KOLUMNE
«Hast Du Tickets?» von Vera Dillier
D
ie Frage «Hast Du ein Ticket für mich» ist bei mir zu einem Reizwort geworden. Ständig kommen irgendwelche Leute mit dieser Frage zu mir und wollen auf allen möglichen Events mit dabei sein. Es scheint bei gewissen Menschen so was wie eine Sucht zu sein, immer und überall eingeladen zu werden. Das gibt ihnen offenbar das Gefühl, wichtig zu sein und dazuzugehören. Unlängst eröffnete ein bekannter Designer eine Boutique in Zürich. Im Frühjahr gab es dann einen Cocktail für gute Kunden und Promis. Sobald die Einladungen verschickt waren, liefen die Telefonleitungen der Boutique heiss, denn viele Leute versuchten, sich selber noch schnell einzuladen. Ganz Unverfrorene, die es partout nicht auf die Gästeliste geschafft hatten, kamen kurzerhand im Windschatten von geladenen Gästen und warfen sich in Pose, in der Hoffnung, von einem der vielen anwesenden Pressefotografen abgelichtet zu werden, damit sie am folgenden Tag wieder mal alle ihre Freunde anrufen konnten mit der niemanden interessierenden Botschaft: «Du musst die Zeitung kaufen, ich bin drin.» Zu dem Thema erlebte ich vor vielen Jahren in Saint-Tropez eine ganz süsse Geschichte: Damals lebte ich bei Freunden auf einer riesigen 51m-Yacht. Fast jeden Abend gab es in irgendeiner Villa eine Party. Wir waren eine grössere Clique und trafen uns jeweils vorher im «L'Escale» – einer bekannten Bar –, um dann alle gemeinsam an das Fest zu fahren. Viele YachtBesitzer hatten keine Autos mit dabei, wenn sie mit dem Schiff nach St. Tropez gekommen waren. In der Bar sass dann oft
ein gutaussehender junger Mann bei uns und plauderte fröhlich mit allen. Wenn es dann darum ging, wer mit wem fahren könnte, fragte er immer freundlich, ob es für ihn auch noch einen Platz hätte. So wurde er immer mitgenommen, jeder kannte ihn schliesslich vom Sehen und dachte, dass er einfach mit den anderen von der Clique befreundet sei. Eines Tages ging ein Bekannter von mir in die Metzgerei, um das Fleisch für seine Dinnerparty persönlich auszusuchen, und wen traf er da: den fröhlichen jungen Mann, der dort als Metzgerlehrling arbeitete. Als dieser Freund uns die Geschichte am Abend erzählte, lachten wir uns alle krumm. Wir fanden jedoch, dass der junge Mann das alles brillant gemeistert hatte, denn er hatte nie etwas Unwahres über sich erzählt und nie geblufft. Da er ja immer hilfsbereit und amüsant gewesen war und nichts anderes wollte, als mit den für ihn «Schönen und Reichen» Partys zu feiern, beschlossen alle, dass er weiterhin mit uns um die Häuser ziehen könne. So verlebte der junge Mann einen für ihn sicher unvergesslichen Sommer. Manchmal träume auch ich von einem fast unerreichbaren Eintritts-Ticket, nämlich eine Einladung an die grosse OscarVerleihung. Weder meine Freundin Laura, die immerhin die Hauptrolle in einem Film von David Lynch gespielt hatte, noch einer meiner Hausgäste, der damals drei Oscars eingeheimst hatte, noch der Produzent von Filmen wie «Highlander» konnte mir diesen Traum erfüllen. So bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als beim aktuellen Coop-Wettbewerb mitzumachen. Da gibt’s nämlich zwei Tickets für die Oscar-Verleihung. Drückt mir bitte alle die Daumen.
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