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PubertÄt 2.0
Wenn in den Wechseljahren Hormone Karussell fahren
Stimmungsschwankungen, körperliche Veränderungen und teils lästige Begleiterscheinungen. Ob Pubertät oder Wechseljahre: Auf beide Zeitabschnitte treffen diese Attribute zu. Hormonelle Veränderungen im Alter müssen kein unerträglicher Supergau sein. Es lässt sich einiges tun, damit Frau gut durch diese Zeit kommt.
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„Schöne Jahre“ hat dazu den Endokrinologen Professor Dr. Reinhard Zick vom Medicover MVZ Osnabrück befragt.

Schöne Jahre: Herr Prof. Zick, ab wann spricht man eigentlich von den Wechseljahren und wie lange dauern sie im Schnitt an?
Professor Zick: Es gibt drei Phasen. Anfang bis Mitte vierzig kommen viele Frauen in die Prämenopause. Gefolgt von der Menopause, die ihre Hochzeit meist im Alter von 51 bis 53 Jahren hat. Danach folgt die Postmenopause. Von der Menopause spricht man, wenn die letzte Monatsblutung ein Jahr zurück liegt. Insgesamt dauern die Wechseljahre etwa zehn Jahre, bevor die Frau dauerhaft in das so genannte Klimakterium kommt.
Schöne Jahre: Wie hoch ist die Rate der Frauen mit Beschwerden und was tritt besonders häufig auf?
Professor Zick: Ein Drittel hat weitgehend keine, ein Drittel mehr oder weniger und rund ein Drittel kämpft mit starken Beschwerden. Statistisch gesehen auf Platz eins liegen Nervosität und Reizbarkeit, gefolgt von Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Leistungsabfall. Etwa 70 Prozent der Frauen machen Bekanntschaft mit Hitzewallungen, Schweißausbrüchen oder depressiven Verstimmungen und Kopfschmerzen. Rund die Hälfte klagt über Schlafstörungen und ein Drittel hat hin und wieder Libido-Störungen.
Schöne Jahre: Warum kommt es zu diesen Beschwerden und was kann helfen?
Professor Zick: Ursache ist der zunehmende Verlust des Hormons Östrogen. Klagen Frauen über andauernde, heftige Beschwerden, empfehle ich eine sogenannte Fenstertherapie. Praktisch gibt es dann eine zeitlich begrenzte hormonelle Therapie. Im Schnitt dauert sie drei bis vier Monate. In dieser Zeit kleben Frauen ein östrogenhaltiges Pflaster auf die Haut oder verwenden einen entsprechenden Schaum. Hier lautet die Devise: so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Solche Pflaster und Schäume haben große Vorteile im Vergleich zu Tabletten. Medikamente müssen meist höher konzentriert sein, da ein Teil des Östrogens durch den Verdauungsweg bereits verloren geht. Anders bei Schaum und Pflaster: Es gelangt über die Haut direkt in die Blutbahn, kann von dort wirken und muss daher nicht so hoch konzentriert sein wie Tabletten. Im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen ist die Anwendung solcher Pflaster und Schäume weitaus günstiger. Begleiterschei nungen, die in Studien ermittelt wurden, beziehen sich fast ausschließlich auf die Medikation mit östrogenhaltigen Tabletten und nicht auf Pflaster oder Schaum. Allerdings ist es wichtig, dass diese Therapie immer in Zusammenarbeit mit einem Gynäkologen gemacht wird. Es gibt jedoch auch Frauen, bei denen solche Maßnahmen nicht die erste Wahl sind. Dazu zählen solche, die einen hormonsensitiven Brustkrebs hatten oder bei denen Erkrankungen wie Diabetes, Thrombosen, starkes Übergewicht und das Risiko zum Herzinfarkt bestehen oder gehäuft in der Familie auftraten. Hier muss im Einzelfall überlegt werden, welche alternativen Behandlungswege sich eröffnen.
Schöne Jahre: Nervosität, Reizbarkeit und Co –müssen Frauen damit rechnen, dass sie etwa zehn Jahre damit zu tun haben?
Professor Zick: Auf keinen Fall. Es kann Zeiten geben, in denen sie überhaupt keine Beschwerden haben. Dann wiederum gibt es Abschnitte, in denen die Stimmung leidet oder Hitzewallungen kommen und gehen. Nichts ist in Stein gemeißelt, und deshalb brauchen Frauen in den Wechseljahren keine Angst zu haben, dass sie auf Dauer mit einer Fülle an Beschwerden durchs Leben gehen müssen.
Schöne Jahre: Gibt es etwas, das – außer Deos gegen übermäßiges Schwitzen, hilft?
Professor Zick: Zum einen ist Kleidung aus atmungsaktiven Materialien sinnvoll. Außerdem hilft es, die Achselbehaarung und Haare im Genitalbereich zu rasieren. Ferner lohnt es sich, öfter in die Sauna zu gehen. Auch regelmäßiger Sport und ein gesunder Verlust von zu vielen Kilos helfen dabei, dass weniger geschwitzt wird.
Schöne Jahre: Viele klagen in dieser Zeit auch über Gelenkprobleme. Was schafft Linderung?
Professor Zick: Ganz wichtig ist hier regelmäßiger Sport. Sehr gut eignen sich Schwimmen sowie eine Mischung aus Kraft- und Ausdauertraining. Gelenkbeschwerden in den Wechseljahren entwickeln sich nicht zur chronischen Sache, wie es bei rheumatischen Gelenkerkrankungen der Fall ist. Es hängt halt alles mit dem Entzug der Östrogene zusammen.
Schöne Jahre: Ein großes Thema ist es, das Gewicht zu halten oder jetzt nicht zuzunehmen. Warum ist das so?
Professor Zick: Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Leider nimmt mit zunehmendem Alter das Bewegungslevel ab. Das ist bei Frauen und Männern gleichermaßen so. Des Weiteren sinkt der Anteil an Muskeln: er wird durch Fettmasse ersetzt. Gleichzeitig reduziert sich der Grundumsatz, also die Energie, die der Körper täglich in völliger Ruhe zur Aufrechterhaltung seiner Körperfunktionen braucht. Wenn beispielsweise der tägliche Kalorienbedarf um etwa 150 Kilokalorien sinkt und das auf Dauer nicht berücksichtigt wird, erklärt sich, wie sich so Jahr für Jahr drei bis fünf Kilo an Gewicht zusätzlich ansammeln. Es ist also sinnvoll, seine Kalorienmenge im Auge zu behalten und am besten schon in der Prämenopause gesund abzunehmen.
Schöne Jahre: Wie schafft Frau es in dieser Zeit, ein gesundes Gewicht zu halten oder wieder dorthin zu kommen?
Professor Zick: Ganz wichtig und sinnvoll ist es regelmäßig Sport zu treiben. Er erleichtert das Abnehmen, hilft bei starkem Schwitzen, Gelenkproblemen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen. Sport ist also das beste Medikament und ganz ohne Nebenwirkungen. Ferner kann es hilfreich sein, zum Beispiel ein bis zwei Tage pro Woche seine Kalorienmenge auf etwa 500 bis 600 Kilokalorien zu reduzieren oder Intervallfasten zu praktizieren. Es erfordert schon etwas Disziplin, aber der Körper dankt es und Frauen fühlen sich einfach wieder wohler in ihrer Haut.
Schöne Jahre: Welchen Tipp haben Sie abschließend für alle Frauen, die sich in Richtung Menopause bewegen?
Professor Zick: Vitamin D spielt hier eine große Rolle. Es macht Sinn, den Spiegel im Blut zu prüfen, und – je nach Ergebnis – gegebenenfalls Vitamin D einzunehmen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vitamin-D-Produktion in der Haut altersbedingt bei einer Frau um die 50 bereits um die Hälfte niedriger liegt als bei Frauen um die 20. Ferner scheint in unseren Breiten die Sonne nur etwa fünf Monate stark genug, damit die Vitamin-D-Produktion in der Haut ausreichend angekurbelt wird.
Herr Professor Zick, wir danken Ihnen für das Gespräch!