Rainbow UNITED 2018/2 - Nr. 14

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Löwenherz

»Lesbische und schwule Selbstbehauptung – große Literatur« Garrard Conley: Boy Erased Autobiografische Erzählung Dt. v. André Hansen. CH/D 2018, 250 S., geb., € 25.70 Was bleibt, wenn einem alles genommen, wenn sogar die Identität ausradiert werden soll? Im sog. Bible Belt der USA: Ein Bekannter outet den 19-jährigen Garrard Conley gegen seinen Willen vor den Eltern als homosexuell. Seit Jahren schon kämpft Conley gegen die Scham, die ihm als einzigem Sohn eines Baptistenpredigers eingeimpft worden ist. Er selbst ist tief verwurzelt in einer christlich-fundamentalistischen Gemeinde, die die Bibel beim Wort nimmt, in der nichts geduldet wird, das nicht der unabänderlichen Norm entspricht. Stimmt er einer Konversionstherapie zu, einem kirchlichen Programm, das ihn in zwölf Schritten von seiner Homosexualität »heilen«, von unreinen Trieben säubern und aus ihm einen Ex-gay machen soll, oder riskiert er, seine Familie, seine Freunde zu verlieren?

Négar Djavadi: Desorientale D 2017, 400 S., geb., € 22.70 In ihrem autobiographischen Debütroman erzählt Négar Djavadi aus der Sicht ihres Alter Egos Kimiâ Sadr die Geschichte ihrer Familie, die aus Iran stammt. Ein zweiter Erzählstrang betrifft Kimiâ selbst und ihre Schwangerschaft. Die klappt nur mit Hilfe der Medizin und der Mann dazu ist auch nur geliehen Kimiâ liebt Frauen. In Teheran geboren und seit zehn Jahren im Pariser Exil,

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hat Kimiâ stets versucht, ihr Land, ihre Kultur, ihre Familie auf Abstand zu halten. Doch die Geister der Vergangenheit holen sie wieder ein, um in einem überwältigenden Bilderreigen die Geschichte der Familie Sadr in drei Generationen vor ihr abzuspulen: die Drangsale im Leben der Ahnen, ein Jahrzehnt der politischen Revolution, die Winkelgassen der Adoleszenz, berauschende Rockmusik, das schelmische Lächeln einer blonden Bassistin. Und dann gibt es, im dunklen Kern dieses atemberaubenden Romans über den Iran von gestern und das Frankreich von heute, noch eine furchtbare Geschichte zu erzählen.

Garth Greenwell: Was zu dir gehört Dt. v. Daniel Schreiber. D 2018, 240 S., geb., € 22.62 Ein schwuler amerikanischer Expat betritt die öffentlichen Toiletten des Kulturpalasts von Sofia, Bulgarien. Dort unten geht eigentlich niemand einfach nur so hin. Er trifft dort auf Mitko, der Charisma ausstrahlt und Gefahr. Der Amerikaner bezahlt Mitko für Sex und trifft ihn danach immer wieder, gefangen in seinem Begehren und in einer schwulen Beziehung, in der Zärtlichkeit jederzeit in Gewalt umzuschlagen droht. Und während er sich seiner komplizierten Vergangenheit stellen muss, kann er weder seinem Verlangen entkommen noch den Privilegien als Ausländer, die ihn von Mitko trennen. »Was zu dir gehört« ist ein schwuler Roman über die Macht von Scham und Sehnsucht sowie über eine Liebe entgegen jeder Wahrscheinlichkeit.

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