The Red Bulletin AT 07/19

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E-Sport-Weltstar Ninja verrät sein Erfolgsrezept – fürs Zocken und fürs Leben


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Ford Ranger (Prüfverfahren: WLTP **): Kraftstoffverbrauch innerorts 7,5 – 10,6 l /außerorts 6,3 – 8,0 l / kombiniert 6,9 – 8,9 l / CO2 - Emission kombiniert 178 – 233 g / km Symbolfoto. 1) Unverbindlich empfohlener nicht kartellierter Aktionspreis (beinhaltet Importeurs- und Händlerbeteiligung sowie Ford Bank Bonus) inkl. USt., inkl. 2 Jahre FordNeuwagengarantie (ohne Kilometerbegrenzung) und zusätzlich 1 Jahr Ford Extra Garantie für das 3. Jahr (begrenzt bis 100.000 km), gültig bei Ford Bank Leasing. Leasingrate € 129 zzgl. € 200 Bearbeitungsgebühr und 1,17 % gesetzlicher Vertragsgebühr, Laufzeit 36 Monate, 30 % Anzahlung, 30.000 km Gesamtfahrleistung, Fixzinssatz 5,4 %. Gesamtbelastung € 29.954,47, gültig bis auf Widerruf, vorbehaltlich Bonitätsprüfung der Ford Bank Austria. Aktion gültig bei Ihrem teilnehmenden Ford-Händler, so lange der Vorrat reicht. Nähere Informationen auf www.ford.at. Freibleibendes Angebot. * Ford Ranger, meistverkaufter Pick-up in Österreich in den Jahren 2017 und 2018 (Quelle: Statistik Austria) ** Werte nach dem Prüfverfahren WLTP ermittelt und zurückgerechnet auf NEFZ. Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und den offiziellen spezifischen CO2 - Emissionen neuer Fahrzeuge können dem Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2 - Emissionen und den Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen entnommen werden, der bei allen Ford Vertragspartnern unentgeltlich erhältlich ist und unter http://www.autoverbrauch.at/ heruntergeladen werden kann.


E D I TO R I A L

WILLKOMMEN

IN SZENE GESETZT PATRICIA WEISSKIRCHNER

Die Wiener Fotografin hat viel Erfahrung in der Modewelt. Was sie für uns ablichtete, war aber auch für sie ungewohnt: die vollständige Aus­ rüstung des fliegenden ­Alpen-Überquerers Paul Guschlbauer. Seite 84

MICHAEL MULLER (COVER), KLAUS ANDORFER, PHILIPP HORAK

DURCHGESETZT WALTRAUD HABLE

Wie überlebt man auf einer einsamen Insel? Dieser Frage ist unsere Autorin in Indonesien sechs Tage und fünf Nächte nachgegangen. Der Red Bulletin-Selbstversuch ab Seite 54.

GLOBAL PLAYER

Wäre die weltweite Gaming-Community ein eigenes Volk, sein König hieße Richard Tyler Blevins. Besser bekannt unter dem Namen Ninja, zockt der 28-jährige US-Amerikaner Tag für Tag für seine 13 Millionen Follower auf Twitch und über 20 Millionen auf YouTube. Welches Geheimnis steckt hinter seiner Popularität? Und wie bleibt er auch unter dem Druck seitens sogenannter Trolle stets ruhig? Ab Seite 40 gibt der Superstar des Gaming Antworten. Ruhe und Gelassenheit in hektischen Zeiten zu finden ist auch eine der Stärken von ­Hol­ly­­woodstar Keanu ­Reeves. Sein zwischen asiatischer Philosophie und amerikanischen Pferdestärken angesiedeltes Erfolgsrezept findest du auf Seite 36. Viel Spaß mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

ABGESETZT NINJA

Hände auf, jetzt gibt es was: Mitten im Covershooting wurde Ninja mit seiner eigenen „special edition“-Red Bull-­ Dose über­rascht. Stilecht überbracht von einer Drohne. Das Porträt des Gamers ab Seite 40.

SATZ DES MONATS

„ Für irgendjemanden auf der Welt sind wir alle Aliens.“ Wie wir dennoch verstanden werden, verrät Toro Rosso-Teamchef Franz Tost ab Seite 70.

THE RED BULLETIN

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I N H A LT The Red Bulletin Juli 2019

COVERSTORY

40 KÖNIG DER GAMER

Wenn Ninja zockt, schauen zig Millionen Fans auf Twitch und YouTube zu. Wir haben den ­Gaming-Weltstar besucht und ihm sein Erfolgsrezept entlockt.

PROFITIPPS

48 LACH DEINE ANGST WEG 20 IN DER STADT AUS STEIN Wie man Träume verwirklicht: Kilian Fischhuber uns seine ­Expedition nach Sibirien.

HOCHKULTUR

32 D IE RASENDE DIRIGENTIN

Audrey Saint-Gil steht auf klas­ sische Musik und Motorräder. Weil beides die Instinkte schärft.

HOLLYWOOD

36 D ER ACTIONSTAR ALS ERHOLUNGSKÜNSTLER

Wie Schauspieler Keanu Reeves die Balance zwischen Kugelhagel und ruhiger Kugel meistert.

MUSIK

38 HIT-LIEFERANTIN

Tayla Parx schreibt 200 Songs im Jahr. Ihr Geheimnis: Einzigartiges entsteht im Einfachen. 6 GALLERY 12 ZAHLEN, BITTE! 14 KOLUMNE

4

16 FUNDSTÜCK 18 LIFE HACKS 46 I NNOVATOR

Greg Louganis, Olympiasieger und Sportdirektor der Red Bull Cliff Diving World Series, weiß, wie du gelassen bleibst.

SURVIVALTRAINING

54 MEIN DATE MIT EINEM TAIFUN

Der Red Bulletin-Selbstversuch: So überlebst du auf einer ein­ samen Insel im Indischen Ozean.

COREY RICH/RED BULL CONTENT POOL, MAARTEN DE BOER/GETTY IMAGES, PHILIPP HORAK, KONSTANTIN REYER

KLETTERN

5-MINUTEN-COACH

70 SO VERSTEHT MAN DICH ÜBERALL

Franz Tost, Chef des Formel-1-­ Rennstalls Toro Rosso, über den Umgang mit anderen Kulturen.

UHRENTEST

72 WIR SCHALTEN EINEN GANG HÖHER

Outdoor-Spezialist Benny Karl prüft sieben Luxus-Uhren unter Extrembedingungen am Bike. 98 READ BULL 108 IMPRESSUM 110 LIFESTYLE, EXTRAORDINÄR

54 AM LEBEN BLEIBEN Eine einsame Insel, ein Taifun und unser Urinstinkt: der Survival-Selbsttest

THE RED BULLETIN


„ Wer nichts ver­lieren kann, hat keine Angst mehr.“ Kolumnist THILO MISCHKE hörte diesen Satz bei seiner jüngsten Begegnung in L. A. Die Story dahinter: Seite 14

20 OBEN BLEIBEN Wie Kilian Fischhuber in Sibirien eine Stadt aus Stein fand und sie als Erster erkletterte

guide

DEIN PROGRAMM

80 REISEN Zum ersten Ultramarathon im Sultanat Oman

48

84 AUSRÜSTUNG Was Paul Guschlbauer für das Flug-Abenteuer Red Bull X-Alps braucht 86 FOOD Ein geniales Taco-Rezept für alle ohne Kochtalent 88 FITNESS Enduro-Ass Wade Young bringt dich für deinen O≠road-Trip in Form.

72 LOCKER BLEIBEN Wasserspringer-Ikone Greg Louganis kennt Tricks gegen Angst, die auch dir weiterhelfen. THE RED BULLETIN

90 EVENTS Von Beachvolleyball bis Formel 1: Top-Termine der nächsten Wochen 94 ENTERTAINMENT Red Bull TV-Highlights, live und on demand

IN FORM BLEIBEN Mit Benny Karl am Downhill-Trail. Das Ziel: Uhren an ihr Limit bringen  5


GA L L E RY

Tokio, Japan

DISCO FEVER

Der Herr an den Turntables ist Soul-Bruder Dâm-Funk – Sänger, Produzent und DJ. Eine Groove-Maschine. Hier lehrt er die Kids beim Red Bull Music Festival in Tokio, was Disco Fever in den späten Seventies (auch) bedeutete: nämlich Rollschuhfahren bis zum Gehtnichtmehr, befeuert von superben Beats – ah, ha, ha, ha, stayin’ alive! @damfunk

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THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN

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YUSUKE KASHIWAZAKI/RED BULL CONTENT POOL


GA L L E RY

JONATHAN MEHRING/RED BULL CONTENT POOL

Moab, Utah, USA

ZEITENSPRUNG

Ein Ollie kurz vor Sonnenuntergang – der Kana­dier Ryan Decenzo zieht seine Bahnen nahe der US-Kleinstadt Moab in Utah. Wer sich erst an das raue Terrain aus dem Jura ­gewöhnt hat, genießt jeden Augenblick. ­Launiger Kommentar: „Es hat bloß 50 Millionen Jahre gedauert, bis die Wüste für uns Skateboarder bereit war.“  @redbullskate

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THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN

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AKASHA RABUT

GA L L E RY

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THE RED BULLETIN


New Orleans, Louisiana, USA

RAUCHZEICHEN

Wenn bei einem gepflegten Burnout rosa Rauch aufsteigt, weißt du: Hier geben die Caramel Curves Gas. Was die 13 erfolg­ reichen Businessfrauen vereint, sind ihre Liebe zum B ­ iken sowie ihr Sendungs- und Selbstbewusstsein: „Wir h ­ eißen Caramel, weil wir so smooth wie ­Karamell sind, und Curves, weil wir die K ­ urven besser als die Burschen nehmen.“ Das Ziel: eine Welt mit mehr Farbe – ermöglicht durch die s­ pezielle Gummimischung der Reifen. @caramelcurvesmc

THE RED BULLETIN

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ZAHL E N, B I TT E !

Sprachen

CIAO AMI! ¿CÓMO ESTÁS? Urlaub schon gebucht? Zur Einstimmung auf die nächste Reise hier zwölf Zahlen aus der Welt der Sprachen: Wie viele gibt es? Und warum verdanken wir sie Gottes Zorn? Und wer hat nun wirklich die meisten Wörter für Schnee?

4.500.000 Menschen arbeiteten am Turmbau zu Babel. Gott sah das himmelhohe ­Gebäude als Affront, weswegen Er die „Ursprache verwirrte“, sodass „keiner des anderen Sprache verstehe“.

515

verschiedene einheimische Sprachen werden in Nigeria ge­ sprochen, nirgendwo gibt es mehr.

421

Wörter gibt es im schottischen ­Gälisch für Schnee.

50

Wörter kennen die Berliner ­Hip-Hopper K.I.Z laut Eigenangabe für Kokain: „Ich habe 50 Wörter für Schnee, wie Eskimos.“

1

Sprache beherrscht der derzeitige Präsident der USA – seine Frau hingegen fünf.

125

Mal hat der indische Sänger Ghazal Srinivas das Lied „Golden Dreams of Gandhiji“ aufgenommen: in 125 verschiedenen Sprachen. Weltrekord!

895

Sprachen sind bereits ausgestorben, 3200 vom Aussterben bedroht.

918.000.000

Menschen (11,9 Prozent der Welt­ bevölkerung) haben Mandarin als Muttersprache, gefolgt von Spanisch (5,9 %), Englisch (4,9 %) und Hindi (4,4 %).

33 1.750.000.000

Buchstaben zählen die längsten im Duden angeführten Wörter: „Arbeiterunfallversicherungsgesetz“ und „Bundesausbildungsförderungsgesetz“. 12

Menschen sprechen Englisch – zumindest rudimentär.

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CLAUDIA MEITERT

Sprachen gibt es heute weltweit.

Sprachen spricht der griechische Übersetzer Ioannis Ikonomou nahezu perfekt.

GETTY IMAGES

6500

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KO LUM NE

Thilo Mischke

BEGEGNUNGEN

Ein Mann im Stuhl passt auf, ich frage Cricket, wie ich seinen Nach­ mittag schön machen kann. „Mit ­einem Keks-Milchshake“, sagt er. Ich be­sorge ihm sein Getränk, und er lädt mich in sein Zelt ein. Es ist dunkel, eine junge Mexika­ nerin. „Nicht, was du denkst!“, sagt er wie ertappt, und dann erzählt er, dass er hilft, dass sie Hilfe braucht. Sie redet wirr, sie hat Angst vor Männern, ihr ist wohl Schlimmes widerfahren. „So funktioniert die Welt, die monatliche Einkommen kennt, nicht“, sage ich. Und er nickt, er weiß das. Hier, in der Skid Row, passt man aufeinander auf. Hier beschützen die Schwachen die Schwächsten. „Brauchst du noch was?“, frage ich. „Vielleicht einen Milchshake für sie?“, er zeigt auf die junge Frau. „Damit auch ihr Nachmittag schön wird.“ Als ich mich ver­ abschiede, in den riesenhaften Wagen steige, denke ich darüber nach. Darüber, dass ein Milchshake den Tag rettet, und darüber, wie vielschichtig die Bedingungen sind, damit ich glücklich sein kann. Ich beginne, mich nicht nur für das Auto zu schämen, in dem ich sitze.

„Das Leben hier macht dich zuversichtlich“, sagt Cricket. Wenn du nichts hast, dann bleibst du bescheiden.

Ich parke den Wagen, der auch vom Präsidenten der USA auf Dienst­ reisen genutzt werden könnte, auf einem kleinen Park­ platz außerhalb der Skid Row. Zwischen der Fünften Straße und der Gladys Avenue steht Cricket und spült den Asphalt ab. „Hier ist mein Laden“, sagt er. Dreht sich um, zeigt auf alte Pullover, die mit Bügeln an den Zaun geheftet sind, auf einer Decke davor vergilbte „National Geographic“Ausgaben und Filzstifte. Crickets Laden, Frauen kommen vorbei, andere Männer, deren Bärte zeigen, dass sie schon lange auf der Straße leben. Sie kaufen Stifte, alte „National Geographics“ und schmutzige Pullover. „Aber wofür?“, will ich wissen. „Für ein bisschen Normalität“, 14

THE RED BULLETIN

THILO MISCHKE

Er spricht mit mir, als würden wir uns kennen, erst jetzt stellen wir uns vor. Cricket trägt kein T-Shirt, seine Haut ist vernarbt, ein Muster, das sich über seinen Oberkörper zieht. Seine Brustwarzen sind verschwunden. Ich will wissen, wo sie hin sind. Und da erzählt er mir vom Dieb­ stahl alter Kupferleitungen in Abrisshäusern. „Aber da war noch Strom drauf“, sagt er. Und erzählt, wie er fast verbrannt wäre, wie er gerettet wurde und er danach ein anderer Mensch wurde. „Kein Crack mehr, keine Drogen, keinen Alkohol, sondern einen Plan haben“, sagt er mir. Und beeindruckt mich damit. Cricket lebt seit über 25 Jahren in der Skid Row, das Leben, es gibt hier keine Visionen von einem besseren Leben. Nur von einem besseren Nachmittag. Die Ziele hier sind nicht abgezahlte Eigenheime und Fernreisen, son­ dern ein Paar Socken und etwas zu essen. „Das Leben hier macht dich ­zuversichtlich“, sagt er. Wenn du nichts hast, dann bleibst du be­ scheiden. „Ich will es nicht ver­ klären“, sagt er. „Das Leben hier ist beschissen, es ist gefährlich, und du stirbst früher.“

BLAGOVESTA BAKARDJIEVA

I

ch habe ein schlechtes Gewissen, als ich mit einem unverhältnismäßig großen Wagen durch den Stadt­ teil Skid Row in Los Angeles fahre. Ein Viertel nahe Downtown, über mehrere Straßenblöcke hin geballte ­Armut. Zwei Minuten entfernt von ökologisch korrektem Cappuccino für sechs Dollar. Von Dachterrassen, die nachts im blauen Licht der Pools leuchten, sieht man das Schachbrett der Armut. Straßen, die einem Ghetto gleichen, Zelte reihen sich aneinander. Keine Kanalisation, keine Duschen, dafür viele kranke Menschen. Kranke Seelen, die Heroin spritzen, bis ihre Körper zerstört sind. Hier lebt Cricket. Ich fahre mit dem Auto durch die Straßen, weil ich nach Menschen suche, die mir erzählen, wie sie arm wurden und arm blieben in einer Stadt, in der ­alles möglich ist außer versagen. Cricket wird mir davon erzählen, wird mir erzählen, dass er hier ge­ lernt hat, worum es im Leben geht. Dass es nicht darum geht, in feinen Häusern zu leben und einen Zweit­ wagen zu haben. „Wer nichts ver­ lieren kann, der hat keine Angst mehr“, wird er sagen, und es wird ein Satz sein, über den ich noch ­lange nachdenken werde.

sagt Cricket. „Wir leben in den USA, hier geht es ums Kaufen und Besitzen. Für die meisten auch nur um das Gefühl, genau das tun zu können.“

MICHEL TERHORST

Er ist 200 Tage im Jahr unterwegs, Jetlag ist bei Korrespondent und Reisereporter Thilo Mischke (TVDokureihe „Uncovered“) ein Dauerzustand. Auf seinen Expedi­tionen trifft der 38-jährige Berliner immer wieder Menschen, die ihn faszi­ nieren. Dieses Mal: Cricket, ein Obdachloser in L.  A ., der ihn das Glück mit neuen Augen sehen lässt.


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F U ND ST Ü CK

Frank Sinatras Adressbuch

Frank Sinatra (1915  – 1998) war Sänger, Schauspieler und Entertainer mit besten Verbindungen.

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HENRY LEUTWYLER, SHARLAND/THE LIFE IMAGES COLLECTION/GETTY IMAGES

KONTAKTMÄNNER

Ein kleines Buch, das eine Ahnung von der großen Welt birgt. Frank Sinatra hat hier die Telefonnummern von Musikern, Entertainern, Schauspielern und Politikern notiert, Frauen finden sich darin kaum. Die Handschrift scheint nachdrücklich, jeder Name ist rot unterstrichen. Unter dem Buchstaben „K“ entdecken wir Tänzer Gene Kelly und den legendären USAußenminister Henry Kissinger, unter „M“ den Gitarristen Tony Mottola, und unter „N“ steht Nixon, Zusatz: Pres. – natürlich ist der damalige US-Präsident gemeint.

THE RED BULLETIN


QUELLFRISCHE MILCH WISSENIR WAS WN HABE w w w.am

Stefan Lindner Obmann der TirolMilch, Obmann der Zentralen Arbeitsgemeinschaft österreichischer Rinderzüchter (ZAR) und Landwirt.

Warum ist Milch in Österreich ein einzigartiges Kulturgut?

ainfo.at

Bestes Quellwasser ist die „geheime“ Zutat für viele erstklassige Lebensmittel. So wie bei unserer Milch. FOTOS: AMA, ZAR

So ein lauschiger Abend. Ich sitz auf der Bank am Hof von der Moni, meiner Cousine, einer Milchbäuerin. Heute trinke ich zur Abwechslung ein kühles Bier.

Wir sind da sehr privilegiert, haben fast immer genug davon, und es ist von hoher Qualität.“ An heißen Tagen trinken Kühe bis zu 150 Liter Wasser. Ein entscheidender Faktor.

„Nach dem Reinheitsgebot hergestellt, gell?“, sagt die Moni und lächelt. „Wie meine Milch!“ Recht hat sie: Neben viel Liebe und Arbeit steckt in unserer Milch eine wesentliche Zutat. „Du weißt eh“, meint die Moni, „dass die Kühe bei uns meistens bestes Quellwasser trinken.

Und die Qualität von Wasser, das wissen internationale Ernährungsexperten schon lang, wirkt sich auf die Produkte aus. Egal ob Bier, Whisky, Kaffee oder Milch: Bestes Wasser macht beste Lebensmittel.

#amainfo

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Unsere Milchkühe sind echte Feinschmecker: Sie bekommen ausschließlich gentechnikfreies Futter, großteils Gras und Heu direkt ab Hof und dazu viel frisches Wasser. Wo sonst gibt es das? „Magst leicht noch ein Glas?“ fragt die Moni. „Ma, das wär lieb von dir“, sag ich, „aber diesmal bitte Wasser!“

Die österreichische Landwirtschaft ist stark von bergiger Grünlandschaft geprägt – um die zu erhalten, braucht man Wiederkäuer. Und so ist in unserem Kulturraum, seit die Menschen sesshaft geworden sind, die Milch eines der wenigen täglich frisch verfügbaren Lebensmittel geworden.

Welcher Faktor ist die Milchwirtschaft für die Landschaft? Der Einfluss der Rinder auf die Kulturlandschaften ist extrem groß. Im ländlichen Gebiet herrscht eine enge Symbiose von Tourismus und Landwirtschaft. Wenn wir da nicht ein gutes Miteinander erreichen, dann haben wir ein Problem. Wenn z. B. die Tiere nicht mehr auf der Alm sind, gibt es keine Alm mehr.

Haben die Bauern hierzulande denn Einfluss darauf, was mit ihrer Milch passiert? Was mir in Österreich so gut gefällt, ist, dass ein Großteil der Veredelung immer noch in Bauernhand ist. Die meisten Molkereien sind Genossenschaften. Und für mich als Bauer ist es wichtig zu wissen, dass mir ein Teil der Molkerei gehört. Nicht einer Bank, nicht einem Großkonzern.

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* Quelle: Analyse der landwirtschaftlichen Tierhaltung / BOKU-Wien 2018

VEREDELUNG IN BAUERNHAND


L IF E HACKS

Science-Bastler

SO WIRD JEDES FRÜHSTÜCK ZUM GENUSS Pfiffige Lösungen für konkrete Probleme. Volume 10: keinen Bock auf Küchenchaos, braunes Obst und harte Avocados? Hier vier Tricks für einen noch besseren Start in den Tag.

POCHIERTES EI

AVOCADO-TOAST

Aus dem Beutel gepellt

Guter Griff

Ein Ei ohne Schale zu kochen, kurz: es zu pochieren, gilt als hohe Frühstückskunst. Hier der ultimative Tipp für Hobbyköche: Mit einer Tasse und Frischhaltefolie geht’s ganz leicht.

Weich und doch nicht matschig: Greif im Supermarkt zur richtigen Avocado. Zieh den Stielansatz her­ aus: Ist das Fruchtfleisch darunter gelbbraun, ist die Avocado reif.

Butter

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FRUCHTSALAT

Eine kleine Tasse mit Frischhalte­ folie auskleiden, sodass die Folie etwa fünf Zentimeter übersteht. Die Folie mit Butter oder Öl bepinseln und das Ei in die Tasse geben.

Kraft durch Saft Obst mit Zitronensaft beträufeln, um die Braunfärbung zu verhindern.

100 °C 4–6 Min.

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KNUSPRIGER SPECK

3 Beutel mit einem Löffel aus dem Wasser fischen, unter dem Knoten aufschneiden und das Ei auf dem Teller platzieren. Speck auf einen Teller mit Serviette geben. Für 2 Minuten in die Mikrowelle (900 Watt). Fertig!

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ANDREAS ROTTENSCHLAGER

Bacon, bitte!

So wird der Speck richtig kross – ganz ohne Bratpfanne!

SASCHA BIERL

Verschließe die Folie mit einem Knoten und lege den Plastikbeutel behutsam in einen Topf mit kochen­ dem Wasser. Lass ihn 4–6 Minuten garen, je nach Präferenz.


Foto: R. Schedl

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Gezeigte Fahrszenen bitte nicht nachahmen, Schutzkleidung tragen und die anwendbaren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung beachten! Die abgebildeten Fahrzeuge können in einzelnen Details vom Serienmodell abweichen und zeigen teilweise Sonderausstattung gegen Mehrpreis.


Die bizarren Granit­ säulen des UlachanSis-Kamms in Sibirien wurden erst vor weni­ gen Jahren entdeckt.

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COREY RICH/RED BULL CONTENT POOL

Der Klettergarten am Ende der Welt

Als erster Kletterer in Sibiriens „Stadt aus Stein“: Wie sich KILIAN FISCHHUBER seinen Lebenstraum erfüllte. Und wie wir seine Erfolgsformel aus Biss und Gelassenheit kopieren können. Text ALEX LISETZ


Nachdem ein Boot sie so nahe wie möglich an ihr Kletter-Zielgebiet gebracht hatte, schlugen sich Galina ­Terentewa, Kilian Fischhuber, Robert Leitner und Sergei Karpuchin (von links) zum Ulachan-Sis-Kamm durch. Drei Tage lang, zu Fuß. 22

ELIAS HOLZKNECHT/RED BULL CONTENT POOL

Am Indigirka-Ufer




Ulachan-Sis

Russland

Klettern in der Mitter­nachtssonne

COREY RICH/RED BULL CONTENT POOL

Kilian um drei Uhr morgens in einer Verschneidung des „Solstice“ (der „Sonnenwende“), eines der besonders gut kletterbaren Felsen der „Stadt aus Stein“: „Eine Supertour, selbst im Vergleich zu klassischen Klettergebieten.“

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„ Man darf nicht zu fixiert sein. Sonst schaut man nicht mehr rechts und links.“ Kilian Fischhuber (am Bild mit versteinertem Mammutkiefer) über den richtigen Mix aus ­Ehrgeiz und Spaßhaben


U

COREY RICH/RED BULL CONTENT POOL, ELIAS HOLZKNECHT/RED BULL CONTENT POOL

lachan-Sis, die „Stadt aus Stein“, ist kein Hit auf TripAdvisor. Die Infrastruktur ist ausbaufähig (Anreise von der nächsten Ansiedlung: ein Tag Bootsfahrt, drei Tagesmärsche zu Fuß). Das Klima ist gewöhnungsbedürftig (minus 60 Grad im Winter, Minusgrade in Sommernächten). Und die Gastgeber? Verschlagene Blutsauger. (Im Sommer brütet der leicht antauende Permafrostboden Millionen von Stechmücken aus.) Kein Wunder, dass es erst eine Handvoll Menschen hierher verschlagen hat, seit die Stadt vor ein paar Jahren von dem russischen Geologen Sergei Karpuchin entdeckt und getauft wurde. Dabei ist Ulachan-Sis eigentlich gar keine Stadt. Die bizarren, wie Wolkenkratzer aus der Landschaft emporragenden Granit­ formationen sind natürlichen Ursprungs. Ein Resultat der extremen Wetter­ bedingungen an diesem menschen­ leeren Fleck Nordostsibiriens. Hier kommt Kilian Fischhuber ins Spiel. 35 Jahre alt, in Waidhofen an der Ybbs geboren, wohnhaft in Innsbruck, fünffacher Boulder-Gesamtweltcupsieger. Weitere Kennzeichen: bergverrückt, fernwehkrank und mit kompletter Ignoranz gegenüber positiven TripAdvisor-Bewertungen ausgestattet. Als ihm ein Freund im Internet Fotos der Granitpfeiler von Ulachan-Sis zeigte, bekam er sie nicht mehr aus dem Kopf. „Hier“, dachte er, „müsste einer raufklettern.“ Und dann gleich der nächste Gedanke: „Warum ­eigentlich nicht ich?“ the red bulletin: Herr Fischhuber, wie verwirklicht man Träume? kilian fischhuber: Puh. Ich glaube, die meisten würden sagen, man braucht dafür Ehrgeiz, Zielstrebigkeit, Ausdauer. Und zu 90 Prozent stimmt das auch. Aber ich bin draufgekommen, dass die rest­ lichen 10 Prozent auch wichtig sind: Man darf nicht zu fixiert sein. Sonst schaut man nicht mehr rechts und links. Dann wird man engstirnig, und aus dem Traum wird ein innerer Zwang. Und so wird man fünffacher Gesamtweltcupsieger im Bouldern? Vielleicht hätte ich noch mehr erreichen können, wenn ich verbissener gewesen wäre. Aber ich habe nie von Titeln geträumt. Ich möchte ja keine Erfolge ab­ haken, sondern Erinnerungen sammeln. Darum bin ich an schönen Tagen lieber auf den Fels gegangen, als in der Halle für den nächsten Wettkampf zu trainieren. Und darum hat es mich jetzt nach Sibirien gezogen. Klar, in Südfrankreich könnte THE RED BULLETIN

Unberührte Landschaft: vom Indigirka-Fluss (ganz oben) über sibirischen Permafrost-Boden zur einzigartigen Felslandschaft Ulachan-Sis

„Klar, in Südfrankreich könnte man schwierigere Routen klettern. Aber die kennen wir halt alle schon.“ man schwierigere Routen klettern als dort. Aber die kennen wir halt alle schon. Wie entstand der Traum von der „Stadt aus Stein“? Aus Zufall. Ein Freund eines Freundes sah in der „Siberian Times“ einen Artikel über ihre Entdeckung. Daneben war ein Foto von diesen genialen Granitpfeilern mitten im Nirgendwo, von denen bis vor ein paar Jahren keiner wusste. Die Entdecker ­sahen darin ein bizarres Naturwunder. Ich ein unerschlossenes Kletterparadies. Der Kitzel, unentdecktes Land zu betreten … … fasziniert mich, klar. Ich habe meinen Stefan Zweig gelesen, die Geschichten von Amundsen, Jules Verne.

Aber es heißt doch, dass es auf der Erde keine weißen Flecken mehr gibt. Überall war schon irgendwer. Stimmt schon, aber man kann seine ­Träume ja anpassen. Ja, vielleicht war in den letzten 5000 Jahren schon einmal ein durchziehender Hirte in Ulachan-Sis. Aber vor mir ist bestimmt keiner auf diese Felsen geklettert. Wenn man den Blickwinkel ein bisschen verändert, wartet auf dieser Welt noch viel Neuland. Welche Hürden standen im Weg, bevor Sie zum Klettern kamen? Die Schwierigkeiten begannen schon zu Hause bei der Vorbereitung. Weil ich kein Russisch spreche, konnte ich mit Sergei Karpuchin, dem einzigen Menschen mit Ortskenntnis, nur von Google übersetzte   27


Lieferpizza? Fehlanzeige Weitab von der nächsten mensch­ lichen Siedlung ist Selbstversorgung angesagt. Dank Kletterkollegin ­Galina (der Zweiten von links) gibt’s trotzdem köstlichen Borschtsch. Ganz rechts: der einheimische Führer und Geologe Sergei Karpuchin 28


ELIAS HOLZKNECHT/RED BULL CONTENT POOL


„ Ich sah den Felsen im Internet. Und dachte, hier müsste einer raufklettern.“ Kilian Fischhuber über den Granitpfeiler „Gagarin“


Mails austauschen. Nach eineinhalb ­Jahren Planung mussten wir alle Flüge stornieren, weil der Fluss dort zugefroren war, man aber nur mit dem Boot hin­ kommt. Eine Woche vor dem Start sprang mein russischer Kletterpartner ab, der vor Ort übersetzen sollte. Doch Sie ließen nicht locker … Ja, die russische Kletterin Galina Teren­ tewa sprang ein und erwies sich als groß­ ar­tiger Ersatz. Also flogen wir im Juni 2018 mit einem Kamerateam nach Moskau. Von der nötigen Lässigkeit, die Sie vorher erwähnt haben, war jetzt wohl nicht mehr viel übrig? Zuerst habe ich ja versucht, alles gelassen zu sehen. Habe mir eingeredet: Wenn die

Expedition zustande kommt, ist’s gut, wenn nicht, hat’s halt nicht sein sollen. Aber dann habe ich den Tunnelblick be­ kommen. Vor allem, als die Schwierig­ keiten in Russland immer größer wurden. Welche Schwierigkeiten? Vom letzten Flugplatz mussten wir mit dem Boot stromabwärts über den Fluss ­Indigirka. Doch das Benzin war gepanscht, darum fielen auf den 200 Kilometern ­immer wieder die Motoren aus, und wir mussten uns stundenlang treiben lassen. Dann kam der Fußmarsch, drei Tage mit Gummistiefeln durch den Schlamm. Der war zehn Zentimeter dick, darunter Dauer­ frostboden. Und dann die große Ent­ täuschung, als wir den ersten Felsen in natura sahen: alles brüchig, unkletterbar.

„ So weit von der Zivilisation entfernt wäre schon ein verstauchter Knöchel ein Riesenproblem gewesen.“

Und dann? Totaler Frust bei mir, beim Führer, beim Kamerateam, bei allen. Der Traum war geplatzt? Nein, ich habe mich erinnert, worin mein Traum besteht: Ich bin hier, weil ich ein unvergessliches Erlebnis an einem einzig­ artigen Ort suche. Nicht, weil ich neue Kletterrekorde aufstellen will. Also sind wir weitergegangen, die Türme erstrecken sich ja über mehrere Tagesmärsche. Und von da an ging es aufwärts? Genau. Nach eineinhalb Tagen kamen wir zu einem Granitpfeiler mit einem genialen Kamin. Da konnte man gut klettern, und wir haben richtig lässige Aufnahmen ge­ macht. Was für eine Erleichterung! Auf einmal habe ich die Dinge wieder lockerer sehen können. Und prompt platzte der Knoten: Jetzt entdeckten wir immer mehr geeignete Felsen. Und ich bekam wieder diese Lust wie damals mit dreizehn, als man einen Felsen oder einen Baum sah und einfach nur Lust hatte, bis rauf an die Spitze zu klettern. Als man noch nicht über Schwierigkeitsgrade nachdachte.

COREY RICH/RED BULL CONTENT POOL, ELIAS HOLZKNECHT/RED BULL CONTENT POOL

Apropos Schwierigkeitsgrade …? Die waren nichts Besonderes. Aber ­Spaziergang war es keiner. Manchmal war das Gestein von den Temperatur­ schwankungen brüchig, und man konnte sich auf keinen einzigen Griff verlassen. Mal waren die Wände spiegelglatt, vom Wind abgeschliffen. Dazu kam die totale Entlegenheit: So weit von der Zivilisation entfernt wäre schon ein verstauchter ­Knöchel ein Riesenproblem gewesen. Das allerschönste Erlebnis? Der „Gagarin“, genau jener Felsen, den ich als allerersten auf dem Foto im Inter­ net gesehen hatte. Unten fast ohne Griffe, höher ganz bröslig, aber ein echtes Monu­ ment. Oben am höchsten Punkt habe ich Demut und Dankbarkeit gefühlt, dass ich das erleben darf. Klingt kitschig, ich weiß. Das Blöde an erfüllten Träumen: Man kann nicht mehr weiter von ihnen träumen. Was jetzt? Klar kann man das. Gerade dann, wenn es einem nicht ums Abhaken einer Leistung gegangen ist, sondern um das Gesamt­ erlebnis. Die Erinnerung an Sibirien kann mir keiner mehr wegnehmen, auch wenn ich wahrscheinlich nie wieder zurück an diesen Ort kommen werde. Unbezahlbar.

Sibirien-Lifestyle: Die Familie des Bootsmanns veranstaltete vor der Abfahrt eine glücksbringende Zeremonie (oben). Unten: Spaß im ewigen Schnee THE RED BULLETIN

Du sammelst selbst gerne Höhenmeter? Mach mit bei Red Bull Gipfel­stürmer, dem einzigartigen Community-Event! Mehr Infos auf redbull.com/gipfel

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HE RO ES

Audrey Saint-Gil

VOLLGAS, FORTISSIMO

„Ein gutes Orchester zu dirigieren ist wie Ferrari-Fahren.“

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Saint-Gil fühlte sich schon als Kind in beiden Welten zu Hause. In Toulouse auf­ gewachsen, begann sie im Alter von vier Jahren, an einem ­renommierten Musikkonservatorium Klavier zu lernen. Die Wochenenden verbrachte sie mit ihrer Mutter, einer ­Ex-Skirennläuferin, auf der Skipiste – und bald auch bei den ersten Skirennen. Als Teenager glich sie ihre täg­ lichen vier KlavierunterrichtStunden mit Martial-Arts-­ Training aus und erwarb den Schwarzen Gürtel im Taekwondo. Mit neunzehn machte sie den Privatpilotenschein für die Cessna. Und nebenbei fand sie auch noch Zeit für ­einen Doktortitel in griechischer Philosophie. Man ahnt: Saint-Gil ist nicht für halbe Sachen zu haben. Anfang zwanzig entdeckte sie das Motorradfahren für sich. „Bis dahin haben mich Motorräder überhaupt nicht interessiert“, sagt sie. Aber dann fiel ihr in einem Magazin das Bild einer Suzuki SV 650 S ins Auge. Volltreffer! „In diesem Moment beschloss ich, den Motorrad-Führerschein zu machen und mein Auto zu verkaufen.“ Mehrere Jahre lang verzichtete sie komplett

DARIO ACOSTA

E

s gibt zwei Momente, in denen sich Audrey Saint-Gil voll und ganz verliert, in denen sie zugleich hundert Prozent fokussiert und ganz Instinkt ist. In denen sie den Rest der Welt ausblendet. Wenn sie ein Orchester ­dirigiert. Und wenn sie mit Tempo 280 Superbike fährt. Passt nicht zusammen? ­Abwarten. Für Saint-Gil sind KlassikKarriere und Abenteuerlust zwei Seiten derselben Me­ daille. Mit einer großen Gemeinsamkeit: dem Adrenalinrausch. „Beim Extremsport gehe ich hart an meine Grenzen und lerne mich dabei selbst kennen, erkenne meine Ängste und meine Potenziale. Genau diese Erfahrungen kann ich mir auch in der ­Musik zunutze machen.“

RACHAEL SIGEE

Audrey Saint-Gil ist Dirigentin und MotorradRennfahrerin. Für die Französin kein Widerspruch. Denn sowohl im Konzertsaal als auch auf der Rennstrecke geht es vor allem um eines: die Intensität der Instinkte.


Audrey Saint-Gil arbeitet an der Los Angeles Opera an der Seite von Plรกcido Domingo. 2019 dirigiert sie die Tiroler Festspiele in Erl.


HE RO ES

„Wenn du dir im Rennen einen Moment des Selbstzweifels erlaubst, begehst du schon einen Fehler.“

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sem Potenzial absoluter Ex­ zellenz machst – aus der aus­ gereizten Spitzentechnologie des Autos oder aus dem ge­ ballten Talent ausgewählter Spitzenmusiker.“

D

iesen Sommer wird Saint-Gil bei den Tiroler Festspielen in Erl drei Aufführungen von Verdis Oper „Aida“ dirigieren. Beim Interview im März hat sie be­ reits eine Kopie der Partitur bei sich, übersät mit roten An­ merkungen. „Ein Konzert ist wie ein Rennen“, betont sie noch einmal. „Du bereitest dich mental auf den Kurs vor. Du machst dich mit den Kur­ ven vertraut, definierst deine Linie in den Schlüsselstellen. Dann kannst du im Rennen immer schon einen Schritt ­vorausdenken. Und im Kon­ zert auch.“ Trotz akribischer Vorberei­ tung, präzisen Trainings und eiserner Selbstdisziplin liegt der ultimative Reiz für SaintGil immer im Instinktiven – egal ob auf dem Motorrad, im Flugzeug oder im Konzertsaal. „Wirklich interessant finde ich nur etwas, was Emotionen in mir weckt, etwas, was eine ­unmittelbare Reaktion in mir auslöst.“ Ihr Publikum hat das Recht, das Gleiche zu fordern, findet sie. „Oft sind die Leute

bei klassischen Konzerten sehr gehemmt. Man sitzt da und ist nicht sicher, was man als ge­ bildeter Zuschauer gut finden darf oder wie man sich verhal­ ten soll. Dabei ist es ganz ein­ fach: Du musst gar nichts. Du gehst in die Oper so, wie du ins Kino gehst. Du willst etwas fühlen. Und wenn du nichts fühlst, dann ist es langweilig.“ Dass jemandem langweilig werden könnte, wenn SaintGil dirigiert, ist allerdings schwer vorstellbar, wenn man ihr einmal beim Schwärmen zugehört hat: „Stell dir die aufregendsten Momente dei­ nes Lebens vor und multipli­ ziere sie mal hundert“, be­ schreibt sie die Erfahrung am Dirigentenpult. „Du stehst ­inmitten eines Orkans von Musik, du fühlst dich wie ein Surfer auf einer gigantischen Welle. Und nichts ist statisch, alles bewegt sich: Du weißt, wie es weitergehen muss, aber trotzdem ist da dieser Moment der Unsicherheit, ob es in die richtige Richtung gehen wird. Das sind Momente absoluter Intensität.“ Wie am Motorrad mit 280.

Audrey Saint-Gil mit ihrer BMW S 1000 RR auf der Rennstrecke: „Du musst dich auf ein Konzert wie auf ein Rennen vorbereiten.“

Audrey Saint-Gil dirigiert am 6., 12. und 19. Juli die Oper „Aida“ in Erl. Infos: tiroler-festspiele.at

ETECH PHOTO

auf vier Räder und ging ganz in ihrem neuen Hobby auf. „Egal ob Regen oder Schnee, ich war jeden Tag auf dem Motorrad, auf dem Motorrad, auf dem Motorrad.“ Die Wochen­enden verbrachte sie jetzt regelmäßig in der öl­ geschwängerten Atmosphäre der Rennstrecke von Tou­ louse, im Pulk mit anderen Motorradfahrern und auf ­einer Honda CBR 900, von der sie mit ihren 1,55 Metern kaum zum Boden reichte. Heute, 20 Jahre später, hat die inzwischen 41-Jährige nicht nur speziell für sie an­ gefertigte Boots, die ihr hel­ fen, die Pedale leichter zu er­ reichen. Sie hat mittlerweile auch eine ganz spezielle Er­ klärung für die Harmonie, die sie aus den beiden scheinbar so polaren Bereichen ihres Le­ bens zieht: Beide Erfahrungen helfen ihr, körperliche und geistige Limits zu pushen. „Wenn du dir im Rennen einen Moment des Selbstzwei­ fels erlaubst, begehst du schon einen Fehler“, erklärt sie. „Du musst ganz präsent sein, oder du bist tot. Du darfst nicht überlegen, wann du bremsen musst. Wenn du nachdenkst, klebst du schon in der Wand. Du musst schneller sein als dein Hirn, eine Entscheidung schon umsetzen, während du sie triffst.“ Saint-Gil lässt den Gedanken für einen Moment setzen. Und fährt dann fort: „Mit der Musik ist es genau das Gleiche. Ein gutes Orches­ ter zu dirigieren ist wie Ferrari zu fahren. Es liegt allein in deiner Hand, was du aus die­

THE RED BULLETIN


SWATCH.COM/BIGBOLD


HE RO ES

Gelassenheit im wahrsten Sinne des Wortes erfahre: der Sattel meines Motorrads. Es gibt keinen besseren PauseKnopf, als durch eine schöne Landschaft zu cruisen.

Wenn Keanu Reeves eine Action-Rolle übernimmt, fliegen die Kugeln meist tödlich tief. Nach Drehschluss schiebt der Hollywoodstar allerdings lieber eine ruhige Kugel.

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he red bulletin: Der Slogan deines aktuel­ len Films „John Wick: Kapitel 3 – Parabellum“ lau­ tet „Wenn du Frieden willst, bereite dich auf Krieg vor“. Da du vermutlich keinen Krieg vorbereitest – wie ­findest du deinen Frieden? keanu reeves: Im Alltäglichen. Ich weiß, das klingt schrecklich banal, aber am stärksten empfinde ich inneren Frieden tatsächlich in ganz normalen Momenten. Wenn ich mir einfach denke, alles ist okay: für mich, meine Welt und die Menschen, die ich liebe. Wie sehen solche Momente aus? Komplett unterschiedlich, das ist ja das Schöne daran. Du musst nur imstande sein, sie zu erkennen und auch wirklich auszukosten. Für mich persönlich gibt es außerdem einen ganz speziellen Ort, an dem ich Ruhe und

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Apropos Kampf: „Matrix“ ist fast zwanzig Jahre her. Du bist jetzt 54, knirschen da nicht schon mal die Ge­ lenke bei den ActionSzenen? Klar, in meinem Alter kann ich nicht mehr so hoch springen oder so schnell laufen. Aber ich bringe dafür die Erfahrung mit und bewege mich deshalb effizienter. Außerdem habe ich in puncto Alter eine sehr pragmatische Ansicht – es ist ein biologisches Phänomen. Als ich fünfzig wurde, erlebte ich das als einen natürlichen Vorgang, der mein Bewusstsein, meine Hormone und meinen Körper beeinflusst. In einem gewissen Sinn war das also so etwas wie eine Erwachsenenpubertät.

Dich mal in eine Berghöhle zurückziehen und medi­ tieren, bis du den Grund allen Seins verstanden hast: Ist das eine attraktive Vor­ stellung für dich? Yeah. Ernsthaft? Okay, wahrscheinlich nicht. Als ich „Little Buddha“ drehte, habe ich schon das Verlangen verspürt, so etwas zu machen. Aber jetzt ist meine persönliche Höhle eher meine Couch.

„Mein liebster Rückzugsort? Der Sattel meines Motorrads!“

In deinen Filmen – allen voran „Little Buddha“ – ­beschäftigst du dich immer wieder mit asiatischer ­Philosophie. Hat das auf dein Leben abgefärbt? Auf jeden Fall. Ich mag die Vorstellung der Harmonie zwischen dem inneren Selbst

Und welche Lebensphilo­ sophie ent­ wickelst du auf deiner Couch? Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt eine Lebensphilosophie habe. Höchstens vielleicht diese: „Gib einfach dein Bestes.“ „John Wick: Kapitel 3 – Parabellum“ läuft ab 23. Mai in den Kinos.

DER STURM VOR DER RUHE

So trainiert Keanu Reeves für seine Rolle als John Wick INTENSIV Vier Monate lang. Vier, fünf Stunden täglich. Bis zu sieben Tage die Woche. INTELLIGENT Fitnessbänder statt Gewichte – die stärken und stabilisieren bei deutlich verminderter Verletzungsgefahr.

INTERDISZIPLINÄR Kampfsportarten wie Jiu-Jitsu, Judo, Sambo – und nicht zu vergessen: ­taktisches und Waffentraining.

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RÜDIGER STURM

DER RUHIGE IM STURM

und der Außenwelt. Diesen Dialog zwischen beiden Welten findest du in der gesamten ­asiatischen Philosophie.

DOUG INGLISH/TRUNK ARCHIVE

Keanu Reeves

Innerer Friede ist auch eine Frage der physischen Entspannung. Wie schaffst du es, dich nach zahllosen Kampfszenen und Verfol­ gungsjagden zu erholen? Ganz einfach: Ich steige in ein Eisbad, danach heißes Wasser und dann wieder ab ins Eis. Abschließend hole ich mir eine gute Mütze Schlaf und bin wieder bereit für die Kämpfe des nächsten Tages. Diese Technik habe ich beim Dreh zur „Matrix“-Trilogie kennengelernt.


Keanu Reeves, 54, geht privat bewusst vom Gas: Der Action­ star entspannt beim Cruisen mit dem Bike.


HE RO ES

the red bulletin: Ist es nicht ein undankbarer Job, wenn andere die Lorbeeren für deine Arbeit ernten? tayla parx: Ach was, ich schreibe viele Songs, und nicht alle passen zu mir. Angeblich mehr als 200 jedes Jahr – stimmt das? Ja, in mir ist so viel Musik, ich muss sie einfach rauslassen.

„Jetzt schaffe ich Einzigartiges für mich selbst.“ Was inspiriert dich? Die Geschichten anderer ­Menschen. Alle Storys, die nicht meiner Gedankenwelt entsprungen sind, verdanke ich Gesprächen mit anderen Menschen – plus ein bisschen persönlicher Fantasie.

„ DU BIST WERTVOLL“

Wenn Stars wie Christina Aguilera oder Ariana Grande einen Top-Ten-Hit brauchen, rufen sie Tayla Parx an. Weil die 25-Jährige aus Dallas genau weiß, dass aus einfachen Gesprächen Einzigartiges entstehen kann.

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llein im Vorjahr hatte Tayla Parx vier Top-TenHits in den US-Charts, darunter Ariana Grandes Nummer eins „Thank U, Next“. Die 25-Jährige, die mit Hollywood­ star John Travolta bereits 2007 im Filmmusical „Hairspray“ als Little Inez vor der Kamera stand, hat gerade ein neues ­Album veröffentlicht. Titel: „We Need to Talk“. Und genau das haben wir auch getan. Wir haben uns mit der gebürtigen Texanerin Taylor Monet Parks (so ihr bürgerlicher Name) über Erfolg, Einzigartigkeit und Ehrfurcht unterhalten.

Keine Angst, in Ehrfurcht zu erstarren, wenn du mit Künstlern arbeitest, die du bewunderst? Nein, dir muss klar sein, dass du deshalb hier bist – um jemandem eine neue Sicht zu eröffnen. Und dass dich genau das wertvoll macht. Mutig. Wie schaffst du das? Ich bin eine junge schwarze Frau. Das heißt, dass meine Chancen von vornherein nicht die besten sind. Also muss ich dreimal so hart arbeiten wie andere. Und ich muss an mich glauben. Denn wenn ich es nicht tu, wer sollte es sonst tun? Hörtipp: Tayla Parx’ Debütalbum „We Need to Talk“; taylaparx.com THE RED BULLETIN

FLORIAN OBKIRCHER

Tayla Parx

MADELEINE DALLA

Jung, selbstbewusst, zielstrebig: Tayla Parx weiß, wo es langgeht.

Was hat dich dazu bewogen, eigene Songs aufzunehmen? Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen nach Einzig­ artigem suchen. Ich habe ­zuerst versucht, etwas Besonderes für andere Künstler zu schaffen. Jetzt schaffe ich Einzig­artiges für mich selbst.


Natürlich können wir hip und craftig. Wir können aber vor allem

RICHTIG

BIERIG.

egger-bier.at


SPIELEND REICH

Richard Tyler Blevins, 28, besser bekannt unter seinem Kampfnamen NINJA, ist mit Computerspielen reich und berühmt geworden. Nun arbeitet der „Fortnite“-Champ daran, diesen Ruhm außerhalb der Digitalwelt zu etablieren. Und dabei nicht abzuheben. Text SCOTT JOHNSON Fotos MICHAEL MULLER

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Er hat einen Job, von dem viele träumen: ­Richard Tyler Blevins spielt „Fortnite“ und verdient damit rund eine Million Dollar – pro Monat.


Derzeit folgen 13 Millionen Menschen Ninja auf Instagram und Twitch.


R Der Star von nebenan: Richard Tyler Blevins mit Ehefrau und ­Managerin Jessica und weiteren Familien­ mitgliedern am Set der TV-Show „Cele­ brity Family Feud“

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ichard Tyler Blevins hat gerade richtig viel Spaß. Der berühmteste Gamer der Welt steht hinter einem Pult auf einer Bühne in Hollywood, grelles Scheinwerferlicht im Gesicht, und grinst von einem Ohr zum anderen. Er ist Gast in der TV-Show „Celebrity ­Family Feud“, in Europa als „Familienduell“ bekannt. Der Moderator, Comedian Steve Harvey, stellt dem Publikum den schlaksigen, blassen Jungen mit den blaugrünen Haaren vor – nur für den Fall, dass ­irgendjemand noch nicht weiß, wer der Mann ist, der hinter dem Online-Kampfnamen Ninja steckt: „Er verdient jedes Monat eine Million Dollar, weil er sich beim Computerspielen streamt.“ Die Details seiner Geschichte sind mindestens so ­beeindruckend: Blevins, ein College-Abbrecher aus dem US-Bundesstaat Illinois, hat in den letzten zwei Jahren aus seinem außergewöhnlichen GamingTalent und einer interessanten Persönlichkeit ein enorm profitables Unternehmen gemacht: Seit Ende Juli 2017 der Multiplayer-Shooter „Fortnite“ auf den Markt kam und binnen kürzester Zeit Millionen Fans gewann, mischt Ninja die Szene auf. Derzeit f­ olgen dem „Fortnite“-Champ 13 Millionen Menschen auf ­Instagram und der Streaming-Plattform Twitch und weitere 20 Millionen auf YouTube. Die noch größere Leistung des seit kurzem 28-Jährigen besteht aber darin, dass er es als einziger Gamer ­geschafft hat, auch außerhalb der digitalen Blase ein Star zu werden. Er spielt Games mit dem kanadischen Rapper-King Drake und plaudert charmant mit Talkshow-Queen Ellen DeGeneres. Er ist wohl so etwas wie ein Vorreiter der digitalen Welt, das G ­ esicht der Gaming-Szene. Doch das Gewinnen ist ­Blevins mindestens so wichtig wie der Spaß: Zum Beispiel will er jetzt, im TV-Duell, ­seinen Freund besiegen, den Footballer JuJu Smith-Schuster von den Pittsburgh Steelers – was ihm dann auch gelingt. Als die Kameras dann ab­ geschaltet sind, nähert sich schüchtern der vielleicht sieben­ jährige Sohn des Stage Managers, um sein Idol zu treffen. Er bekommt ein Autogramm, dann klatschen sich die beiden

mit High-Five ab. Es wirkt, als hätte Blevins Freude an den Verpflichtungen, die sein „verrücktes neues ­Leben“, wie er es nennt, mit sich bringt. Er will ein Star von nebenan sein, authentisch und greifbar.

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ieses „verrückte neue Leben“ in den Griff zu bekommen ist eine knifflige Aufgabe. „Bis jetzt ging’s immer drunter und drüber“, sagt Ehefrau und Managerin Jessica Blevins. Am Tag nach dem Auftritt bei „Celebrity Family Feud“ sitzen wir mit ihr auf einer Couch in einem Büro in Santa Monica. Nebenan absolviert Ninja ein aufwendiges Fotoshooting. „Wir erklären uns immer gegenseitig, dass wir weiterhin ganz bescheiden auf dem Boden bleiben werden“, sagt sie. „Wir sind noch immer ­jedes Mal aufgeregt, wenn jemand ein Foto machen möchte.“ Sie schaut hinüber ins Fotostudio, wo ihr Mann in e­ inem engen weißen Anzug und glänzenden Lackschuhen vor der Kamera herumblödelt. Blevins ist ein unglaublich begabter Gamer. Doch damit allein wäre er nie so weit gekommen. Das Paar hat sich eine Strategie überlegt, ihn in der breiten ­Öffentlichkeit als Star aufzubauen. „Ich wusste immer, dass mehr in ihm steckt als nur ein Gamer“, sagt ­Jessica. „Er ist echt lustig, hat schon früher ständig Leute parodiert. Aber man rechnet einfach nicht ­damit, dass irgendwann die Chance kommt, diese ­Talente wirklich zu zeigen.“ Und wie sie kam. Seit eineinhalb Jahren muss das Paar sein Leben komplett danach ausrichten. Vor ein paar Monaten stellten die beiden zum Beispiel einen Koch ein, der regelmäßig bei ihnen daheim vorbeikommt, um für rund 450 Euro vier- bis fünfgängige Menüs zu zaubern – es ist etwa die Summe, die Blevins auch im Restaurant ausgeben würde. Nur mit dem Unterschied, dass dort die unvermeidlichen Fans und Schulterklopfer Schlange stünden, was manchmal ein bisschen anstrengend ist. Vor kurzem bekam auch Jessicas Mama Darcy ­einen Job im Team: Sie ist jetzt die persönliche Assistentin ihrer Tochter. Davor hatte sie ein Jahrzehnt lang als Arzthelferin im örtlichen Krankenhaus ge­ arbeitet. Als Blevins der Durchbruch gelang, opferte sie zunächst alle ihre Urlaubstage, um den Kindern zu helfen – sie kümmerte sich um die beiden Hunde, den Haushalt und half Jessica, wenn ihr die Arbeit wieder einmal über den Kopf wuchs. Dafür wollte   43


sich Jessica revanchieren, schließlich ist Mama auch ihre „beste Freundin“. „Sie bekam eine Gehalts­ erhöhung und freie Zeiteinteilung“, sagt Jessica und ­lächelt. „Jetzt haben wir eine Unterstützung, auf die wir uns hundertprozentig verlassen können.“

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urz liebäugelten Tyler und Jessica auch ­damit, nach Los Angeles umzuziehen. Oder dort zumindest ein Zweithaus zu kaufen. Doch je mehr sie darüber nachdachten, desto weniger Lust hatten sie darauf. Sie sind Familienmenschen, und kein Mitglied ihrer beiden Familien lebt so weit von Illinois entfernt. Viel versäumt hätten sie selbst im aufregenden Nachtleben der Glitzerwelt Hollywoods ohnehin nicht: Nach einem langen Streaming-Tag ist meist nicht mehr drin als ein bisschen kuscheln und Serien schauen. Streamen als Hauptberuf geht nämlich deutlicher an die Substanz, als man glauben würde.

Ninja soll nicht nur Gamern ein Begriff sein, sondern jedem Menschen – eine Art Tiger Woods des E-Sports.

Vor allem wenn, wie inzwischen üblich, Online-Trolle jede Menge Psychoterror veranstalten, um dem be­ rühmten Ninja ein Bein zu stellen. Die lauern dann auf jeden winzigen Fehler und setzen dafür Avatare mit rassistischen oder beleidigenden Namen ein, um ihn aus dem Konzept zu bringen. „Ich kriege die volle Breitseite ab, weil ich den ganzen Tag live bin“, sagt Tyler. „Im Grunde versuchen die Leute die ganze Zeit, mir Fallen zu stellen. Sie wollen mich dazu bringen, etwas zu sagen oder zu tun, was mir schaden kann – und das acht bis zehn Stunden am Tag.“ In letzter Zeit hört er öfter die Kritik, beim Spielen wie auf Autopilot zu sein. „Das ist natürlich Unsinn“, sagt Blevins, „ich bin hundertprozentig bei der Sache. Ich konzentriere mich gleichzeitig aufs Streamen und auf eine gute Show, auf clevere Spielführung und ­darauf, keinen Unsinn zu schreiben.“ Für 2018 hatte er sich vorgenommen, im Gegensatz zu vielen ande­ ren YouTubern kein einziges Entschuldigungsvideo posten zu müssen. Das ist ihm gelungen. Kein Wunder, wenn Richard Tyler Blevins am Abend geschlaucht ist. Sein größtes Freizeitvergnügen ist eine bei Amazon bestellte Popcorn-Maschine, die nun im Dauerbetrieb ist. Parallel dazu läuft Netflix in Endlosschleife: Gerade ist Blevins mit „The Punisher“ fertig geworden, nun freut er sich auf die neue „Stran­ ger Things“-Staffel. Ebenfalls hoch im Kurs: „Schräge ­Dokus“ wie die True-Crime-Produktion „Abducted in Plain Sight“. „Oh, und natürlich ‚Breaking Bad‘ und ‚Prison Break‘“, sagt Jessica, „die Klassiker eben.“ 44

„Alles, wo etwas kaputtgeht“, fügt eine Assistentin, die gerade an unserer Couch vorbei­geschneit ist, ­lachend hinzu. Jetzt werfen alle wieder einen Blick hinüber zu ­Tyler, dessen grünlich blauer Schopf über dem schneeweißen Anzug wie eine Menthol-Explosion aussieht. „Seine natürliche Haarfarbe ist hellbraun“, verrät uns Jessica. „Aber die habe ich seit unserer Hochzeit nicht mehr zu sehen bekommen. Ich hatte darauf bestanden, dass er bei der Hochzeit seine ­natürliche Haarfarbe trägt.“ Das war am 12. August 2017. Das Paar heiratete vor rund 90 Gästen im „Lehmann Mansion“ in Lake Villa, Illinois. „Eine Traumhochzeit“, schwärmt Jessica noch heute. „Das war, kurz bevor unser Leben kom­ plett durch die Decke ging.“ Sie gaben sich das Ja-Wort bei perfektem Wetter unter ­einer schönen Laube und leg­ ten danach einen legendären Hochzeitstanz aufs Parkett. Jessica, die als Kind Ballett, R&B und Jazzdance praktiziert hatte, machte sogar im Hoch­ zeitskleid den „Wurm“, eine kühne Breakdance-Figur: „Ich sagte mir, dass mich dieses

Szene aus „Fortnite“, Ninjas zweiter Heimat und mit 250 Millionen registrierten Spielern eines der beliebtesten Games der Welt

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Tyler an seinem ­Arbeitsplatz im ­Keller. Er ist bis zu zehn Stunden pro Tag online. Das geht an die Substanz.

Kleid nicht aufhalten wird. Wir bringen bei jeder Hochzeitsfeier Stimmung rein, auch bei jenen unserer Geschwister im letzten Jahr.“ Zeit mit der Familie ist sonst eher Mangelware. „Die längste Pause, die ich beim Streamen je gemacht habe, war erst unlängst“, sagt Tyler – da hat er sich ganze 14 Tage Auszeit genehmigt. Dass das zweifellos einige Twitch-Abonnements und einen Haufen an Werbeeinnahmen gekostet hat, hätte ihm vor einiger Zeit noch mehr Kopfzerbrechen bereitet. Jetzt fand er die Pause einfach notwendig. „Man bekommt den Kopf frei“, sagt er. „Die Familie ist wichtig, Zeit abseits des Streamings genauso. Man muss sich manchmal auch einfach nur zurücklehnen und entspannen können. Um ehrlich zu sein, sollte ich noch viel mehr Pausen ­einlegen.“ Nur fürs Protokoll: Tyler Blevins behauptet nicht, seinem Alter Ego Ninja – laut Wikipedia ein Kämpfer aus dem vorindustriellen Japan, der als Spion, Saboteur oder Meuchelmörder eingesetzt wurde – ähnlich zu sein. Nur so viel: Er glaubt an Gott, beschränkt seinen Glauben aber auf das Praktische: „Ich bin für Dinge wie Moral, Karma, Nächstenliebe.“ Er verbringt die meiste Zeit vor einem Bildschirm im Keller und schlägt sich dabei mit anonymen Unbekannten herum. Und er ist ein behütetes Kind aus dem Mittleren

Sein Ziel für 2018 war es, kein Entschuldigungs­video posten zu müssen. Das ist ihm gelungen.

Westen der USA, das vom Anblick von Temaki ehrlich überwältigt ist („Das sieht aus wie eine Eistüte … aus Sushi!“).

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uch Jessica musste in ihre Rolle als Ninjas Managerin erst hineinwachsen. So brauchte sie lange, um ein gutes Team von Anwälten zu finden, die Tyler nun bei komplizierten Verträgen, Sponsorings und Star-Auftritten unterstützen. „Die Videospielwelt ist eine Riesensache“, sagt sie, „und wir brauchten jemanden, der in meinem Mann e­ inen Star in der Größenordnung von Basketball-Größe Kobe Bryant sieht.“ Für die „Celebrity Family Feud“ etwa musste sie vorab eine sechsseitige Vereinbarung unterschreiben. „Keine große Sache für die meisten Leute“, sagt sie, „aber ich nehme mir die Zeit, so etwas genau zu ­lesen.“ Es gab prompt „ein Problem mit der Schleichwerbung in der Sendung“. Änderungswünsche, beschied man ihr daraufhin, seien nicht üblich. „Worauf ich sagte: ‚Es ist mir egal, ob ihr das schon mal gemacht habt oder nicht. Wenn ihr Tyler vor der Kamera haben wollt, müssen die Sprüche raus.‘“ Fazit: Die Produzenten gaben klein bei. Blevins überlässt es seiner Frau, die Zügel straff zu halten. „Sie war schon früher taff, aber jetzt ist sie knallhart“, erzählt er. „Darüber streiten wir manchmal, weil ich finde, dass man es auch ein bisschen ­lockerer angehen könnte. Und jedes Mal passiert dann genau das, was sie befürchtet hat – oder eben nicht, weil sie es verhindert hat. Und ich wechsle von ‚Lass es doch mal gut sein‘ zu ‚Oh Scheiße, du hattest mal wieder recht‘.“ Jessica macht ihre Sache offensichtlich gut. Sobald Ninja ankündigt, dass er gleich streamen wird, sind binnen zehn Minuten 10.000 Follower online, binnen einer Stunde ein Vielfaches davon, erzählt e­ iner aus dem Team. „Wir könnten pro Tag dreimal das Staples Center (eine 21.000 Zuschauer fassende Mehrzweckhalle in L. A., Anm.) füllen“, sagt er. Zusammen macht das mehrere Millionen Views auf YouTube. Oder anders ausgedrückt: eine Stange Geld. Jessica und Tyler sprechen neuerdings regelmäßig über die langfristigen Ziele der Marke Ninja und wähnen sich auf dem richtigen Weg. „Ninja soll nicht nur Gamern ein Begriff sein, sondern jedem Durchschnittsmenschen“, fasst Jessica die Stoßrichtung ­zusammen, „bekannt wie Tiger Woods, den jeder auf der Straße erkennen würde, auch wenn er überhaupt nichts mit Golf am Hut hat.“ Schau Ninja beim Gamen zu: twitch.tv/ninja

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INNOVATOR

E-Motorrad

Die Göttliche Ein Blitz ohne Donner: Mit dem E-Superbike Zeus bringt die US-Firma Curtiss Motorcycles das aktuell schnellste Serienmotorrad auf die Straße.

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atmobil trifft Blade Runner. Mit seinem auf Hochglanz polierten Aluminiumgehäuse, tiefschwarzen Vollkarbonrädern, Touchpad-Cockpit und LEDBeleuchtung würde man das Zeus Café-Bike eher am Set eines Hollywoodfilms erwarten als auf der Quail Motorcycle Gathering Show. Dort wurde die Elektromaschine 2018 erstmals präsentiert und räumte gleich den Preis für das innovativste Motorrad ab.

STARTPIONIEREUPS, U GENIALE ND ERFINDU NGEN

Denn nicht nur das Design der Zeus ist einzigartig, sondern auch ihre Performance. Betrieben von einer 14,4-kWh-Lithium-IonenBatterie, die sich unter der Sitzbank versteckt, beschleunigt das 190 PS starke Bike auf 450 km/h – und ist somit das schnellste Serienmotorrad der Welt. Entwickelt wurde Zeus vom US-Start-up Curtiss Motor­cycles, dessen Name eine Hommage an den einst

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„Nachhaltiges Motorradfahren darf nicht zu Kompromissen in der Leidenschaft führen.“

Smarter Gehstock

IN ALLER KÜRZE HANDYUPGRADE FÜR BIKER

Blindes Vertrauen Social Entrepreneur Nkululeko Tunzi will Blinden dabei helfen, sicher durchs Leben zu navigieren. Mit einem wortwörtlich wegweisenden Gadget.

Diese Apps machen Motorradfahren sicherer und sozialer.

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ls Nkululeko Tunzi eine blinde ältere Dame dabei beobachtete, wie sie trotz Blindenhund mit dem Überqueren einer Kreuzung zu kämpfen hatte, fasste der Südafrikaner aus Soweto einen Entschluss: Er würde ein Gerät entwickeln, mit dem Blinde sicher durch den Straßenverkehr kommen. Seine Lösung: der Bula Tsela (übersetzt: „einen Weg öffnen“), ein Gehstock-Aufsatz mit Rollen, der mittels Abstands-, Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren sowie GPS-System und Kamera potenzielle Gefahren erkennen kann. Findet Bula Tsela den sicheren Weg durch den Auto- und Personenverkehr, teilt er diesen der sehbehinderten Person via Bluetooth auf ihr Hörgerät mit. Dank künstlicher Intelligenz lernt der smarte Navigator Meter

„schnellsten Mann der Welt“ ist: Glenn Curtiss stellte 1906 mit seiner V8-Twin-Maschine den Bike-Speedrekord von 219,4 km/h auf und hielt diesen bis 1930. „Wir haben die letzten Jahre daran gearbeitet, Curtiss’ V-Twin-­Erfindung zu perfektionieren“, so CurtissCEO Matt Chambers. Das E-Superbike kann für 2020 in zwei Designausführungen vorbestellt werden. Der Preis: 60.000 US-Dollar. curtissmotorcycles.com

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Mehr Inspiration für ­ ukunftsmacher gibt es Z im aktuellen INNOVATOR. Infos und Abo unter: ­redbulletininnovator.com

CURTISS, MPUMELELO MACU/RED BULL CONTENT POOL

190 PS, 450 km/h, futuristisches Design: Curtiss Zeus, ein BikerTraum um 53.500 Euro

BRINGT GLEICH­ GESINNTE ­ZUSAMMEN Vernetze dich mit Fahrerinnen und Fahrern, entdecke neue Routen und tracke zurückgelegte Strecken. In der Pro-Version sind zudem O≠line-Karten und 3DTouraufzeichnungen zum Sharen inkludiert. riserapp.com

redbull.com/basement

LEA WIESER

AUTOMATISCHER LEBENSRETTER BikerSOS erkennt die Erschütterung eines Unfalls und gibt einen Notruf an Einsatzkräfte und ausgewählte Kontakte ab. Zusätzliche Features: Live-Tracking und Tour-Statistik. bikersos.com

für Meter, seine Umgebung besser zu verstehen und zu interpretieren. Den ersten Prototypen baute Tunzi bereits 2016. „Ich nannte ihn Robotgator, und er sah eher nach einem Spielzeug aus; außerdem war er zu klobig, um herumgetragen zu werden“, erklärt der 24-Jährige. Mithilfe von Red Bull Basement, einem Programm für Social Entrepreneure, konnte der gelernte Informatiker seine Erfindung weiterentwickeln und verkleinern. Nun wird daran gefeilt, die Sehhilfe für einen größeren Teil der Blinden finanzierbar zu machen: „Da das Gerät technologisch sehr anspruchsvoll ist, ist die größte Herausforderung, es so günstig zu produzieren, das es sich auch tatsächlich alle leisten können.“

Ein technischer Blindgänger im besten Sinn: Nkululeko Tunzi und der erste Prototyp seines „Bula Tsela“

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HI PERFOGRHVERRATMER E IHRE N T R I C KS

SO LACHST DU DEINE ANGST WEG GREG LOUGANIS, 59,

ist Sportdirektor der Red Bull Cliff Diving World Series, vierfacher Olympiasieger im Wasser­springen und Mentaltrainer für Spitzenathleten. Hier erzählt er, mit welchen Tricks du Selbst­vertrauen für den Alltag tankst. Und warum Kekse backen dich gegen Stress wappnet. Protokoll ANDREAS ROTTENSCHLAGER

ALS SPORTDIREKTOR der Red Bull Cliff Diving World Series begleite ich die

Athleten im Blick: Louganis (re.) beim Cliff-DivingTraining 2017 auf den Azoren

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besten Klippenspringer der Welt bei ihren Wettkämpfen rund um den Globus. In der Saison 2019 sind das Frauen und Männer aus vier Kontinenten, die bei sieben Tour-Stopps Leistungen auf Olympia-Niveau abrufen müssen. Zu den ­Herausforderungen ihres Jobs zählen Absprunghöhen von 21 und 27 Metern (bei den Damen- bzw. Herrenbewerben; Anm.), ein technisches Repertoire, das fünffache Salti und komplizierte Schrauben-Varianten umfasst, die potenzielle Verletzungs­gefahr, wechselnde Wind- und Wetterverhält­nisse an j­ edem Wettkampftag und zehntausende Menschen, die dich vor jedem Sprung anstarren. Klar erzeugen solche Situationen Druck. Als Sportdirektor bin ich Ansprechpartner und Vertrauensperson für die Athleten. Egal ob sie professionellen Rat suchen oder im Vieraugengespräch vor dem Bewerb ein wenig Zuspruch brauchen. Meine Hauptaufgabe ist es, ­ihnen ein positives Gefühl zu vermitteln und ihr Selbstvertrauen zu stärken. Die meisten Fans denken, die Angst vor dem Sprung sei dabei das größte Thema. Aber das ist falsch. Ein Sportler, der sich für die Red Bull Cliff Diving World Series qualifiziert, hat zehntausende Trainingssprünge hinter sich. Seine Bewegungen sitzen. Viel eher geht es in meinen Gesprächen um Hindernisse, die auch im ganz normalen Berufsleben vorkommen. Erwartungsdruck, zum Beispiel.


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Wasserspringer-Ikone Greg Louganis: „Steh zu deinen Fehlern. Auch vor Publikum.“


STELLEN SIE SICH VOR,

Ein Tour-Highlight 2019: der Red Bull Cliff DivingStopp am 2. Juni in der Felsenstadt Polignano a Mare, Italien

Sie sind Italiens einziger Klip­ penspringer und stehen beim einzigen Tourstopp in Ihrer Heimat in Polignano a Mare auf der Absprungplattform. Vom gegenüberliegenden Ufer sehen Ihnen 70.000 Menschen zu. Der Sprecher kündigt ­Ihren nächsten, alles ent­ scheidenden Sprung in Ihrer Muttersprache an, die Zuseher drehen durch. Wie meistern Sie so eine Situation? Wenn es um Erwartungs­ druck geht, sage ich meinen Athleten immer: „Arbeite an den Variablen, die du kon­ trollieren kannst.“ Die Erwartungen von 70.000 Menschen kann niemand kontrollieren. Aber ich kann mir als Athlet das Ziel setzen, bei jedem Sprung ein kleines bisschen ­besser zu performen als im letzten Wettkampf. Indem ich das Ziel „Perfektion“ durch das Ziel „Progression“ ersetze, nehme ich bereits gewaltig Druck aus der Erwartungs­ haltung an mich selbst. Weltmeister wird man in kleinen, stetigen Schritten. Das war immer meine Überzeugung.

„Arbeite an dem, was du kontrollieren kannst."

„Je absurder das Gedanken­ spiel, desto besser."

kämpfen teilgenommen und als Wasser­springer vier OlympiaGoldmedaillen gewonnen. Und auch in meinem Privatleben gab es Herausforderungen. Auf dem Höhepunkt meiner Karriere habe ich mich Mitte der 1990er-Jahre als homosexuell und HIV-positiv ge­ outet, als einer der ersten international bekannten Athleten. Wenn es um den Umgang mit Nervosität geht oder um schwierige Situa­ tionen, für die man sein Selbstvertrauen pushen muss, habe ich also einige Erfahrung. Einen großen Teil meines Berufs als Mentaltrainer macht des­ halb das Vermitteln von Visualisierungsübungen aus, die man für fast alle Herausforderungen im Leben nutzen kann. Neben Klippen­ springern unterrichte ich zum Beispiel auch Schauspieler, Profi­ tänzer, Eiskunstläufer oder Hunde-Agility-Trainer. Und diese Tech­ niken ­begleiten mich schon mein ganzes Leben lang.

ICH WAR EINEINHALB JAHRE ALT, als ich mit Tanz- und Akro­

batik-Unterricht begonnen habe, und stand mit drei Jahren zum ersten Mal auf einer Bühne. Bereits als Kind – wir reden von den frühen 1960er-Jahren – lernte ich jene Technik, die später unter dem Namen Visualisie­ rung bekannt wurde. Ich spielte meine Tanznummern unter Anleitung eines Trainers vorab in Gedanken durch. Jeden Schritt, jede Drehung, jeden Einsatz einer Requisite. Nach vier Versuchen hatte ich die Choreografie meistens drauf. Dann setzte ich sie in reale Bewegungen um und steigerte das Tempo. Ich war daher erstaunt, als mich ein Sportpsychologe Mitte der 1980er fragte, ob ich schon mal von Visualisierung gehört hätte. Ich antwortete: „Natürlich, das macht doch ohnehin jedes Kind. Oder?“ Wie gesagt hilft uns die Technik auch im täglichen Leben. Nehmen wir an, Sie müssen einen Vortrag vor vielen Menschen halten, vielleicht sogar vor Ihrem Chef, und diese Vorstellung macht Ihnen höllisch Angst.

SCHRITT EINS MEINER ÜBUNGSAUF­GABE LAUTET: Stellen Sie sich das aller­ Eines von Louganis’ Mental-Szenarien: die Tomate, die I­ hnen Ihre Zuhörer ins Gesicht werfen

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schlimmste mögliche Szenario vor. Sie sollen dabei ruhig übertreiben. In Ihrer Vorstel­ lung lachen Ihre Kollegen nicht einfach über Sie. Sie buhen Sie aus und bewerfen Sie mit Eiern und Tomaten. Je absurder das Gedankenspiel, umso besser. Die Situation, die wir uns vorstellen, muss so überzogen sein, dass Sie beginnen, darüber zu lachen. Denn Humor nimmt der Angst ihre Kraft: Sobald Sie über eine unangenehme Situation lachen können, sind Sie bereit, sie zu meistern. Danach folgt Schritt zwei: Wir stellen uns Probleme vor, die bei Ihrem Vortrag tat­ sächlich eintreten können. Etwa, dass eine Person an einem falschen Zeitpunkt lacht. Für diese Szenarien entwickeln wir dann eine Lösung: abwarten, einmal tief einatmen,

US-Nationalheld: Louganis 1984 in Los Angeles mit der Goldmedaille für den Sieg im 10-Meter-Turmspringen

GETTY IMAGES/BETTMANN ARCHIVE, GETTY IMAGES/ISTOCKPHOTO, RICARDO NASCIMENTO / RED BULL CONTENT POOL

ICH HABE MEHR ALS FÜNF JAHRZEHNTE LANG an Wett­


ALPHATAURI.COM


Ein Moment, der Sportgeschichte schrieb: Louganis knallt bei Olympia 1988 mit dem Hinterkopf an das Dreimeterbrett.

Louganis’ Biografie „Breaking the Surface“ stand 1994 fünf Wochen an der Spitze der „New York Times“Bestsellerliste.

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KEKSE BACKEN, ZUM BEISPIEL. Ich sage meinen Schülern, stellen Sie

sich vor, Sie würden mit einer Person, die Ihnen sympathisch ist, Schokoladenkekse backen. Wir bereiten die Zutaten vor, spüren das Gewicht, die Oberfläche, den Geruch, geben Vanille dazu und tun die Kekse in den Ofen. Danach kosten Sie die Kekse und stellen sich ihren Geschmack vor. Mit der Übung will ich die mentale Aufnahmefähigkeit meiner Schüler erweitern. Ziel ist es, so viele Wahrnehmungen wie möglich zu simulieren und so die Voraus­ setzungen für eine gelungene Visualisierung zu schaffen. Warum Kekse backen? Weil es dabei nicht um Erfolg geht. Warum eine Person, die Ihnen sympathisch ist? Weil so eine Person Sie nicht bewertet.

ICH HABE IN MEINEM LEBEN OFT von mentalen Übungen und Tricks profitiert. Hier sind noch zwei Beispiele. Es ist jene Szene, mit der ich welt­ berühmt wurde: Bei Olympia 1988 in Seoul sprang ich in der Qualifikation für das Finale vom Dreimeterbrett einen zwei­ einhalbfachen Salto rückwärts gehechtet. Eine Bewegung, die ich tausende Male erfolgreich geübt hatte. Dieses eine Mal ging sie schief. Ich schlug mit dem Hin­ terkopf am Brett auf. Das Becken färbte sich blutrot. Ich musste mit vier Stichen genäht werden. Natürlich hätte ich auf­ geben können. Mein Coach setzte mich nicht unter Druck, weiterzumachen. Stattdessen ging er mit mir spazieren, nachdem meine Wunde genäht worden war. Irgendwann sagte er: „Weißt du, Greg, ­Eishockeyspieler kriegen 30 Stiche und kommen zurück aufs Eis, bei dir sind es ja nur vier.“ Wir mussten beide lachen, und das entspannte mich. Stichwort: Humor und Schrecken. Ich schaffte es, den Vorfall für einige Minuten abzuhaken, kletterte zurück auf das Brett und beendete die Qualifikation.

Weitere mentale Übungen (außer Kekse backen), die Louganis empfiehlt: wilde Pferde reiten, Achterbahn fahren. Beide simulieren Kontrollverlust.

„Perfektion ist ein schlechtes Ziel."

MENTAL EBENFALLS FORDERND war mein Coming-out 1994. Ich hatte es satt, mich

zu verstecken. Also machte ich reinen Tisch. Vor meiner Familie, in einer Talkshow und mit dem Erscheinen meiner Biografie. Am meisten Angst hatte ich vor dem Gespräch mit meiner Mutter. Für jüngere Leute ist es heute schwer vorstellbar, welches gesell­ schaftliche Klima in den 1990er-Jahren herrschte. Ich kannte Geschichten von E ­ ltern, die ihre Kinder verstießen, nachdem diese sich geoutet hatten. Sportler riskierten, ihre Sponsoren zu verlieren. Ganz zu schweigen von der öffentlichen Meinung. Ich war vier­ facher Olympia-Goldmedaillengewinner. Für viele Menschen repräsentierte ich nicht den Menschen Greg Louganis, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika. Ich hatte Glück, dass mich meine Mutter so akzeptierte, wie ich bin, und mein Buch sich blendend verkaufte. Aber als es erschien und ich öffentlich daraus lesen musste, wusste ich, dass ich nicht nur Anerkennung ernten würde. 1995 gastierte ich auf meiner Buch-Tour in Lawrence, Kansas. Die Gegend war da­ mals das Revier von Fred Phelps (ein Hass-Prediger, der für seine menschenverachtenden Ansichten bekannt war. Er starb 2014; Anm.). Ich wusste, dass er wahrscheinlich da sein würde, um meinen Vortrag zu stören. Genauso war es auch. Während ich drinnen aus meinem Buch vorlas, schwenkten draußen Phelps’ Anhänger ihre Schilder. Auf e­ inem stand: „Stirb, Aids-Schwuchtel!“ Während der Lesung fragte mich ein Zuhörer, was ich den Demonstranten ausrichten würde. Ich hatte damals lange genug an meinem Charakter gearbeitet, um eine Antwort zu geben. Ich sagte: „Jemand, der so viel Hass versprüht, kann sich nicht selbst lieben. Man sollte ihm einen Teddybären schenken.“ Später erfuhr ich, dass die örtliche LGBT-(Lesbian/Gay/Bisexual/Transgender-)­ Studentenunion Phelps in meinem Namen tatsächlich eine ganze Ladung Plüschbären ­geschickt hatte. Ich fand das als Antwort auf seinen Hass sehr passend.

Infos: greglouganis.com Die Red Bull Cliff Diving World Series ist am 22. Juni auf den Azoren zu Gast. Live auf redbull.tv und im Stream auf redbullcliffdiving. com

GETTY IMAGES/ISTOCKPHOTO, NCAA PHOTOS VIA GETTY IMAGES

„Ich hatte es satt, mich zu verstecken."

mitlachen. Oder zugeben, dass man einen Fehler gemacht hat. Denn das macht uns menschlich. Außerdem ist Perfektion ein schlechtes Ziel, wie wir bereits gelernt haben. Und selbst wenn Sie ein Mensch mit wenig Fantasie sind, gibt es Techniken, die Ihre Kreativität fördern. Übrigens: Die meisten Leute, die ich coache, haben überhaupt nichts mit Sport zu tun.


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DER RED BULLETIN

SELBSTVERSUCH

verschollen

Wie man auf einer einsamen Insel überlebt Sechs Tage und fünf Nächte auf einem Eiland mitten im Indischen Ozean. Kein Zelt, kein Survival-Handbuch, keine Ahnung. Waltraud Hable hat sich der Wildnis, einem Taifun und sich selbst gestellt, um zu erkennen: Das Wecken deines Urinstinkts hat nichts mit Mordlust zu tun. Text WALTRAUD HABLE  Fotos PHILIPP HORAK


Ratlosigkeit unter der schĂźtzenden Plastikplane: Ist der Taifun vorbei, oder kommt er wieder?

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Einsame Insel bedeutet: Du musst an Land schwimmen, kein Boot kann direkt ankern. Das Salzwasser brennt in den Augen, die Kleidung ist vollgesogen, der Energieakku nach 28 Stunden Indonesien-Anreise leer. Helfer befördern das Equipment schwimmend ans Ufer, bevor sie abhauen.

as Meer rauscht nicht, es brüllt mich an. Der Wind pfeift durch die Dunkelheit, Regen peitscht mir ins ­Gesicht. Ich zittere am ganzen Körper, meine Haut ist kalt und nass, und was von meinen Haaren übrig blieb, ist zu einem heillos verfilzten Biberschwanz auf meinem Hinterkopf ver­ kommen. Als Schutz gegen das Unwetter liege ich in eine schwarze Plastikplane eingewickelt. Aus der Vogelperspektive muss ich wie eine schlecht verpackte Leiche aussehen, an den Strand gespült. Aber ich bin nicht tot. Dafür bin ich gerade viel zu wütend aufs Leben. Und auf mich selbst. Warum zum Teufel wollte ich unbedingt auf diese einsame Insel mitten im ­Indischen Ozean – ohne Zelt und vor allem ohne die ­geringste Ahnung, wie man einen 120-km/h-Tropen­­sturm überlebt? Da können noch so viele Selbsthilfebücher behaupten, einmal im Leben müsse man ­wimmernd in Embryonalstellung am Boden liegen, weil das angeblich so heilsam sei. Ich weiß nur: Wenn ich hier weiter in Embryonalstellung verharre, stehen die Chancen gut, dass mich noch eine Palme erschlägt.

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Rückblende. Es waren vier Flieger, ein Speedboot und zwei Tabletten gegen Seekrankheit erforderlich, um auf dieses Archipel vor Indonesien zu kommen. ­Genauere Koordinaten darf ich nicht nennen. Sowohl der Name der einsamen Insel als auch die Region sind geheim. Alvaro Cerezo, ein 38-jähriger Spanier und Kopf der Zwei-Mann-Abenteuer-Reiseagentur ­Docastaway.com, hat mich und unseren Fotografen ­Philipp sogar eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben lassen. Mit Docastaway (frei übersetzt: „Schiffbruch zum Nachmachen“) bietet der studierte Betriebswirt tropische Inselaufenthalte mit Einsamkeitsgarantie an (siehe Interview auf Seite 66). In ­einer Zeit, in der man immer erreichbar sein muss und ­jeder Quadratmillimeter Land verbaut scheint, ist er besessen d ­ avon, den höchsten Grad an Isolation zu finden und diesen auch zu bewahren. Für Alvaro sind einsame Inseln wie eine Zeitreise, mit einer Flora und Fauna wie vor hunderten von Jahren. Tut sich ein passendes Eiland auf, beginnt die Überzeugungsarbeit. Denn jedes Stück Land dieser Welt gehört irgendjemandem: Privatbesitzern, Regierungen, dem Militär. Bei erfolgreich verhandelter ­Betretungserlaubnis lotst Docastaway dann Möchtegern-Robinson-Crusoes wie mich ab zirka 1000 Euro pro Woche auf die jeweilige Insel und stellt nur das Nötigste zum Überleben zur Verfügung: Macheten, eine Harpune, ein Feuerzeug, zwei Kochtöpfe, Angelleine und Angelhaken und einen 12-Liter-Kanister Trinkwasser. Das nennt sich das „Abenteuer-Paket“. Der Deal lautet: sechs Tage und fünf Nächte Survival,

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Anfängerf ehler: Ich habe mir lieber Gedanken über wirksame Deos als über Regenschutz gemacht.

Früher Morgen auf einer unbewohnten indonesischen Insel: Taifun überlebt. Kleidung nass. Körper völlig ausgekühlt. Ich bin am Sand, buchstäblich.


Das Inselreich aus der Drohnenperspektive: tosende Brandung, viel Sand, Treibholz, gefühlt drei Milliarden Krebse (und ich).

Das rund vier Meter lange Bambusrohr ist ein Glücksfund. Mit ihm schlägt man die Kokosnüsse von den Palmen – oder versucht es zumindest.

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Selbstporträt mit Schattenspiel. Auf der einsamen Insel gibt es kein elektrisches Licht. Dunkel wird es gegen 19 Uhr, das bleibt dann auch so für die nächsten zwölf Stunden.

­ otograf Philipp und ich mutterseelenallein auf einer F unbewohnten indonesischen Insel, nur mit dem oben ­erwähnten Equipment, ohne Zelt oder festen Unter­ schlupf. Dazu: zwei Hängematten, Sonnenschutz, Moskitospray, Stirnlampen, ein Kilogramm Reis, ein halbes Kilo Quinoa, Zahnbürste, Decken, ein ­bisschen Kleidung. Alvaro legte uns Ressourcen­ knappheit ans Herz: „Je weniger ihr mitbringt, desto prägender wird euer Erlebnis sein.“ Während der Wind mannshohe Palmwedel von den Bäumen reißt, verfluche ich den Kerl. Dabei trifft ­Alvaro keine Schuld. Ich habe nur einmal im Garten unseres Ferienhauses eine Nacht gezeltet, ich habe keine Ahnung, wie man das Wetter liest, geschweige denn, wie man einen Unterschlupf baut oder gar jagt. Aber warum ich wirklich in diesem Schlamassel ­stecke, ist: Ich bin zu blöd zum Zuhören. A ­ lvaro ­hatte nämlich im Vorfeld vor Regen gewarnt: „Auf der Insel wird es gegen 19 Uhr dunkel und erst zwölf Stunden später wieder hell. So ein nächtlicher Sturm kann eine gefühlte Ewigkeit dauern und vor allem ziemlich kalt werden.“ Ich wiegelte ab mit „Jajaja, wir nehmen eh zwei Plastikplanen und warme Pullis mit, alles kein Problem“ und machte mir dann Ge­ danken über die wichtigen Dinge im Leben. Zum ­Beispiel Deos und wie man knapp eine Woche ohne Dusche und ohne Geruchsbelästigung übersteht. (Dass Philipps Nase nach einer Polypen-Entfernung noch nicht wieder feinjustiert war, kam mir sehr ge­ legen.) Oder Sandflöhe! Laut Google höchst heim­ tückische Biester, bevorzugt legen sie ihre Eier in menschlichen Fußsohlen ab (klingt unheimlich, ist aber mit einer Pinzette und Antibiotika zu kurieren). Mittlerweile kann ich sagen: Die schlimmste Be­ drohung in freier Natur sind nicht wilde Tiere oder bissige Insekten. Was du wirklich fürchten musst, THE RED BULLETIN

das ist der Regen. Regen ist brutal. Denn wenn du bis auf die letzte Faser nass bist und nicht weißt, ob der nächtliche Sturm noch Stunden oder vielleicht sogar Tage dauern wird, dann kommen Körper und Geist an ihre Grenzen. Zumal es von Survival-Inseln keinen einfachen Exit gibt. Alvaro hat mir und dem ­Fotografen zwar ein Notfallhandy mitgegeben, aber eine Schnellevakuierung garantiert das nicht. Denn einsame Inseln sind vor allem deshalb einsam, weil kein Boot direkt andocken kann. Diese Lektion offen­ barte sich mir gleich bei der Ankunft. „Wir müssen ans Ufer schwimmen“, wurden wir angewiesen, als der Motor 200 Meter vor der Insel plötzlich ver­ stummte. Ein Postkartenidyll mit Palmen, schroffen Felsen und Sandstrand, geschätzt einen Kilometer lang und 300 Meter breit, lag vor uns. Irgendwo, 1500 Seemeilen westlich am Horizont, sollten die Malediven beginnen. „Und unser Gepäck? Die Kame­ ras?“ – „Die schwimmen wir für euch rüber.“ Unser Bootsführer war bereits mit einer überladenen Plastik­ box in die Fluten gesprungen. Die Kiste taumelte durch den Wellengang gefährlich hin und her. Würde sie kippen, Reisepässe, Gepäck, alles wäre verloren. Der unfreiwillige Schwimmgang scheint ewig her, obwohl seitdem gerade mal 48 Stunden vergangen sind. Die Bucht, an der uns Alvaro unserem Schicksal überlassen hat, besteht aus einem Strandabschnitt mit hoher Brandung und gefühlt drei Milliarden ­Einsiedlerkrebsen. Das Meer ist so laut, dass man

Solange du Kokosnüsse hast, überlebst du. Eine Nuss spende t bis zu einen halben Liter Flüssigkeit.   59


Oben: der Lagerplatz. Zwei Hängematten, eine Wäscheleine, Kokospalmen, Schatten. Raue Brandung. Die Strömungen hier sind gefährlich. Unten: Einsiedlerkrebse machen sich im Dutzend über eine von mir aufgeschlagene Kokosnuss her.

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DAS SURVIVAL-EQUIPMENT 1 Agavenblatt. Natürlicher Trichter zum verschüttfreien Umfüllen von Flüssig­ keiten.  2  Wasserkanister für sechs Tage. Inhalt: 12 Liter.  3  Leatherman mit Messer und Minisäge für Schneide­arbeiten. 4 Macheten, wegen der hohen Luft­ feuchtigkeit täglich eine Spur ros­tiger. 5  Kokosnüsse mit Trieben. Wachsen am Boden, bei Energielosigkeit leichte Beute. Innen süßlich – und schaumig wie Styropor.  6 Kochtöpfe, Streich­ hölzer, Kaminanzünder (für den Fall, dass alles nass ist) und zwei Esslöffel. 7  Harpune ohne Sicherung, Marke indonesischer Eigenbau. Mehr Gefahr für einen selbst als für die Fische. 8  Plastikplane aus dem Baumarkt. Lebensretter. Schützt bei einem Sturm vor Nässe und hält notfalls die Körpertemperatur halbwegs stabil. 7

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Ich dachte, ich würde in j edem Lebewesen eine potenzielle wandelnde Mahlzeit sehen. das eigene Wort nicht versteht. Dahinter beginnt die Dschungel-Version von „Blair Witch Project“: Spinn­ weben, Palmen, Agaven, leere Kokosnussschalen, die Unterschlupf für Tausendfüßer, Zikaden, Schlangen und Echsen bieten. Solange man Kokosnüsse hat, stirbt man nicht, heißt es. Grüne, unreife Nüsse ­enthalten bis zu 500 Milliliter Wasser mit wichtigen Elektrolyten. Ob man aber auch immer die Kraft findet, die Dinger mit einem Bambusrohr von der Palme zu schlagen, ist eine andere Frage. In einen Baumstamm ist „Mikelo“ eingeritzt. So heißt ein ehemaliger Survival-Kandidat, der hier die Asche seiner toten Mutter verstreut haben soll. Wir sind also nicht allein, auch wenn es die Indonesier beim Gedanken d ­ aran schaudern würde. In dem Inselstaat glaubt man an Geister. Dass man sich freiwillig auf einem ein­samen Eiland verschanzt, ist für viele unheimlich. „Bist du okay?“ Philipp, der Fotograf, hat ein paar Meter weiter dem nächtlichen Sturm getrotzt. Durchweicht und erschöpft lässt er sich neben mich in den Sand fallen. Wir haben seit zwei Tagen kaum ­gegessen, abends ein paar Löffel Reis, zum Frühstück eine Kokosnuss, mehr gibt es nicht. Bei tropischen 35 Grad kein Problem, da brauchst du wenig Energie. Doch nach dem Taifun fehlt uns für so ziemlich alles die Kraft. Fischen ist wegen des hohen Wellengangs in unserer Bucht und Talentfreiheit meinerseits sinnlos. Die Köder – Algen oder Krebse – rutschen sofort vom Haken, die Schnur verfängt sich in versteinerten ­Korallen und reißt. Und Einsiedlerkrebse über dem Feuer zu rösten, dazu konnten wir uns bis dato nicht durchringen. Die spinnenartigen Beine sind haarig, die Körper unter den Schneckenhäusern mager. „Denkst du, das war’s? Oder geht das jetzt die rest­ lichen Tage so weiter?“, frage ich Philipp leise. – „Ich weiß es nicht.“ – „Noch so eine Horrornacht überstehe ich nicht.“ – „Wir müssen positiv denken. Die Anreise war zu lang, um aufzugeben.“ Als mittags die Sonne durch die Wolken blinzelt, lebt auch mein Kampfgeist wieder auf. Wir spannen eine Schnur, um unsere Hängematten zu trocknen, und planen, zumindest theoretisch, eine sturmfeste Behausung aus Plastikplanen, Seilen und Steinen. Der Wind hat sich gelegt, der Himmel wird mit jeder Minute blauer. Das, was vor ein paar Stunden noch Apokalypse war, mutiert jetzt zu einem kitschigen Werbetraum. Plopp. Eine Kokosnuss fällt von selbst zu Boden. Schwindelig von der Unterzuckerung, ­trabe ich los, um sie aufzulesen, und säble dann durch die ­Fasern der Frucht. Meine Armmuskulatur brennt, ich bin am Ende. Die hohe Luftfeuchtigkeit und das Salzwasser haben die Klingen der Macheten

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rostig werden lassen, meine Handflächen entwickeln braunrote Schwielen. „Mit dem Sturm hat dieses Abenteuer erst begonnen“, sinniert Philipp. Ich weiß, er hat recht. Aber mir ist nicht nach Reden zumute. In meinem Kopf ist es zu laut. Ich dachte, dieses ­Survival-Abenteuer würde meine Urinstinkte wecken, jedes Lebewesen zu einer potenziellen wandelnden Mahlzeit machen. Mein Vater ist von Beruf Metzger, die Sache wäre also gar nicht mal so abwegig. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ich will nichts töten. Ich will verstehen und fühle mich plötzlich seltsam mit der Erde verbunden. Stundenlang studiere ich das Chaos des Dschungels. Die schiefen Stämme, die vorbei an den gerade gewachsenen zum Licht drängen. Ein braun-grünes Durcheinander, das keiner menschlichen Ordnung folgt und genau deshalb so wunderschön ist. Ich atme die feucht-sandig-moosige Luft ein. Gleich hinter mir verrotten entwurzelte Bäume und, ich wette, auch tote Echsen, Vögel und Krabben. Trotzdem: Die Natur riecht taufrisch, während ich das von mir nicht mehr behaupten kann. Der Sturm war hart, aber mir dämmert, er war keine Kampfansage der Welt an mich. Meine Wenigkeit ist der Natur vollkommen egal. Sie ist größer als ich, ­immerhin wird sie noch existieren, wenn ich längst nicht mehr bin. Dennoch stellt sie großzügig alles zur Verfügung, was ich zum Leben brauche. Ich muss die Geschenke nur erkennen lernen: Da wäre zum Beispiel das Meer. Ein Schuss Ozean im Kochwasser würzt unseren Reis. Zum Reinigen des Topfs ist Sand das beste Scheuermittel. Dazu spült das Meer täglich Treibholz an, von der Sonne getrocknet, brennt es

Die Natur stellt grosszügig alles zur verf ügung, was ich zum überleben brauche. ich muss nur lernen, ihre geschenke zu erkennen. wie Zunder. Oder die Palmen, diese Universal­genies! Sie sind Kokosnuss- und Schattenspender, Hängematten-Stützen, ihre Wedel dienen als Baumaterial, und in leeren Kokosschalen kann man ­Regenwasser auffangen. Ein abgeschnittenes Agavenblatt wiederum lässt sich als Trichter missbrauchen. Hält man es im richtigen Winkel hoch, geht beim Umfüllen vom Wasserkanister in unsere Trinkflaschen kein Tropfen verloren. Dass der dauerklebrige Salzfilm auf der

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Lagerfeuer? Nein, meine persönliche Müllverbrennungsanlage. Der Verschmutzung der Weltmeere entkommt auch die einsamste Insel nicht.

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Nachts kommen Schildkröten auf die Insel, um ihre Eier in Nistkammern im Sand abzulegen.

Das größte Badezimmer der Welt: Mit einem Kamm versuche ich, die verfilzten Haare zu entwirren. Ein paar Meter weiter rauscht das Meer, meine Badewanne und Waschmaschine.

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Haut einen in den Wahnsinn treibt – Schwamm ­drüber! Auf einer einsamen Insel wirfst du spätestens nach der ersten Freiluft-Notdurft deine Sauberkeitsideale über Bord. Wenn ich nicht gerade über das große Ganze nachdenke, schreite ich durch mein sandiges Königreich und räume auf. Mit 120-Liter-Müllsäcken, die ich zum Schutz für die Kameras mitgebracht habe, sammle ich angespültes Plastik ein. Die Insel mag zwar fern von allem liegen, der Verschmutzung der Weltmeere entkommt sie nicht. Allein in „meiner“ Bucht stoße ich auf hunderte leere Plastikflaschen, bei 246 habe ich aufgehört zu zählen. Ölkanister. Sonnenmilchtuben. Flip-Flops, 56 Einzelexemplare, keine zwei passen zusammen. Dazu: Zahnbürsten. Shiva-Spielzeugfiguren, vermutlich aus I­ ndien. ­Joghurtbecher. Alte Bojen, Taue, Styropor. Plastikstrohhalme, die infolge Salz- und Sonneneinwirkung ­zwischen meinen Fingern zerbröseln. Es bricht mir fast das Herz, als ich sehe, wie Krabben die Mikroteile zwischen ihre Scheren nehmen und davon kosten. Also starte ich eine Müllverbrennungsanlage. Sechs volle Säcke, 720 Liter Unrat, gehen dramatisch in schwarzem Rauch auf, es stinkt nach Chemie, das Treibgas in einer Spraydose knallt. Am Festland würde man dasselbe mit dem Plastik machen, das Feuer mag zwar die Luft verpesten, stellt aber ­sicher, dass die Babyschildkröten, die hier bald schlüpfen, in eine sauberere und für sie weniger gefährliche Welt watscheln können. Die Spuren im Sand ver­raten, wo eine Schildkröte Nistkammern angelegt haben muss. Irgendwann dämmert mir, dass auch unter meiner Feuerstelle Eier liegen werden. Ärgerlich! Der Kreislauf des Lebens scheint zu vielschichtig für mein klein ­dimensioniertes Hirn. Kein YouTube-Sur­vivalVideomarathon kann dich darauf vorbereiten. Zur Beruhigung beobachte ich die Krebse und die Krabben. So ereignislos das Leben auf einer einsamen Insel scheint – du schläfst, du versuchst, jeden Tag ein bisschen kraftloser, Kokosnüsse zu ernten, machst Feuer, schwimmst, sammelst Müll ein –, am Boden geht’s geschäftig zu wie in einer Megametropole. ­Flächendeckend wuseln die Viecher hin und her. Ich beginne, sie nach Größe und Farben zu differenzieren. Es gibt Tiere mit grünen Schneckenhäusern am Rücken. Manche sind babyrosa, andere gepunktet oder rot-braun-weiß. Zwei Arten und zwei Zonen

Die Einsiedlerkrebse sind Junkies, insgeheim nenne ich sie Kokossüchtler.

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Ich finde Plastikflaschen. Flip-Flops, 56 EinzelExemplare, keine zwei Sandalen passen zusammen. Einsame Insel heisst nicht, dass man der Verschmutzung der Meere entkommt, im Gegenteil. mache ich aus. Die Einsiedlerkrebse – von fingernagel­ klein bis handtellergroß – halten sich in Dschungelnähe auf. Sie sind Junkies, insgeheim nenne ich sie Kokossüchtler. Kaum fällt ein Schnipsel Kokosfleisch zu Boden, stürzen sie sich zu Dutzenden darauf. ­Exkremente und Plastik verspeisen sie im Übrigen auch. Und dann gibt es die Albino-Krabben. Ihren korrekten biologischen Namen kenne ich nicht. Sie leben vorwiegend in Löchern am Strand, haben einen lustigen Seitwärtsgang und aufmerk­same schwarze Stielaugen. Nahrungstechnisch würden sie mehr hergeben als die Kokossüchtler. Aber ich kann sie trotzdem nicht mit einem Stein erschlagen. Denn die Albinos sind Hardcore-Romantiker. Wenn abends der Himmel pink und rot zu glühen b ­ eginnt, dann unterbrechen auch sie ihr Treiben. Plötzlich sind sie für mich menschlich. Als Alvaro am sechsten Tag wie aus dem Nichts auftaucht, um uns durch den Dschungel zurück zum Boot zu führen, freue ich mich auf 3000 Kalorien Nasi Goreng, eine lange Dusche und Jod für das an Korallen aufgeschürfte Knie, das Herz aber sagt: Hmmm. „Ich habe am Festland oft an euch denken müssen, der Sturm in der dritten Nacht war schlimm“, schnattert Alvaro. Ja, stimmt. Aber der Taifun hat nicht nur das Meer aufgewühlt. Sondern auch mich. Ich werfe einen letzten Blick auf „meine“ Insel, lasse mich unwillig zurück in die Zivilisation führen. Als wir Stunden später im Flughafentaxi sitzen, gefangen im Feierabendstau, sage ich zu Philipp: „Das saugt mir gerade enorm viel Energie ab. Die vielen Menschen. Ich habe das Gefühl, ich spüre jede einzelne ihrer Stimmungen. Ihren Ärger über die Autokolonnen. Ihre Unruhe. Mit den Krabben und den Palmen war das Leben irgendwie einfacher.“ – „Ich weiß, was du meinst.“ Ich schaue auf meine geschundenen Finger, die Hautrisse, die durch Rostspuren der Machete dunkel gefärbt sind, nach dreimal waschen werden sie nicht mehr zu sehen sein. „Ich will zurück“, sagt das Herz. „Das geht nicht“, sagt der Verstand. Flüstert das Herz: „Dann musst du wohl ab jetzt ­deine e­ igene Insel sein.“

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„Eine einsame Insel ist wie eine Zeitreise“ Insel-Jäger: Alvaro Cerezo, 38, Gründer der Abenteuer-Reiseagentur Docastaway, reist um die ganze Welt, um unberührte und unbewohnte Inseln zu finden. Er sagt, sie sind sein Lebenselixier. Interview WALTRAUD HABLE

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in zerzauster Männerdutt und eine Sonnenbräune, so intensiv, wie man sie nur kriegt, wenn man sein Leben draußen in der freien Natur verbringt. Seit zehn Jahren lebt Alvaro Cerezo aus dem Rucksack, getrieben von der Idee, die einsamsten Inseln aufzuspü­ ren, um dort wie ein Schiffbrüchiger oder Robinson Crusoe über Tage und Wochen zu überleben. Der 38-jährige Spanier, den ein Wirtschaftsstudium und die Aussicht auf einen Schreib­ tischjob in eine Depression gestürzt haben, bezeichnet sich selbst als be­ sessen davon, den höchsten Grad von Isolation zu finden. Seine Jagd führt ihn von Afrika über Asien bis Ozea­ nien, um mit Inselbesitzern, Regie­ rungen, Fischerei­kooperativen und dem Militär zu verhandeln. Er sagt: „Diese einsamen Inseln halten mich am Leben und geistig gesund. Mich treiben nur sie an – ich hatte nie e­ inen Plan B. Insofern habe mein g ­ anzes ­Leben rundherum gebaut.“ Mit seiner Zwei-Mann-Agentur Docast­away ­bietet er Inselabenteuer zum Buchen an – aber vor allem verkauft er das Gefühl, Neuland zu betreten.

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Alvaro Cerezo, 38, hat Wirtschaft studiert – und es gehasst. Heute lebt er aus dem Rucksack und ist glücklich.

The Red Bulletin: Docastaway gibt Urlaubern eine Einsamkeits­ garantie. Trifft man während des Inselabenteuers auf einen Men­ schen, gibt’s Geld zurück. Wie oft musste schon bezahlt werden? Alvaro Cerezo: Noch nie bisher. ­Bevor wir die Einsamkeitsgarantie ­geben, lasse ich Inseln erst mal testen, indem ich abenteuerwillige „Ver­ suchskaninchen“ zum Selbstkosten­ preis dort hinschicke. Erst nach fünf, sechs ­Inseltestern habe ich einen ­guten Überblick über Schwachstellen. ­Ignorieren zum Beispiel Fischer oder Schildkröteneier-Sucher, dass die ­Insel nicht betreten werden darf, muss man das lösen. Es wird immer schwieriger, einsame Inseln zu finden, vor allem mit meinen Ansprüchen. Was sind denn deine Ansprüche? Die Insel muss unbewohnt, unberührt und weit vom Festland entfernt sein, um Lichtverschmutzung auszuschlie­ ßen. Idealerweise kann man nur an einer Stelle ankern und diese notfalls absperren. Ich kann mittlerweile ­sogar per Satellitenfoto abchecken, ob ein Eiland brauchbar ist.

Wonach hältst du Ausschau? Nach Strömungen, dem Bewohnungs­ grad der Nachbarinseln, Kokospalmen. Die können ein Problem sein. Warum? Kokosnüsse liefern Kokoswasser und Kokosfleisch, prinzipiell also eine ­ideale Voraussetzung, sie sichern das Überleben. Aber seit Kokos weltweit zum Trendfood geworden ist, sind die Preise dafür gestiegen, und mehr Insel­ besitzer betreiben wieder Plantagen. Kokospalmen auf der Insel bedeuten insofern oft auch Erntehelfer vor Ort. Wie viele einsame Inseln gibt es überhaupt noch? Schwer zu sagen. Eine Handvoll für meine Zwecke vielleicht? Viele Inseln, die ich vor fünf Jahren entdeckt habe, existieren so nicht mehr. Da sind ­Hotels, Kokosplantagen, chinesische Investoren … Die Zahl schrumpft. ­ Es gibt tolle Inseln auf Tonga, den Marianen, in Ozeanien. Aber für Docastaway kommen sie trotzdem nicht in Frage. Die Anreise würde ewig dauern, das bucht kaum je­ mand. Und manche Inseln in Afrika THE RED BULLETIN



werden von Piraten heimgesucht, ich kann nicht riskieren, dass jemand ge­ kidnappt wird. Wo wirst du dann fündig? In Indonesien und auf den Philippi­ nen, die sind in der Regel von Europa binnen 24 Stunden erreichbar. Ich bin seit zehn Jahren im Geschäft – bis heute gibt es keine Konkurrenz, weil es wenig rentabel ist. Oft vergehen Monate, um eine Insel klarzumachen. Wir zahlen den Besitzern Miete, ent­ schädigen Fischer und Kokosbauern für die Zeit, in der die Insel gesperrt ist, um diesen Zauber zu erleben, mutterseelenallein in der Natur zu sein. Und kaum ist alles unter Dach und Fach, zerreißt plötzlich einer den Vertrag vor deinen Augen, und du fängst wieder von vorne an. Was ist einfacher: mit Privatbesit­ zern oder Behörden verhandeln? Mit Behörden, weil es klare Anlauf­ stellen gibt. Bei Privateigentum ­fordern oft in letzter Minute noch weitere „Mitbesitzer“ Geld. Ist Schmiergeld ein Thema? Nein, damit würde ich mich erpress­ bar machen. In manchen Regionen und Kulturen wird Trinkgeld erwar­ tet, das ist okay. Bei unverschämten Deals breche ich ab. Mir geht’s einzig um die einsamen Inseln. Einen Rechtsstreit, das tu ich mir ganz ­sicher nicht an.

Jeder Quadratmillimeter Land auf dieser Welt gehört irgendjemandem. Alvaro Cerezo muss viel verhandeln – mit Einheimischen, Militär, Polizei.

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„Nach einer einsamen Insel schätzt du wieder, was du hast“, sagt Cerezo.

Woher rührt der Wunsch, un­ bedingt einsame Inseln zu finden? Meine Eltern hatten ein Ferienhaus an der Costa del Sol. Mit acht Jahren habe ich mich stundenweise davon­ geschlichen, um mit einem Floß die unberührten Buchten dort zu ­erkunden. Ich fühlte mich wie ein Entdecker, dachte: Wow, du kannst machen, was du willst. Und dann las ich historische Bücher, Tagebuch-Auf­ zeichnungen echter Schiffbrüchiger, die Notizen hatte man quasi neben ­ihren Skeletten gefunden. Diese ­Geschichten fesseln mich bis heute. Warum? Weil sie Pioniere waren. Und weil ich verstehen kann, was diese Erfahrung mit dir macht: Nach der Abgeschieden­ heit und Einsamkeit siehst du die Welt wieder mit neuen Augen. Man erlebt Hunger, Durst, Angst. Danach schätzt man wieder, was man hat. Einsame Inseln sind zudem wie eine Zeitreise. Die Natur ist dieselbe wie damals. Du kannst 1:1 nacherleben, was die Gestrandeten vor Jahrhunderten ­gefühlt haben müssen. Docast­away wirft zum Glück auch genug Geld ab, das Leben heutiger Cast­aways per ­Video zu dokumentieren. Wo findest du diese? Unterwegs hört man die wildesten Geschichten – und denen gehe ich nach. Ich habe etwa einen alten ­Japaner dokumentiert, der 29 Jahre lang nackt auf einer abgeschotteten Insel lebte. Oder David Glasheen, ­einen ehemaligen Finanzmanager aus Aus­tralien, der seit 20 Jahren wie Robinson Crusoe haust. Diese Storys werden viral, gehen um die Welt.

Was ist der längste Zeitraum, den du selbst auf einer einsamen Insel verbracht hast? Vier Wochen. Auf den Andamanen, östlich von Indien, ich war damals 19 Jahre alt. Das hat mich geprägt. Ich fühlte mich glücklich, wahnsinnig frei und absolut lebendig. Was hattest du an Equipment dabei? Viel zu viel. Medikamente gegen ­quasi alles. Beim Schwimmen band ich mir ein Messer ums Bein, falls ich mit einem Hai kämpfen müsste (lacht). Eine Gefahr sind das Meer und Stürme, ja. Aber sonst? Die Tier­ welt auf Inseln ist überschaubar: Krabben, Vögel, Spinnen, Echsen, Schlangen. Das Schlimmste, was dir passieren kann: Es fällt dir eine Kokosnuss auf den Kopf. Überlegst du, dir eine eigene Insel zu kaufen? Es wird mir irgendwann leider nichts anderes übrig bleiben. Wieso „leider“? Wenn ich will, dass so ein Kleinod er­ halten bleibt, muss ich mir wohl oder übel eine Insel zulegen. In Indonesien kriegt man sie zum Beispiel schon ab 100.000 Euro. Klingt doch leistbar – und nach einem gelebten Traum. Nicht für mich. Ich will nichts besit­ zen, mich nicht mit Bürokratie her­ umschlagen. Andererseits will ich mal auf einer einsamen Insel sterben … Vielleicht ist das also doch keine so schlechte Idee. Mehr Info: docastaway.com THE RED BULLETIN


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5 -M I N U T E N -C OAC H

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TIPPS G EG E N CULTURE C L AS H

„Wir sind alle Aliens“ Toro Rosso-Teamchef Franz Tost hat geschafft, woran andere grandios gescheitert sind: mit den Japanern von Honda erfolgreich zu kooperieren. Weil er weiß, wie man mit Menschen anderer Kulturen reibungsfrei zusammenarbeitet – und dennoch bekommt, was man will. 00:18

Ein Beispiel aus dem Jahr 1995, als ich Ralf Schumacher in der Formula Nippon betreut habe: Ralf saß morgens im Auto, war bereits angeschnallt und drückte in der Box probehalber das ­Gaspedal durch. Da merkte er, dass das Gasseil gerissen war: „My throttle cable is broken“, funkte er an den japanischen Ingenieur. „Hai!“, sagte der, was laut Wörterbuch „Ja“ bedeutet. Nach zehn Minuten des Wartens, ohne dass etwas geschehen wäre, kam die Aufforderung, den Motor zu starten. „Aber das Gasseil ist gerissen“, antworteten wir. „Hai!“, sagte der Japaner. Dieses Spiel wiederholte sich. Es stellte sich heraus, dass unser Gegenüber mit dem Wort „­ throttle cable“ nichts anfangen konnte, ihm ­seine Kultur aber verunmöglichte nachzufragen. Er hätte Unwissen als Blamage empfunden. Ich könnte viele solcher Episoden ­erzählen. Was ich also bei Toro Rosso einführte, nachdem klar geworden war, dass Honda unser neuer Partner ist: Stell sicher, dass dein Gegenüber weiß, wovon du sprichst. Kommuniziere einfach, in wenigen Worten mit simplen

Vokabeln. Das erspart den Japanern die Peinlichkeit, nachfragen zu müssen. Business ist kein Sprachwettbewerb. Und stelle durch gezieltes, höfliches Nachfragen sicher, dass deine Botschaft auch tatsächlich angekommen ist.

Ich habe in meinem Leben mit Menschen aus fünf Kontinenten gearbeitet. Junge Fahrer waren dabei weniger das Problem. Da reichte es in der Regel, die Eltern nach Hause zu schicken, um eine neutrale Kommunikationsbasis herzustellen. Es sind eher Konzernkulturen, die sich je nach Land hartnäckig unterscheiden. In der Zusammenarbeit mit Amerikanern geht es vorrangig um ­Zahlen, um Business, weniger um eine bestimmte Idee, während in Japan ­Loyalität wahnsinnig großgeschrieben wird. Japaner brauchen Vertrauen in den Partner, um mit ihm zusammenzuarbeiten. Du musst sie emotional streicheln. ­Negative Ausdrücke sind tabu, dafür kommst du – anders als in Europa – mit dem Konjunktiv weiter: „Wir könnten vielleicht …“, „Wäre es recht, wenn …“

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Lerne die Codes!

Schalte deinen Kultur-Filter ein!

Und damit meine ich nicht, ein paar Brocken cool in der Landessprache ­radebrechen zu können. Klar hilft das bisweilen und suggeriert guten Willen, aber es geht um die Feinheiten. Wo liegt die Grenze zwischen Höflichkeit und Ehrlichkeit? Wenn jemand meint, dass du gerade eine „interessante Idee“ ­geäußert hast, will er dir womöglich durch die Blume sagen, dass er dich für einen Volltrottel hält. Die Arbeit eines Japaners zum Beispiel darfst du nie ­direkt attackieren. Potenziell angriffige, auf die einzelne Person gemünzte Kritik bedeutet für den Beteiligten einen ­Gesichtsverlust, von dem er sich in seiner Gruppe nicht wieder erholt. Noch schlimmer wäre nur, einen Vorgesetzten vor seinen Untergebenen zusammenzuputzen. Wenn du also Kritik anbringen musst, wähle Zeitpunkt und Art. Beim Abendessen zu sagen: „Euer Motor ist gut, aber das Tempo der Entwicklung

03:37 THE RED BULLETIN

GETTY IMAGES, SAMO VIDIC/RED BULL CONTENT POOL WERNER JESSNER

Wirst du verstanden?

Bei der Arbeit mit Partnern aus dem arabischen Raum lohnt es sich, sich auf Stimmungsschwankungen und eine kurze Geduldsspanne einzustellen, während – vor allem in der Rennwelt – Engländer aufgrund ihrer Tradition ­gegenüber Mitteleuropäern oft Dünkel hegen. Das durfte ich in meiner Zeit bei BMW-Williams hautnah miterleben: Der bri­tische Partner hat sich gegenüber dem deutschen herrisch gegeben und ihn nicht in Entscheidungen ein­ bezogen – bis der den Stecker gezogen hat. Ein klassischer Fall von fehlendem Kultur-Filter. Sei dir also bewusst, wie dein ­Gegenüber tickt, um Augenhöhe her­zustellen. Und stell dir die Frage: Wie sieht mich der andere? Denn für ­irgendjemanden auf der Welt sind wir alle Aliens.


03:38

könnte vielleicht noch ein w ­ enig höher sein“, bringt mehr als rumzutoben. Dem Briten Frank Williams hingegen konnte ich als Vertreter von BMW durchaus ins Gesicht sagen, dass sein Chassis für den Mistkübel war, „Sir Frank“ hin oder her. Mehr noch: Ich musste es sogar, sonst hätte sich gar nichts geändert. Am ein­ fachsten ist Kommunikation mit Fah­ rern. Deren Mund ist der Gasfuß und mein Ohr die Stoppuhr.

04:13

Hol Profis ins Boot!

Franz Tost, 63, war selbst in Formel Ford und Formel 3 aktiv. Seit 2005 ist er Teamchef des Formel-1Rennstalls Toro Rosso.

Toro Rosso im Einsatz

Die Fahrer Daniil Kwjat und Alexander Albon kannst du von 28. bis 30. Juni beim Formel-1-Grand-Prix am Red Bull Ring in Spielberg erleben. Mehr Infos zum Programm auf Seite 92.

Etwas, was wir von den Japanern lernen konnten: Habe keine Scheu, mit Dol­ metschern zu arbeiten, um sprachliche Verluste zu minimieren. Da bricht – ­ anders als in Europa, wo sich jeder ein­ bildet, sprachlich fit zu sein – keinem ein Zacken aus der Krone. Wenn die gemein­ same Sprache, ob Englisch, Deutsch, Italie­nisch oder Japanisch, nicht trag­ fähig genug ist: Wozu gibt es Profis? Sie erlauben es, dass jede Partei auf dem dicken Eis der Muttersprache tanzt und präzise das ausdrücken kann, was sie meint. Um die korrekte Über­setzung kümmert sich der Profi. Der Teufel schlummert oft im Detail, und bevor sich etwa ein japanischer Entscheidungs­ träger die Blöße gibt, in der Öffentlich­ keit am Thema vorbeizureden, lässt er sich die Frage ganz einfach übersetzen. Das schließt Missverständnisse aus. Am Ende wollt ihr gemeinsam ein Ziel er­reichen. Je komplexer die Themen­ stellung, desto präziser muss Kommu­ nikation funktio­nieren, damit ihr nicht aneinander vorbeiredet.

05:00 THE RED BULLETIN

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DER RED BULLETIN UHREN-

HÄRTETEST in Kooperation mit dem „UHREN-MAGAZIN“

ZEITFAHREN Wenn sich dein Leben durch gewonnene Zeit definiert, hast du auch eine besondere Beziehung zu Uhren. Wir bringen Snowboard -Weltmeister BENJAMIN KARL ein paar besonders schöne Exemplare mit und gehen mit ihm mountainbiken. Text WERNER JESSNER  Fotos KONSTANTIN REYER

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VERSUCHSANORDNUNG Outdoor-Profi Benjamin Karl, ein Mountainbike, sieben PremiumUhren. Location: Lienz, Osttirol.


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Z

ehn Sekunden. Zehn Sekunden, schätzt Benjamin Karl, haben bislang den Unterschied ausge­macht. Ein paar Hundertstel hier, ein paar Zehntel da, die er in den wichtigen Rennen seines Lebens in Summe schneller war als die Konkurrenten. Diese zehn Sekunden haben ihn in den letzten 15 Jahren zum mehrfachen Snowboard-Weltmeister und Gesamt­ weltcup-Sieger gemacht, außerdem zum zweifachen Medaillengewinner bei Olympischen Spielen. Was bedeuten dir diese zehn Sekunden, wofür verwendest du sie, fragen wir den 1,85 Meter großen Modellathleten bei einer Pause an einem idyllischen See in seiner Wahlheimat im Osttiroler Lienz. Er schaut versonnen in die Gegend, denkt kurz nach und sagt dann: „Diese zehn ­Sekunden sind weit mehr wert als nur der gemessene Wert. Die Augen­ blicke, die ich früher im Ziel bin als meine Gegner, schenken mir Lebensqualität. Zeitvorsprung bedeutet in meinem Sport Erfolg, Geld, ein besseres Leben – und die Summe dessen schenkt mir noch mehr Zeit. Wenn ich mich als Weltcupsieger am Flughafen nicht in die Schlange stellen muss, sondern in die viel kürzere Priority Lane darf, zum Beispiel. Zeit zu finden wird niemals langweilig.“ Wir hatten einen kühnen Plan gefasst: Benny ist ja ein fantastischer Mountain­ biker, mit allen Wassern gewaschen und im Sommer quasi im Sattel zu Hause. Zeig uns doch die Strecke des Red Bull Dolomitenmann, haben wir gesagt, und wir bringen dir ein paar schöne, edle Sportuhren mit, mit denen du dich belohnen könntest, wenn du eines Tages die aktive Karriere als Snowboarder an den Nagel hängst. Benny, seit einem Jahr Vater nicht nur einer, sondern zweier Töchter, war 74

SCHNELLER DA

Benny Karl fährt sommers Mountainbike und Rennrad auf hohem Niveau.


„UND WENN ES NUR UM HUNDERTSTEL GEHT: ZEIT ZU FINDEN WIRD NIE LANGWEILIG.“

einverstanden, mit einer Ausnahme: „Dass ich bald aufhöre, das könnt ihr streichen. Als nächstes Ziel kommen einmal die Olympischen Spiele 2022 in Peking, aber ich möchte mindestens fahren, bis ich 40 Jahre alt bin.“ Das wäre dann im Jahr 2025, und es ist kein Wunder, dass Benny so gut im Saft steht, wie er es eben tut. Seine Off-Season dauert gerade einmal drei Wochen, im Sommer trainiert er unfassbare 20 bis 25 Wochenstunden, und besonders genießt er jene am Bike. „Die Gegend is ja wirklich a Traum“, grinst er unter dem Helm, „jede Menge Wegerl, und weil es bei uns immer gleich auf den Berg raufgeht, kommst du den Höhenmetern gar nicht aus.“ Womit belohnst du dich? „Mit der Abfahrt.“ Nein, im Leben. „Freizeit ist mir wichtig. Zeit mit der Familie.“ Weil du so viel Zeit totschlagen musst zwischendurch? „Nein, im Gegenteil. Einen Lang­ streckenflug kann ich total genießen. Zehn Stunden, in denen keiner etwas

von mir will. In denen ich unerreichbar bin und nur für mich sein kann.“ Materielle Dinge? „Klar habe ich gern schöne Dinge. Ich mag Autos. Meinen Audi RS4 liebe ich. Ein Lamborghini Huracán wäre die ultimative Selbstbelohnung. Und für Uhren bin ich auch anfällig.“ Offensichtlich. Das Glitzern in den ­Augen beim ersten Blick in unsere Schatzkiste war kaum zu übersehen, und Benny legt die Garmin MARQ Expedition seines Sponsors – eine alleskönnende Smartwatch, die sich elegant gibt – ab und greift nach und nach zu unseren mechanischen Zeitmessern mit sportlichem Touch. Als Erstes nimmt er die TAG Heuer Carrera Calibre Heuer 01 aus der Scha­ tulle, die teuerste und komplexeste Uhr im Feld: „Die ist schon sehr spektakulär.“ Ihm gefällt, dass man die Technik im Inneren sieht, auch die große, maskuline Form. Der Automatik-Chronograph ist eine Hommage an das Autorennen der Carrera Panamericana in Mexiko, aber ob sie mit ihrer dicken Krone und den beiden zusätzlichen Drückern auch am

3 UHREN ZWISCHEN SUPERSCHLAU UND UNIVERSELL 1 ORIS: ELEGANT

„Für mich die eleganteste Uhr im Feld, auch gut ablesbar. Kannst du direkt zum Anzug tragen – sofern du den Dreck vom Biken vorher abwischst.“ Oris Big Crown ProPilot Timer GMT; € 2 400,– oris.ch

2 GARMIN: SMART

2

„Ich bin parteiisch, da es die Uhr meines Sponsors ist, daher nur so viel: Garmin hat sich in den letzten Jahren extrem viele Gedanken gemacht, wie man Smartwatches verbessern kann. Ersetzt einen vollwertigen Bike-Computer.“

1

Garmin MARQ Expedition; € 1 750,–

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garmin.com

3 CERTINA: TOUGH

„Ich mag schwarze Gehäuse, das wirkt jugendlich. In Verbindung mit dem grünen Band prädestiniert für den Einsatz in der Natur. Ablesbarkeit: am besten!“ Certina DS Action GMT Powermatic 80; € 945,– certina.com THE RED BULLETIN

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BENNY KARL VERBRINGT DEN SOMMER IM SATTEL. SEINE BELOHNUNG? „DIE ABFAHRT.“

Mountainbike bequem zu tragen ist? Benny fürchtet blaue Flecken am Hand­ gelenk, genau wie bei den Modellen von Oris und Sinn. Die Sinn EZM 9 ist das vielleicht ro­ busteste Modell im Test, mit einem kratz­ festen Gehäuse aus hochfestem Titan und einer integrierten Trockenkapsel aus Kup­ fersulfat, die Luftfeuchtigkeit im Gehäuse aufnimmt. Zwar dräuen Regenwolken, aber noch scheint das Wetter zu halten, und überhaupt ist die Uhr bis 200 Meter Wassertiefe dicht. Wir sind damit für heute jedenfalls auf der sicheren Seite.

B

enny legt die Maurice Lacroix ­Aikon Venturer an: „Hat was von Rolex, finde ich. Ideal für Menschen, denen das ikoni­ sche Design gefällt, aber nicht der Premium-Preis.“ Mit 2190 Euro liegt die Maurice Lacroix tat­ sächlich noch im Budget für ganz beson­ dere Selbstbelohnungen, die ohne aufge­ löste Lebensver­sicherung auskommen. Das gilt in gleichem Maße für die nächste Uhr, nämlich für die Mühle

­ roMare Go, die Benny zuerst beinahe P links liegen gelassen hätte: „Die wirkt am Handgelenk völlig anders als auf dem Tisch. Liegt geschmeidig an, wie aus ­einem Guss.“ Don’t judge a book by its ­cover, das gilt auch für die Certina DS ­Action GMT Powermatic 80. Sie ist die günstigste Uhr im Testfeld, hat als einzige ein zusätzliches 24-Stunden-Display und schreit mit ihrem Military-Look richtiggehend nach hartem Einsatz: „Da bricht dir nicht gleich das Herz, wenn du damit stürzt.“ Ähnliches gilt für die Oris Big Crown ProPilot mit ihrem Stoffband, die sich Benny wegen ihrer Eleganz auch gut fürs Rennrad vorstellen kann. Er mag vor ­allem den kleinen Sekundenzeiger auf neun Uhr: „Durch das aufgeräumte Ziffer­ blatt ist diese Uhr im Gelände sehr ein­ fach ablesbar. Sehr praktisch.“ „Weißt du was“, sagt er ein paar TrailKilometer später, als wir wieder Pause machen, „ich war früher ein furchtbar ­unpünktlicher Mensch.“ Echt jetzt? „Ja, so auf die Viertel- oder halbe Stunde pünktlich.“

4 UHREN ZWISCHEN ELEGANT UND AUFFÄLLIG 1 MÜHLE: ZEITLOS

„Auf den ersten Blick noch unscheinbar, gewinnt sie am Hand­gelenk gewaltig. Wertig, sportlich und dennoch irgendwie klassisch.“ Mühle ProMare Go; € 1 890,– muehle-glashuette.de

2 MAURICE LACROIX: IKONISCH

„Das Kautschukband ist perfekt für den Sport. Die Uhr wirkt sehr robust und steckt vermutlich auch grobe Stürze weg. Würde ich dennoch eher im Alltag als zum Sport tragen.“

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Maurice Lacroix Aikon Venturer; € 2 190,– mauricelacroix.com

3 SINN: ROBUST

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4

„Wirkt schlicht, ist aber wegen ihrer Größe präsent am Handgelenk. Dank Titangehäuse fühlt sie sich am Handgelenk leichter an als gedacht.“ Sinn EZM 9 TESTAF; ab € 2 990,– sinn.de

4 TAG HEUER: SPEKTAKULÄR

„Optisch die sportlichste und bulligste. Schaut cool aus, fürs Mountain­biken allerdings zu massiv, da sie am Handgelenk scheuert. S ­ onst: sehr lässig.“ Tag Heuer Carrera Calibre Heuer 01; € 4 950,– tagheuer.com

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THE RED BULLETIN


DAS URTEIL DER PROFI -TESTER The Red Bulletin kooperierte bei diesem Test mit den Profis des deutschen „UHREN-MAGAZIN“. Hier das Urteil der stellvertretenden Chefredakteurin Martina Richter.

KARL KANN’S

„Wo soll ich fahren? Hier?“ Das motorische Talent wird auf dem Trail offensichtlich.

Und heute nicht mehr? „Nein. Das hat mir mein Schwieger­ vater ausgetrieben.“ Ah, Werner Grissmann. Ski-Abfahrts­ legende und Erfinder des Red Bull Dolo­ mitenmann. Ein Mann von so mächtiger Gestalt, dass man sich gar nicht vorstellen mag, in seiner Gegenwart unpünktlich zu sein. „Er sagt immer: Die Zeit hat kein Dep­ perter erfunden. Sie macht das mensch­ liche Zusammenleben einfacher, und das stimmt wirklich. Zeit hält unser Sozial­ leben zusammen. Heute bin ich maximal zehn Minuten zu spät dran – oder ich bin ohnehin pünktlich.“ Dass gute Uhren Pünktlichkeit er­ leichtern würden, verneint Karl: „Du schaust vielleicht öfter drauf, weil sie dir gefällt, aber Pünktlichkeit ist eine ­innere Einstellung.“ Wir landen also doch wieder bei der mechanischen Armbanduhr als ultima­ tiver Belohnung: „Ein Porsche 911, eine schöne mechanische Uhr: Das sind so Meilensteine im Leben eines Mannes. Als ich zum ersten Mal Weltmeister ge­ worden bin, wollte ich mir eine besondere Armbanduhr gönnen. Das Modell, das mir wirklich, wirklich gefallen hat, hätte aber 25.000 Euro gekostet. Weil ich da­ mals das Haus umgebaut habe, habe ich das Geld dann doch in ein paar Zement­ säcke investiert.“ Jetzt, da dieser Ballast von ihm ab­ gefallen ist, kann man davon ausgehen, dass ihm unsere Uhren eine Anregung für künftige Selbstbelohnung sein werden. An Gelegenheiten sollte es nicht mangeln. Next Stop: Snowboard-WM 2021 in Zhangjiakou, China. THE RED BULLETIN

„DA BRICHT DIR NICHT GLEICH DAS HERZ, WENN DU DAMIT STÜRZT.“

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nabhängig vom Mountainbiken stellen sich in diesem Test sieben robuste Sportuhren vor, die allesamt für Outdoor-Aktivitäten geeignet sind. Das zeigen sie allein schon mit ihren durchweg stabilen Gangwerten, denen auch Erschütterungen beim Biken nichts anhaben konnten. Im Schnitt laufen alle stabil, auch wenn die Sinn Spezialuhr ein bisschen nach- und die Mühle ein bisschen vorgeht. Bei der Mühle Pro Mare Go kann ich das ­Urteil von Benjamin Karl nur unterstützen: Die Uhr hat eine optimale Größe und dabei ein stabiles und bis 30 bar druckfestes Gehäuse, eine geschützte Krone, eine vielseitig einsetzbare Drehlünette und ist bestens ablesbar.

Letzteres gilt auch für die Spezialuhr Sinn EZM 9 TESTAF, die zudem mit Technologien glänzt, die sie zu einem professionellen ­Gerät machen, z. B. Oberflächenhärtung, Trockenhaltetechnik und Temperaturresistenz. Für den kleineren Geldbeutel kommt die ­Certina DS Action GMT Powermatic 80 infrage, die mit e­ inem modernen Uhrwerk und coolem Outfit aufwartet. Wer es etwas edler mag, greift zur Oris Big Crown ProPilot Timer GMT, muss aber die Größe von Gehäuse und Krone in Kauf nehmen, was den einen oder anderen gelegentlich stören könnte. Auch die Maurice Lacroix Aikon Venturer hat alles, was eine Sportuhr braucht: ein bis 30 bar druckfestes Gehäuse, eine funktionale Drehlünette und ein hochwertiges Kautschukband inklusive funktionalem Bandschnellwechselsystem. Die TAG Heuer Carrera Heuer 01 ist die ­einzige Uhr mit Stoppfunktion in diesem Testfeld. Ihr durchbrochenes Zifferblatt muss man nicht nur mögen, sondern man muss auch mit dem Kompromiss leben, dass dadurch die Ablesbarkeit beeinträchtigt ist. Wen das nicht stört, der ist auf jeden Fall mit einer ausdrucksstarken Sportuhr unterwegs, die trotz ihrer Opulenz gut am Handgelenk sitzt.   77


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Was Paul Guschlbauer für das Flug-Abenteuer Red Bull X-Alps braucht SEITE 84

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Enduro-Ass Wade Young bringt dich für deinen nächsten O≠road-Trip in Form.

EVENTS

Von Beachvolleyball bis Formel 1: Top-Termine der nächsten Wochen SEITE 90

SEITE 88

REISEN

Hohe Aufstiege, tiefe Einblicke: beim ersten Ultramarathon des Sultanats Oman

MARK LLOYD/LLOYD IMAGES

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THE RED BULLETIN

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Reisen

Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt: einer der 326 Ultraläufer in einem Canyon beim Dschabal Achdar

HIER KOMMEN AUFSTEIGER AUF IHRE KOSTEN

SIGHTSEEING ­EXTREM IM OMAN Der erste Ultramarathon des arabischen Sultanats würzt 137 Kilometer mit 7800 Höhenmetern. Und tiefen Einblicken in die menschliche Seele.

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s ist fünf Uhr früh, als wir von unserem Felsvorsprung am Dschabal Achdar, Omans „Grünem Berg“, erste tanzende Lichter sehen, drüben am weit entfernten Gegenhang. Die Spitzengruppe des „Oman by UTMB“ hat also die 82-Kilo­

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meter-Marke erreicht. Insgesamt sind es 137 Kilometer, die bei diesem ersten Ultra-Bergmarathon des Sultanats zurückzulegen sind – über mehr als 7800 Höhenmeter, entlang verlassener Dörfer und verwilderter Palmenplantagen, über kaum begehbare Gebirgs­

Der Führende Jason Schlarb auf dem Alila-Hotel-Klettersteig

THE RED BULLETIN


Oman

REISETIPPS

ORIENTIERUNG FÜR ORIENT- ROOKIES Die wichtigsten Infos für deine erste Oman-Reise auf einen Blick.

Historisch: Die Spitzengruppe passiert die Ruinen von Birkat al-Mouz.

Der Dschabal Achdar liegt 150 Kilometer von Maskat, Omans Hauptstadt, entfernt. In diesem Teil des Hadschar-Gebirges befindet sich die histo­ rische Heimat des alten ­Bani-Riyam-Stammes. Wirklich einzigartig: das fruchtbare Saiq-Plateau mit eigenem Mikroklima in 2000 Meter Seehöhe.

Maskat Saiq-Plateau

Oman

GELD

MARK LLOYD/ LLOYD IMAGES, TEST4OUTSIDE.COM

LOU BOYD

Alles im Blick: Die Crew von UTMB erwartet die Ankunft der Teilnehmer.

pfade und durch ausgetrocknete Flussbette, sogenannte Wadis. Der Startschuss fiel im Dorf ­Birkat al-Mouz. Zehn Stunden später hat erst eine Handvoll Teilnehmer mehr als 50 Kilometer ge­ schafft. Ein Drittel des Teilnehmer­ felds hat bereits aufgegeben und wartet darauf, von den Veranstaltern eingesammelt zu werden. Wir erwarten die Läufer an einem atemberaubenden Aussichtsplatz. Nur die Besten der Besten werden bis Sonnenaufgang bei uns angelangt sein. Zu ihnen ist das Rennen vergleichsweise gnädig, denn wer mehr als rund 50 Kilometer hinter ihnen liegt, wird sich auf eine zweite Nacht am Trail gefasst machen müssen.

THE RED BULLETIN

„Ich habe jedes Mal geweint, wenn ich oben auf einem Berg angekommen bin.“ Als sich die Sonne langsam über die Berge schiebt, tauchen als Erste Jason Schlarb und Diego P ­ azos in unserem Blickfeld auf. Sie klettern den anspruchsvollen Steig herauf zu uns. Ein kurzes Lächeln, ein Wink im Vorbeilaufen, schon sind sie wieder weg. Vor ihnen liegen noch zehn harte Stunden. Der erste Ultra-Bergmarathon im Oman ist professionell aufge-

OMANISCHER RIAL 1 Rial = 1000 Baisa 1 Euro = 0,43 Rial

ESSEN MADSCHBŪS Gericht mit Reis, ähnlich dem indischen Huhn Bir­ yani. Das Fleisch (Huhn, Lamm oder Fisch) wird ­gewürzt und mariniert. MASCHWI Königsmakrelen, mit Öl und Gewürzen eingerieben, geröstet, mit Reis und Cashews serviert. QAHWA Bitterer Kaffee mit ­Datteln. Darf bei einer Ein­ ladung nicht abgelehnt werden. Schüttle die Tasse, wenn nicht mehr nach­ geschenkt werden soll.

ARABISCH-TALK Marhaban! Schukran! Mā ismuk? Ismi …

Hallo Danke Wie heißt du? Mein Name ist … Anā lā afham Ich verstehe nicht Na’am Ja Lā Nein

WISSEN Die ältesten Funde menschlichen Lebens im Sultanat Oman sind 106.000 Jahre alt. Nichtmuslime mit Auf­ enthaltsvisum dürfen mit einer Lizenz Alkohol kaufen, doch nur bis zu zehn Prozent ihres Verdiensts. Mehr als 43 Prozent der 4,6 Millionen Einwohner im Oman sind Gastarbeiter.

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Reisen

Oman

HÄRTETEST

GENUG MUMM FÜR DEN OMAN?

Bereit für deinen härtesten Trail Run aller Zeiten? Hier sind die Schlüsselstellen, die dich an deine Grenzen bringen werden. 3

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3 ALILA HOTEL (82 km) Nach 80 Kilometern ­erwartet dich ein 100 ­Meter langer, mit Stahlseilen gesicherter Klettersteig. Helm und Gurt bereithalten!

2 1 SALŪT (25 km) Geh die ersten 25 Kilo­ meter nicht zu locker an: Aufgrund des Zeitlimits Start musst du um Mitter­ nacht am Kontrollpunkt sein, nur fünf Stunden nach Rennbeginn. 4 BALAD SAYT (116 km) Auf 3 Kilometern sind 1116 Höhenmeter zu b ­ ewältigen – einer der anspruchs­ vollsten ­Abschnitte in der Ultralauf-Geschichte.

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Lone Ranger: Ein Vorläufer checkt vor dem offiziellen Rennen die Strecke.

zogen: Innerhalb von fünf Monaten plante und befestigte die in Chamonix beheimatete Crew von UTMB (Ultra-Trail du Mont-Blanc) die Route, holte etliche der weltbesten Ultraläufer an den Start und steckte den Kurs mit unglaublichen 22.000 farbigen Markierungen ab. Landestypische Überraschungen gibt es unterwegs dennoch zuhauf: etwa unerwartet auftauchende Haarnadelkurven neben tiefen Abgründen oder frisch gefurchte Gräben am Trail, eine Folge vor kurzem aufgetre­ tener Hangrutsche. Sie sorgen ­besonders nachts für Schock­ momente, wenn alles a ­ ußer dem schmalen Kegel der Stirnlampe im Stockdunkeln liegt. In der Stadt al-Hamrā’ überqueren am nächsten Tag nur 142 der 326 Starter die Ziellinie; der letzte Läufer mit einer Zeit von etwas über 45 Stunden. Sie liegen erschöpft am Boden, bei vielen sind die Schuhe von den wundgeriebenen Füßen blutig. Ein wenig später beginnen sie, Geschichten von unterwegs zu erzählen. „Ich habe jedes Mal geweint, wenn ich oben auf einem Berg angekommen bin“, sagt ein Läufer, der gerade noch innerhalb des Zeitlimits angekommen ist.

Die unmenschlichen Strapazen in Omans spektakulärer Berg­ kulisse brachten aber auch zutiefst Menschliches hervor. Schlarb und Pazos, über große Teile des Rennens härteste Konkurrenten, beendeten den UltraBergmarathon Arm in Arm und feierten nach 20 Stunden einen Ex-aequo-Sieg. „Zuerst kämpften wir gegeneinander“, sagt Schlarb, „dann nur noch gegen die Strecke. Am letzten Anstieg sprachen wir uns gegenseitig Mut zu. Jeder motivierte den anderen, nicht lang­ samer zu werden. Nach der langen gemeinsamen Zeit wollte keiner von uns allein zurückbleiben.“ Pazos ergänzt: „Wir brauchten einander. Es fühlte sich richtig an, zusammen im Ziel einzulaufen.“ Nach der starken Premiere will Omans Ultramarathon 2019 von 28. bis 30. November noch einen Gang zulegen. Die längste Strecke wird über 170 Kilometer und den höchsten Berg des Landes gehen, den gut 3000 Meter hohen Dschabal Schams. Dagegen wirkt die neue Schnupper-Variante für Einsteiger über 50 Kilometer fast wie ein Sonntagsspaziergang. Für den Oman by UTMB 2019 kann man sich noch anmelden: omanbyutmb.com/registration

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LOU BOYD

1 AL-MU’AYDIN (12 km) Beim ersten Anstieg ist es noch völlig dunkel. Pack zwei voll auf­ geladene Stirnleuchten in deinen Rucksack.

MARK LLOYD/ LLOYD IMAGES

Ziel



Ausrüstung FLUG-BEGLEITER

MEIN HANDGEPÄCK Von Salzburg nach Monaco zu Fuß und per Gleitschirm – das ist Red Bull X-Alps. Was für die abenteuerliche Alpen­ überquerung nötig ist, zeigt uns der Steirer Paul Guschlbauer, der 2019 zum sechsten Mal am Start ist.

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PATRICIA WEISSKIRCHNER, ZOOOM.AT/HOLGER VÄTH

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guide

1. FUNKTIONSKLEIDUNG. Leichte Stoffe für die Speed-­ Hiking-Abschnitte, dickere für die Flugphasen. Vor dem Ab­ heben wechsle ich Jacke, Shirt, Hose, Unterhose, alles.

13. BANDANA. Wo wir fliegen, ist es auch im Juni richtig kalt.

2. RENNTRIKOT. Muss ich beim Fliegen über der Jacke tragen.

15. REFLEKTOR. Von Recco. Auf den Helm geklebt hilft er, mich im Notfall leichter zu finden.

3. HAUBE. Wir passieren einige 4000er, erwarten bis zu minus zehn Grad. Trage ich auch unter meinem nicht isolierten Helm.

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4. GPS-TRACKER. Basis, um uns live zu verfolgen. Für Funklöcher haben wir zudem noch einen ­Satelliten-Tracker. Auf das Gerät von Flymaster klebe ich auch meine Leitsätze: „Locker bleiben! Könnte ich höher fliegen? Habe ich Spaß?“

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5. SHIRT. Zum Wechseln – aus der aktuellen Red Bull X-AlpsKollektion von Salewa. 6. RUCKSACK. 2015 habe ich ­einen selbst genähten verwendet. Der hielt gerade bis Renn­ ende. Dieses Modell habe ich mit Salewa und skywalk entwickelt.

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7. SONNENBRILLE. Ich setze seit Jahren auf adidas eyewear, manchmal mit orangen Gläsern, um die Kontraste an den entstehenden Wolken besser zu sehen. 21.

8. UHR. Diese Smartwatch von Suunto zeigt nicht nur die Zeit, sondern auch die Linie einer ­zuvor eingespielten Route.

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9. SNACK. Wir Athleten ver­ brennen bis zu 6000 Kalorien pro Tag. Während des Flugs esse ich viele Energieriegel und -gels. 10. SMARTPHONE. Ein Alles­ könner, auch für uns: um Kontakt zum Team zu halten, zum Kartenlesen und als GPS-Tracker.

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11. KAPPE. Nicht nur Werbe­ träger. Mit der Sonne ist nicht zu spaßen (siehe auch Punkt 17). 24.

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THE RED BULLETIN

12. RED BULL. Koffein wirkt bei mir nicht wirklich. Das Taurin hält mich aber wach.

14. HELM. Essenziell vor allem während der zehn Sekunden bei Start und Landung, wo du nahe am Boden viel Schwung hast.

16. GOPRO. Die Kamera wird am Helm fixiert. Wir sind verpflichtet, täglich einige Minuten Videomaterial abzugeben. 17. SONNENCREME. Man glaubt es kaum, aber Sonnenbrand auf den Lippen zählt zu meinen größten Verletzungsgefahren. 18. HANDSCHUHE. 10-StundenFlüge – und die Hände stets im Wind. Noch Fragen? 19. GLEITSCHIRM. Kompromiss aus geringem Gewicht (3,7 kg) und hoher Gleitleistung. Vierte Generation des skywalk-Modells. 20. TRINKBLASE. Zu Fuß habe ich maximal 0,5 Liter bei mir. Den Rest bekomme ich von ­meinen Supportern. Auf langen Flügen führe ich mehr mit. 21. POWERBANK. Das Handy ist im Flug im Dauereinsatz, ohne Powertraveller wird’s knapp. 22. GELD. Landest du bei einer Almhütte, kannst du dort für ein paar Euro gut essen. Mit einem 50er sogar in der Schweiz. 23. FALTSTÖCKE. Speed-Hiking-Must-haves von Dynafit. 24. URINALSYSTEM. Antwort auf eine der häufigsten Fragen: Kondom + Schlauch + Loch im Socken = Erleichterung im Flug. 25. SOCKEN. Loch? Siehe oben. 26. GURTZEUG. Hier wiege ich alles ab, wechsle Karabiner gegen Stoffschlaufen. Früher dreimal so groß, heute inkl. Reserveschirm nur 2,6 kg schwer. 27. LAUFSCHUHE. Speed Beat von Salewa mit Gore-Tex.

Alles wieder ­ein­gepackt: Paul Guschlbauer im Audi e-tron, seinem offiziellen SupportFahrzeug während Red Bull X-Alps. redbullxalps.com

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Food

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LIFESTYLE

FEIERN MIT STIL

Weil man regelmäßig aufs Leben und sich selbst anstoßen sollte …

Handliche Happen: Salat-Tacos mit Sticky-Pork-Füllung

CHEERS! Flaschenöffner „Meer­ jungfrau“. Schön anzu­ sehen, und der Rettungsring knackt Kron­korken aller Art. radbag.at

FINGERFOOD-REZEPT

PARTY-SCHWEINEREI Spontanes Sommerfest? Diese Salat-Tacos mit glasiertem Cola-Schwein kriegst du sogar ohne Kochtalent gebacken.

FÜR DIE TACOS 1 Salatherz, 1 Radicchio, 2 Karotten, etwas frischer Koriander FÜR DIE MARINIERTEN GURKEN 3 Mini-Gurken, 1 daumengroßes Stück Ingwer, 2 EL Reisessig, Salz FÜR DAS STICKY PORK 350 g Schweinebauch, 1 EL neutrales Öl (z. B. Rapsöl), 1 Dose Organics by Red Bull Simply Cola, 2 EL Honig, 2 EL Sojasauce, 1 Prise Chiliflocken, etwas Salz

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Jetzt am Kiosk: Mehr Fingerfood-Ideen und Cocktail­ rezepte gibt’s im ORGANICS Magazin, der Feel Good ­Edition von The Red Bulletin.

RUNTER DAMIT! Shotgläser aus Himalajasalz. Ideal für Drinks, die nach ­einem leichten Salz­ geschmack verlangen, zum Beispiel Tequila. radbag.at

ABGEHOBEN Cocktailshaker „Rocket“ von Viski mit 700 Milli­ liter  Fassungsver­mögen. Shake it, baby! amazon.de

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KEVIN ILSE

ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN

So geht’s: 1. Die Gurken in feine Scheiben schneiden, gründlich salzen und für 15 Min. ziehen lassen. 2. Den Ingwer schälen und fein würfeln. 3. In einer Schale Gurken, Ingwer und Reis­essig ver­mischen und kalt stellen. 4. Salatblätter waschen, Karotten in feine ­Streifen schneiden. 5. Schweinefleisch in ca. 1 cm breite Streifen schneiden und leicht salzen. 6. Öl in einer Pfanne erhitzen, das Fleisch von allen Seiten scharf knusprig anbraten. Mit Organics Simply Cola ablöschen, Honig, Sojasauce und Chili unterrühren und reduzieren. 7. Salatblätter mit einem Küchentuch trocken tupfen und mit etwas Fleisch, Karotten, den eingelegten Gurken und Koriander füllen.

KEVIN ILSE

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ommerfeste haben ihre Tücken. Will man grillen, muss man sich erst mal der Diskussion „Gas oder Kohle“ stellen. Danach treibt einen die Fachsimpelei zum Thema Glut und Fleischfaserschnitt in den Wahnsinn. Insofern verdient unser Taco-­ Rezept einen Diplomatiepreis: Es ist schnell in der Pfanne gemacht, liegt dank der SalatWraps nicht schwer im Magen, und das glasierte Cola-Schwein vereint Süßes und Saures auf wunderbare Weise. Mahlzeit!



Fitness

WADE YOUNG

FIT WIE EIN HARD-ENDURO-PROFI Motorrad-Rallyes im Gelände verlangen ihren Teilnehmern alles ab. Südafrikas Ausnahmetalent Wade Young erklärt, wie du dich für lange O≠road-Ausfahrten in Form bringst. Zum Beispiel für die Destination Red Bull-Reise nach Lesotho.

Gelände-Seriensieger mit 23: Enduro-Ass Wade Young.

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omen est omen: Beim Hard Enduro kommen nur die Harten durch, und mit 23 Jahren zählt er bereits zu den Härtesten: Wade Young (schon wieder so ein Namens-Omen) gewann zahlreiche Rennen als Jüngster der Geschichte – darunter das Roof of Africa 2012. Sein Erfolgsgeheimnis? „Mentaltricks und eine starke Körpermitte“, sagt der Südafrikaner, den du bei Destination Red Bull exklusiv treffen kannst (siehe Kasten). Hier seine Tipps, um längere Fahrten auf der Enduro-Maschine durchzustehen.

Tipp 1: Trainiere auf zwei Rädern

„Kondition ist alles, gerade bei mehrtägigen Wettkämpfen.

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Vor einem Rennen trainiere ich täglich acht Stunden: vier am Fahrrad, vier am Motorrad. Klar könnte ich auch joggen gehen, doch je mehr Zeit ich auf zwei Rädern verbringe, desto fitter bin ich für das, was mich an Hindernissen und Überraschungen im Rennen erwartet.“

Tipp 2: Bleib in Balance

„Krafttraining bringt mir wenig – ich bin von Natur aus kräftig. Im Fitnessstudio setze ich auf Core-Training. Eine stabile Körpermitte ist wichtig, um gegen die ständigen Erschütterungen beim OffroadFahren anzukommen, und für eine gute Balance. Apropos: Ab und zu mit Freunden ab­ zuhängen, Musik zu hören (Deep House!) oder fischen zu gehen muss zum Ausgleich genauso sein. Sonntags werfe ich zudem meine Low-CarbDiät über den Haufen und esse, ­worauf ich Bock habe.“

Tipp 3: Schone dein Hinterrad

„Auf der letzten Rille zu fahren fordert nicht nur das Material – es kostet auch dich viel Kraft. Ich sag immer: Kämpfe nicht gegen dein Motorrad,

schone dein Hinterrad. Auf der kurzen Strecke macht dich das vielleicht nicht schneller, aber beim Hard Enduro zahlt es sich aus, bis am Schluss Grip und Energie zu haben.“

Tipp 4: Führe Selbstgespräche

„Bin ich körperlich fit, fühle ich mich auch geistig fit. Zwangsläufig lässt die Konzentration aber nach einigen Stunden nach. Sobald ich merke, dass meine Gedanken abschweifen, führe ich Selbstgespräche. Ich rede mir dann positiv zu, sage Dinge wie: Hey, du packst das! Bei dem Motorenlärm hört mich sowieso niemand, und mir hilft es, zu mir zurückzufinden.“

Tipp 5: Stell dir die Qualen der Gegner vor „Wenn ich an meine körperlichen Grenzen stoße, stelle ich mir vor, wie es meinen Gegnern gerade so geht. Ich vermute: Sie sind mindestens genauso im Eimer wie ich, denn es gelten ja für alle dieselben Bedingungen. Dieser Gedanke weckt meinen Ehrgeiz. Ich will allen beweisen, dass ich noch länger durch­ halten kann!“

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guide

DESTINATION RED BULL

AUF DEM BIKE DURCHS KÖNIGREICH

„Ich führe Selbstgespräche am Motorrad. Bei dem Lärm hört mich ohnehin niemand.“ Wade Young, hier beim Training in Antalya, über Selbstmotivation

LUKASZ NAZDRACZEW/RED BULL CONTENT POOL, ALFRED JÜRGEN WESTERMEYER/RED BULL CONTENT POOL

NINA TREML

BLAGOVESTA BAKARDJIEVA

Bei Destination Red Bull reist du mit Athleten und Legenden. Dieses Mal: o≠road durch Lesotho.

DEINE REISE Entlang der Route der legendären Roof of Africa Rallye erkunden (maximal vier) Teilnehmer von 25. November bis 2. Dezember die spektakuläre Natur Südafrikas und des bergigen Königreichs ­Lesotho auf dem Motorrad. O≠road-Legende Alfie Cox begleitet dich als kundiger Reise-Guide und Coach. Im Programm dabei: Übernachtung entlang der Route, ein Meet & Greet mit EnduroSuperstar Wade Young, eine Leih-KTM 1090 Adventure R, das Begleitfahrzeug für zusätzliches Gepäck und der Besuch des Safariparks Gwahumbe.

DEIN REISE-GUIDE Alfie Cox, Jahrgang 1963, ist eine Legende im Gelände. Der zähe Südafrikaner war jahrelang KTM-Werksfahrer und hat das Roof of Africa neunmal gewonnen – Rekord! Kaum ein Rennen, das der Schnauzbartträger aus­ gelassen hätte: Bei acht Dakar-­ Starts stand er dreimal am Podest. 1995 gewann er das erste Red Bull Hare Scramble am Erzberg.

Noch mehr Reisen, Infos und Buchungen unter:

destination.redbull.com oder  +43/664/88 11 07 06

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Events

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Juni Sound-Trip im Rosengarten Julia Holters Musik ist nichts für Menschen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne. In ihren mäandernden Songs mixt die 34-jährige US-Amerikanerin LSD-getränkten Sixties-Pop mit Barockklängen und Elektronik. Das klingt so einzigartig abgedreht, dass ihr die Musikpresse seit Beginn ihrer Karriere zu Füßen liegt. Perfektes Ambiente für den akustischen Trip: die grüne Open-Air-Location am Pöstlingberg in Linz. Rosengarten, Linz; juliaholter.com

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Juni Das Schöne am Scheitern Fuckup Nights sind Veranstaltungen, bei denen sich erfolg­ reiche Unternehmer auf die Bühne stellen und über ihre größten Fehler bzw. die Learnings daraus sprechen. Serial Entrepreneur Dejan Stojanović hat die Event-Serie von Mexiko nach Wien geholt und inszeniert deren 25. Auflage als spezielle „Summer Edition“ – mit Party. Volksgarten, Wien; fuckupnights.at

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Juli Vom Keller in den Rock-Olymp 2013 wurden The 1975 vom „NME“-Magazin zur schlech­ testen Band des Jahres gekürt, drei Jahre später feierte dieselbe Zeitschrift das zweite Album („I Like It …“) des Rock-Quartetts als Scheibe des Jahres. Auch beim Publikum schlug sie ein: Platz 1 in den USA und England. In Wien testen die Briten nun neue Songs ihrer im Sommer erscheinenden, vierten Platte an. METAStadt, Wien; the1975.com

31 WOAM SANDALLE SIND Juli bis 4. August

Zum A1 Major Vienna presented by Swatch kommt die Beachvolleyball-Weltelite wieder nach Wien. 2500 Tonnen Sand verwandeln die Turnier-Area auf der Donauinsel in einen riesigen Spielplatz für Profis und Zuseher. In der Arena bringen die Stars um Clemens Doppler und Alex Horst (Bild) bis zu 8000 Fans zum Kochen, im Beach Village mit Pool und Bar in der ORGANICS by Red Bull Area wartet dann die passende Abkühlung.

12 90

JOERG MITTER/ BEACH VOLLEYBALL MAJOR SERIES/RED BULL CONTENT POOL, FRASER BRITTON/CRANKWORX 2019, RED BULL ILLUME 2016

Donauinsel, Wien; beachmajorseries.com

bis 16. Juni Party mit Pedalen Mehr Mountainbike geht kaum. Beim Crankworx-Stopp in Innsbruck können Zuschauer den Meistern ihres Fachs in den Disziplinen Whip-Off, Pumptrack, Downhill (Bild), Slopestyle und – neu im Programm – Dual Slalom auf die Pedale schauen. Daneben gibt es wieder Be­ werbe für Amateure und Kids sowie ein üppiges Rahmenprogramm mit Workshops, Yogaklassen, Tech Talks und jeder Menge Live-Musik. Bikepark Innsbruck; crankworx.com

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guide

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31 MEISTER DES MOMENTS Juli

Nach drei Jahren Pause ist Red Bull Illume, der weltgrößte Fotografie-Wettbewerb für Action- und Abenteuersport, zurück. Gelingen auch dir so spektakuläre Bilder wie das abgebildete, solltest du deine Aufnahmen einschicken. Eine renommierte Jury wählt Sieger in elf Kategorien, die dann im November bei der großen Gala feierlich prämiert werden. Alle Infos unter: redbullillume.com

Die beste

• Mopedführerschein • Fahrsicherheitstraining Pkw und Motorrad für Mehrphasen-Führerschein • Perfektionsfahrt Motorrad • Aufstiegspraxis Motorrad

Ausbildung von Anfang an

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G 0809_19

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Für aktives Fahren


Events

guide

28. BIS 30. JUNI

FORMEL 1 AM SPIELBERG: DAS VOLLGAS-FESTIVAL Die Königsklasse des Motorsports ist wieder zu Gast am Red Bull Ring. Und das bedeutet für die Zuseher nicht nur packende Renn-Action, sondern auch ein Showprogramm, das alle Begrenzungslinien sprengt. Max Verstappen und Co garantieren auch heuer enge Rad-an-Rad-Duelle.

RAHMEN­ PROGRAMM

MEHR PFERDESTÄRKEN

Spektakel zwischen Supercars und Superstars – hier gibt’s volle Power.

LUFT-STÜRMER Die Flying Bulls sorgen mit ihrem Geschwader dafür, dass am Samstag „in die Luft schauen“ eine ganz andere ­Bedeutung bekommt.

Mit Max auf Du und Du

Auf kaum einer anderen Strecke bekommen Fans einen so direkten Einblick in den Sport und Zugang zu den Idolen: ob beim Public Pitlane Walk durch die Boxengasse oder dem

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Styria Green Carpet mit Teamchefs und Fahrern, allen voran Vorjahres­ sieger Max Verstappen.

Motorsport en masse

Neben der Formel 1 (der Grand Prix startet am 30. Juni um 15.10 Uhr) gibt es auch in den Klassen Formel 3, Formel 2 s­ owie im Porsche Mobil 1 Cup Racing vom Feinsten. Und wer auf noch stärkere ­Motoren abfährt, kommt bei der Flugshow der ­Flying Bulls garantiert auf seine Kosten. Alle Informationen und Tickets unter: projekt-spielberg.com

WARM-UP

Zwei Termine für alle, die es nicht erwarten können 26. 6.: SHOWRUN Max Verstappen erobert mit seinem F1-Boliden den Grazer Schloßberg. 21.  – 29. 6.: SHOWCAR Im Murpark bei Juwelier Herzog gibt es einen Toro Rosso zu sehen. Und die passenden EDIFICE-Uhren.

RENN-LEGENDEN Mark Webber, Gerhard Berger und Co geben bei der Legends Parade am Sonntag in Supercars wie dem Lamborghini Aventador SVJ Gas.

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GETTY IMAGES, GETTY IMAGES/RED BULL CONTENT POOL, JOERG MITTER/RED BULL CONTENT POOL, PICTUREDESK.COM

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eeindruckende 185.000 Fans pilgerten im letzten Jahr zum Formel-1-Wochen­ ende nach Spielberg. Fast ebenso beeindruckend ist es, dass der Event trotz dieser Besucherzahlen ein „Motorsportfestival zum Anfassen“ blieb – und auch 2019 bleibt.

MUSIK-GIGANTEN Neben den Country-­ Rockern von The BossHoss bringen Wanda und Thorsteinn Einarsson am Samstag das Publikum auf Touren.


THE ULTIMATE EXPERIENCE IN MOUNTAIN BIKING

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at Bikepark Innsbruck

©ITS/shootandstyle.com/Mathäus Gartner

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WATCH ON and Crankworx.com

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INNSBRUCK

WHISTLER


Entertainment

RAKETEN AUF RÄDERN

Das Duell um den wich­ tigsten Enduro-Titel, hals­ brecherischer Skater-Wahn­ sinn und Amerikas härteste MX-Serie: drei der vielen Red Bull TV-Highlights im ­nächsten Monat.

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Dieses Mal auf ­Titelkurs: der Ire Greg Callaghan

Juni   PREMIERE

ON TRACK MIT GREG CALLAGHAN

Zuletzt begleitete die legendäre Red Bull-TV-Serie „On Track“ den Aufstieg des US-Mountainbikers Curtis Keene. Jetzt ist Greg Callaghan an der Reihe, der erste Ire, der die Enduro World ­Series gewinnen könnte. Gezeigt wird hautnah, wie der 27-Jährige hinter den Kulissen mit dem permanenten Auf und Ab am Weg zu seinem möglicherweise größten Erfolg umgeht.

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Juni   LIVE

RED BULL ROLLER COASTER MUNICH MASH

Red Bull TV ist deine g ­ lobale digitale Destination für Entertainment abseits des Alltäglichen, empfangbar rund um die Uhr an jedem Ort der Welt. Geh auf redbull.tv, hol dir die App oder connecte dich via Smart-TV. Alle Infos: redbull.tv

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Juli   PREMIERE

MX NATION SEASON 5

Hinter den Kulissen der Lucas Oil Pro Motocross Championship: Die sechsteilige Serie stellt die besten Fahrer vor und beleuchtet ihren stressigen und gefährlichen Alltag zwischen Training und Rennstrecke.

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FLO HAGENA/RED BULL CONTENT POOL

SO SIEHST DU RED BULL TV ÜBERALL

Wer Red Bull Roller Coaster gewinnen will, muss Transition-Skateboarden genauso gut draufhaben wie Street-Tricks. Auf die Skater wartet ein DownhillSlopestyle-Kurs mitten im Münchner Olympiapark.


P RO M OT I O N

must-haves

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1 VOLL IM TAKT

Alpinamed® MSM Arthro ist eine ­hochwertige Quelle des natürlichen Schwefel­stoffs MSM. Abgerundet mit Kur­kuma, Vitamin C und Mineral­ stoffen, wird die optimal dosierte MSM-Quelle (1.000 mg pro Tages­ dosis) zu einer intelligenten Nährstoffkombination für Knochen, Knorpel und Bindegewebe. Zur Gesund­ erhaltung geforderter ­Gelenke und als Tipp für Sportler. alpinamed.at

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2 MOTORSPORT FÜRS ­H ANDGELENK

Das EDIFICE ECB-900TR Scuderia Toro Rosso-Sondermodell ist mit ­umweltfreundlicher Solartechnologie ausgestattet. Die Einstellung erfolgt via Bluetooth über eine Smart­phoneApp. Zudem ist die Uhr bis 10 Bar ­wasserdicht und eignet sich auch zum Schwimmen. edifice.at

3 COOL IST, WER TRAINIERT!

Profis vertrauen beim Training Profis. Die ÖAMTC-Fahrtechnik-Instrukto­ rinnen und -Instruktoren wissen, ­worauf es beim Auto und beim Motorrad a­ nkommt: Sicherheit in Extrem­ situationen auf der Straße. Das kannst du lernen und üben – und ­deinen Freunden schenken! Führer­ schein-Mehrphasen-Fahr­sicherheits­ trainings und viele weitere ÖAMTCTrainingsangebote unter oeamtc.at/ fahrtechnik

4 GLORYFY G9 RADICAL

Am 16. Juni findet die neunte Edition der Red Bull X-Alps statt, des här­ testen Abenteuerrennens der Welt. Gemeinsam mit dem 5-fachen Red Bull X-Alps-Sieger Chrigel Maurer wurde aus diesem Anlass die gloryfy G9 gestaltet. Sie ist ein Hingucker mit Hightech-Funktion – noch dazu made in Austria! Unzerbrechliche Linse und Bügel, 100 % beste Belüftung sowie ­absolut minimiertes Gewicht und ein markanter Look. gloryfy.com/xalps

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Beim Einsatz­ kommando Cobra gibt es zahlreiche Spezialisierungs­ möglichkeiten: Die Ausbildung zum Einsatztaucher ist eine davon.

COBRA – FÜR ALLE FÄLLE W Der Name des Sondereinsatzkommandos Cobra ist auf die US-amerikanische Fernsehserie „Kobra, übernehmen Sie“ zurückzuführen. Die Sondereinheit kommt bei hohen Gefährdungslagen zum Einsatz – am Boden, im Wasser und in der Luft.

enn das Einsatzkommando Cobra angefordert wird, herrscht Alarmstufe Rot. Die Cobra unterstützt vor allem die Kollegen der Polizeidienststellen bei erhöhten Gefährdungslagen, wie zum Beispiel bewaffneten Geiselnahmen. Zugriffshandlungen im Bereich der organisierten Kriminalität sowie die Bekämpfung von Terrorismus zählen ebenso zu den Aufgaben der Einheit wie die Erstürmung von Luftfahrzeugen oder grenzüberschreitende Einsätze. Um im Fall der Fälle bereit zu sein, trainieren die Cobra-Beamten täglich hart.


ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR INNERES

Wer Polizistin oder Polizist bei der Spezial­ einheit werden möchte, muss einiges ­mitbringen: Nerven aus Stahl, eiserne Disziplin, Ausdauer, Teamgeist und min­ destens zwei Jahre Berufserfahrung als Polizist. Bei der Aufnahmeprüfung müssen die Anwärter physisch und psychisch über­ zeugen, bevor es in die sechsmonatige Aus­ bildung geht. So breit der Einsatz­bereich der Cobra ist, so vielfältig sind auch die Spezialisierungsmöglichkeiten: Ob Einsatz­ taucher, Fallschirmspringer, Personen­ schützer, Seiltechniker, Air Marshal – nach der bestandenen Grundausbildung sind je nach Stärke und Eignung weitere Aus­ bildungen möglich. Mehr als ein Beruf Der Einsatz von Polizei und Spezialeinheit geht weit über einen klassischen Beruf hin­ aus – vielmehr ist er eine Berufung, Men­ schen zu helfen und Sicherheit zu gewähr­ leisten. Das Miteinander in der Einheit spielt dementsprechend eine große Rolle: Gerade in Extremsituationen müssen sich die Cobra-Beamten aufeinander verlassen

Das Einsatz­ kommando Cobra ist für alle Fälle ­gerüstet: Während Fallschirmspringer lautlos auf Zielobjek­ ten landen, durch­ suchen und sichern die Einheiten am ­Boden das Objekt Raum für Raum.

„DIE GRÖSSTEN STÄRKEN UNSERER EINHEIT SIND EIN GESUNDER TEAMGEIST UND GEGENSEITIGES VERTRAUEN.“

FOTOS: PHILIPP CARL SCHUSTER

Einsatzkommando Cobra

können. Gemeinsames Training und sportliche Aktivitäten stärken den Zusammenhalt. Um den ­A nforderungen dieser Spezial­ einsätze gerecht zu werden, bedarf es außergewöhnlicher Menschen mit speziellen Fähigkeiten und be­ sonderer Einstellung – beruhigend zu wissen, dass es sie gibt.

www.polizeikarriere.gv.at


Read Bull Hier schreiben namhafte österreichische Literatinnen und Literaten jeden Monat über ein Thema, das sie bewegt.

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um Thema Motivation fällt mir gleich einmal Habgier ein. Geld und Besitz sind ­dabei aber nicht so wichtig. Ich will vom Leben möglichst viel haben, eigentlich noch viel mehr. Ich bleibe hungrig, so viel ich auch bekomme, durstig natürlich auch. Wer haben will, muss geben. Dazu ge­ hört in jeder Lebensphase der unverstellte Blick aufs eigene Vermögen: Wer bin ich, was kann ich (womöglich besser als an­ dere), was will ich? Und, nicht zuletzt: Wo gibt es Schwächen und Defizite? Für mich als Kind war erst einmal das Wollen wichtig, noch nicht angekränkelt von des Gedankens Blässe (danke, Shakespeare). Ich wollte erzählen, mir die Welt mit Wor­ ten und Sätzen einfangen und in meine Schatzkammer stecken.

Alfred Komarek, 73

Der in Bad Aussee geborene Schriftsteller hat mit seinen „Polt“-Kriminalromanen um den bedächtigen Landgendarmen Simon Polt, die a­ llesamt ­verfilmt wurden, Kultstatus erreicht. Komarek ist eingefleischter DonaldDuck-Fan und kreativer Tausendsassa: Er textete u. a. fürs Radio, ist Essayist und moderiert die Sendung „LiteraTOUR“ bei ServusTV. Im Jänner 2019 erschien sein aktuelles Buch, „­Alfred“ (Haymon). Hier beschreibt er, was ihn antreibt – gewohnt augenzwinkernd.

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nfang der 50er-Jahre zum Beispiel, als Radio noch ein aufregendes Wunder war, hat sich das Kind meines Namens kurzerhand in ein Radio verwandelt und Abend für Abend Radio gespielt, den vergangenen Tag akustisch beleuchtet, kritisch reflektiert, mit klin­ genden Pointen und wirksamen Über­ treibungen geschmückt. Ein voller Er­ folg, diese sich selbst befriedigende Radio­ philie – aber auch ein flüchtiges Medium. Kaum hatte ich Schreiben gelernt, fing ich begierig damit an, mich und meine

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in Verlag musste her, ein Buch musste her. Das sollte kein Problem sein. Ein dickes Kuvert auf den Weg geschickt. Irgendwie, schien es mir da­ mals, war Rowohlt durchaus meiner wür­ dig. Selbstverständlich kam ein Antwort­ schreiben. Ein leibhaftiger Lektor hatte doch tatsächlich mein kühnes Werk ge­ lesen. Es sei, schrieb er, für eine Veröffent­ lichung völlig ungeeignet. Aber er fügte hinzu, dass ich mich davon nicht ent­ mutigen lassen solle. Na also. Der gute, schlichte Mann war zwar unfähig, wahre Werte zu erkennen, aber ich hatte in ihm ja doch eine Saite zum Klingen gebracht. Als dann eines Tages mein Vater nach meinen Berufswünschen fragte, wollte ich ihn nicht erschrecken und sagte statt Dichter „Schriftsteller“. Er neigte nach­ denklich das pädagogisch wertvolle Lehrer­haupt. Das sei ein schöner Beruf, aber er wisse nur von wenigen, die davon leben konnten. Vielleicht wäre es ja doch

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ALFRED KOMAREK

ES DARF AUCH MEHR SEIN.

SERVUSTV/MARTIN HOERMANDINGER

ALLES?

Welt zu Papier zu bringen. Offenbar ­gehörte es schon damals zu meinem ­Leben, es erzählend zu gestalten und zu verwerten. Daran hat sich bis heute nichts verändert. Was immer mir geschieht: So umwerfend schön oder unerträglich schmerzhaft kann es nicht sein, dass ich nicht mit gezückter Feder neben mir stün­ de, um eine möglichst gute, intensive ­Geschichte darüber zu schreiben. Dieses formulierende Gestalten der Welt macht natürlich erst recht nicht vor anderen Menschen halt. Was immer ich mit ihnen erlebe, an ihnen beobachte, landet im großen Materiallager fürs ­Geschichtenerzählen. Nichts, aber auch wirklich nichts davon bleibt ungenützt. Ein Traumberuf für habgierige Menschen, so nebenbei erwähnt. Aber ich greife vor. Dem Kind Alfred, auf halbem Wege zum Jüngling, war es bald zu wenig, vom Leben abzuschreiben. Also mehr, viel mehr sollte es sein. Poesie nämlich, der unverschämte Flügelschlag hoch über den Niederungen banaler Wirklichkeit, frei, wollüstig und genial. So schrieb ich denn und war beeindruckt. Aber ich als mein einziger Leser – das war zu wenig.


Alfred Komarek

ratsam, einen sogenannten Brotberuf ­anzustreben, schon, um das Leben eines Schriftstellers von finanziellen Zwängen zu befreien. Gut, das war einzusehen. So wurde ich später zum Jus-Studenten, weil für mich das Spiel mit Recht und Ge­ rechtigkeit durchaus auch kreativen Lust­ gewinn versprach. Aber die Lustbarkeiten machten sich bald einmal rar, sehr rar.

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er Vater starb früh, im Jahr meiner Matura, es war wenig Geld im Haus, und ich musste irgendwie durchkommen. Wieder einmal trat ich aus mir heraus und begann die Geschich­ te des hungrigen Studenten zu schreiben, der als Poet vom literarischen Pfad der Tugend in sündhafte Niederungen abglitt: Ich beschloss, es künftig als käuflicher Schreiber für Geld zu tun. Der Anfang der Geschichte war herz­ zerreißend. Da war einer bereit, sich um des Schandlohns willen hinzugeben, doch die prallen Geldsäcke gingen geizig ver­ kniffen ihrer Wege. Oder noch schlimmer: Ein mildtätiger Chefredakteur zahlte und verzichtete voll der heimtückischen Güte auf die Drucklegung meiner Texte. Aber dann: Radio! Diesmal nicht nur von mir für mich. Die Rundfunkreform in den 60er-Jahren. Ö3, ein Jugendkultur­ sender, von köstlichster Anarchie beflügelt. Alles fand Aufnahme und wurde gut ­bezahlt. Das war schon was. Genug war es nicht. Ich trug zwar schamlos meine Poesie zu Markte, aber berauscht vom ­Erfolg nahm ich nicht wahr – oder wollte es nicht wahrhaben –, dass ich benutzt wurde, mehr noch, ausgenützt. Ich schrieb mir die Seele aus dem Leibe, aber ich tat es nicht unter meinem Namen, sondern als geschickt versteckter Lohnschreiber im Dienste eines Redakteurs, dessen Leuchtkraft allenfalls schattenhafte ­Schemen duldete. Keine Marke demnach, kein Marktwert. Doch halt: Was für eine Geschichte! Der gefeierte Jungpoet zu ­Boden geschmettert, hungrig, frierend, Kerzenlicht statt Glühbirne. Und dann auch noch ein Aufflackern unbezähm­ barer Leidenschaft. Dumpfe Verzweiflung, Lotterleben, und vor der Tür wartete ­hämisch grinsend die Straße. Das gab Stoff für einen guten Text, und der rief gebieterisch nach einer guten Stimme: „The Voice“, Ernst Grissemann. Plötzlich war ich wieder wer. Aber das reichte mir nicht. Die Welt lag vor mir, und ich dachte

THE RED BULLETIN

nicht dar­an, sie warten zu lassen. Also ein neues Leben als Reiseschriftsteller. Presse­ fahrten? Nein, danke! Dann schon lieber ein paar Wochen in einem verlassenen Leuchtturm auf den Hebriden, den Äuße­ ren, versteht sich, oder im Hausboot auf dem Dal-See in Kaschmir, ringsum Kriegs­ lärm und Poesie. Sehr schön, das alles, aber: War da nicht noch was? Meine so erfolgreich vergebene Un­ schuld musste doch auch zwischen Buch­ deckeln Platz finden. Dieser Rowohlt-­ Lektor von damals …

A

ls versierter Unglücksverwerter bin ich auch eine gute Adresse für die possierlichsten Glücksfälle. ­Eines Tages hatte einer meiner Freunde, der Galerist Ernst Hilger, ein paar Kunst­ drucke zu viel. Also ließ er mich seltsam verwucherte Texte schreiben, und so ent­ stand ein Buch: „Traum ist Regen, der in den Himmel fällt“, Auflage: 300 Stück.

Meine gute Fee, vertraut mit Maßlosigkeiten aller Art, war mir seufzend zu Willen. Wie schön: ein Buch! Aber nicht schön genug. Also noch mehr Kunstbücher. Dann Bildbände mit Fotografen, je be­ rühmter, desto besser. Eifersucht, irgendwann. Endlich ein­ mal nur mein Name auf dem Umschlag. Auch das gelang. Und so nebenbei und zwischendurch: die Flucht aus dem lite­ rarischen Stundenhotel ins Dichterstüb­ chen. War nett, geschah aber weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Endlich und recht überraschend, das 50. Lebensjahr. Das war’s dann wohl? Mitnichten. Der Roman rief. Ich rief zu­ rück: „Polt!“ und dann „Daniel Käfer!“. Wieder einmal habe ich mir geheime Wünsche öffentlich erfüllt, mir viel von der Seele geschrieben und mit einigen meiner Lieblingsfeinde abgerechnet.

­ chreiben ist ein Traumberuf und auch S sehr gesund, sieht man von wenig magen­ freundlichen Kaffeeorgien und schmerz­ lichen Verspannungen ab.

D

och ins Fernsehen wollte ich schon auch noch, ganz zu schweigen vom Theater. Meine gute Fee, vertraut mit Maßlosigkeiten aller Art, war mir seufzend zu Willen und sorgte sogar für Spezialeffekte, wenn mir erfüllte Wünsche zur Last wurden. Mein erstes Theaterstück (mehr als zwei gibt es bis heute nicht) war für mich als Zuschauer in der ersten Reihe ein recht schmerzliches Mahnmal meiner Anfängerfehler. Als ich mich anschickte, an mir und meinem Werk zu verzweifeln, sah ich das böse Weib eines etwas weniger bösen Kulturfunktionärs empört den Zu­ schauerraum verlassen. Also doch nicht ganz so schlecht, mein Stück. Das Leben ist schön. Es wird sogar immer noch schöner. Als unedler Greis muss ich mir nichts mehr gefallen lassen, mit dem Nötigsten wie auch dem Unnötigsten versorgt, kann ich annehmen oder ablehnen, wie und wann ich es will. Genug? Ach, woher denn …

N

euerdings möchte ich wissen, ob vielleicht weniger mehr als genug wäre. Mein Buch mit dem beunru­ higenden Titel „Alfred“ erzählt davon. Sehr oft ertappe ich mich auch dabei, lesend anderen das Erzählen zu überlas­ sen. Meine (sehr) vielen Bücher machen es mir leicht. Aber auch dabei geht es um Ausgesetztheit, Hingabe, heftig und hemmungslos, aber nicht bedingungslos: Ich will ja doch möglichst unbeschädigt überleben. Und was sagt uns das, alles in allem? Ich war Mitte 40, als mich ein Medien­ konzern als Kreativchef anstellen wollte: Viel sicheres Geld bis ans Lebensende, eine generöse Verlagslandschaft als Wohl­ fühl-Biotop. Nach gründlichem Nach­ denken und einem Bier (es mögen auch zwei Bier gewesen sein) der Anruf. Ich: Nein, danke. Er: Warum? Ich: Mangelnde Führungskompetenz. Er: Lässt sich lernen. Ich: Ich will auch nicht. Er: Geben Sie’s zu – glücklich wollen Sie sein! Ich: Ja. Damit sind wir wieder bei der Habgier.

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ZEIT FÜR EIN GUTES LEBEN ZEIT FÜR EIN NEUES MAGAZIN

carpe diem ZEIT FÜR EIN GUTES LEBEN

Ernährung  Gesund genießen.

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Bewegung  Den Körper spüren.

Erholung  Durchatmen, loslassen.

Bewusstsein  Dir selbst vertrauen.

NEU AB

6.  JUNI


Ein erster Blick, ein neues Lebensgefühl Ernährung, Bewegung, Erholung, Bewusstsein: carpe diem spricht alle an, die sich zwischendurch ein wenig Zeit n ­ ehmen möchten. Zeit für sich selbst, für konkrete Inspirationen und I­deen für ein fröhlicheres, gesünderes, genussvolleres, bewussteres Leben.

Ernährung

Karotten-Honig-Suppe Eine Schüssel gute Laune

Suppe zum Frühstück

Currypulver, Kreuzkümmel (gemahlen)

Was Oma wusste, wissen heute auch Ernährungsexperten: Warm tut uns gut. Gerade im Sommer, gerade am Morgen. Also löffeln wir einen Teller flüssiges Glück.

Karotte

Salz, Pfeffer

Zwiebel Ingwer

Zwiebel

Frühlingszwiebel

Chilischote Orangensaft

Honig Gemüsebrühe

TEX T

Gabriele Kuhn FOTOS

Eisenhut & Mayer

Kartoffel

FOOD - ST YLING

Alexander Rieder

Öl

SET- ST YLING

Sabina Dzinic

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Ernährung

Mein WeizenExperiment

Eine Frage der Sichtweise: Margret Handler hat gelernt, den Signalen des Körpers zu vertrauen.

Was passiert wirklich, wenn du sechs Wochen lang weizenfrei lebst? Autorin Margret Handler mit dem sehr persönlichen Protokoll eines Abenteuers zwischen Fluch und Segen, Verwunderung und Verzweiflung, Erleichterung und Erkenntnis. Und einer überraschenden Pointe. FOTOS

Philipp Schönauer

i

Ich war damals Anfang 30. Schlank, aber irgendwie nicht so richtig fit. Beim Sport ging mir schnell die Puste aus. Nicht krank genug, um sich einmal so richtig anzuschauen, ob alles passt. Aber eben auch nicht ge­ sund genug, um das Leben richtig zu genießen. Bis zu jenem Tag, an dem ich mich gekrümmt vor Bauch­ schmerzen beim Hausarzt wiederfand. Der schickte mich ins Krankenhaus, wo ich einen Tag lang an In­ fusionen hing und von Untersuchung zu Untersuchung geschoben wurde. Ergebnis: nichts, keine Diagnose. Es folgte ein Ärzte­Odyssee, die schließlich in der Ordination einer Ganzheitsmedizinerin endete. Da­ mit begannen sechs Wochen, in denen ich mehr über mich lernen sollte als in all den Jahren davor. 72

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Tag 1: Keinen Weizen also. Ab sofort. Für sechs Wochen. Überhaupt soll ich so wenig Getreide wie möglich essen. Am ehesten noch Roggen, sagt die Frau Doktor. Kann ja nicht so schwer sein, denke ich. Ist ja nur ein Nahrungsmittel. Die Ernüchterung folgt beim ersten Einkauf: Überall ist Weizen drin. Im Brot, Gebäck, in Kuchen, Keksen, Nudeln, Müsli, Schokola­ de, Falafel, Knabbereien, Fertiggerichten, sogar in der Sojasauce. Verdammt. Ich darf gar nichts mehr essen! Dazu muss man wissen: Ich bin Vegetarierin, keine begnadete Köchin, meine bisherigen Essgewohnheiten waren eher … sagen wir: unreflektiert. Hauptsache kein Fleisch. Es gab Tage, da aß ich, was mir gerade in die Finger kam: in der Früh ein Weckerl am Weg zur Arbeit, im Büro ein Weckerl mit irgendwas oder Nudeln mit irgendwas, am Abend was Schnelles vom Supermarkt (zum Aufbacken) oder Brot mit – erraten: irgendwas. Kurz: Ich ernährte mich von Kohlenhydraten, meist industriell verarbeitet, und aß wenig Gemüse. Nicht immer, aber wirklich oft.

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Gesund genießen.


Bewegung / Bewusstsein

Wie ich lernte, die Kälte zu lieben

d

Dir selbst vertrauen.

Baden in Eiswürfeln? Oder in einem klirrend kalten Bach? Sonja Kaltenbrunner war zeitlebens eine Fröstelnatur. Bis sie die Methode des niederländischen „Iceman“ Wim Hof kennenlernte. Protokoll einer gesunden Selbsterfahrung.

AUFGEZEICHNET VON

Michael Holzer

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FOTO: Kurt Keinrath & Michael Zechany

(und wie mir tiefenentspannte Atmung dabei half)

Die Geschichte, die ich euch jetzt erzähle, hätte ich selbst nie für möglich gehalten. Bis vor zwei Jahren war ich, ohne Übertreibung, der erfrorenste Mensch, den man sich vorstellen kann. Alles unter 20 Grad fühlte sich für mich wie Eiseskälte an. Mein Frösteln begann im September und ging im Frühjahr nahtlos in ein Keuchen und Augentränen wegen meines Asthmas und diverser Allergien über. Und wenn mich meine drei Kinder im Urlaub in der prallen Mittagshitze am Pool anspritzten, fand ich das überhaupt nicht lustig. Meine Familie und meine Freunde hatten sich mit meinem Fröstelnaturell arrangiert – alle bis auf einen. Es war ein guter Freund, dessen Morgenritual mir wie der blanke Horror erschien: Er begann seine Tage mit einem Bad in Eiswasser, um seinen Körper einer Art Kälteschocktherapie zu unterziehen. Irgendwann sagte er: „Probier das doch mal, Sonja, fängt wirklich ganz easy an, man steigert sich Schritt für Schritt.“ „Sicher! Genau meins“, entgegnete ich sarkastisch. „Stärkt das Immunsystem“, sagte er, „und hilft gegen Allergien, Asthma und schlechte Laune.“ Oha. Er erzählte mir von Wim Hof, dem le-

„Mein Asthma ist fast weg, ebenso meine Allergien. Seit ich die Wim-Hof-Methode praktiziere, war ich nur einmal krank: einen Tag.“

gendären „Iceman“, der in Badeshorts auf die höchsten Berge der Welt klettern und stundenlang in Eiswasser baden konnte. Und dass dieser kauzige holländische Briefträger eine Methode entwickelt hätte, die hilft, den Körper, aber vor allem die eigene Widerstandskraft zu stärken. Nun, ich hielt es also mit meiner lieben Oma: „Hilft’s nix, so schadt’s nix“. Es war Sommer, der perfekte Zeitpunkt, um anzufangen. Ich startete im Juli mit dem 10-Wochen-Onlineprogramm (mehr zur Wim-Hof-Methode auf Seite 42). Es war gut gemacht, mit detaillierten Erklärvideos und einem Arbeitsbuch auf Englisch, in dem ich meine Ziele und Befindlichkeiten eintragen konnte. Es beginnt mit ganz entspanntem, tiefem Atmen. So, dass sich der Bauch nach außen wölbt. So, dass die Luft von allein wieder ausströmt, ohne pressen also. So, dass deine eigenen Gedanken wie ein Film sind, der nebenbei mitläuft. Motto: Beobachten statt beurteilen. Erstaunlich, wie beruhigend und gleichzeitig aktivierend das wirkt, wie man sich mit jedem Atemzug selbst ein bisschen näherkommt. Wie wach man sich fühlt und wie klar.

Nach ein paar Atemdurchgängen will man sich bewegen. Das kann ein wenig Yoga sein oder auch Gymnastik. Ich habe auch Liegestütze gemacht, wie im Onlinekurs vorgeschlagen. Man spürt, wie der ganze Körper durch das Atmen mit Sauerstoff angereichert ist, und schafft interessanterweise auf Anhieb mehr Liegestütze als sonst. Ohne zu atmen. Die Kälte? Nun ja. 30 Sekunden durchgehend kalt zu duschen schaffte ich nach sieben kleinen Schritten der Selbstüberwindung am Ende der Einstiegswoche. Für meine Verhältnisse wie eine Polarexpedition. In Woche zwei mit der kalten Dusche anzufangen, dazwischen auf warm zu wechseln und wieder mit 30 Sekunden kalt aufzuhören war immer noch ein Thrill – aber etwas hatte den Ehrgeiz in mir geweckt. In Woche drei und vier stand ich allmorgendlich schon insgesamt zwei Minuten (unterbrochen von gefühlt 15 Minuten heißer Dusche) unter dem kalten Schwall, und ich schrie dabei von Mal zu Mal leiser. In Woche fünf war ich in der Lage, die Kältestressreaktionen in meinem

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Bewusstsein Die sanfte Hügellandschaft im Hinterland Sardiniens. Ein alter Herr mit Schiebermütze auf einer Steinbank, verwit­ terte Dörfer wie Orroli, ein Esel am Wegesrand. Was macht diesen Flecken Erde so besonders, vergeht die Zeit hier langsamer?

Hier vergessen die Menschen aufs Sterben Auf Sardinien begegnet man auffällig vielen Menschen, die Anfang des vorigen Jahrhunderts geboren wurden. Männern und Frauen, die immer noch lernen, lachen, ihr Leben genießen. Was ist das Geheimnis der Superalten? Die Suche nach Antworten führte unsere Autorin Waltraud Hable ins Innere der Insel – und ihrer selbst. FOTOS

Luigi Corda

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ROTHWALD IN NIEDERÖSTERREICH

Erholung

Wie geht Pause?

Wald wirkt

Was bringt uns wirklich zur Ruhe? Wie können wir zwischendurch abschalten? Und warum befragen wir dazu einen Kampfsportweltmeister? Taekwondo-Philosoph Ronny Kokert über eine unterschätzte Quelle der Lebenskraft.

Wenn wir der Natur begegnen, wenn wir uns auf sie einlassen und sie in uns hineinlassen, dann geht es uns gut. Zum Beispiel im Wald, der ganz erstaunliche Dinge für unser Wohlbefinden tut. TEXT

Klaus Haselböck

INTERVIEW

Nicole Kolisch ILLUSTR ATION

Marina Munn

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Durchatmen, loslassen.

ILLUSTRATION: Marina Muun, The Loud Cloud

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FOTO: Jean-Philippe Delobelle / Biosphoto

FOTO: Jean-Philippe Delobelle / Biosphoto

Glücksquelle Bäume nehmen übers Grundwasser das Edelgas Radon auf und geben es über die Blattflächen wieder ab. Somit besteht im Wald permanent eine höhere Konzentration an negativen Luftionen. Bei einem Spaziergang atmen wir diese ein, und es kommt zu physiologischen Prozessen im Körper, die stimmungsaufhellend wirken und sogar gegen Depressionen helfen können.


Bewegung / Erholung

1

Sommer! Draußen sitzen, im Wasser planschen, endlich wieder das Gras auf den Sohlen spüren. Die große Freiheit für die Füße tut der Seele ebenso gut wie unserem Körper.

Erster Schritt: Rein ins Kindersommergefühl.

Erinnern wir uns. An jene Zeit, in der wir als Kinder im Sommer ohne Schuhe herumgelaufen sind. Nackte Füße im Garten, im Bad, auf Wiesen, im Matsch, im Bachlauf, auf Moos. Herrlich, wie das Gras die Zehen kitzelte, wie die Meereswellen unsere Spuren am Strand wegspülten. Dieses Gefühl, ganz leicht zu sein, und doch verbunden mit der Erde. War das nicht herrlich?

Mit den Sinnen der Füße

2

Wir haben es eingangs erwähnt: Barfuß zu gehen tut nicht nur der Seele gut, sondern auch dem Körper. Das ist keine Schwärmerei, sondern wissenschaftlich erwiesen. Das hat zunächst mit dem zu tun, was wir weglassen: mit den Schuhen. „Herkömmliches Schuhwerk verändert unsere Füße – und das verändert wiederum die Statik des Körpers“, erklärt Emanuel Bohlander, Barfuß-Coach und Gründer der deutschen „Barefoot Academy“. Der studierte Ingenieur ist überzeugt, dass der Mensch „eigentlich nicht für das Tragen von Schuhen gemacht ist.“ Klar, Schuhe schützen vor Hitze, Kälte, Verletzungen. Doch moderne Schönheitsideale treiben Füße und Zehen in die Enge. „Fast alle Schuhmodelle für Frauen, aber auch für Männer sind vorne schmal oder spitz. Schauen Sie sich die Füßchen eines Babys an, die sind oben breit“, sagt Bohlander. „Die Natur hat sich dabei doch was gedacht.“

TEXT

Gabriele Kuhn FOTOS

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Dritter Schritt: Mit der Evolution gehen.

Zweiter Schritt: Dem Barfuß-Coach zuhören.

Eine Wiederentdeckung des Barfußgehens in sieben Schritten.

3

Die Natur. Die Evolution der Menschheit. Der Wandel zum aufrechten Gang gilt als zentrales Ereignis mit enormen Folgen für den Körper – und für den Erhalt der Spezies Mensch. Füße wurden zu einem lebensnotwendigen Werkzeug, das half, auf unterschiedlichen Böden das Gleichgewicht zu halten. Die Füße leiten Informationen an das Gehirn weiter – so „weiß“ der Körper, wie er sich bewegen soll. Längs- und Quergewölbe wirken dämpfend und ausgleichend. Als Tastorgane hatten die Füße ursprünglich so viele Nervenzellen wie die Hände – diese sind jedoch mit der Zeit verkümmert. Unser evolutionäres Erbe, sagt Emanuel Bohlander, sei „die Fähigkeit, über weite Strecken gehen und laufen zu können“. Wer ständig Schuhe trägt, der verändert vieles: „Der Fuß übernimmt die Form des Schuhs.“ Bestimmte Schuhformen können das Gleichgewicht des Körpers beeinflussen, was wiederum Bein- und Rücken-, sogar Kopfschmerzen verursachen kann. Tatsächlich wurzeln viele Beschwerden des Bewegungsapparates in den Füßen.

Konstantin Reyer carpe diem

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Fragen, die das Leben stellt

Warum soll ich Ausfallschritte machen?

Ausfallschritte verbessern Kraft,

WIE GEHT’S?

Gleichgewicht, Beweglichkeit

1. Beginn im hüftbreiten Stand, den Blick geradeaus, den Kopf aufrecht. Die Rumpfmuskulatur ist angespannt, die Zehen zeigen nach vorn.

und Koordination. Die Kniegelenke werden stabilisiert, die Fettverbrennung und der Stoff wechsel angekurbelt.

2. Großer Ausfallschritt. Beug jetzt das vordere Bein gerade nach vorn, heb die hintere Ferse. Dabei bleibt der Oberkörper aufrecht.

Regelmäßiges Training strafft Oberschenkel und Gesäß, längere Übungseinheiten regen zudem das Herz-Kreislauf-System an.

Den Körper spüren.

3. Drück dich vom vorderen Fuß zurück in die Ausgangsposition. Ein kürzerer Ausfallschritt trainiert die Oberschenkel-, ein längerer die Gesäßmuskulatur. Das vordere Bein sollte nie über die Fußspitze hinausragen, sonst belastest du dein Knie zu stark. Das Knie stets nach vorn bewegen, nicht zur Seite drehen.

WIE OFT?

Für den Anfang reichen drei Sätze zu je 15 Wiederholungen rechts und links, zwei- bis dreimal wöchentlich. Die Übung ist ausbaufähig: Du kannst vom Ausfallschritt im Stehen in die Walking Lunges wechseln. Dabei gehst du in wechselnden Schritten vorwärts.

Fachliche Beratung: Toni Klein, Sportwissenschaftler, UNIQA VitalCoach

FOTO: Konstantin Reyer; ILLUSTRATION: Patrick Schrack

Das Video mit Health Coach Verena Hoflehner

carpediem.life/ video

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Bewegung / Erholung

… zum Beispiel, wenn die Nudeln köcheln

Wenn dir das Leben ein paar Minuten schenkt …

Im Yoga, das sich als ganzheitliche Lehre versteht, fördert diese Übung die innere Ruhe und Konzentration. Vor allem tut sich aber etwas im Körper: Wirbelsäule und Gehirn werden gut durchblutet, der Herzschlag verlangsamt sich.

Für eine kleine Yoga-Einheit etwa. Dazu musst du gar nicht ins Studio. Es gibt Übungen, die sind ganz kurz, ganz leicht, brauchen kaum Platz. Und aus verlorener Wartezeit wird eine kostbare Auszeit zwischendurch.

IM UMGEKEHRTEN V ZUR TIEFENENTSPANNUNG

TEXT

Eva Mühlbauer ILLUSTRATION

Amelia Flower

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ILLUSTRATION: Amelia Flower, Folio Art

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Zehn Minuten bis al dente, das bedeutet zehn Minuten Verschnaufpause. Eine der bekanntesten Asanas, wie diese Übungen in ruhender Körperstellung genannt werden, ist der herab­ schauende Hund. Verwandeln wir uns also in ein umgekehrtes V: Gestartet wird der Hund im Vierfüßlerstand, die Hände werden fest auf den Boden gedrückt, die Finger weit aufgefächert. Das Gesäß wandert Richtung Himmel. Arme und Rücken ziehen dabei nach vorn in

Richtung Boden, die durchgestreckten Beine nach hinten. Wer es schafft, dabei die Fersen auf den Boden zu drücken – super. Wer es noch nicht schafft – macht nix, dann bleiben die Beine eben leicht gebeugt. Viel wichtiger ist, dass der Nacken die exakte Verlängerung der Wirbelsäule bildet und der Rücken gerade bleibt. Wenn der Körper fixiert und in Balance ist, folgen zehn tiefe Atemzüge. Danach fühlt man sich erfrischt und entspannt zugleich. Jetzt ist noch immer genug Zeit zum Verschnaufen – oder für eine weitere Übung.

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DARGESTELLTE HEFTSEITEN UND WERBEFORMEN DIENEN NUR ALS ANSCHAUUNGSMATERIAL UND KÖNNEN BIS ZUM ERSTEN ERSCHEINEN NOCH VERÄNDERT WERDEN.

BESCHRIEBEN UND GEZEIGT VON Health Coach Verena Hoflehner


Der carpe diem-Podcast

Zeit zum Zuhören

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m e i d e p r ca S LE BE N ZE IT FÜ R EIN GU TE

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Gesund genießen.

Den Körper spüren.

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Wenn dir das Leben hier und jetzt einen Tag schenkte, was würdest du damit anfangen?

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IMPRESSUM

THE RED BULLETIN WELTWEIT

Aktuell ­erscheint The Red Bulletin in sieben Ländern. In der Coverstory der mexikanischen Ausgabe feiern wir das 20-Jahr-Jubiläum von Nortec, einem Electro-Musikstil, der 1999 von Tijuana aus die Welt eroberte. Mehr Storys abseits des Alltäglichen gibt’s auf: redbulletin.com

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Chefredakteur Alexander Macheck Stv. Chefredakteure Waltraud Hable, Andreas Rottenschlager Creative Director Erik Turek Art Directors Kasimir Reimann (stv. CD), Miles English, Tara Thompson Head of Photography Fritz Schuster Deputy Head of Photography Marion Batty Photo Director Rudi Übelhör Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Freie Mitarbeiter Jakob Hübner, Werner Jessner, Alex Lisetz, Nina Treml, Stefan Wagner Grafik Marion Bernert-Thomann, Martina de ­Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz Fotoredaktion Susie Forman, Ellen Haas, Eva Kerschbaum, Tahira Mirza Global Head of Media Sales Gerhard Riedler Head of Asset Sales Alfred Vrej Minassian International Sales Coordinator Stefanie Krallinger Head of Commercial & Publishing Management Stefan Ebner Publishing Management Sara Varming (Ltg.), Bernhard Schmied, Melissa Stutz, Mia Wienerberger B2B Communication Katrin Siegl, Christoph Rietner Head of Creative Markus Kietreiber Creative Solutions Eva Locker (Ltg.), Verena Schörkhuber, Edith Zöchling-Marchart Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier Anzeigendisposition Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung Veronika Felder Produktion Walter O. Sádaba, Friedrich Indich, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailović, Josef Mühlbacher Office Management Yvonne Tremmel (Ltg.), Alexander Peham MIT-Experte Michael Thaler Abo und Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus ­Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser (Vertrieb), ­Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar (Abo) Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 General Manager & Publisher Andreas Kornhofer Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl

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FORMULA 1 myWorld GROSSER PREIS VON ÖSTERREICH 2019

myWorld MOTORRAD GRAND PRIX VON ÖSTERREICH 2019

28.–30. JUNI’19 RED BULL RING

09.–11. AUGUST’19 RED BULL RING


L I F EST YL E , EXT R AO R DI NA I R E

Die Red Bulletin To-do-Liste

Weil das Leben zu kurz ist für lähmende Routine, gibt es hier jeden Monat eine herzerfrischende Challenge. Diesmal:

GRILLING THEM SOFTLY: MEHR SPASS BEIM BBQ *

Im farbenprächtigsten Hawaiihemd, das der Tom-Selleck-­ Gedächtnisshop hergibt, auftauchen und alle anderen blass aussehen lassen.

Den anwesenden Grill-Gott mit monotoner Navi-Stimme und „Bitte wenden, bitte wenden“ in den Wahnsinn treiben.

Anschließend seine Autorität systematisch mit „Fakten“ untergraben: „Laut Brennforschung muss der Grillanzünder 3,5 Zentimeter von der Holzkohle entfernt liegen.“

Eine kurz vor der Explosion stehende Käsekrainer nah an die Tofu-Wurst des Veganers legen und mit einem „Ich hab ein Auge drauf“ zur wachsenden Beunruhigung beitragen.

Mit „Der lässt nichts an­ brennen“ wahllos auf einen Gast zeigen. Bei Nachfrage nur dessen Grill­fähigkeiten gemeint haben wollen. Nachlegen mit „Ich will ein Rind von dir“. Unbeteiligt schauen. In Bikini oder Badehose an den Grill gehen. Sich mit „Es geht doch nichts über Schnellenthaarung, das brennt auch die kleinsten Härchen weg“ glücklich entfernen.

Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 9. Juli 2019 110

Ein lebendes Huhn zur Grill­ party mitbringen. Den Über­ raschungsgast mit „Ich mag’s gerne frisch“ erklären. Den Messerblock in der Küche inspizieren. Dem Huhn ­derweil Auslauf im Garten gönnen.

■ ■

In Darth-Vader-Montur am Grill stoisch „Star Wurst“ anbieten.

Beim Familien-Barbecue: Das Bier des Vaters mit Schnaps tunen. Den Spritzwein der Mutter nur minimalst verwässern. Aufmerksam hinschauen. Das bist du in 30 Jahren.

* Warnung: Diese Aktivitäten können zu sozialen Unverträglichkeiten führen.

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NICOLAS MAHLER


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ERLE BE N SI E D I E MAG I E VO N K A F F E E UN D MI LCH MI T D E N N ES PRES S O BA R I STA C R E AT I O N S FÜ R I H RE N BA R I STA-MOME N T.

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