PRESTIGE BUSINESS 01/22

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RUBRIK

AUSGABE 01 / 2022

1/1 COVER BANK CIC

THOMAS MÜLLER CEO der Bank CIC (Schweiz) AG

PRESTIGE BUSINESS


IHRE UNTERSTÜTZUNG BEI DER EXPANSION Global vernetzt, lokal verankert: Wir helfen Ihnen, in Ihrem Wunsch-Absatzmarkt die richtigen Leute zu treffen, damit Sie Ihr globales Projekt erfolgreich umsetzen können. Buchen Sie eine unverbindliche Erstberatung und erfahren Sie, wie Sie Ihr Exportvorhaben erfolgreich in die Tat umsetzen können: s-ge.com/beratung


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LIEBE LESER*INNEN,

Der erste Eindruck zählt

heute ist die Geburtsstunde unseres neuen Magazins PRESTIGE BUSINESS, das nun den Platz von kmuRUNDSCHAU einnimmt und ebenfalls vier Mal jährlich erscheint. Wir fusionieren 17 Jahre wirtschaftspolitische Kompetenz der Marke kmuRUNDSCHAU und 15 Jahre luxury culture der Marke PRESTIGE. PRESTIGE BUSINESS versteht sich als «Backgroundmedium» und bietet tiefergehende Hintergrundstorys, Portraits und Analysen aus der Wirtschaftswelt der führenden Schweizer Unternehmen. PRESTIGE BUSINESS steht für Reputation, Vorbildfunktion und Erfolg. PRESTIGE BUSINESS ist das Magazin für Manager, Unternehmer und Unternehmerinnen, die vorangehen, Impulse setzen, Trends erkennen und Unternehmen weiterentwickeln: zielstrebig, in einer offenen, humanen Unternehmenskultur, fair und mit Weitblick. Mit PRESTIGE BUSINESS schlagen wir den Weg in Richtung Wirtschaftsmagazin ein. Wie sagte Hermann Hesse? «Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.» Geniessen Sie den Anfang von PRESTIGE BUSINESS.

M Herzlich Peter Levetzow

Geschäftsleitung Editorial Media Group AG

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INHALTSVERZEICHNIS

OPINION LEADER 6 FRAUENPOWER IN DER PRAXIS Der Wirschaftspreis in der Schweiz für Frauen

M & A / NACHFOLGEREGELUNGEN

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12 AUF EINEM HERAUSFORDERNDEN WEG Die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Bank CIC (Schweiz) AG 20 ERFOLGREICH GESTALTEN Die Unternehmensübergabe und der Übernahmeprozess

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FINANCE / FINTECH / INVESTMENTS 24 NOTWENDIGKEIT IST DA Neue kundenzentrierte und digitale Geschäftsmodelle im Bankensektor 30 ATTRAKTIVE LÖSUNGEN Vorsorge-Strategien für KMU 34 DER LUXUS VOM PERSÖNLICHEN PRIVATBANKIER Die Sicherung des wahren Luxus

DIGITAL INNOVATIONS 38 SECURITY ASSESSMENTS Der optimale Schutz gegen Cyberangriffe 42 KEINE INSEL MEHR Human Resources-Abteilungen und Softwarelösungen 46 DIE RELEVANZ DER DIGITALISIERUNG Schlüsselfaktor für Innovationen in der Wirtschaft 50 SINNVOLLE SECURITY Mit Zero Trust die Sicherheit im Unternehmen erhöhen 54 PERSÖNLICHKEITEN UND TECHNIK Die Überbrückung der digitalen Kluft in Afrika 58 FOKUS JAPAN Virtuelle Kommunikation bei internationalen Geschäften 60 IOT UND DATENSCHUTZ Datenschutz in der digitalen Geschäftswelt

MARKETING 64 NEUES EINKAUFSERLEBNIS Augmented Reality in der Marketingpraxis 68 DIE ZEIT NACH DER SPORTKARRIERE Netzwerk vermittelt Athlet*innen erfolgreich an die Wirschaft

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GREEN STRATEGY 72 DIE FASZINIERENDSTE ART, RESSOURCEN ZU SCHONEN Nachhaltige Mobilität in der Oberklasse 78 WANDEL ANSTOSSEN Nachhaltigkeit im Unternehmen verankern



INHALTSVERZEICHNIS

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HUMAN RESOURCES 82 NEUE FIRMENKULTUR Die Bedeutung von Mikrointeraktionen 88 ES BRENNT IM UNTERNEHMEN Strategisches Krisenmanagement 92 DREI PROGNOSEN Die Arbeitswelt in der nahen Zukunft 94 KLUGER FÜHRUNGSSTIL Eine Reflexion über Personalführung in bewegten Zeiten 100 MENSCHEN ENTWICKELN UND BEFÄHIGEN Performance-Management ist mehr als die Steuerung von Leistung 104 HANDLUNGSBEDARF IST DA Die Wertigkeit von Reputation Management 110 ARBEITEN MIT WOHLFÜHLCHARAKTER Anforderungen für moderne Bürolandschaften

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OUT OF THE BOX 118 INNEHALTEN ALS INSPIRATION Die Suche nach natürlicher Intelligenz

MOBILITY 122 DIE TREIBER EINES PARADIGMENWECHSELS Design, Technologie und Nachhaltigkeit

CHARITY 130 BUSINESS PROFESSIONALS NETWORK Brücken bauen für eine nachhaltige Entwicklung

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ARTS & BUSINESS CULTURE 134 MIT LIEBE ZUR MECHANIK Klassische Uhren in neuem Rahmen 140 DEN CHARME NUTZEN Neues Leben für alte Barriquefässer 143 BEI UNS DREHT SICH ALLES UM IHR WOHNEIGENTUM Im Hausegentümerverband immer gut beraten 144 FÜR VIEL PLATZ IST GESORGT Das erste Anbau-Schranksystem der Schweiz auf der Höhe der Zeit 148 DESIGN-KLASSIKER FÜR DEN MODERNEN ARBEITSPLATZ Schreibtisch, Licht und Stuhl

KOLUMNEN 28, 36, 76, 80, 86, 90

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OPINION LEADER

FRAUENPOWER IN DER PRAXIS Der Wirtschaftspreis in der Schweiz für Frauen

Das Swiss Economic Forum (SEF) ist die führende Wirtschaftskonferenz der Schweiz und findet am 2. und 3. Juni 2022 bereits zum 24. Mal statt. In diesem Rahmen wird der SEF.WomenAward verliehen. Bekanntlich sind in den Teppichetagen weibliche Kader noch immer eine deutliche Minderheit. Um dies zu ändern, braucht es unter anderem Vorbilder, die mit unternehmerischen Leistungsnachweisen kommenden Generationen den Weg weisen können. Preise aus der Mitte der Schweizer Wirtschaftswelt sind hier ein klares Statement. Die sechs Finalistinnen stehen fest. Sie gliedern sich in gestandene CEOs und Jungunternehmerinnen auf. Wir stellen sie auf den folgenden Seiten vor. Autor: Georg Lutz

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rauen in Kaderpositionen haben statistisch noch immer eine Exotenposition. Trotz Frauenförderung, politischer Sonntagsreden und Girls’ Days bleiben die Führungsetagen weiterhin männlich dominiert. Optimisten sehen zwar eine positive Entwicklung in den letzten Jahren, aber die «gläsernen Decken», an die Frauen stossen, sind weiterhin da. Offensichtlich prägen alte Rollenbilder noch immer das Geschehen. Ja, es gibt sie, die einzelnen Leuchttürme weiblicher Kadervorbilder. Ein Beispiel ist Petra Jenner. Sie arbeitet in der männerdominierten IT-Branche und ist heute General Manager bei Salesforce. Früher war sie in der Schweiz Chefin bei Microsoft und hat schon dort intern mithilfe eines Netzwerkes Frauen in Kaderpositionen gebracht. Die nüchterne Statistik spricht aber eine andere Sprache. Das verdeutlicht eine Studie der Universität St. Gallen vom letzten Jahr, die den Karriereverlauf von über 320’000 Angestellten in der Schweiz untersucht hat. Gerade in mittleren und oberen Kadern ist der Geschlechter-Gap offensichtlich.

DER GAP Am Ende der Ausbildungszeit, an den Universitäten und Fachhochschulen und beim Start in das Berufsleben ist die Ausgangslage für Frauen und Männer ungefähr gleich. Inzwischen haben hier junge Frauen sogar Vorteile. Etwas mehr als die Hälfte aller Masterdiplome an Universitäten und Fachhochschulen geht inzwischen an Frauen. Es gibt aber grosse Unterschiede zwischen den Fachbereichen. Wer heute Bauingenieur wird, ist statistisch gesehen immer noch ein Mann. Dafür sind Agenturchefinnen oft Frauen. Es gilt immer noch der alte Spruch: Die kommunikative Softpower bestimmen Frauen, die naturwissenschaftlichen Themen Männer. Nach einigen Jahren im Berufsleben tauchen wir aber überall wieder in alte Zeiten ein. Mittlere und obere Kader werden weiterhin von Männern dominiert. Nehmen wir die Zahl Hundert der Studie als zentrale Referenzgrösse. Wie sehen die Verhältnisse aus? Beim Topmanagement steht es 17 zu 83, beim mittleren Kader 23 zu 77, beim unteren Kader 31 zu 69 und bei der tiefsten Kaderstufe ist der Stand 40 zu 60. Nur bei letzterer gibt es eine klare positive Entwicklung für Frauen, was die statistische Entwicklung der letzten Jahre betrifft. Das kann man in den Businesswelten auch mit eigenen Augen sehen. Man sieht auf Kongressen und Messen, die jetzt wieder stattfinden, zwar Marketingchefinnen, aber kaum weibliche CEOs.

ALTE KLISCHEES Warum ist das so? Offensichtlich haben wir alle noch Rollenbilder im Hinterkopf, die wir zwar öffentlich nicht nach aussen kommunizieren, die aber tief verankert sind. Zusammengefasst: Frauen bekommen doch früher oder später Kinder und wir brauchen Kader, die jederzeit und zu hundert Prozent Verantwortung 8

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übernehmen. Diese Hintergedanken verhindern Beförderungen und Anstellungen. Zwischen 30 und 40 Jahren geht es für Frauen auf der Karriereleiter meist nicht mehr nach oben. Und wo bleibt das Positive? In Zeiten der Pandemie und des zunehmenden Home-Office- und RemoteArbeitens wirbelt es alte Bilder in den Arbeitswelten durcheinander. Wer hier als Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle entwickelt, die Frauen und Männern mit Kindern zugutekommen, kann eher früher als später Früchte ernten, da er hochqualifizierte Frauen als Arbeitskräfte nicht verliert.

DIE WIRTSCHAFTSPLATTFORM UND DER AWARD 2022 Das Swiss Economic Forum (SEF) ist die führende Wirtschaftskonferenz der Schweiz und findet am 2. und 3. Juni 2022 bereits zum 24. Mal statt. Jedes Jahr treffen sich über 1 000 Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien in Interlaken zum aktiven Meinungsaustausch und branchenübergreifenden Dialog. Der Award für Businessfrauen wird in den Kategorien «Jungunternehmerin des Jahres» und «Unternehmerin / CEO des Jahres» verliehen. Zudem wird eine aussergewöhnliche Persönlichkeit, welche sich Zeit ihres Lebens für einen starken Wirtschaftsstandort Schweiz eingesetzt hat, mit dem Ehrenpreis honoriert. Nun kann ein Preis nicht eine nationale Statistik verändern. Aber er setzt Zeichen und präsentiert Vorbilder, die in die Gesellschaft hineinwirken können.

TEILNAHMEBERECHTIGUNG Es gibt im Vorfeld einige klare Bedingungen. Bei der «Jungunternehmerin des Jahres» lauten diese wie folgt: Die Unternehmerin hat ein oder mehrere Unternehmen gegründet und dort eine aktive Position inne. Das Unternehmen ist / die Unternehmen sind nicht älter als sieben Jahre, der Unternehmenssitz und wesentliche Teile der Wertschöpfung befinden sich in der Schweiz. Bei «Unternehmerin / CEO des Jahres» lauten diese: Die Unternehmerin oder CEO trägt die Verantwortung für ein Unternehmen und hat dort eine aktive Position inne. Das Unternehmen wurde vor mindestens sieben Jahren gegründet. Der Unternehmenssitz und wesentliche Teile der Wertschöpfung befinden sich in der Schweiz.


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DIE DREI JUNGUNTERNEHMERINNEN DES JAHRES 2022 ESTELLA BENZ Mitgründerin & CEO, Skin Match Technology Switzerland AG Mit über zehn Jahren Erfahrung in der Digitalbranche gründete Estella Benz 2017 die Skin Match Technology Switzerland AG mit. Die Tools des Zürcher Software-as-a-Service-Unternehmens helfen Beauty-Marken und -Retailern, der Endkundschaft transparent, informativ und neutral die individuell besten Produkte zu empfehlen. Mit der «Skin Match Technology» gewann Estella Benz die ForwardBeautyChallenge von DOUGLAS und nahm am Beauty Tech Accelerator von L’Oréal in Paris teil.

Vor der Skin Match Technology Switzerland AG gründete sie die US-Firma RUE CINQ Inc., welche sie bis heute leitet. Estella Benz erwarb diverse Schweizer Diplome und Zertifikate in den Fachdisziplinen Kommunikation und Marketing, zudem bildete sie sich am Fashion Institute of Technology (USA) im Bereich Unternehmertum weiter.

www.skin-match.com

FAJER MUSHTAQ Mitgründerin & CEO, Oxyle AG Fajer Mushtaq ist Mitgründerin und CEO der seit 2020 bestehenden Oxyle AG. Das ETH-Spin-off ermöglicht es, Wasser auf nachhaltige und kosteneffiziente Weise von giftigen Schadstoffen zu reinigen. Mit seiner Innovation gewann das Cleantech-Start-up mehrere internationale Preise wie den «SEIF Award for Social Innovation» oder die Hello Tomorrow Global Challenge in der Kategorie «Energy & Environment». Fajer Mushtag hält einen Elektrotechnik-Bachelor der Aston University (GBR) und einen Master in Mikro- und Nanosystemen der ETH Zürich. Ebenfalls an der ETH Zürich schloss sie 2019 ihr Doktorat zu intelligenten Nanomaterialien für die Umwelt­ sanierung ab, das den Ausgangspunkt der Oxyle AG bildet. Ihr unternehmerisches Know-how eignete sich Fajer Mushtaq in diversen Programmen und Workshops an. www.oxyle.ch

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ZHANG XI Vorsitzende & CEO, Superlab Suisse AG Die Architektin Zhang Xi gründete 2019 die Superlab Suisse AG. Die Zürcher Firma bietet Life-Science-Unternehmen Laborräume und entsprechende Dienstleistungen an. Mit diesem «Lab-as-a-Service»Ansatz sparen Mieterinnen und Mieter wertvolle Ressourcen und können sich vollständig auf die Forschung fokussieren. Zhang Xi ist ausserdem Mitgründerin des Architekturbüros EXH Design, dessen Sitz in Shanghai seit 2006 und derjenige in Zürich seit 2016 besteht.

Die gebürtige Chinesin absolvierte ihr Architekturstudium an der Tongji University (CHN) und an der ETH Zürich. Sie ist zudem im Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) als Architektin registriert. Zhang Xi glaubt an Energie und fördert die asiatische Architekturphilosophie sowie Feng Shui im zeitgenössischen globalen Kontext. www.superlabsuisse.com

DIE DREI UNTERNEHMERINNEN / CEOS DES JAHRES ANNA BAUMANN Direktorin, Natur- und Tierpark Goldau Sie ist seit 2008 Direktorin des Naturund Tierpark Goldau: Anna Baumann. Daneben amtet sie als Präsidentin der Stiftung pro Bartgeier und ist VR-Mitglied der Sparkasse Schwyz.

Eine ihrer grossen Leidenschaften ist die Önologie, welche sie zwischen ihren Stationen bei der Credit Suisse und der Swisscom für einige Zeit nach Chile und Argentinien führte.

Ab 2023 beginnt für Anna Baumann als CEO der UNESCO-Biosphäre Entlebuch ein neues berufliches Kapitel. Vor demjenigen in Goldau war sie unter anderem Geschäftsleitungsmitglied des Zoos Zürich und der Swisscom sowie Prokuristin bei der Credit Suisse. Anna Baumann absolvierte einen VR-Zertifikatslehrgang der Universität St. Gallen und einen Executive Master in Strategic Management and Leadership der Strathclyde Business School (GBR). 10

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www.tierpark.ch


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BRIGITTE BREISACHER CEO, Alpnach Norm Holding AG Brigitte Breisacher ist seit 2008 Inhaberin und Unternehmensleiterin der Alpnach Norm Holding AG mit Sitz in Alpnach, welche die Alpnach Schänke AG, Alpnach Küchen AG und ZURAG AG umfasst. Die Anfänge der Gruppe gehen ins Jahr 1966 zurück, als Brigitte Breisachers Vater Theo Breisacher die Alpnach Schränke AG gründete. Sie selbst trat 1987 nach ihrer kaufmännischen Lehre ins Familienunternehmen ein. Bis zum Generationenwechsel 2008 agierte sie betriebsintern in wechselnden Funktionen und etablierte gemeinsam mit ihrem Vater die Alpnach Küchen AG. Neben der Leitung der Alpnach Norm Holding AG mit den heute knapp 200 Mitarbeitenden widmet sich Brigitte Breisacher passio­ niert dem gesellschaftlichen Engagement – dies etwa im Rahmen der Stiftungen ihres Vaters oder der Lungern-Turren-Bahn.

www.alpnachnorm.ch

MONIKA WALSER CEO, de Sede AG Seit 2014 leitet Monika Walser die Klingnauer de Sede AG, ein führendes Unternehmen in der Herstellung exklusiver Ledermöbel.

Monika Walser ist ursprünglich ausgebildete Haute-Couture-Damenschneiderin. Ihre Karriere in Führungspositionen begann sie nach zahlreichen Weiterbildungen.

Daneben hält sie diverse Verwaltungsratsmandate, etwa bei der Sanitas Krankenversicherung AG, der Orior AG und beim Zoo Zürich. Vor ihrer Zeit bei der de Sede AG agierte Monika Walser als Geschäftsführerin, CCO und HR-Verantwortliche in verschiedenen internationalen und nationalen Unternehmen. Ihre erste eigene Firma, die Cassiopeia Trend AG, gründete sie 1994. Diese spezialisierte sich auf die Produktion von Folklore-Kinderkleidern mit Handstickereien.

www.desede.ch

Georg Lutz leitet die Redaktion von PRESTIGE BUSINESS. www.swisseconomic.ch/swa-finalistinnen

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© Marc Gilgen / Patrick Kunz

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Gerade in herausfordernden Zeiten sind Finanzierungen und Projekte Unternehmen von zentraler Bedeutung. 12 PRESTIGEfürBUSINESS


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AUF EINEM HERAUSFORDERNDEN WEG Die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Bank CIC (Schweiz) AG

Vor 150 Jahren gründeten Unternehmer aus der Schweiz eine Bank in Strassburg, um die finanziellen Anliegen von Unternehmen in der Region zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz abzudecken. Da können die Verantwortlichen mit Recht auf eine lange Geschichte zurückblicken. Gleichzeitig gilt es aber, die Heraus­ forderungen der Zukunft schon jetzt innovativ aufzu­ nehmen. Wir führten ein Ankerinterview mit dem CEO der Bank CIC (Schweiz) AG. Interviewpartner: Thomas Müller Autor: Georg Lutz

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anken befinden sich wie viele andere Akteure heute in einem Transformationsprozess, bei dem digitale Technologien eine zentrale Rolle spielen. Hier gilt es, Resilienz zu entwickeln. Dabei geht es aber nicht um den Ausbau des Status quo, sondern die produktive Aufnahme disruptiver Entwicklungen. Es gilt, die zukünftige Ausrichtung der Märkte und die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden im Auge zu haben. PRESTIGE BUSINESS: Herr Müller, wir leben in bewegten Zeiten. «Zeitenwende» oder «Epochenbruch» lauten die hochtrabenden Stichworte, mit denen wir seit Kriegsbeginn konfrontiert sind. In solchen historischen Wechselsituationen ist ein Blick in die Geschichte hilfreich. Sie sind jetzt 150 Jahre auf dem Markt. Wenn man sich zurückerinnert, wurden viele Banken in diesem Zeitrahmen ge-

gründet. Dies hat mit der industriellen Revolution zu tun, mit Kapital, welches dann benötigt wurde, mit einer ersten Phase einer industriellen Globalisierung, neue Technologien haben disruptive Entwicklungen ausgelöst. Gleichzeitig gab es auch politische Verwerfung, Imperien haben sich neu geordnet und die Gründerkrise hat Gesellschaften erschüttert. Das ist spannend, da es heute ähnliche Brüche gibt, die man vergleichen könnte. Wie beurteilen Sie diese Vergleiche? Thomas Müller: Ich glaube, man kann diese beiden Perioden, Ende des 19. Jahrhunderts und heute, sehr gut miteinander vergleichen. Gerade auch die Gründung unserer Bank entspringt diesem Wandel. Als sich die französischen Banken 1871 aus Elsass-Lothringen zurückzogen, ergriffen Basler Unternehmer die Gelegenheit, für ihre Unternehmen in Elsass-Lothringen selbst Bankdienstleistungen zu erbringen. Die französischen Banken, die Europa mit

dem französischen Franc dominiert haben, haben sich zurückgezogen und es gab ein finanzpolitisches Vakuum. Sie haben Recht, es wurden in dieser Zeit viele Banken gegründet. Sie haben die Gründe der ersten industriellen Revolution und ihres Kapitalbedarfs aufgeführt. Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Punkt: Es ging um sozialpolitische Überlegungen. Auch ärmere Teile der Bevölkerung bekamen die Möglichkeit, ihr Geld sicher aufzubewahren und einen Zins darauf zu verdienen. Für die Kantonalbanken war dies sogar ein Auslöser für ihre Gründung. Wurden die ganzen Gesellschaften in Europa davon erfasst? Es gab eine umfassende Bewegung. Investitionsprojekte für Unternehmer, die ihre Betriebe am Laufen halten oder entwickeln wollten, waren ein zentraler Antriebsriemen. Die zunehmende Verstädterung und ihre Infrastruktur und Verkehrsprojekte brauchten Kapital – die erste industrielle Revolution sowieso. Das war ein gewaltiger Bruch mit feudalistischen Strukturen. Die Landbevölkerung, die klassisch mit ihrem Speicher und Korn, welches sie in Reserve behielt, gespart hat, verlor an Bedeutung. Das ist damals eine spannende Zeit gewesen, die diese Unternehmen hervorgebracht hat, die operativ und industriell tätig waren – aber auch Banken, die als Dienstleiter dazu gekommen sind. Und genau die gleichen Bedürfnisse, die die Menschen damals hatten, die gibt es heute immer noch. Und aus diesem Grund kann man eine Parallele ziehen. Es braucht immer noch Finanzierungen und Projekte für Unternehmen in herausfordernden Zeiten. Zudem suchen Wirtschaftsakteure PRESTIGE BUSINESS

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Anlagemöglichkeiten. Wenn das im Rahmen eines Negativzins-Umfelds abläuft, ist das nicht einfach. Wie bekommen Sie dann etwas für ihr Geld, bei gleichzeitiger Inflation? Fünf Prozent Inflation in Europa, sieben Prozent in den USA, in der Schweiz im privilegierten Bereich 2.2 Prozent – auch schon viel für unsere Verhältnisse –, das sind tatsächlich wirtschaftliche, aber auch soziale Herausforderungen, vor denen wir stehen und in welchen sich alle Gedanken darüber machen müssen, wie wir zu Lösungsszenarien kommen. Auch vor 150 Jahren hatten wir eine Wirtschaftskrise mit einem Gründungs-Boom. Mangelnde Liquidität und fehlende Absatzmärkte führten zu Problemen. Heute gibt es ähnliche, aber auch andere Herausforderungen. Aktuell bekommt man als Unternehmensverantwortlicher oft nicht mehr genügend Waren und Rohstoffe. Für Banken gibt es viel zu tun.

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Wie hat sich Ihr Haus in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickelt? Die Bank CIC ist heute weder eine Grossbank am Paradeplatz in Zürich noch eine klassische kleine Privatbank. Wir haben zunächst überlebt. 150 Jahre überleben im 20. Jahrhundert ist keine Selbstverständlichkeit. Es gab zahlreiche Herausforderungen: die Gründungsphase, der Erste Weltkrieg oder die Weltwirtschaftskrise 1929 – 1933.

100 Jahre am Marktplatz in Basel – aktuell mit Thomas Müller an der Spitze.

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Da gab es sicher auch einige Umgruppierungen? Ja, zum Beispiel in der Weltwirtschaftskrise haben sich die Verantwortlichen entschlossen, mit einer anderen Bank, der CIAL (Credit Industriel d’Alsace et de Lorraine) zu fusionieren. Unser Name war Banque d’Alsace et de Lorraine (BAL). Wir hatten also eigentlich den gleichen Markt, wobei die BAL auch in der Schweiz ihre Aktivitäten entfaltete. Ist Kontinuität in Ihrer Unternehmensphilosophie eine zentrale Komponente? Ja, wir sind jetzt seit über 100 Jahren am Marktplatz in Basel. Wir agieren in einer Liegenschaft von der Zunft zu Weinleuten. Seit 1918 sind wir in diesem Gebäude eingemietet. Das zeigt die langfristige Orientierung unserer Bank. Wir haben Krisen immer auch als Chancen genutzt. Die gab es immer wieder, zum Beispiel die Verstaatlichung von Banken in Frankreich, die CIAL war ja eine französische Bank gewesen. Damals ist der Schweizer Teil abgespaltet worden. In der Folge entstand eine reine Schweizer Bank mit eigenem Kapital und eigener Strategie. In den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts gab es eine Expansion des Private Bankings. Dies hat man im Rahmen einer selbstständigen Schweizer Bank vorangetrieben. Jenseits dieser Konjunkturen sind wir eine Bank, die in der Schweiz organisch, in ihren unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern, wachsen will.


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Und gelingt das? Wir haben unser Filialnetz ausgebaut und gleichzeitig in den letzten elf Jahren unsere Bilanzsumme vervierfacht. Unsere Verwaltung und das Vermögen haben wir etwa verdreifacht, die Gewinne mehr als verzehnfacht. Die Bank CIC hat ihre Strategie immer wieder angepasst und sich neu und gut positioniert. Wir haben gleichzeitig die alten Wurzeln genutzt, um uns dort entsprechend der Entwicklungsprozesse strategisch voranzubringen. Im letzten Jahrzehnt sind wir die wahrscheinlich am stärksten wachsende Universalbank, die es in der Schweiz gibt. Es gab und gibt unfassbar viele Veränderungen. Nehmen wir nur das OnlineBanking. Inzwischen ist nur noch etwa ein Viertel der Schweizer Bankkunden mit dem klassischen Schalterformat unterwegs. Ein Mix repräsentiert heute die Mehrheit. Sie sind sowohl digital als auch analog unterwegs. Inzwischen gibt es aber eine jüngere Generation, die fast nur Online-Banking betreibt. Solche Umstellungen entwickeln sich nicht von heute auf morgen. Wie gehen sie diese an? Das ist eine spannende Frage, die einfach zu beantworten ist. Wir fragen unsere Kunden, was sie wollen. Das ist die zentrale Frage, auch wenn wir unsere Werte hier im Hause neu austarieren. Wir müssen verstehen, was die Kundschaft will und wie wir sie begleiten können. Es gilt, unseren Kundinnen und Kunden unser Know-how zur Verfügung zu stellen, sodass sie von uns einen Mehrwert bekommen. Dann sind sie auch bereit, mit uns zu arbeiten. Das ist ein bedeutender Punkt unserer Philosophie. Aus diesem Grund haben wir mit Partnern eine eigene EBanking-Lösung entwickelt. Das ist eine Plattform, die wir zusätzlich als Vertriebskanal nutzen. Kunden können dort Finanzprodukte eröffnen, individuelle Berechtigungen setzen, Versicherungen abschliessen oder Informationen von Drittbanken einholen. Mit diesen Informationsdienstleistungen können sie ein Multi-BankingSystem einrichten, indem alle Finanzdienstleistungen von unterschiedlichen Anbietern steuerbar sind. Das ist eine

«Die Kunden haben oft mehr Vertrauen zu ihrem Bänker als zu ihrem Arzt.»

State-of-the-Art-Lösung in der Schweiz. Diese ist wichtig, um unseren OmnikanalAnsatz umsetzen zu können. Es gibt viele Leute, und es sind immer mehr, die ihr Online-Banking selbst machen wollen. Es gibt aber auch Kunden, die gewisse Geschäfte mit persönlichem Kontakt abwickeln wollen. Wir nennen dieses Modell «New Swiss Banking». Wir verknüpfen die traditionelle Bankarbeit mit modernen Instrumenten und wollen dem Kunden die Entscheidung überlassen, was er wie nutzen will. Können Sie uns hier Beispiele nennen? Das übliche Zahlungsgeschäft realisieren heutzutage 90 Prozent unserer Kundinnen und Kunden per E-Banking. Demgegenüber kann eine Nachfolgelösung nicht online angegangen werden. Da braucht es die persönlichen Kontakte und viel Einfühlungsvermögen. Als vergleichsweise kleine Bank, die ihre Kunden kennt, sind wir besser als die grossen Player aufgestellt. Wir haben die Flexibilität, die es ermöglicht, Kunden individuell zu betreuen. Sie werben explizit mit kleinen Unternehmensbeispielen, mit Betrieben, die zwischen zehn und 15 Mitarbeitende haben. Auch diese Unternehmen brauchen Unterstützung. Ich habe keine Ahnung von der Arbeit eines Zimmermanns, diese kann ich schwer beurteilen. Sie sind Experten in ihrer Branche. Aber ich kann mein Finanzwissen zur Verfügung stellen. Grossbanken – ich war früher auch bei der CS – haben hochspezialisierte Leute, die ihre Branchen kennen. Eigentlich kennt aber der Kunde seine Industrie am besten. Wir müssen diesen Unternehmen im FinanzBereich helfen. Dadurch, dass wir versuchen, sie und ihre Bedürfnisse zu verste-

hen, können wir deutlich mehr machen. Dabei stellt sich die zentrale Frage, was der Kunde will. Unsere Beweggründe knüpfen daran an. Ihre Kundinnen und Kunden kennen natürlich ihr Business. Aber verstehen sie die Zeichen und disruptiven Entwicklungen der digitalen Revolution? Nehmen wir nur das Beispiel der Vertriebskanäle. 1990 dominierte der stationäre Handel, dann gab es Multi-ChannelLösungen. Vor zehn Jahren arbeiteten wir mit Omni-Channel, jetzt kommen noch die Social-Media-Sektoren dazu. Vielleicht werden wir in zehn Jahren virtuelle Vertriebskanäle mit Avataren als Akteure haben. Sind nicht fast alle Beteiligten überfordert? Wie erfolgreich ein Spin-off von der Roche sein wird, ist für mich schwer zu beurteilen. Wir können hingegen Ideen mit dem Kunden entwickeln und ihn als Experten für Finanzdienstleistungen darin beraten, ob Private Equity Lösungen, Mezzanine Finanzierungen oder Senior Kredite die richtigen Finanzierungsinstrumente sind. Und auch wissen wir, wer sich in diesem Markt auskennt und bereit ist, dort zu investieren. Wir haben auch selbst unsere Private Equity Gesellschaft, die CM (Credit Mutuell) Equity in Zürich, die Lösungen anbieten kann. Dazu kommt ein Netzwerk von Partnern. Was für eine Unternehmensphilosophie steht dahinter? Es gilt, verantwortungsvoll mit Kundinnen und Kunden umzugehen. Zu wissen, was man kann und was man nicht kann. Das ist das Schöne an einer partnerschaftlichen Beziehung auf Augenhöhe. PRESTIGE BUSINESS

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Was steht hier dahinter? Hinter Property Captain steht eine intelligente Immobilien-Suchmaschine mit dem umfassendsten Angebot der Schweiz. Property Captain bringt durch Matching-Algorithmen interessierte Mietende sowie Eigentümerinnen und Eigentümer – abhängig von der jeweils aktuellen Lebensphase – mit den passenden Objekten zusammen. Und was hat dies mit Ihrem Haus zu tun? Da sind wir als Bank auf den ersten Blick aussen vor. Aber wir haben es hier mit einem Partner von uns zu tun. Wir können dort Produkte vertreiben. Wir bieten unsere Dienstleitungen auf dieser Plattform an. Das sind Möglichkeiten, die von vielen Banken als utopisch angesehen werden. Wir versuchen immer, Lösungen zu finden, auch mit Partnern, die andere moderne Ansätze haben. Dank Property Captain verfügen wir über zwei Milliarden Informationen über fünf Millionen Immobilienprojekte in der Schweiz.

Ein gutes Netzwerk von Partnern macht den Unterschied.

Das passt aber nicht zu den eher negativen Bildern, die wir von Bankverantwortlichen im Hinterkopf haben. Das sehe ich ganz anders. Und das hat sich in den letzten Jahren auch verändert. Bankverantwortliche geniessen heute wieder eine sehr hohe Reputation. Die Kunden haben oft mehr Vertrauen zu ihrem Bänker als zu ihrem Arzt. Da lehnen Sie sich weit aus dem Fenster. Wir sind da auf dem richtigen Weg. Das zeigt mir, dass wir mutig sein und den Kunden fragen müssen, was seine Herausforderungen sind. Viele Bankverantwortliche trauen sich nicht, das zu fragen. Wenn wir aber partnerschaftlich miteinander umgehen, finden wir die besten Lösungen. Das ist ein Schlüsselelement in der ganzen Geschichte, in der Zusammenarbeit heute und in der Zukunft. Das Aufzeigen von Perspektiven ist aber zum Teil von anderen Partnern abhängig. Richtig. Da braucht es nicht nur einzelne Partner, sondern ganze Ökosysteme. Einer unserer Partner ist zum Beispiel Property Captain. Das ist eine Immobilienplattform. 16

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Immer mehr Fintechs kommen auf den Markt. Wie hat sich die Bank CIC hier aufgestellt? Wir pflegen eine Kooperation mit der Stableton Financial AG, einer führenden europäischen Fintech-Plattform für alternative Anlagen. Damit bieten wir unseren Kundinnen und Kunden über unseren kompetenten und innovativen Partner Zugang zu aussergewöhnlichen und erstklassigen Anlagemöglichkeiten. Stableton wirkt als wichtiger Beschaffungs- und Strukturierungspartner. Dabei hilft das umfangreiche Netzwerk an Kontakten in der Private-MarketsBranche. So können Kunden der Bank CIC zu Vorzugspreisen in spannende Unternehmen investieren. Pre-IPO-Titel sind Wertpapiere von Firmen, die kurz vor dem Börsengang stehen. Die Bank CIC wird mit ihren Themen-Baskets den Anlegern bereits ab tieferen Beträgen den Zugang zu Unternehmen ermöglichen, die oft ein beträchtliches Potenzial und ein moderates Risiko aufweisen. In der Vergangenheit erforderte der Zugang zu den Innovatoren von morgen einen engen Kontakt zu Venture Capital Fonds, falls man als Investor überhaupt akzeptiert wurde. Dies war zudem mit hohen Mindesteinlagen, umständlichem Papierkram, spärlichen Informationen und langen Haltefristen verbunden. Wir sind überzeugt, dass Transaktionen von Private Equity und Private Debt im heutigen Marktumfeld eine unverzichtbare Satellitenallokation darstellen. Sie stehen für hohe Renditechancen


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und Diversifizierungen zu den traditionellen Anlageklassen. Aus diesem Grund freuen wir uns, mit Stableton einen ausgewiesenen Experten als Partner für unser Angebot zur Seite zu haben. Können Sie das Vorgehen nochmals praktisch verdeutlichen? Wir versuchen, Investitionen zu «demokratisieren». Ich verdeutliche dies an einem Beispiel: Wenn sie heute in SpaceX von Elon Musk investieren möchten, müssen sie einen Millionenbetrag auf den Tisch legen. Unter drei, vier Millionen geht da eigentlich gar nichts. Die meisten Kunden sind nicht bereit oder nicht in der Lage, so viel Geld aufzubringen, wären aber hoch interessiert, zum Beispiel 50’000 Schweizer Franken zu investieren. Stableton macht solche Beteiligungen möglich, die wir danach unseren Kunden zu attraktiven Konditionen anbieten können. Damit können auch Kleinanleger davon profitieren. Ähnlich wie man früher den Kunden ermöglichte, auf einem Sparkonto zu sparen, ermöglichen wir jetzt etwas, was vorher nur den Superreichen zur Verfügung stand.

festgehalten werden.. Selbst wenn eines der Kinder übernimmt, muss man schauen, dass dieses Kind die entsprechende Ausbildung und das nötige Know-how mitbringt. Auch braucht es das nötige Geld, um die Geschwister auszuzahlen und die Steuern zu bezahlen. Da gibt es ganz viele verschiedene Herausforderungen. Wir halten fest: Nachfolge ist ein sehr komplexes Thema. Wie gehen Sie hier vor? Wir sehen uns auch hier als Partner des Unternehmers oder der Unternehmerin. Wir begleiten die Verantwortungsträger mit unserem Know-how. Man muss sicher

auch ein Stück weit Psychologe sein, um den Kunden zu verstehen. Ich kann mich gut an einen über 90-jährigen Patron erinnern, der meinte, er sei noch fit und möchte noch arbeiten. Er hatte zwei Söhne. Ich hatte das Thema Nachfolge schon lange auf seine Agenda gesetzt – lange vergeblich. Eines Tages kam er an und meinte: Mein ältester Sohn hat mir gesagt, er geht jetzt in Pension, der war 65 Jahre alt. In dieser Situation ist das Weltbild des Patrons zusammengebrochen. Er hat die Dringlichkeit leider nie verstanden und es war schwer, ihm diese zu verdeutlichen.

Kommen wir zum Thema Nachfolge: Es gibt in diesem Bereich unheimlich viele Angebote. Ist Nachfolge in der Schweiz so kompliziert? Bezüglich Nachfolge gibt es sehr viele unterschiedliche Kundenbedürfnisse. Gibt es einen Nachfolger aus der Familie? Soll das Unternehmen an einen Manager verkauft werden, der schon zwanzig Jahre im Unternehmen arbeitet? Geht es um einen möglichst hohen Gewinn? Oder um die Bewahrung des Erbes? Es gibt unendlich viele Wünsche. Daher ist auch die Zahl der Anbieter so hoch, die diese Wünsche möglich machen. Wenn ich möglichst viel Gewinn erzielen möchte, muss ich mich mit Finanz- oder Industrie-Investoren auseinandersetzen und die steuerliche Situation im Auge haben. Und wenn ich vor allem mein Erbe bewahren möchte, benötige ich einen Juristen. Denn wenn zum Beispiel der Standort unbedingt bestehen bleiben soll, dann muss das wasserdicht in den Verträgen

Das Plakat für die Banque d’Alsace et de Lorraine wirbt für die Beteiligung an der staatlichen Anleihe für den Wiederaufbau von 1920.

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Und wie hat sich die Situation aufgelöst? Wir haben uns einen schönen und ruhigen Nachmittag gegönnt und sind die Szenarien durchgegangen. Er hat sogar seinen jüngeren Sohn mit in den Nachmittag integriert. Der hat dann schlussendlich auch übernommen. Wann sollte das Thema Nachfolge auf die Agenda? Wir versuchen, das schon bei der Gründung zu adressieren. Schon zu diesem Zeitpunkt ist ein Ausstiegsszenario wichtig. Je nachdem, was man für eine Gesellschaftsform wählt, hat das massive Folgen. Sie als Unternehmer tragen auf jeden Fall die Verantwortung und sollten sich so früh als möglich damit auseinandersetzen. Werden aktuell mehr Unternehmen verkauft, da die Nachkommen kein Interesse mehr an einer Übernahme haben? Ich glaube, die Babyboomer sind sehr unternehmerisch tätig gewesen. Es gibt viele Unternehmen, die von ihnen geführt werden, und sie bewegen sich nun in der Phase zwischen 55 und 70 Jahren. Es ist ein grosser Handlungsdruck da. Trotzdem wird die Herausforderung oft verdrängt. Ich hatte einen sehr guten Kunden, der war 75 Jahre alt. Das Thema Nachfolge war weit weg. Ich bin so fit, ich werde 100 Jahre alt, hat er immer gesagt. Meine Töchter werden dann alles bekommen, aber jetzt will ich mich damit noch nicht beschäftigen. Bei seinem plötzlichen Tod war die Nachfolge entsprechend nicht organisiert und die Töchter mussten rasch reagieren. Das Thema Nachfolge ist, nüchtern betrachtet, ein Finanzthema. Wir denken bis jetzt immer nur an Personen. Ist das für eine Bank nicht auch ein spannender Markt? Das ist in der Tat ein spannender Markt. Es gibt grob gesprochen drei Sorten der Nachfolge: Es kommt zu einer Familienlösung – der Klassiker –, es gibt den Manager oder es gibt externe Akteure, die übernehmen. Wenn es externe Akteure gibt, muss man überlegen, wer in Frage kommt. Läuft es auf eine industrielle Lösung hinaus, bei der wir Synergien nutzen können? Da gilt es, einige Fragen zu beantworten: Wie können wir die Einkaufsvolumina vergrössern? Wie können wir die Produktion effizienter gestalten oder die Produktpalette erweitern, um neue Märkte zu erschliessen? Auf jeden Fall ist der Prozess der Nachfolgeregelung lang. Dabei haben wir Unterstützung von unseren 18

Beim Thema Nachfolge gilt es, die Verantwortungsträger langfristig zu begleiten.

Spezialisten und unserer spezialisierten CorporateFinance-Abteilung. Die Unternehmensberater, die unsere Kunden und die Unternehmen bestens kennen, holen die Corporate-Finance-Berater dazu, die dann die richtigen Fragen stellen und Vorschläge einbringen, die man diskutiert. Die Zusammenarbeit erstreckt sich von externen Partnern über interne Experten und Fachleute bis zu den Kundenberatern. Wie finden Sie ihren Platz im Nachfolgemarkt? Unser Fokus ist auf die Unternehmer und ihre Unternehmen ausgerichtet. Entsprechend gewinnen wir hier durch Mund-zu-Mund-Propaganda immer wieder neue Kunden. Aus diesem Fundus heraus haben wir eine grosse Anzahl an Transaktionen, die wir generieren können. Das sind vor allem Verkaufsmandate, aber auch viele, die sagen, sie möchten kaufen und investieren. Da kombinieren wir auch die Stärken unserer Gruppe. Wir sind in der Schweiz eine kleine Bank, aber in Europa sind wir dank der Credit Mutuel ein bedeutender Player mit 80’000 Mitarbeitenden. Das betrifft vor allem die Nachbarländer der Schweiz wie Frankreich und Deutschland. Dort sind Repräsentationsbüros, die auch für die Investorensuche oder industrielle Lösungen zur Verfügung stehen.

Thomas Müller ist CEO der Bank CIC (Schweiz) AG. www.cic.ch

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Warum Unternehmer:innen anders anlegen Unternehmerinnen und Unternehmer sind keine typischen Anleger. Ein Grossteil ihres Vermögens ist nicht in Aktien und Bonds, sondern in Maschinen und Infrastruktur angelegt. Das kann Risiken bergen, wie COVID-19 verdeutlicht hat. Wir zeigen Ihnen, wie Sie erfolgreich anlegen. Der Anlageprozess für Privatpersonen und Unternehmer unterscheidet sich grundlegend. Unternehmerinnen und Unternehmer sind zwar auch Privatpersonen, aber ein Grossteil ihres Vermögens ist in ihrer Firma gebunden. Während die wichtigste Dimension des Privatanlegers der Anlagehorizont ist, müssen sich Firmeninhaberinnen und Firmeninhaber mit verschiedenen zusätzlichen Fragen auseinandersetzen, bevor der private Anlageprozess gestartet werden kann.

Das 4-Topf-Konzept Unternehmerinnen und Unternehmer haben ihr Vermögen in der Regel auf vier Töpfe verteilt: das operative Geschäftsvermögen, das Privatvermögen, das Vorsorgevermögen sowie unter Umständen weitere Vermögen in Holdingstrukturen. Die Aktiven im Geschäftsvermögen sind dabei häufig nicht liquide, da sie in Form von Investitionen in Maschinen, Immobilien oder Warenvorräten gebunden sind. Auch die nicht kotierten Unternehmensaktien sind nur begrenzt liquide. Viele Firmeninhaberinnen und Firmeninhaber transferieren die auf der Stufe ihres Unternehmens erzielten Gewinne nur zögerlich ins Privatvermögen. Sie möchten zum einen eine gewisse Liquiditätsreserve im Betrieb behalten und zum anderen die mit der Überführung zusammenhängenden Steuern für Lohnzahlungen oder Dividendenausschüttungen vermeiden. Die Credit Suisse hilft Ihnen, indem unter Berücksichtigung der betrieblichen und privaten Bedürfnisse gemeinsam eine langfristige Entnahmestrategie definiert wird. Dabei wird über den ganzen Lebenszyklus hinweg analysiert, wie Vermö-

genswerte im Unternehmen verflüssigt und ins private Vermögen transferiert werden können. Die Entnahmestrategie optimiert die verschiedenen steuerlichen Implikationen auf privater und auf Unternehmensseite. Holdingvermögen

Operatives Geschäftsvermögen

Privatvermögen

Vorsorgevermögen

Entnahmestrategie entlang des Lebenszyklus Die Entnahmestrategie ist wesentlich von der aktuellen Situation abhängig. So stehen beispielsweise in der Wachstumsphase einer Firma eher Finanzierungsfragen im Vordergrund und der private Vermögensaufbau ist nur begrenzt möglich. Später sind es dann häufi g Fragen rund um die Überführung von Firmenvermögen ins Privatvermögen zusammen mit dem gezielten Aufbau von Vorsorgevermögen. In einer noch späteren Phase folgen Fragestellungen zum Thema Unternehmensnachfolge. Spätestens hier kann es sich rächen, wenn der Mittelbezug zu lange aufgeschoben wurde.

1e-Kaderpläne in der Vorsorge In einer steuerlich attraktiven Variante erfolgt der Mittelbezug über den Aufbau von Vorsorgeguthaben. Während die oder der Versicherte bei traditionellen Pensionskassenlösungen häufig eine Umverteilung von Aktiven zu Pensionierten mittragen muss, besteht dieses Risiko bei einer 1e-Pensionskassenlösung nicht. Zudem können Sie bei einer 1e-Lösung die Anlagestrategie gemäss Ihren persönlichen Präferenzen auswählen und erhalten damit die Möglichkeit, direkt an der Börsenentwicklung zu partizipieren. 1e-Pensionskassenlösungen stellen deshalb für Unternehmerinnen und Unternehmer eine attraktive Alternative zu den traditionellen Vorsorgelösungen dar.

Private Anlagen Sind die Mittel ins private Vermögen überführt, beginnt der eigentliche private Anlageprozess mit einer Analyse der finanziellen Gesamtsituation. Für den Anlageerfolg ist es entscheidend zu wissen, wie viel Risiko Sie mit Ihren privaten Anlagen eingehen wollen und wie lange das Vermögen mindestens investiert bleiben soll. Diese Vielfalt von relevanten Faktoren verdeutlicht, dass Unternehmerinnen und Unternehmer gut beraten sind, ihre betriebliche und private Vermögensplanung ganzheitlich zu betrachten. Die Expertinnen und Experten der Credit Suisse unterstützen Sie in diesem Prozess umfassend rund um die Themen Nachfolge, Finanzplanung, Steuern, Anlagen und Finanzierung.

Berufliche Vorsorge individuell gestalten? Warum nicht. Mehr Flexibilität und Individualisierungsmöglichkeiten für Ihre berufliche Vorsorge. Unternehmer:innen denken weiter. Und wir gehen mit. credit-suisse.com/unternehmer

Beraten lassen und profitieren

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ERFOLGREICH GESTALTEN Die Unternehmensübergabe und der Übernahmeprozess

Konflikte sind Teil des Prozesses.

In der Übernahmephase eines Unternehmens müssen dessen bisheriger und künftiger Inhaber gemeinsam viele Entscheidungen treffen, obwohl sie teils unterschiedliche Interessen haben. Aus diesem Grund sind Konflikte in ihr «normal». Autor: Klaus Doll

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ie Übergabephase von Unternehmen ist oft mit dem Platzen vieler Träume verbunden – sowohl beim bisherigen Unternehmensinhaber und -führer als auch bei der Person, die den Betrieb sowie das Zepter von ihm übernimmt. Die Ursache hierfür ist inzwischen eher selten, dass sich der bisherige Inhaber zu spät mit dem Thema Nachfolgeregelung befasst hat. Denn in den letzten Jahren wuchs in Unternehmerkreisen die Erkenntnis: Dieser Schritt muss von langer Hand geplant sein – speziell dann, wenn

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w der Nachfolger nicht der eigene Sohn oder die eigene Tochter, sondern ein «Fremder» ist und w der Betrieb nicht «verschenkt», sondern zu einem angemessenen Preis verkauft werden soll. Deshalb befassen sich viele Unternehmer bereits, wenn die ersten grauen Haare ihre Schläfen zieren, mit den Fragen: w Was passiert mit meinem Betrieb, wenn ich in absehbarer Zeit ausscheiden möchte? Und: w Wer könnte dann mein Nachfolger sein?


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auch zwei unterschiedliche Perspektiven aufeinander. Der scheidende Inhaber denkt primär daran, wie der Übergabeprozess – also die nächsten zwei, drei Jahre – gestaltet wird; für den künftigen (alleinigen) Inhaber hingegen stellen sich zentrale Fragen wie: w Wohin soll sich das Unternehmen mittelund langfristig entwickeln? Und: w Was ist nötig, damit das Unternehmen auch nach dem Ausscheiden des bisherigen Inhabers erfolgreich ist (und ich die aus dem Unternehmenskauf resultierenden finanziellen Verpflichtungen erfüllen kann)? Aus diesen unterschiedlichen Sichtweisen resultieren auch unterschiedliche Prioritätensetzungen im Arbeitsalltag, was nicht selten zu Konflikten führt. Hinzu kommt: Alle Beteiligten müssen, wenn der Übergabeprozess eingeläutet wird, sich selbst und ihre Rolle neu definieren. Der bisherige Inhaber, der es gewohnt ist, allein zu entscheiden, muss zum Beispiel den neuen Mit-Inhaber und künftigen alleinigen Inhaber fortan in seine Entscheidungsprozesse integrieren und ihm sukzessive die alleinige Entscheidungsbefugnis übertragen.

EMOTIONALE WUNDEN Dies gilt insbesondere für die Inhaber von Unternehmen, die stark auch von der Vertrauensbeziehung zu ihrer Stammklientel leben; das ist bei vielen Industriezulieferern und -dienstleistern der Fall. Denn sie können ihren Kunden nicht heute sagen, dass sie morgen einen neuen zentralen Ansprechpartner haben. Der Nachfolger muss vielmehr in einem längeren Prozess zunächst mit dem Geschäft des Unternehmens und den Besonderheiten seiner Klientel vertraut gemacht sowie bei den Kunden eingeführt werden. Sonst ist die Gefahr gross, dass just das verloren geht, was weitgehend den Wert des Unternehmens ausmacht: die gewachsenen Beziehungen zu den Kunden.

KONFLIKTE BRECHEN AUF Es ist bei besagten Unternehmen meist nötig, dass dessen bisheriger und künftiger Inhaber, nachdem die Unternehmensübergabe vertraglich geregelt wurde, noch einige Zeit zusammenarbeiten und das Unternehmen gemeinsam führen. Diese Übergabephase ist für alle Beteiligten keine leichte Zeit. Denn in ihr prallen ausser zwei Generationen meist

Dieser Prozess der Übergabe fällt vielen gestandenen Unternehmern schwer. Denn sie sind mit dem Unternehmen, das sie oft über Jahrzehnte aufgebaut haben, emotional verbunden. Zudem haben sie ihren eigenen, erfahrungsbasierten Stil entwickelt, mit dem sie Herausforderungen angehen. Auch haben sie meist eine dezidierte Meinung darüber, was beim Führen des Unternehmens oder beim Umgang mit den Kunden zu beachten ist. Der künftige Inhaber hingegen ist in ihren Augen oft noch ein unternehmerisches Greenhorn, das w das Unternehmen, seinen Markt und seine Klientel noch nicht kennt, w sich noch in die Unternehmerrolle einfinden muss und w noch lernen muss, was geht und was nicht geht. Diese Grundeinstellung prägt oft unbewusst ihre Kommunikation mit dem künftigen Inhaber. Dies führt unweigerlich zu Konflikten – speziell dann, wenn der bisherige Inhaber, real oder in der Wahrnehmung des künftigen «Chefs», sich entsprechend auch gegenüber Mitarbeitern und Kunden äussert und so dessen Autorität untergräbt. Schleichen PRESTIGE BUSINESS

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sich solche Kommunikationsmuster in den Umgang der Beteiligten ein, ist der Übergabeprozess meist nicht mehr zu steuern. Eine häufige Konsequenz: Die geplante Übergabe scheitert entweder ganz oder im Verlauf des Prozesses wird ein grosser Teil des Unternehmenswerts vernichtet.

MODERATOR UND WEGBEGLEITER Aus diesem Grund empfiehlt es sich, in diesem Prozess einen neutralen Berater zu integrieren, der die Übergabe begleitet und mit den Beteiligten die verschiedenen Aspekte bearbeitet, die mit jedem Nachfolgeprozess verbunden sind – hierzu zählen: w psychologische Aspekte – zum Beispiel: Welche Erwartungen habe ich als neuer oder scheidender Inhaber und Unternehmensführer an das Verhalten des jeweils anderen? Was ist mir als Person im Übergabeprozess wichtig? w unternehmerische Aspekte – zum Beispiel: Inwieweit ändert sich durch die (geplante) Übergabe die Kultur des Unternehmens, dessen Marktposition? Was ist aus meiner

Es geht um viel mehr als um Konflikte zwischen den Generationen.

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Warte als neuer beziehungsweise scheidender Inhaber für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe wichtig? w kommunikative Aspekte – zum Beispiel: Wie kommunizieren wir als neuer sowie scheidender Inhaber im Übergabeprozess miteinander? Wie treffen wir Entscheidungen und kommunizieren sie? Wie und wann informieren wir die Führungskräfte, Mitarbeiter, Kunden und sonstigen Stakeholder über die geplante Übergabe? Über viele der genannten Fragen wird in geplanten Übergabeprozessen keine explizite Verständigung erzielt. Die Beteiligten wursteln vielmehr – auch weil die Übergabe für sie Neuland ist – gemäss der Devise «Es wird schon klappen» vor sich hin, bis auf beiden Seiten bereits emotionale Wunden entstanden sind, die ein zielorientiertes Zusammenarbeiten erschweren. Erst wenn sich die Situation schon krisenhaft zugespitzt hat, suchen sie oft eine externe Unterstützung mit der Intention, den Übergabeprozess wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu führen.


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Das Ziel ist, ein ruhiges Fahrwasser zu erreichen.

IN EIN RUHIGES FAHRWASSER Eine solche Beratung gliedert sich meist in vier Phasen. 1. Analysephase: Der Berater interviewt in Vier-Augen-­ Gesprächen alle Beteiligte. Er ermittelt deren offene und verdeckte Wünsche sowie Befürchtungen. Er klärt ­ den Konfliktstatus und bereitet die Beteiligten auf die Klärung vor – zum Beispiel, indem er bei ihnen einen Perspektivenwechsel bewirkt. In extrem zugespitzten Situationen kann ein Ergebnis der Analyse auch die Einschätzung sein: Eine erfolgreiche Unternehmensübergabe ist nicht mehr möglich. Dann bereitet der Berater die Beteiligten auf ein Klärungsgespräch vor, das auf eine würdige Trennung auf Augenhöhe abzielt. 2. Klärungsphase: In ihr führt der Berater mit den Beteiligten zum Beispiel einen Workshop durch. Er klärt mit ihnen die entstandenen Konflikte und Missverständnisse und schafft den erforderlichen Raum, damit alle Beteiligten ihre wechselseitigen Erwartungen äussern können. Gemeinsam erarbeiten sie, was die zentralen Erfolgsfaktoren einer Unternehmensübergabe sind, stellen Regeln für den Umgang miteinander auf und erzielen ein Commitment hierüber. Zudem verständigen sie sich über die zentralen Eckpfeiler der Übergabestrategie. 3. Planungsphase: Nun plant der Berater mit den Beteiligten die Details für das Umsetzen der Strategie. Er verständigt sich mit ihnen über die betrieblich notwendigen Veränderungen und entwirft mit ihnen einen Massnahmenplan. Ausserdem erstellt er mit ihnen einen Kommunikationsplan, wie und wann die Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und sonstigen Stakeholder wie Banken über die geplanten Veränderungen informiert werden. 4. Umsetzungsphase: In dieser Phase begleitet der Berater den aktuellen und künftigen Inhaber zum Beispiel mit Coachings beim Umsetzen der Massnahmen. Ausserdem schafft er den erforderlichen Rahmen, damit sie sich regelmässig Feedback geben und gegebenenfalls Strategie-

anpassungen und Verhaltensänderungen vornehmen. Oft erfolgt in dieser Phase auch ein individuelles Führungscoaching für den «neuen» Chef sowie ein Coaching des «alten» Chefs, das ihn dabei unterstützt, «sein» Unternehmen loszulassen. Durch ein solches Vorgehen lassen sich die meisten Nachfolgeprozesse, bei denen bereits emotionale Verletzungen entstanden sind, noch in ein ruhiges Fahrwasser führen, sodass der Übergabeprozess gelingt – auch weil der Berater eine Plattform schafft, um auch heikle Themen so zu besprechen, dass für beide Seiten akzeptable und somit tragfähige Lösungen erarbeitet werden können.

FRÜHZEITIG PROFESSIONELLE UNTERSTÜTZUNG ORGANISIEREN Viel sinnvoller wäre es aber, unmittelbar nachdem (oder sogar noch bevor) die Unternehmensübergabe vertraglich geregelt wurde, einen Nachfolgeberater zu engagieren. Denn im Übergabeprozess muss sowohl der bisherige als auch der künftige Inhaber seine Rolle neu definieren. Zudem müssen beide gemeinsam viele Herausforderungen meistern, bezüglich deren Lösung sie aufgrund ihrer Biografie und Lebenssituation oft unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse haben. Daher sind Interessensgegensätze, aus denen Konflikte resultieren, nahezu unumgänglich. Aber genau aus diesem Grund ist eine professionelle Prozessbegleitung fast unverzichtbar, wenn der Übergabeprozess so gestaltet werden soll, dass keine emotionalen Wunden entstehen und keine Unternehmenswerte vernichtet werden.

Klaus Doll ist Inhaber der Klaus Doll Organisationsberatung, Neustadt an der Weinstrasse (D). Er unterstützt und begleitet (künftige) Inhaber von Klein- und Mittelunternehmen im Prozess der Unternehmensübergabe oder -übernahme. www.doll-beratung.de

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NOTWENDIGKEIT IST DA Neue kundenzentrierte und digitale Geschäftsmodelle im Bankensektor

Die Kommunikation mit weiblichen Zielgruppen hat noch Luft nach oben.

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Die Welle des Modernisierungsdrucks hat auch das Bank­wesen mit grosser Wucht überflutet. Nun müssen einerseits traditionelle Arbeitsweisen auf den Kopf gestellt werden, andererseits ist ein leistungs­fähiger Zugriff auf Geschäftssysteme und CloudAnwendungen das fokussierte Ziel. Dabei gilt es, den Spagat zwischen der Einhaltung zahlreicher strenger Finanzvorschriften und dem grösstmöglichen Mass an Sicherheit zu meistern. Autorin: Gabriela Röthlisberger

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m Zuge dieser Trendwende streben Bankfilialen danach, ein integraler Bestandteil der Digitalisierungsstrategie zu werden. Der aktuelle Branchen-Report des Beratungsund IT-Dienstleisters adesso mit dem Titel «Was Bank-Kundinnen und -Kunden wünschen und was Unternehmen bieten» zeigt die klare Präferenz für eine digitale Customer Journey auf. Stärker als jemals zuvor nutzen die Verbraucher*innen heutzutage digitale Kanäle, um sich über Angebote von Finanzdienstleister*innen zu informieren. Zur Optimierung der Kundenakquise sollten Banken aus diesem Grund ihren Onlineauftritt auf Vordermann bringen und digitale Finanzgeschäfte priorisieren. «Ein Blick auf unsere CustomerExperience-Studie zeigt explizit, dass es in Zeiten, in denen Bankfilialen und Finanztransaktionen zunehmend virtualisiert werden, immens wichtig ist, anlassbezogen eine optimale Customer Experience zu bieten. Nur so besteht die Möglichkeit, dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben», resümiert Boris Bohn, Bereichsleiter Digital Channels bei der adesso SE. Neben einer starken Onlinepräsenz gewinnen auch soziale Netzwerke kontinuierlich an Bedeutung, wobei Banken hier noch zögerlich agieren und mit ihrem Portfolio noch nicht so richtig Fuss gefasst haben. Die Digitalisierung im Bankensektor ist nicht nur ein anhaltender Trend, sondern stellt auch den Grossteil der Institute vor signi-

fikante Herausforderungen, die erst einmal mit Bravour überwunden werden müssen, um relevante Marktanteile zu behalten.

INFORMATIONSQUELLE NUMMER EINS Wenn es um ihre Finanzen geht, nutzt mehr als die Hälfte aller Endverbraucher*innen die Website des Anbieters als bevorzugte Informationsquelle. Dank dieses hohen Beliebtheitsgrads belegt die Website den ersten Platz als Auskunftsstelle – noch vor den Suchmaschinen und Vergleichsportalen. Geht es um den Abschluss von Finanzprodukten, wird der Unterschied noch deutlicher: Während rund zwei Drittel der Befragten ihre Finanzprodukte über die UnternehmensWebsite erworben haben, sind es gerade mal schlappe 13 Prozent, die dafür Vergleichsportale und Preisvergleichsseiten zu Rate ziehen. Das Schlusslicht bildet ein Besuch vor Ort im Finanzinstitut – lediglich zwölf Prozent der Befragten empfinden den Weg in eine Bank noch als attraktiv.

BITTE MIT SAMTHANDSCHUHEN Um die richtige Zielgruppe zur richtigen Zeit auf dem richtigen Medium mit der richtigen Botschaft zu erreichen, brauchst es personalisierte und flexible Strategien, die genau auf die Bedürfnisse der Kund*innen abgestimmt sind. Denn gute Kundenkenntnis ermöglicht es, massgeschneiderte PRESTIGE BUSINESS

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FAKTEN ZUR STUDIE Die adesso-Studie blickt in einzelnen Branchen detailliert auf die E-Commerce-Auswirkungen der letzten Monate, ebenso auf die Einstellungen sowie das Verhalten seitens der Verbraucher*innen. Dazu wurden in Deutschland bevölkerungs­repräsentativ 1 000 Online-Kund*innen zu ihrem Einkaufsverhalten sowie 373 Unternehmen zu ihren Customer-Experience-ManagementAktivitäten befragt. Die Studie «Was Bank-Kundinnen und -Kunden wünschen und was Unternehmen bieten» ist online verfügbar: adesso.de/cx-studie-banking.

Unterstützung zu bieten, um eine dauerhafte Beziehung zwischen der Bankfiliale und ihrer Klientel zu schaffen. Werbung auf Basis von Interessen, Hobbys und vorher gekauften Artikeln wird doppelt so häufig akzeptiert, wie wenn sie sich auf Alter, Familienstand oder Suchverläufe bezieht. Allgemein liegt hier ein besonderes Potenzial bei den jüngeren Zielgruppen, da sie zu diesem Thema in der Regel aufgeschlossener als ältere Befragte sind. Besonders positiv werden mit 62 Prozent wohlwollender Zustimmung vorausgefüllte Formulare bewertet, die den Kaufprozess beschleunigen. Geht es um weitere Kommunikationsformen, bewerten die Befragten Angebote wie etwa Online-Banner und personalisierte Mails mit einem 29-prozentigen Zuspruch als eine positive Sache.

ENTWEDER, ODER – ONLINE TRIFFT OFFLINE Omnichannel gilt nicht für Bankkund*innen, denn drei Viertel von ihnen haben eine klare Präferenz innerhalb der Customer Journey, also des Weg der Kund*innen vom Moment, in dem ein Bedürfnis geweckt wird, bis zu dem, in dem es befriedigt ist. «Um kundenzentrierte Abläufe für gute Customer Journeys zu gestalten, ist ein ganzheitlicher Blick sowie ein interdisziplinäres Team nötig. Diese müssen dabei nicht nur in der Gestaltung, sondern auch im Betrieb eng zusammenarbeiten», erklärt Boris Bohn. Nur eine*r von vier Bankkund*innen vermischt online mit offline – entweder ist dieser komplett online (45 Prozent) oder offline (30 Prozent). Wer die Kundenreise online begonnen hat, bleibt auch oftmals dem gewählten Kanal treu. 26

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Interessant ist hierbei die Tatsache, dass doppelt so viele Männer wie Frauen ihre Bankgeschäfte online abwickeln. Deshalb sollte gerade vor Ort die Kommunikation auf weibliche Zielgruppen abgestimmt sein. «Die Strategie Digital First wird die Zukunft der Bank weiter bestimmen. Wer im digitalen Kanal unterwegs ist, wird nicht mehr in eine Filiale gehen, weshalb der Digitalisierungsprozess unbedingt vorangetrieben werden sollte», prognostiziert Ingo Gregus, Geschäftsführer der adesso-Tochter adesso experience GmbH.

VON KONVERSATION ZUM VERKAUF Wer alle digitalen Möglichkeiten ausschöpfen möchte, sollte sich mit Social Commerce, dem Verkauf von Produkten über Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram befassen. Onlinehändler*innen verknüpfen hier ihre soziale Präsenz sowie Rezensionen und Empfehlungen mit einer unmittelbaren Kaufoption. Unkompliziert und schnell können Interessierte die Bestellung direkt dort abschliessen, wo sie auf einen Artikel stossen. Zusätzlich werden sie durch die Möglichkeit zur Beteiligung und Interaktion mit dem Unternehmen an dessen Marke gebunden. Um der wachsenden Bedeutung von sozialen Netzwerken im Bereich der Customer Journey gerecht zu werden, sollten Finanzdienstleister*innen diese Plattformen ebenfalls als Informationskanal nutzen. Es kann sich auszahlen, mutig zu sein, denn viele Mitbewerber*innen sind hier noch nicht angekommen. Ungenutztes Potenzial liegt vor allem bei YouTube, da diesen Kanal bisher nur 44 Prozent der Unternehmen als Marketing-Kanal entdeckt haben, sich dort aber mit satten 88 Prozent die meisten Kund*innen tummeln.

Gabriela Röthlisberger ist freie Redaktorin von PRESTIGE BUSINESS. www.adesso.ch


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Fit für die Zukunft Mit der Zeit zu gehen heisst, den Wandel zu antizipieren. Sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen und ihre Möglichkeiten für die eigene Geschäftstätigkeit zu identifizieren. Mit technischer Expertise, innovativem Denken und umfassender Fachkompetenz unterstützen wir unsere Kunden auf diesem Weg. Kontaktieren Sie uns. kpmg.ch

© 2022 KPMG AG ist eine Schweizer Gesellschaft. Alle Rechte vorbehalten. Name und Logo von KPMG sind rechtlich geschützt.

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ALTHERGEBRACHTE FINANZBERICHTERSTATTUNG IST VERGANGENHEIT Autor: Stephan Krehl

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ie beiden vergangenen Jahre haben ihre Spuren hinterlassen und in allen Unternehmensbereichen zu einem Wandel beigetragen. Angetrieben durch sich wandelnde Bedürfnisse, Ideenreichtum und finanzielle Unterstützung entwickelt sich vor allem die FintechBranche rasant. Das ist nicht nur in den technik­ affinen Bereichen, sondern auch in den Finanz­abteilungen der KMU-Welten bereits heute spürbar. Finanztechnologien sind umfassender und vor allem schlauer geworden. Sie vereinen inzwischen mehr Funktionen, nehmen Nutzern lästige oder langwierige Aufgaben von der Hand und führen sie weg von einem Silodenken. Beispielsweise kann eine cloudbasierte Liquiditätsplanung heute auf Knopfdruck eine Übersicht über den gesamten Cashflow bieten und dazu noch mit wenigen Klicks unterschiedliche Szenarien zur Unternehmensliquidität vorhersagen. So kann das, was lange händisch in Excel-Tabellen eingetragen und umständlich ausgewertet werden musste, mittlerweile in Windeseile von einer Software übernommen werden. Es ist daher abzusehen, dass sich die Aufgaben von Finanzabteilungen ändern werden – weg von den traditionellen Arbeiten wie der reinen Finanzberichterstattung und hin zu einer datengesteuerten Welt, in der sich CFOs und deren Mitarbeiter zurechtfinden müssen. Sind ihre Arbeitsplätze damit passé? Mitnichten! Es sind nur ihre Aufgaben, die sich ändern werden – weg davon, Zahlen in 28

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Tabellen zu hacken, und hin zu Herausforderungen, die ihre Expertise fordern. Die gute Nachricht: Wer sich schon heute mit den neuen Technologien auseinandersetzt, hat einen deutlichen Vorsprung und kann von den Wettbewerbsvorteilen, die Software und künstliche Intelligenz bieten, profitieren. Die schlechte Nachricht: Wer diese Chance verpasst, wird schon bald von einem Early Adopter abgehängt werden. Zudem ist zu beobachten, dass immer öfter eine Verzahnung von Fintechs stattfindet. Ein Beispiel hierfür ist die Integration von Pleo, einer Lösung für Unternehmensausgaben, in die SaaS-Lösung Agicap, eine Software für Liquiditätsplanung und Cashflow-Management. Mit der Verbindung beider Services müssen Reisekosten und Spesen nicht mehr separat eingegeben werden, sondern werden automatisch aufgenommen und in der Liquiditätsübersicht angezeigt. So können sich Mitarbeiter aus der Finanzabteilung einen weiteren unliebsamen Arbeitsschritt sparen. Stefan Truthän, geschäftsführender Gesellschafter des international agierenden Ingenieurdienstleisters für Brandschutz hhpberlin, ist einer der Early Adopter, die schon jetzt die Vorteile von verzahnten Technologien nutzen. Die Arbeitserleichterung wird bei mehr als 200 Mitarbeitenden und über 1 000 Sonderbauvorhaben, die sein Unternehmen

parallel betreut, dringend benötigt. hhpberlin betreut komplexe Sonderbauvorhaben, beispielsweise den Bau von Hochhäusern, Tunneln, Flughäfen, Bahnhöfen und Stadien. Um finanziell flexibel bleiben zu können und mehrmonatige Vorfinanzierungen von Projekten nicht nur abbilden, sondern auch planen zu können, wünschte sich Truthän vor allem mehr Transparenz. Die Ausgaben über die Pleo-Firmenkarten wie Unternehmensausgaben, Spesen- und Reisekosten sollten ebenso einfach dargestellt werden wie eine möglichst tagesgenaue Übersicht über die unternehmensweite Liquidität sowie innerhalb der einzelnen Projekte. Mit der Integration von Pleo in die Agicap-Software gelingt dies nun und ermöglicht Truthän und seinen Mitarbeitern, alles im Blick zu behalten, was die Unternehmensliquidität negativ oder positiv beeinflussen könnte.

Stephan Krehl ist General Manager DACH bei Agicap. www.agicap.com

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ATTRAKTIVE LÖSUNGEN

Vorsorge-Strategien für KMU

Die nachhaltige Vorsorge braucht regelmässige Fütterungen. 30 PRESTIGE BUSINESS


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Die KMU stehen immer mehr im Wettbewerb um die besten Fachund Führungskräfte am Arbeitsmarkt. Für die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber spielt das Vergütungssystem und damit verbunden die Vorsorgelösung eine wichtige Rolle. Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Angestellten mit einem Lohn über der BVG-Eintrittsschwelle an eine im Register für die berufliche Vorsorge eingetragene Vorsorgeeinrichtung oder Pensionskasse anzuschliessen. Autoren: Dr. Andreas Svoboda und Dr. Thomas U. Bamert

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rbeitnehmer – immer häufiger auch jüngere – achten zunehmend auf die Ausgestaltung der Pensionskasse des Arbeitgebers. Speziell bei geplanten Stellenwechseln lässt sich die aktuelle Vorsorgelösung gut mit jener eines potenziellen Arbeitgebers vergleichen. Die Erkenntnisse daraus können den Entscheid für oder gegen einen neuen Arbeitgeber massgeblich beeinflussen. Der Arbeitgeber hat seinerseits die Möglichkeit, die Ausgestaltung des Vorsorgeplans aktiv mitzugestalten und den Anreiz zu erhöhen – zum Beispiel hinsichtlich des versicherten Lohns, der Risikoleistungen, der Sparbeiträge oder einer Versicherung über dem gesetzlichen Minimum. Es können auch Lohnbestandteile über dem BVG-Obligatorium ab 86’040 Schweizer Franken (2022) versichert werden. Viele Arbeitgeber nutzen diese Möglichkeit im überobligatorischen Bereich und versichern zudem ausbezahlte Boni.

GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN DER VORSORGEPLÄNE Die Risikoversicherung in der beruflichen Vorsorge umfasst Leistungen bei Invalidität und Tod und lässt sich entsprechend der Struktur und den Bedürfnissen der Mehrheit der Arbeitnehmenden ausgestalten. Betreffend den Sparbeiträgen sind im BVGObligatorium die Altersgutschriften pro Altersgruppe definiert. Im Überobligatorium darf davon abgewichen werden und Sparbeiträge können höher, aber auch tiefer sein. Höhere Sparbeiträge sind Lohnnebenleistungen und beeinflussen die Totalvergütung durch den Arbeitgeber. Die Arbeitgeberbeteiligung kann bei Spar- und Risikoleistungen auch auf mehr als die gesetzliche Hälfte festgelegt werden. Zudem darf der Arbeitgeber maximal drei Wahlsparpläne anbieten und den Versicherten die Möglichkeit bieten, zwischen unterschiedlichen Sparbeiträgen zu wählen. Wahlpläne unterscheiden sich hinsichtlich der Höhe der Sparbeiträge der Arbeitnehmenden, der Arbeitgeberanteil bleibt immer derselbe. Um einen Vorsorgeplan mit den oben erwähnten Ausgestaltungsmöglichkeiten abzustimmen, muss sich der Arbeitgeber für eine Vorsorgeeinrichtung entscheiden. Diese weisen unterschiedliche Strukturen auf, die zum Beispiel auf die PRESTIGE BUSINESS

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Überraschungseier darf es bei einer Vorsorgestrategie nicht geben.

jährliche Verzinsung der Vorsorgekapitalien oder die Höhe des Umwandlungssatzes einen massgeblichen Einfluss haben können. Der Umwandlungssatz ist der Prozentsatz, mit dem bei Pensionierung das Altersguthaben in eine Rente umgewandelt wird. Je höher die Verzinsung und der Umwandlungssatz sind, desto attraktiver schätzen Versicherte ihre Vorsorgelösung und Vorsorgeeinrichtung ein. Bei Vorsorgeeinrichtungen bestehen unterschiedliche Geschäftsmodelle und KMU sind aufgrund der Anzahl ihrer Mitarbeitenden vielfach mit zahlreichen anderen kleineren und mittelgrossen Unternehmen bei sogenannten Vollversicherungen oder teilautonomen Sammelstiftungen angeschlossen. Selten verfügen KMU über eine firmeneigene Vorsorgeeinrichtung. Wegen des erheblichen Einflusses der Struktur der Vorsorgeeinrichtung auf die Leistungen für die einzelnen Versicherten sollten entscheidende Kriterien bei der Auswahl einer Vorsorgeeinrichtung beachtet werden.

DIE QUALITÄT EINER VORSORGEEINRICHTUNG Anhand diverser Kriterien kann die Qualität einer Vorsorgeeinrichtung beurteilt werden. Hierzu gehört unter anderem die Höhe des gesamten Vorsorgekapitals. Diese 32

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Kennzahl findet sich in den allgemeinen Angaben zur Vorsorgeeinrichtung. Je höher das Vorsorgekapital ist, desto besser kann innerhalb einer Anlagestrategie diversifiziert werden. Hinzu kommt der Anteil des Alterskapitals von Rentnern am Gesamtkapital. Bei den strukturellen Kennzahlen ist dieser Anteil besonders wichtig, denn aus dem den Rentnern zugewiesenen Kapital werden laufende Altersrenten bezahlt. Daher muss dieser Teil des Vorsorgekapitals konservativer angelegt werden als derjenige von aktiv Versicherten. Eine schlechte Altersstruktur hat einen Einfluss auf die Risikofähigkeit der Pensionskasse und schlägt sich über die Jahre in einer tieferen Verzinsung der Altersguthaben nieder. Bei der Verzinsung des Altersguthabens werden erzielte Renditen den Erwerbstätigen nicht weitergegeben, sondern es findet eine Umverteilung statt. Seit 2014 flossen insgesamt rund 45 Milliarden Schweizer Franken von den Erwerbstätigen zu den Rentnern. Alleine im Jahr 2020 wurden insgesamt 4.4 Milliarden Schweizer Franken umverteilt. Auf den einzelnen Versicherten heruntergerechnet, bedeutet dies eine jährliche durchschnittliche Umverteilung von 0.8 Prozent des Vorsorgeguthabens. Interessant ist die Ausgangslage für das Jahr 2021: Vorsorgeeinrich-

tungen haben eine durchschnittliche Rendite von acht Prozent erzielt und nun wird sich zeigen, wie viel die teilautonomen Vorsorgeeinrichtungen den aktiv Versicherten weitergeben werden. Technische Kennzahlen wie der Deckungsgrad und der Umwandlungssatz geben Auskunft, wie gut eine Vorsorgeeinrichtung kapitalisiert ist beziehungsweise welche künftigen Verpflichtungen anfallen. Dies ist entscheidend, da die Renten lebenslänglich bezahlt werden müssen. Vor allem im aktuellen Tiefzinsumfeld hat der Aktienanteil einen gewichtigen Einfluss auf die Rendite der Vorsorgeeinrichtung. Nichtsdestotrotz ist es für jede Vorsorgeeinrichtung wichtig, dass die Verpflichtungen der Kasse, beispielsweise die Rentenzahlungen, erfüllt werden können und die Anlagestrategie darauf abgestimmt ist.

PENSIONSKASSENLÖSUNGEN REGELMÄSSIG ANPASSEN Auf Beschlüsse der Vorsorgeeinrichtungen können Arbeitgeber und Versicherte keinen direkten Einfluss nehmen. Entscheide über eine bescheidene Verzinsung trotz hoher Rendite oder Senkungen der Umwandlungssätze müssen hingenommen werden. Zwar kann der Vorsorgeanbieter gewechselt werden, allerdings kann von der Ent-


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scheidung für einen Wechsel bis zum Anschluss an eine neue Vorsorgeeinrichtung schnell einmal ein Jahr vergehen. Zudem besteht auch keine Verpflichtung für Vorsorgeeinrichtungen, neue Unternehmen aufzunehmen. Besonders gut finanzierte Pensionskassen haben keinen Anreiz auf exponentielles Wachstum, welches ihren guten Deckungsgrad in Gefahr bringen kann. KMU sollten sich bewusst sein, dass grosszügig gestaltete Pensionskassenlösungen sie als Arbeitgeber attraktiv machen und bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden mitentscheidend sein können. Es lohnt sich daher, die Pensionskassenlösung regelmässig an die Struktur und die Bedürfnisse der Versicherten, aber auch an neue Trends am Markt anzupassen. Bei der periodischen Analyse gilt es, nicht nur den Vorsorgeplan, sondern auch das Vorsorgemodell oder den Vorsorgeanbieter zu überprüfen. So kann beispiels-

weise die Einführung von «1e-Vorsorgeplänen» für eine bestimmte Personengruppe – oder ab einem definierten Salär – die Attraktivität der Lösung für Arbeitnehmende und Arbeitgeber steigern.

Dr. Andreas Svoboda ist Dozent im Bereich Banking and Finance an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS)

Dr. Thomas U. Bamert ist Vorsorgespezialist bei der Bank Julius Bär & Co. AG. www.ffhs.ch

Grosszügige Pensionskassenlösungen als attraktiven Anreiz sehen.

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DER LUXUS VOM PERSÖNLICHEN PRIVATBANKIER Die Sicherung des wahren Luxus

Jeder definiert Luxus unterschiedlich – schnelle Autos, Immobilien mit fantastischer Aussicht, Schmuck oder andere käufliche Schönheiten. Manch einer verbringt Jahre damit, die eigene Kunstsammlung aufzubauen oder seltene Uhren zu sammeln, aber immer häufiger fragt man sich: Wann soll ich das geniessen? Seit Jahren zeigt sich immer mehr: Der grösste Luxus ist es, mehr Zeit zu haben, sich der wahren Leidenschaft zu widmen, der Familie, und die Vorzüge eines erarbeiteten oder geerbten Vermögens zu geniessen. Autor: Michael Welti

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ermögen werden oft über Generationen aufgebaut und vererbt. Die nächste Generation kommt in den Genuss der Vorzüge zu erben. Doch was erbt man denn wirklich? Ist es nur ein hart erarbeitetes Vermögen? Dies wäre zu kurz gedacht. Es sind die immateriellen Werte, welche jetzt erst zur Geltung kommen. Der Druck, die Tradition weiterzuführen, die Firmen zu managen, Verantwortungen zu übernehmen und Aufgaben wahrzunehmen und die Erfolgsgeschichte der Familie weiterzuführen. Es erstaunt daher nicht, dass von langer Hand geplante Übergaben innerhalb der Familie oft die erfolgversprechendsten Aussichten haben. Man trifft die Familienanwälte, den Immobilienspezialisten und nicht zuletzt den Bankier der Familie. Diese Verbindungen sind unbezahlbar: Man kennt sich seit Jahrzehnten, man kennt die Familienverhältnisse, und nicht selten hat man gemeinsam viel erlebt und sogar zusammen investiert. Der wahre Luxus ist das Erbe dieses Netzwerkes, die Übernahme der hart erarbeiteten Vertrauensverhältnisse,

das Kümmern um die finanziellen Angelegenheiten und die kleinen Details, welche ach so zeitaufwendig sind und der wahren Leidenschaft zeitlich im Wege stehen. Der Bankier von heute bildet die Brücke von jahrhundertealter Tradition zum modernen Family Officer, jederzeit erreichbar für den Kunden, an ihrer Seite, wenn beispielsweise geopolitische Verwerfungen die Märkte beunruhigen, Unterstützung bei Veränderungen der Firma bis hin zur Vermögensvermehrung durch kluge Investitionen in Aktienmärkten oder PrivateEquity-Anlagen. Hierbei ist ein vertrauter Ansprechpartner gewünscht, der zur Seite steht und für Kunden die grossen und kleinen Finanzentscheidungen abnimmt oder bei deren Umsetzung lokal oder global unterstützt. Die Tradition, welche das Bankgeschäft mitbringt, die komplexen weltwirtschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen neuer Technologien und Kommunikationsmöglichkeiten bieten nicht nur gute Anlagechancen, sondern benötigen Erfahrung und Fingerspitzengefühl bei der Auswahl der richtigen Projekte. Das Geld soll für einen selbst arbeiten, die Freiheit ermöglichen, eine Firma weiter auszubauen, die langersehnte Welt-

reise anzutreten, einen Lebenstraum zu verwirklichen, ein Herzensprojekt zu finanzieren oder einfach den wohlverdienten Ruhestand zu geniessen. Privatbankiers in der Schweiz sollten deshalb stets mit dem Selbstverständnis eines Family Offices zum Wohle ihrer Kunden dort unterstützen, wo es um die Details geht.

Michael Welti ist Managing Partner und Head of Private Banking der Banque Heritage SA. Luxus braucht ein professionelles Fingerspitzengefühl.

www.heritage.ch

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KOLUMNE

DIE BERUFLICHE VORSORGE – EIN EIGENTLICH PERFEKTES SYSTEM Autor: Michael Schmidt

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eit Jahren sind die stetig steigenden Pensionierungsverluste von Pensionskassen ein Dauerthema in den Medien. Pensionskassen sind aufgrund des tiefen Zinsniveaus und der seit Einführung des BVG stetig steigenden Lebenserwartung gezwungen, die jährlichen Leistungsversprechen nach unten anzupassen. Gleichzeitig erklimmen die Deckungsgrade der meisten Pensionskassen jährlich neue Höchststände. Für Aussenstehende mag es ziemlich paradox anmuten, dass infolge der von Jahr zu Jahr sinkenden Umwandlungssätze die Renten der Neupensionierten immer tiefer ausfallen, während die Deckungsgrade der Pensionskassen steigen. Der durch den Ukraine-Krieg verursachte Einbruch der Anlagemärkte hat jedoch auch aufgezeigt, wie wichtig eine ausreichend geäufnete Wertschwankungsreserve für eine Pensionskasse ist. Losgelöst von diesen teilweise widersprüchlichen Effekten sehen sich die Pensionskassen mit zwei grundlegenden Herausforderungen konfrontiert: 1. Die zum Zeitpunkt der Pensionierung vorhandenen Altersguthaben reichen in den meisten Fällen nicht aus, um die von der Pensionskasse versprochene Rente bis zum Lebensende zu finanzieren (sogenannte Pensionierungsverluste). 2. Der gesetzlich garantierte Rentenumwandlungssatz von zurzeit 6.8 Prozent führt zu Umlagekomponenten in der beruflichen Vorsorge, welche sich nachteilig auf die Stabilität auswirken. Der ersten Herausforderung kann durch einen versicherungstechnisch realistisch festgelegten Rentenumwandlungssatz begegnet werden. Dieser Ansatz wird aber oftmals sogleich durch die zweite Herausforderung torpediert. Nachfolgendes Beispiel zeigt das Dilemma auf: w Das Altersguthaben des Versicherten X beträgt zum Zeitpunkt der Pensionierung 230’000 Schweizer Franken. Darin ist der obligatorische Anteil des Altersguthabens von 200’000 Schweizer Franken enthalten. Der gesetzliche Mindestanspruch auf eine jährliche Altersrente (200’000 Schweizer Franken mal 6.8 Prozent gesetzlicher Umwandlungssatz) beträgt 13’600 Schweizer Franken. 36

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KOLUMNE

w Der reglementarische Anspruch auf eine jährliche Altersrente (230’000 Schweizer Franken mal 6.1 Prozent reglementarischer Umwandlungssatz) beläuft sich auf 14’030 Schweizer Franken. w Um keine Pensionierungsverluste zu verursachen, müsste die Pensionskasse den reglementarischen Umwandlungssatz eigentlich auf 5.0 Prozent senken. Dadurch würde jedoch die gesetzliche Mindestaltersrente von 13’600 Schweizer Franken unterschritten werden. Der reglementarische Anspruch auf eine jährliche Altersrente (230’000 Schweizer Franken mal 5.0 Prozent reglementarischer Umwandlungssatz) beläuft sich auf 11’500 Schweizer Franken. Die Pensionskasse steckt nun im Dilemma, dass sie den Umwandlungssatz zwar von 6.1 auf 5.0 Prozent senken kann, damit aber nicht den Effekt erzielt, den sie gerne hätte. Sie muss eine höhere Rente ausrichten (13’600 Schweizer Franken), als es aufgrund ihrer versicherungstechnisch korrekt festgelegten Parameter angemessen wäre (11’500 Schweizer Franken). Dieses Problem kann die Pensionskasse nur lösen, indem sie die Sparbeiträge erhöht und damit den überobligatorischen Teil des Altersguthabens anhebt. Im Grundsatz hat die Politik in der letzten (abgelehnten) und aktuellen BVG-Reform nichts anderes im Sinn. Sie will die Sparbeiträge erhöhen und gleichzeitig den Umwandlungssatz senken. Die Realität zeigt aber, dass die Pensionskassen nicht darauf warten können, bis sich die Politik und dann allenfalls das Stimmvolk dazu durchgerungen haben, einen mehrheitsfähigen Beschluss zu fällen. Die obersten Organe der Pensionskassen sind für das finanzielle Gleichgewicht ihrer Vorsorgeeinrichtung verantwortlich. Sie müssen also

das oben beschriebene Problem in jedem Fall lösen, ob mit oder ohne Unterstützung der Politik – und das tun sie auch. Es stellt sich letzten Endes noch folgende Frage: Kann der verfassungsmässige Auftrag aufgrund des eingangs erwähnten tiefen Zinsniveaus überhaupt noch erfüllt werden? Natürlich führen tiefe Zinsen dazu, dass die Renten nominell nicht so hoch ausfallen, wie sie sein könnten, wenn das Zinsniveau deutlich höher wäre. Allerdings muss auch beachtet werden, dass zur Erfüllung des verfassungsmässigen Leistungsauftrages, nämlich der «Fortführung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise», nicht das nominelle Rentenversprechen, sondern die Kaufkraft der festgelegten Altersrente massgebend ist. Somit sind längerfristig ein tiefes Zinsniveau und eine stabile Kaufkraft der Rente für die Leistungsbezüger zielführender als ein hohes nominelles Rentenversprechen, welches laufend an Kaufkraft einbüsst. Zum Schluss sei noch angemerkt, dass der Verfassungsauftrag nicht durch die zweite Säule alleine erfüllt werden kann. Dieser sieht nämlich vor, dass die berufliche Vorsorge den Auftrag zusammen mit der AHV / IV erfüllt. Also nutzen wir die Stärken beider Systeme, anstatt deren Schwächen breitzuwalzen und politisch auszuspielen. Um die Vorteile des Kapitaldeckungsverfahrens der zweiten und dritten Säule in Ergänzung zum Umlageverfahren der ersten Säule nachhaltig zu gewährleisten, muss auch in Zukunft darauf geachtet werden, dass die entsprechenden Finanzierungsverfahren in den dafür vorgesehenen Säulen verbleiben.

Michael Schmidt ist Mitglied der Geschäftsleitung der Assurinvest AG. www.assurinvest.ch

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SECURITY ASSESSMENTS Der optimale Schutz gegen Cyberangriffe

Jedes dritte Schweizer KMU war 2021 von einem Cyberangriff betroffen. Vor allem Ransomware ist ein wachsendes Risiko. Unternehmen sollten daher prüfen, ob sie ausreichend geschützt sind. Verschiedene Arten von Security Assessments stehen zur Auswahl, diese sollten nichtsdestoweniger mit Bedacht ausgewählt werden. Autor: Stefan Merz

Potenzielle Angriffspunkte identifizieren und eliminieren.

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ange Zeit fühlten sich Schweizer KMU-Verantwortliche weitgehend sicher vor Cyberangriffen. Wer sollte schon kleine Unternehmen in einem kleinen Land hacken, wenn es doch so viel grössere, attraktivere Ziele gibt? Die Realität sieht jedoch anders aus: Cyberkriminelle achten meist nicht auf Herkunft, Branche oder Mitarbeiterzahl ihrer Opfer. Sie wollen vor allem eins: mit Erpressung Geld verdienen. Auch in der Schweiz nimmt die 38

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Bedrohung durch Cyberangriffe kontinuierlich zu. Laut einer Studie von «digitalswitzerland» waren im Jahr 2021 36 Prozent der KMU von einem Vorfall betroffen. Im Vorjahreszeitraum lag der Anteil noch bei 25 Prozent. Laut dem aktuellen Halbjahresbericht des Nationalen Zentrums für Cybersicherheit (NCSC) ist besonders die Zahl der gemeldeten Ransomware-Vorfälle stark gestiegen. Sie hat sich im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 von 32 auf 94 Fälle fast verdreifacht. Dass Cyberkriminelle nicht


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nur in grossen internationalen Unternehmen Unheil anrichten, wurde anhand des Bündner Luxushotels «Waldhaus Flims» bewiesen. Hier verschafften sich die Hacker Zugriff zum IT-System und verschlüsselten auf den Servern die Daten von Gästen, Mitarbeiter*innen und Geschäftspartnern. Auch das Westschweizer Treuhandbüro GRF Sociétés Fiducaire wurde Opfer eines Cyberangriffs und sah sich mit Lösegeldforderungen konfrontiert.

HANDLUNGSOPTIONEN Eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben, denn während mit der Digitalisierung die Angriffsfläche wächst, entstehen neue Schwachstellen und Cyberkriminelle entwickeln immer komplexere Angriffsmethoden. Zudem bleibt das Risiko für menschliche Fehler. Unternehmen können es Hackern aber so schwer wie möglich machen, in ihre Netzwerke einzudringen und sich dort zu bewegen. Um passende Massnahmen abzuleiten, ist es wichtig, die eigene Sicherheitsaufstellung genau zu überprüfen. Wo haben wir Angriffspunkte und wie effektiv sind unsere Schutzvorkehrungen? Das sind Fragen, die sich jedes Unternehmen stellen sollte. Beantworten lassen sich diese am besten mit einem Security Assessment. Fachbegriffe wie dieser sowie weitere wie Pentesting, Vulnerability Management, Blackbox und Red Teaming können mitunter für Verwirrung sorgen. Doch welche Ziele und Prozesse verbergen sich hinter diesen Begriffen?

SECURITY ASSESSMENT VS. VULNERABILITY MANAGEMENT Sowohl Security Assessments als auch Vulnerability Management (VM) haben das Ziel, Schwachstellen aufzudecken und zu schliessen – allerdings auf unterschiedlichen Wegen. Ziel des VM ist es, bekannte Schwachstellen ausfindig zu machen und diese daraufhin zu schliessen. Dabei handelt es sich im Idealfall um einen fortlaufenden Prozess zur Identifizierung, Bewertung, Behebung, Verifizierung und Berichterstattung von Schwachstellen der gesamten IT-Umgebung. Das Resultat zeigt dann das Sicherheitslevel einer Firma auf. Ein Security Assessment geht dagegen weitaus tiefer und wird vorwiegend von Cybersecurity-Experten durchgeführt. Ganz wie reale Angreifer versuchen sie, in Netzwerke und Systeme einzudringen und die Kontrolle zu übernehmen. Dieses Vorgehen bezeichnet man auch als Penetration Testing – kurz «Pentesting». Indem die Spezialisten Hacker-Tricks anwenden, können sie auch versteckte Schwachstellen aufdecken, Zusammenhänge herstellen so-

wie komplexe Szenarien aufzeigen. Am Ende eines Security Assessments erhalten Unternehmen nicht nur detaillierte Analysen zu ihren Angriffspunkten, sondern auch Handlungsempfehlungen für passende Gegenmassnahmen.

PENTESTING ZUR ÜBERPRÜFUNG DER SICHERHEIT Beim Pentesting unterscheidet man drei verschiedene Ansätze. Blackbox bedeutet, dass die Security-­ Experten vorab keinerlei Informationen zu den Systemen erhalten, die sie angreifen sollen. Beim Whitebox-Ansatz liegt dagegen alles offen – von der kompletten Dokumentation bis hin zu Administrator-Zugängen. Greybox ist die goldene Mitte: Die Pentester erhalten ausgewählte Informationen und müssen den Rest selbst hacken. Welcher Ansatz am besten geeignet ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Auf den ersten Blick mag die BlackboxMethode am vielversprechendsten erscheinen, da sie einen Cyberangriff unter realen Bedingungen simuliert. Sie beansprucht jedoch die meisten Personalressourcen. Die Königsdisziplin ist hingegen das Red Teaming. Darunter versteht man ein umfangreiches Blackbox-Projekt, das sich über mehrere Monate erstreckt. Daher ist Red Teaming sehr teuer und eignet sich vorwiegend für grosse Unternehmen. Bei der Wahl des Pentesting-Ansatzes sollten Unternehmen Kosten und Nutzen abwägen. Anstelle eines reinen Blackbox-Vorgehens ist es meist zielführender, den Pentestern einige Informationen an die Hand zu geben, damit sie zügig voranschreiten und auch möglichst viele interne Schwachstellen aufdecken können. Ein solcher Greybox-Ansatz liefert in der Regel die wertvollsten Ergebnisse bei überschaubarem Aufwand. Whitebox-Testing ähnelt dagegen eher einem Security-Audit und empfiehlt sich zum Beispiel, um Applikationen auf Security Best Practices zu überprüfen.

DURCHFÜHRUNG EINES ASSESSMENTS Zu Beginn des Projekts vereinbaren die Partner, was die Pentester untersuchen und welchen Ansatz sie verfolgen sollen. Es werden Ziele definiert, zum Beispiel die Administrator-Rechte zu erlangen und damit die Domaine zu übernehmen. Ausserdem wird der zeitliche Rahmen abgesteckt. Selbst bei Blackbox-Projekten kann es sinnvoll sein, nach einigen Wochen vereinzelt Informationen preiszugeben, um einen Fortschritt zu erzielen. Gewiss braucht es auch Spielregeln, an die sich die Pentester halten PRESTIGE BUSINESS

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müssen, aber der Kunde hat stets die Kontrolle und entscheidet darüber, was erlaubt ist und was nicht. So müssen Unternehmen durch das Assessment keinen Schaden befürchten. Für ein Greybox-Projekt sollten Unternehmen zum Beispiel einen konfigurierten Mitarbeiter-Rechner und Zugangsdaten zur Verfügung stellen. Ausserdem brauchen die SecurityExperten lokale Admin-Berechtigungen, um ihre Tools zu installieren. Während des Assessments protokollieren die Pentester jeden ihrer Schritte detailliert und dokumentieren ebenso gefundene Schwachstellen und erreichte Ziele. Anschliessend erfolgt eine Nachbesprechung mit dem Blue-Team, den Security-Mitarbeiter*innen, die im Unternehmen für die Verteidigung zuständig sind. Darin werden Fragen wie «Welche bösartigen Aktivitäten haben sie erkannt?» oder «Was lässt sich optimieren?» abgeklärt und besprochen. Das Unternehmen erhält am Ende einen ausführlichen Report mit Ergebnissen und Handlungsempfehlungen.

ERP-SICHERHEITSPRÜFUNG Ein Security Assessment muss nicht immer die gesamte IT-Infrastruktur umfassen, sondern kann auch spezielle Bereiche adressieren, zum Beispiel eine Applikation, Home-Office-Arbeitsplätze, Mobile Security oder IoT-Systeme. Besonders empfehlenswert ist eine Sicherheitsüberprüfung der ERPUmgebung (Enterprise Resource Planning), da sie das Herzstück des Unternehmens bildet und sensible Daten enthält. Die bekannten und weitverbreiteten ERP-Anbieter legen selbst ein hohes Sicherheitslevel vor, haben jedoch auch viele Schnittstellen zu Umsystemen und sind meist tief in der IT-Infrastruktur verankert. Dazu kommt, dass ERP-Projekte in der Regel sehr umfangreich sind und häufig unter Zeitdruck ablaufen. So passieren gerne gefährliche Fehlkonfigurationen. Es kann etwa vorkommen, dass unverschlüsselte Verbindungen aufgebaut werden oder Daten exponiert sind. Da solche Sicherheitslücken grosse Risiken bergen, lohnt es sich, in ein ERP Security Assessment zu investieren.

WAS TUN, WENN’S PASSIERT IST? Pentesting-Projekte tragen erheblich dazu bei, die Sicherheit zu erhöhen. Trotzdem kann es passieren, dass einmal ein Hacker erfolgreich ist. Jetzt geht es darum, betriebsfähig zu bleiben und Schaden zu minimieren. Dafür ist eine gute Vorbereitung wichtig. Unternehmen sollten im Vorfeld in einem Notfallplan dokumentieren, wer für welche Bereiche verantwortlich ist, wie die Kommunikationsketten 40

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Cyber-Sicherheitsstrategie in Unternehmen und Gegenstrategien.

aussehen und wer kritische Entscheidungen treffen darf. Möglicherweise müssen zum Beispiel Systeme vom Netz genommen, neue Hardware bestellt oder Kunden verständigt werden. Wichtig ist zudem, einen Stellvertreter zu nominieren, denn Cyberkriminelle greifen meist an Wochenenden oder Feiertagen an, wenn Entscheider nicht erreichbar sind. Es empfiehlt sich, wichtige Namen und Adressen auf Papier zu pflegen, sodass sie auch verfügbar sind, wenn die IT ausfällt. Back-ups sollte man zudem getrennt vom Netz aufbewahren, damit sie bei einer Ransomware-Attacke nicht ebenfalls verschlüsselt werden. Externe Security-Spezialisten können Unternehmen dabei unterstützen, einen Notfallplan zu erarbeiten oder ihre bestehenden Prozesse mit einem Incident Readiness Assessment zu prüfen. Security und Incident Readiness Assessments kosten zwar Geld, sind am Ende aber erheblich günstiger als ein erfolgreicher Cyberangriff. Wer seine Schwachstellen kennt, kann sie schliessen und Angreifern das Leben schwerer machen. Wer gut auf den Ernstfall vorbereitet ist, kann schneller reagieren und Schaden minimieren. Auch das Rapid-ResponseTeam, das anrückt, um den Cyberangriff zu stoppen und zu untersuchen, kann dann sofort loslegen und effizienter arbeiten. Das spart Kosten, denn solche Notfalleinsätze sind teuer. Oft braucht es gar nicht viel, um die Sicherheit erheblich zu erhöhen. Ein Security Assessment hilft, gezielt die richtigen Massnahmen zu ergreifen.

Stefan Merz ist CEO der Schweizer Niederlassung von SEC Consult – an Atos Company. www.sec-consult.com


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13. Juni 2022 // Zürich

MARKEN-KONGRESS.CH

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Reinventing Brands: Challenge, Technologize, Collaborate Tech & Digital Stage

Strategiebühne Najoh Tita-Reid CMO

Dr. David Stachon Group COO

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Stefan Smalla Gründer & CEO

Donald Schneider Founder & Creative Director

Max Schickler Brand Partnerships Manager

Roman Reichelt Chief Global Marketing Officer

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HR-Mitarbeitende schätzen die nahtlose Integration der HR-Lösung mit der Lohnsoftware.

KEINE INSEL MEHR

Human Resources-Abteilungen und Softwarelösungen

Die Human Resources-Welten waren oft lange eine eigenständige Dimension in der IT-Landschaft eines Unternehmens. Insellösungen, die oft historisch gewachsen sind, verhindern aber Effizienzgewinne. Das scheint sich jetzt zu ändern. Interviewpartner: Ralf Räber Autor: Georg Lutz

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alf Räber ist ein Teil des Human Resources-Applikationsteams der Abacus Research AG. Im Gespräch erläutert er seine Sicht auf das Personalwesen und die dafür nötigen Softwareinstrumente.

PRESTIGE BUSINESS: Welche spezifischen Werkzeuge stellt Abacus für HR-Aufgaben zur Verfügung? Ralf Räber: Das Programm Human Resources bietet umfassende Lösungen für ein fortschrittliches und effizientes HR-Management. Es ermöglicht die vollständige Digitalisierung der entsprechenden Prozesse, entlastet dadurch die Personalabteilung und dient Vorgesetzten als zentrales Führungsinstrument. Sämtliche HR-Prozesse können damit elektronisch abgewickelt und Daten über frei definierbare Antrags- und Genehmigungsprozesse angepasst werden. Auch Arbeitszeiten, Spesen und Ab-

senzen lassen sich erfassen und über individualisierbare Freigabeprozesse genehmigen und verbuchen. Was ist speziell an der Abacus-HR-Lösung? Der Fokus liegt auf der effizienten Zusammenarbeit verschiedener Anspruchsgruppen. So lassen sich im Bewerbermanagement Kandidatendossiers direkt mit den bei der Entscheidung involvierten Personen austauschen, sodass die Kommunikation schnell und vor allem vertraulich abläuft. Digital geführte Mitarbeitergespräche gestatten es, dass Vorgesetzte ihre Mitarbeitenden mithilfe von Kriterien beurteilen, die zuvor anhand der Anforderungen und Kompetenzen ihrer Funktion festgelegt und im Dossier eingepflegt wurden. Auch Mitarbeitende lassen sich direkt in den Beurteilungs- und Zielvereinbarungsprozess involvieren. Arbeitszeugnisse können elektronisch durch Vorgesetzte und Mitarbeitende beantragt und unter Berücksichtigung PRESTIGE BUSINESS

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der individuellen Leistungs- und Kompetenzbeurteilung sowie mithilfe vordefinierter Textbausteine in mehreren Sprachen automatisch und professionell ausformuliert werden. Gibt es eine zentrale Plattform? Das ist das Mitarbeiter-Portal MyAbacus. Es ermöglicht Mitarbeitenden den Zugriff auf Personaldaten und Dokumente ihrer digitalen Dossiers wie etwa Lohnabrechnungen. Gleichzeitig sind die Vorgesetzten damit in der Lage, auf Informationen der Mitarbeitenden zuzugreifen. Zudem werden sie bei ihrer Führungsarbeit durch individualisierbare Reports und interaktive Fenster mit grafischen Auswertungen unterstützt. Welche Funktionen bietet MyAbacus? Geschätzt wird, dass Firmenmitarbeitende sich dank der ESS-Funktionen in den administrativen Prozess einbinden lassen und die Kontrolle über ihre Daten behalten. HR-Spezialisten finden es positiv und für Schweizer Verhältnisse speziell, dass die verschiedenen Prozesse in einem einzigen System integral verarbeitet werden. Es ist eine Erfolgsgeschichte: Bis heute wurden Abonnements von über 3 000 Firmen und Institutionen für 320’000 Mitarbeitende zur Nutzung von MyAbacus abgeschlossen. Was hebt die Abacus-Lösung von der Konkurrenz ab? Von uns erhält ein Unternehmen alles aus einer Hand. Viele Mitbewerber bieten zwar Lösungen mit einzelnen HR-Prozessen an. Doch im Gegensatz zur vollständig integrierten Abacus-Software sind diese im Zusammenspiel mit den Lohn- und Zeiterfassungsmodulen auf Schnittstellen angewiesen. Das beeinträchtigt den Datenaustausch. Ausserdem ist die Abacus-Software eine Standardlösung. Trotzdem lässt sich bei Anpassungsbedarf mithilfe der Customizing-Funktionen ein hoher Grad an Individualität umsetzen, ohne dass die Releasefähigkeit der Software durch Spezialprogrammierung beeinträchtigt würde.

«Von uns erhält ein Unternehmen alles aus einer Hand.» 44

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Wie entwickelt sich das Angebot? Die Prozesse Onboarding, Personal-Administration, Entwicklung der Mitarbeitenden und Offboarding werden laufend weiterentwickelt. Klar ist dabei: Bei allen Ansätzen gilt das Augenmerk der Effizienzsteigerung, wofür die Digitalisierung das optimale Instrument ist. Ab wann lohnt es sich, die Abacus-HR-Lösung einzusetzen? Für jede Firmengrösse gibt es Prozesse, die sich mit einer Abacus-HR-Lösung optimieren lassen. Der Komplettausbau für alle Prozesse macht ab rund 50 Mitarbeitenden Sinn. Wie soll ein KMU vorgehen, das sein HR-Management möglichst schnell mit einer effektiven Digitallösung optimieren will? Ein Unternehmen kann sich direkt mit uns oder einem unserer Vertriebspartner in Verbindung setzen, um sich präsentieren zu lassen, was Abacus als «out of the box» offeriert. Anhand eines Anstellungszyklus eines Mitarbeitenden etwa liesse sich leicht aufzeigen, wo ein System ansetzt und wie es bei seinem Firmeneintritt, bei der Administration, seiner Entwicklung inklusive Beurteilungen und Zieldefinitionen sowie seinem Austritt Unterstützung bietet. Wie wichtig ist der persönliche Kontakt zwischen Anwender und Abacus-Berater? Sehr wichtig. Als Ansprechpartner*innen eignen sich am ehesten erfahrene Vertriebspartner*innen von HR-Lösungen. Sie bringen eine konstruktivkritische Sicht von aussen mit und sind beispielsweise in der Lage, umgehend eine Digitalisierung suboptimaler Prozesse mit einer HR-Software zu unterbinden, da sie die wichtigsten Prozesse vor der Implementierung einer Lösung analysieren und kritisch hinterfragen. Bevorzugen Unternehmen Cloud-Lösungen oder lokale Installationen? Da nicht alle die persönlichen Daten ihrer Mitarbeitenden in der virtuellen Wolke ablegen wollen, ist es von Vorteil, dass Abacus-Anwender zwischen den beiden Betriebsmodellen frei wählen können. Welchen Nutzen darf ein Management von einer modernen HR-Lösung erwarten? Daten über Mitarbeitende in einer HR-Software zu verwalten, ist als Basis zwar gut und recht. Für Firmenleitungen ist es aber erst dann interessant,


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Im Portal MyAbacus erhalten Mitarbeitende Zugriff auf ihre persönlichen Daten und können diese selbst verwalten.

wenn sich solche Informationen analysieren und visualisieren lassen und daraus somit neue Erkenntnisse gezogen werden. Erst mit solchen Daten ist das Programm in der Lage, einen relevanten Beitrag für die moderne Mitarbeiterführung zu leisten. Ziel des Personalcontrollings ist die vorausschauende, dynamische und strategische Betrachtung der Mitarbeiterressourcen eines Unternehmens. Die Leistungsindikatoren helfen, Trends und Problemfelder der Belegschaft zu erkennen. Wichtig für ein Management ist auch, dass es mit diesen Werkzeugen den Führungskräften Instrumente in die Hände gibt, die sie etwa bei Mitarbeitergesprächen vom ganzen Papierkram befreien. Wie würden Sie die heutige HR-Situation bei Abacus beschreiben? Wir digitalisieren mit den besten Produkten die Business-Prozesse von morgen – immer einen Schritt voraus.

Was erwarten Sie in fünf Jahren? In der IT bedeutet das eine Ewigkeit. Aber ich wage die Prognose zu stellen, dass bis dahin alle ERP-Anwender sämtliche HR-Module benutzen werden.

Ralf Räber ist Senior Consultant Digitales HR bei der Abacus Research AG. www.abacus.ch/hr

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DIE RELEVANZ DER DIGITALISIERUNG Schlüsselfaktor für die Innovationen in der Wirtschaft

Es herrscht Transparenz 46 PRESTIGE BUSINESSin der Wolke.


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Wer bezüglich der Digitalisierung seines Unter­nehmens am Puls der Zeit ist, kann produktiver arbeiten, Geschäftsprozesse optimieren und somit die Wertschöpfung effizienter gestalten. Ist ein Cloud ERP (Enterprise Resource Planning) technisch auf dem Zenit, generiert dies unschlagbare Vorteile für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). In Zeiten einer sich rasch wandelnden Digitalisierung wird ein Unternehmen mit vielfältigen Anforde­rungen konfrontiert. Lösungen aus der Public-Cloud sind hierbei ideal, um sich im Wettbewerb erfolgreich zu behaupten. Autor: Jörg Holzmann

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ie mit grossem Abstand wich­ tigsten Modelle am Markt sind Public-Cloud und Private-Cloud. Beide Varianten fungieren als Basis für Dienste wie SaaS (Softwareas-a-Service), IaaS (Infrastructure-as-a-Service) oder PaaS (Platform-as-a-Service). Doch nicht jedes Cloud-Modell ist für ein Unternehmen geeignet, deshalb sollte es sorgfältig ausgewählt werden. Wesentliche Unterschiede zwischen den Modellen sind in der Art und Weise des Zugriffs sowie in den abgestuften Möglichkeiten der Individualisierung zu finden. Ein näherer Blick zeigt aber deutlich auf, dass die Public-Cloud für KMU üblicherweise eine bessere Wahl ist.

PUBLIC-CLOUD VERSUS PRIVATE-CLOUD Für KMU sind bei der Entscheidungsfindung für eines der Modelle jedoch massgebliche Argumente vorhanden. So können die Lösungen in der PublicCloud von mehreren Firmen gemeinsam genutzt werden, womit es sich um die massiv preisgünstigere Alternative handelt. Zusammen mit den zahlreich gegebenen Möglichkeiten der Individualisierung ist sie daher für KMU in der Regel die eindeutig bessere Wahl. Dennoch verfügen Public-Cloud und

Private-Cloud, neben diversen Unterschieden, auch über viele Gemeinsamkeiten. Public-Cloud: Wenn KMU ein ERP-Produkt über die Public-Cloud zur Miete nutzen, erhalten sie vom Betreiber nicht nur die Software und den dazugehörigen Speicherplatz, sondern profitieren zudem von der gesamten Rechenzentrumsinfrastruktur, die der Cloud-Provider für die jeweiligen Firmen verwaltet und pflegt. Über das Internet zur Verfügung gestellte (ERP-)Lösungen werden in der PublicCloud zwar von mehreren Unternehmen gemeinsam genutzt, jedoch stellen spezielle Multi-TenancyArchitekturen dabei sicher, dass die Kund*innen mit ihrer eigenen Datenbank arbeiten und die individuellen Daten nur ihnen zur Verfügung stehen. Dabei werden Updates oder neue Versionen zentral und zeitgleich bereitgestellt. Alle Nutzer*innen arbeiten also automatisch immer mit der jeweils aktuellen Version einer Software. Private-Cloud: Hier hosten spezialisierte Rechenzentren Services, die von jeweils einem Unternehmen genutzt werden. Für jede Organisation wird also eine eigene Instanz betrieben, sodass es für sie weitergehende Individualisierungsmöglichkeiten als in der Public-Cloud gibt. Damit ist aber gleichzeitig PRESTIGE BUSINESS

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ÜBERZEUGENDE VORTEILE Betrachtet man zusammenfassend die beiden Faktoren Kosten und Leistungsfähigkeit, neigt sich die Waage ganz eindeutig in Richtung eines ERP-Systems aus der Public-Cloud: w unschlagbare Kostenvorteile, da sich mehrere Kund*innen die standardisierte Infrastruktur teilen w sämtliche Ressourcen werden über das Internet zur Verfügung gestellt, Investitionen in Hard- und Software entfallen komplett w maximale Effizienz und Flexibilität dank Webzugriff w immer die aktuelle, gesetzeskonforme Softwareversion w kurzfristige Anpassung abonnierter Services, ganz nach Bedarf w Garantie höchster Sicherheitsstandards Innovative Lösungen wie myfactory überzeugen vor allem mit ihrer Funktionalität, da sich ergänzende Module wie Finanzbuchhaltung, Produktionssteuerung, Vertrieb, Marketing, Services oder E-Commerce unter einer einheitlichen Nutzeroberfläche nahtlos integriert werden können. Wenn Unternehmensstrukturen komplexer werden und eine Warenwirtschaft allein nicht mehr ausreicht, verlangt dieser Umstand Schnittstellen ohne Systembrüche auf Basis des gleichen Datenbestandes.

ein bedeutsamer Nachteil verbunden: Individuelle Anpassungen beschränken in vielen Fällen die Updatefähigkeit einer Lösung.

DIGITALE KOMPETENZEN AUFBAUEN Die Vorteile der Public-Cloud für den Einsatz eines Cloud-ERP-Systems können im Vergleich zu einer firmenintern – on premise – betriebenen ERP-Lösung eine enorm positive Auswirkung generieren. Konkret betrachtet, liegen die Pluspunkte bei der Arbeit mit Warenwirtschaft, Einkauf, Disposition, Lagerhaltung, Verkauf, Kontaktmanagement oder der allgemeinen Informationsverwaltung in den erheblich kürzeren Einführungszeiten, denn Software­ installationen aufseiten der Klient*innen sowie dem Server entfallen. Anwender*innen nutzen zur Arbeit einfach den Browser oder die App. Entsprechend schnell ist ein Cloud-ERP unternehmensweit ausgerollt und einsatzbereit.

BUDGETFREUNDLICHE KOSTEN Sehr attraktiv ist der Kostenvorteil bei der IT-Ausstattung, denn Unternehmen, die mit einem CloudERP arbeiten, benötigen dafür weder eine zusätzliche interne IT-Infrastruktur noch eigene Fachkräfte für deren Betrieb. Die Cloud-Umgebung wird komplett vom Provider zur Verfügung gestellt, gewar48

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tet und gepflegt. Entsprechend günstiger sind die mit der Einführung verbundenen Investitions- und Unterhaltskosten. Vorhandene IT-Fachkräfte im Unternehmen werden zudem entlastet, da keine Server zu pflegen respektive zu warten sind und sich wiederkehrende Back-ups oder das Einspielen von Updates ebenfalls erübrigen. Einen lediglich minimalen Aufwand erfordert auch die Bereitstellung der Lösung für neue Mitarbeiter*innen – der Zugriff erfolgt ja über den Browser. Letztendlich wird nur bezahlt, was auch genutzt wird. Die im Cloud-Modell üblichen kurzen Vertragslaufzeiten ermöglichen den Nutzenden schnelle Anpassungen, falls sich bei ihnen neue Anforderungen ergeben. Bei der Entscheidung für einen Anbieter ist daher darauf zu achten, dass sich ein Abo, in Hinsicht auf die Anzahl der User*innen und der genutzten Module, idealerweise monatlich anpassen lässt. Der Kauf von Lizenzen und die darauf fussenden Wartungskosten für den internen Betrieb eines ERP bieten eine derartige Flexibilität nicht in derselben Tragweite. Ein Cloud-Abo, eine Rechnung – und alles ist abgedeckt. Startinvestitionen und Unterhalt, laufende Updates, serverseitige Erneuerungen, Sicherheits-


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massnahmen, Back-ups und vieles mehr – überall herrscht eine komplette Kostentransparenz. Weitere Kosten fallen nicht an, denn bezahlt wird nur für die genutzten Module und die Anzahl der User*innen.

SICHERHEIT – EIN BEDEUTENDER FAKTOR Professionelle Anbieter hosten ihre Lösungen in Hochsicherheitsrechenzentren, die einen Sicherheitsstandard garantieren können, der von KMU in Eigenregie kaum realisiert werden kann – beispielsweise Schutzmassnahmen gegen Cyberangriffe, Elementarschäden oder Stromausfälle. Die automatische Datensicherung mittels geo­ redundanter Back-ups ist ebenso Standard. Auch die Rechenzentrumsgebäude selbst sind zudem so gut geschützt, dass nur befugte Personen Zutritt erhalten. Komplettiert werden die Sicherheitsmassnahmen durch eine ausschliessliche Übertragung von Daten in verschlüsselter Form sowie ein wirksames Rechtemanagement für den Zugriff seitens der Kund*innen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist eine hohe Ausfallsicherheit, die in modernen Rechenzentren in der Regel bis zu 99.9 Prozent beträgt. Für KMU ist dies, bei einer intern betriebenen Infrastruktur, ein kaum erreichbarer Wert. Und da die Nutzung eines Cloud-ERP über das Web erfolgt, sind Anwendungen und Daten permanent überall auf der Welt verfügbar.

ZU JEDER ZEIT UP TO DATE

Public-Cloud und Private-Cloud treten zum Wettbewerb an.

darum kümmern muss. Bei Cloud-Lösungen obliegt die Verantwortung grösstenteils beim darauf spezialisierten Provider. Als angewandte Technik bietet sich aktuell ein modernes Cloud-ERP wie myfactory an, welches komplett auf offenen, webgestützten Technologien basiert. Lokal installierte Legacy-Lösungen basieren dagegen oft noch auf alten Settings, weshalb sie nur begrenzte Möglichkeiten an Verknüpfungen mit neuen Systemen bieten. Entsprechend aufwendig gestalten sich auch Erweiterungen, Wartungen oder die Entwicklung von Schnittstellen. Ganz abgesehen davon, dass Fachkräfte mit Kenntnissen über die veralteten Systeme meistens nur noch schwer zu finden sind.

Jedes Update und jede neue Version der Software sind für alle Anwender*innen als feste Abo-Bestandteile sofort und automatisch verfügbar. Die Bereitstellung erfolgt unterbrechungsfrei, womit ein interner Installationsaufwand entfällt. Dementsprechend können Nutzer*innen immer problemlos mit der aktuellen Version arbeiten. Damit Applikationen und Prozesse jederzeit den gültigen Vorgaben, Normen und Gesetzen entsprechen, müssen diese kontinuierlich an aktuell gültige Stände angepasst werden. Dies beinhaltet einen erheblichen Aufwand, wenn man sich selbst

Jörg Holzmann ist Leiter Vertrieb Schweiz der myfactory Software Schweiz AG. www.myfactoryschweiz.ch

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SINNVOLLE SECURITY Mit Zero Trust die Sicherheit und Kontrolle im Unternehmen erhöhen

Eine klassische Antiviruslösung schützt heute kein Unternehmen. Ein integriertes und vernetztes Ökosystem aus miteinander kommu­ nizierenden Sicherheitslösungen in Verbindung mit menschlicher Expertise stellt auch bei hohem Gefahrenpotenzial einen guten Schutz dar. Technologiestrategie baut auf einem solchen Ökosystem auf und hebt das Sicher­ heitslevel durch den Paradigmenwechsel hin zu Zero Trust auf ein neues Niveau. Autor: Michael Veit

Kompetent die Effizienz des IT-Betriebs sichern.

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ero Trust ist ein Prinzip, bei dem es darum geht, eine wesentlich höhere Sicherheit vor Cyberattacken und anderen Angriffen zu erreichen. Grundlage dafür ist ein Paradigmenwechsel – weg von der Verbots- und hin zur Erlaubnis­ struktur. Sprich, in einem hermetisch geschlossenen Ökosystem wird erst einmal alles verboten und nur dedizierten Ressourcen der Zugang temporär erlaubt. Das Resultat: weniger Schlupflöcher für Angreifer sowie ein geringeres Risiko in der Sicherheitsstrategie und der Administration. Der Begriff Zero Trust wird seit Jahren diskutiert. Mit diesem Konzept haben sich anfänglich nur Experten der Sicherheitsindustrie und grosse Unternehmen beschäftigt. Heute ist aus dem Konzept eine Strategie entstanden, die mit speziellen Produkten


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und Lösungen realisierbar ist. Und wie so oft waren es die grossen Konzerne, die als «Early Adaptors» diese Strategie umsetzten. Die Erfahrungen aller Beteiligten – von der Security-Industrie über die ITDienstleister*innen bis hin zu den IT-Expert*innen in den Unternehmen – tragen heute dazu bei, dass Zero Trust nicht nur eine Lösung für globale Konzerne sein kann, sondern mithilfe von ITPartnern*innen auch im gehobenen Mittelstand möglich ist.

TRAUE NICHTS UND NIEMANDEM Klassische Sicherheitskonzepte in Unternehmen und Organisationen gehen davon aus, dass alle Dienste, Geräte und Anwender innerhalb des eigenen Netzwerks grundsätzlich vertrauenswürdig sind. Nur der Netzwerkverkehr und die Zugriffe, die von aussen erfolgen, sind potenziell gefährlich und müssen analysiert und beschränkt werden. Dieser Ansatz ist heute in nahezu jedem Unternehmen Rea­ lität. Doch durch die zunehmende Komplexität der IT-Umgebungen in Verbindung mit der wachsenden Gefahrenlage durch Cyberkriminalität ist dieses Konzept kaum noch tragbar. Denn sobald jemand im Firmennetz ist, existieren kaum noch Sicherheitsvorkehrungen, um Personen, die bewusst angreifen, davon abzuhalten, an lebenswichtige Systeme zu gelangen. Hacker*innen und Cyberkriminelle haben weitgehend freie Bahn, um ihre Aktionen auszuführen, darunter Datendiebstahl oder die Verschlüsselung mithilfe von Ransomware. Das Zero-Trust-Modell bietet im Vergleich zu herkömmlichen Security-Konzepten ein wesentlich höheres Sicherheitsniveau, indem es alle Geräte, Dienste und Anwender*innen gleichbehandelt und ihnen grundsätzlich misstraut – unabhängig davon, ob sie ihren Ursprung intern oder extern haben. Sämtlicher Verkehr muss geprüft werden und alle Anwender*innen oder Dienste müssen sich authentifizieren.

IN RICHTUNG PARADIGMENWECHSEL Zero Trust unterscheidet sich von der traditionellen Security deutlich. Es setzt einen Paradigmenwechsel voraus, indem von einer partiellen Abschottungskultur hin zu einer feingliedrigen Erlaubniskultur umgedacht werden muss. Sprich: Traue niemandem und erlaube nur, was unbedingt nötig ist, sowohl innerhalb des Netzes als auch für jeglichen Zugang von aussen. Beim Zero-Trust-Modell handelt es sich um ein Sicherheitskonzept, das grundsätzlich allen Diensten, Anwendern*innen und Geräten misstraut.

Ransomware-Angriffe frühzeitig mit einem fortschrittlichen Schutz abwehren.

Eine besondere Rolle spielt die Dynamik beim Zero Trust. Denn das Prinzip ist iterativ und es gilt, das Sicherheitslevel kontinuierlich zu hinterfragen und bei Bedarf anzupassen. Nach Prüfung müssen bestimmte Geräte und Netzwerke als vertrauenswürdig eingestuft werden, allerdings ist dieses Vertrauen mit Zero Trust lediglich temporär. Das Vertrauen wird dynamisch und unter Einbeziehung diverser Datenquellen aufgebaut und kontinuierlich neu bewertet. Zu den Datenquellen gehören Informationen über die Zugriffsanfrage, Anwenderinformationen, Systeminformationen, Zugriffsanforderungen und Informationen über Bedrohungen.

ES BRAUCHT TECHNOLOGIE-STACK Unternehmen, die das Null-Vertrauen-Prinzip realisieren wollen, sollten im Rahmen der Zero-TrustTechnologiestrategie zwei Hauptbereiche adressieren: die Verwaltung von Zero Trust sowie die Sicherheit und Kontrolle der verschiedenen Ressourcen und Werte. PRESTIGE BUSINESS

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WENIGER ANGRIFFSPUNKTE IN DER PRAXIS

Rundum sicher – Bedrohungen aufspüren und Sicherheitsrisiken minimieren.

Die Verwaltung von Zero Trust gliedert sich in drei Teilbereiche: 1. Die Automatisierung und Orchestrierung: Sie ist für die Definition dynamischer Richtlinien, die Koordinierung der verschiedenen Technologien und die Umsetzung aller Massnahmen essenziell. 2. Die Sichtbarkeit und Analyse: Sie ist für die Überwachung des Netzwerks, die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit sowie die Identifizierung von Bedrohungen und Verstössen zuständig. 3. Die technologischen Schnittstellen (APIs): Durch diese ist eine technologische Integration unterschiedlicher Systeme überhaupt erst möglich. Nur so können Informationen und Daten aus einem System in ein anderes übertragen werden. Die Ressourcen und Werte lassen sich in fünf Unterbereiche einteilen: 1. An vorderster Front stehen die Menschen, also Mitarbeiter*innen und Geschäftspartner*innen. 2. Ähnlich wichtig sind die Daten. Sie sind das Lebenselixier eines Unternehmens und vielleicht das wichtigste Vermögen. 3. Erst an dritter Stelle kommen die Maschinen, worunter die Server, Laptops und viele weitere im Netzwerk befindliche Geräte subsumiert sind. 4. Die Workloads sind danach im Fokus und umfassen die Dienste und Anwendungen, mit denen Daten verarbeitet werden. 5. Am Schluss stehen die Netzwerke, also sämtliche Kommunikationskanäle, über die die Daten fliessen. 52

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Unternehmen können entweder aus eigener Kraft oder gemeinsam mit spezialisierten Partnern*innen das Zero-Trust-Modell schrittweise oder auch komplett mit speziell dafür entwickelten Lösungen implementieren. Basis ist beispielsweise ein ZeroTrust-Network-Access(ZTNA)-Modul, wie es der Security-Spezialist Sophos anbietet. Durch die Möglichkeit, das ZTNA-Modul in Intercept X inklusive XDR (Extended Detection and Response) und MTR (Managed Threat Response) sowie in das Sophos Adaptive Cybersecurity Ecosystem zu integrieren, wird ein Grossteil der Komplexität, welche die Verwaltung verschiedener Anbieter*innen und Agenten*innen mit sich bringt, beseitigt. Das Modul authentifiziert permanent Nutzeridentitäten mit multiplen Faktoren, validiert den Zustand der Geräte, bietet strenge Nutzer-Zugangskontrollen und somit weniger Angriffspunkte für Cyberkriminelle.

SICHERHEITSLEVEL DES ÖKOSYSTEMS Jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, welches Level an Sicherheit es benötigt und welches Risiko es zu tragen bereit ist. Zusammenfassend lassen sich drei Aussagen treffen: Klassisches Antivirus schützt heute kein Unternehmen auch nur annähernd. Ein integriertes und vernetztes Ökosystem aus miteinander kommunizierenden Sicherheitslösungen in Verbindung mit menschlicher Expertise stellt auch bei hohem Gefahrenpotenzial einen guten Schutz dar. Zero Trust baut auf ein solches Ökosystem auf und hebt das Sicherheitslevel durch den Paradigmenwechsel auf ein neues Niveau, welches Unternehmen mit einem besonderen Sicherheitsbedürfnis heute anstreben und in absehbarer Zeit eine hohe Verbreitung in der Wirtschaft und im öffentlichen Sektor einnehmen wird.

Michael Veit ist Security-Experte bei Sophos. www.sophos.com


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Die Entwicklung der digitalen Infrastruktur in Afrika und eine junge Bevölkerung versprechen Potenziale.

PERSÖNLICHKEITEN UND TECHNIK Die Überbrückung der digitalen Kluft in Afrika

Als weltweites Unternehmen für digitale Infrastruktur hat Equinix durch die Übernahme des westafrikanischen Rechenzentrumsanbieters MainOne im Jahr 2021 einen der grössten Tech-Deals seiner Geschichte abgeschlossen. Damit verspricht sich das in Kalifornien ansässige Unternehmen, die Geschwindigkeit der digitalen Transformation auf dem afrikanischen Kontinent zu verdoppeln. Roger Semprini ist seit 2016 Geschäftsführer bei Equinix Schweiz. Interviewpartner: Roger Semprini Autor: Georg Lutz

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frika ist ein ganzer Kontinent, der üblicherweise unter unserem Aufmerksamkeitsradar läuft. In den Medien finden wir meist nur Katastrophenmeldungen. Dabei gibt es auch dort innovative Businessideen und spannende Unternehmenspersönlichkeiten, die mit europäischen Partnern auf Augenhöhe agieren. PRESTIGE BUSINESS: Herr Semprini, wo sehen Sie die Unterschiede zwischen Europa und Afrika bezüglich digitaler Infrastruktur? Roger Semprini: Afrika hat beispielsweise mehr Internetnutzer als Amerika, aber nur so viel Rechenzentrumsfläche wie die Schweiz. Die Nachfrage auf dem Kontinent steigt sprunghaft an, da immer mehr vor allem junge Menschen online gehen. Die meisten gehen über mobile Geräte ins Internet. Es wird erwartet, dass die zunehmende Verbreitung von 4G- und 5G-Mobiltelefonen und der steigende Datenverbrauch die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft in Afrika fördern werden. Der Erwerb von MainOne ist der erste Schritt in der langfristigen Strategie von Equinix, ein führendes afrikanisches Carrier-neutrales Unternehmen für digitale Infrastruktur zu werden. Warum sind westafrikanische Märkte für Equinix interessant? Nigeria ist mit mehr als 200 Millionen Menschen die grösste Volkswirtschaft Afrikas und hat sich zusammen mit Ghana zu einem etablierten Knotenpunkt für Rechenzentren entwickelt. Dies macht die Übernahme zu einem wichtigen Einstiegspunkt für Equinix auf dem Kontinent. MainOne ist ein führender westafrikanischer Anbieter von Rechenzentren und Konnektivitätslösungen mit Niederlassungen in Nigeria, Ghana und der Elfenbeinküste. Wir sind der Ansicht, dass MainOne eines der interessantesten Technologieunternehmen ist, welches in Afrika entstanden ist. Das 2010 von Funke Opeke gegründete Unternehmen hat die Konnektivität für die nigerianische Geschäftswelt verbessert und verfügt nun über digitale Infrastrukturen. Können Sie unseren Leser*innen Funke Opeke vorstellen? Funke Opeke ist die derzeitige CEO von MainOne und sie wird das Unternehmen weiterhin leiten. Die gebürtige Nigerianerin zog in die USA, wo sie an der Columbia University ihren Master in Ingenieurwissenschaften machte und

später als Führungskraft bei Verizon arbeitete. Im Jahr 2005 kehrte sie nach Nigeria zurück und gründete 2010 MainOne, wo sie die Entwicklung des ersten privaten, frei zugänglichen Unterseenetzes in Westafrika leitete, das die Geschäftsmöglichkeiten in der Region erweitert und den Menschen in Westafrika eine weitaus bessere Anbindung ermöglicht. Sie wurde 2018 von Forbes als eine der 50 weltweit führenden Frauen in der Tech-Branche für ihre Bemühungen um die Verbreitung des Internets ausgezeichnet. Ausserdem wurde sie kürzlich vom Data Centre Magazine als eine der «Top 10 Women to watch» in der Rechenzentrumsbranche bezeichnet. Funkes Vision ist und war es, die digitale Kluft in Afrika zu überbrücken.

«Seekabel sind für das Internet und die globale Konnektivität von zentraler Bedeutung.»

Die Expansion in Afrika ist eine strategische Priorität für Equinix: Roger Semprini, Managing Director, Equinix Schweiz.

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Was genau hat Equinix übernommen? Drei operative Rechenzentren sowie eine weitere, bald fertiggestellte Anlage. Diese Einrichtungen werden Platform Equinix um rund 6 000 Quadratmeter Bruttofläche erweitern, zusätzlich zu rund

53’000 Quadratmeter Land für zukünftige Erweiterungen. Dazu kommt ein terrestrisches Netz mit mehr als 1 200 Kilometern terrestrischer Glasfaser in den Bundesstaaten Lagos, Edo und Ogun. Die Konnektivität zu terrestrischen Standorten erstreckt sich über 65 Points of Presence (PoPs) in Städten in Portugal, Nigeria, Ghana und der Elfenbeinküste. Hinzu kommt ein ausgedehntes Unterwassernetz, das sich über 7 000 Kilometer von Portugal nach Lagos, Accra und entlang der westafrikanischen Küste erstreckt, mit Anlandestationen in Nigeria, Ghana und der Elfenbeinküste. Warum sind Unterseekabel in Ihrem Business so wichtig? Seekabel sind für das Internet und die globale Konnektivität von zentraler Bedeutung, da 99 Prozent des interkontinentalen Datenverkehrs darüber abgewickelt werden, während weniger als ein Prozent des restlichen Datenverkehrs über Satellitensysteme läuft. Es wird erwartet, dass der weltweite Seekabelmarkt bis 2025 ein Volumen von 22 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Dies entspricht einem Zuwachs von mehr als 100 Prozent gegenüber 2019. Im Zuge der weltweit zunehmenden digitalen Transformation haben wir die SeekabelInitiativen auf Platform Equinix deutlich vorangetrieben. Equinix betreibt mehr als 230 IBXRechenzentren in 65 globalen Märkten in 27 Ländern und bietet die erforderlichen Edge Points of Presence (EPoPs) in Metropolregionen, um immer grössere Datenmengen latenzarm über das Internet zu übertragen. Jeder Nutzer eines Seekabelnetzes, der in einem unserer globalen Rechenzentrumsabschlusspunkte anlandet, profitiert umgehend vom latenzarmen Zugang zu einer Vielzahl von Branchenökosystemen auf Equinix. Und zu guter Letzt: Dies wird das erste Unterwasserkabel sein, das Equinix gehört!

Funke Opeke, CEO von MainOne, hilft der Digitalisierung in Westafrika grosse Sprünge zu machen.

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Wie sieht Ihre langfristige Strategie auf dem Kontinent aus? Die Expansion in Afrika ist seit Langem eine strategische Priorität für uns. Wir wollen das Wachstum und die Expansion von Rechenzentren fördern, um die dringend benötigte digitale Infrastruktur bereitzustellen. Mit MainOne haben wir ein Unternehmen gefunden, das nicht nur über hochkomplementäre Rechenzentrums- und Kon-


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nektivitätsanlagen verfügt, sondern auch die Expansion unseres Geschäftsmodells und unserer Wachstumsziele weiter beschleunigen kann. Somit haben wir Zugang zu wichtigen afrikanischen Internetknotenpunkten, die niedrige Latenzzeiten zu wesentlichen globalen Netzwerken ermöglichen, darunter Amazon, Microsoft, Apple, Google und Facebook. Hinzu kommen mehr als 800 Businessto-Business-Kunden, darunter grosse internationale Technologieunternehmen, Social-Media-Firmen, globale Telekommunikationsbetreiber, Finanzdienstleister und Cloud-Service-Anbieter. Und wir übernehmen nahezu 500 Mitarbeitende sowie ein Managementteam, das die lokalen und internationalen Märkte sehr gut kennt. Wir wollen Teil davon sein, die Region auf dem Weg zu einer stärker digitalisierten Wirtschaft voranzubringen. Was bedeutet die Expansion für Ihre Kunden und für die Kunden in der Schweiz? Es war ein Wunsch unserer Kunden, insbesondere multinationaler Unternehmen, die in Afrika tätig sind, unsere Reichweite innerhalb Afrikas zu erweitern. MainOne wird in Afrika die globale Präsenz von Equinix vergrössern. Als weltweites Unternehmen für digitale Infrastruktur hilft Equinix seinen Kunden, neue Chancen zu erschliessen und ihren Wettbewerbsvorteil zu verstärken, indem es grundlegende Infrastrukturen bereitstellt und vernetzte Ökosysteme in Software-Geschwindigkeit betreibt, damit sie die richtigen Orte erreichen, sich mit den richtigen Partnern verbinden und auf alle Möglichkeiten zugreifen können, die sie für ihren Erfolg benötigen. Europa, Nord- und Südamerika und der asiatisch-pazifische Raum haben alle enge wirtschaftliche Beziehungen zu Afrika und sind aktive Handelspartner. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Konnektivität und Colocation die wirtschaftlichen Aktivitäten zwischen diesen Handelspartnern eng widerspiegeln wird. Der westafrikanische Markt wird davon profitieren, dass er seinen Zielgruppen durch die Nutzung von Platform Equinix robustere und innovativere digitale Dienste und Erfahrungen bieten kann. In Anbetracht der zunehmenden Verbreitung von Mobiltelefonen sehen wir erhebliche Vorteile für die Contentund Digitalmedienbranche sowie für Finanzdienstleistungen durch mobiles Banking.

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Weitere Informationen finden Sie unter: abacus.ch/personal Georg Lutz leitet die Redaktion von PRESTIGE BUSINESS. de.equinix.ch

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FOKUS JAPAN

Virtuelle Kommunikation bei internationalen Geschäften

Den interkulturellen Business-Knigge mit Japan beachten.

Aufgrund des längeren coronabedingten Einreiseverbots in Japan ist es zurzeit schwierig, die persönliche Beziehung mit japanischen Geschäftspartner*innen zu pflegen. Dies ist aber für das Geschäftsleben sehr wichtig. Aus diesem Grund ist es zwingend notwendig, über das nötige Know-how zu verfügen, um mit den Partner*innen erfolgreich virtuell zu kommunizieren und zu kooperieren. Autorin: Ulrike Fröhlich

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ie in vielen asiatischen Ländern rangiert in Japan der Aufbau von Vertrauen vor dem eigentlichen Geschäftsanliegen. Dieser erste und elementare Schritt ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer zu erfüllen. Seit über zwei Jahren hat Japan seine Grenzen für ausländische Besucher inklusive Geschäftsreisende geschlossen, um sich und seine Bevölkerung vor dem Corona-Virus zu schützen. Deshalb ist es aktuell nicht nur für Unternehmen aus der DACH-Region (Deutschland, Österreich und Schweiz), die mit japanischen Unternehmen Geschäfte machen (oder machen möchten), schwierig, persönliche Kontakte und Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. In Japan wird inzwischen zwar kontrovers darüber dis-


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kutiert, inwieweit der Einreisestopp verhältnismässig und zielführend ist, Tatsache ist aber, dass immer wieder die Kooperation und Kommunikation mit den dortigen (potenziellen) Geschäftspartnern nur virtuell erfolgen – und niemand weiss, wie sich diese Situation entwickeln wird.

DAS A UND O Nun ist aber gerade Japan dafür bekannt, dass der persönliche Kontakt und das gegenseitige Kennenlernen das A und O für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen sind. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie hiess es sogar: Mit Japanern ist keine Kooperation möglich, ohne dass man sich zuvor gegenseitig kennengelernt und gemeinsam wenigstens mal ein Bier getrunken hat. In Japan rangiert, wie in vielen anderen ostasiatischen Staaten auch, der Aufbau von Vertrauen beim wechselseitigen Kennenlernen vor dem eigentlichen Geschäftsanliegen. Oder anders formuliert: Wenn man sich nicht kennt, kann man aus japanischer Warte auch nicht zusammenarbeiten. Dieser notwendige erste Schritt für eine gute Zusammenarbeit ist selbstverständlich erschwert, wenn man sich nicht treffen kann und rein per Mail und Telefon miteinander kommuniziert. Viele Unternehmen beklagen momentan auch, wie schwierig es aktuell ist, mit japanischen Geschäftspartner*innen zusammenzuarbeiten. Daher müssen gewisse Verhaltensregeln beachten werden, damit die virtuelle Kommunikation und Kooperation erfolgreich verlaufen. Dabei lautet die Maxime: Erlaubt ist alles, was dem gegenseitigen Kennenlernen dient und es ermöglicht, Vertrauen auf- und auszubauen.

BEI EINEM VIRTUELLEN BIER Ebenso wie im Umgang mit hiesigen Geschäftspartnern ist auch in Japan Zuverlässigkeit höchstes Gebot, denn dies ist der Grundstein für eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung. Es empfiehlt sich demnach, nach Möglichkeiten zu schauen, wie man sich virtuell besser kennenlernen kann. Dazu gehört in den One-to-one-EMails, auch etwas Persönliches zu schreiben – beispielsweise, was man am Wochenende gemacht hat oder etwas über die

Familie und Hobbys. Dabei empfiehlt es sich, Gemeinsamkeiten mit den (potenziellen) Geschäftspartnern zu finden, denn Gemeinsamkeiten verbinden. Dann gilt es, im Rahmen der Online-Kommunikation Extra-Meetings für das «Socializing» einzuplanen. Dazu gehört zum Beispiel, gemeinsam vor dem Monitor ein Bier oder einen Tee zu trinken, die eigene Region vorzustellen oder über heimische Feste oder Gepflogenheiten zu sprechen. Solche «Socializing-Meetings» sind wahre Booster für jede Geschäftsbeziehung und führen gewiss zu einer verbesserten Kommunikation – auch der Umgang mit kritischen Themen kann somit vereinfacht werden. Selbstverständlich sind solche Meetings nicht bei jeder Geschäftsbeziehung möglich, doch wenn die Möglichkeit hierzu besteht, sollte diese genutzt werden, um die Kooperation erfolgreicher zu machen. Die Japaner haben zudem eine ausgesprochene Geschenkkultur. Kleine Aufmerksamkeiten wie Schokolade oder Kekse kommen nicht nur gut an, sie zeigen auch eine Wertschätzung und stärken die persönliche Beziehung – und somit auch die Geschäftsbeziehung.

DIE INTERPRETATION DER VIRTUELLEN KOMMUNIKATION Während eines Online-Meetings sollte unbedingt die Videokamera eingeschaltet sein, denn auch so lernt man sich kennen. Es gilt, auf die Mimik und Gestik der japanischen Partner zu achten. Dies hilft mittelfristig, das Gegenüber schneller und besser zu verstehen. Eine der häufigsten Herausforderungen für Europäer bei der Kooperation mit Japanern ist: Sie können nur schwer einschätzen, ob ihrem Gegenüber etwas gefällt oder nicht. Durch das Studieren seiner Mimik und Gestik entwickelt man ein besseres Gespür hierfür. Bei der E-Mail-Korrespondenz ist jedoch Vorsicht geboten. In E-Mails tendieren wir – im deutschsprachigen Raum – aus Effizienz-Gründen dazu, sehr direkt zu kommunizieren. In Japan wird hingegen auch im beruflichen Umfeld eher indirekt kommuniziert. Es gibt kein klares «Ja» und kein eindeutiges «Nein», sondern viele Zwischentöne, die es richtig zu interpre-

tieren gilt. Gerade bei negativen Botschaften wie «Wir können nicht liefern» oder «Der Informationsfluss ist schlecht» ist es wichtig, diese höflicher und indirekter zu formulieren als in der DACH-Region üblich. Der angepasste Sprachstil ist hier wichtig. Es gilt, das Anliegen ein wenig zu verpacken, denn: Mit – aus der europäischen Warte – netten und freundlichen Personen arbeiten nicht nur Japaner lieber zusammen als mit schroffen, unfreundlichen Menschen.

DIE ZEITVERSCHIEBUNG IM AUGE HABEN E-Mails nach Japan sind am besten vormittags zu versenden, denn viele Japaner erachten es als ihre Pflicht, E-Mails gleich zu beantworten. Ansonsten bearbeiten sie noch um 22 Uhr japanischer Zeit die Anliegen. Geht dies nicht, sind die Mails mit dem Autosender so zu terminieren, damit die japanischen Geschäftspartner die Nachricht erst am nächsten Tag um acht Uhr Ortszeit erhalten. Last, but not least gibt es an dieser Stelle noch einen wichtigen Tipp: Geduld ist eine Zier. Entscheidungen dauern in Japan gefühlt ewig, da sehr viele Beteiligte einbezogen werden und vieles nur im Konsens entschieden wird. Drängeln ist die falsche Strategie. Japanische Partner unter Druck zu setzen, führt deshalb – gerade in dieser ohnehin angespannten Zeit – in die Sackgasse. Ansonsten erzeugt man innere Widerstände gegen die europäischen Partner.

Ulrike Fröhlich ist Inhaberin der Managementberatung Understanding Japan in Weil am Rhein, Deutschland. www.understanding-japan.de

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IOT UND DATENSCHUTZ – HERAUSFORDERUNG UND CHANCE Datenschutz in der digitalen Geschäftswelt

Das «Internet of Things» (IoT) ist zwar in aller Munde, jedoch finden sich verschiedene Definitionen des Begriffs. Es geht um die Vernetzung von Objekten über das Internet wie automatisierte Fahrzeuge, vernetzte Ampeln und intelligente Kühlschränke. Dadurch wird der Privatbereich vermehrt zu einem Teil des Internets, was datenschutzrechtliche Fragen aufwirft. Das Datenschutzrecht sollte dabei nicht bloss als regulative Hürde betrachtet, sondern als potenzieller Wettbewerbsvorteil genutzt werden. Autor*in: Dr. Andrea Schütz und Dr. Christian Schönfeld

IoT verändert die Anforderungen an den Datenschutz rasant.

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äufig wird unter «Internet of Things» (IoT) das Wirken beziehungsweise Handeln von «intelligenten Gegenständen» verstanden – was so viel heisst wie computerisierte, mit Sensorik und internetfähiger Kommunikation ausgestatte Objekte. Oftmals bedürfen computerisierte Vorgänge im Rahmen des IoT keiner physischen Eingaben durch Menschen mehr. Stattdessen können IoT-Objekte Informationen selbst erheben und bearbeiten. Das IoT ist in unserem Alltag angekommen und für die Zukunft rechnet man mit einem starken Wachstum: So wird prognostiziert, dass bis 2050 fast alle Alltagsgegenstände, rund 24 Milliarden Objekte, vernetzt sein werden. Das IoT wird sämtliche Bereiche der Gesellschaft betreffen und stellt daher ein gewaltiges Wirtschaftspotenzial für Unternehmen aller Branchen dar. Gleichzeitig macht diese Vernetzung der Infrastruktur aber auch den

Privatbereich zu einem Teil des Internets. Dinge aus unserem Alltag sammeln, verschicken und werten Daten über unsere Gesundheit, unser Verhalten und unsere Gewohnheiten in sämtlichen Lebensbereichen aus. Neben all den Erleichterungen und Vorteilen, die das IoT der Allgemeinheit bietet, wirft es auch datenschutzrechtliche Fragen auf.

RECHTE UND PFLICHTEN IM DATENSCHUTZRECHT Das IoT fällt in den Anwendungsbereich des Datenschutzrechts, sobald Personendaten bearbeitet werden. Das sind jegliche Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Daten nicht anonymisiert bearbeitet werden. Unter den Begriff des «Bearbeitens» fällt jeder Umgang mit Perso­ nendaten, vom Beschaffen und Aufbewahren über das Verwenden, Bekanntgeben oder Archivieren bis hin zum Vernichten. In der Schweiz kommt bei einer Bearbeitung von Personendaten durch Privatpersonen das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) zur Anwendung, während in der EU die Datenschutz-Grundverordnung (GDPR) einschlägig ist. Im IoT bewegen sich verschiedenste Akteur*innen, von den Hersteller*innen von Sensoren über die Betreiber*innen von Gateways und Servern sowie die Hersteller*innen der Software bis zu den betroffenen Personen, deren Daten bearbeitet werden. Dabei nehmen diese Akteur*innen unterschiedliche datenschutzrechtliche Rollen ein. Sogenannte Verantwortliche (auch Controller genannt), welche die Zwecke und Mittel der Datenbearbeitung festlegen, sowie Auftragsbearbeiter (auch Processors genannt), welche Datenbearbeitungen für Controller vornehmen, treffen bei der Bearbeitung von Personendaten datenschutzrechtliche Pflichten, deren Verletzung zu Bussen und anderen Ansprüchen führen kann. Demgegenüber stehen den betroffenen Personen diverse Rechte zu, etwa auf transparente Information, Auskunft, Berichtigung fehlerhafter Daten, auf Einschränkung der Bearbeitung sowie (in Zukunft) auf Datenübertragbarkeit. Allfällige Einwilligungen können jederzeit widerrufen werden.

NACH TREU UND GLAUBEN Zu den zentralen Grundsätzen, welche Controller und Processors bei der Bearbeitung von Personendaten einzuhalten haben, zählt, dass die Bearbeitung rechtmässig erfolgen muss. Gegebenenfalls setzt dies das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes PRESTIGE BUSINESS

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in Form der Einwilligung der betroffenen Person, eines überwiegenden Interesses oder einer gesetzlichen Grundlage voraus. Die Bearbeitung muss nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise erfolgen. Ferner darf sie nur zu dem Zweck erfolgen, der bei der Beschaffung der Daten angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist. Zudem muss die Bearbeitung verhältnismässig sein, das heisst namentlich, dass sie auf das für den Zweck der Bearbeitung notwendige Mass beschränkt sein muss. Schliesslich ist sicherzustellen, dass Personendaten sachlich richtig sind und dass unrichtige Personendaten gelöscht oder berichtigt werden sowie dass sie durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen (TOM) geschützt sind.

UNNÖTIGE DATENSAMMLUNGEN AUF VORRAT Diese Anforderungen werden (auch) im IoT augenscheinlich nicht immer erfüllt. Viele IoT-Anwendungen bearbeiten Personendaten, ohne die betroffenen Personen hierüber transparent zu informieren oder vorgängig, wo nötig, deren Einwilligung einzuholen. Viele IoT-Geräte erlauben es ihren Nutzern nicht, einzelne Datenbearbeitungen zu unterbinden, obwohl die grundsätzliche Entscheidung über die Bearbeitung von Personendaten als Ausprägung des Rechts auf Selbstbestimmung bei den Anwendern verbleiben sollte. Oftmals werden Personendaten auf Vorrat erhoben oder über einen Zeitraum gespeichert, der das notwendige Mass überschreitet, wodurch «Datensammlungen auf Vorrat» entstehen. Die damit verbundenen Risiken werden dadurch verschärft, dass viele IoT-Geräte nur unzureichend geschützt sind, obwohl IoT-Geräte oder -Sensoren Einfallstore für Cyberattacken bieten können. (Das Küchengerät mit nichtdeklariertem Mikrophon mag als Beispiel dienen.) Dies führt nicht nur zu einem Risiko für die betroffenen Personen, sondern auch zu Reputations- und Haftungsrisiken für die bearbeitenden Controller und Processors.

RISIKEN VERMEIDEN Die Vermeidung solcher Risiken ist für alle Akteur*innen von Vorteil und lässt sich auch im IoT mittels technischer und juristischer Massnahmen realisieren. Unverhältnismässige Datensammlungen lassen sich durch Gateways verhindern, welche die 62

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Daten nicht registrierter oder entsprechend gekennzeichneter Endgeräte automatisch aussondern oder anonymisieren. Die transparente Information der betroffenen Personen über die beabsichtigten Datenbearbeitungen und deren Zwecke gibt diesen die geforderte Selbstbestimmung und steigert gleichzeitig deren Vertrauen in die Datenbearbeiter*innen. Entscheidend für eine reibungslose Umsetzung ist, dass Datenbearbeiter*innen den Anforderungen des Datenschutzrechts von Beginn an die nötige Beachtung schenken. Dies ermöglicht ihnen, ihre Produkte und Dienstleistungen so zu konzipieren und zu entwickeln, dass diese den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen. So verstandenes «privacy by design» erlaubt es den Bearbeiter*innen, die Anforderungen ihres Geschäftsmodells am besten mit den legitimen Interessen der betroffenen Personen auf Datenschutz in Einklang zu bringen. Datenschutzrecht sollte dabei nicht bloss als regulative Hürde, sondern auch als potenzieller Wettbewerbsvorteil betrachtet werden. In einer Welt, in der die datenschutzrechtliche Mündigkeit der betroffenen Personen konstant wächst, heben sich diejenigen von der Konkurrenz ab, die als IoTUnternehmen von Beginn an einen hohen Datenschutz gewährleisten. So kann etwa konsequent das Prinzip «privacy by default» verfolgt werden. Dieses besagt, dass Produkte oder Dienstleistungen für Nutzer*innen ohne weiteres Zutun standardmässig die datenschutzfreundlichsten Einstellungen aufweisen. Der Ruf, den man sich mit einem solchen Auftreten auf dem Markt erarbeiten kann, könnte sich so auch zu einem entscheidenden Konkurrenzvorteil entwickeln.

Dr. Andrea Schütz ist Rechtsanwältin bei der Prager Dreifuss AG.

Dr. Christian Schönfeld ist Rechtsanwalt bei der Prager Dreifuss AG. www.prager-dreifuss.com


Ruf Lanz

Wenn der Star-Regisseur ein neues Missen-Massaker plant: ein Thema für persönlich und persoenlich.com.


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NEUES EINKAUFSERLEBNIS Augmented Reality in der Marketingpraxis

Augmented Reality revolutioniert die Möglichkeiten, wie sich interessierte Käufer mit neuen Produkten auseinandersetzen. Dies vollkommen online, orts- und zeitunabhängig am eigenen Laptop. Damit potenzielle Käufer die Produkte im Internet auch finden, leisten Online-Plattformen wertvolle Dienste. Autor: Christian Iten

Mit Augmented Reality lassen sich die Details des Gegenstandes besser erkennen und erfassen – das gilt nicht nurBUSINESS für den bekanntesten Berg der Schweiz 64 PRESTIGE


MARKETING

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hne zu ahnen, was die neue Technologie in Zukunft alles verändern kann, hatten viele Menschen beim Aufkommen des HandySpiels «Pokémon Go» einen ersten Berührungspunkt mit Augmented Reality. Im Pokémon-Spiel konnten die Handynutzer virtuelle Monster fangen. Durch das Smartphone betrachtet, wirkte es so, als würden sich die Figuren in der realen Umgebung befinden. Das Kult-Spiel hat seinen Hype zwar längst hinter sich gelassen, doch in der Zwischenzeit ist viel passiert. Augmented Reality wird heute nicht nur im Gaming-Bereich angewandt, auch im Marketing, in der Medizin oder im Handel gibt es immer mehr Anwendungsfälle. Augmented-Reality-Anwendungen reichern die aktuelle Umgebung des Nutzers mit virtuellen Informationen an und erhöhen somit seinen Handlungsspielraum. Einfach beschrieben handelt es sich um ein virtuelles Bild, welches über die reale Welt gelegt wird. Häufig wird Augmented Reality in einem Atemzug mit Virtual Reality genannt, einer verwandten Technologie. Bei Virtual Reality handelt es sich allerdings um ein komplett virtuelles Bild. Um dieses zu erleben, sind Equipment wie beispielsweise eine Virtual-Reality-Brille sowie zusätzlich sehr leistungsstarke Server nötig. Expert*innen sind sich deswegen einig, dass sich vorerst Augmented Reality als Technologie – zumindest ausserhalb der Gaming-Branche – durchsetzen wird. Im Einkauf seitens Unternehmen kann die Technologie wesentliche Beiträge leisten. Sie bietet zum Beispiel die Möglichkeit, die Produktsuche zu erleichtern. Darüber hinaus kann die Technologie bei der Wartung und Reparatur von Maschinen zum Einsatz kommen.

UNTERSTÜTZT DIE PRODUKTSUCHE Einkäufer*innen von Unternehmen suchen heute passende Produkte zunehmend online und vergleichen so Preise, Eigenschaften und Bewertungen. Der Beschaffungsprozess ist gerade bei hoch spezifischen und technischen Produkten überaus komplex. Er kann mittels Augmented-Reality-Anwendungen deutlich vereinfacht werden. Ein Beispiel: Amazons App-Funktionalität «Augmented Reality View» ermöglicht es potenziellen Käufern, Einrichtungsgegenstände, elektronische Geräte und vieles mehr über die App direkt in die reale Umgebung zu projizieren. Interessenten kön-

nen so einschätzen, ob der gewünschte Gegenstand in die Wohnung passt. Eine ähnliche Funktion ist natürlich auch im B2B-Bereich denkbar. Einkäufer*innen seitens Unternehmen können von Augmented Reality profitieren, wenn sie sich vorgängig ein Bild davon machen können, wie sich ein Produkt später in die reale Umgebung integriert. Inklusive aller relevanten Produktinfos, wie Grösse oder Funktionalitäten. Auf diese Weise wird eine zeit- und ortsunabhängige Auseinandersetzung mit hoch komplexen Beschaffungsgegenständen möglich. Ihr komplettes Potenzial können diese Anwendungen in Kombination mit einem videobasierten Beratungsgespräch entfalten. So können einzelne Funktionalitäten der Maschinen oder anderer Produkte detailliert vorgeführt oder erläutert werden. Auch individuelle Anforderungen an das Produkt lassen sich direkt am Objekt diskutieren und spezifizieren. Diese Art der technischen Unterstützung erlaubt es Einkäufer*innen, umfassend informierte Kaufentscheidungen zu treffen. Sie hat somit das Potenzial, den Einkäufern zukünftig viele böse Überraschungen zu ersparen, die sie vorher unter Umständen bei Katalogbestellungen erlebt haben.

PRODUKTPRÄSENTATION UND ONLINE-MARKETING Professionelle Einkäufer müssen heute effizient und kostengünstig arbeiten. Aus diesem Grund spielt die Online-Recherche eine immer grössere Rolle. Anbieter, die die neuen Möglichkeiten der digitalen Produktpräsentation nutzen möchten, müssen damit auch immer ins Online-Marketing investieren. Was nützt die beste 3D-Animation, das schönste 360-Grad-Video oder die fortgeschrittenste Augmented-Reality-Anwendung, wenn das Produkt, um das es geht, online gar nicht gefunden wird? Vorbei sind die Zeiten, in welchen beruflich recherchierende Beschaffungsprofis Katalogbücher durchwälzt haben und von Messe zu Messe gereist sind. Gerade Messereisen ins Ausland, die eventuell noch mit Übernachtungen verbunden sind, fallen heute oft der Sparpolitik zum Opfer. Die Corona-Pandemie verleiht dem Online-Marketing zusätzlich Schub. Weil wegen Covid-19 reihenweise Messen abgesagt werden mussten, ist deren Bedeutung zusätzlich gesunken. Während der Pandemie haben sich auch noch mehr Menschen als zuvor daran gewöhnt, ihre Einkäufe online zu tätigen. Das private Einkaufsverhalten beeinflusst auch die Gewohnheiten professioneller Einkäufer. PRESTIGE BUSINESS

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MARKETING

Diese möchten ansprechende Produktinformationen mit gut verständlichen Texten, detaillierten Spezifikationen und Bildmaterial im Internet recherchieren und vergleichen können. In Zukunft können sie sich die Produkte in einer Virtual-Reality-Darstellung ansehen oder durch eine clevere AugmentedReality-Anwendung in den Raum projizieren lassen, um eine bessere Vorstellung zu erhalten. Damit beruflich recherchierende Einkäufer die Produkte im Internet finden können, ist es von Vorteil, wenn die Anbieter auf digitalen Plattformen wie wlw («Wer liefert was») und EUROPAGES präsent sind. Denn die Firmenprofile und Produkte auf diesen Plattformen sind auch über Google und andere allgemeine Suchmaschinen auffindbar. Die Plattformen wlw und EUROPAGES gehören zur Muttergesellschaft Visable, die mit ihren OnlineMarketing-Services zusätzliche Möglichkeiten bietet, die Reichweite im Internet zu erhöhen. Online-Marketing kombiniert mit digitalen Produktpräsentationen vereinfacht den Kaufprozess. Ein Einkäufer aus Südamerika, der sich für CNC-

Fräsmaschinen interessiert, findet zum Beispiel dank entsprechenden Produktinformationen auf wlw und EUROPAGES eine Maschine eines Schweizer Anbieters. Dank einer App dieses Anbieters kann sich der Einkäufer die Maschine in seinem Büro bis ins kleinste Detail ansehen. Den Messebesuch in Europa verbunden mit Reisekosten von mehreren Tausend Franken und dem zeitlichen Aufwand kann er sich so in Zukunft sparen. Dank Augmented und Virtual Reality können sich professionelle Einkäufer mit nur einem Klick ein gewünschtes Produkt vom Arbeitsplatz aus ansehen und erhalten detaillierte Informationen. Messen und persönliche Kontakte werden nicht komplett ersetzt, doch die Kaufentscheide werden in einem ersten Schritt vermehrt online angebahnt. Möchte sich ein Unternehmen beispielsweise eine grosse und teure Maschine kaufen, so wird es nach einem Online-Vergleich auch Gespräche mit einem Verkaufsberater, Ingenieuren und vielleicht sogar dem Geschäftsführer geben. Da sind die individuelle Beratung und der persönliche Kontakt nach wie vor wichtig. Doch die anfängliche Recherche wird vermehrt nur noch online stattfinden.

AUS DER FERNE ÜBER VISABLE Visable unterstützt industriell tätige Unternehmen, deren Produkte Visable unterstützt den industriellen Mittelstand, um Produkte und Dienstleistungen für Einkäufer*innen international zugänglich zu machen. Als speziell auf Geschäftskund*innen zugeschnittene Verbindung aus eigenen B2B-Plattformen und Online-Marketing-Services wie Google Ads und Retargeting bietet das Unternehmen ein breit gefächertes digitales Portfolio zur Reichweitensteigerung im Internet. Zu den von der Visable GmbH betriebenen Plattformen gehören wlw («Wer liefert was»), heute die führende B2B-Plattform in der D-A-CH-Region, sowie die europäische B2B-Plattform EUROPAGES, auf der rund drei Millionen Firmen registriert sind. Zusammen erreichen die Plattformen monatlich über 3.5 Millionen B2B-Einkäufer*innen, die nach detaillierten Unternehmens- und Produktinformationen suchen. Mit seinen Online-Marketing-Services bietet Visable Unternehmen zusätzliche Möglichkeiten, um ihre Reichweite im Internet zu erhöhen. Das Unternehmen Visable entstand als Antwort auf die Herausforde­ rungen der Internationalisierung und Digitalisierung im B2B-Bereich und beschäftigt heute an seinen Standorten Hamburg, Berlin, Münster und Paris rund 480 Mitarbeiter*innen. Als gemeinsames Dach für die Marken wlw und EUROPAGES baut Visable seine B2B-Plattformen und OnlineMarketing-Services kontinuierlich aus. 66

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Neben der Produktsuche gibt es im B2B-Bereich noch viele weitere Anwendungen von Augmented Reality. So können beispielsweise auch Wartungsund Reparaturarbeiten an Geräten und Maschinen Augmented-Reality-gestützt durchgeführt werden. Mithilfe einer speziellen Brille können Techniker eine Projektion des spezifischen Gerätes aufrufen und haben so die Besonderheiten des Gerätes im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen. Das alles funktioniert ortsunabhängig. Auf diese Weise können sich Monteure gezielt auf einen Auftrag vorbereiten und vorab Zeit- und Materialaufwand gezielt abschätzen. Das erspart Monteuren Zeit und unter Umständen unnötige Wege und minimiert die Zeiten, in denen defekte Geräte stillstehen.

DIGITALISIERUNG UND VERKAUFSSCHULUNG Bevor Augmented Reality gewinnbringend in Unternehmen eingesetzt werden kann, sollten einige Voraussetzungen erfüllt sein. So müssen, um die Produktsuche unterstützen zu können, alle Katalogdaten der Hersteller digital vorliegen. Darüber hinaus ist es nötig, die Vertriebsmitarbeiter zu schulen, um virtuelle Verkaufsgespräche führen zu können. Augmented-Reality-gestützte Wartungs-


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Mit Augmented Reality lassen sich auch Wartungsarbeiten effizienter realisieren.

arbeiten lassen sich ebenfalls nur umsetzen, wenn die Monteure über spezielle Brillen verfügen, die entsprechende Darstellungen ermöglichen. Aber auch auf Einkäuferseite müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So können die Produkte natürlich nur mit den entsprechenden Apps oder Brillen virtuell betrachtet werden. Was im Endkundengeschäft schon seit einiger Zeit erprobt ist und genutzt wird, findet im B2B-Bereich aktuell nur zaghaften Anklang. Dabei haben Technologien wie Augmented Reality aber auch Virtual Reality das Potenzial, auch das Einkaufsverhalten von professionellen Einkäufern auf ein ganz neues Level zu heben. Auch wenn Unternehmen nur langsam anfangen, sich mit den Themen Augmented Reality und Virtual Reality auseinander zu setzen, sollten sie dennoch möglichst früh Anwendungs-

möglichkeiten einplanen und beginnen, ihren Produktkatalog zu digitalisieren. Hierfür können Online-Plattformen wie wlw und EUROPAGES dank ihren vielfältigen Möglichkeiten zur Produktpräsentation optimal genutzt werden, wobei sich gleichzeitig auch die Online-Auffindbarkeit der Produkte erhöht.

Christian Iten ist Marketing- und Kommunikationsberater bei PULSCOM ! www.pulscom.ch www.visable.com

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DIE ZEIT NACH DER SPORTKARRIERE Netzwerk vermittelt Athlet*innen erfolgreich an die Wirtschaft

Mit dem Athletes Network ist seit rund zwei Jahren eine Organisation gewachsen, die Sportler*innen beim Übergang zur zweiten Karriere unterstützt – dies mit zunehmend grossem Erfolg. Dass dies jedoch einen höheren Einbezug der Wirtschaft und der Öffentlichkeit erfordert und wie es funktionieren kann, erklärt Ex-Fussballprofi Beni Huggel. Autor: Christian Kern

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ine freundliche Dame am Flughafen Zürich hinter dem Counter fragte einmal den damals besten Schweizer Tennisspieler beim Einchecken: «Gehen Sie Tennis spielen, Herr Günthardt?» Und er antwortete: «Nein, ich gehe arbeiten!» Die Frage der Counter-Lady war mit Sicherheit nicht abwertend gemeint, aber es spiegelte die damalige Haltung gegenüber Sportler*innen wider, die ihre Leidenschaft zum Beruf machten. Sport war damals in der Wahrnehmung der Bevölkerung kein Beruf und schon gar kein Wirtschaftsfaktor. Was aus Heinz Günthardt wurde, wissen wir. Aber was wird aus den vielen weiteren Sportler*innen nach ihrer Karriere?

Wenn die sportliche Leistung nicht mehr zählt, unterstützt das Athletes Network beim Veränderungsprozess.

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Die Möglichkeiten, innerhalb ihres Sports zu bleiben, haben die meisten Athlet*innen nicht. Da kommt schnell einmal die Frage auf: «Was jetzt?» Die Karriere nach der Karriere, mindestens aber in das normale Arbeitsleben integriert werden zu können, ist schwierig und für einzelne Athlet*innen eine grosse Herausforderung. Aktive und angehende


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Beni Huggel, Ex-Fussballprofi und Mitgründer von Athletes Network.

Spitzensportler*innen fokussieren sich auf ihren Beruf. Sport und die «Zeit danach» wird ausser Acht gelassen. Egal zu welchem Zeitpunkt das Karriereende kommt – oft bevor dieses begonnen hat –, ist der Fall in ein tiefes Loch fast schon vorprogrammiert.

MINDSET ALS STÄRKE Auch Beni Huggel, ex-Fussballprofi und einer der vier Gründer von Athletes Network, hat diese Phase in seinem Leben durchlaufen. «Ich fühlte mich wie auf einer Achterbahnfahrt damals», so der heute 45-jährige Münchensteiner. Er versuchte, im Fussball-Business als Trainer Fuss zu fassen, was er nach einiger Zeit wieder verwarf. Nach weiteren Versuchen, in der Wirtschaft zu reüssieren, entschied er, sich auf seine eigenen Stärken zu konzentrieren, bildete sich weiter und gründete die «Beni Huggel bewegt GmbH». Er bot Speaches an, wurde Co-Kommentator im SRF und erhielt so auch sukzessive Zugang zur Wirtschaft.

DAS IST DAS ATHLETES NETWORK Durch das Sportlernetzwerk Athletes Network knüpfen Spitzensportler*innen Kontakte zu möglichen Arbeitgeber*innen. Dazu bietet ihnen die Organisation vor oder nach deren Rücktritt individuelle Standortbestimmungen, Beratungen und Weiterbildungen an. Um Mitglied beim Netzwerk zu werden, muss ein*e Spitzensportler*in im Mannschaftssport einer der zwei oberen Ligen angehören oder sich als Einzelsportler*in an der nationalen Spitze befinden. Im April 2020 gegründet, zählt Athletes Network derzeit rund 900 Mitglieder und etwa 50 Wirtschaftsvertreter*innen.

Im Wissen, dass es vielen Sportler*innen ähnlich ergehen müsse wie ihm selbst, und aus den vermehrten und tiefen Diskussionen mit Wirtschaftsvertreter*innen wuchs in ihm der Wunsch, dass es ein Netz für Sportler*innen geben müsse, die in dieser Lebenssituation die entsprechende Unterstützung erhalten. Huggel bringt es auf den Punkt, wovon die Wirtschaft profitieren kann: PRESTIGE BUSINESS

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«Sportlerinnen und Sportler haben das entsprechende Mindset, also eine Denkweise und damit die Fähigkeiten, unbedingt etwas erreichen zu wollen, mit Niederlagen umzugehen oder strukturiert zu arbeiten. Die Denkhaltung und die darin verwurzelten (Lebens-)Erfahrungen sind ein Gewinn für beide Seiten.» So postete Huggel auf LinkedIn die Idee des Netzwerkes für Sportler*innen und fand im HR-Fachmann Dave Heiniger, dem damals noch aktiven Top-Eishockeyspieler Severin Blindenbacher und dem immer noch aktiven Spitzenskirennfahrer Nils Hintermann entsprechende Mitstreiter. Im April 2020 wurde «Athletes Network» gegründet und es stiess von Anfang an auf Zustimmung, insbesondere bei den Athlet*innen.

STELLEN VERMITTELN «Wir möchten mithelfen, dass ehemalige Athlet*innen ihr zukünftiges Einkommen generieren können. Dazu gehört auch das eigentliche Vermitteln von Stellen», so Beni Huggel. Das Athlet*innen-

Erfolgreich in die Nachsport-Karriere starten – ein Netzwerk ist hierfür zentral.

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Netzwerk versteht sich also nicht nur als Türöffner. «Wir konnten bereits eine tiefe zweistellige Zahl von Athlet*innen erfolgreich vermitteln. Aufgrund dieser guten Erfahrungen und des beidseitigen positiven Feedbacks steigt bei der Wirtschaft das Interesse und die Nachfrage», so der Baselbieter. Weiter haben die Gründer des Netzwerkes darauf hingearbeitet, mit verschiedenen Ausbildungszentren eine Zusammenarbeit einzugehen, die den Sportler*innen die Möglichkeiten geben, eine Weiterbildung – und dies nach ihren Fähigkeiten – zu absolvieren. Um diese Fähigkeiten zu erkennen respektive zu bündeln, steht seit Neuem auch die eigene Academy zur Verfügung. Diese ist im Kern kein Weiterbildungsinstitut, sondern man bietet verschiedene Workshops an, vermittelt Alltägliches – zum Beispiel die Erstellung eines Lebenslaufs – oder nimmt zusammen im persönlichen Gespräch mit den Athlet*innen Standortbestimmungen vor. «Diese vermittelten zusätzlichen Skills sollen es den Sportler*innen erleichtern, in der Wirtschaft Fuss zu fassen und sich persönlich weiterzuentwickeln,


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um ihre Nachsportkarriere erfolgreich(er) zu gestalten», sagen die Gründer unisono.

NETZWERK AM ATHLETES DAY Die grösste und wichtigste Plattform aber ist der «Athletes Day», der zweimal pro Jahr durchgeführt wird. «An diesem Tag, der im Mai bereits zum vierten Mal stattfinden wird, treffen Sport und Wirtschaft aufeinander», sagt Huggel. Der Athletes Day ist somit der perfekte Event, um sich in einer ungezwungenen Atmosphäre mit der Nachsportlerkarriere zu befassen, Erfahrungen mit Gleichgesinnten auszutauschen, aber last, but not least auch wertvolle Kontakte zur hiesigen Wirtschaft zu knüpfen. «Unterm Strich», so Huggel «soll am Athletes Day auch das Bewusstsein für einen späteren Lebensabschnitt geweckt werden. Für Athlet*innen nach der Sportlerkarriere soll der Tag den Kontakt zur Wirtschaft festigen und es besteht gegenseitig der Möglichkeit, Bedürfnisse

Informationen für Unternehmen gibt es beim 4. Athletes Day am 5. Mai 2022 in Basel.

auszutauschen. Damit kann sich die Wirtschaft mit aktuell 900 aktiven oder ehemaligen Athlet*innen verknüpfen, Angebote formulieren oder sachbezogene Themen diskutieren.» Wird Huggel darauf angesprochen, wie erfolgreich das Netzwerk in den letzten beiden Jahren war, zeigt er sich erfreut: «Wir dürfen ausschliesslich über Erfolgsgeschichten berichten und es werden immer mehr. Mittlerweile haben mehr als zehn ehemalige Sportler*innen aufgrund der Beratung und des Networkings Unterschlupf in der Wirtschaft gefunden.» Diese Aussage macht Mut, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Doch Beni Huggel wäre nicht Beni Huggel, wenn er hier nicht auch realistisch bliebe: «Wissen Sie, wir können nur den Rahmen schaffen, Inputs geben und als Türöffner aktiv sein. Durch diese Tür müssen die Sportler*innen jedoch selbst hindurchgehen.» Der Anfang für Athletes Network ist gemacht. Es ist ein guter Anfang. Es ist zu

hoffen, dass sich die Wirtschaft und die Öffentlichkeit vermehrt dieser Thematik widmen werden. Viele Unternehmen haben ein offeneres Ohr für die Anliegen und Ideen des Athletes Network und sind bereit, eine entsprechende Unterstützung zu gewähren. Es wird wohl so sein, dass der 4. Athletes Day, der am 5. Mai 2022 im Alten Kraftwerk in Basel über die Bühne gehen wird, wieder ein Schritt in die richtige Richtung ist. Und wer Lust hat, dieses Netzwerk zu unterstützen, kann Mitglied im «Donors Club» werden.

Christian Kern ist Inhaber von KernSportConsulting. www.athletes-network.ch

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GREEN STRATEGY

DIE FASZINIERENDSTE ART, RESSOURCEN ZU SCHONEN Nachhaltige Mobilität in der Oberklasse fusioniert mit sportlichen Genen

Die Tatsache, dass ungefähr 70 Prozent aller je gebauten Porsche noch immer gefahren werden, ist eine herausragende Referenz, die für sich selbst spricht. Mit der neuen Panamera-Hybrid-Familie bleibt das in Zuffenhausen domizilierte Unter­nehmen seiner technischen Vorreiterrolle treu und stellt, unter dem Aspekt der ganzheitlichen Nachhaltigkeit, die Gesetze der Physik regelrecht auf den Kopf. Everybody’s Darling in der Schweiz ist der Panamera 4S E-Hybrid Sport Turismo – als klarer Favorit war er im Jahr 2021 der gefragteste Panamera. Autorin: Gabriela Röthlisberger

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GREEN STRATEGY

Der neue Panamera Turbo S E-Hybrid verfügt über eine rein elektrische Reichweite nach WLTP EAER City von bis zu 50 Kilometer.

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chon frühzeitig hat Porsche auf Plug-inHybride gesetzt und spielt deshalb in puncto Performance und Effizienz in der obersten Liga mit. Die E-PerformanceStrategie von Porsche zeichnet sich durch geradlinige Konsequenz aus – weltweit wird mittlerweile jeder zehnte Sportwagen aus Zuffenhausen als Plug-in-Hybrid ausgeliefert. Um für jeden Geschmack die passende Paarung an Dynamik und intelligenter Energieverwaltung zu bieten, hat Porsche gleich drei Panamera-Hybridmodelle am Start. Die E-Hybrid-Brüder sorgen in ihrer jeweiligen Bandbreite für teilelektrisches Fahren, ganz nach Porsche-Art: Sportwagenfeeling mit Souveränität und Dynamik. Die drei Hybrid-Varianten sind ein überzeugender Beweis für Mobilität der Oberklasse, die zwar vor Sportlichkeit trieft, aber dennoch ökologisch, sozial und ökonomisch ist.

men aus Zuffenhausen nicht anders gewohnt ist, wird nochmals eine Schippe draufgelegt, denn die Panamera-Modelle 4 E-Hybrid, 4S E-Hybrid und Turbo S E-Hybrid sind sogar in drei verfügbaren Karosserie-Varianten erhältlich: Die elektrifizierten Komfort- und Langstreckentalente sind jeweils als Sportlimousine, Executive (Langversion) und Sport Turismo zu haben – mit reichlichen Optionen zum Konfigurieren.

ALLER GUTEN DINGE SIND DREI

Das Erscheinungsbild der Panamera-Hybrid-Familie wurde vor Kurzem einem subtilen, aber wirkungsvollen Facelifting unterzogen. Die SportdesignFront mit den vergrösserten Lufteinlässen sowie den integrierten Leuchtstreifen des Tagfahrlichts verleiht nun allen drei Varianten eine völlig neue

Die Möglichkeit, innerhalb einer Baureihe nach individuellen Bedürfnissen zwischen drei verschiedenen Hybrid-Varianten eine Auswahl treffen zu können, offeriert kein anderer Hersteller als Porsche. Doch wie man es von dem innovativen Unterneh-

Unabhängig davon, in welcher Karosserieform und mit welcher Motorisierung ein Panamera-E-Hybrid-­ Modell vorfährt, ist es in erster Linie ein VollblutSportwagen. Schliesslich dürfte das bei der Abstammung jedem klar sein, denn wo Porsche draufsteht, ist auch Porsche drin!

GEKONNTE ÜBERARBEITUNG DER STILISTIK

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Generell sind die Fahrwerk- und Regelsysteme der neuen PanameraModelle in Richtung Sportlichkeit und Komfort getrimmt worden – teilweise wurden diese auch komplett neu appliziert. Für eine verbesserte Querdynamik mit gesteigerter Präzision zeigen sich eine neue Generation der Lenkungsregelung sowie neue Reifen verantwortlich.

ZWEI HERZEN SCHLAGEN Unter der langen Haube jedes Panamera-E-Hybrid-Modells verbirgt sich die technisch perfektionierte Kombination einer Elektromaschine und eines Biturbo-Motors. Beide Motoren arbeiten

© Porsche

und spannende Dynamik. Dank des Feinschliffs vermittelt das durchgehende Leuchtenband am Heck in der Nacht eine gesteigerte Dramatik – vor allem in Kombination mit den neuen Konturen der Rückleuchten. Ebenfalls optimiert wurde das Porsche Communication Management (PCM), welches mit einer erhöhten Auflösung der Displays punktet. Für noch mehr Begeisterung der Kund*innen wurden zusätzliche digitale Funktionen und Services verbessert, so u. a. die Online-Sprachbedienung Voice Pilot und der Risk Radar für Verkehrszeichen- und Gefahreninformationen. Apple® CarPlay und Android Auto sind fortan beide drahtlos nutzbar. Auch Spotify ist nun integriert.

In einem Panamera E-Hybrid fühlt man sich als Fahrer*in ernst genommen, integriert und unterstützt.

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Der Panamera 4S E-Hybrid Sport Turismo – Faszination im Einklang mit Performance und Effizienz.

Seite an Seite, um für beste Fahrdynamik zu sorgen. Ein Panamera E-Hybrid startet seine Fahrt lautlos im E-Power-Modus, wobei das Zusammenspiel der beiden Antriebstechniken vollautomatisch eingreift – etwa bei einem Beschleunigungsvorgang oder bei Unterschreiten des Batterie-Mindestladestands. Im Fahrbetrieb kann der Übergang vom reinen E-Betrieb in die Hybrid-Kombination jederzeit gesteuert werden: Wird das Gaspedal mehr als zur Hälfte gedrückt, beginnt ein Leerweg, der das Erreichen der maximalen elektrischen Unterstützung signalisiert und das baldige Anspringen des Verbrenners anzeigt. Das verbesserte elektrische Fahrerlebnis des Hybrid-Trios beeindruckt vollumfänglich. Der Fokus des E-Performance-Pakets liegt auf der 100 Kilowatt starken Elektromaschine, die perfekt und unsichtbar im Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe PDK sitzt und dort ihre 400 Newtonmeter Drehmoment direkt und ohne Umwege wirken lässt. Bei den Hybrid-Modellen gesellen sich noch ein paar spannende Zutaten hinzu: Die rein elektrische Reichweite der Panamera-Hybrid-Modelle konnte durch eine neue Hochvolt-Batterie mit 17.9 Kilowattstunden (bisher 14.1 Kilowattstunden) und optimierte Fahrmodi um bis zu 30 Prozent gesteigert werden. Bei den op-

timierten Fahrmodi steht das hocheffiziente Laden im Fahrbetrieb nun noch deutlicher im Fokus. Die Batterie lädt jetzt schneller, wobei ihr Energiemanagement darauf ausgelegt ist, dass immer ein Vorrat an gespeicherter Akkuleistung zum Boosten zur Verfügung steht. Zudem ermöglicht die intelligente Rekuperation eine noch effizientere Nutzung des E-Antriebs.

BLICK IN DIE NACHHALTIGE ZUKUNFT Porsche versteht Nachhaltigkeit als eine ganzheitliche Sache und lebt den Dreiklang der Antriebstechnologien mit den Produkt­ offensiven der erweiterten und grundlegend verbesserten Panamera-Hybrid-Familie aus – stets mit einer Nasenlänge Vorsprung. Hinzu kommt ein zügiger Ausbau der Ladeinfrastruktur. Porsche Destination Charging ist ein elementarer Baustein im umfassenden Konzept des Porsche Charging Service, denn er vereint alle wichtigen Anforderungen an einen Ladedienst in einer App: Suche nach Ladestationen und die Navigation dorthin, Authentifizierung an der Ladesäule, Bezahlen und Support. Mit grossem Engagement betreibt Porsche die Entwicklung von eFuels. Diese synthetischen flüssigen Kraftstoffe, die aus

Wasser und der Luft entnommenem Kohlendioxid hergestellt werden, erlauben einen nahezu CO2-neutralen Betrieb von Ottomotoren, da nur so viel CO2 ausgestossen wird, wie zuvor bei der eFuelProduktion aus der Atmosphäre entnommen wurde. Dazu wird regenerativ erzeugter Strom verwendet. Für die Speicherung und Verteilung dieser Kraftstoffe kann die herkömmliche Infrastruktur genutzt werden. Die CO2-Reduzierung ist ein wichtiger Baustein in der Nachhaltigkeitsstrategie von Porsche – eFuels leisten hier einen wichtigen Beitrag als Ergänzung zur Elektromobilität. Nachhaltigkeit ist eine zentrale Säule der Unternehmensstrategie – die Porsche AG ergreift Massnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, um auf allen Ebenen der Unternehmensaktivitäten die soziale Verantwortung auszubauen und negative Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren.

Gabriela Röthlisberger ist Redaktorin bei PRESTIGE BUSINESS. www.porsche.ch

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NACHHALTIG INVESTIEREN MIT WALD UND HOLZ Autor: Erik Reichmuth

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achhaltige Anlagen sind im Trend. Swiss Sustainable Finance schreibt in ihrem Marktbericht 2021: «Das Volumen der nachhaltigen Anlagen ist 2020 um 31 Prozent auf 1 520.2 Milliarden CHF gewachsen. Nachhaltige Anlagefonds wiesen mit 48 Prozent die höchste Wachstumsrate auf [...]»1 Global ist die Zahl noch beeindruckender: Aktuell fliessen vier Billionen Dollar in nachhaltige Anlagen – also eine viel grössere Summe als die berechneten Investitionen von 2.5 Billionen Dollar, die zur Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele erforderlich sein sollen. 2 Klar ist: Trotz dieser Summe sind die UNO-Ziele noch lange nicht erreicht. Warum ist das so? Vereinfacht gesagt gibt es zwei bekannte Gründe: Nachhaltige Anlagen sind häufig schwammig und in ihrer Wirkung unklar. Manchmal reicht es schon, Öl und Kohle rauszunehmen, und das Portfolio gilt als «grün». Sowohl für Privatanleger als auch für Finanzexperten sind zu wenig klare Nachhaltigkeitsratings vorhanden. Der klassisch nachhaltige Wald, aus dem der Begriff Nachhaltigkeit ursprünglich kommt, ging in vielen Portfolios vergessen. Als wir 2021 die «Timber Finance Initiative» mit Finanz- und Holzexperten gründeten, war unser Ziel klar: Wir wollten eindeutig positionierte, neue, nachhaltige Finanzprodukte für die boomende Wald- und Holzindustrie entwickeln. Damit sollte die Klimawirkung der Industrie – die langfristige 76

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Speicherung von CO2 in Holzbauprodukten – aufgezeigt und die Industrie für Investoren zugänglich gemacht werden. Mittelfristig sollen Investoren durch einen «Timber Finance Holzfonds» in solide KMU der Industrie investieren können. So kann der maximale (Klima-)Impact generiert werden, da die (Holzbau-)Produkte CO2-intensive Baumaterialien wie Stahl und Beton, die weltweit für 40 Prozent der Treibhausgase verantwortlich sind, ersetzen können.

Index auf. Studien gehen davon aus, dass das Industriewachstum verstärkt wird durch die globale Suche nach CO2-Speichermöglichkeiten, das Pariser Abkommen und die UNO Nachhaltigkeitsziele. 3 Der Boom hat angefangen.

ANMERKUNGEN 1.) Swiss Sustainable Finance – Swiss Sustainable Investment Market Study 2021 2.) Machen nachhaltige Anlagen die Welt besser? | Die Volkswirtschaft 2021 3.) Global Timber Outlook 2020

Doch warum sollten sich Investoren dafür interessieren? Die Wald- und Holzindustrie ist nicht gerade eine Tech-Aktie. Um ihre Attraktivität aufzuzeigen, haben wir den weltweit ersten Index entwickelt, der die gesamte Wertschöpfungskette des modernen Ingenieurholzbaus in Europa, Kanada und den USA abbildet. Es wurden 1 600 Unternehmen analysiert und auf 30 heruntergebrochen. Der thematische Fokus liegt auf Unternehmen, die zur Produktion von langlebigen Holzbauprodukten beitragen – und darum nachweislich eine positive Klimawirkung haben durch die Speicherung von CO2 im Holz. Weder wird, wie bestehende Indizes dies tun, der reine Wald in Form von wiederaufgeforsteten Edelhölzern noch die kurzlebige Papierherstellung abgebildet. Dass die Wald- und Holzindustrie am Anfange eines Wachstumsschubs steht, zeigt die Performance des Timber Finance Index: Seit März 2020 weist er eine deutliche Outperformance gegenüber dem MSCI World und dem S & P Timber and Forest

Erik Reichmuth ist Managing Director der Timber Finance Initiative. www.timberfinance.ch

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WANDEL ANSTOSSEN Nachhaltigkeit im Unternehmen verankern

Viele Unternehmen möchten ein Nachhaltigkeitsmanagement einführen und Nachhaltigkeit verankern. Die Gründe dafür reichen von eigenem Antrieb über das gestiegene Bewusstsein für das Thema bei den Kund*innen bis hin zu regulatorischen Vorgaben. Was komplex klingt, lässt sich jedoch beherrschen und mit sieben Schlüsselfragen aus der Praxis definieren. Autor: Philipp Dahl

Die Erarbeitung wesentlicher Themen und Ziele als Wegweiser sind ein erster Schritt – die Einbindung der Mitarbeiter*innen ist ebenfalls wichtig.

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m auf die Zukunft vorbereitet zu sein, bedarf es klarer Leitplanken und fest umrissener Handlungsfelder. Veränderung rückt in den Fokus. Dieser Prozess beinhaltet auch Herausforderungen, denn Nachhaltigkeitsmanager*innen müssen stark vernetzt agieren und viele Abteilungen und Einheiten im Unternehmen so dirigieren, dass sie an einem Strang ziehen. 78

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WARUM UND WIESO? Den Start muss das Commitment der Geschäftsführung markieren – idealerweise mit der ehrlichen Überzeugung, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Zukunftsthema ist, mit dem sich das Unternehmen intensiver beschäftigen sollte. Ein eigens eingesetztes Projektteam ist zu empfehlen. Seine Aufgabe ist es, die ersten Schritte zum Aufbau des Nachhaltigkeitsmanagements zu begleiten. Da dies einiges an

Recherche und Diskussion bedarf, sollte es dafür auch genügend Zeit und Mittel bekommen. Bei zentralen Entscheidungen ist die Geschäftsführung oder ein Nachhaltigkeitsgremium mit entsprechenden Befugnissen einzubinden.

WORUM GEHT’S? Das Projektteam startet am besten mit einer Wesentlichkeitsanalyse. Damit lässt sich herausfinden, welche Nachhaltigkeits-


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themen besonders wichtig für das Unternehmen sind. Interviews mit ausgewählten Stakeholdern – Kund*innen, Partner*innen, Lieferant*innen – erweitern die eigene Perspektive auf das, was von Bedeutung sein könnte. In der Diskussion mit Führungskräften gilt es, die Themen dann auf ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung und zum Geschäftserfolg zu hinterfragen: Wo haben wir grosse Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft, wo bestehen Chancen, wo Risiken? Als Basis beziehungsweise anerkannte Listen, die alle Nachhaltigkeitsthemen umfassen, eignen sich zum Beispiel die Standards der Global Reporting Initiative (GRI). Ein Blick in die Nachhaltigkeitsberichte von Wettbewerber*innen und Kund*innen kann ebenfalls helfen.

WO STEHEN WIR? Zu den als wesentlich erkannten Themen ist eine Bestandsaufnahme zu machen: Bestehen bereits Verantwortlichkeiten und Strukturen, gibt es Ziele, die diese Bereiche beeinflussen, werden die Daten unternehmensweit erfasst? Und falls ja, wo steht das Unternehmen hier im Vergleich zu Wettbewerber*innen oder angesichts womöglich absehbarer gesetzlicher Anforderungen? Geht man diese Bestandsaufnahme gründlich an, ist sie eine gute Grundlage für einen Nachhaltigkeitsbericht.

WOHIN WOLLEN WIR? Der schwierigste Schritt ist es, Nachhaltigkeitsziele zu erarbeiten. Zum einen sollte dieser Prozess gut vorbereitet sein und zum anderen gemeinsam mit den jeweils Verantwortlichen und ihrem Team erfolgen. Eine gute Grundlage hierfür bietet eine Recherche, die je Thema zeigt, was unbedingt notwendig (compliant), was State of the Art (gleichauf mit Wettbewerber*innen) und was ein Vorreiterziel ist. Frameworks wie die Future-Fit Business Benchmark oder die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen können zusätzliche Orientierung geben.

kauf bis hin zu Personal und Kommunikation zur Verstetigung und Weiterentwicklung von Nachhaltigkeit sind ebenfalls ein Kern für den Erfolg.

WIE BINDEN WIR ALLE EIN? Damit Nachhaltigkeit Teil der Unternehmenskultur wird, genügt es nicht, wenn jede Abteilung ihre Ziele verfolgt. Das Thema muss im ganzen Unternehmen sichtbar sein und gelebt werden. Klingt schwierig, kann aber einfach sein. Massnahmen reichen von einer neuen Dienstwagenrichtlinie bis zum Veggieday in der Kantine oder der Umstellung auf Recyclingpapier und Fairtrade-Kaffee. Programme für das freiwillige gesellschaftliche Engagement können das ergänzen. Eine aktuelle interne Kommunikation sollte alle Massnahmen begleiten, alle Mitarbeiter*innen auf dem Laufenden halten und ihnen nachhaltiges Verhalten nahebringen.

WEN INTERESSIERT WAS? Mittlerweile sind vielfältige Zielgruppen daran interessiert, was Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit tun. B2B-Kund*innen möchten am liebsten einen Nachhaltigkeitsbericht, der ihnen zeigt, dass ihre Lieferant*innen «safe» sind. Banken achten bei der Kreditvergabe bereits darauf, ob ein Unternehmen Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt. Auch der Nachwuchs ist höchst interessiert, etwas über die Nachhaltigkeitsstrategie des potenziellen Arbeitgebers zu erfahren – am liebsten über Social Media und gerne per Video. Auch wenn Nachhaltigkeitsmanagement komplex ist, gilt: Ein gezieltes Vorgehen, das sich an den obenstehenden Fragen orientiert, lässt die Umsetzungen auf sicherem Weg gelingen und trägt dazu bei, Unternehmen zukunftsfähig zu machen.

WER SOLL DAS KÜNFTIG MANAGEN? Spätestens nach der Verabschiedung eines Programms stellt sich die Frage, wer dieses künftig managen soll. Grundsätzlich ist es ratsam, die Ziele in den Abteilungen und den Standorten umzusetzen und mittels Leistungskennzahlen zu überwachen. Doch bedarf es eines Koordinators, der die Fäden in der Hand behält und direkt an die Geschäftsführung berichtet. Regelmässige Treffen mit den verschiedenen Unternehmensbereichen von der Produktion über Produktentwicklung und Ein-

Philipp Dahl ist Partner bei der akzente Kommunikation und Beratung GmbH. www.akzente.de

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DIE UMSETZUNGSBREMSEN LÖSEN Autor: Matthias Kolbusa

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ie meisten Führungskräfte stehen nicht erst seit der Covid-19-­ Pandemie oder jetzt dem Kriegsgeschehen in der Ukraine unter Dauerdruck. Statt eines bleibenden Gamechangers ist die aktuelle Situation eher ein akuter Verstärker, der die Beherrschbarkeit einer schon länger schwierigen Lage zusätzlich erschwert. Deshalb kommt es auch nicht erst seit heute auf stabile Nerven und gesunde Risikobereitschaft an. In einem Umfeld von Unschärfe und Unsicherheit wirksame Strategien nicht nur zu entwickeln, sondern vor allem schnell umzusetzen, ist ein weiterer Schlüsselfaktor. Denn strategische Cleverness entscheidet nicht allein, ob es einen kräftigen Schub Richtung Zukunft gibt. Das gilt es zu beherzigen, wenn der erste Impuls bei einer scheiternden Transformation mal wieder den Anlauf zu einer neuen «grossen» Idee verlangt. Denn was nutzt die tollste neue Strategie, wenn der Umsetzungsschlendrian derselbe bleibt? Bevor man also wieder ein neues Projekt aus der Taufe hebt, um das Alte zu begraben, lohnt ein Blick auf die wahren Ursachen der Rückschläge. Schnell stellt man fest, dass der grösste Erfolgsverhinderer die Umsetzung ist und schon immer war. Mit konsequenterem Anpacken bestehender und gesunder Strategien lassen sich oft grössere Schritte ins Morgen machen als mit immer neuen strategischen Geistesblitzen. Und hier sind sie: Aktivitätenfokus: Pläne sind nichts anderes als in Reihe gebrachte Aktivitäten. Ändern sich die Umstände, laufen all diese Handlungen ins Leere. Statt der Pläne muss der Fortschritt gemanagt 80

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werden. Dazu werden die Ziele des Unternehmens in lebendige Zielbilder übertragen: «Welche Zukunft muss da sein, damit unsere Ziele wahr werden?» Fortschrittsorientierung heisst, jeden Tag das zu tun, was die Strecke von der aktuellen Welt zu der von morgen am stärksten verkürzt. Perfektionismus: Eine grosse Menge von Aspekten, die der Wertschöpfung nur am Rande dienen, wird akribisch verfolgt und verbrennt Ressourcen. Pseudoprioritäten: Wenn alles Priorität hat, hat nichts Priorität. Zudem priorisieren Manager vielfach falsch, weil sie das zurückstellen, was den grössten Impact auf das Ergebnis hätte. Blutarmut: In vielen Organisationen geht es erschreckend emotionslos zu. Weil die Ratio in der Führung und in den Projekten dominiert, brennen Menschen nicht für ihre Aufgaben. Sie machen nicht richtig mit und geben schnell auf, wenn es schwierig wird.

Bequemlichkeit: Die Wahrheit ist: Die Grösse des Erfolgs hängt ziemlich genau vom Grad der Unbequemlichkeit ab, den man sich zumuten will. Harmoniesucht: Wertschätzung wird oft mit Harmonie verwechselt. Doch aussergewöhnliche Umsetzungsstärke braucht Reibung statt Kuscheln. Ego: Der Umsetzungskiller schlechthin: Nur wer über den Schatten seiner persönlichen Ambitionen springt, kann sein Unternehmen voranbringen. Wer diese Umsetzungsbremsen löst, kommt an vielen Orten auch ohne den grossen strategischen Umsturz zu besseren Ergebnissen und zu einer stärkeren Organisation. Und die Mühe lohnt: Denn das beste Mittel gegen Druck ist immer noch das Erfolgserlebnis.

Unendliche Geschichten: Ein Klassiker, der nicht aussterben will: Falsch designte Projekte werden zu ressourcensaugenden Dauerbelastungen, die nie ein Ende finden. Wild Wild West: Ebenso klassisch: eine Kultur der Unzuverlässigkeit und Unverbindlichkeit, in der vieles zugesichert, aber nur wenig eingehalten wird. Konsequenz ist gefragt! Erfahrungsgefängnisse: Routine und Professionalität haben eine Kehrseite. Weil man zu wenig nachdenkt oder es nicht wagt, wählt man nicht den schnellsten, besten und einfachsten Weg, sondern folgt dem altbekannten Pfad.

Matthias Kolbusa ist Strategie- und Ver­ änderungsexperte, Vortragsredner und mehrfacher Autor von Managementbüchern. Als Berater und Spezialist für unternehmensweites Fortschrittsmanagement unterstützt er unterschiedlichste Unternehmen. Aktuell hat er das Buch «Management beyond Ego» verfasst. www.kolbusa.de

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Der Begriff Mikrointeraktionen kommt aus der Technologie und definiert Erfahrungen, die in der Interaktion zwischen User und Gerät entstehen.

NEUE FIRMENKULTUR Die Bedeutung von Mikrointeraktionen

Das Leben, ja jeder einzelne Tag, jede Stunde ist voller unbewusster Verhaltensweisen. Führungskräfte sollten diese neue Normalität nicht nur ans Tageslicht befördern, sondern diese aktiv gestalten. Designt man soziale Mikrointeraktionen aktiv, können sie zu wertvollen Bindegliedern einer virtuelleren Unternehmenskultur im «neuen Normal» werden. Autorin: Andrea Trapp

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as tun wir eigentlich, bevor wir uns an den Schreibtisch setzen und den Blick auf den Bildschirm richten? Richtig, wir führen Hunderte sogenannter Mikrointeraktionen aus: Wir winken unterwegs Nachbar*innen oder Kolleg*innen zu, begrüssen uns gegenseitig mit einem 82

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Lächeln auf dem Firmenparkplatz, halten kurzen Small Talk hinter der Eingangspforte. So festigen wir unbewusst die Pfeiler des sozialen Gerüsts, auf denen unser Arbeitsalltag basiert. Das Arbeiten im Home Office hat diese sozialen Aspekte des alltäglichen zwischenmenschlichen Umgangs leider weitestgehend verdrängt.


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KLEINES FÜR DAS GROSSE GANZE Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück: Eigentlich kommt der Begriff der Mikrointeraktionen («micro interactions») aus der Technologie-Branche und definiert primär diejenigen Erfahrungen, die in der Interaktion zwischen einem User und einem technologischen Gerät entstehen. Sie bezeichnen die kleinen Details, die in und um die Funktionen herum existieren: Wie können Nutzer eine Einstellung ändern? Wie schalten sie die Stummschaltung ein oder wie erfahren sie, dass sie eine neue E-MailNachricht erhalten haben? Mikrointeraktionen können aber auch Zwischenmenschliches in einer kreativen und kommunikativen Interaktion bezeichnen. Sie entstehen automatisch, wenn Menschen miteinander in Kontakt treten. In Meetings oder Konferenzen beispielsweise sagen (non-)verbale Reaktionen wie Zustimmung durch leichtes Nicken mit dem Kopf oder Zweifel und Ablehnung durch das Hochziehen der Augenbraue dem Gegenüber oft mehr als tausend Worte. Ganz unbewusst festigen diese Verhaltensnuancen den Zusammenhalt innerhalb von Teams, fördern Empathie oder bringen thematische Differenzen ans Licht. Kurz: Mikrointeraktionen wirken wie sozialer Klebstoff in den Unternehmen, in denen wir arbeiten.

Flexibilität und Zufriedenheit unterstützen möchte. Ein Beispiel daraus: Virtuelle und reale Meetings finden nur noch statt, wenn sie die zwei Ds erfüllen: discussion (Diskussion) und decision-making (Entscheidungsfindung). Alles andere können wir schnell und einfach über Chats, E-Mails oder ein gemeinsames Paper erledigen. Um aber auch hier nicht in undynamischen Meetings oder Feedbackschleifen festzustecken, haben wir ganz aktuell mit «Capture» ein All-in-one-Tech-Tool zur visuellen Kommunikation per «screen recording» veröffentlicht. Kurze Videobotschaften ermöglichen eine schnellere, lebendige und kreative Kommunikation mit dem Team. Die persönlichen Nachrichten sorgen für Kontext und eine stärkere Bindung. Schliesslich sind uns die Ergebnisse und die Wirkung unserer Arbeit wichtig – nicht die Anzahl der MeetingTeilnahmen oder Stunden, die wir zur Erreichung unserer Ziele auf Schreibtischstühlen sassen.

NICHTS IST NORMAL IM NEUEN NORMAL Zusammen mit unseren anderen Führungskräften habe ich mich gefragt, ob wir sicherstellen könnten, dass diese wichtigen Mikrointeraktionen in Zeiten der Verschiebung des Lebens und Arbeitens in den virtuellen Raum nicht verloren gehen. Können wir sie nachbilden, um unsere Mitarbeiter*innen und Kund*innen auch im «New Normal» zu in­ spirieren? Im UX-Design haben selbst kleinste Details enorme Wirkung – etwa das grüne Häkchen, welches signalisiert, dass unsere Texteingabe tatsächlich registriert wurde und nicht im Datennirwana verschwindet, sobald wir den Browser schlies­ sen. Diesen Details müssen wir uns auch in der neuen Arbeitswelt verstärkt widmen, denn deren Wirkungen könnten einen kollektiven Energieschub auslösen.

ENTSCHEIDUNGSFINDUNG Also haben wir uns die neuen Bedürfnisse unserer Mitarbeiter*innen genau angesehen und ein Virtual First Toolkit erstellt, das vor allem Mitarbeiter*innen von KMU auf ihrem Weg hin zu mehr Autonomie,

Remote- oder Hybridarbeit setzt sich aus Effektivität, Teamwork, Kommunikation und Wohlbefinden zusammen.

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Mitarbeiter*innen sollen Feedback geben oder Dinge selbst in die Hand nehmen.

DIE VIER WICHTIGSTEN GRUNDBAUSTEINE

Arbeits- und Privatleben sind stärker miteinander verwoben als bisher.

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1. Effektivität: Konzentrieren Sie sich nicht auf 100 Aufgaben gleichzeitig, sondern priorisieren Sie Ihre Ziele jeden Tag aufs Neue. Hier gilt: das Wichtigste zuerst und das im richtigen Modus. Denken Sie an «deep work»-Phasen, in denen Sie konzentriert asynchron arbeiten können, sowie an Arbeitszeit, die Sie für synchrone Teamarbeit aufbringen möchten. 2. Teamwork: Lernen Sie Ihr Team auch aus der Distanz kennen. Bauen Sie Vertrauen auf und pflegen Sie den zwischenmenschlichen Aspekt der Arbeit. Hier können Team-Workshops oder Coffee Chats in entspannter digitaler Atmosphäre der Schlüssel sein, in denen die Mitarbeiter*innen und die Teammoral im Mittelpunkt stehen und so gute Impulse für mehr Inspiration und Zusammenhalt aufkommen. 3. Kommunikation: Remote-Arbeit bedeutet, Tag für Tag immer erneut die Gesichtsausdrücke und die Verwendung von Satzzeichen in Chats


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und Videokonferenzen zu interpretieren. Schreiben Sie verständlich, machen Sie Konferenzen wirksamer und inklusiver, seien Sie aufmerksam und bereit, Konflikte schnell zu lösen. Bleiben Sie in engem Kontakt mit Ihrem Team und sehen Sie genau hin. 4. Wohlbefinden: Achten Sie auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. Setzen Sie Grenzen, vermeiden Sie negative Gedankenschleifen durch sofortige Problemlösung. Gestalten Sie Ihre Arbeitstage nach Ihrem Energielevel und nicht nur nach anfallenden Aufgaben.

SOZIALER KITT IM FOKUS Während wir Verantwortlichen letztlich entscheiden, welcher Arbeitsplatzstil für das eigene Unternehmen am besten geeignet ist, sollten die Mitarbeiter*innen an vielen Stellen Möglichkeiten haben, Feed-

back zu geben oder Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wenn Unternehmen die Arbeit und Zusammenarbeit für die nächsten Wochen und die Zeit nach der CovidÄra planen, sollten sie sich vom alten Status quo verabschieden. Ein Überdenken der Arbeitsplatzgestaltung oder die Einführung neuer kreativer Arbeitsformen und technischer Tools sollte zu einem idealen Ergebnis für beide Seiten führen: die optimale Konzentration für Deep Work erreichen zu können und gleichzeitig die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt zu verbessern, indem man genug Augenmerk auf den wichtigen sozialen Kitt legt, der sich auf die hier beschriebenen Mikrointeraktionen bezieht.

KONZENTRATION AUF FEINHEITEN Der Übergang zu einem verteilten Arbeitsumfeld hat ein neues Paradigma geschaffen: Arbeits- und Privatleben sind stärker

Bereit für übermorgen? Erfolgreich zeit- und ortsunabhängig studieren dank nur 20 % Präsenzzeit und enger fachlicher Betreuung.

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miteinander verwoben als je zuvor, weshalb Unternehmen auch neue Arbeitsformen, Produkte, technische Tools und Narrative entwickeln sollten, die ihren Benutzer*innen und Mitarbeiter*innen helfen, diese neue Arbeitsrealität gut zu bewältigen. Die Weichen sind gestellt und die ersten Schritte bereits getan. Jetzt gilt es, sich auf die Feinheiten zu konzentrieren, denn sie sind es, die eine gute Sache zu etwas wirklich Grossem und Grossartigem machen.

Andrea Trapp ist Vice President of Business International bei Dropbox und leitet ihre internationalen Teams von München aus. Sie steht als Leitfigur in der aktuellen Transformation zum «Virtual First»-Unternehmen. www.dropbox.com

MSc Business Administration in Sustainability and Circular Innovation Executive Master of Business Administration MAS Business Law MAS Wirtschaftspsychologie

| Basel | BUSINESS Zürich PRESTIGE Bern | Brig 85


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HOMO OBSOLETUS Autor: Andreas Breschan

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ennen Sie ihn schon, den Homo obsoletus? Homo … wie bitte, was? Ja genau, den Homo obsoletus. Jenen Menschen, der unaufhörlich auf sein Handy schielt, dessen Smartwatch ihm in regelmässigen Intervallen durch irritierendes Vibrieren suggeriert, dass er jetzt gerade etwas verpasst, wenn er nicht sein Handgelenk konsultiert. Persönliche Anrufe sind ihm fremd, er zieht es vor, seinen Standpunkt in einem schier unendlichen SMS-, WhatsApp- oder E-MailPingpong klarzumachen. Er unterhält Hunderte von digitalen Freundschaften und investiert viel Zeit, diese bei Laune zu halten. Natürlich gelingt dies nur durch tägliches Liken und Posten, was seine Zeit, echte Freundschaften zu pflegen, drastisch einschränkt. Seine Freizeitgestaltung, seine Unterhaltung, sein Outfit, das Ferienhotel und sogar die Auswahl von Informationen, die er sich zuführt, lässt er ganz easy von Algorithmen bestimmen und auf den Bildschirm seines Smartphones projizieren. Man könnte noch vieles anführen, was den Homo obsoletus auszeichnet. Der Begriff wurde vom Wirtschaftsphilosophen Anders Indset geprägt. Was steckt dahinter? Die Beobachtung, dass der Mensch, auch als Homo sapiens bekannt, drauf und dran ist, sich selbst abzuschaffen, also obsolet zu werden. Mit der rasant fortschreitenden Digitalisierung überlassen wir das Schlussfolgern, Kreieren und Entwickeln immer öfter den mit Big Data gefütterten Algorithmen von Grosscomputern. Nachzudenken, Dinge zu hinterfragen oder mit verrückten Ideen zu experimentieren, scheint 86

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da nicht mehr nötig. Wozu auch? Intelligente Computer liefern heute Antworten auf scheinbar alle Fragen und künstliche Intelligenz übernimmt längst mehr als blosse Routineaufgaben. Ob das nun gut oder schlecht für unsere Gesellschaft und das Zusammenleben darin sei – darüber wird in allen erdenklichen Foren, Plattformen und Medien heftig debattiert. Man mag dazu eingestellt sein, wie man will. Tatsache ist, dass diese Entwicklung weitergeht. Selbst wenn wir wollten, sie ist nicht mehr rückgängig zu machen. Der regelrechte Krieg, der gerade jetzt auf dem weltweiten Beschaffungsmarkt von Computerchips – und damit künstlicher Intelligenz – tobt, unterstreicht dies eindrücklich. Das Internet der Dinge ist bereits Realität und wer Mark Zuckerberg über Metaverse referieren hört, dem wird bewusst, was diesbezüglich noch alles in naher Zukunft auf uns zukommt. Also zurück zum Homo obsoletus. Schaffen wir uns tatsächlich selbst ab? Der legendäre Schweizer Troubadour Mani Matter gab schon in den Siebzigern die Antwort, als er in seinem Lied «Hemmige» treffend festhielt, dass weder die glatte Haut und der fehlende Schwanz noch unsere vergleichsweise primitiven Kletterkünste uns vom Schimpansen unterscheiden, sondern der Fakt, dass wir Hemmungen haben. Die Voraussetzung dafür, Hemmungen zu empfinden, liegt unter anderem darin, nachdenken, abwägen und Empathie empfinden zu können. Kein Algorithmus auf der Welt kann dies und wird es je können, genauso wenig, wie wirklich Neues zu erfinden und zu schaffen,

denn Algorithmen bedienen sich gesammelter Daten aus der Vergangenheit. Verstehen Sie mich nicht falsch. All die technischen Errungenschaften sind fantastisch und eröffnen ungeahnte Möglichkeiten, die wir durchaus zu unser aller Wohl nutzen sollten. Wie sapiens der Homo wirklich ist, wird sich daran zeigen, wie er mit diesen selbst geschaffenen Instrumenten umgeht. Wie schon in der Vergangenheit ist jedes Werkzeug nur so gut, wie es vom geschickten Handwerker beherrscht und eingesetzt wird. Deshalb Homo sapiens: Besinne dich auf deine einzigartigen menschlichen Fähigkeiten wie Empathie und Kreativität. Bleibe der Meister deines Werkzeugs und verkomme nicht zum Homo obsoletus. Deine Artgenossen werden es dir danken.

Andreas Breschan ist CEO der Hörmann Schweiz AG. www.hoermann.ch

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ES BRENNT IM UNTERNEHMEN Strategisches Krisenmanagement

Augen zu und durch – nach diesem Motto wird in Unternehmen oft agiert, wenn diese in eine Krise schlittern. Dabei gilt es gerade dann, mit offenen Augen die Weichen neu zu stellen, damit aus der Krise keine Katastrophe wird. Autor: Klaus Doll

Mit konkreten Handlungsschritten lässt sich eine Krise managen.

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n der Chefetage des Unternehmens geht es zu wie in einem Bienenschwarm. Die Führungskräfte eilen von einem Meeting zum nächsten und die Mitarbeiter ziehen ihre Köpfe ein, um nichts vom drohenden Gewitter abzubekommen. Die Ursache für das hektische Treiben kann das aktuelle Quartalsergebnis sein – oder die plötzlich leeren Auftragsbücher. Also eilen die Verantwortlichen von einem Meeting zum nächsten, um zu beraten, was es in dieser vertrackten Situation zu tun gilt. Doch produktiv ist das hektische Hin und Her nicht. Denn immer wieder steht die Frage im Raum: Wie konnte es so weit kommen? Und zumindest indirekt geht es um die Frage: Wer ist daran schuld? Gerade jetzt, wo alle Verantwortlichen gemeinsam effektiv handeln müssten, verstricken sie sich in wechselseitigen Schuldzuweisungen. Oder sie nutzen die Situation, um alte Rechnungen zu begleichen. Zudem spielen die wenigsten mit offenen Karten, denn sie befürchten: Wenn ich nicht aufpasse, stehe ich am Pranger. 88

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KRISEN ERKENNEN UND BENENNEN Dies ist auch der Grund, warum viele Krisen erst erkannt und benannt werden, wenn es bereits zu spät ist – zumindest solche, die keinen externen Verursacher wie Corona haben. Denn keiner traut sich offen auszusprechen: «Wenn es so weitergeht, schlittern wir in eine Krise.» Denn jeder befürchtet: Dann fallen alle anderen über mich her. Also halten sie den Mund und hoffen, dass es schon nicht so schlimm werden wird. Oder dass ein anderer den Mund aufmacht und die Prügel kassiert. Aus diesem Grund werden schlechte Zahlen oft geschönt und Qualitätsmängel so lange kaschiert, bis zum Beispiel Stammkunden ihre Aufträge stornieren. Deshalb zögern Geschäftsführer mit schmerzhaften Entscheidungen häufig so lange, bis die Bank die Reissleine zieht. Und deshalb werden Projekte oft noch verfolgt, obwohl alle Beteiligten längst schon wissen, dass die Projektziele nie erreicht werden können. Entsprechend wichtig ist es, in Unter-


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nehmen eine Struktur und Kultur zu schaffen, die es ermöglicht, Risiken und Probleme frühzeitig zu erkennen und zu benennen.

EXTERNE MODERATION BEI KRISEN Kommt es trotzdem zur Krise, dann sollten sich die Verantwortlichen zunächst bewusst machen: Eine Krise ist (noch) keine Katastrophe, denn man kann sie managen – sofern man einen kühlen Kopf bewahrt. Gerade dies gelingt den Beteiligten in Krisensituationen aber oft nicht, weil sie selbst mehr oder minder Betroffene sind. Deshalb empfiehlt es sich, in solchen Situationen einen neutralen Moderator hinzuzuziehen, der die Krisensitzungen moderiert – unter anderem, damit die Verantwortlichen sich nicht in wechselseitigen Schuldzuweisungen verstricken, die nicht zielführend sind. Der erste Schritt zur Krisenbewältigung ist es, gemeinsam zu analysieren: Welche Handlungsoptionen haben wir in der aktuellen Situation? Meist sind diese zahlreicher als es in der ersten Panik erscheint. Insbesondere dann, wenn auch Lösungen in Betracht gezogen werden, die bisher im Unternehmen tabu waren, weil sie dem gewohnten Vorgehen zuwiderlaufen. Oder weil sie gewachsene Strukturen in Frage stellen. Oder weil sie (auf den ersten Blick) dem Selbstverständnis des Unternehmens widersprechen.

vereinbaren: Wer macht was bis wann? Wann überprüfen wir, ob die Massnahmen wirklich zielführend sind? Und woran messen wir dies? Denn nur so kann das Unternehmen rechtzeitig gegensteuern, falls die Massnahmen nicht die gewünschte Wirkung zeigen.

AUS DER KRISE FÜR DIE ZUKUNFT LERNEN Erst wenn die akute Krise behoben ist und verhindert wurde, dass daraus eine Katastrophe wird, sollten die Verantwortlichen sich zusammensetzen, um gemeinsam die Fragen zu erörtern, die ihnen am Anfang so auf den Nägeln brannten: Warum wurde die drohende Krise nicht früher erkannt? Wer beging eventuell welche Fehler? Und warum geschah dies? Denn jetzt können diese Fragen viel entspannter erörtert werden, weil der Handlungsdruck geringer ist. Deshalb erfolgen auch weniger Schuldzuweisungen und persönliche Verletzungen. Zudem sollte bei einem solchen Treffen besprochen werden, was sich beim Bewältigen der Krise bewährt hat und was nicht. So können aus den gemeinsamen Erfahrungen die nötigen Schlüsse gezogen und die erforderlichen (strukturellen) Veränderungen abgeleitet werden, damit das Unternehmen künftig nicht mehr in ähnliche Krisen schlittert.

AUCH UNGEWÖHNLICHE LÖSUNGEN ERÖRTERN Sind die möglichen Lösungen auf dem Tisch, gilt es diese zu bewerten – und zwar ausgehend von der Frage: Was hilft uns in der gegenwärtigen Situation am besten weiter? Auch hierbei ist oft eine externe Moderation hilfreich. Denn häufig werden bestimmte Lösungsansätze selbst in Krisensitzungen nicht ernsthaft erörtert – weil zum Beispiel Anwesende dazu ihr Verhalten ändern oder auf gewisse Privilegien verzichten müssten. Nicht selten wagt sich kein Mitglied der Organisation, dies offen anzusprechen. Dann kann der externe Moderator als «Tabubrecher» fungieren. Zum Beispiel, indem er fragt: «Unter welchen Voraussetzungen könnte diese Lösung doch realisiert werden?» Dann folgen meist plötzlich Aussagen wie: «Wenn die Entscheidungsbefugnisse des Vertriebs erweitert würden.» Oder: «Wenn die Vorgabe X nicht mehr gelten würde.» Erst wenn die möglichen Lösungswege hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit sowie der Vorund Nachteile bewertet sind, können sich die Beteiligten darauf verständigen: Wir ergreifen folgende Massnahmen. Im nächsten Schritt gilt es dann zu

Klaus Doll ist Inhaber der Klaus Doll Organisationsberatung, Neustadt an der Weinstrasse (D). Er unterstützt und begleitet Klein- und Mittelunternehmen unter anderem beim Bewältigen akuter Krisen. www.doll-beratung.de

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SPASS AM LEBEN, SPASS AN DER ARBEIT – 12 TIPPS Autor: Joachim Simon

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ute Vorsätze sind meist ebenso schnell vergessen wie gefasst. Deshalb hier einige Tipps, wie Sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, diese umzusetzen.

1. Entwickeln Sie eine Vision von Ihrem künftigen Leben, die die vier Lebens­ bereiche «Arbeit / Beruf», «Familie / Kontakt», «Körper / Gesundheit» und «Sinn / Kultur» umfasst. 2. Definieren Sie ausgehend von Ihrer Lebensvision und bezogen auf alle Lebensbereiche, worin sich für Sie ein erfülltes Leben zeigt. Darin, dass Sie in einer Villa wohnen und ein Porsche beziehungsweise Tesla vor deren Tür steht? Oder darin, dass Sie viel Zeit für Ihre Hobbys haben? Oder darin, dass Ihr Lebenspartner mit Ihnen durch Dick und Dünn geht? 3. Formulieren Sie anschliessend für die vier Lebensbereiche Ziele, die Sie erreichen möchten. Doch Vorsicht: Hiermit sind Entscheidungen verbunden. Und alles hat seinen Preis. Wenn Sie «Ja» zu einer Top-Karriere sagen, sind damit auch viele «Neins» verbunden. 4. Überlegen Sie sich, welche Personen Ihnen wichtig sind und Ihnen emotionalen Halt geben. 5. Fragen Sie sich, welche Ihrer (Lebens-) Ziele mit den Zielen der Ihnen wichtigen Personen kollidieren und welche

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Kompromisse Sie bereit sind einzugehen, damit die Beziehung für beide Seiten befriedigend ist. 6. Analysieren Sie, welche Rollen Sie in Ihrem Leben spielen – zum Beispiel Kassenwart im Golfclub, «Seelentröster in der Not», Mutmacher und «Vorturner». Überlegen Sie, welche Rollen Sie weiterhin spielen und von welchen Sie sich ver­ abschieden möchten, um sich Freiräume zu schaffen. 7. Definieren Sie ausgehend von Ihren Lebenszielen Teilziele für die kommenden fünf Jahre/fürs nächste Jahr. 8. Leiten Sie aus den Teilzielen einen Massnahmenplan für die kommenden Monate ab. 9. Setzen Sie diesen Massnahmenplan mit den klassischen Methoden des Zeit- und Selbstmanagements um. Unter anderem, indem Sie analysieren, was wichtige und dringliche Aufgaben sind. Vergessen Sie dabei aber nicht: Darin, was Sie als wichtig erachten, spiegelt sich Ihr Wertesystem wider. Ihrem Partner können andere Dinge wichtig sein. 10. Gönnen Sie sich regelmässig eine Auszeit, um zu prüfen, ob sich Ihre Vision von einem erfüllten Leben gewandelt hat; ausserdem, um zu analysieren, ob Signale darauf hindeuten, dass die Balance in Ihrem Leben künftig bedroht sein könnte. Diese Signale können vielfältig sein. Zum Beispiel:

Zwischen Ihnen und Ihrem Lebenspartner herrscht zunehmend Schweigen. Wichtige Freunde melden sich nicht mehr. Im Betrieb lautet die oberste Maxime «sparen», weil die Umsätze sinken. Sie spüren ab und zu ein Stechen in der Herzgegend. Entsprechend umfassend sollte Ihr Check sein. 11. Überprüfen Sie, sofern sich solche Signale zeigen, ob Ihre Lebensplanung noch ge­ eignet ist, um Ihre beruflichen und privaten Lebensziele zu erreichen. Nehmen Sie, sofern nötig, Kurskorrekturen vor. 12. Sprechen Sie mit Ihren wichtigsten Bezugspersonen über Ihre (und deren) Lebensziele, denn: Als «lonely hero» werden Sie – vermutlich – nie glücklich sein.

Joachim Simon ist als Führungskräftetrainer und -coach sowie Speaker auf das Thema (Self-)Leadership spezialisiert. Er ist Autor des Buchs «Selbstverantwortung im Unternehmen» und Co-Founder der (Self-)Leadership-­ Coaching-App Mindshine. www.mindshine.app www.joachimsimon.info

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Es gilt, klare Zeitfenster für Echtzeit- und synchrone Kommunikation festzulegen.

DREI PROGNOSEN Die Arbeitswelt in der nahen Zukunft

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten eineinhalb Jahren radikal verändert. Die Pandemie hat sowohl neue Trends hervorgebracht als auch bestehende so beschleunigt, dass wir uns heute in eine völlig neue HR-Landschaft katapultiert wiederfinden. Während es im Jahr 2020 noch um schnelles Umschwenken, vorübergehende Lösungen und für viele um Anpassung zum puren Überleben ging, haben wir 2021 beobachten können, wie Unternehmen die Erkenntnisse aus den ersten Monaten genutzt haben, um mutig langfristige Veränderungen umzusetzen. Damit hat sich die Zukunft der Arbeit für immer verändert – und so finden sich hier meine Top-Trends für Unternehmensund Personalentscheider für die kommenden Monate. Autorin: Laura Ryan

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oller Fokus auf Flexibilität! Neue Flexibilität ist zum Paradigma geworden, sei es durch hybride Arbeitsformen oder vollständige Fern­ arbeit realisiert. Im vergangenen Jahr haben die Mitarbeitenden die Freiheit kennengelernt, für ihre Aufgabenerledigung nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden zu sein. Was zunächst für viele gewöhnungsbedürftig war, ist heute zum Gesetz geworden. Althergebrachte Vorstellungen von Präsentismus haben sich endgültig als irrelevant erwiesen. Dieser Punkt führt zur ersten Prognose.

PROGNOSE 1: ROTE KARTE FÜR «NINE TO FIVE» Unternehmen, die sich diesem Wandel widersetzen, werden kaum Chancen haben, sich beim War for Talents durchzusetzen. Eine Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey im Auftrag


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von EY Real Estate hat ergeben, dass 90 Prozent der Menschen gerne aus der Ferne arbeiten würden, zumindest teilweise oder in Vollzeit. Zudem zeichnet sich in ganz Europa eine neue Welle von Kündigungen ab – von Arbeitnehmenden, die ihren Arbeitsplatz auf der Suche nach mehr Flexibilität und Sinnhaftigkeit verlassen. Das fordert die Unternehmen heraus, umzudenken und sich von einer Firmenkultur oder Arbeitszeitstrategie, bei der die Mitarbeitenden an ihrer Präsenz in der Zeit von 9 bis 17 Uhr bemessen werden, zu verabschieden. Ich prognostiziere, dass die Zahl der Unternehmen drastisch ansteigen wird, die mehr Flexibilität in Bezug auf die Art und Weise bieten, wie und wo die Mitarbeiter*innen arbeiten möchten. Und selbst die traditionellsten Branchen werden sich darauf einstellen.

PROGNOSE 2: PLATZVERWEIS FÜR DEN FESTEN ARBEITSORT In den vergangenen 20 Monaten zogen mehr Wissensarbeitende um als je zuvor, und dieser Trend wird sich nochmals verstärken. Laut einer Bitkom-Studie würde jede*r fünfte Berufstätige (21 Prozent) umziehen, wenn in Zukunft grösstenteils im Home Office gearbeitet werden würde. Und das eröffnet Arbeitnehmer*innen, die bei der Auswahl ihrer Arbeitsorte flexibel sind, grosse Chancen. Remote Work, verteiltes Arbeiten, hat einen enormen Einfluss auf die Mobilität von Talenten. Doch um die ortsunabhängige Zusammenarbeit erfolgreich zu gestalten, müssen Unternehmen ihre Talentstrategien und die Tools für die Zusammenarbeit überdenken. Schliesslich benötigen die Mitarbeitenden an verschiedenen Standorten andere Werkzeuge. Jüngste Untersuchungen von Dropbox in Zusammenarbeit mit Enterprise Nation haben ergeben, dass Videokonferenzen, Cloud-Speicher, Dateifreigabe und Simultanbearbeitungssoftware beispielsweise für die Geschäftskontinuität während der Pandemie geschäftsentscheidend waren. Ich prognostiziere, dass der Markt an einfachen, leicht zu bedienenden Dokumenten-Workflows, die Reibungsverluste beim global verteilten ortsunabhängigen Arbeiten ausschliessen oder reduzieren, weiterhin stark wachsen wird.

tägig synchronisiert» auf «standardmässig asynchron» umstellen und so mehr Flexibilität und höhere Konzentration in ihren Tag einbringen. Die Wichtigkeit von Live-Konversationen bleibt jedoch bestehen – und die Magie liegt darin, den Mit­ arbeiter*innen beizubringen, wie sie erkennen können, wann ein kurzes Zoom-Gespräch oder ein Telefonat (noch) von Wert ist. Um das zu unterstützen, werden neue Rahmenwerke wie die «Core Collaboration Hours» benötigt. Durch die Festlegung klarer Zeitfenster für die asynchrone und die Echtzeit-Zusammenarbeit können die Mitarbeitenden über Zeitzonen hinweg effektiver mit ihren Kolleg*innen zusammenarbeiten und gleichzeitig wertvolle Zeit zurückgewinnen, um sich auf ihre Lieblingsprojekte und ihr Privatleben zu konzentrieren. Den Unternehmen, die den Schritt zu einem Kulturwandel in Richtung «Asynchron als Standard» wagen, prognostiziere ich die besten Erfolge bei der Gewinnung neuer Talente! In den letzten 20 Monaten hat sich auch weltweit die Rolle der Personalabteilung qualitativ gewandelt. Vor Corona war die HR-Abteilung eine notwendige Unternehmensabteilung, die oft nur hinter den Kulissen für reibungslose Abläufe sorgte. Mit dem Wandel der Arbeitswelt hat sich aber auch die Personalabteilung gewaltig mitgeändert. In diesen noch nie dagewesenen, herausfordernden Zeiten haben die Personalleitenden das Schiff durch den Sturm navigiert, und so wurde ihnen endlich ein wohlverdienter Platz am Tisch der Unternehmensführung eingeräumt. Jetzt, da ihr Wert als strategisch Vordenkende bewiesen ist, wird ihr Einfluss über die Personalabteilung hinaus anerkannt bleiben. Ich sage klar voraus, dass in den nächsten Monaten noch viele Mitarbeiter*innen aus der Personalführung an Unternehmensentscheidungen aller Bereiche beteiligt sein werden und dass sich ihre Rolle von aussenstehenden Schiedsrichter*innen hin zu echten Spielmacher*innen verändert.

PROGNOSE 3: KLARE VERLÄNGERUNG DER ASYNCHRONEN KOMMUNIKATION Als die Pandemie zum ersten Mal auftrat, wurden die Mitarbeitenden überall schnell von der «Zoom-Müdigkeit» erfasst. Tage voller Videoanrufe raubten uns die Energie – und vor allem standen sie einer sinnvollen Arbeit im Weg. Unnötige Besprechungen sind einer der grössten Störfaktoren für einen produktiven und effektiven Arbeitstag, und es liegt an uns allen, dies zu ändern. Indem wir unsere Mitarbeitenden ermutigen, alle unnötigen Besprechungen aus ihren Kalendern zu streichen und Live-Konversationen bewusster zu planen, können sie leichter von «ganz-

Laura Ryan ist Director of International HR bei Dropbox. www.dropbox.com

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KLUGER FÜHRUNGSSTIL Eine Reflexion über Personalführung in bewegten Zeiten

Gute Führungskräfte haben die Fähigkeit, auf hohem Niveau reflektieren zu können. 94 PRESTIGE BUSINESS


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Darüber, was wohl der beste, effektivste und wirksamste Führungsstil ist, kursieren seit rund zwei Jahrzehnten eine Vielzahl von Begriffen und Methoden. Doch was braucht eine starke Führungspersönlichkeit im Moment wirklich? Autor: Frank Goffin

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eine Frage, wir leben in wahrhaftig bewegten Zeiten. Kaum lässt uns die Pandemie aus ihren inzwischen zweijährigen Klauen, braut sich am politischen Horizont ein Unwetter auf, von dem man in Europa glaubte, dass so etwas nicht mehr passieren könne. Neben der sich erneut grossflächig ausbreitenden Welle von Angst und Unsicherheit bei den meisten Menschen (und damit auch bei den meisten Mitarbeitenden) gesellen sich inzwischen auch weitere und womöglich schlimmere wirtschaftliche Probleme hinzu für jene, die in der Vergangenheit eng mit Ländern zusammengearbeitet haben, die nun hinter einem neuen «eisernen Vorhang» unerreichbar erscheinen.

ZUVERSICHT UND GLAUBE In diesen Zeiten wird es wichtiger denn je, sich als Person mit Führungsverantwortung einmal intensiver mit der Frage zu beschäftigen, was das für die eigene Führungsarbeit bedeutet und wie man diese wachsenden menschlichen Herausforderungen meistern will. Denn eines steht fest: Wer als Unternehmer*in und Führungspersönlichkeit die alarmierenden Zeichen der Zeit ignoriert oder verdrängt, wird sich sehr bald wirklich ernsthaften Problemen gegenübersehen, die im Extremfall den vielleicht noch abzuwendenden Untergang des Unternehmens bedeuten können. Denn was es jetzt braucht, sind Zuversicht und Glaube an die Sache, gepaart mit lösungsorientiertem Engagement. Vor allem braucht es exzellente und loyale Teams.

DER DIREKTIVE FÜHRUNGSSTIL Bei der Suche nach dem besten Führungskonzept sollte man zunächst einmal das grosse Ganze betrachten. Demnach sind wir Menschen vor allem

«Rudeltiere» mit sehr archetypischen Erwartungshaltungen und Mustern, zu denen – man darf es nicht ignorieren – auch der direktive Führungsstil gehört. Jeder Mensch, der wirklich ganz ehrlich tief in sich hineinhört, wird bestätigen, dass er sich manchmal insgeheim wünscht, dass jemand käme und ihm sagte, wo es lang geht. Das gilt umso mehr, je höher man sich in einer Hierarchie befindet. Daher ist es nicht überraschend, dass direktive Führungsstile und Patronate immer noch weit verbreitet sind, obwohl es seit der Nachkriegszeit mindestens zwei weitere Generationen gegeben hat, die eigentlich in einer liberaleren Umgebung gross geworden sind. Zwar mag es sein, dass jüngere Führungskräfte durchaus neue Methoden in der Führung mal gelernt oder zumindest von ihnen gehört haben. Meine langjährige Erfahrung als Führungskraft und Business-Coach lehrte mich aber, dass oft die Umstände das Führungsverhalten diktieren. Anders gesagt: Je «gefährlicher» die Umstände werden, desto stärker dringen alte Muster im Führungsverhalten nach oben, wie man sie schon seit den 1950er-Jahren nach Kriegsende kannte. Einfach deshalb, weil sie dann zu funktionieren scheinen und weil man ja ohnehin keine Alternativen vorgelebt bekam. So lange es um das operative Geschäft geht, sind direkte und klare Vorgaben unerlässlich. Daran besteht kein Zweifel. Doch wenn das operative Geschäft dringend Lösungen oder gar Veränderungen braucht, sind zusätzliche menschliche Qualitäten gefordert.

KEIN RAUM FÜR ZWEIFEL, SKEPSIS UND VORBEHALTE Denn was Menschen in schwierigen Zeiten vor allem brauchen, ist etwas, das man eben nicht anfassen oder irgendwie bewerten kann, da es sich vor allem um emotionale Prinzipien mit enormer Tragweite handelt. Gemeint sind hier Qualitäten wie Besonnenheit, Ruhe, Klarheit oder Zuversicht, die sich wirkungsvoll von Chef und Chefin auf die Mitarbeitenden übertragen sollten. Und ähnlich wie bei einem*r Bühnenschauspieler*in, dessen*deren Maske aus der Nähe deutlich überzeichnet ist, damit er*sie die Distanz zwischen Bühne und Zuschauer der letzten Reihe überwinden kann, müssen diese Qualitäten bei Führungspersönlichkeiten ganz besonders stark ausgeprägt sein. Da ist kein Raum für Zweifel, Skepsis und Vorbehalte. Denn PRESTIGE BUSINESS

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diese Attitüden transportieren sich mit rasender Geschwindigkeit von oben nach unten und wirken selbst dann noch negativ nach, wenn die Krisen schon längst verschwunden sind.

RESILIENZ UND SELBSTREGULIERUNG Neben einer belastbaren Strategie zur Entwicklung dieser persönlichen und emotionalen Qualitäten braucht es vor allem die Fähigkeit, sich gerade in dunklen Zeiten nicht von den Umständen lenken zu lassen und bei einer Niederlage schnell wieder aufzustehen und frohen Mutes weiterzumachen, um dem Team ein positives Vorbild zu sein. «Nach dem Falle soll man sogleich wieder aufstehen», sagte dereinst Nikolaus von Flüe (katholischer Heiliger und Patron der Schweiz). In der Psychologie nennt man diese Eigenschaft «Resilienz». Diesen begrifflichen Zungenbrecher findet man selten im allgemeinen Sprachgebrauch. Ein schneller Blick ins Wörterbuch offenbart, dass es sich um die «Fähigkeit eines Systems, mit Veränderung umzugehen» handelt. Wobei mit Veränderung in erster Linie Störungen gemeint sind, was wiederum die enge begriffliche Verwandtschaft zur Selbstregulierung erklärt (die wiederum eine von fünf Qualitäten der sogenannten «emotionalen Intelligenz» nach Goleman ausmacht). Dabei kennt der Volksmund dieses Konzept schon sehr lange und nennt es liebevoll «Stehaufmännchen». Und jetzt – wenn auch sprachlich nicht gendergerecht – kann sich sofort jede*r etwas darunter vorstellen. Und dass dies durchaus eine Qualität ist, die jede Führungsperson als persönliches Fundament unbedingt braucht, um ein gutes Vorbild zu sein, leuchtet jedem*jeder schnell ein. Selbstregulierung ist ein gern gehörtes Wort, wenn es um Prozessoptimierung und prozessorientierte Führung geht. Und objektiv betrachtet scheint dies sogar erstrebenswert zu sein. Man möge sich vorstellen, welche Vorzüge Systeme oder Prozesse böten, wenn sich diese von selbst regulierten und jede Störung eigenständig zu lösen vermögen. Und das Beste daran ist die vermeintliche Einfachheit. Der namhafte Neurophysiologe Rainer Klinke erklärt das sinngemäss so: Der Steuermann lenkt das Schiff auf einem vorgegebenen Kurs zu einem vorgegebenen Ziel. Die zahlreichen Störfaktoren (Strömung, Wetter) werden vom Kapitän laufend geprüft und in Form von Weisungen (Feedback) an den Steuermann weitergegeben. Zielvorgabe – Kontrolle – Feedback – Korrektur: Das sind die einfachen Werkzeuge, mit denen man jedes System mit der Zeit perfektionieren kann. Und daher sind sie in unterschiedlichsten Varianten im modernen Arbeitsalltag allgegenwärtig. Doch unzählige Unternehmen bis hin zu Konzernstrukturen können viele traurige Lieder darüber singen, dass sich zwischen Theorie und Wirklichkeit geradezu Abgründe auftun.

RESILIENZ UND WAHRE FÜHRUNGSKOMPETENZ Eine entscheidende Frage lässt das Bild vom Schiff aussen vor: Was macht der Kapitän, wenn der Steuermann im Sturm Angst um sein Leben hat? Denn bei aller systemischer Perfektion ist es 96

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immer noch der Faktor «Mensch», der die grösste und vor allem unberechenbarste Störquelle bietet. Dies ist umso bedeutender, da er gleichzeitig in Sachen Flexibilität und Entscheidungsfähigkeit jeder Maschine weit überlegen ist. Hier hat die Entwicklungspsychologin Emmy Werner mit ihrer umfassenden Studie wertvolle Erkenntnisarbeit geleistet. Sie stellte fest, dass rund ein Drittel aller Menschen über die Fähigkeit verfügen, sich von selbst aus schwierigsten Umständen immer wieder nach oben zu kämpfen. Neben einer stabilen und persönlichkeitsfördernden Kindheit sind ständige Weiterbildung und gefestigte Persönlichkeitsattribute wie ein hohes Selbstwertgefühl, Hilfsbereitschaft und vor allem eine hohe Sozialkompe-


Es gibt einen Kurs mit klaren Zielen, der aber immer wieder angepasst werden muss.

tenz die zentralen Ursachen dafür. Bedeutend aber ist die immer wiederkehrende Feststellung, dass sich Resilienzfähigkeit oft erst während oder nach einer schweren Lebenskrise oder einem Trauma einstellt. Wieder einmal ist die Krise als Chance zu verstehen. Will man nun die eigene Resilienzfähigkeit (oder andere emotionale Kompetenzen) erhöhen, sieht man sich mit zwei schwerwiegenden Paradigmen konfrontiert. Zum einen führe ein traumatisches Erlebnis bei

jedem Menschen zu nachteiligen Verhaltensänderungen. Zum anderen sei persönliche Entwicklung umso aussichtsloser, je älter der Mensch ist. Beide Paradigmen sind falsch. Das zeigt nicht nur die Statistik. Und es mag auch tatsächlich stimmen, dass ein Mensch nicht ändern kann, wer er ist. Der gesunde Menschenverstand und die eigene Erfahrung lehren uns aber, dass wir die freie Wahl haben, zu denken und zu handeln, wie wir es wollen. Und der Weg dorthin ist für jeden Menschen erlernbar.

Doch was bedeutet das nun für die praktische Umsetzung konkret? Trotz der inzwischen zahlreichen psychologischen Schriften und Weisheiten zur Sache gestaltet sich die Antwort eher schwierig, weil es über die abstrakte und akademische Beschreibung hinaus oft an konkreten Lern- und Lösungsansätzen fehlt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die meisten methodischen Ansätze zur Optimierung von Resilienz und Führungsqualität überwiegend um die Beseitigung von Symptomen drehen, anstatt die Herausforderungen ursächlich PRESTIGE BUSINESS

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sich in der persönlichen und genetisch disponierten Vertrauensfähigkeit wider. Auch die Fähigkeit, Dinge, die man ohnehin nicht ändern kann, vollumfänglich zu akzeptieren, gehört ebenfalls zum Instrumentarium einer zeitgemässen Führungskraft. Dies beinhaltet auch die Fähigkeit, Dinge loszulassen und nicht weiter zu verfolgen, wenn sie falsch sind. Genau das nennt man auch Effektivität (die richtigen Dinge tun) im Gegensatz zur Effizienz (die Dinge richtig tun).

Vollkasko war gestern, Resilienz mit einer Prise Risiko ist heute.

anzugehen. Bei der ursächlichen Entwicklung von emotionaler Führungskompetenz und der Selbstregulierung stösst man immer wieder auf die gleichen sechs Prinzipien, die jeder Mensch mit geeigneten Instrumentarien für sich methodisch entwickeln und ausbauen kann. Gemeint sind hier die Kern­ themen Mut – Glaube – Akzeptanz – Risikokompetenz – Vision – Identität. Jeder dieser Begriffe spricht erst einmal für sich selbst, doch einige bedürfen weiterer Erklärungen. So bedeutet Mut nicht etwa, dass man stets frei von Angst sei. Das wäre widernatürlich und bei normalen Menschen ohnehin nicht anzutreffen. Vielmehr bedeutet Mut das Handeln trotz der Angst, was nach einer persönlichen Auseinandersetzung mit den eigenen konditionierten Ängsten und einer erfolgreichen Überwindung verlangt. Der Glaube ist hier kein religiöser Begriff, sondern versteht sich als «Glaube ist nicht Wissen». Die Fähigkeit, etwas zur persönlichen unverrückbaren Wahrheit zu erklären, obwohl man es nicht wissen kann, liegt in der Natur des Menschen und spiegelt 98

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Manchmal muss man schwierige Entscheidungen fällen, deren Ausgang zwar vielversprechend, aber womöglich riskant sind. Dies fällt erfahrungsgemäss den meisten modernen Menschen eher schwer, da wir uns in den letzten 100 Jahren zu einer «Vollkasko-Gesellschaft» mit der entsprechenden Mentalität entwickelt haben. Sicherheit ist inzwischen für jede*n so wichtig, dass sie sogar in vielen Lebensbereichen zu einem Rechtsanspruch geworden ist. In der Konsequenz verfügen nur noch die wenigsten Menschen über eine solide Risikokompetenz, wenn es darum geht, alte Pfade zu verlassen und neue Wege einzuschlagen, deren Verlauf man eben noch nicht kennt. Zudem ist die Fähigkeit zur Improvisation bei den meisten Menschen nahezu völlig verkümmert beziehungsweise sie werden handlungsunfähig, wenn es unvorhergesehene Abweichungen vom Standardprozess gibt. Und auch wenn die Themen Vision und Identität eigentlich für sich sprechen, benötigen sie dennoch ganz besondere Zuwendung. Denn leider ist es heute mehr denn je so, dass unzählige Menschen als Führungspersönlichkeiten tätig sind, ohne sich jemals Gedanken darüber zu machen, was sie wirklich wollen und – was noch wichtiger ist – ob sie überhaupt in aller Konsequenz führen wollen. Die Wahrheit ist: Wer etwas nicht will, kann es in der Regel auch nicht besonders gut. Und wer keine klare, von einer starken Vision getragene Identität hat, kann nur sehr schwer andere Menschen führen und emotional überzeugen.

FREIER GEIST UND GELASSENHEIT Das Ignorieren dieser sechs Kernthemen führt früher oder später zum Scheitern – nicht nur bei der Führungsarbeit, sondern in allen Lebensbereichen. Wer sich aber den Herausforderungen dieser sechs Themen mit Methode stellt, wird schon sehr früh auf diesem Weg signifikante Verbesserungen bei seiner Selbstregulierung und Führungsarbeit fest-


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stellen. Tausende von Coachingstunden mit hunderten Klienten aus jahrzehntelanger seriöser Coachingarbeit belegen diese Tatsache immer wieder sehr eindrücklich. Und recht schnell entwickelt sich etwas, das man am treffendsten mit einem «freien Geist» umschreiben kann. Das bedeutet, dass die Persönlichkeit weitestgehend frei von hinderlichen Konditionierungen, von Sorgen, Ängsten und Nöten, frei von Manipulation und frei von Stressoren ist. In der Summe gelangt der freie Geist zu etwas, das gerade in diesen Zeiten wichtiger ist denn je: zu Gelassenheit und dadurch zu mehr Lebensqualität. Es mag der*die geneigte Leser*in an dieser Stelle vielleicht denken, dass dieses hehre Ziel so grossvolumig klingt, dass man es ohnehin nicht erreichen könne. Dass es vielleicht einigen wenigen Menschen gelingen mag, man es sich aber für sich erst einmal nur schwer vorstellen kann. Und überhaupt, wann soll man das angesichts der langen Pendenzenliste überhaupt noch machen? Doch dieser Eindruck täuscht gewaltig. Denn mit einer soliden Methodik und Anleitung sowie regelmässigem Üben und Praktizieren hilfreicher Techniken ist das in der Tat schon nach wenigen Wochen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Auch die Hilfsmittel dafür sind keineswegs kompliziert und haben sehr viel mit guter Reflexion zu tun. Dafür benötigt man eine gewisse Zeit, in der man nicht produktiv zu sein scheint. Doch es ist gut investierte Zeit.

Ende winkt die motivierende Vision einer souveränen Führungspersönlichkeit, die selbst in unsicheren Zeiten mit ihrer Führung beste Resultate und Ergebnisse erzeugt. Souverän heisst, dass man frei über sich verfügen kann, jederzeit und in jeder Situation. Das beendet auch die Frage nach dem optimalen Führungsstil. Denn tatsächlich ist weder ein direktiver (Patronat) noch ein partizipativer (kooperativer) noch ein Laissez-faire-Stil der einzig richtige. Die Wahrheit ist, dass Führungspersönlichkeiten frei über alle drei Methoden gleichermassen verfügen müssen, je nachdem, was die Arbeitssituation verlangt. Manchmal muss man direktiv sein, weil die menschliche Psyche danach verlangt. Manchmal ist es notwendig und auch hilfreich, das Team bei wichtigen Entscheidungsprozessen miteinzubeziehen und aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Und manchmal muss man seine Leute auch einfach mal gewähren lassen, selbst wenn der Weg zu Misserfolg führen kann und manchmal auch führt. Denn auch das ist eine Tatsache: Der Mensch lernt nicht aus seinen Erfolgen, sondern immer nur aus Fehlschlägen. Es ist Zeit für einen zeitgemässen und klugen Führungsstil, um die richtigen Dinge zu tun, nicht nur zugunsten einer exzellenten Führungsarbeit und des nachhaltigen Unternehmenserfolges, sondern vor allem zugunsten der eigenen Lebensqualität. Und diese Zeit ist jetzt!

Zum Selbstverständnis einer modernen Führungspersönlichkeit gehört heute auch, dass man angemessen regelmässig bezahlte Arbeitszeit darauf verwendet, sich in seinen psychologischen und sozialen Führungskompetenzen weiterzuentwickeln. Denn das ist letztendlich der Job, den Anführer*innen übernommen haben: andere Menschen nach bestem Wissen und Gewissen anzuführen, zu den besten Resultaten zu bringen und ein tadelloses Vorbild abzugeben, auch und vor allem in bewegten Zeiten.

EINFACH, ABER NICHT LEICHT Tatsächlich ist das Konzept vom freien Geist im Kern und in der Sache technisch sogar sehr einfach, geradezu simpel, auch wenn es nicht immer leicht ist. Denn man zieht gegen sehr mächtige Gegner zu Felde, allen voran gegen falsche Prägungen, Gewohnheiten, Muster und Glaubenssätzen. Doch am

Frank Goffin ist Executive Head Coach bei der Clover Coaching AG, Basel. www.clovercoaching.ch

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Der Taylorsche Ansatz der Arbeitsorganisation hat ausgedient. Es gibt auch kaum mehr klassisch starre Fliessbänder.

MENSCHEN ENTWICKELN UND BEFÄHIGEN Performance-Management ist mehr als die Steuerung von Leistung

Menschen wollen Leistung erbringen. Nur, wenn im Unternehmen die persönliche Entwicklung im Mittelpunkt steht, wird das Engagement der Mitarbeiter*innen wachsen. Wenn das Thema Leistung ein kontinuierlicher Prozess ist, können Unternehmen ihr Potenzial tatsächlich voll ausschöpfen. Allerdings ist wichtig zu erkennen, wie eng das Prinzip des Performance-Managements mit der Selbstbestimmungstheorie verbunden ist. Autor: Timm Urschinger

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ie Theorie von Deci und Ryan beschreibt die grundlegenden psychologischen Bedürfnisse, die beim Menschen eine hohe Motivation und ein hohes Wohlbefinden bewirken, und wie diese in verschiedenen sozialen Kontexten gefördert werden können. Kompetenz, Autonomie und Verbundenheit stehen hier an erster Stelle. Ein wesentlicher Treiber des Menschen ist also tatsächlich von Natur aus sein Bedürfnis nach Kompetenz – die positive Erfahrung, eine Tätigkeit zu beherrschen und effektiv zu sein. Am Arbeitsplatz drückt sich dies meistens als grundlegender Wunsch nach (guter) Leistung aus. In anderen Bereichen ist es manchmal auch der Reiz der Herausforderung.

SELBSTWIRKSAMES UMFELD SCHAFFEN

Die Probleme mit aktuell gängigen Methoden im PerformanceManagement-Review-Prozess lassen sich folgendermassen zusammenfassen: w Die Bewertung von Menschen für vergangene Leistungen steht möglichen Verbesserungen in «Echtzeit» gegenüber. w Jährliche Leistungsbewertungen sind nachweislich nicht hilfreich, weil sich Menschen gedanklich meist auf die letzten Ereignisse (vier bis sechs Wochen) beziehen und nicht auf die Entwicklungen und Leistungen davor. w Welche Ziele vom Anfang des Jahres machen im letzten Quartal überhaupt noch Sinn, um darauf hinzuarbeiten? w Der Prozess ist für alle Beteiligten (insbesondere für Führungskräfte) sehr zeitaufwendig. w Allerdings gilt auch: Performance-Bewertungen sind kein Performance-Management!

Dabei unterscheidet die Selbstbestimmungstheorie zwischen Verhaltensweisen, die dem eigenen Selbstverständnis entspringen, also selbstbestimmt sind, und solchen, die nicht repräsentativ für das eigene Selbst sind. Während es sich bei ersteren um freiwillige Verhaltensweisen handelt, die mit einer Erfahrung von Autonomie einhergehen, werden letztere stattdessen oft mit Kontrolle und Druck assoziiert. Den damit zusammenhängenden Unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation kennen wir alle. Für Unternehmen und deren Performance-­ Management ist es demzufolge entscheidend, ein Umfeld zu schaffen, das die psychologischen Bedürfnisse des Menschen unterstützt, um die richtige Motivation zu nähren.

All das half in der Vergangenheit zu kontrollieren – ursprünglich der Sinn und Zweck –, inzwischen ist dies aber wenig hilfreich, wenn es darum geht, das tatsächliche und so wertvolle Potenzial von Mitarbeiter*innen zu entfalten. Agile Prinzipien sind also auch im Performance-Management gefragt. Der Bedarf verändert sich von Produktivität und Output hin zu Kreativität, Innovation und «Knowledge Working». Demzufolge braucht es mehr Raum für die eigene Autonomie, den Sinn und dafür, in bestimmten Dingen eine Meisterschaft zu erreichen, die uns als Menschen, als Führungskräfte und als Mitarbeiter*innen sowie als Leistungs­ träger*innen voll und ganz erfüllt.

Keine Diskussion über Motivation wäre vollständig, ohne das Thema der Selbstwirksamkeit angesprochen zu haben. Dabei handelt es sich weniger um ein Bedürfnis als vielmehr um eine Eigenschaft, die die Leistung und zugleich das Wohlbefinden jedes Menschen ganz entscheidend beeinflusst. Sind Mitarbei­ ter*innen von ihrer Selbstwirksamkeit überzeugt, setzen sie sich erfahrungsgemäss höhere Ziele, sind in der Lage, grössere Mühen auf sich zu nehmen, um diese Ziele zu erreichen, halten auch bei Schwierigkeiten länger durch und stecken – sollte der Fall eintreten – Misserfolge leichter weg. Auch deshalb, weil sie ebenfalls davon überzeugt sind, Leistung erbringen und damit ihr Leben beeinflussen zu können.

TRADITION HAT AUSGEDIENT Im heutigen Arbeitsumfeld ist eine Kultur gefragt, die veränderungsfähig und experimentierfreudig ist, die durch kontinuierliches Lernen eine persönliche Entwicklung des Einzelnen sowie die kollektive Entwicklung eines Teams ermöglicht. Eben jene Anreize, die durch ein traditionelles Performance-Management nicht mehr gegeben sind oder sogar zunichte gemacht werden. Der Taylorsche Ansatz der industriellen Effizienzsteigerung sowie alles und jeden einzelnen messbar zu machen, widerspricht der zunehmenden Autonomie und dem wachsenden Teamgefüge, inklusive Projektarbeit, Netzwerkstrukturen und Solidarität.

BEFÄHIGEN UND NICHT ÜBERFORDERN Wenn heutzutage von Agilität, Selbstorganisation oder Teal1 die Rede ist, scheint Empowerment der Kern vieler Konzepte zu sein, die in Unternehmen verwendet werden – und doch scheinen viele noch immer mit «echter Befähigung» zu kämpfen. Betrachtet man die Oxford-Definition, so sollte es recht einfach sein: Die Menschen übernehmen in ihrem Arbeitsbereich die Kontrolle und entscheiden über alles, was damit zusammenhängt. Klingt doch leicht, oder? Ist allerdings einfacher gesagt als getan! Denn viele Führungskräfte sehen und behandeln «ihre» Mit­ arbeiter*innen nicht wirklich als Erwachsene mit bestimmten Fähigkeiten. Dabei wäre genau das wichtig, und das heisst übrigens nicht, dass sie alles können (müssen), sondern Erfahrung in bestimmten Fertigkeiten haben und in der Lage sind, weiter zu lernen. Im Kern bedeutet das vielbesagte Empowerment also nichts anderes als ein sicheres Umfeld zu schaffen, in dem sich die Menschen ermutigt fühlen, neue Dinge auszuprobieren, Entscheidungen zu treffen und keine Angst zu haben, dass sie dafür verantwortlich gemacht werden, wenn etwas nicht funktioniert.

EIN FORTLAUFENDER PROZESS Wichtig ist dabei: Der Aufbau und die Pflege dieses Umfelds sind keine einmaligen Angelegenheiten, sondern bilden einen fortlaufenden Prozess, der nie endet. Führungskräfte sind also PRESTIGE BUSINESS

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immer gefordert und können sicher sein: Probiert ein mutiges Teammitglied etwas aus und bekommt keine Unterstützung, hält dies höchstwahrscheinlich andere davon ab, es überhaupt zu versuchen. Hier ist Verantwortung gefragt. Also die Situation erkunden, in der sich der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin gerade befindet und gemeinsam schauen, wo das Hindernis ist. Führungskräfte sind dann aber nicht dazu da, das Problem für die Mitar­ beiter*innen zu lösen, sondern allenfalls Hinweise zu geben, wie sie es selbst überwinden können. Sind Dinge gut gelaufen, spricht auch bei erwachsenen Mitarbeiter*innen übrigens nichts gegen eine Bestätigung – gerne öffentlich und bei besonderen Erfolgen vielleicht sogar im Rahmen einer kleinen Feier, um auch dem Rest des Teams zu zeigen, dass gute Arbeit anerkannt wird.

Timm Urschinger lebt die offene Kommunikation vor.

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SIEBEN KLEINE ANREGUNGEN Bei jeder Interaktion mit dem Team können und sollten Führungskräfte beweisen, dass ihnen die «Befähigung der Mitarbeiter*innen» wirklich am Herzen liegt – beispielsweise mit folgenden sieben kleinen Anregungen: 1. Hören Sie Ihrem Team zu und machen Sie es zum Teil der Lösung! Geben Sie regelmässig Feedback und zeigen Sie Mitarbeiter*innen, dass Ihnen ihr Einfluss wichtig ist und dass Sie ihre Meinung schätzen. Aber Vorsicht: Eine zu hohe Taktzahl beim Feedback kann auch den Druck erhöhen und einen gegenteiligen Effekt erzielen. Die Kultur bei Amazon mit ständigem Feedback führte über einen bestimmten Zeitraum dazu, dass «Mit­ arbeiter-Zufriedenheit» und Produktivität negativ beeinflusst wurden. Zudem ist Feedback eben nur Feedback und kann demzufolge auch ignoriert oder nicht umgesetzt werden. Sie müssen also in jeder Hinsicht von eigenen Ideen loslassen können. Die Verantwortung ist und bleibt beim Team. 2. Seien Sie sich bewusst, dass Ihre Emotionen Auswirkungen auf Ihr Team haben! Es kann sein, dass etwas schief geht – das ist ein natürlicher Bestandteil der Schaffung von etwas Neuem und Grossem. Ange­ nommen, etwas klappt nicht wie geplant oder erwartet: Bleiben Sie positiv und optimistisch – aber bitte nicht nur um des Optimismus willen. Ihre Emotionen und die Bedeutung, die Sie den Dingen beimessen, spiegeln wider, wie Ihr Team danach über die Dinge denkt. Trotzdem dürfen und sollen Sie natürlich auch sachlich analysieren, was schief ging. Wichtig aus Sicht der Führungskraft sind Fragen wie die folgenden: «Wie hätte ich besser unterstützen können?» oder «Welche Einblicke oder welche Skills haben allenfalls gefehlt?» 3. Seien Sie dankbar und zeigen Sie Wert­ schätzung! Es ist nur ein kleines Wort, aber das kann einen grossen Unterschied machen: «Danke». Wenn Sie Ihrem Team zeigen wollen, dass Sie ihm vertrauen und es wertschätzen, sagen Sie Danke. Im Idealfall mit einer kurzen Begründung, wofür Sie sich bedanken – je spezifischer, desto besser. Übrigens ist ein «Danke» manchmal gerade dann angebracht, wenn etwas schiefgegangen ist – so lange Ihr Team etwas daraus gelernt


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hat. Zeigen Sie jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin, dass Sie den individuellen Beitrag anerkennen. Dies wird langfristig dazu beitragen, Vertrauen aufzubauen, weil die Menschen sehen und spüren, dass sie Teil von etwas sind. Unterstützen Sie Ihr Team dabei, seine Leidenschaft zu finden! Jeder Mensch hat Stärken, und wenn er oder sie sich dieser Stärken bewusst und bereit ist, sie zu ent­ falten, unterstützen Sie ihn oder sie dabei, sich zugehörig und erfolgreich zu fühlen. Unterstützen Sie Ihr Team dabei, seine individuellen Stärken zu erkunden, und geben Sie ihm am Arbeitsplatz die Möglichkeit, sie zu nutzen. Dies wird die Motivation steigern und das Wohlbefinden fördern. Seien Sie ein Vorbild für das Verhalten, das Sie in Ihrem Team sehen wollen! Es kommt darauf an, dass Sie es vorleben, also seien Sie ein lebendiges Vorbild für das Verhalten, das Sie von Ihrem Team erwarten. Geben Sie Ihrem Team Freiheiten, ermutigen Sie es, «seinen Weg» zu finden! Auch, wenn dieser Weg nicht Ihrem Weg oder Ihren Erfahrungen entspricht. Nur so entsteht Innovation. Dies ist besonders wichtig in einer Zeit, in der immer mehr aus der Ferne, in virtuellen Teams, gearbeitet wird. Das ist eine grossartige Gelegenheit für Sie, Ihrem Team zu zeigen, dass Sie ihm vertrauen. Es kann frustrierend sein, nicht immer den Überblick zu haben, aber Mikromanagement ist das Gegenteil von Befähigung der Mitarbeiter*innen. Zeigen Sie ihnen, dass Sie ihnen zutrauen, die Arbeit rechtzeitig zu erledigen, und dass sie sich an Sie wenden können, wenn sie nicht weiterkommen oder Hilfe brauchen. Schaffen Sie unterstützende Strukturen! Klarheit, Transparenz und Leitplanken helfen den Mitarbeiter*innen, sich einen Überblick zu verschaffen, und unterstützen sie dabei, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Ein definierter Prozess, in dem ausdrücklich erklärt wird, wer wozu befugt ist, ist für die Menschen von grosser Bedeutung. Nicht wichtig ist hingegen ein Konsens über den Entscheidungsfindungsprozess an sich. Probieren Sie verschiedene Strukturen aus und finden Sie heraus, welche am besten zu Ihnen und Ihrem Team passen.

Das Team kann seine Leidenschaft entdecken.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es gerade jetzt Sinn macht, den Review-Prozess zu überdenken und erste Schritte in Richtung agiles PerformanceManagement zu gehen. Auf klassische Leistungsbewertungen zu verzichten, sollte den Effekt erzielen, von «die Vergangenheit rechtfertigen» zu «über aktuelles Wachstum und zukünftige Entwicklung nachdenken» zu gelangen. Die Mitarbeiter*innen sollten sich befähigt und bestärkt fühlen und die Führungskräfte sollten mehr Zeit haben, um sich auf «Kultur» sowie die Verhaltensweisen und Werte zu fokussieren, statt nur auf strategische Ziele. Pilotprojekte helfen, um experimentierfreudig zu werden und lieber gezielt vorwärtszukommen, anstatt «überall auf einmal» zu sein. Davon profitieren sowohl die Leistungen jedes einzelnen Mitarbeiters und jeder einzelnen Mitarbeiterin als auch die Gesamt-Performance des Unternehmens.

ANMERKUNG 1.) Frédéric Laloux beschreibt in seinem Buch Reinventing Organizations verschiedene Stufen der organisationalen Entwicklung. Die derzeit höchstentwickelte Stufe nennt er Teal. Organisationen dieser Gruppe zeichnen sich laut Laloux durch drei Dinge aus: Erstens erlauben sie es den Menschen in ihnen, sich ganz als Menschen zu zeigen und nicht nur in ihren professionellen Rollen zu agieren. Zweitens ist das Herz dieser Organisationen ein evolutionärer Sinn, um den herum sie sich organisieren. Drittens verwenden sie irgendeine Form der Selbstorganisation, was bedeutet, dass die Organisationen einen Weg gefunden haben, wie Teams und Individuen autonom und eigenständig arbeiten können.

Timm Urschinger ist Mitgründer und CEO von LIVEsciences. www.livesciences.com

UNTERNEHMENSPORTRAIT LIVEsciences ist ein experimentierfreudiges Berater-Team, dessen Vision es ist, den Erfolg von Unternehmen und Organisationen zu katalysieren. Zentrale Bausteine sind die Entfaltung menschlicher Potenziale sowie Problemlösungstechniken zur Selbsthilfe. Das Ziel ist eine sich selbst organisierende Kultur als Basis für Innovation und Wachstum in einer sich schnell verändernden Welt. Namhafte Konzerne wie Roche, Siemens, Novartis, Bayer, Boehringer Ingelheim sowie beispielsweise auch die Basler Kantonalbank und die Schweizer Bundesbahn setzen bereits auf das Know-how, die Erfahrungen und die Werte der Katalysatoren. PRESTIGE BUSINESS

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HANDLUNGSBEDARF IST DA Die Wertigkeit von Reputation Management

Bernhard Bauhofer ist Gründer und Managing-Partner der auf Reputation Management spezialisierten Sparring Partners. 104 PRESTIGEUnternehmensberatungsgesellschaft BUSINESS


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Der Ruf eines Unternehmens galt lange als ein Softthema, welches man unten in der Handlungsagenda einreihen konnte. Das ist heute in Zeiten von Social Media ganz anders geworden. Reputation ist bei den Unternehmensverant­ wortlichen oben auf dem Tisch gelandet. Sie kann ein Game­ changer sein, um Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Interviewpartner: Bernhard Bauhofer Autor: Georg Lutz

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er Rausch der Geschwindigkeit, immer eine Nasenlänge vor dem Wettbewerber sein – das prägt unseren Businessalltag. Dabei vergessen wir, dass es neben den Interessen der Shareholder auch die Werte der Stakeholder gibt. Im folgenden Interview nimmt uns Bernhard Bauhofer mit auf die Reise im Rahmen des Reputation Managements. PRESTIGE BUSINESS: Die Zeiten werden härter: zuerst eine Pandemie mit ihren Herausforderungen und nun Krieg in Europa. Das hatte kaum jemand auf dem Schirm. Was heisst das für Verantwortungsträger in Unternehmen? Bernhard Bauhofer: Nach dem Motto «Expect the Unexpected» sehen sich Unternehmen bereits seit Jahren mit einem hohen Mass an Unvorhersehbarkeit konfrontiert. Langfristiges Planen ist sehr schwierig geworden. Stattdessen erfordern die sich permanent verändernden Umstände im globalen Kontext eine hohe Flexibilität und Agilität. Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit sind heute die zentralen Erfolgsfaktoren. Die erforderliche Neuordnung von Lieferketten im Zuge des UkraineKrieges ist hier nur ein Beispiel. Dieses permanente Chaos hat wiederum Implikationen auf die Organisationsstruktur und Kultur des Unternehmens. Das Aneinanderreihen von Krisen in diesem Jahrtausend – von der Dotcom-Bubble über die Finanzkrise, den Brexit und die Corona-Pandemie bis zum aktuellen Krieg in der Ukraine – hat die Unternehmen gezwungen, sich neu aufzustellen. Starre Hierarchien und eine Top-down-Befehlsstruktur haben definitiv ausgedient. Es sind ein neuer Manager-Typ und eine neue Führungskultur gefordert. Statt des autoritären Chefs sind unprä-

tentiöse und kommunikative Führungspersönlichkeiten gefragt, die fast schon wie Coaches oder Sparringspartner im Unternehmen operieren. Im Gegensatz zum CEO-Starkult um die Jahrtausendwende stellen Firmenchefs ihr Ego hinten an. Wer hat es schon präsent, wer aktuell an der Spitze der Schweizer Konzerne steht? Verwaltungsräte wiederum sehen sich in ihrer Aufsichtsfunktion einer gesteigerten Komplexität und massiven Anforderungen in Sachen Compliance gegenüber. In diesem Zustand der permanenten Veränderung liegt die grosse Kunst bei der Führung eines Unternehmens darin, durch ein Reputation Management ein gewisses Mass an Kontinuität und Berechenbarkeit aufrechtzuerhalten. Auf schwarze Schwäne und eine Zeitenwende kann man sich nicht vorbereiten. Aber können wir trotzdem Handlungsszenarien entwickeln? Hier gilt es zu differenzieren. Einen Meteoriteneinschlag kann kein Unternehmen vorhersehen. Ereignisse wie der Brexit, die Pandemie oder die Ukraine-Krise waren realistische Szenarien, auf die man sich im Rahmen eines Issue und Risk Managements vorbereiten konnte. Vor allem sind Unternehmen angeraten, ihre Mitarbeitenden auf potenzielle Risiken und Krisen im Rahmen ihrer Wertschöpfung vorzubereiten und zu sensibilisieren. An jeder Stelle des Unternehmens können Mitarbeitende mit Problemfällen mit schwerwiegenden Konsequenzen für das Unternehmen konfrontiert werden. Man denke an einen Arbeiter auf einer Ölplattform, der ein mögliches Leck entdeckt, oder den IT-Experten in der Bank, der einem Kundendaten-Klau auf die Schliche kommt. Doch der Blick muss über die Grenzen des Unternehmens hinausreichen, da die Tentakel von global operierenden PRESTIGE BUSINESS

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Unternehmen tief in die Netze von Zulieferern und Partnerunternehmen reichen. Entscheidend ist hier die Sensibilität der betreffenden Personen in dieser Kette und wie schnell sie Problemfälle an die entscheidenden Stellen im Unternehmen melden. Und es entstehen schlussendlich Fragen zur Verantwortlichkeit und Haftung mit schweren wirtschaftlichen Folgen. Kommen wir in Zeiten, in denen Staaten massiv an Reputation verlieren, zum unternehmerischen Begriff der Reputation. Auf den ersten Blick könnte man Reputation mit Image oder einem schlechten oder guten Ruf, den ein Unternehmen ausstrahlt, gleichsetzen. Wo liegen die Unterschiede? Image und Reputation sind zwei völlig konträre Konzepte. In den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts konnten sich Unternehmen durch eine Imagekampagne in kurzer Zeit ein neues Image verpassen. Ein verschlossenes, intransparentes und von einer Angstkultur bestimmtes Unternehmen

Reines Shareholder-Value führt nicht weiter, ist Bernhard Bauhofer überzeugt

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konnte sich so als ein attraktiver und hipper Arbeitgeber präsentieren und der für Fettleibigkeit verantwortliche Fast-Food-Gigant konnte sich mit einem Salatangebot plötzlich auf gesund trimmen. Während man vor allem den Konsumenten eine schöne, neue und perfekte Welt vorgegaukelt hatte, änderte sich im Unternehmen und in dessen Kultur nichts. Das Bild von einem Unternehmen und die Realität klafften oftmals stark auseinander. Diese Masche funktioniert schon lange nicht mehr, da Konsumenten und viele weitere Stakeholder miteinander vernetzt sind und in Echtzeit Dinge über das Unternehmen erfahren, was in der Zeit vor dem Internet und Social Media unmöglich war. Während ein Image käuflich ist, muss man sich eine Reputation hingegen in der Beziehung zu allen Stakeholdern – von Mitarbeitern bis zu Kunden, Investoren, Partnern, Nichtregierungsorganisationen oder Aktivisten – täglich immer wieder aufs Neue verdienen. Das Unternehmen muss die sich ständig verändernden Erwartungen dieser Personen und Gruppen kennen und diese erfüllen. Und das bezieht alle Stellen im Unternehmen mit ein – vom Callcenter über den Fachverkauf oder den Key-Account-Manager bis hin zur Unternehmensleitung und dem Verwaltungsrat. Es geht also um ein wohldosiertes Erwartungsmanagement. Zu hoch gesteckte Erwartungen und nicht eingehaltene Versprechen sind Gift für die Reputation. Image war gestern, Reputation ist heute? Ja, um es bildlich darzustellen: Image ist der spritfressende V8 Oldsmobile, Reputation ist ein Tesla. Man kann hier von einem Paradigmenwechsel bei der Unternehmensführung und dem unternehmerischen Selbstverständnis sprechen. Heute geht die Aufgabe eines Unternehmens weit über das Geldverdienen und den Shareholder Value hinaus. Als «Corporate Citizens» sind Unternehmen fest in der Gesellschaft und den Gemeinschaften verankert. Das bringt ein höheres Mass an Verantwortlichkeit mit sich, eröffnet aber auch grosse Chancen für die Unternehmen. Während Staaten aus Mangel an Geld Sozialleistungen streichen, können sich Unternehmen mit Leistungen bei Gesundheit oder Bildung einen Goodwill bei Mitarbeitern und Konsumenten verdienen. Und sie können mit der Vermittlung eines «Purpose» – eines Zweck oder Sinns, der über den wirtschaftlichen Auftrag hinausgeht – die Mitarbeiterbindung und -loyalität steigern. Menschen suchen vermehrt nach Sinnhaftigkeit in ihrem Tun. Und ein relevanter «Purpose» wiederum motiviert zum Einsatz für das


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Unternehmen. Gesellschaftliche Verantwortung und Nachhaltigkeit gehen so mit Profitabilität Hand in Hand. Gibt es heute Stakeholder, die Transparenz herstellen? Ja, einerseits die Stakeholder, aber auch die Technologie. Die Blockchain beispielsweise gilt als eine absolut transparente und sichere Technologie, die keine Manipulation zulässt. ERP-Systeme und Apps dokumentieren detailliert operative Abläufe. Der entscheidende Faktor für eine erstklassige Reputation sind jedoch der Mensch und eine Unternehmenskultur, die Transparenz lebt und fördert. Den Weg zu mehr Transparenz haben Unternehmen in der Tat nicht nur freiwillig beschritten, sondern vor allem durch den Druck von aussen, sei es von Konsumenten oder Aktivisten, die den Unternehmen auf die Finger schauen. Heute stehen Unternehmen unter Druck, die 17 UNNachhaltigkeitsziele zu sowie die ESG (Environmental, Social, Governance)-Kriterien, zu erfüllen. Wer diesen Anforderungen nicht nachkommt, wird von den grossen Asset- und Fondsmanagern der Welt wie Blackrock von der Empfehlungsliste gestrichen. Als Folge davon wenden sich institutionelle und private Investoren von dem jeweiligen Unternehmen ab. Der Aktienkurs fällt und dem Unternehmen droht der Fall in die Bedeutungslosigkeit. Doch Transparenz ist ambivalent und es stellt sich die Frage, was wir mit all den Informationen, die wir über eine Organisation haben, anfangen. Und dann kursieren noch unzählige, oftmals gezielt gestreute Falschinformationen im Netz. Vor Jahren stand ich mit dem damaligen CS-CEO Oswald Grübel und dem Abt Martin Werlen für einen Schlagabtausch unter dem Titel «Glaube, Geld, Reputation» auf der Bühne. Mit der Aussage «Transparenz zerstört Vertrauen» hatte Grübel nicht ganz unrecht. Vor 20 Jahren noch waren wir alle viel unwissender. So erfreulich es im Sinne von Governance und Compliance ist, dass die Transparenz stetig wächst – sie hat unser Urvertrauen in Unternehmen und Politik fundamental beschädigt.

«Image ist der spritfressende V8 Oldsmobile, Reputation ist ein Tesla.» Das heisst zugespitzt: In Zeiten von Internet und Social Media kommt jede Leiche im Keller früher oder später an die Oberfläche. Oft werden Unternehmen und Personen von ihrer Vergangenheit eingeholt, weil Vorfälle von früher im Netz oder den sozialen Medien wieder aufgekocht und breit gestreut werden. Das kann ein Unternehmen oder einen Manager kalt erwischen. Sexuelle Übergriffe beispielsweise, die man vor Jahrzehnten vielleicht noch als Lappalie oder Kavaliersdelikt abgetan hatte, erhalten im Zeitgeist der Me-tooÄra einen ungleich grösseren Stellenwert. Eine Reihe von Firmenchefs mussten deswegen schon zurücktreten. Mehr noch als die Vergangenheit sollte die Unternehmen jedoch die aktuellen Aktivitäten ihrer Mitarbeiter beschäftigen. Es braucht klare Richtlinien für den Gebrauch von Internet und sozialen Medien und eine klare Trennung von Arbeit und Privatsphäre. Unkontrolliertes Posten in sozialen Medien kann massiven Schaden anrichten. Kann Reputation folglich ein entscheidender Wertschöpfungsfaktor sein, dessen Bewirtschaftung über Erfolg und Misserfolg (mit)entscheidend ist? Ja, absolut. Unternehmen mit einer soliden Reputation sind auch auf lange Sicht wirtschaftlich erfolgreicher als Firmen, die nur auf kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg aus sind. Ein strategisches Reputation Management bezieht nicht nur die Mitarbeiter, sondern alle Stakeholder mit ein. Kontrolle und Aufsicht betrifft nicht nur die Produktionsstätten aller Herren Länder, sondern auch die Zulieferer und deren Zulieferer. Nachhaltigkeit und Vermeidung von Korruption sind entscheidende Erfolgsfaktoren. Ein Auslagern von

Prozessen und der Produktion kann, wenn es nicht mit einer rigiden Kontrolle einhergeht, auf das Unternehmen zurückschlagen. Das zeigen die häufig auftretenden Rückrufaktionen bei den Automobilherstellern. Selbst wenn ein Bauteil von einem unabhängigen Lieferanten irgendwo auf der Welt produziert wird, steht schlussendlich bei Problemen nicht der Lieferant in den Schlagzeilen, sondern der Autohersteller. Diese potenziellen Risiken muss ein Reputation Risk Management auf dem Radar haben. In der Praxis sprechen wir dann von einem integrierten Reputation Management. Wie sieht dieses aus und welche Felder sind hier zu bearbeiten? Der von uns in der Praxis angewandte Reputation-Management-Ansatz ist integriert und systemisch. Einerseits ist das Management der Reputation als integraler Bestandteile in alle Prozesse und über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg integriert. Auf der anderen Seite ist es ein systemischer Ansatz, der nicht nur einzelne Aspekte wie Nachhaltigkeit beinhaltet, sondern alle eine Reputation konstituierenden Elemente und Faktoren, die sogenannten Reputationstreiber wie Kommunikation oder Innovation. Diese Unternehmen beziehen ausgewählte Kunden in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen mit ein. Das schafft Kundenbindung und verhindert Flops. Gerne illustriere ich unser Vorgehen anhand eines realen Beispiels: Eine aus der Fusion von zwei Anbietern entstandene Klinik hatte mit einer Reihe von Reputationsproblemen zu kämpfen. So beschwerten sich zuweisende Ärzte über fehlende Kommunikation und Transparenz im Behandlungsprozess sowie unzureichende Austrittsberichte. PRESTIGE BUSINESS

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Wir brachten Transparenz in diese Blackbox, untersuchten den gesamten Prozess von der Einweisung bis zum Austritt der Patienten, setzten Richtlinien zur Kommunikation mit allen beteiligten Stakeholdern auf und standardisierten die Austrittsberichte. Innerhalb des Unternehmens überwanden wir das Gärtchendenken und die mangelnde Kommunikation mit teamübergreifenden Workshops und Events. Mit diesem ganzheitlichen Vorgehen lösen wir unser Kundenversprechen «We make Reputation Stars» ein. Reputation Management braucht einen langen Atem. Wie sollen das börsennotierte Unternehmen mit ihrem Quartalszeithorizont schaffen? Es gibt Unternehmen, die seit vielen Jahren mit ihrem Reputation Management äusserst erfolgreich diesen Spagat machen, beispielsweise das dänische Pharmaunternehmen Novo Nordisk. Mit dem «Triple Bottom Line»-Geschäftsprinzip berücksichtigt das Unternehmen bei allen Entscheidungen sowohl wirtschaftliche als auch soziale und ökologische Aspekte. Diese «dreifache Verantwortung» ist Grundlage seines Wertesystems. Der Aktienkurs von Norvo Nordisk kennt nur den Weg nach oben und hat sich allein in den letzten fünf Jahren vervierfacht. Es ist also sehr wohl möglich, eine nachhaltige Geschäftspolitik zu fahren und gleichzeitig die Aktionäre zufriedenzustellen. Hier ist ein Verwaltungsrat mit Rückgrat gefragt, der sich hinter das Management stellt. Er muss die langfristige Perspektive einnehmen und sich von kurzfristig orientierten Investoren oder Stakeholdern nicht aus dem Konzept bringen lassen. Das Quartalsdenken ist ein Phänomen der Shareholder-ValueÄra, die viel Schaden angerichtet hat. Ein prominentes Beispiel ist General Electric, das heute nur noch ein Schatten seiner selbst ist. StakeholderValue-Unternehmen – Unternehmen, welche also den integrierten Ansatz in der Praxis leben – sind nicht nur profitabler, sondern auch weniger krisenanfällig. Ein weiteres Beispiel ist Roche. Das Unternehmen lebt Nachhaltigkeit und verfolgt unbeirrt und mit ruhiger Hand eine langfristige Strategie. Roche ist damit wirtschaftlich erfolgreicher als Novartis und lässt den Lokalrivalen auch an der Börse schlecht aussehen. Bei Familienunternehmen haben wir einen längeren Zeithorizont. Wo liegen hier die Herausforderungen? Die Unabhängigkeit ist ein grosser Vorteil der Familienunternehmen und des über Generationen 108

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hinweg denkenden Patrons. Da sie im Privatbesitz befindlich und nicht börsenkotiert sind, haben sie keine kurzfristig orientierten Investoren im Nacken und können selbst in Krisenzeiten an ihrer Vision festhalten. Die Kehrseite der Medaille ist, dass der fehlende Druck von externen Stakeholdern notwendigen Reformvorhaben keine Dringlichkeit verleiht. Ein häufiges Problem ist die Nachfolgeplanung. Viele Patrons lassen keinen starken Verwaltungsrat oder starke Persönlichkeiten im Management zu und geben die Zügel ungern freiwillig aus der Hand. Sie scharen oft nur Jasager um sich. Der Firmengründer wird dann zum Klumpenrisiko, was existenzbedrohende Folgen für das Unternehmen nach sich ziehen kann. In den schon angesprochenen Krisen sind unterschiedliche Branchen völlig unterschiedlich betroffen. Wenn ich eine IT-Sicherheitsfirma leite, bin ich in einem unglaublichen Boom-Markt und leide unter Fachkräftemangel. Wo liegen hier die Stolpersteine? Der «Beschaffungsmarkt» an spezialisierten Kräften ist ausgetrocknet und die raren Talente werden immer wieder mit neuen Anreizen umworben. Unternehmen, die ein professionelles Employer Branding verfolgen, haben hier Wettbewerbsvorteile. Denn gerade IT- und Technologieunternehmen rekrutieren Talente unter den Millennials oder der Generation Y. Diese lassen sich aber nicht mehr in ein unternehmerisches Korsett im Stil eines Nine-tofive-Unternehmens einbinden, sondern fordern grosse Freiheiten und Flexibilität bei der Arbeit. Im Zuge dessen müssen sich Unternehmen von der klassischen Arbeitsweise verabschieden und hybrides Arbeiten oder Home Office zulassen. Demgegenüber leidet das Reisebüro oder die Eventbranche. Braucht es hier nicht andere Werkzeuge und Herangehensweisen? In solchen Dienstleistungsbranchen sehen wir ein Heer von mies bezahlten Mitarbeitern und Freelancern, die viele unbezahlte Überstunden leisten. Es entsteht ein modernes Proletariat aus teilweise hochqualifizierten Arbeitskräften. Gerade die Unterhaltungs- und Eventbranche hat unter den Folgen des Lockdowns massiv gelitten und tut es immer noch. Viele Unternehmen und Branchen sind der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz zum Opfer gefallen. Ganze Weltreisen können am PC geplant und gebucht werden. Wir werden eine Fortsetzung der Konsolidierung dieser Branchen sehen.


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Die Finanzbranche kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Insbesondere am Paradeplatz in Zürich ist man immer wieder mit Skandalen konfrontiert. Die Verteidigungsstrategie lautet: Das ist lange her, wir haben unser Geschäftsmodell verändert und im Übrigen haben auch andere Banken in anderen Ländern keine weisse Weste. Was läuft bei diesen Argumentations­ ketten aus Ihrer Sicht schief? Die Finanzbranche ist eine staatlich geschützte Branche und die Grossbanken sind nicht nur in der Schweiz heilige Kühe. Mit dem Argument, dass die Banken systemrelevant seien, werden dringend notwendige Reformen nicht angegangen. Viele Banker sind immer noch eklatant überbezahlt und bereichern sich auf Kosten der Aktionäre, Anleger und Kleinsparer. Dieses Blockieren von Reformen sowie eine Kette von nicht enden wollenden Skandalen um die Grossbanken schlagen sich auf die Reputation des Schweizer Finanzplatzes nieder, wie internationale Studien belegen. Und die Aufsichtsbehörde FINMA muss sich angesichts nicht enden wollender Krisen berechtigte Kritik gefallen lassen. Ein weiteres wichtiges Stichwort heisst Greenwashing. Jeder schmückt sich heute mit Begriffen wie Nachhaltigkeit und Ökologie. So sehen wir beispielsweise Imagefilme – da ist dieser Begriff doch wieder gerechtfertigt – mit fröhlichen Kaffeebäuer*innen im tropischen Regenwald in Lateinamerika. Jetzt können wir beruhigt Kaffee trinken. In der Realität müssen die Kaffeebäuer*innen wegen des Klimawandels ihre Plantagen aufgeben oder werden von einem Grossgrundbesitzer vertrieben. Wie gehen Sie mit solchen Widersprüchlichkeiten im Beratungsprozess um? Das Problem bei der Nachhaltigkeit ist, dass es keine allgemeingültigen Zertifizierungen gibt. Im Grunde genommen kann jeder Hersteller oder Händler sein eigenes grünes Label kreieren und sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben. Diese Vielfalt verwirrt die Konsumenten. Verwirrung herrscht auch bei Anlegern. Auf Finanzseite arbeiten die EU und die Finanzzentren daran, durch eine Taxonomie – als einheitliches Klassifikationsschema – Orientierung hinsichtlich nachhaltiger Anlagen zu schaffen. Solche Bestrebungen sollten auch in der Landwirtschaft vorangetrieben werden, um die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele operativ und über die gesamte Wertschöpfung umzusetzen. Damit kann effektiv ökologischem Raubbau oder Kinderarbeit entgegengewirkt werden. Die Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative ging sehr knapp aus und beschäftigt in der Schweiz weiter die Parlamente. In Deutschland diskutiert man das Lieferkettengesetz. Wie ist Ihre Position dazu? Wo braucht es den staatlichen Rahmen und wo sollten Marktakteure frei bestimmen können? Grundsätzlich begrüsse ich diese Initiativen, da sie lange im Verborgenen gebliebene, unlautere oder gar kriminelle Geschäftspraktiken von ausgebufften Konzernen, die virtuos juristische Schlupflöcher finden, zu Tage bringen. Aber nicht nur ökologischem Raubbau oder Kinderarbeit muss ein Ende bereitet werden,

Der Reputation-Management-Ansatz ist integriert und systemisch.

sondern auch der Steuervermeidung – zweifellos ein Euphemismus – der Konzerne. Diese Ungerechtigkeit fördert die eklatanten Einkommens- und Vermögensunterschiede. Das konzertierte Vorgehen bei den Russland-Sanktionen hat mich positiv überrascht. Wieso gibt es diese Geschlossenheit nicht im Vorgehen gegenüber Steuersündern? Vorstösse wie die Konzernverantwortungsinitiative sind absolut wichtig, um die Welt gerechter zu machen. Es gilt jedoch darauf zu achten, dass Wirtschaftsstandorten, die sich um solche Vorstösse keinen Deut scheren, keine Wettbewerbsvorteile beschert werden. Ich bin ein Verfechter von positiven Sanktionen und glaube, dass eine Incentivierung von Unternehmen schlussendlich effektiver ist.

Georg Lutz leitet die Redaktion von PRESTIGE BUSINESS. www.reputationmanagement.ch

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ARBEITEN MIT WOHLFÜHLCHARAKTER Anforderungen für moderne Bürolandschaften

© Ippolito Fleitz Group

Vor den Toren Münchens entsteht das Immobilienprojekt «heads» von der Rock Capital Group. Hier sollen sich Menschen wohler fühlen und gesünder arbeiten sowie Job und Leben miteinander verbinden. Die Innenarchitektur in dem 40’000 Quadratmeter grossen Neubau leistet dazu einen entscheidenden Beitrag. Das Design stammt von der renommierten Ippolito Fleitz Group, die weltweit interdisziplinäre Projekte umsetzt: ein Gespräch mit Architekt Gunter Fleitz über New Work, Natur und Lagerfeuer-Atmosphäre. Interviewpartner: Gunter Fleitz Autor: Kai Oppel

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RESTIGE BUSINESS: Welchen Einfluss hat die Gestaltung von Büroflächen auf das Wohlbefinden? Gunter Fleitz: Je wohler sich Mitarbei­ter*innen fühlen, desto besser arbeiten sie. Früher war die Devise bei der Gestaltung von Bürogebäuden oft: Hauptsache Corporate Design, und dann wurden die Wände einfach in Unternehmensfarben gestrichen. Mittlerweile erkennen immer mehr Unternehmen, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen muss. Man muss Räume schaffen, in denen gut und gerne gearbeitet werden kann. Denn: Was gut für die Mitarbeiter*innen ist, ist auch gut fürs Unternehmen.

Gemeinsam mit Peter Ippolito gründete Gunter Fleitz 2002 die Ippolito Fleitz Group.

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Wie gelingt es, dass sich Mitarbeiter*innen wohlfühlen? Das Büro muss ein Ort sein, der begeistert. Die Mitarbeiter*innen sollen stolz auf ihr Arbeitsumfeld sein, dann verbringen sie auch gerne Zeit dort. Stellen wir uns das Büro als eine Heimat vor – als einen Sehnsuchtsort, aber auch als einen Ort mit Reibungsfläche. Unternehmen muss es gelingen, einen solchen Ort der Begehrlichkeit zu schaffen. Das ist nach der Pandemie und dem Aufkommen vom Home Office wichtiger denn je. Das Motto


© Ippolito Fleitz Group

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Viel Licht, viel Grün: In insgesamt vier Atrien können sich die Mitarbeiter*innen treffen und ihre Mittagspause verbringen.

von Rock Capital bei der Konzeption des Gebäudes während der Corona-Krise hiess in etwa: «Wenn Mitarbeiter*innen in Zeiten vom Home Office nicht mehr ins Büro müssen, müssen sie ins Büro wollen.» Welche Rolle spielt die Gestaltung von Räumen? Verhaltensweisen werden von räumlichen Anstössen geprägt. Lassen Sie mich ein einfaches Beispiel ausführen: Wenn es einen attraktiven informellen Treffpunkt wie eine Lounge oder einen Stehtisch, an dem ich immer wieder vorbeilaufe, gibt, dann werde ich automatisch öfter dort stehenbleiben und mit Kolleg*innen ins Gespräch kommen. Allein, dass ein solcher Ort vorhanden ist, beeinflusst also mein Verhalten. Dieser Austausch ist aber bei Weitem kein Privatvergnügen. Das informelle Zusammenkommen führt zu schnelleren Entscheidungen und dazu, dass Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen ins Gespräch kommen. Orte, an denen man unkompliziert kommu-

nizieren kann, tragen also zu einer schnelleren und ganzheitlichen Entscheidungsfindung bei. Diese Haltung zeigt sich auch bei der Gestaltung des Neubaus «heads» von Rock Capital. Dort gibt es Atrien, in denen man sich zum Austausch treffen kann, sowie viele Flächen, die nicht allein Schreibtischen gewidmet sind. Das Büro der Zukunft hat die Bedeutung eines Lagerfeuers. Es ist der Ort, an dem Menschen zusammenkommen. Wie sollten Büros gestaltet werden? Brauchen wir mehr Stehtische oder informelle Orte? Die Büros von morgen sollten entlang der Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen konzipiert sein. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen an einem Laufweg, an dem immer wieder Kolleg*innen vorbeikommen. Keiner fühlt sich wohl, wenn man nicht weiss, wer hinter einem vorbeigeht und wer auf den Monitor schaut – selbst wenn man da nur für eine Stunde sitzt. Das ist das Gegenteil von Geborgenheit. PRESTIGE BUSINESS

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Mitarbeiter*innen sollten das Gefühl haben, dass der Raum für den jeweiligen Moment ganz ihnen gehört. Dafür braucht es Schutz und Identifikation. Aneignung – also der Aufbau einer Beziehung zu Dingen oder einer Umgebung – ist ganz wesentlich, besonders in Zeiten allgemeiner Verunsicherung, wie wir sie gerade erleben.

Die Auflösung fester Arbeitsplätze, also das nonterritoriale Arbeiten, ist gerade in aller Munde. Ist in solchen Arbeitswelten Sicherheit und Geborgenheit überhaupt möglich? Mitarbeiter*innen dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie austauschbar sind, dass ihr Platz im Unternehmen sinnbildlich von jedem ausgefüllt werden kann.

© Beyond Visual Arts, Rock Capital Group

«Das Büro der Zukunft hat die Bedeutung eines Lagerfeuers.»

Ein Nebeneinander von Rückzugsorten und Gemeinschaftsflächen im «heads».

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Sie müssen sich überall wertgeschätzt und beheimatet fühlen, das hilft dem Wohlbefinden und dem Aktivitätslevel. Beim nonterritorialen Arbeiten darf nie die Effizienz im Vordergrund stehen, sondern das Bedürfnis der Mitarbeiter*innen. Fliesst das Thema Gesundheit bei Ihrer Arbeit direkt in die Gestaltung ein oder ist Gesundheit am Arbeitsplatz eher ein Nebenprodukt? Gesundheit ist ein wichtiges Element für viele unserer Kund*innen wie «heads». Das grosse Thema, das darübersteht, ist jedoch die Weiterentwicklung der WorkLife-Balance. Wir arbeiten nicht mehr nur im Büro, sondern auch zu Hause und so-


© Steinlein, Rock Capital Group

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Designerstühle, Latte macchiato und Bällebad waren gestern: Nach der Covid-19-Pandemie ist Gesundheit ein Anspruch an moderne Arbeitswelten.

mit vermischen sich Work und Life. Es braucht ein gesundes Umfeld, aber nicht nur im Headquarter, in dezentralen Hubs oder zu Hause, sondern insgesamt. Ein Unternehmen ist dann erfolgreich, wenn es die Gesundheit der Mitarbeiter*innen an verschiedenen Orten erhält – ohne zu differenzieren zwischen Arbeiten und Leben. Gestalter*innen sind verantwortlich, einen Beitrag dafür zu leisten, dass die Mitarbeiter*innen gesund sind. Wie kann das konkret aussehen? Es geht etwa um die Frage, ob ich während der Mittagspause den Lebensmitteleinkauf gut und ohne Stress erledigen kann. Im «heads» gibt es dafür ganz praktisch per App buchbare Kühlboxen im Foyer. Oder nehmen Sie den Aufwand, den Eltern haben, um ihre Kinder morgens am anderen Ende der Stadt in den Kindergarten zu bringen. Im «heads» gibt es deswegen eine hauseigene Kita. Auch Fitness ist ein Thema. Wer sein Sportprogramm unkompliziert in der Nähe des Arbeitsplatzes in den Tagesablauf integrieren kann, bleibt eher in Bewegung. Mit dem richtigen Bürogebäude werden Gesundheit und Wohlbefinden mit dem Job vereint. Das reicht bis hin zu Duschen, damit Mitarbeiter*innen öfter mit dem Rad kommen. Wie kann es Unternehmen und Architekt*innen darüber hinaus noch gelingen, gesündere Arbeitsplätze zu schaffen? Das Material und die Frage nach dessen Herkunft und Lebenszyklus, das Sourcing, ist ein wichtiger PRESTIGE BUSINESS

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© Beyond Visual Arts, Rock Capital Group

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Die Ex-Wirecard-Zentrale in Aschheim ist die Blaupause für das gesunde Büro von morgen.

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Baustein. Ob Haptik oder Hygiene: Material muss leicht zu reinigen sein. Die Materialauswahl wird immer wichtiger und muss nachhaltigen und bauökologischen Ansprüchen gerecht werden.

Aktenordnern, verschanzten Mitarbeiter*innen. Keine Begegnung, kein Austausch, sondern Vereinzelung: So etwas macht krank. Das hängt also nicht nur vom Material ab.

Laut Studien leiden 30 Prozent unter Materialien in Büros, die sie krank machen. Ist das Vergangenheit oder wird immer noch viel verbaut, was da nicht hingehört? Wenn wir neue Kund*innen besuchen, sehen wir manchmal grosse Unternehmen mit Einrichtungen aus den 60er-Jahren. Das sind Bürogebäude mit langen Gängen und Bürozellen, grauen

Was macht einen Arbeitsplatz neben Abwechslung noch gesünder? Gewiss die Raumakustik, also die Nachhallzeiten und damit die Sprachverständlichkeit. Das muss an die Raumgrösse und die Anzahl der Mitar­beiter*innen angepasst werden – eine grosse Herausforderung, gerade wenn die Büros wie seit der Pandemie unterschiedlich voll sind. Akustik ist entscheidend für das

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Es braucht einen Mix aus gelungener Beleuchtung, einem schlüssigen Materialkonzept und der passenden Raumakustik. Macht das in Summe Wohlfühlen und Gesundheit aus? Es ist nie die Konsequenz aus nur einem Faktor. Zudem ist Gesundheit bei Gebäuden eine individuelle Frage, da jedes Objekt anders ist und andere Voraussetzungen mitbringt. Was an Fahrt gewonnen hat, ist das Thema Raumklima. Durch die nachhaltigen Konzepte ist es heute nicht mehr die Klimaanlage, die zu extrem eingestellt wird und Mitarbeiter*innen krank macht. Gemeint sind gute Raumkonzepte mit gutem Luftwechsel. Rock Capital verfolgt beim «heads» mit dem «immune office» einen völlig neuen, sehr interessanten Ansatz. Dort wurden erstmals in grossem Stil Anlagen für Lüftungstechnik verbaut, wie man sie in Krankenhäusern findet. Die Luft wird dadurch noch reiner, die Übertragung von Krankheiten durch Aerosole minimiert. Gerade in Besprechungsräumen wird dieses Thema in einigen Jahren Standard sein. Wichtig ist zudem die Luftfeuchte. Wir hatten ein Projekt, bei dem die Mitarbeiter*innen viele Atemwegsinfekte hatten, weil die Raumluft zu trocken war. Dort haben wir 3 000 Pflanzen untergebracht, damit ist die Luftfeuchte von knapp 20 Prozent auf 50 Prozent gestiegen – ohne etwas an der Haustechnik zu verändern. Die Krankheitsrate hat sich um die Hälfte reduziert. Das Stichwort lautet Biophilic Design: Die Menschen tanken Energie über die Pflanzen und das tut ihnen gut.

Wohlbefinden: Ich möchte nicht, dass jedes Wort von mir im ganzen Büro zu hören ist. Sie beschäftigen sich neben der Akustik viel mit Licht. Wichtig ist, dass nicht ein Lichtsee die Mitarbei­ter*innen den ganzen Tag gleichmässig bescheint. Besser sind individuelle Lichtszenen, bei denen der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin das passende Licht

nach Stimmung wählen kann. Das reicht bis hin zum «human centric lighting». Bei einem tiefen Raum wird dann der Tageslichtverlauf nachempfunden. Auch mit künstlichem Licht können Mitarbeiter*in­ nen natürlicher arbeiten. Bei einigen Projekten haben wir Lichtduschen eingebaut. Gerade an trüben Wintertagen können die Mitarbeiter*innen dort Licht tanken – und mehr Energie bekommen.

Gunter Fleitz gründete und leitet die Ippolito Fleitz Group. www.ifgroup.org

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DISRUPTIVE ENTWICKLUNGEN IN INNOVATIONEN UMSETZEN Autor: Elias Barth

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aum eine Branche erlebt aktuell eine so tiefgreifende Disruption wie der Handel. Internet-Giganten wie Amazon stellen das Geschäftsmodell etablierter Händler*innen infrage. Tiefe Preise, eine unendliche Produktauswahl und eine immer bessere Convenience erzeugen eine nachhaltige Value Proposition. Amazon steht nicht allein da. Unternehmen wie Zalando oder Alibaba haben sich in kürzester Zeit zu dynamischen Unternehmen entwickelt, die unsere Retail-Landschaft auf den Kopf stellen – und das in einer globalen Dimension. Die drastischen Veränderungen lassen sich am besten mit einem Blick in die Geschichte und die darin enthaltenen Umwälzungen und Entwicklungsschritte verdeutlichen. Dann kann man auch einen Blick auf die kommenden Jahre wagen. 1990 dominierte der stationäre Handel. Klassische Kaufhäuser, Versandhäuser mit dicken Katalogen und familiäre Einzelhändler dominierten die Vertriebswege. Mit dem Aufkommen des Internets und der E-Mail-Kommunikation wurden Multi-Channel-Lösungen entwickelt. Zunächst sollten sich die «jungen Wilden» um den Online-Vertrieb kümmern. Der grosse Rest arbeitete weiter am Status quo. Solche Strategien scheiterten oftmals. Erst als es zu einer Verzahnung beider Welten kam, stellten sich Erfolge ein. Vor zehn Jahren begannen wir, mit Omni-Channel-Lösungen zu arbeiten. 116

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Heute kommen die Social-Media-Kanäle dazu. Influencer*innen gewinnen an Bedeutung. Und was bringt die Zukunft? Vielleicht werden wir in zehn Jahren virtuelle Vertriebskanäle mit Avatars als Akteure haben. Das ist Zukunftsmusik. Es kann aber schneller kommen, als wir uns das heute vorstellen können. Es gilt, vorbereitet zu sein. Wer in Zukunft im Handel eine Rolle spielen will, muss sich mit Blick auf die angeführten Beispiele transformieren. Fest steht: Egal ob Online-Pure-, OmniChannel- oder klassischer Brick’n’MortarHändler, die Bedeutung von Retail-Technologien für eine erfolgreiche Transformation kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie ermöglichen Händler*innen, sich gegenüber Wettbewerber*innen zu differenzieren und Kund*innen zu überzeugen. Wer heute allerdings einen Blick auf den Einsatz von KI-Technologien im Branchenvergleich wirft, sieht sofort: Der Handel hinkt hinterher. Die Digitalisierung wird immer noch zögerlich vorangetrieben und könnte für den ein oder anderen Händler zum Verhängnis werden. Prof. Rudolph und das Forschungszentrum für Handelsmanagement der Universität St. Gallen (IRM-HSG) haben daher eine neue Konferenz lanciert, um den Austausch zwischen Technologieunternehmen und Händler*innen zu intensivieren. Dies ist als Startschuss für einen Prozess zu verstehen. Am 18. März haben sich dazu


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knapp 150 Retail-Tech-Enthusiasten in St. Gallen zur ersten HSG. Retail Tech Konferenz getroffen. Als Speaker waren Vertreter von namhaften Unternehmen wie Google, SAP, Meta, IBM, Microsoft oder Amazon Web Services dabei. Im thematischen Zentrum der Veranstaltung stand die Herausforderung, wie Händler*innen mit dem wandelnden Konsumentenverhalten umgehen sollen. Mit dem Aufkommen des Internets und der zunehmenden Verlagerung der Einkaufsgewohnheiten in den digitalen Raum, vervielfachen sich die Schnittstellen zwischen Konsument*innen und Händler*innen. 1999 haben Konsumenten am Tag knapp 43 Minuten im Internet verbracht. 2021 lag der Wert bereits bei mehr als 190 Minuten. Wie die Entwicklung weitergehen wird, ist zentral für die Geschäftsmodellentwicklung von Handels- sowie Tech-Unternehmen. Prof. Rudolph verweist zumindest auf die neuen Möglichkeiten im Metaverse, die eine zukünftige Veränderung des Kaufverhaltens erahnen lassen. Bereits heute können Konsument*innen einen Grossteil ihres Lebens im Metaverse verbringen. Falls diese Entwicklung sich weiterhin fortsetzt, müssen Technologieunternehmen und Händler*innen diesen Absatzkanal für sich entdecken. Die Paneldiskussion über die Generation Z und Social Commerce schloss sich thematisch an die Veränderung des Konsumentenverhaltens an. Alexia Nüssli von TikTok zeigte, wie dominierend die App für die Generation Z mittlerweile ist. Knapp ein Drittel aller TikToker verbringen mehr als zwei Stunden pro Tag auf der App. Dennoch sind Schweizer Händler*innen bisher zurückhaltend im Umgang mit diesem neuen Medium. Der Leiter für das digitale Marketing von On, Markus Büchel, sah hier noch Entwicklungspotenzial – unter der Voraussetzung, dass die Generation Z als Zielgruppe auch relevant für das Unternehmen ist. Hier gilt es, ein tiefes Kundenverständnis zu haben, um den richtigen Zeitpunkt zu erwischen und von den neuen Technologien zu profitieren. Die Veranstaltung endete mit einem Fireside Chat und einer kontroversen These von Herrn Schambach, dem Gründer von

Intershop und einem Pionier des E-Commerce. Laut seiner Einschätzung wird der Multi-Brand-Brick’n’Mortar-Handel langfristig aussterben. Marken werden zunehmend die Innenstädte mit Mono-Brand-Stores dominieren und sich über Leistungs- und Kostenvorteile von der Konkurrenz differenzieren. Zum Beispiel können essenzielle Serviceleistungen wie das Retourenmanagement effektiver vom Hersteller selbst koordiniert werden als von einem klassischen Händler. Prof. Rudolph sieht die Zukunft dagegen nicht so düster. Multi-Channel-Händler überzeugen durch ein Leistungsversprechen, das sich beispielsweise durch ein markenübergreifendes Sortiment und eine Beratung auszeichnet, die losgelöst ist vom Markenzwang. Das kann beim Kunden Vertrauen und Transparenz schaffen – Merkmale, die gerade für die gut informierte Generation Z ein KillerKriterium sein könnten. Zusammenfassend zeigt sich, dass der Schweizer Handel sich intensiv mit digitalen Themen befasst. Zwar zeigen Statistiken, dass die Durchdringung von ausgewählten Technologien wie KI noch nicht so fortgeschritten ist wie in anderen Ländern. Jedoch ist die Bereitschaft und auch die Kompetenz vorhanden. Die Frage ist vielmehr, ob der Kunde diese Lösungen bereits heute verlangt und wann Handel- sowie Technologieunternehmen darauf reagieren.

Elias Barth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Forschungszentrum für Handelsmanagement der Universität St. Gallen. Darüber hinaus leitet er ein, von der Schweizerischen Innovationsbehörde (Innosuisse) finanziertes, Forschungs­ vorhaben, das in Kooperation mit Valora, Migros Genossenschaft Zürich, Swisslog und UNITY einen Robot-Readiness-Index für den Handel entwickelt. www.irm.unisg.ch

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OUT OF THE BOX

INNEHALTEN ALS INSPIRATION Die Suche nach natürlicher Intelligenz

Im Garten geduldig auf die richtige Zeit warten. 118 PRESTIGE BUSINESS


OUT OF THE BOX

Wir sind unterwegs, in Bewegung, immer drin in irgend­ welchen Lagen und Situationen – und weil sich ständig viel verändert, müssen wir uns immer wieder zurechtfinden, orientieren. Auf was und wen kann ich mich verlassen, im Gewusel des Alltags, in Beruf und Betrieb, in meinen Beziehungen mit anderen und mir selbst? Im Normalbetrieb kann ich vieles durchwinken und durchwischen. Doch ab und zu kommt das Leben dazwischen und es gibt schwer zu denken. Ich muss mich zurechtfinden, mich orientieren. Eine Sicht gewinnen, Zuversicht gewinnen für die Lagen, in die ich, in die wir gekommen sind und wie es weitergehen kann. Wie aber denke ich? Wie orientiere ich mich? In dieser und jener konkreten Sache? Mit dem folgenden Essay beginnt eine Serie, um hier Antworten zu finden. Autor: Werner Aebischer

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eder Mensch hat seine eigenen Erfahrungen, kommt zu seinen eigenen Einsichten, hat seine eigenen Denkgeschichten. Aus Schaden und Frust wird man nicht automatisch klug. Nachdenken kann die Lernchancen verbessern. Als Anregungen für die persönliche Reflexion skizziere ich in dieser und in den nächsten Ausgaben einige Überlegungen, die mir in langjährigem und vielfältigem Projektmanagement geholfen haben. Aber man ist ja nie nur Projektleiter, sondern gleichzeitig auch Familienvater und Mensch, der für sich selbst schauen will. Es sind Denkweisen, die mir geholfen haben, komplexe Situationen und Entwicklungen in zuversichtlicher Grundstimmung und klärender Vernunft zu durchdenken.

IM INSPIRATIONSBIOTOP

Verborgen hinter einer Villa aus der Gründerzeit, in einem edlen Vorstadtviertel, nur mit privilegiertem Zutritt, finden wir einen «Secret Place», einen stillen, geheimnisvollen Ort, einen alten, schon etwas verwilderten Garten. Wir setzen uns in einem abgeschiedenen Winkel auf eine Gartenbank. Wir haben einen guten Ort zum Denken und für ein Gespräch gefunden. Hier kann ich auf die eigenen leisen Stimmen hören, ihnen eine Gelegenheit geben, sich bemerkbar zu machen. Hier kann ich den eigenen Gedanken eine Chance geben, sich zu zeigen. Das Gespräch mit mir selbst zu pflegen kann ein erster Schritt sein, reflektiert, vielleicht handschriftlich, langsam, so komme ich in der Folge zu einem guten Austausch mit Freunden und Freundinnen. Ideen können, wie die Vögel und Bienen im Garten fliegen.

Dieses eine Mal keine künstliche Intelligenz. Wir sind dann mal im Garten, lösen den fokussierten Blick vom Display, entspannen uns und schauen ins Grüne. Manchmal geht das auch in der Stadt.

Gärten sind innovative Orte. Die Menschen fingen im Garten Eden an und die Philosophen schätzten den Garten und die Menschen in der Stadt praktizieren PRESTIGE BUSINESS

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OUT OF THE BOX

Urban Gardening. Bleibende Wertschätzung des Gartens. Hier in Basel denke ich gerne an Klostergärten, an Heilpflanzen, Vorläufer der Pharma, der Life Sciences, der Lebenswissenschaften. Gärten als Orte der Lebenswissenschaften.

MIT DEM GARTEN DENKEN Ein Garten ist eine inspirierende Lernumgebung – ein Creative Space. Im Garten mache ich mir meine Gartengedanken. Bei Gartennachdenklichkeiten gewinne ich Einsichten in Säen, Gedeihen, Wachsen und Entwicklungen. Jeder Garten hat seine eigenen Geschichten, ist auf seine Weise geworden – wie wir als einzelne Menschen, als Familien, als Unternehmen und Gesellschaft. All das ist geworden und im Werden. «Mit dem Garten denken» erlebe ich als gute Erweiterung meines gewohnten Denkens.

LEIB, SEELE UND GEIST Im Garten spüren wir die Wirkungen von Lebenskräften. Wir werden belebt. Er tut uns gut. Wir empfinden hier, mehr als an anderen Orten, Kräfte, die uns im Leben, am Leben halten. Das ist nicht nur ein schöner Gedanke, das ist vor allem Praxis. Nach der Arbeit, an Sommerabenden und freien Samstagen, fuhren meine Eltern mit dem Velo zu ihren zwei Gemüsegärten. Hier wachsen Kartoffeln, Karotten, Lauch, Kopfsalat und Petersilie. Ein Garten ernährt unseren Leib. Aber auch unsere Seele und unseren Geist. In jedem Garten finden wir für unsere Seele Schönheit. Im Garten meiner Eltern war es für mich ein grosser Gartenmohn. Wie ernähren wir uns? Dabei denken wir über den Tellerrand hinaus. Wie und womit ernähre ich meine Seele? Wie meinen Geist? Was nehme ich auf? Was gebe ich mir zu hören, zu sehen, zu fühlen? Wie bekömmlich ist das für mich, für uns? Das Weiterdenken solcher Fragen ist anspruchsvoll.

EIN GARTEN IST KEINE IDYLLE Im Garten gewinnen wir Einsichten in Realitäten. Schmackhaftes Gemüse, schöne Blumen und Mäuse, die uns die Tomaten fressen, und Mehltau, der die Rosen zerstört. Im Garten kommen wir auf den Boden, werden bodenständig. Gartenerfahrungen helfen zu sehen, was Odo Marquard sagt: «Die Welt ist mehr Nichtkrise als Krise: Sie ist gewiss nicht der Himmel auf Erden, aber auch nicht die Hölle auf Erden, sondern die Erde auf Erden.»1 Wie im Garten haben wir es auch ausserhalb des Gartens immer mit Vermischtem zu tun. Mit Licht und Schatten, mit «Chrut u Uchrut». In uns selbst, in unseren Mannschaften und Teams, unseren 120

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Betrieben, in unseren Gemeinden, aber auch in Büchern, Konzerten, Programmen und Geräten. In allem, was es gibt. Unsere Praxis spielt sich in Spannungsfeldern ab. Zwischen den Idealen. Wir müssen herausfinden, was in diesem konkreten Fall geht, gut genug ist, was wir erwarten dürfen. Vielleicht werden wir sogar Freunde oder Freundinnen der Wirklichkeit. In den gegenwärtigen Zeiten der Extreme ist die Suche nach einer «mittleren Linie» schwierig und die Klärung unserer Erwartungen wichtig.

GARTENZEIT UND ZEITEN Ein Garten ist kein Quickie. Nur die Schnecken sind schnell. Ein Garten spielt mit den Jahreszeiten zusammen. Aber auch mit den Jahreszeiten der Jahre, täglich mit dem Wetter, Jahrzehnte mit dem Klima. Wie im Rebberg gibt es manchmal Spitzenjahre, Kometenweine, grossartige Jahrgänge, aber auch Frost im April, Hitzewellen im Sommer oder wie dieses Jahr einen sehr trockenen März. Im Garten kommen die Zeiten zusammen. Auch das muss man aushalten. Geduld üben, Warten lernen, dabeibleiben im Auf und Ab des eigenen Lebens, in der Familie, in der Ausbildung, im Unternehmen. Auf einem Grabstein im Wolfsgottesacker in Basel lese ich am Sonntag, 16. Dezember 2017: «Wir ernten beständig, was wir nicht gesät haben; wir sollen auch säen, was wir nicht ernten können.» Das ist eine Langzeitperspektive auf dem Boden, den unsere Vorfahren jahrhundertelang bearbeitet haben. Kultiviert. Die Gefühle in schwierigen Zeiten erwecken oft den Eindruck, dass es nun ewig so belastend weitergehen wird, dass sich dieser eine Moment zur Ewigkeit ausdehnen wird. Hier lernen wir, auf Zeit zu spielen. Meine Eltern sagten, wenn sie getan hatten, was ihnen möglich war: «Morgen ist auch noch ein Tag.» Gartendenken rechnet mit langsamen und oft langwierigen Prozessen, hofft aber nüchtern auf nächste Tage, ist zukunftsoffen, wartet geduldig auf die richtige Zeit, in der die Vorhaben gelingen. Den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat, die richtige Zeit für ein Vorhaben in einem Unternehmen, in einer Beziehung, bei sich selbst. Mit der Zeit lernen Menschen, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Im Garten bleibt vieles in der Schwebe, wird gepflegt, den Pflänzchen gut zugeredet, bis zu sehen ist, was sich zeigt. Steffi giesst ihre Pflanzen an heissen Tagen oft zweimal. Ob sie nicht eine Bewässerung einrichten will, fragte ich. «Nein, ich will mit eigenen Augen sehen, wie es ihnen geht.» Das erinnert mich an Vaclav Havel:


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«Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.»

DIE BEDEUTUNG DES GARTENHAGS Auch dieser Text zum Gartendenken muss begrenzt werden. Der Gartenzaun, der Gartenhag begrenzt gegen aussen und gegen innen. Der Zaun begrenzt meine Verantwortungen, meine Arbeitsfelder, meine Gartenbeete. Ein anderes wenig gebräuchliches Wort für einen Zaun ist «Umfriedung». Die Begrenzung, der Zaun dient meinem Frieden. Ich kann mich Fragen wie diesen widmen: Welchen Gedanken gebe ich Platz? Welche pflege ich? Welche meiner Gedankenkeimlinge ziehe ich auf? Welche Gedankenbüsche sollen weiterwachsen? Was lasse ich Wurzeln schlagen? Ab und zu jäte ich meine Agenda. Ausreissen, löschen, radieren, eine mühsame Arbeit. Aber es gibt Platz für das, was ich will. In meinem Garten muss ich meine Verantwortungsfelder, meine Themenbeete pflegen. Oft geht es weniger um To-do-Listen. Wichtiger sind die Not-to-do-Aufstellungen. Ich erkenne meine

Motivationen besser an dem, was ich nicht tue – zugunsten dessen, was mir wichtig ist. Opportunitätskosten, Gartenlogik. So finde ich Zeiten und Orte für das eigene Nachdenken.

ANMERKUNG 1.) Odo Marquard war Professor für Philosophie an der Universität Giessen. Das Zitat ist aus «Skepsis in der Moderne», Philosophische Studien, Reclam Verlag, Stuttgart.

Werner Aebischer, war Berufsschullehrer für Chemieberufe, später Berater für Schüler*innen im Übergang von Schule und Beruf und verant­wortlich für den Aufbau und den Betrieb eines Qualitäts­managements am heutigen Zentrum für Brücken­angebote, Basel. Heute ist er im Ruhestand, Autor von meinephilo.ch und Mitverfasser des Grenzwanderbuches in der Region Basel «Von Stein zu Stein», erschienen im Reinhardt Verlag Basel. www.meinephilo.ch

Werner Aebischer in seinem Garten auf der Suche nach dem mittleren Weg jenseits der Extreme.

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© Audi Schweiz

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DIE TREIBER EINES PARADIGMENWECHSELS Design, Technologie und Nachhaltigkeit

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© Audi MediaCenter

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Audi skysphere concept heisst der elektrisch angetriebene offene Zweitürer, dessen Linienführung zum Audi-Design von morgen führt.

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Mit gleich drei neuen Konzeptfahrzeugen gewährt Audi einen vielversprechenden Vision auf Premium-Automobile der nahen Zukunft. Wie es für den Hersteller der Vier Ringe üblich ist, vereinen sich dafür Techno­ logie und Design. PRESTIGE BUSINESS sprach mit Marc Lichte, Leiter Design AUDI AG, und Henrik Wenders, Leiter Marke Audi, über die Bedeutung einer klaren Design­linie und die Mobilität von morgen. Interviewpartner: Marc Lichte und Henrik Wenders Autor: Georg Lutz

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RESTIGE BUSINESS: Welche Bedeutung schreibt eine Marke wie Audi seiner Designsprache zu? Marc Lichte: Ganz klar: Audi ist eine Designmarke, die für pure, zeit- und kompromisslose Form steht. Diese progressive Gestaltung verbinden wir konsequent mit innovativer Technologie – und bringen so Form und Funktion, Design und Technik in perfekte Harmonie. Ich bin sicher, dass das der Grund ist, warum Design auch der Kaufgrund Nummer eins bei den Vier Ringen ist. Das gesamte Autobauen, wie wir es seit 100 Jahren kennen, ändert sich jedoch gerade fundamental. Wie verändert der technologische Fortschritt die Designsprache eines Autos? Marc Lichte: Autos wurden doch bis dato immer gleich gedacht: Ingenieur*innen entwickelten die Plattform, dann kam der Motor, anschliessend hat man sich dem*der Interieur*in gewidmet. Elektromobilität, Digitalisierung und das automatisierte Fahren sorgen nun für einen technologischen Umbruch im Automobilbereich und das Design formt diesen Paradigmenwechsel – im wortwörtlichen Sinn. Die Elektromobilität auf der einen Seite bietet die perfekten Voraussetzungen, um die schönsten Autos zu gestalten, die es je gab. Denn die Grundlage für gutes Design sind immer die Proportionen. Der Antriebswechsel in der E-Mobilität befreit das Automobil-Design. Dank des emissionsfreien und langstreckentauglichen Elektroan-

triebs sind kurze Überhänge und ein langer Radstand, dazu eine schlanke Kabine auf einem kräftigen Körper möglich. Anstelle des Motors ermöglicht nun der elektrische Antrieb im Bereich der Achsen und der Batterie im Boden neue Gestaltungsspielräume. Besonders der Innenraum des Fahrzeugs gewinnt so an Leichtigkeit und Funktionalität. Das bemerken die Kund*innen ganz bewusst, denn das Raumangebot präsentiert sich wie im nächsthöheren Segment. Es entsteht ein Erlebnisraum mit tollen Möglichkeiten für Designer*innen, aber letzten Endes für unsere Kund*innen. Henrik Wenders: Bei all diesen Möglichkeiten, die sich ergeben, besteht aber die Herausforderung darin, etwas radikal Neues zu schaffen, ohne mit Sehgewohnheiten zu brechen. Das klingt grundsätzlich einfach, ist aber bei einem Automobil das Schwierigste überhaupt. Bezogen auf die aktuellen Studien, Audi skysphere concept, Audi grandsphere concept und bald Audi urbansphere concept, die ja dank Elektrifizierung keinen Platz mehr für grosse Motoren oder Getriebe benötigen, bedeutet das, einen maximal grossen und komfortablen Innenraum oder eben viel mehr «Erlebnisraum» zu haben. Welche Rolle bei der Konzeption neuer Fahrzeuge spielt das autonome Fahren? Marc Lichte: Ich spreche aus tiefster Überzeugung, wenn ich sage: Der Umstieg auf das automatisierte Fahren wird der Gamechanger bei der Mobilität. PRESTIGE BUSINESS

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Denn es verstärkt die beschriebene Entwicklung ganz enorm. Bisher haben wir neue Modelle immer auf die gleiche Art und Weise konzipiert: Zuerst wurde der Motor entwickelt, dann entschieden, für wie viele Personen das Fahrzeug ausgelegt wird. Erst ganz zum Schluss wurde über die jeweilige Karosserie nachgedacht. Für unsere Konzeptfahrzeuge Audi skysphere, grandsphere und urbansphere haben wir den Prozess komplett umgedreht und die Fahrzeuge vom Innenraum ausgehend entwickelt. Dieser stand während des Designprozesses immer im Mittelpunkt – und damit das Erlebnis des Menschen. Der heutige Designprozess beginnt also mit der Frage, welche Bedürfnisse die Fahrgäste haben und wie das Automobil ihren Aufenthalt zu einem Erlebnis im besten Sinn aufwerten kann. Es steht dann weniger die klassische Verbindung von Fahrer*in und Fahrzeug – Lenkrad, Instrumente, Pedale – im Vordergrund, sondern der Aufenthalt im Fahrzeug. Der Innenraum wird zum Kern des Gesamtfahrzeugs.

© Audi MediaCenter

Henrik Wenders: Und diese Gestaltung kommt am Ende den Kund*innen zugute, die unsere Fahrzeuge nutzen. Das ist auch unser grundlegender Gedanke: Der Mensch steht im Mittelpunkt all unserer Überlegungen. Wir planen perspektivisch ein holistisches, digitales Ökosystem rund um die Fahrzeuge aufzubauen. Das ist das Premium der Zukunft: Das Erlebnis mit unseren Produkten wird entscheidend. Aus dem Fahrzeug wird ein Experience Device.

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Der Privatjet für die Strasse – der Audi grandsphere concept verbindet den Luxus des privaten Reisens in höchstem Komfort mit einem umfassenden Erlebnisangebot an Bord.

Wie steht es mit der Reichweite und der Infrastruktur für die Elektromobilität? Werden Audi-Kund*innen Vorteile haben in Sachen Schnellladesäulen? Henrik Wenders: Laden wird zukünftig ein enorm wichtiges Thema werden für die Skalierung der Elektromobilität. Laden muss so einfach werden wie tanken. Deshalb bieten wir unseren Kund*innen jetzt schon den Audi e-tron Charging Service: Mit einer einzigen Karte kann an mehr als 306’000 Ladepunkten in 26 Ländern Europas geladen werden – egal ob AC- oder DC-Laden bei über 500 verschiedenen Anbietern. Das ist unglaublich komfortabel. In Nürnberg haben wir im vergangenen Jahr ausserdem ein Pilotprojekt gestartet: den Audi charging hub. Wir sehen dies als ein ergänzendes Angebot für Premiumbedürfnisse in der Stadt: Ausgestattet

ist dieser mit sechs Schnellladepunkten mit bis zu 320 Kilowatt Ladeleistung, die Ladepunkte können von Audi-Kund*innen vorab reserviert werden und für die Wartezeit steht eine Lounge zur Verfügung. Ab Sommer testen wir einen zweiten Piloten in Zürich und wollen das Konzept weiter ausrollen. Welche Strategie verfolgen Sie mit den drei Konzeptfahrzeugen Audi skysphere concept, Audi grand­ sphere concept und Audi urbansphere concept? Marc Lichte: Die drei Konzeptfahrzeuge geben ganz unterschiedliche Interpretationen von Premium-Automobilen der nahen Zukunft, für unterschiedliche Anwendungsbereiche. Alle drei sind selbstverständlich elektrisch angetrieben und auch fähig zum automatisierten Fahren. Das besondere sind aber die Visionen für das Interieur. Hier zeiPRESTIGE BUSINESS

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© Audi Schweiz

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Henrik Wenders: Wir zeigen mit den drei Konzeptfahrzeugen die Möglichkeiten auf, die das automatisierte Fahren unseren Kund*innen, den User*innen, bieten wird. Ich werde unabhängig von Zeit und Raum. Die Reise an sich ist nicht mehr das Entscheidende. Vielmehr stehen die Erlebnisse, die unseren Kund*innen zukünftig während der Fahrt geboten werden, im Mittelpunkt. Im Sinne einer Human Centricity bekommen die User*innen Freiheiten in jeglicher Hinsicht: Durch das automatisierte Fahren kann in Zukunft möglicherweise das Auto zu einem Raum werden, in dem die Passagiere durch die digitale Anbindung arbeiten, entspannen oder Freund*innen treffen können. Das holistische digitale Ökosystem wird es ermöglichen, Erlebnisse über das Fahren und die Reise hinaus zu eröffnen. Konkret heruntergebrochen auf die einzelnen Fahrzeuge: Während der Audi skysphere concept ein zweisitziger Roadster ist, zeigt sich der Audi grandsphere concept als konkreter Ausblick auf eine OberklasseLimousine, die ab Mitte des Jahrzehnts auf die Strasse kommen wird. Der Audi urbansphere concept wird am 19. April enthüllt. Ich kann nur so viel sagen: Es wird ein revolutionär neues Raumkonzept.

Die Zukunft in der Serie: Mit dem Audi e-tron GT zeigt Audi bereits, welchen Einfluss sich verändernde Technik auf die Formensprache hat.

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gen wir völlig neue Konzepte, die den User*innen maximale Freiheit geben: Sie befinden sich sozusagen in anderen Sphären, verglichen mit aktuellen Fahrzeugen. Ich wurde neulich gefragt, wie ich Luxus definieren würde. Für mich ist das eine einfache Rechenformel: Luxus = Zeit. Diese AudiModelle schenken mir buchstäblich Zeit. Denn während das Auto mich selbstständig von A nach B bringt, kann ich mich entspannen, arbeiten oder mit anderen Menschen kommunizieren. Dieser neue Freiraum ist für mich ein sehr schöner Ausblick in die nahe Zukunft.

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Revolutionäres Denken ist auch für eine nachhaltige Produktion notwendig. Welche Ziele verfolgt Audi dabei? Henrik Wenders: Generell ist für uns bei Audi klar: Die Zukunft ist nachhaltig und somit auch elektrisch. Ab 2026 – und das ist nicht mehr weit weg – werden wir weltweit nur noch vollelektrische Fahrzeuge neu auf den Markt bringen. Wir werden bis zum Jahr 2026 insgesamt rund 18 Milliarden Euro allein in die Elektrifizierung und Hybridisierung investieren. In der Entwicklung und der Beschaffung, aber natürlich auch in Produktion und Vertrieb haben wir bei Audi den Gedanken der Nachhaltigkeit verinnerlicht. Heute schon sind zwei unserer Werke CO2-neutral. Bis zum Jahr 2025 werden es


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«Design darf nicht nur gut aussehen, Gestaltung muss mit einer Haltung einhergehen.» Marc Lichte, Leiter Design AUDI AG

alle unsere Werke sein. All unsere elektrischen Modelle werden CO2-neutral an unsere Kund*innen übergeben. Der voll-elektrische Audi e-tron GT etwa wird in den Böllinger Höfen in Heilbronn komplett CO2-neutral gebaut. Auch zum Beispiel beim Einsatz von Kunststoffen setzen wir auf Ressourcenschonung durch den Einsatz von nachhaltigen Materialien, sogenannten Rezyklaten. Da profitieren wir von der enormen Weiterentwicklung der RecyclingTechnik. Wir erschaffen ein Produkt, das formschön, nachhaltig und technisch wegweisend ist. Nachhaltigkeit zeigt sich folglich auch im Design? Marc Lichte: Design findet nicht im Vakuum statt. Wir müssen bei ästhetischen Betrachtungen um- und weiterdenken: Design darf nicht nur gut aussehen, Gestaltung muss mit einer Haltung einhergehen. Anders ausgedrückt: Das Design ist auch hier ein Treiber des Paradigmenwechsels, sodass unser Premiumanspruch auch hier lautet: Eine progressive Lösung bringt Form und Funktion vollkommen in Einklang. Ein ebenso schönes wie ökologisches Beispiel dafür sind sortenreine Materialien, die durch die Kreislaufwirtschaft immer wieder verwendet werden können, sodass weniger Ressourcen verbraucht und ein vernünftiger Umgang mit der Natur realisiert werden kann. Dafür wollen wir die Anteile recycelter Materialien in Audi-Modellen kontinuierlich erhöhen. So werden wir auch in Zukunft durch unsere Materialwahl unser Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ausdrücken – eine höchst at-

traktive Gestaltung mit einer starken Haltung. Im Audi e-tron GT quattro zum Beispiel sind der Bodenteppich und die Fussmatten aus Econyl gefertigt. Dieses Material besteht zu 100 Prozent aus recycelten Nylonfasern und wird übrigens auch in der Modeindustrie verwendet. Es stammt aus Produktionsabfällen, Stoff- und Teppichbodenresten oder alten Fischernetzen. Im Audi grandsphere concept etwa wird kein Leder verwendet. Die genutzte Holzart «Hainbuche» ist aus nachhaltigem Anbau und in der Natur ausreichend verfügbar. Der veredelnde Versilberungsprozess für die Optik erfolgt dann durch ein Wasser-Eisenbad, das dem Holz die Farbpigmente entzieht. Dieser künstliche Alterungsprozess geschieht ohne Qualitätsverlust und ohne zusätzliche Chemikalien. Bei Ästhetik und Nachhaltigkeit ist für uns eines ganz klar: Es wird bei Audi niemals ein «Entwederoder» geben. Die Balance zwischen maximaler Nachhaltigkeit und progressivem Design zu finden und zu halten, ist aktuell eine der zentralen Aufgaben bei uns.

Marc Lichte ist Leiter Design AUDI AG.

Hendrik Wenders ist Leiter Marke Audi. www.audi.ch

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BUSINESS PROFESSIONALS NETWORK Brücken bauen für eine nachhaltige Entwicklung

Alles begann 1997 mit einem Aufenthalt in Kirgisien und dem Wunsch, Menschen in Not langfristig zu helfen. Heute ist die Nonprofit-Organisation Business Professionals Network in fünf Entwicklungs- und Schwellenländern aktiv und unterstützt Kleinunternehmer*innen bei der Ver­wirklichung ihrer Geschäftsidee – und setzt sich dabei für nachhaltige Entwicklung auf lokaler Ebene und inter­nationale Verständigung ein. Mit zwei Partnerländern feiert BPN in diesem Jahr das zehnjährige Jubiläum. Autor: Mario Hetzel

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nternehmer*innentum beginnt mit Eigenverantwortung und im Kleinen, bei talentierten und motivierten Menschen. Mit dieser Leitidee hat es sich die Nonprofit-Organisation BPN zur Aufgabe gemacht, Talente zu fördern – und dies durch «Hilfe zur Selbsthilfe», sprich: durch gezieltes Coaching, eine betriebswirtschaftliche Ausbildung sowie, wenn nötig, mit Krediten. Doch wer jetzt an Start-ups aus Zürich oder Basel denkt, liegt falsch, denn die Stiftung aus Bern macht sich für Menschen aus Entwicklungs- und Schwellenländern stark. So will sie zum Ausbau lokaler Ökonomien und zur Verringerung von Armut beitragen.

Sopho J. (links) produziert zusammen mit ihren Schwestern Trockenobst in Georgien.

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Am Anfang stand dabei eine Vision: Als Stiftungsgründer Jürg Opprecht im Jahr 1997 in die ehemalige Sowjetrepublik Kirgisien eingeladen wurde, um einen betriebswirtschaftlichen Workshop zu geben, war er bewegt von der allgegenwärtigen wirt-


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schaftlichen Not und Arbeitslosigkeit. Der Wunsch, den Menschen vor Ort praktisch zu helfen, wurde immer drängender, die Idee zur Gründung von BPN war geboren. Als erfolgreicher Schweizer Unternehmer – sein Fünf-Sterne-Hotel Lenkerhof im Simmental wurde 2005 von Gault & Millau zum Hotel des Jahres gekürt – wollte er Hilfsgelder jedoch nicht in den Mühlen der Bürokratie versanden lassen. Und so setzte er auf seine persönlichen Werte: Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit, individuelle Verantwortlichkeit, Innovation und Unternehmer*innengeist. Eine schlanke Organisation mit flachen Hierarchien, die als Brückenbauer wirkt und praktische Hilfe zur Selbsthilfe leistet, diese Idee verwirklichte Opprecht in den folgenden Jahren.

Seit 1999 ist BPN in Kirgisien aktiv.

FÖRDERPROGRAMM AUF VIER SÄULEN Heute hat BPN alleine in Kirgisien über 680 Unternehmer*innen und damit über 13’000 Arbeitsplätze gefördert. CEO Willi Helbling bringt seine Motivation für die Stiftung prägnant auf den Punkt: «Meine primäre Begeisterung liegt darin, dass ich Kleinunternehmer fördern kann, so wie ich dies bis jetzt 20 Jahre als Berater in der Unternehmenswelt in Deutschland, Österreich und der Schweiz getan habe. Die Kriterien in diesen Ländern sind ähnlich: Wir stellen universelle betriebswirtschaftliche Fragen, machen zusammen einen Businessplan und schauen, ob dieser Sinn macht.» Basis hierfür ist das Vier-Säulen-Prinzip: individuelle Coachings, Kredite, die Gründung von lokalen Unternehmer*innenvereinen und Ausbildungsprogramme. Zunächst werden die Unternehmer*innen zur Teilnahme an dem vierjährigen BPN-Förderprogramm sorgfältig ausgewählt. Sie haben in der Regel bereits mehrjährige Erfahrung in ihrer Branche und verfügen als solche in ihrem Umfeld über einen guten Ruf. Meist fehlt es jedoch an ökonomischen Fachkenntnissen hinsichtlich Zeitmanagement, Finanzplanung oder Personalentwicklung. Diese Themen werden in eigens entwickelten Seminaren immer mit Blick auf die Praxis vermittelt – Teil dieses Prozesses ist dann auch der Aufbau tragfähiger, vertrauensvoller Netzwerke. Lokale BPN-Mitarbeiter*innen unterstützen die Unternehmer*innen direkt vor Ort. Die persönliche Begleitung in Form eines Coachings bildet dabei das Rückgrat der Förderarbeit – hier geht es um die individuelle Entwicklung des Teil-

Willi Helbling, CEO der Stiftung BPN

nehmers oder der Teilnehmerin. Die Ausarbeitung eines Businessplans, Krisenintervention bei betrieblichen Schwierigkeiten, Förderung von Verantwortung und Effizienz, persönlicher Erfahrungsaustausch – ein BPN-Coaching ist so vielfältig wie die Teilnehmer*innen. Und bei Bedarf erhalten diese einen Kredit zu fairen Konditionen – in der Regel zwischen 2 000 und 20’000 Franken – für die Anschaffung von Produktionsmaschinen oder zusätzlichen Gerätschaften. Pro Jahr und Land nimmt BPN zwischen 20 und 30 Unternehmer*innen ins Programm auf. Und der Erfolg gibt der Nonprofit-Organisation recht: Im Durchschnitt sind die Unternehmen in der Lage, während des BPN-Programms die Anzahl der Arbeitsplätze zu verdoppeln, qualitativ anspruchsvollere Tätigkeiten zu schaffen und ihre Wertschöpfung zu steigern. Über 80 Prozent der Projekte sind sehr, teilweise sogar ausserordentlich erfolgreich. In manchen Fällen konnten sich Kleinstunternehmen mit ein bis drei Arbeitsplätzen zu Firmen mit über 30 Mitarbeiter*innen weiterentwickeln. PRESTIGE BUSINESS

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Sattler Louis M. aus Managua / Nicaragua.

ZEHNJÄHRIGES JUBILÄUM IN RWANDA UND DER MONGOLEI Heute ist die Stiftung in fünf Ländern – neben Kirgisien auch in der Mongolei, Nicaragua, Rwanda und seit 2016 in Georgien – aktiv. Insgesamt fast 1 500 geförderte Teilnehmer*innen, über 27’000 Arbeitsplätze sowie 1 800 durchgeführte Workshops und Seminare sprechen für sich. Und so ist die Stiftung stolz, in diesem Jahr mit den Partnerländern Rwanda und Mongolei bereits die zehnjährige erfolgreiche Zusammenarbeit feiern zu dürfen. «Mit grosser Dankbarkeit schaue ich auf zehn bewegte Jahre zurück. Es begann mit leidenschaftlicher Euphorie – und ein wenig Naivität», sagt Alice Nkulikiyinka, Country Managerin Rwanda. «Heute sind wir täglich beeindruckt von der enormen Schaffenskraft der BPN-Unternehmer*innen. Von Menschen, die sich uns verletzlich öffnen, die mit uns lernen, scheitern, an den Aufgaben wachsen. Mit ihnen, mit einem beherzten Team und starken Partnerorganisationen hat sich BPN in Rwanda etabliert.» Eine Erfolgsgeschichte aus dem ostafrikanischen Land, das von einem brutalen Bürgerkrieg zerrüttet wurde und in dem 60 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben, ist die Firma Polybags von Illumine K. Gemeinsam mit ihrem Sohn gründete sie 2012 das Unternehmen in Kigali 132

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Paradine M., Möbelproduzentin aus Rwanda

und begann mit der Produktion von Verpackungsbeutel für Maismühlenfabriken. «Als wir anfingen, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es eine Fabrik werden würde, wie sie heute ist.» So wurden zunächst fertige Polypropylen-Rollen aus China importiert, um daraus auf Kund*innenwunsch die passenden Beutel herzustellen. Heute ist Polybags Marktführer in Rwanda, setzt sich für ökologische Produktionsmethoden und Recycling ein. BPN habe ihr geholfen, ihren Blick als Unternehmerin entscheidend zu erweitern, so Illumine K. – und dies nicht nur hinsichtlich Cashflows und effizienter Arbeitsabläufe. Ein Seminar ist ihr in besonderer Erinnerung geblieben: «In meinem Unternehmen hatte ich eine herrische Einstellung. Aber nach dem Kurs fühlte ich mich wie eine Angestellte, wie jeder andere auch. Ich bin meinen Mitarbeitern nähergekommen.» So habe sie auch auf persönlicher Ebene von der Unterstützung profitiert. Auch im Jubiläumspartnerland Mongolei wird die zehnjährige Partnerschaft gefeiert. «Was BPN aussendet, kommt zurück: langjährige, vertrauensvolle Beziehungen und langfristig wachsende, leidenschaftliche Unternehmen. BPN wirkt nachhaltig am richtigen Ort. Die gemeinsame Reise geht weiter», so Country Director Markus Epper. Eine der 180 geförderten Unternehmer*innen des zweitgrössten Binnenlands der Welt ist Tsolmon B. Ihr


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Mit der Mongolei verbindet BPN eine zehnjährige Partnerschaft.

IT-Unternehmen bietet diverse Programme für Budgetführung und Buchhaltung an, führt Weiterbildungskurse für Programmierer*innen durch und betreibt einen Reparaturdienst für Computer und Zubehör. Als eine der ersten Teilnehmer*innen im BPN-Programm in der Mongolei setzt sie sich seit Beginn für das Unternehmer*innentum und die positive Entwicklung des KMU-Sektors in ihrem Land ein. «BPN hat mir geholfen, eine klare Vision zu entwickeln. Mein Geschäft soll auch für meine Kinder und Enkel von Bedeutung sein und weiter unserem Land in der wirtschaftlichen Entwicklung dienen. Diese Denkweise beflügelt mich mit neuer Motivation und gibt mir Energie, effizient und mit guter Produktivität zu arbeiten.» Im Jubiläumsjahr hat die Stiftung Reisen in die Partnerländer organisiert. Vom 9. bis 13. Mai geht es zunächst nach Rwanda, wo die Teilnehmer*innen die Möglichkeit bekommen, die Arbeit von BPN und diverse Unternehmer*innen vor Ort persönlich kennenzulernen. Und vom 11. bis 19. Juni erwartet die Reisenden ein spannender Einblick in die Kultur und Natur der Mongolei. Neben einer Jubiläumsfeier mit den lokalen Mitarbeiter*innen und Unternehmer*innen steht der Besuch des Gorkhi Terelj Nationalpark und der Austausch mit traditionell lebenden Nomadenfamilien im Reiseplan.

womit das Geld auch direkt dort ankommt, wo es gebraucht wird: bei den lokalen Unternehmer*innen. Bei klassischen Patenschaften engagiert sich der Spender oder die Spenderin über zwei Jahre mit monatlich 250 Franken. Die Spende wird für Ausbildung, Coaching und den Aufbau eines Unternehmer*innenvereins verwendet. Zusätzlich ist die Bereitstellung eines Kredits zwischen 2 000 und 20’000 Franken oder eine individuelle Länderspende möglich. Der Unterstützung von Hunderten von Schweizer Persönlichkeiten und Führungskräften aus Klein- und Grossunternehmen sowie den motivierten Teams in der Schweiz und den Partnerländern ist es zu verdanken, dass das internationale Netzwerk der Stiftung stetig wächst. Und so wird BPN auch in Zukunft die Vision des im vergangenen Jahr verstorbenen Stiftungsgründers Jürg Opprecht weitertragen, um Brücken zu bauen, Zukunftsperspektiven zu schaffen und praktische Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.

UMFANGREICHES UNTERSTÜTZER*INNEN-NETZWERK Wer selbst aktiv und damit Teil des BPN-Netzwerks werden möchte, kann eine der zahlreichen Unternehmenspatenschaften übernehmen. Diese lassen sich für definierte Projekte abschliessen,

Mario Hetzel ist freier Autor für PRESTIGE BUSINESS. www.bpn.ch

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MIT LIEBE ZUR MECHANIK Klassische Uhren in neuem Rahmen

Seit seiner Kindheit entwickelte der passionierte CEO von Blancpain eine echte Liebe zur Mechanik – sei es für BMX, Motorräder oder Uhren. In Letzterem fand Marc A. Hayek seine endgültige Berufung, die ihn an die Spitze des renommierten Unternehmens führte. Interviewpartner: Marc A. Hayek Autorin: Swenja Willms

P Die Taucheruhr «Fifty Fathoms Tourbillon 8 Jours» verkörpert die Begegnung zwischen grosser Komplikation und hoher Leistung.

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RESTIGE BUSINESS: Herr Hayek, die Familie Blancpain verdiente vor der Gründung der Firma zu Beginn des 18. Jahrhunderts ihr Geld in der Landwirtschaft. Wie kam es zur Gründung einer Firma in der Uhrmacherei? Marc A. Hayek: Im 17. Jahrhundert entwickelte sich die Uhrmacherei in der Schweiz, zunächst in Genf. Die Hugenotten, die in Scharen aus Frankreich vertrieben wurden, fanden in der reformierten Stadt eine Heimat. Als talentierte Handwerker verfügten sie über ein besonderes Gespür für Goldschmiedearbeiten und brachten das Wissen und Können mit, das die Grundlage für den Aufschwung der Uhrmacherei in der Schweiz bildete. Auch in das Waadtland, das Neuenburger Land oder das Vallée de Joux strömten zahlreiche Hugenotten. Neben der Landwirtschaft, von der sie lebten, widmeten sie ihre Zeit während der langen und harten Winter der Herstellung und dem Verkauf von Uhren. Wir sprechen hier noch nicht von Industrie, sondern von der Herstellung einiger weniger Stücke als Nebenbeschäftigung. Als Jean-Jacques Blancpain sich 1735 in den offiziellen Registern von Villeret als


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Uhrmacher eintrug, machte er damit einen Beruf offiziell und etablierte eine Marke, aber es sollte noch fast ein Jahrhundert dauern, bis eine richtige Manufaktur entstand. 1926 brachte Blancpain die erste Armbanduhr mit automatischem Aufzug auf den Markt. Welche Entwicklungen erfolgten nach diesem Erfolg für die Marke? Diesem Ausflug in die Welt des automatischen Aufzugs – der aus einer Zusammenarbeit zwischen Blancpain und dem britischen Uhrmacher John Harwood hervorging – folgten zahlreiche Entwicklungen. 1930 präsentierte Blancpain die «Rolls» und perfektionierte damit ein System für den automatischen Aufzug von Damenuhren, die damals noch zu klein für einen Rotor waren. 1953 brachte Blancpain mit der «Fifty Fathoms» die erste moderne Taucheruhr auf den Markt; 1956 folgte die kleinste runde Uhr der Welt, die «Ladybird». Diese beiden Meilensteine in der Geschichte von Blancpain wurden von JeanJacques Fiechter und seiner Tante Betty Fiechter erreicht, einer treuen Mitarbeiterin von Frédéric-Émile Blancpain, dem letzten Familienmitglied, welches das Unternehmen leitete. Betty Fiechter übernahm die Marke Anfang der 1930er Jahre, als Frédéric-Émile verstarb, und war damit die erste Frau, die ein Uhrenunternehmen besass und leitete. 1950 folgte ihr Neffe, der das Erbe von Blancpain von ihrem Tod an in den frühen 1970er Jahren bis 1980 allein weiterführte. Sie sind neben dem CEO von Blancpain nicht nur Rennsportler, sondern auch passionierter Taucher. Blancpain unterstützt bei verschiedenen Projekten besonders die Reinhaltung der Weltmeere sowie Expeditionen in gefährdete und schützenswerte Regionen. Gibt es ein aktuelles Projekt, das Sie gerne erwähnen würden? Wir haben viele Projekte in der Pipeline. Wir unterstützen weiterhin unsere wichtigsten Partner, wie Laurent Ballesta und den von der Wochenzeitung «The Economist» organisierten «World Ocean Summit», und fördern die globalen Partnerschaften, die wir für 2020 und 2021 initiiert haben, darunter unsere Zusammenarbeit mit der «Mokarran Protection Society», «Oceana» und den «Ocean Photography Awards». Ausserdem werden wir in ein paar Tagen zwei neue Projekte vorstellen, die wir unterstützen. Das erste Projekt mit dem Namen «Sea Academy» konzentriert sich auf die Entwicklung einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Meeresressourcen in Pangatalan, Philippinen, in Zusammenarbeit mit den örtlichen Gemeinden. Es wird von der «Sulubaaï Environmental Foundation» durchgeführt, einer philippinischen Non-Profit-Organisation, die sich für die Erhaltung, den Schutz und die Wiederherstellung der natürlichen Ressourcen Palawans durch ökologisch nachhaltige Praktiken und die aktive Wiederherstellung des Ökosystems einsetzt. Das zweite Projekt konzentriert sich auf das Great Barrier Reef. Blancpain geht eine Partnerschaft mit der «Biopixel Oceans Foundation» und der australischen audiovisuellen Produktionsfirma Biopixel ein, um die Einzigartigkeit, die Vielfalt und die Erhaltung der Natur

Der Schutz der Ozeane ist ein Herzensanliegen von Marc A. Hayek.

durch die Entwicklung von unterhaltsamen, ansprechenden und lehrreichen visuellen Inhalten zu fördern. Im Laufe von zwei Jahren werden sechs Filme produziert, die einem weltweiten Publikum positive Botschaften der Hoffnung in Bezug auf die Erhaltung des Great Barrier Reef vermitteln sollen. Das Projekt umfasst auch Forschungsarbeiten, bei denen Megafauna markiert und verfolgt wird, um die Migration der Meerestiere zu analysieren und zu verstehen, wie sie sich infolge des Klimawandels verändern werden. Als passionierter Taucher liegt Ihnen der Ozean sehr am Herzen. Was haben Sie über den Ozean dank Blancpain und dessen Engagement gelernt? Ich würde eher sagen, dass das Gegenteil der Fall war: Die Leidenschaft, die ich seit meinem sechsten Lebensjahr für das Tauchen und die Ozeane hege, hat dazu beigetragen, die Identität zu formen, die wir heute von Blancpain kennen. Als ich zur Marke stiess, verliebte ich mich sofort in die «Fifty Fathoms», die jedoch nicht mehr in der damaligen Kollektion war. Diese Uhr wiederzubeleben und sie im 21. Jahrhundert zu verankern, war eines meiner ersten Projekte. In diesem Zusammenhang hatte ich das Glück, ausführliche Gespräche mit Jean-Jacques Fiechter zu führen, der von 1950 bis 1980 CEO von Blancpain war und mir viel über die Geschichte und die Entwicklung von Taucheruhren beibrachte. Jean-Jacques Fiechter war ein Pionier und leidenschaftlicher Taucher. Nachdem er bei einem seiner Unterwasserabenteuer keinen Sauerstoff mehr zur Verfügung hatte und zu einem Notaufstieg gezwungen worden war, erkannte er, dass das Leben eines Tauchers von einem zuverlässigen Zeitmesser abhing. Er schuf die «Fifty Fathoms», die erste moderne Taucheruhr, und trug damit zur Sicherheit beim Tauchen und folglich PRESTIGE BUSINESS

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«Man muss den Geist der Marke respektieren, ohne das zu wiederholen, was in der Vergangenheit getan wurde.» zur Öffnung der Unterwasserwelt bei. Um der Geschichte und dem Erbe der «Fifty Fathoms» treu zu bleiben, hielt ich es für wichtig, die Verbindung von Blancpain mit der Meeresgemeinschaft wiederzubeleben. Es begann mit Fiechter in den 1950er Jahren, der die «Fifty Fathoms» als Unterwasser-Zeitinstrument zur Verfügung stellte, mit dessen Hilfe man die Welt des Ozeans erkunden konnte. Das war der erste Schritt, aber ich wollte dem Ozean etwas zurückgeben: versuchen zu helfen, versuchen aufzuklären und die Menschen zu motivieren, seine Schönheit zu schützen und zu bewahren. So entstand das «Blancpain Ocean Commitment». Die Geschichte wiederholt sich, und es erfüllt mich als leidenschaftlichen Taucher mit grossem Stolz, dass ich die Fackel von Jean-Jacques Fiechter übernehmen und mein Engagement für die Ozeane mit Blancpain teilen konnte. Das Element Wasser ist für Blancpain auch bei den Zeitmessern ein Thema wie bei der «Fifty Fathoms». Auch hier waren Sie Leader und haben 1953 damals die erste moderne Taucheruhr entwickelt mit drehbarer Tauchzeitskala. Ende letzten Jahres wurden zwei neue Modelle der Reihe «Tourbillon 8 Jours» gelauncht. Gehört die Uhr auch heute noch zu Ihren erfolgreichsten Modellen? Die «Fifty Fathoms» ist nicht «immer noch» eines unserer renommiertesten Modelle, sondern «wieder». Tatsächlich wurde die Kollektion über zwanzig Jahre lang auf Eis gelegt, bevor wir sie Anfang der 2000er Jahre wiederbelebten. Inzwischen ist sie eine der wichtigsten Säulen von Blancpain und generiert mehr als 40 Prozent unserer 136

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Verkäufe. Zu unseren Bestsellern gehören mehrere Versionen der Dreizeiger-Bathyscaphe sowie die «Fifty Fathoms Automatique» aus Titan. Die «Fifty Fathoms Tourbillon» ist ihrerseits eine Statement-Uhr, die das Know-how von Blancpain im Bereich der uhrmacherischen Komplikationen mit unserer Expertise auf dem Gebiet der Taucheruhren vereint. Neu ist auch die «Ladybird Colors»Kollektion. Welchen Anteil nehmen die Damen Ihrer Käuferschaft ein? Frauen machen ein Drittel unserer Kundschaft aus, und zwar über alle Kollektionen gesamt gesehen. Übrigens werden wir im Laufe des Jahres neue Stücke für Damen in den Linien «Fifty Fathoms», «Air Command» und «Ladybird» auf den Markt bringen. Sie sind ein CEO, der seinen ganz eigenen Weg gegangen ist. Vom Marketingstudium, über Schweizer Meister im BMX-Fahren, über das Führen eines eigenen Restaurants bis hin zurück zu Ihrem Familienunternehmen 2002. Was hat Sie zurück in die Welt der Uhren gelockt? Unternehmer zu sein, ist eine Sache. Das ist nur ein Teil von mir. Seit meiner Kindheit habe ich eine echte Liebe zur Mechanik entwickelt, sei es BMX, Motorrad oder Uhren. Ich habe sogar ein Semester lang Maschinenbauingenieur studiert. Das war schon immer eines meiner Interessen. Ich mag Details und Perfektion. Es ist faszinierend, wenn man in der Lage ist, winzige, sorgfältig bearbeitete Teile zusammenzusetzen, um ein Objekt herzustellen, das zum Leben erweckt wird, wie eine Uhr. All diese Details und die Qualität, die sich

daraus ergibt, wecken Emotionen. Genau aus diesem Grund habe ich mich Blancpain angeschlossen und nicht einer Volumenmarke. Die mechanische und uhrmacherische Leidenschaft ist wirklich jeden Tag da – und sie hat mich nie verlassen. Aus dieser Leidenschaft erwächst der Wunsch, sich ständig selbst zu übertreffen.


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Inzwischen sind mehr als 20 Jahre vergangen. Können Sie behaupten, angekommen zu sein und mittlerweile Ihre wahre Berufung gefunden zu haben? Ich habe eine echte Berufung, aber ich denke, dass ich nie am Ende der Suche ankommen werde. Ich erreiche natürlich Ziele, aber ich werde nie an einen Punkt

gelangen, an dem ich denke, dass ich alles erreicht habe. Ich habe mein ganzes Leben lang das Glück gehabt, Dinge erschaffen zu können. Ich habe mir Ziele gesetzt, die sich im Laufe der Jahre verändert haben, die aber alle aus meinen lebenslangen Leidenschaften entstanden sind. Mit elf Jahren wurde ich

Schweizer-Meister im BMX-Fahren. Ich habe schon früh das Tauchen praktiziert und konnte mich in diesem Bereich weiterentwickeln. Es gibt die Leidenschaft für Mechanik, die Ozeane, aber auch den ständigen Willen, sich selbst zu übertreffen. Besser zu sein, ist immer möglich.

Die neue «Ladybird Colors», eine ebenso zierliche wie farbenfrohe Damenuhr, ist eine Hommage an ein Meisterwerk in der Geschichte von Blancpain.

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Was waren Ihre grössten Learnings und Herausforderungen der vergangenen Jahre? Solange ich lebe, werde ich immer etwas dazulernen. Die letzten zwei Jahre waren eine grosse Herausforderung, da es eine beispiellose Situation war. Alles wurde in Frage gestellt, und wir mussten in kürzester Zeit unsere gewohnte Arbeitsweise überdenken, indem wir unsere Kontakte einschränkten und stattdessen Fernbesprechungen abhielten. Ich ziehe viele Lehren aus dieser Erfahrung. Generell sind das Lernen und die Entwicklung von Wissen glücklicherweise ein ewiger Kreislauf. Das Leben wäre sonst sicherlich langweiliger.

In einem Interview sagten Sie einst: «Ich repräsentiere einen kleinen Abschnitt im Leben von Marken, die Jahrhunderte überlebt haben. Meine einzige Aufgabe ist es, deren Geist am Leben zu erhalten.» Wie schaffen Sie es, genau diesen Geist am Leben zu erhalten? Man muss den Geist der Marke respektieren, ohne das zu wiederholen, was in der Vergangenheit getan wurde. Es geht also darum, die Marke weiterzuentwickeln und gleichzeitig ihre Werte am Leben zu erhalten. Die Entwicklung, von der ich spreche, ist nicht quantitativ. Blancpain zu einem Massenprodukt zu machen, würde gerade bedeuten, ihren Geist zu töten. Wenn man heute eine Grande Complication mit einer «Fifty Fathoms»-Uhr vergleicht, stellt man fest, dass sie vom selben Geist beseelt sind. Ebenso vermitteln eine «Fifty Fathoms» aus den 1950er Jahren und eine zeitgenössische «Fifty Fathoms» ähnliche Werte. Ich muss zugeben, dass es mir nicht schwerfällt, den Geist von Blancpain weiterzuführen, denn ich habe das Gefühl, mit der Marke verschmolzen und eins mit ihr zu sein. Sie führen die Swatch Group nun in der dritten Generation Ihrer Familie. Für welche Werte steht die Hayek-Familie? Unsere Werte, für die wir uns immer wieder einsetzen werden, sind das Unternehmertum, die Ehrlichkeit, sich selbst übertreffen zu wollen und der Familienspirit: Der Mensch steht im Vordergrund. Was tun Sie als Ausgleich zu Ihrem stressigen Job? Ist Tauchen und BMX-Fahren immer noch Ihr Hobby? Ich fahre heute nicht mehr so oft BMX. Stattdessen fahre ich ab und zu Mountainbike und Motocross. Ich verbringe gerne Zeit mit meiner Familie und in der Natur. Und natürlich das Tauchen. Wasser ist mein Element, sowohl unterhalb als auch oberhalb. Bootfahren und Angeln sind daher weitere Aktivitäten, die ich besonders liebe.

Marc A. Hayek ist CEO von Blancpain. Den Geist der Marke erhalten und gleichzeitig Neues wagen.

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www.blancpain.com


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DEN CHARME NUTZEN Neues Leben für alte Barriquefässer

«Komm, wir machen das jetzt ganz oder gar nicht.» Diese Worte von Remo Hämmerle markierten die Geburtsstunde von Fasswerk. Sie waren Anfang 2019 an seine Partnerin Nadine Ledergerber gerichtet. Und dank ihrer Antwort stehen heute in zahlreichen Räumen die Möbelstücke von Fasswerk. Doch die innovativen Jungunternehmer können nicht nur alten Barriquefässern neues Leben einhauchen. Ihr Angebotsportfolio wächst fortlaufend und umfasst mittlerweile Möbelstücke wie Coffeetables, restaurierte Offizierskisten und massgefertigte Esstische. Autor: Fabian Zahner

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in klassisches Bordeaux-Eichenfass mit 225 Liter Fassungsvermögen veredelt im Schnitt über drei Jahre hinweg Weine. Danach sind alle seine Tannine an den Wein abgegeben und das Fass hat damit ausgedient. Mit etwas Glück landet es dann in der Werkstatt von Fasswerk. Dort beginnt für das altehrwürdige Weinfass ein zweites Leben: ein Leben als Design-Möbel, als Weinregal mit LED-Beleuchtung, als Kaffeetisch, als Esstisch oder als Humidor. Es richtet sich ganz nach den Wünschen seines künftigen Besitzers oder seiner künftigen Besitzerin.

ZWEI JUNGUNTERNEHMER MIT TATENDRANG

Das Tischwerk «Maximus» wird aus ausgedienten Rotweinfässern gefertigt.

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«Wäre es einfach, würde es jeder machen!», ruft Nadine Ledergerber ihrem Partner Remo Hämmerle zu. Man hört ihn leise aus der Werkstatt fluchen. Der Spruch ist nicht nur zu hören, sondern steht auch auf einer Kreidetafel in ihrem Büro. Es ist ihr gemeinsames Motto. Denn jedes Eichenfass ist einzigartig und stellt immer wieder neue Herausforderungen an die beiden. Primär an Remo. Nach


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Remo Hämmerle und Nadine Ledergerber

seiner Lehre als Möbelschreiner war er vor allem auf Montage, was ihn nicht erfüllte. Er wollte kreativer sein und innovativer arbeiten. Es genügt ihm nicht, gewöhnliche Tische oder Schränke zu fertigen. Als seine Freundin Nadine ihn damals dazu ermutigte, etwas Neues aus einem alten Weinfass entstehen zu lassen, wusste er: Das ist es. Er sah das Potenzial in den geschwungenen Fassdauben sowie dem hochwertigen Eichenholz und war fasziniert vom Gedanken, runde Hölzer zu verarbeiten. Nadine studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und war genauso ruhelos. Ihr Weg führte sie von der Werbe- zur Filmbranche. Als Tochter einer Künstler- und Unternehmerfamilie ist ihr das Anpacken und Gestalten fest in der DNA verwurzelt. Sie und Remo verbindet nicht nur die Liebe, sondern auch ihre Leidenschaft und die Faszination für alte Weinfässer. Und so wagten sie 2016 zusammen den Schritt in die Selbstständigkeit.

DAS FASS KOMMT INS ROLLEN Nach der Gründung folgten einige Jahre der Produktentwicklung. Es galt zunächst zu verstehen, wie ein Fass überhaupt aufgebaut ist und wie es funktioniert. Die ersten Versuche scheiterten zunächst, bis sich Remo mit Beharrlichkeit Schritt für Schritt an die Materie herantastete – eine Arbeitsweise, die man in der Schreinerlehre so nicht lernt. Doch die Ausdauer zahlte sich schliesslich aus. Die ersten Fasswerke wurden ausgeliefert und

SIT FURNITURE DESIGN AWARD Remo Hämmerle, Gründer und Inhaber von Fasswerk Hämmerle, gewann seinen ersten Designpreis beim inter­ nationalen SIT Furniture Design Award 2020 in Los Angeles. Ausgezeichnet wurde er für sein Tischwerk «Maximus» in der Kategorie «SIT in front OF». Die Mitglieder der SIT-Award-Jury bewerteten alle Einreichungen aus 53 Ländern, wobei sie nicht nur die höchsten aktuellen Standards und Trends im Möbeldesign berücksichtigten, sondern auch nach wirklich visionären Designern Ausschau hielten, die Kreativität und Innovation zeigen. Remo Hämmerles Anspruch, nachhaltig Möbel zu produzieren und damit Ressourcen zu schonen, trifft den Nerv der Zeit. Handgefertigt aus ausgedienten Rotwein­fässern von regionalen Wein­gütern vereint der Esstisch «Maximus» innovatives Design, traditionelles Handwerk und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Der SIT Furniture Design Award™ wurde ins Leben gerufen, um die Bemühungen von internationalen Möbeldesignern, Innenarchitekten und Raumausstattern zu ehren und deren Visionen mit der Welt zu teilen. Mit dem gewonnenen Designpreis darf sich Remo Hämmerle zu diesen kreativen Köpfen zählen. PRESTIGE BUSINESS

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mit dem Feedback und den Wünschen der Kunden folgten immer neue Ideen und Produkte. Ein Kunde wünschte sich zum Beispiel einen Alp­aufzug wie bei einem Appenzeller-Gürtel an seinem Fass. Gesagt, getan. Ein anderer Kunde wollte ein 3.5 Meter langen Nussbaumtisch. Auch dieser Wunsch wurde erfüllt. Der Kunde war sogar zusammen mit Remo im Sägewerk, um seinen Baumstamm persönlich auszuwählen. Generell spezialisieren sich die beiden darauf, den Kunden von Anfang an eng in die Produktion einzubinden. In einem Pop-up-Store in St. Gallen präsentierten sie ihre Fasswerke zum ersten Mal der breiten Öffentlichkeit und wurden regelrecht von Aufträgen und positivem Feedback überhäuft. Der innovative Mix aus Schweizer Handwerk mit modernem Design, der Upcycling-Gedanke sowie die Schweizer Produktion begeisterten die Besucher. Diese Resonanz beseitigte die letzten Zweifel, ob der Schritt in die Selbstständigkeit der richtige war.

und im Innern ist kein Quadratzentimeter unbedacht. Schrauben sind versenkt, Pushto-open-Schubladen bewegen sich geschmeidig, Bewegungssensoren steuern die installierte LED-Beleuchtung und Humidore mit aktivem Befeuchtungssystem bewahren Zigarren im optimalen Klima auf. Während Nadine eine Auslieferung vorbereitet, grübelt Remo bereits über das nächste Projekt. Dieses hier ist eine echte Knacknuss, die ihn schon mehrmals dazu zwang, von Grund auf neu zu planen. Doch

INNOVATION ALS EINZIGE OPTION Die Produkte von Fasswerk fallen auf. Und das ist genau das, was es im hart umkämpften Möbelmarkt braucht. Neue Ideen sind gefragt, genauso wie Qualität. Bei Fasswerk ist alles handgefertigt. In der Werkstatt findet man keine grossen Maschinen. Dafür fehlte das Geld. Sie hatten gar keine andere Wahl, als innovativ mit der Produktion umzugehen. Jedes Möbelstück durchläuft einen anderen Prozess, von der Planung bis zur Realisation. So erzählt jedes Fasswerk seine eigene Geschichte und befindet sich lange Zeit in Produktion, bis es den Qualitätsanforderungen der beiden genügt. Das gilt für die Fässer wie auch für die neuen Kreationen. Remos Anspruch ist es, dass man seinen Werken wie Tischen, Beistelltischen oder Couchtischen nicht auf den ersten Blick ansieht, dass sie aus einem Fass entstanden sind. Bei Fasswerk passt jeder Millimeter. Die magnetischen Türen schliessen sich nahtlos 142

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«Romeo» – das Humidor-Fass.

für Remo ist das keine Qual, sondern der normale Arbeitsablauf. Er nimmt ein neues Blatt hervor und beginnt eine neue Skizze. Hinter ihm sehen wir die Tafel, auf der mit Kreide geschrieben steht: «Wäre es einfach, würde es jeder machen.»

Fabian Zahner ist Texter / Konzepter. www.fasswerk.ch


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BEI UNS DREHT SICH ALLES UM IHR WOHNEIGENTUM Im Hauseigentümerverband immer gut beraten Seit über 100 Jahren setzt sich der Hauseigentümer­ verband nachhaltig für die Anliegen der Wohn- und Grundeigentümer ein. Mit unseren 340’000 Mitgliedern in über 100 kantonalen und regionalen Sektionen zählen wir zu den grössten Verbänden der Schweiz. Danke, dass auch Sie auf uns vertrauen. Autor: Markus Meier

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er Hauseigentümerverband Schweiz ist die Dachorganisation der Wohneigentümer und Vermieter in der Schweiz. Der Verband setzt sich aus rund 340’000 Mitgliedern zusammen. Mit unseren über 100 Regionalsektionen und Kantonalverbänden sind wir überall nahe bei unseren Mitgliedern – auch bei Ihnen.

«Auch für KMU.» Als sich Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Vermieter zu Hausbesitzervereinen zusammenschlossen, konnten sie wohl nicht ahnen, wie gross der Stein sein würde, den sie damit ins Rollen brachten. Die beharrliche Aufbauarbeit früherer Generationen hat sich gelohnt. Aus den lokalen Vereinen von Hausbesitzern und Vermietern ist mit der Zeit einer der mitgliederstärksten Verbände des Landes entstanden. Seit mehr als 100 Jahren setzt sich der HEV konsequent und erfolgreich für die Förderung und Erhaltung des Immobilieneigentums ein. Dazu gehören die Eigentumsgarantie, nur so viel Bürokratie wie nötig, wirtschaftlich tragbare Vorschriften sowie auch massvolle Steuern, Gebühren und Abgaben.

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Markus Meier ist Direktor beim HEV Schweiz. www.hev-schweiz.ch


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FÜR VIEL PLATZ IST GESORGT Das erste Anbau-Schranksystem der Schweiz auf der Höhe der Zeit

© Alpnach Schränke AG

In diesen Einbauschränken sind Kleider, Hosen und Jacken elegant versorgt. Diese Möbelstücke sind von hoher Qualität, langer Lebensdauer und individuell gefertigt. Sie schaffen für die Bewohner*innen Raum, Ordnung sowie Komfort im Alltag. Die Alpnach Schränke AG ist die führende Spezialistin im Bereich der Stauraummöbel in der Schweiz. Autorin: Rahel Böhler

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ie Produkte der Alpnach Schränke AG schaffen Raum, Ordnung sowie Komfort und damit Platz für andere, wichtige Dinge im Leben: Wir reden von Schränken und Sideboards. Doch ein Schrank ist nicht gleich Schrank, bei der Alpnach Schränke AG werden individuelle Lösungen von langer Lebensdauer gefertigt – und das schon seit über 55 Jahren. Die Schränke sind danach so individuell wie die Kund*innen.

Alpnach Norm steht für massgefertigte Schränke.

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Am Fusse des Pilatus hat mit der Firmengründung der Möbelfabrik Alpnach AG durch Theo Breisacher die Erfolgsgeschichte ihren Lauf genommen. Mittlerweile führt Theo Breisachers Tochter, Brigitte Breisacher, das Traditionsunternehmen in zweiter Generation mit dem Wissen aus der Vergangenheit, einem feinen Gespür für die Zukunft und weitsichtigem, unternehmerischem Denken gekonnt weiter.


© Alpnach Schränke AG

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Der Eingangsbereich mit Garderobenschrank ist die Visitenkarte eines jeden Zuhauses.

Acht Filialen und Ausstellungen verteilen sich heute über die ganze Schweiz, vom Genfersee über das Wallis bis nach Zürich.

BEGEHBARER KLEIDERSCHRANK Die Produktgruppen tragen technisch-funktionale Namen wie Flügeltürschrank, Schiebetürschrank, begehbarer Kleiderschrank und dergleichen. Das Aussehen dieser Schränke ist durch die Handschrift des Beratungs- und Verkaufsteams und die Wünsche der späteren Nutzer geprägt: Die Lösungen sind jeweils an die Raumsituation angepasst und deshalb zu 100 Prozent individualisiert, sei es durch Form, Farbe, Material oder Innenausstattung. Flexible Einbauschränke für Mietwohnungen sind für das Unternehmen genauso die Stärke wie Masslösungen für Eigenheimbesitzer. Auch hier ist Individualität die Norm. Ordnung und ausreichend Stauraum sind in jedem Haushalt erwünscht. Weil angesichts enormer Baukosten jeder Quadratzentimeter zählt, werden beispielsweise Dachgeschosse bis zum letzten Winkel ausgenutzt. Kurzum: Es braucht Schränke, die optimal in Nischen und Schrägen passen.

JEDES MÖBELSTÜCK EIN UNIKAT Der Obwaldner Möbelhersteller Alpnach Schränke AG haucht Einbauschränken Wohnkultur ein und entwickelt Lösungen nach Mass. Das Dienstleistungsangebot umfasst die Beratung, Planung, Produktion und die Montage. Das Produktangebot beinhaltet Wohnzimmer-, Schlafzimmer- oder Garderobenschränke für alle Raumsituationen, begehbare Kleiderschränke, Schränke in Dachschrägen, Kombinationen mit Klappbetten oder Sideboards. Die Oberflächen sind individuell mit Kunstharz, Farblackierung, Glas oder Echtholzfurnier veredelt. Das Innenleben passt sich den persönlich gewünschten Funktionen an. Jedes Möbelstück ist ein Unikat. Die Alpnach-Gruppe konzentriert sich auf Schränke und Küchen für Individualisten, die Qualität und Dienstleistung schätzen.

RAFFINIERTE DETAILS INTEGRIERT Gemeinsam mit dem Kunden gestaltet der Verkäufer den Schrankinhalt. In allen Ausstellungen erlebt man zahlreiche Details, die mit zusätzlichem Komfort den Alltag erleichtern und Ordnung schaffen. Ein Beispiel ist das Lichtkonzept, welches zu PRESTIGE BUSINESS

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© Alpnach Schränke AG

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© Alpnach Schränke AG

Flügeltüren sind einfach zu bedienen.

100 Prozent auf LED-Beleuchtung basiert, modular aufgebaut ist und optimales Licht in jede Schrankecke bringt. Mit den 3-DReliefoberflächen bietet Alpnach Schränke AG ein optisches Highlight, mit dem sich unzählige Gestaltungsmöglichkeiten nach persönlichem Kundenstil realisieren lassen. Das Schrankzubehör kann kaum aufgezählt werden. Lieferbar ist zum Beispiel das «Tip-on-System»: Ein leichter Fingerdruck genügt, und schon öffnen sich Schubladen von selbst. Andere Modelle bestechen durch ihr «Silent System», eine gedämpfte Führung, die ein sanftes und leises Schliessen ermöglicht. Oder Schubladen enthalten Innenschubladen nach englischem Standard. Es sind auch Varianten mit Glaseinsätzen erhältlich, damit ein Überblick über den Inhalt auch in geschlossenem Zustand möglich ist.

KLEIDERLIFT FÜR JACKEN UND HOSEN Platzwunder für jedes Raumkonzept.

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Zusätzlichen Komfort vermittelt der Kleiderlift: Hochschränke können optimal ausgenutzt werden und doch bleiben Jacken, Hosen und Röcke leicht erreichbar. Des Weiteren stehen Krawatten- und Gurthalter sowie Vollauszüge für Hemdtablare,


Wie viel Wohnkomfort durch gut gestaltete Möbel entsteht, ergibt sich schon im Eingangsbereich. Die Garderobe ist weit mehr als eine Aufbewahrungsstätte von Kleidern und Schuhen. Unabhängig davon, ob die Regale offen oder geschlossen sind, ob eine Hutablage oder ein Oberschrank entsteht, hilft die Garderobe mit, ein angenehmes Gefühl zu vermitteln – sei dies für die heimkehrenden Bewohnern*innen oder erst recht für die Gäste.

SIDEBOARD MIT ELEGANTEM DESIGN Im Wohnzimmer bedeutet ein Sideboard nichts anderes als eine moderne Schrankwand. Der Geschmack der Gegenwart bevorzugt leichte Formen und Materialien. Nicht verändert hat sich aber der praktische Nutzen: Geschirr, Accessoires, Foto­ alben, Bücher oder CDs und DVDs sind jederzeit in praktischen Systemen griffbereit.

Regale füllen flächendeckend Wände und Nischen vom Boden bis zur Decke. © Alpnach Schränke AG

Schuhauszüge oder Schuhkarusselle, Schmutz­ wäschekörbe, Bügelbrettfach und unzählig mehr Zubehör zur Verfügung. So machen auch gut platzierte Spiegel jede Kleiderauswahl zum Vergnügen.

© Alpnach Schränke AG

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Kommen häufig Gäste mit Kindern zu Besuch, steht sogar ein eigenes Studio zur Verfügung. In beiden Fällen sorgen Klappbetten für mehr Flexibilität: So stehen mit wenigen Handgriffen zusätzliche Schlafgelegenheiten bereit. Sind die Besucher*-innen wieder abgereist, verschwinden die Betten in ihren Aussparungen und der Platz kann anderweitig genutzt werden. Die Individualität und Qualität lassen sich in den Referenzen hochwertiger Um- und Neubauten mit tollen Bildern erkennen.

Rahel Böhler verantwortet die Öffentlichkeitsarbeit bei Alpnach Norm. www.alpnachnorm.ch

Ein Einbauschrank kann auf jede Situation millimetergenau angepasst werden.

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DESIGN-KLASSIKER FÜR DEN MODERNEN ARBEITSPLATZ Schreibtisch, Licht und Stuhl

Stilvoll arbeiten will gekonnt sein. Wer auf diese Design-Klassiker zurückgreift, verwandelt den funktionalen Arbeitsplatz in eine Oase der Ästhetik. Autorin: Swenja Willms

ARTEMIDE, TOLOMEO

© Herman Miller

Die Architekten Michele De Lucchi und Giancarlo Fassina erschufen für Artemide eine Ikone des Lichts: die Leuchte «Tolomeo». «Ich habe die Leuchte Tolomeo 1986 designt. Vielleicht sollte ich eher sagen, dass ich sie erfunden habe, denn am Anfang stand die Idee für ihren Mechanismus», erklärte Michele De Lucchi. Der Archetyp einer funktionalen Schreibtisch­ leuchte begeistert durch seinen grossen und flexiblen Bewegungsradius und besteht aus Gelenken aus poliertem Aluminium.

HERMAN MILLER, ATLAS STORAGE Mit einem einfachen Satz von Elementen verbessert der «Atlas Storage» von Tim Wallace nicht nur verschiedene Umgebungen, indem er Arbeits­ gegenstände oder persönliche Gegenstände unterbringt, sondern er kann auch Platz schaffen und Grenzen definieren. Die zusätzliche Option des Sitzpolsters bietet den perfekten Sitzplatz für Gäste und schafft ein einheitliches Erscheinungsbild in der gesamten Bürolandschaft. 148

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© Thonet

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VITRA, DESK CLOCKS Unter den vielen Wohnaccessoires, die George Nelson entworfen hat, finden sich auch Tischuhren: Die «Desk Clocks», eine Auswahl aus diesen Entwürfen, sind als Klassiker eine erfrischende Alternative zu herkömmlichen Uhren. Mit hochwertigen Quarzuhrwerken ausgerüstet, sind sie zuverlässige wie auch dekorative Zeitmesser. Seit 1999 legt Vitra die Nelson-Uhren wieder auf und überarbeitet von Zeit zu Zeit die Zusammenstellung der Kollektion.

KARTELL, EARL OF WOOD «Earl of Wood» von Philippe Starck ist ein neuer Schreibtisch in schlichtem Design und mit einer Tischplatte aus gebogenem Holz. Ausgelegt für mehrere Anwendungsfunktionen wird er den unterschiedlichen Anforderungen sowohl im privaten als auch im Bürobereich gerecht.

THONET, S 43 Ein Klassiker wird agil: Der reduzierte Stahlrohrentwurf «S 43» von Mart Stam aus dem Jahr 1931 erhielt zwei Updates, die ihn fit für flexible Office-Situationen machen. Mit Barhocker und Drehstuhl, auf Wunsch mit Polster für mehr Komfort, erweitert Thonet das Programm «S 43» nicht nur um neue Funktionen und Formen. Thonet-Klassiker sind ein Kulturgut. Sie stehen für gelebtes und generationsüberdauerndes Design, für Langlebigkeit – und auch für Anpassungsfähigkeit.

KAISER, IDELL Die berühmte Kaiser-«idell»-Leuchte ist gekennzeichnet durch Christian Dells elegante Verwendung der charakteristischen Grund­ formen der Moderne: Kugel, Kreis, Zylinder. Auch heute ist die «idell» ein Symbol für edles Bauhaus-Design, exquisite Material­ auswahl und präzise Technik. PRESTIGE BUSINESS

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© Mobimex

© Mobimex

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BRIDGE Jehs + Laub for Studio by Mobimex Hier stösst niemand an die Tischkante. Bootsförmig, rechteckoval mit sanft abgerundeten Ecken präsentiert sich der BRIDGE Tisch. Die feine Massivholzplatte brilliert wahlweise in Eiche oder in Schwarznuss und wird von einem Stahlelement aus der Brückenarchitektur gehalten. Das proportional feinst abgestimmte Untergestell aus einem Betonhohlkörper nimmt die Form der Tischplatte auf. Ein eleganter Begleiter, ein wahres Statement, im Wohnwie im Objektbereich. 150

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TIX by Dante Bonuccelli TIX ist ein Statement für Nachhaltigkeit und Schönheit der Materialien. Das schlichte und ehrliche Design ist frei von modischen Attributen und überzeugt durch die Reduktion der Form und die zeitlose Klasse. Ehrliches massives Holz zeigt die Schönheit und Unbändigkeit der Natur. Hochwertiges Aluminium, in absoluter Präzision und Perfektion gearbeitet, zeigt die Faszination der Technologie. So entsteht der anregende Kontrast von Natürlichkeit und technologischer Perfektion.

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VORSCHAU & IMPRESSUM

VORSCHAU Die nächste Ausgabe erscheint im Juni 2022

Mergers & Acquisitions mit Schwerpunkt Nachfolgeregelungen wD ie führenden Beratungspartner*innen in der Schweiz w Die erfolgreichsten Fusionen und Unternehmensverkäufe w Die wichtigsten Vorbereitungen bei einer erfolgreichen Firmenveräusserung

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Herausgeber Editorial Media Group AG Ceres Tower Hohenrainstrasse 24 CH-4133 Pratteln

Michael Schmidt Dr. Christian Schönfeld Dr. Andrea Schütz Joachim Simon Dr. Andreas Svoboda Andrea Trapp Timm Urschinger Michael Veit Michael Welti Swenja Willms Fabian Zahner

Telefon +41 61 551 39 40 Fax +41 61 551 39 49 info@editorial.ag www.editorial.ag Geschäftsleitung Peter Levetzow p.levetzow@editorial.ag Verlags- & Projektleitung Hasan Dursun h.dursun@editorial.ag Verkauf & Marketing Boris Jaeggi b.jaeggi@editorial.ag Ramirez Frutig r.frutig@editorial.ag Silvia Fuchs s.fuchs@editorial.ag Leitung Redaktion Georg Lutz g.lutz@editorial.ag

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Leitung Produktion & Grafik Nadesh Meyer n.meyer@editorial.ag Korrektorat / Lektorat Mario Hetzel Aboservice info@editorial.ag Autor*innen Werner Aebischer Dr. Thomas U. Bamert Elias Barth Rahel Böhler Andreas Breschan Philipp Dahl Klaus Doll Ulrike Fröhlich Frank Goffin Mario Hetzel Jörg Holzmann Christian Iten Christian Kern Matthias Kolbusa Stephan Krehl Georg Lutz Stefan Merz Kai Oppel Erik Reichmuth Gabriela Röthlisberger Laura Ryan

enerationswechsel und Abschied vom Lebenswerk G Loyalität und Geschäftssinn im Interessenskonflikt Business Cars Business Watches

Interviewpartner*innen Bernhard Bauhofer Gunter Fleitz Marc A. Hayek Marc Lichte Thomas Müller Ralf Räber Roger Semprini Henrik Wenders Titelbild Marc Gilgen / Patrick Kunz Bilder Abacus Research Werner Aebischer Alpnach Schränke AG Audi MediaCenter Audi Schweiz Athletes Network

Bank CIC (Schweiz) AG Blancpain BPN Clover Coaching Dropbox Equinix Fasswerk Hämmerle Marc Gilgen Heritage SA Ippolito Fleitz Group Patrick Kunz Herman Miller Mobimex Porsche AG Rock Capital SEF.WomenAward Shutterstock Sparring Partners Thonet Jahresabo Vier Ausgaben CHF 19.– Einzelpreis CHF 5.90 info@editorial.ag ISSN Print 2813-1525 ISSN E-Mag 2813-1533 A PRODUCT OF PRESTIGE MEDIA GROUP SA Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.


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