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Giovanni Rindler: Der Menschenforscher
Giovanni Rindler wuchs in St. Vigil auf und hat vor langer Zeit in Wien Wurzeln geschlagen. Nun kehrt er mit einer Ausstellung im Brunecker Stadtmuseum in seine Heimat zurück und nimmt die Besucher mit auf eine Reise zu den menschlichen Körpern. Sie stehen seit jeher im Mittelpunkt von Rindlers Kunst. Im Gespräch erzählt der 63-Jährige, wie ihm der Herrgott das Studium ermöglicht hat, warum er nie für den Kunstmarkt seine Kunst ändern würde und was seine Tochter mit der Fernsehsendung The Masked Singer zu tun hat.
PZ: Wie kommt der Sohn eines Schneiders mit der Kunst in Berührung?
Giovanni Rindler: Mein Vater hat im Sommer als Hüter auf der Fojedöra Hochalm gearbeitet. Dort hat er als Zeitvertreib viel geschnitzt, Rehköpfe und so Sachen. Das hat mir gefallen, und ich habe mit fünf Jahren auch damit angefangen. Meine ersten Figuren waren etwa fünf Zentimeter große Rehe. An den Händen habe ich mir beim Schnitzen mit dem Taschenmesser den ein oder anderen Schnitt geholt, bis meine Technik immer besser wurde. Als ich in die Mittelschule kam, brachte ich viel Erfahrung in den Technikunterricht mit. Das war wichtig für mich, denn als Legastheniker hatte ich es ansonsten in in der Schule schwer.
War das ein Grund, warum Sie nicht die
Kunstschule besucht haben?
Meine Erfahrungen mit der Schule haben mich sicher geprägt. In Kunst und Werken war ich sehr gut, das hat mich am Ende vor dem Sitzenbleiben gerettet. Mein Zeichenlehrer war der Bruder von Gilbert Prousch vom berühmten Künstlerduo Gilbert Giovanni Rindler, Jahrgang 1958, wächst in St. Vigil in Enneberg auf, wo er die Volks- und Mittelschule besucht. Im Anschluss absolviert er eine Lehre zum Holzbildhauer in Gröden. Es folgen die Meisterschule für Bildhauerei in Graz unter Josef Pillhofer und das Studium der Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien unter Joannis Avramidis. Das Studium finanziert sich Rindler mit dem Schnitzen von Herrgottfiguren und Restaurierung von Statuen. Er arbeitet als Bildhauer, Gießer und Restaurator. Rindler lebt mit seiner Frau, der Künstlerin Brigitte Trieb, in Wien. www.bildhauer.wien //

& George. Er hieß Hubert Prousch und glaubte an mich. Schule kam für mich aber erst einmal nicht mehr in Frage. Ich wollte lieber praktisch arbeiten. Mit 14 Jahren bin ich nach Gröden und habe dort eine Lehre als Holzschnitzer angefangen. Mein Vater hat mir die Ausbildungsstelle besorgt: Er ist von der Alm übers Grödner Joch direkt zu einem Holzschnitzer gegangen, um nach einer Arbeit zu fragen. Das hat meinen späteren Chef beeindruckt.
Sie haben früh gelernt, dass ein Talent durch schwierige Zeiten im Leben helfen kann.
Es hat mich gestärkt, etwas besser zu können als die anderen. Mein Onkel war ein sehr guter Bildhauer. Ich erinnere mich noch genau, wie ich ein Buch in unserem Haus
Formenschaffer: Kunst braucht Zeit, sagt Giovanni Rindler. durchgeblättert habe. Da waren Sachen von Michelangelo drin. Ich dachte mir, ja, die Malerei wäre schon schön, aber sie ist viel schwieriger als die Bildhauerei. Und da bin ich bei der Bildhauerei geblieben.
Je abstrakter Ihr Werk wurde, umso weniger gefiel es der Mutter…
Warum schnitzt du nicht deine schönen Sachen?, das hat sie oft gesagt. Es war für mich ja lange nicht klar, dass ich auf die Kunst-



Köpfe, Körper und Torsi sind das Sujet von Giovanni Rindler. In seiner Kunst erforscht er den Menschen und eröffnet immer neue Blickwinkel und Aspekte.
akademie gehe. Je länger ich dort war, umso eigener wurde mein Werk. Meine Mutter hätte es lieber gesehen, dass ich weiter Christusfiguren schnitze.
Ihre Frau Brigitte Trieb hat auch Bildhauerei studiert, malt jetzt aber viel.
Hat sie den schwierigeren Job?
Das sehe ich heute nicht mehr so. Uns begegnen die gleichen Fragen und Probleme, wenn wir arbeiten. Zum Beispiel bewegte Sachen auf den Händen darzustellen, das ist für uns gleichsam schwierig.
Auf der Akademie haben Sie entdeckt, dass man sich mit Kunst neue Welten erschließen kann. Wie würden Sie Ihre
Entwicklung beschreiben?
Es gab mir die Möglichkeit, den Blick zu erweitern für die Schönheit und Sinnlichkeit der Kunst.
Sie arbeiten plastisch, das heißt, Ihre
Kunstwerke entstehen durch Antragen.
Was ist Ihr Lieblingsmaterial?
Für mich ist Ton ein Urmaterial, wo man die Gedanken mit den Fingern schnell umsetzen kann. Mit Ton arbeiten, ist ein bisschen wie eine schnelle Skizze zu zeichnen. Größere Figuren modelliere ich direkt in Ton, weil sie weicher wirken. Wenn ich eine Figur in Gips abgieße, bearbeite ich sie noch ziemlich.
Köpfe, Körper, Torsi: Das ist Ihr Sujet.
Ist der Mensch so spannend, dass man immer neue Formen in ihm entdecken kann?
Mann oder Frau, ein Thema für die Ewigkeit. Ich bin früher oft angegriffen worden nach dem Motto: Das ist eh schon gemacht worden. Aber ich lebe das, was ich machen will. Natürlich freue ich mich, wenn ich etwas verkaufe. Aber ich gestalte meine Kunst nicht danach, was der Kunstmarkt diktiert. Josef Pillhofer und Joannis Avramidis waren meine Lehrer. In ihrer Schule ist alles auf die menschliche Figur konzentriert. Es geht ums Abtasten der Formen und Übergänge. Eine der schönsten Figuren aller Zeiten: die Venus von Willendorf. Die Venus von Willendorf ist bildhauerisch, haptisch und sinnlich ein Meisterwerk. Neuesten Studien zufolge soll der Stein der Venus ja aus Italien stammen. Mit ihren 30.000 Jahren wirkt sie zeitlos und jung.
Ist Giovanni ein Künstlername?
In meinem Pass steht Johann, auf Ladinisch sagt man Jan oder Hans. Als ich in Graz Bildhauerei studiert habe, waren wir drei Hans im Kurs. Ein Oberösterreicher, ein Steirer und ich. Ein Professor sagte dann, auf Italienisch heißt Hans ja Giovanni. Und das ist mir geblieben.
Sie wollten nie Kunst machen, nur um sie verkaufen zu können. Nichtsdestotrotz müssen Sie davon leben. Ist Kunst ein lebenslanges Ringen mit diesem
Widerspruch?
Wer figürlich gearbeitet hat, war nach dem Studium unten durch. Trotzdem kam für mich nie etwas anderes in Frage. Mein Studium habe ich durch das Schnitzen von Christus-Figuren finanziert und später auch mit dem Restaurieren von Statuen angefangen. Das mache ich bis heute, und es gibt mir Freiheit. Das Ringen und Kämpfen gehört dazu.
Begleitet Sie die Kunst Tag für Tag?
Ich stehe um fünf Uhr morgens auf und gehe gegen 6 Uhr in die Werkstatt. Meine Frau kommt dann um 8 Uhr. Dann gehen wir kurz auf einen Kaffee und reden viel über Kunst. Selbst auf dem Heimweg noch. Das genießen wir.
Wie hat das Künstler-Leben der Eltern
Tochter Lara beeinflusst?
Sie ist praktisch im Atelier aufgewachsen, hat hier gebastelt und gezeichnet. Natürlich sagen alle Eltern, dass ihre Kinder tolle Sachen machen, aber ich fand ihre Bilder wirklich sehr interessant. Sie hat sich sogar mit ihren als Kind gezeichneten Bildern an der Modeschule beworben und wurde aufgenommen. Heute steht sie zusammen mit einer Kollegin hinter den Masken für die TVSendung The Masked Singer. Sie geht im Beruf gerade auf. Das ist schön zu sehen. Sie schätzt unsere Arbeit und wir ihre.
Was kann die Kunst, was andere Lebensbereiche nicht können?
Kunst spürt man. Es ist ein Bewusstseinszustand. Etwas anzuschauen, einen Vermeer zum Beispiel, kann beflügeln. In dem Sinne haben wir es sicher schöner als andere Leute. Wir zahlen aber auch den Preis, es finanziell nicht immer leicht zu haben.
Was braucht es, damit Kunst gelingt?
Zeit. Das habe ich erst auf der Akademie gelernt. Du brauchst nicht zu diesem einen bestimmten Zeitpunkt fertig zu werden, sagte ein Professor einmal zu mir. In Gröden waren wir gewöhnt, zu einem Stück Holz hinzugehen und es rauszuhauen. Sich hineinarbeiten, die Figur zu studieren, nein, das kannte ich nicht.
Sie leben seit mittlerweile 40 Jahren in
Wien. Hat Südtirol einen Einfluss auf ihre Kunst?
Nein, gar nicht. Aber ich fahre regelmäßig hin, um meine Geschwister und Freunde zu sehen. Das verbinde ich meistens mit Arbeit, wenn ich nach Vicenza und Verona zur Bronzegießerei fahre.
Noch bis zum 23. April zeigt das Stadtmuseum Bruneck mit Corpora Humana eine Auswahl Ihres Werks. Eine Reise durch die Erforschung des menschlichen Körpers durch Giovanni Rindler?
Das kann man so sagen. Es freut mich ganz besonders in meiner Geburtsstadt Bruneck ausstellen zu dürfen. So kann ich auch im Pustertal einen Überblick meiner Werke der letzten 20 Jahre präsentieren.
// Interview: Verena Duregger
CORPORA HUMANA
Das Stadtmuseum Bruneck zeigt bis 23. April Köpfe, Körper und Torsi aus dem Werk von Giovanni Rindler. In der Ausstellungsbeschreibung heißt es: „Giovanni Rindler erforscht in seinen Skulpturen und Zeichnungen das Bild des Menschen, seine Erscheinungen und Bewegungen.” //