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Bauhärepräis

Eine Frage des Zusammenlebens

Zum sechsten Mal wurde der „Bauhärepräis“ vom „Ordre des Architectes et des Ingénieurs-Conseils“ verliehen. Im Interview erklärt Pierre Hurt, Direktor des OAI, die Wichtigkeit dieses Preises und wie er die Rolle der Architekten und Inginieure in der Gesellschaft sieht.

Welches Hauptziel verfolgt das OAI mit dem „Bauhärepräis“?

Ich sage oft: „Wer baut, baut für uns alle“. Ein kurzer Satz, der, wenn man darüber nachdenkt, aber eigentlich sehr weit führt. Man baut nicht nur für sich und seine Familie, sondern eigentlich für die ganze Gesellschaft. Ein Haus zu bauen ist der Schritt im Leben mit dem größten ökonomischen und kulturellen Einschlag, auch auf die eigene Lebensqualität. Auf diesen Schritt sind aber nur die wenigsten – im Gegenteil zum Autofahren zum Beispiel – richtig vorbereitet.

Wie würde in Ihren Augen denn eine solche Vorbereitung aussehen?

Als Erstes müsste man den Leuten einmal bewusst machen, was Bauen alles beinhaltet. Von der ökonomischen über die ökologische Dimension bis hin zur Wahl der Materialien. Anders gesagt, es geht nicht nur um das eigene Wohlbefinden, sondern auch um das Wohlbefinden des Nachbarn und der Umwelt. Bauen sollte man deswegen nicht nur rein kommerziellen und industriellen Gedanken überlassen. Diese Logik führt im Extremfall zu großen Wohnungsblocks, wie man sie aus großen Städten kennt. Bauen

Einer der Gewinner in der Kategorie: „Bâtiment à vocation éducative, culturelle, sportive“ Die Sporthalle in Kopstal Bauherr: Gemeinde Kopstal, Architektenbüro: Achritecture + Aménagement

muss als gesamtgesellschaftlicher Prozess angesehen werden, auch mit all den Problemen, die es hierzulande zu lösen gilt. Leider steht heutzutage vor allem der ökonomische Gedanke allzu oft im Vordergrund.

Wie können die OAI-Mitglieder entgegenwirken?

Wenn man zum Beispiel eine Residenz baut, sind die Interessen zwischen dem, der investiert und dem, der nachher darin wohnt, nicht unbedingt gleich. Dann kommen noch Faktoren wie die Umwelt oder die angrenzenden Grundstücke und Häuser hinzu. Die Kunst des Architekten besteht eigentlich darin, alle diese Faktoren unter einen Hut zu bringen. Zugegeben, dass ist manchmal fast eine „mission impossible“. Unsere Mitglieder haben durch ihre Ausbildung, ihre Kompetenz, ihre Unabhängigkeit und ihre Berufsethik alle Trümpfe in der Hand diese Aufgabe zu meistern.

Welche Ideen schweben dem OAI vor, um den Druck vom Wohnungsmarkt zu nehmen?

Wenn wir hierzulande als Gesellschaft die Entscheidung treffen, weiter wachsen zu wollen, dann muss man zuerst landesplanerische Akzente setzen. Um nicht das ganze Land zu zersiedeln, braucht man deshalb, wie etwa im Saarland, größere Ballungsgebiete, die allerdings intelligent geplant sein müssen. Im Süden ist das Ballungsgebiet ja schon eigentlich Realität, vielleicht brauchen wir noch eine richtige „Nordstad“ und ein Ballungsgebiet im Zentrum. In diesen Gebieten muss man dann intelligent und dichter bauen. Wobei dichter bauen keineswegs mit einem Verlust an Lebensqualität gleich zusetzen ist.

Welche Hebel können in Sachen Bauland angesetzt werden?

Kurz: Die verschiedenen Ursachen gleichzeitig angehen von den zu komplizierten Prozeduren bis zur Baulandspekulation. Ich bin persönlich der Auffassung, dass man Bauland erschließen kann, indem man die Bauperimeter leicht öffnet und zudem den Grundstückeigentümern die Garantie gibt, dass dieses neu erschlossene Bauland nicht zu Spekulationszwecken gebraucht wird, vor allem, weil es von der öffentlichen Hand gekauft wird. Primär sollte dann dieses neue Bauland für erschwinglichen Wohnungsbau genutzt werden. Denn eines der Probleme in Luxemburg ist auch das vom „Zugang zu der ersten eigenen Wohnung“, hier hinken wir hinterher, genau wie bei Mietwohnungen und dem sozialen Wohnungsbau. In Sachen Bauland glaube ich auch, dass die Mitglieder des OAI die Grundstücksbesitzer positiv einbinden müssen. Zum Beispiel, indem man gute Projekt des Zusammenlebens ausarbeitet und diese dann den politischen Entscheidungsträgern unterbreitet im gesellschaftlichen Konsenz.

Gibt es noch andere Lösungsansätze für die Wohnproblematik?

Ich glaube die privaten Bauträger müssen verstärkt eingebunden werden, um in diese Richtung mitzuarbeiten - ein weiterer PActe Logement promoteurs privés - und dann gibt es natürlich noch eine weitere Achse mit anderen Wohnformen – von intergenerationellem Wohnen bis Bau-Kooperativen. Das Ganze muss irgendwie parallel aufgebaut werden.

Das OAI ist nicht nur für Architekten, sondern für alle Berufsgruppen der freischaffenden Planer zuständig...

In der Tat sind es eigentlich fünf Berufe: Der Architekt, dann alle beratenden Ingenieure (Statiker, Haustechniker, Umweltingenieure) rund um den Bau, die Urbanisten, dann die Innenarchitekten und schlussendlich die Landschaftsplaner. Es ist eine Chance, dass diese fünf Berufssparten, welche alle eigentlich unser Zusammenleben stark beeinflussen, in einem „Ordre“ zusammengeschlossen und zudem reglementiert sind.

Welche Wichtigkeit ordnet der OAI dem „Bauhärepräis“ zu?

Gewinner in der Kategorie „Bâtiment à voaction administrative, lieu de travail, santé“: Hôtel Saint Maxime, Staatsministerium Bauherr: Administration des bâtiments publics Architekt: Kaell Architecte

Einer der Gewinner in der Kategorie „Maison unifamiliale, jumelée ou en bande“: Ein Passivhaus in Kopstal Bauherr: Lynette und Johan Dackner, Architekten: Arttek, Architecturallighning Maria, Luisa Guerrieri Gonzaga

Gewinner in der Kategorie „Ouvrage d'art/ Infrastructures“: Ein Pelletsilo in der Hauptstadt Bauherr: Luxenergie S.A. Architekt: Paul Bretz Architectes

was ganz oft unterschätzt wird. In der Realität ist es so, dass der Bauherr zusammen mit dem Architekten/Ingenieur fast eine symbiotische Vertrauensgemeinschaft bildet. Der „Bauhärepräis“ ist kein Architekturpreis, sondern ein Preis, der zeigen soll, dass man als Bauherr die beste Lösung Anbetracht der Begebenheiten sucht, für sich seine Familie und unser Zusammenleben. Zudem zeigt der „Bauhärepräis“ im Idealfall, dass die Beziehung zwischen Kunden und Architekt geklappt hat. Der „Bauhärepräis“ bietet eigentlich alle vier Jahre eine Art Momentaufnahme mit sehr vielen Informationen rund um die einzelnen Projekte. Außerdem kann der „Bauhärepräis“ andere Bauherren motivieren. Die diesjährige Auflage hat gezeigt, dass Luxemburg in Sachen nachhaltiges und energieeffizientes Bauen zu den progressivsten Ländern gehört. Die Jury des diesjährigen „Bauhärepräis“ mit international anerkannten Spezialisten hat auf jeden Fall bescheinigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Die Politik hat die Weichen in Richtung Passiv- und Niedrigenergiehäuser vorgeben. Inwiefern ist Weiterbildung in diesen Bereichen wichtig?

Enorm wichtig! Die Weiterbildungen, welche wir in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern anbieten, gehen sehr weit. Wenn man sich vor Augen führt, dass man im Bereich des Baus eigentlich mit einem Vorlauf von quasi zwei Jahren rechnen muss, dann ist es natürlich wichtig, dass frühzeitig die entsprechenden Weiterbildungen angeboten werden.

Wie sieht es eigentlich mit dem Nachwuchs inden OAI-Berufen aus?

Wenn wir gut zusammen bauen, leben wir gut zusammen.

Pierre Hurt

Wie in jedem Bereich ist die Konkurrenz um die besten Köpfe groß, besonders in den technischen Berufen. Dazu ist das Einzugsgebiet für Pendler ausgereizt und erschwinglicher Wohnraum für neue Mitarbeiter schwer zu finden. Auch die Tatsache, dass unsere Mitglieder die jungen Leute gut ausbilden, dann aber die Konkurrenz von unter anderem Staat und Gemeinden oft dazu führt, dass sie wechseln. Umso wichtiger ist es, die positiven Seiten des Berufs anzuführen.

Umso wichtiger ist also die Nachwuchsförderung…

Klar und mit Projekte, wie etwa dem „Festival des cabanes“ versuchen wir genau diese Wege zu beschreiten und Jugendliche für den Beruf zu begeistern. Im Allgemeinen versuchen wir in allen Schulen aktiv zu sein. Bei solchen Aktionen geht es nicht ausschließlich darum die jungen Leute für unseren Beruf zu begeistern, sondern wir können auch aus ihnen kompetente Bauherren machen. Es geht also nicht nur darum für die Berufe zu sensibilisieren, sondern auch für die allgemeine Baukultur.

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Weitere Infos

Die Ausstellung zum diesjährigen „Bauhärepräis“ macht auf der „Home Expo 2020“ (vom 10. und 18. Oktober) in der Luxexpo THE BOX halt. Bevor die bedruckten Stoffe der Expo von Kreativköpfen zu anderen Objekten verarbeitet werden.

Alle Infos zum „Bauhärepräis“ sind unter bhp.lu und oai.lu zu finden.

Zum einen natürlich die Tatsache, dass wir gezeigt haben, dass unsere Mitglieder nicht nur ein „poseur de pierres“ ist, sondern ein „poseur de vie“. Das Ganze resümiert sich in etwa folgendermaßen: Wenn wir gut zusammen bauen, leben wir gut zusammen.

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