RSS - Alles was Recht ist Das kleine Wort „und“ und seine Bedeutung für eine Obliegenheit. Mitunter wird der Jurist zum Sprachforscher: in diesem aktuellen Fall aus der RSS geht es um die Auslegung einer Obliegenheit und die Frage, ob das Wort „und“ zwei Voraussetzungen für die Obliegenheit derart verknüpft, dass beide gegeben sein müssen, um überhaupt zur Anwendung zu kommen.
Bei der Versicherung eines Mietshauses wurde subsidiär auch das Inventar der Wohnungen mitversichert, soweit die Vermieterin die Sachschäden zu tragen hat. Eine der Wohnungen des Objektes stand schon länger leer, doch befand sich eine Küche in der Wohnung. Dort trat aus einem beschädigten Wasserhahn Wasser derart aus, dass es die Küchenarbeitsplatte beschädigte. Der Versicherer berief sich bei der Ablehnung des Schadens auf folgende Klausel der Leitungswasserschaden-Bedingungen: „Artikel 6 (…) 2. Der Versicherungsnehmer übernimmt ferner die Verpflichtung, in nicht benutzten und nicht beaufsichtigten Baulichkeiten die Wasserleitungsanlagen und sonstige wasserführende Anlagen abzusperren.“ Nun war die Wohnung zum Schadenszeitpunkt nicht bewohnt, doch wurde sie nach Angaben der Vermieterin regelmäßig (mindestens alle 3 Tage) begangen, und zwar durch Arbeiter, Reinigungspersonal bzw. einen Immobilienmakler. Es kam zum Streit, ob die Obliegenheit bereits dann greife, wenn eine Wohnung nicht benutzt oder nicht beaufsichtigt wird, zumal die Wasseranlage entgegen der Obliegenheit nicht abgesperrt gewesen war. Die Antragsgegnerin beteiligte sich leider nicht am Verfahren und verabsäumte es dadurch, auch weitere Argumente dafür vorzubringen, dass die Obliegenheit auch in einer leerstehenden, somit nicht benützten, aber doch beaufsichtigten Wohnung zur Anwendung komme. Die Schlichtungskommission führte in rechtlicher Hinsicht aus: Nach ständiger Rechtsprechung sind allgemeine Vertragsbedingungen so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen.
Ihre Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen. Zu berücksichtigen ist in allen Fällen der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wendet man diese Kriterien auf den der Empfehlung zugrunde zu legenden Sachverhalt an, dann muss der vereinbarten Sicherheitsvorschrift der Sinn zugrunde gelegt werden, dass die Versicherungsnehmerin das Risiko von Leitungswasserschäden zu reduzieren hat, wenn die Leitungen mangels Kontakt zur RechtsserviceBenützung der und Schlichtungsstelle (RSS) Wohnung nicht verwendet werStubenring 16/7 | 1010 Wien den und keine +43 5 90 900 5085 Beaufsichtigung schlichtungsstelle@ivo.or.at der Wohnung sichergestellt ist. Aufgrund der Formulierung der Klausel ist jedoch unklar, ob für die Anwendbarkeit der Klausel beide Voraussetzungen („nicht benutzt“ bzw. „nicht beaufsichtigt“) kumulativ („und“) oder alternativ im Sinne von („oder“) vorliegen müssen. Diese Unklarheit ist der Antragsgegnerin im Sinne des § 915 ABGB anzulasten. Die Schlichtungskommission empfahl daher der Versicherung die Deckung des Schadenfalles.
FACHVERBAND & REGIONALES I 51