16 minute read

Tobias Flatscher: Alte Namen neu erklärt

Tobias Flatscher, ein pensionierter Oberschullehrer, hat im zweiten Band seiner namenkundlichen Arbeit Namen im Einzugsgebiet der Rienz einen Großteil der Orts-, Tal-, Gewässer-, Berg- und Almnamen neu gedeutet. Die PZ begab sich auf Spurensuche und bringt nun den zweiten Teil der wichtigen wissenschaftlichen Arbeit des begnadeten Brunecker Forschers.

Im Vergleich zu den Hof- und Familiennamen, die im ersten Band der Namen im Einzugsgebiet der Rienz behandelt wurden, sind die Ortsnamen meist älter und stellen deshalb eine größere Herausforderung dar. Zudem gibt es verschiedene Ansichten, wie diese Namen zu deuten sind.

WIE ALT SIND DIE BESPROCHENEN ORTSNAMEN?

Der älteste Name im Untersuchungsgebiet kommt in der zweiten Hälfte des 8. Jhs. vor; es ist dies der Name Innichen (769: India quod uulgus Campogelau uocantur). Gegen Ende des 9. Jhs. werden die Namen Lüsen (893: ad Lusinam) und Onach (in Oneia) in einer Urkunde erwähnt, in der die Jagdrechte des Bischofs im Tal Lüsen bestätigt wurden. Bei der Abgrenzung dieses Gebietes wird auch eine Erhebung genannt, die ähnlich klingt wie der Weilername Ellen (mons Elinae); es ist aber nicht das Ellener Joch, das jetzt meist Astjoch genannt wird. Trotz des frühen Belegs für den Namen Onach kann nicht angenommen werden, dass es dort bereits eine ganzjährige Siedlung gab; vermutlich wurden die Fluren dort als Niederalm genutzt.

DAS REKONSTRUIEREN ALTER NAMEN

Bei der Deutung der ‚alten‘ Namen stellt sich die Frage, welcher Sprache diese zugeordnet werden können. Dies wäre vielleicht nicht so schwierig, wenn die Namen in den Urkunden so aufgezeichnet worden wären, wie sie wirklich gesprochen wurden. Bis ungefähr 1300 wurde für alle wichtigen Dokumente fast ausschließlich das Latein benutzt. Dabei wurden die Ortsnamen an diese Sprache angepasst. Meist geschah dies, indem ein Vokal am Wortende angehängt oder ein Konsonant weggelassen wurde. Der Reibelaut /ch/, der in der lateinischen Sprache nicht gleich gesprochen wird wie im Deutschen, wurde durch ein /c/ ersetzt, das als /k/ gesprochen wurde, wenn eine /a/ folgte. Zudem wurden Ortsnamen auch wie ein lateinisches Wort dekliniert. Von der latinisierten Namensform Intica (= Innichen) wurde auch eine Adjektivform gebildet

Der Talkessel von Bruneck; im Vordergrund die Höfe von Aschbach (Hofern); rechts im Hintergrund die Dolomiten und links davon der Karnische Kamm. © Tobias Flatscher

(Intica → inticensis). Einzelne Namen wurden sogar übersetzt. Das Latinisieren der Namen war aber nur eine Form der Verstümmelung. Hinzu kommen noch weitere Faktoren, die dazu beigetragen haben, die Namen zu verändern. Diese Namen waren vor der ersten Verschriftlichung bereits eine längere Zeit im Umlauf und da sie nur mündlich überliefert wurden, war die Wiedergabe oft ungenau. Zudem wurden Namen, die nicht mehr verstanden wurden, öfters umgedeutet. Aus diesem Grunde müssen diese alten Namen in gewisser Hinsicht ‚rekonstruiert‘ werden, das heißt, es wird versucht, die unterschiedlichen Namensformen genau zu studieren und die vermutlich ‚richtige‘ Sprachform zu ermitteln.

DIE NAMEN DER RÖMISCHEN STRASSENSTATIONEN

Aufgrund der Ausgrabungen und archäologischen Funde sind die Namen der römischen Straßenstationen Sebatum und Littamum allen bekannt; was aber viele nicht wissen dürften, ist der Umstand, dass der Name dieser römischen Straßenstationen in Vergessenheit geraten waren. Die alten römischen Siedlungen wurden im frühen Mittelalter aufgelassen, und am Rande des alten Siedlungsgebietes entstanden neue Siedlungen, sowohl in St. Lorenzen wie auch in Innichen. Die römischen Straßenstationen in St. Lorenzen und in Innichen lagen jahrhundertelang in einem ‚Dornröschenschlaf‘, denn erst im 18. Jh. wurde man auf die Existenz von römischen Siedlungen im Pustertal aufmerksam. Vermutlich erfuhren die Lokalhistoriker erst zu diesem Zeitpunkt von dem Dokument, in dem die Namen der römischen Straßenstationen aufgezeichnet waren: Das Itinerarium Antonini war eine Art ‚Reiseführer‘, in dem die größeren Ortschaften entlang einiger Römerstraßen aufgelistet wurden. Die Namen, die sich auf das Pustertal beziehen konnten, waren Aguntum, Littamum und Sebatum. Lange Zeit wurde angenommen, dass die römische Siedlung in Innichen Aguntum geheißen hätte! Laut der angegebenen Wegstrecke zur nächsten Straßenstation folgerte man, dass die römische Siedlung bei St. Lorenzen Littamum heißen müsse und man nahm an, dass sich die römische Straßenstation Sebatum bei Schabs befunden hätte! Diese Annahmen wurden

erst im Jahre 1873 vom Althistoriker Theodor Mommsen widerlegt. Die Namen der römischen Siedlungen Aguntum, Sebatum und Littamum wurden erst durch das Studium der älteren Geschichte neu entdeckt und konnten erst vor ca. 150 Jahren richtig lokalisiert werden. Die Tatsache, dass der Name der römischen Stadt Aguntum und die Namen der Straßenstationen Littamum und Sebatum in Vergessenheit geraten waren, muss den Namensforschern zu denken geben: Keiner der Namen, deren Siedlungen archäologisch nachweisbar sind, wurde weitertradiert. Es gibt keine Flurbezeichnung, die an das Bestehen dieser Siedlungen erinnern würde. Deshalb stellt sich die Frage, ob uns im Pustertal keltische oder sogar indogermanische Namen erhalten geblieben sind. Für das Verschwinden der römischen Namen muss es einen Grund geben: Es wird vermutet, dass dieses Gebiet eine Zeitlang ‚entvölkert‘ oder nur sehr dünn besiedelt war.

ALTE ERKLÄRUNGEN HINTERFRAGT

Als die typischen Namen des Siedlungsausbaus ab Ende des 6. Jhs. werden die Namen mit dem Suffix -ing(en) angesehen. Laut dieser Theorie enthält das erste Wortglied den Namen des ‚Sippenherren‘, während das Suffix -ing(en) die Zugehörigkeit zu diesem ‚Sippenherren‘ ausdrücken soll. Zweifel an der Echtheit der vielen Namen auf -ingen hat auch Karl Finsterwalder geäußert. Er stufte mehrere dieser Namen, z. B. Reiperting, Sleulingen, Irschling und Alping als ‚unechte -ing-Namen‘ ein (s. Finsterwalder, K.: Schichten der Ortsnamen auf -ing, S. 436). Einige dieser Namen bezeichneten ursprünglich nur eine Flur oder eine kleine Häusergruppe; dies ist ganz untypisch für die eigentlichen -ing-Namen! Zudem scheinen diese Namen relativ spät auf. Ebenso wie die oben genannten -ing-Namen werden auch die Ortsnamen, die auf -heim (Dietenheim, Uttenheim) oder -berg (z. B. Geiselsberg, Tesselberg, Getzenberg) enden, der bajuwarischen ‚Landnahme‘ zugeordnet. Diese zwei Typen von Ortsnamen, die nach der herkömmlichen Deutung auf einen Personennamen zurückgehen, werden in dieser Arbeit von einem anderen Blickwinkel beleuchtet. Den herkömmlichen Erklärungen liegt die Vorstellung zugrunde, dass die neuen Einwanderer in Gruppen kamen, die von einer Art ‚Sippenhäuptling‘ angeführt wurden. Um einige Ortsnamen ranken

Autor Tobias Flatscher.

sich Geschichten: Der Gründer von Dietenheim soll ein Herzog gewesen sein, und der kleine Weiler Tesselberg soll nach keinem Geringeren als dem großen Herzog Tassilo (einem Mitglied der Agolfinger) benannt worden sein. Ein Merkmal solcher ‚Ortsgründer‘ scheint zu sein, dass diese dem Adelsstand angehörten. Vorstellungen dieser Art, dass es Ortsgründungen gegeben habe oder dass ein ganzer Berghang, wo eine Siedlung entstand, einer Person gehörte, dürften mit den örtlichen Gegebenheiten nicht übereinstimmen. Die Annahme, dass ein Dorf nach dem Namen seines Gründers benannt wurde, würde implizieren, dass der Siedlungsausbau im Wesentlichen von einzelnen weltlichen Großgrundbesitzern vorangetrieben wurde.

DER NEUE ANSATZ ZUR DEUTUNG ALTER NAMEN

Die vorliegende Arbeit geht von einem sehr umfassenden Quellenmaterial aus, d. h. es wurde versucht, alle Belege zu sammeln, die in gedruckter Form vorliegen. Beim Ortsnamen Reischach fällt auf, dass öfters eine sprachliche Variante verwendet wird, der bisher kein Augenmerk geschenkt wurde (1155: Richsone / 1202: Richschon / Richschon). Es wurde auch versucht, das Quellenmaterial kritisch zu prüfen: Beim Ortsnamen Innichen wurden alle Belege ausgeklammert, die in gefälschten Urkunden vorkommen, denn diese erwiesen sich als ‚erfundene‘ Namensformen. In diesen Urkunden, die auf die 2. Hälfte des 10. Jhs. zurückdatiert wurden, scheinen archaisch wirkende Namen auf, vermutlich um die Glaubwürdigkeit dieser Dokumente zu untermauern. Diese erfundenen Namensformen haben zu schlimmen Verwirrungen geführt: Für den Namen Fischleintal scheint in den Urkunden die Namensform Fiscalina und Uiscalina auf und wurde deshalb als ein eindeutig lateinisches Wort eingestuft und als ‚dem Fiskus zinspflichtiges Tal‘ interpretiert. Mit diesem künstlich geschaffenen Namen wurde diesem Talnamen, der sicher deutscher Herkunft ist, eine romanische Wurzel zugeordnet. Aufgrund dieser Urkundenfälschungen wurde der Eindruck verfestigt, dass dieses Tal immer von einer romanisch-sprachigen Bevölkerung besiedelt war. Somit trugen diese Urkundenfälschungen auch zur Geschichtsverfälschung bei. In Anbetracht der Tatsache, dass die Namen der römischen Siedlungen in Vergessenheit gerieten, wird angezweifelt, dass sich im Untersuchungsgebiet Namen erhalten haben, die aus der Römerzeit stammen oder noch älter wären. Bei Ortsnamen wird zudem ausgeschlossen, dass diese auf einen Personennamen zurückgehen.

INHALTLICHE UND SPRACHLICHE VERÄNDERUNGEN

Die Sprachgeschichte lehrt uns, dass sich die Bedeutung mancher Wörter geändert hat. So konnte das mhd. holz nicht nur das Bau- oder Brennmaterial, sondern auch einen Wald bezeichnen. Das mhd. tan, auf den der Weilername Dun in Pfunders zurückgeht, stand für einen Nadelwald und das mhd. kien konnte die Abkürzung für kienboum (= Kiefer, Föhre) sein, konnte aber auch einen ‚Föhrenwald‘ bezeichnen. – Das mhd. wise (ahd. wisa) war nicht nur eine zu mähende Grünfläche, sondern bezeichnete eine baumfreie Flur, die für verschiedene Zwecke genutzt werden konnte, wo auch Getreide oder andere Feldfrüchte angebaut wurden. Die Ortsnamen haben sich im Laufe der Zeit sprachlich verändert. Zu diesem Zweck wurden alle Belege gesammelt, die derzeit in schriftlicher Form vorliegen. Anhand dieses Belegmaterials wurde beobachtet, wie sich die Namen im Laufe der Zeit entwickelt haben. Das wichtige Instrumentarium bei der Analyse dieser Namen ist die Kenntnis der deutschen Wortbildung, d. h. es ist wichtig zu wissen, nach welchem Muster Namen gebildet werden. Statistisch gesehen >>

besteht der Großteil der Ortsbezeichnungen aus zwei Wortgliedern. Allerdings sind diese Wortglieder häufig zu einem einsilbigen Namen zusammengeschrumpft, wie dies beim Namen Kiens aufgezeigt werden kann. Dieser Ortsname wurde nach dem gleichen Wortmuster gebildet wie der Name Kienberg: Die kien/wise war die Nutzfläche, die von einem Föhrenwald (mhd. kien) umgeben war oder dort angrenzte. Wie bei anderen Ortsnamen dieser Art (Prags, Gais, Taufers, Spinges, usw.) war auch beim Namen Kiens das Grundwort wise bereits vor der ersten Verschriftlichung verstümmelt worden. Der Halbvokal /w/ des zweiten Wortgliedes (kien/wise) war bereits vor der ersten Verschriftlichung (1050 - ca. 1065: Chienes) ausgefallen; später ist das zweite Wortglied nochmals geschrumpft (1157-1164: Chiens), sodass vom zweiten Wortglied nur mehr das /s/ übrigblieb: kienwise → kien(w) es → kiens. Bei den Weilernamen Ellen, Ahornach und Lothen wird in der Mundart am Wortanfang ein /f/ angefügt, z. B. bei (auf) Ellen → föl, (auf) Ahornach → fōchina, (auf) Lothen → floatn. Diese sprachliche Entwicklung ist bei diesen Weilernamen erst in den letzten Jahrhunderten eingetreten. Die Standardform dieser Namen wurde aber nicht mehr abgeändert, da diese Namen bereits vorher verschriftlicht wurden. – Im Mittelalter wurde mit Ortsbezeichnungen meist die Präposition zuo / ze (= zu) gebraucht. Beim Namen Sonnenburg dürfte die ahd. Präposition zuo mit einem Adjektiv und einem Nomen verschmolzen sein, denn bezeichnet wurde in erster Linie die Siedlung am Fuße der neu errichteten Burg: zuo niuwe(n) burc → zuoniuw(e)nburc → sunenburg. – Bei anderen Namen ist eine Präposition mit einem Begleiter und dem Nomen verschmolzen; dabei wurde der Vokal am Wortanfang stufenweise verändert: in dem holz → entholz → Antholz. Die Alm Neves (den meisten als NeveserStausee bekannt) wird von den Bewohnern von Lappach Ewis, Evis, Evas genannt. Anhand alter Dokumente kann festgestellt werden, dass dies die alte Namensform ist, und dass das /n/ am Wortanfang erst im 19. Jh.

Wir suchen Mitarbeiter für Produktion u. Montage angefügt wurde: Ewis / Evis / Evas → Neves. – Dasselbe sprachliche Phänomen, dass ein Konsonant an den Wortanfang gesetzt wurde, kann auch bei anderen Namen angenommen werden, wenn ein Name mit einem Vokal begann, wie z. B. beim Namen der Streusiedlung Getzenberg: Lässt man den Konsonant am Wortanfang weg, dann wird die Bedeutung dieses Namens klar: Der ‚(G) Etzenberg‘ ist der Berghang, wo es Weidefluren gab. Das andere Phänomen ist, dass am Wortanfang auch der erste Konsonant abfallen konnte. So muss man beim ältesten Beleg für Onach (893: Oneia) annehmen, dass sich die Wortgrenze am Wortanfang bereits verschoben hatte, vermutlich weil mit diesem Namen immer die Präposition ‚in‘ verwendet wurde: in (N)oneia. Bei diesem Ortsnamen ist es die relativ selten belegte Namensform Nonnay (1258), in der sich die ursprüngliche Form erhalten haben dürfte. Namen haben sich durch verschiedene sprachliche Prozesse verändert. Der Name Amaten ist zuerst als Hofname Ainoter (1324) und Ainnoder (1472) belegt. Das mhd. einoede beschreibt die Lage des ursprünglichen Hofes: Dieser lag in der ‚Einöde‘, also im Wald, abseits von einer Siedlung. Dieser Name wurde stufenweise zu ‚Amaten‘ umgeformt bzw. umgedeutet, denn bei diesem Namen würde man eher das Wort ‚Mahd‘, ein altes Wort für ‚Wiese‘, vermuten.

DIE TALNAMEN

Mehrere Talnamen haben sich erst im 18. Jh. herausgebildet. Diese Namen wurden von alten Siedlungsgebieten, wie z. B. Ahrn, Mühlwald, Antholz, Gsies, Prags, Sexten und Lüsen abgeleitet. Diese Talnamen wurden von Geografen geprägt und mit wenigen Ausnahmen werden diese von den Einheimischen kaum benutzt. – Die Ausnahme unter den Talnamen bildet der Name Pustertal; dieser Name scheint bereits am Ende des 11. Jhs. in einer lateinischen Urkunde als valle Bustrissa (1091) auf. Im 12. Jh. wird dann auch die deutsche Namensform Pusterstal (1177) auch in lateinischen Urkunden verwendet. Anfangs wurde mit diesem Namen aber nur ein Teil des langen Tales, also der Abschnitt westlich von Welsberg bezeichnet.

DIE GEWÄSSERNAMEN

Auffallend ist, dass in Dokumenten, die auf Deutsch abgefasst sind, ein alter Ausdruck verwendet wurde, der inzwischen eine Bedeutungsveränderung erfahren hat: Es ist das mhd. wazzer. Dieser Ausdruck wurde meistens für das größte fließende Gewässer in einem Tal gebraucht. Ein anderer alter Ausdruck mit derselben Bedeutung war die mhd. Bezeichnung ache. Der Gewässername ‚Ache‘ wurde im 19. Jh. durch ‚Ahr‘ ersetzt. Dieser relativ junge Name geht auf den alten Siedlungsnamen ‚Ahrn‘ zurück: Ahren Bach (1816-1821) oder (die) Ahrner Ache. Der untere Flusslauf wurde nach dem größten Siedlungszentrum benannt und hieß Tauferer Ache (1838) oder Tauferser Ache (1844). Dieser Gewässername wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. vom kürzeren Namen verdrängt. Bemerkenswert ist, dass einige Gewässernamen, die in Landkarten aufscheinen, von den Einheimischen nicht verwendet werden. So heißt die Ahr im hinteren Ahrntal einfach ‚Bach‘ oder ‚Grundbach‘ – im Gegensatz zu den Seitenbächen, die alle einen besonderen Namen haben.

BEZEICHNUNGEN FÜR BERGE

Der Begriff ‚Berg‘ hat einen Bedeutungswandel erfahren. Ursprünglich wurde mit Berg vorwiegend eine Nutzfläche am Berghang bezeichnet, wie dies die Weilernamen (Geiselsberg, Wielenberg, Tesselberg, Getzenberg, usw.) und Hofnamen (Irenberg, Liensberg, usw.) bezeugen. Nach dem Aufblühen des Tourismus im 19. Jh. wurde mit ‚Berg‘ vor allem der obere Teil einer Geländeerhebung bezeichnet. Das hoch-alpine Gebiet war für die bäuerliche Bevölkerung meist bedeutungslos, da diese Gebiete landwirtschaftlich nicht genutzt werden konnten. Der Großteil der Berge wurde erst im 19. Jh. von Bergführern benannt. Einige Namen von Geländeerhebungen kommen in der bereits oben erwähnten Urkunde von 893 vor. Diese Bergnamen im Plosegebiet können nicht lokalisiert werden, weil diese Namen latinisiert oder sogar übersetzt wurden. Auch Namen, die kurz nach der Jahrtausendwende genannt werden, sind sehr unspezifisch, z. B. Marchstein (10021004) und sind unauffindbar. Nach 1500 kommen mehrere Namen in Beschreibungen von Gerichten oder Grafschaften vor. Einige dieser Namen waren eigentlich Flurbezeichnungen, die zum Teil wieder abgekommen sind. In einer Grenzbeschreibung aus dem 16. Jh. hieß der Kronplatz Planez oder Plonez. Das Grundwort dieses Namens ist ‚Etze‘, ein altes Wort für ‚Weide‘ oder ‚Weideland‘. Einige Bezeichnungen für Berge, die in diesen Beschreibungen vorkommen (Riegel, Sam, Faden, Ofen) sind nicht mehr in Gebrauch oder kommen nur im bäuerlichen Sprachgebrauch vor (z. B. Zint). In der Anichkarte, dem sog. Atlas Tyrolensis (1774), scheinen viele Bergnamen auf, die von einer Siedlung abgeleitet sind: Gsieser Gebürg, Ahornach Berg, Mühlwalder Berg, usw.. – Ein Problem, das sich auch noch im 19. Jh. bemerkbar machte, war der Umstand, dass ein und derselbe Berg unterschiedlich benannt wurde: Die Anhöhe oberhalb der Dörfer Reischach, Stefansdorf und Moos, die als ein Teil des Kronplatzes angesehen wird, wurde unterschiedlich bezeichnet: Reischacher Berg, Stephansdorfer Berg und Mosinger Berg. Für die höchste Erhebung wurden in

Ein Blick vom Pfannhorn aus: In der Mitte der Haunold, im Hintergrund die Drei Zinnen, links davon die Drei Schusterspitzen. Rechts vom Haunoldmassiv werden die Spitzen des Monte Cristallo von den ersten Sonnenstrahlen beschienen. © Tobias Flatscher

der Landesbeschreibung Tirol und Vorarlberg von Joh. J. Staffler wiederum andere Bezeichnungen verwendet: Hörnle oder Kronplatz, sowie Planta coronis. Berge wurden öfters auch nach einer Alm benannt, die wiederum auf einen Hofnamen zurückging. ‚Maurer Berg‘ ist einer der Bergnamen, der auf einen Hofnamen zurückgeführt werden kann, denn unterhalb dieser Geländeerhebung befand sich die Alm, die zum Maurerhof in Lüsen gehörte. Viele dieser Bergnamen wurden später durch andere ersetzt, da die Besitzer der Almen häufig wechselten.

‚ALBE‘ BZW. ‚ALM‘ AUS HISTORISCHER SICHT

‚Alpis‘ (= Alpen). Somit sind zwei ähnlich klingende Wörter, die aber unterschiedlicher Herkunft sind, zusammengefallen.

DER NAME HAUNOLD

Mit dem deutschen Begriff ‚Albe‘ wurde die Bewirtschaftung von höher gelegenen Gebieten in den Sommermonaten bezeichnet. Diese Weideflächen, die lange der ‚Allgemeinheit‘ (d. h. den Bauern einer bestimmten Siedlung) gehörten, wurden im Mittelalter nach bestimmten Regeln genutzt. Die lateinischen Urkundenschreiber dürften bei der Verschriftlichung dieses Sachverhalts Probleme gehabt haben, da es im Latein keinen Ausdruck für solche Weideflächen gab. Aus diesem Grunde wurde das Wort ‚Albe‘ mit einer Ortsangabe wiedergegeben: in alpibus (= ‚in‘ oder ‚auf den Bergen‘). Der Ausdruck ‚Alm‘ dürfte jedoch auf den alten Rechtsbegriff ‚Allmein‘ zurückgehen (der ältere Rechtsbegriff ‚Allmende‘ kommt im Untersuchungsgebiet nicht vor!). Ab dem 18. Jh. wurde der Ausdruck ‚Albe‘ öfters als ‚Alpe‘ verschriftlicht, vermutlich in Anlehnung an die lateinische Bezeichnung Abschließend soll ein Bergname genauer betrachtet werden, der einen bestimmten Bekanntheitsgrad hat, da sich um diesen Berg die bekannte Sage vom Riesen Haunold rankt. Dieser Riese soll beim Bau der Stiftskirche geholfen haben. Der Name des Berges ist aber nicht so alt wie dieses Kirchengebäude; früher wurde dieser Berg nach einem der zwei Patrone des Klosters Innichen, Hl. Kandidus, benannt. 1501: und von Creützbach über ins Creützthal auf in Sant Kanfrischer Spargelnenstein, Prast, E.: Pustertaler Herr- direkt vom schaften; S. 383 1501/1631: auff in bauer condin bauer condin Sandt Konnenstain, Stolz, O.: Politischhistorische LandesTäglich frisch an unserem Verkaufsstand in beschreibung, S. 611 Vahrn Für die Analyse dieses Namens ist die NEU Tankstelle Kostner geöffnet DI – SO alte Aussprache von 9 bis 18 Uhr dieses Bergnamens wichtig: (haun)holt Kiens (s. Kühebacher, Die NEU Happy Snack Ortsnamen Südtirols, geöffnet DI – SO Bd. 3, S. 101); diese von 9 bis 18 Uhr lautliche Form mit dem Hauchlaut /h/ am Wortanfang des zweiten Wortgliedes, scheint auch im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jhs. noch auf: 1774: Haunhold Berg, Atlas Tyrolensis 1816-1821: Haunhold, Franziszeische Landesaufnahme 1844: Haunhaltknoten, Staffler, J. J.: Tirol und Vorarlberg. Bd. 2, T. 2, S. 368 und 397 1869-1887: Haunold, Franzisco-Josephinische Landesaufnahme Anhand der frühen Nennungen dieses Namens wird klar, dass das eigentliche Grundwort -berg oder -knoten war. ‚Knoten‘ ist eine sprachliche Variante von ‚Knotte‘ = Felsbuckel, großer Stein (s. Schatz, J.: Tiroler Mundarten): Haun/holt/knoten. Nachdem das Grundwort ‚Knoten‘ abgefallen war, blieben nur mehr die ersten zwei Wortglieder übrig. Der Name Haun/hold besteht aus einem Adjektiv (mhd. hōh, hōch) und einem Substantiv (mhd. halde, nhd. Halde). Mit ‚Halde(n)‘ sind die Geröllhalden gemeint, die sich am Fuße dieses Felsgesteins abgelagert haben (s. Bild). Der ursprüngliche Name, der als ‚hohen Hald(e) Knoten’ paraphrasiert werden kann, wurde gekürzt und stufenweise auch lautlich verändert: hohen Halde(n) knoten (oder berg) → ho(h)en hold → haun(h) old. // pez Abkürzungen: mhd. = mittelhochdeutsch, ahd. = althochdeutsch

WO KANN MAN DIE BÜCHER ERWERBEN

Das namenkundliche Werk „Namen im Einzugsgebiet der Rienz“ ( Bd. 1: Hof- und Familiennamen, Bd. 2: Orts-, Tal-, Gewässer-, Berg- und Talnamen) kann beim Autor (Tel. 371 496 5954) oder in der Buchhandlung Weger (Brixen) erworben werden.

ErdbeerenJetzt auch

SÜDTIROLWEIT BESTELLEN WWW.CONDIN.SHOP

This article is from: