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DIE FRAU IM NEBEL
Ein Polizist verliebt sich in eine verdächtige Frau. Park Chanwooks neuestes Werk ist meisterhaft inszeniert – jedes Bild ist ein Gedicht, während die Geschichte von einem Thriller zur Romanze wird und wieder ins Terrain des Spannenden zurückkehrt.
Hae-joon ist Polizist. Ein Mann, der seine Schlaflosigkeit meist zur Observation nutzt, der eine Wochenendehe führt, und der von seinen ungelösten Fällen besessen ist. Nun ermittelt er im Fall eines abgestürzten Bergsteigers. Aber ist er wirklich abgestürzt oder könnte seine aus China stammende Frau Seo-rae etwas damit zu tun haben? Er ermittelt, er beobachtet, er lässt sich von der Frau, die als Pflegerin für die Alten arbeitet, in seinen Bann ziehen. Ist es schon Liebe? Will er seine Frau verlassen? Kann aus einem vermeintlichen Mordfall tatsächlich etwas Gutes entstehen? Oder droht dem Polizisten am Ende der totale Zusammenbruch?
Park Chan-wook war inspiriert von einem koreanischen Lied, das von verschiedenen Interpreten umgesetzt wurde. Er wollte es zum Zentrum einer Liebesgeschichte machen, er interessierte sich aber auch für einen Kriminalfall mit einem Ermittler wie Martin Beck aus der schwedischen Krimiserie „Kommissar Beck“. Einen Mann, der sanft, ruhig, höflich, würdevoll und freundlich ist. Nicht unbedingt das, was man bei Kommissaren erwartet. Zusammen mit seinem Ko-Autor Jeong Seo-kyeong kombinierte er beide Geschichten und hat mit „Die Frau im Nebel“ einen Film abgeliefert, der nur schwer greifbar ist. Oder anders gesagt: Der so ist, wie die Wellen auf dem Meer – ruhig, manchmal heftig, oft überwältigend, aber immer wechselhaft. So beschrieb der Regisseur auch die weibliche Hauptfigur. Obwohl es nicht amerikanisches Kino war, das ihn inspirierte, fühlt man sich bei der Rezeption an Alfred Hitchocks „Vertigo“ erinnert. Noch so ein Film, der die Erzählform wechselt, der geheimnisvoll ist und in den Bann zieht. All das gilt auch für „Die Frau im Nebel“, der erst wie ein Krimi-Thriller anmutet, dann jedoch eine Transformation durchmacht – inklusive Orts- und Zeitwechsel. Erneut hat Park Chan-wook einen Film abgeliefert, der auf vielen Ebenen funktioniert und mit seinen Wendungen geradezu eine zweite Sichtung herausfordert. Weil es in „Die Frau im Nebel“ mehr zu entdecken gibt, als auf den ersten Blick offenbar wird. PROGRAMMKINO.DE / PETER OSTERIED

REGIE Park Chan-wook BUCH Park Chan-wook, Jeong Seo-kyeong DARSTELLER Park Hae-il, Tang Wei, Lee Jung-hyun LAUFZEIT 139 Minuten FSK ab 16


DOKUMENTATION | DEUTSCHLAND | 2022
Selfmade Filmemacher Felix Starck dokumentiert in seinem dritten Film den Versuch, das perfekte Zuhause für sich und seine junge Familie zu finden.
“Step by Step” erzählt die Geschichte zweier junger Menschen, die raus aus der Großstadt wollen, um sich neu zu (er-)finden. Dabei steht die nahende Geburt des ersten Kindes, Oskar, im Mittelpunkt aller Überlegungen. „Wie wollen wir ihn aufwachsen sehen?“, „Welche Umgebung wünschen wir uns für ihn?“, „Was soll er für Erfahrungen sammeln können?“ Und: „Wo können wir als junge Familie alles, was wir uns wünschen, so umsetzen, wie wir es uns vorstellen?“ Auf der Suche nach den Antworten auf diese Fragen, führt der Weg Felix und Valentina auf die Insel Mallorca. Sie tauchen auf der Insel in eine neue Kultur und Lebensweise ein, die sie auf herausfordernde Weise buchstäblich erdet und auf das Wesentliche blicken lässt– weit weg vom bequemen Großstadtleben, welches kurz zuvor ihr Leben noch geprägt hat …
Nach den beiden außergewöhnlichen Erfolgen von “Pedal the World” (2013) und “Expedition Happiness” (2017) ist “Step by Step” der dritte Dokumentarfilm des Selfmade-Filmemachers Felix Starck. Die Idee des Films entstand in den ersten Monaten der Pandemie im Herbst 2020 – ausgelöst durch die Schwangerschaft seiner Freundin Valentina und der Erkenntnis, dass die Verantwortung, die durch die Geburt des gemeinsamen Kindes entsteht, größer ist als alles, was beide bisher kannten. Die vorherrschende Angst vor der Zukunft wich dem mutigen Entschluss, endlich anzugehen, wovon die beiden bisher nur geträumt haben. Der Film dokumentiert diese ebenso mutige wie mutmachende Reise und Sinnsuche, bei der es keine Rolle spielt, zahllose Kilometer hinter sich zu bringen und viele Länder zu sehen, sondern es darum geht, den Ort zu finden, der das Zuhause der jungen Familie werden kann und es ihnen ermöglicht, eine moderne Farm mit regenerativen Prinzipien und völliger Autarkie aufzubauen. Der Film zeigt nicht nur, wieviel Geduld, Neugier und Lernbereitschaft dieser Plan erfordert, dass auch Dinge schief gehen und eine neue Planung notwendig machen. Der Film zeigt auch, wie erfüllend ein bewusst und gemeinsam gewählter Weg ist.
The Lost Souls Of Syria

DOKUMENTATION | DEUTSCHLAND, FRANKREICH | 2022
Dokumentarfilm, der von den Wendungen der Ermittlungen erzählt, die dazu führten, dass gegen die höchsten Beamten der Regierung von Bashar al Assad Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen wurden.
27.000 Fotos von zu Tode gefolterten zivilen Gefangenen wurden von einem militärischen Überläufer mit dem Codenamen Caesar aus den Geheimarchiven des syrischen Regimes gestohlen und öffentlich gemacht. Beweise, aussagekräftiger als das, was man gegen die Nazis in Nürnberg in der Hand hatte. Regisseur Stéphane Malterre und Ko-Autorin und Fachberaterin Garance Le Caisne untersuchten, inwieweit sich die internationale Justiz als unfähig erweist, den kriminellen syrischen Staat zu verfolgen. Da der Fall zum Vergessen verurteilt zu sein scheint, geben Angehörige der Opfer, Aktivist*innen und Caesar nicht auf. Auf eigene Faust suchen sie vor nationalen Gerichten in Europa weiter nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Ihr Kampf und ihre über fünf Jahre aus beispielloser Nähe gefilmten Ermittlungen werden schließlich zum ersten Prozess gegen hohe Beamte der syrischen Todesmaschinerie führen.
Die Autor*innen dieses Films, Stéphane Malterre und Garance Le Caisne, entdeckten die Caesars Files, als sie 2014 bei den Vereinten Nationen in Genf zum ersten Mal öffentlich gemacht wurden. Diese Bilder stammen aus einem Land, das die Autor*innen oft besucht haben. Diese Bilder erinnerten sie daran, wie sehr das Chaos, das sie dort erlebten – die Bombenangriffe, die Straßenkämpfe und die Gewalt des Regimes – die Ursprünge dieses Übels ausgelöscht hatten. “Wir dachten an einen Film, der durch seine kinematografische Form die Worte Caesars größer machen könnte. Zunächst fehlten uns dafür die Figuren und der erzählerische Rahmen. Wie sollten wir das Undenkbare filmen? Wir konnten nicht nach Syrien reisen, an den Schauplatz der Verbrechen. Währenddessen füllten sich die Gefängnisse von Damaskus weiter. Wir folgten weiter dem einzigartigen Schicksal der Fotos von Caesar. Indem er die Existenz der Todesmaschinerie aufdeckte, hatte der Fotograf die Welt vor eine unbequeme Frage gestellt: die Frage nach Gerechtigkeit und Strafe. Genau diese Frage sollte zum Gravitationszentrum des Films werden”.
