PRESTIGE Germany Volume 7

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KOLUMNE

AUS DEM LEBEN EINES GALERISTEN: SCHAU MIR IN DIE AUGEN grellen Licht. In den 1930ern übertrug die Firma Bausch & Lomb das Prinzip, dass dunkelgrüne Scheiben besonders viel gelbes Licht absorbieren, auf ihre ersten Pilotensonnenbrillen. Der Film «Top Gun» machte die sogenannte «Aviator-Brille» zur meistverkauften Brillenform.

WILHELM J. GRUSDAT

Was man sieht, ist, was man sieht. What you see, is what you see. Den Satz hört man immer wieder von Frank Stella. Er zielt darauf, dass der Künstler nicht beeinflussen kann, was der Betrachter sieht. Nur – was ist mit dem Künstler selber? Seit über fünfzig Jahren trägt Stella bei der Arbeit seine typische Nickelbrille. Und er ist nicht der Einzige. Erstaunlich viele Künstler sind Brillenträger – von David Hockneys runder Hornbrille bis zu Sigmar Polkes randloser.

Die teuerste Brille hat allerdings Chopard im Portfolio. Das Kunstwerk aus Gold und Diamanten ist fast so schön wie die Schmuckstücke, die Salvador Dalί 1949 von dem New Yorker Gold­ schmied Carlos Alemany herstellen liess und seiner Frau schenkte. Darunter eine Brosche, die wie ein blaues Auge geformt ist. «Eye of Time», wie das Schmuckstück hiess, bestand aus Diamanten, Platin und einem Rubin. Der blaue Aug­apfel aus Emaille zeigt die Ziffern einer Uhr. Dalί sagte dazu: «Der Mensch kann der Zeit nicht ent­ kommen. Das Auge sieht die Vergangenheit und die Zukunft.»

«Das Auge sieht die Vergangenheit und die Zukunft.»

Böse Zungen behaupten, dass viele Kunstwerke nur durch den Augenfehler des Künstlers entstanden sind. Albrecht Dürer schielte, wie man auf seinem Selbst­ portrait sehen kann. Monet litt bis zu seiner Operation unter zunehmendem grauen Star und malte deswegen eine Zeit lang nur braune Bilder. Renoir war ebenso kurzsichtig wie Cézanne. Dieser verweigerte sich aber einer Brille, weil ihm die Welt damit zu vulgär erschien. Es kommt noch besser: Schaut man sich die merkwürdig verzerrten Glieder auf den Bildern von El Greco, Lucas Cranach und Holbein durch eine Brille an, die eine Hornhautverkrümmung ausgleicht, sehen sie völlig normal aus. Abstrakter Expressionismus und Pop Art machten jedes künstlerische Augenleiden erst einmal obsolet. Stattdessen wurde das Tragen von Brillen und besonders Sonnenbrillen chic. Andy Warhol besass nicht nur eine ganze Armada an Brillen, ihm ist es auch zu verdanken, dass Sonnenbrillen bei Nacht salonfähig wurden. Die älteste Sonnenbrille soll übrigens auf Kaiser Nero zurückgehen. Dieser hielt sich während der Gladiatorenkämpfe zwei geschliffene Smaragde vor die Augen und schützte sich so vor dem

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Apropos blaue Augen. Menschen mit blauen Augen sind mit allen Menschen gleicher Augenfarbe verwandt. Die Augenfarbe wird genetisch be­ stimmt. Nur wenn beide Eltern das Gen für blaue Augen haben, wird die Farbe an die Kinder vererbt. Im orientalischen Volksglauben besitzen Menschen mit blauen Augen den unheilvollen Blick. Zum Schutz wird in manchen Ländern ein Glasamulett getragen, das ebenfalls ein blaues Auge repräsen­ tiert. Die blauen Augen von Sigmar Polke sind übrigens verantwortlich für seine typischen Raster­ bilder. Als Kind war er bereits sehr kurzsichtig, konnte sich aber keine Brille leisten. Wenn sich die Familie über den neuesten Bäckerblume-Katalog beugte, sah er statt Brötchen nur dunkle Punkte.


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