ehemalige FSJler, vertreten SHL in diesem Netzwerk und sprechen im Interview über Ziele, Kooperation und Visionen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Organisationen anderer Länder hinsichtlich Gemeinsamkeiten und Unterschiede und Problemen ab? Stefan: Gemeinsamkeit ist an erster Stelle der Soziale Tag. Alle Organisationen haben den Anspruch für, mit und von Jugendlichen gestaltet zu werden, außerdem wollen wir alle nachhaltige, sich entwickelnde Projekte unterstützen. Niklas: Unterschiede bestehen beispielsweise in der

Wie kam das Netzwerk S.A.M.E. zustande? Niklas: Der Soziale Tag an sich ist keine deutsche Erfindung. Unsere Partnerorganisationen in Skandinavien führen den Sozialen Tag schon viel länger durch. Stefan: Nachdem auch SHL den Sozialen Tag durchgeführt hat, keimte irgendwann der Austausch zwischen Deutschland und den nördlichen Ländern auf. 2011 fand in Oslo ein Treffen statt, 2012 war SHL Gastgeber in Berlin, für diesen Sommer ist ein internationales „summer camp“ in Italien geplant. Alles in allem muss man aber sagen, dass das Netzwerk noch sehr jung ist und sich im Aufbau befindet. Woran arbeitet Was ist das Ziel?

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Stefan: Generell wollen wir gemeinsame Standpunkte suchen und voneinander lernen, indem wir den Austausch intensiver gestalten und uns gegenseitig Impulse geben. Niklas: Ziel ist auf jeden Fall die Institutionalisierung des

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wegen gibt es eine gute Aktiven-Struktur. Ich denke hier können wir im Bereich Nachwuchsgewinnung und Partizipation einiges lernen. Was sind eure Visionen? Niklas: Es gibt die Vision, den Sozialen Tag nach Europa zu tragen. Stefan: Ideal wäre ein gemeinsames Datum, damit man auch gemeinsame europaweite Kampagnen starten kann. Damit generiert man mehr Aufmerksamkeit, kann mehr Jugendliche ansprechen, auf eine größere Partizipation und auch Wachstum der Organisationen hoffen. Aus jugendlicher Perspektive kann ganz Europa gezeigt werden, wie schlecht es anderen Menschen geht und dass die Jugend in Europa nicht tatenlos zusieht, sondern aktiv handelt! Welche Probleme gilt es bis dahin noch zu lösen?

Stefan Winkelmann (links) und Niklas Kaapke (rechts) sind die Koordinatoren für S.A.M.E. Austausches der europäischen Jugendorganisationen. Welche Position nimmt SHL im Netzwerk ein? Stefan: SHL ist sicherlich eine der treibenden Kräfte. Dies liegt daran, dass im Gegensatz zu den anderen Organisationen, deren jährlich wechselnde Vorstände für den S.A.M.E.-Dialog zuständig sind, bei SHL Niklas und ich als feste Projektkoordinatoren diese Aufgabe kontinuierlich wahrnehmen können. Niklas: Letztlich zeigt aber bei-

Wahl der Projektregionen. Nur SHL hat sich auf einen festen Raum, Südosteuropa, festgelegt. Aber so kann S.A.M.E. Projekte in der ganzen Welt unterstützen. Die Sprachbarrieren sind manchmal problematisch aber gemeinsame Ziele, motivierte Jugendliche, ein gewisser Mut und das gegenseitige Ergänzen erleichtern die Kooperation. Was kann SHL von den anderen Organisationen lernen? Stefan: Insbesondere in Nor-

Niklas: Wir sollten weniger über Probleme reden, sondern mehr positiv denken. Denn viele Leute mit positiver Einstellung zeichnen S.A.M.E. aus. Natürlich gibt es Anlaufschwierigkeiten, aber wir sind auf dem guten Weg, ein engeres und noch besseres Netzwerk zu bilden. Wie viel mehr kann man auf europaweiter Ebene statt nur auf nationaler Ebene erreichen? Stefan: Mehr Aufmerksamkeit, mehr Partizipation, mehr Projekte, mehr Menschen helfen! Das Interview führte Jennifer Mackert.


Name: Fabio Ganassin (26) Organisation: Adelante Cooperativa, Italien Slogan: „Get your hands dirty, let’s get involved!” Vision: Unsere Vision ist, dass mit einem europaweiten Sozialen Tag die maximale Offenheit für den Austausch lokaler Initiativen erreicht wird. Wir hoffen wirklich, dass die europaweite Zusammenarbeit die Grenzen der einzelnen Nationen überschreitet und die europäischen Jugendlichen zusammenbringt, sodass sie einander unterstützen können. „Think globaly, act locally, but, above all, just do!“

Name: Carmen Tynell (16) Organisation: Operation Dagsværk, Dänemark Slogan: „Knowledge, decision, action!“

Name: Ine Schockaert (19) Organisation: Zuiddag, Belgien Slogan: „Work for a change“

Erfahrungen: Aufgrund meines Engagements habe ich nun ein differenzierteres Bild von der Welt. Ich glaube, dass man viel durch die Mitarbeit in solchen Organisationen wie OD Danmark oder SHL lernt. Durch die Projekte erhält man Einblicke in das Leben von Menschen, die sich von dem eigenen sehr stark unterscheiden.

Motivation: Die Welt braucht Veränderung. Wenn jeder das tut, was er oder sie tun kann, dann können wir dazu beitragen, dass die Welt zu einem besseren Ort wird.

Die Interviews führte Philippe Fischer. Was brachte dir persönlich der Soziale Tag? Was verkörpert der Soziale Tag? Lukas Saur (17) aus Ellwangen „Ich weiß nun, welch enormes Potenzial eine Gruppendynamik entwickeln kann. Ich konnte als Organisator meine Mitschülerinnen und Mitschüler nicht nur für den Sozialen Tag, sondern auch für weitere Projekte gewinnen.“

Jana Rochholz (16) aus Stade „Ich finde den sozialen Tag einzigartig, weil alle Teilnehmer nicht in irgendein Projekt hineingerissen werden. Jeder kann sich den Arbeitsplatz aussuchen und so seinen Teil beitragen.“ Philipp Kast (17) aus Augsburg „Schüler erarbeiten gutes Geld und spenden ihren Lohn. Das find' ich klasse!“

Wo wirst du am Sozialen Tag arbeiten? Femke Steffen (16) aus Bad Segeberg „Ich weiß noch nicht genau, wo ich arbeiten werde. Aber das ist auch nicht das Wichtige. Das Geld für den guten Zweck – das ist mir besonders wichtig.“

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Schule zu Ende…und was dann? Für viele ist ein FSJ eine gute Möglichkeit nicht gleich von der Schule ins Studium oder in eine Ausbildung zu wechseln, sondern mehr von der Welt zu entdecken, neue Leute kennen zu lernen, sich nach den eigenen Interessen zu engagieren und die eigene Persönlichkeit zu differenzieren. SHL bietet sowohl im Inland als auch auf dem Balkan Möglichkeiten für einen Freiwilligendienst. Wir haben Alumni, aktuelle und zukünftige FSJler nach ihren Erfahrungen, Motivationen und Erwartungen gefragt. (jm)

Aktueller FSJler Name: Kristian Cierpka (23) FSJ: Auslandsfreiwilligendienst in Skopje (Mazedonien) 12/13 Kristian studierte bereits, als ihn der Wunsch nach einem dauerhaften Engagement im sozialen Bereich, am liebsten auf dem Balkan, packte und er über eine bekannte Suchmaschine auf den Auslandsfreiwilligendienst von SHL stieß. Die Chance zu haben, in einem 2005

anderen Land zu leben, zu arbeiten, Unterstützung zu leisten und neue Leute kennen zu lernen, gefällt ihm sehr. Im Allgemeinen bewertet er seinen Freiwilligendienst als eine gute, bereichernde, rundum schöne Erfahrung und Möglichkeit, die sich leider langsam dem Ende zuneigt. Der Balkan soll weiterhin eine Rolle in Kristians Leben spielen, er kann sich gut vorstellen, dort ein Praktikum zu absolvieren oder beruflich mit der 2007

2006

Region in Kontakt zu bleiben. Auch bei SHL möchte er sich weiter engagieren, unter anderem um sein Wissen und seine Erfahrungen einzubrin-

2009 2008

2011 2010

gen und zu teilen. Vermissen wird er jedoch definitiv Ajvar, ein Paprikamus, und starken türkischen Kaffee. 2013

2012

2014

Alumni Namen: Ines Callsen (26) & Hauke Kramm (26) FSJ: Bundesbüro-Pressearbeit 06/07 & Auslandsfreiwilligendienst Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) 07/08 Ines und Hauke haben ihr FSJ bereits vor mehreren Jahren absolviert und dieses Jahr gemeinsam das PAT organisiert. In den Jahren ihres Engagements haben sie den Verein auf vielen Ebenen kennen gelernt. Die leitende Motivation für so viel Einsatz ist nach wie vor die Begeisterung an dem Engagement und daran, dass jungen Menschen so viel Verantwortung übertragen wird und dabei auch noch Raum für Kreativität und Eigenständigkeit bleibt. Noch immer fasziniert es sie, dass man bei SHL gemeinsam so viel errei-

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Zukünftige FSJlerin Name: Merle Goßing (18) FSJ: Bundesbüro-Aktivenbetreuung 13/14 chen kann und dass jeder die Freiheit hat sich nach seinen Möglichkeiten und Interessen einzubringen. Auch weiterhin wollen Ines und Hauke sich für den Verein engagieren, jedoch ihren Aufgabenbereich verändern, um auch den nachfolgenden Generationen die Möglichkeit zur Übernahme von Verantwortung und Partizipation zu ermöglichen.

Für ein FSJ bei SHL hat Merle sich entschieden, weil sie schon seit 2009 im Verein aktiv ist. In dieser Zeit hat sie sich immer gut betreut gefühlt und möchte jetzt andere in diesem Sinne für den Verein begeistern. Sie erwartet ein FSJ der besonderen Art mit viel Raum für selbstständiges Arbeiten. Ganz besonders freut sie sich

aber darauf, die Projektregion von SHL kennen zu lernen. Denn Merle war noch nie auf dem Balkan und kann es kaum abwarten, sich selbst einen Eindruck machen. Außerdem hat sie ein großes Ziel: Während ihres FSJs möchte Merle einen Hilfstransport nach Südosteuropa organisieren. Auch nach ihrem FSJ will Merle dem Verein treu bleiben, an dem sie ganz besonders die Partizipation der vielen motivierten Jugendlichen, die Transparenz und das aktive Mitanpacken schätzt.


Zu Anfang werden Themen gesammelt, konkrete Artikelideen entworfen und schließlich recherchieren alle Redakteure bereits vor der offiziellen Eröffnung des PATs eifrig in den Räumen der SHLStiftung.

Parallel zur Schreib-Arbeit wird am Layout gebastelt. Grafiken werden erstellt und Texte in das vorab entworfene Design des Starters eingefügt.

Später wird das Büro am Tagungsort bezogen. Für Internetzugang, Verpflegung und Musik ist gesorgt, ab jetzt werden Interviews geführt und die ersten Texte geschrieben.

Die gesammelten O-Töne aus den Interviews werden verschriftlicht.

Am Schluss werden Korrekturen besprochen und letzte Änderungen vorgenommen. So haltet ihr am Abschlusstag ein druckfrisches Heft in den Händen.

Impressum Der Starter ist das Eventmagazin des Projektauswahltreffens von Schüler Helfen Leben e.V. Das Magazin hat den Schülerkongress mit 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vom 17. bis 19. Mai 2013 in Berlin begleitet und dokumentiert. Herausgeber Schüler Helfen Leben e.V. Kaiserstraße 12 24534 Neumünster www.schueler-helfen-leben.de

Chefredaktion Melanie Schippling (V.i.S.d.P.) (ms) Redaktion Philippe Fischer (pf), Jennifer Mackert (jf), Yuka Mahn (ym), Florian Muarrawi (fm), Inka Philipp (ip)

Bildredaktion Paul Wagner, Momme Hell Titelbild Kristian Cierpka Layout und Satz Tobias Feitkenhauer

Druck Köllen Druck & Verlag GmbH Marienstraße 26 10117 Berlin Auflage 300 Namentlich gekennzeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung der gesamten Redaktion.



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