VINSCHGER GESELLSCHAFT
Polemik um Studien Wie stark gefährden Pestizide die Gesundheit? Zwischen Sachlichkeit und Emotion. SCHLANDERS - Es war im Sommer
2017, als sich Landesrat Arnold Schuler von den Ergebnissen zweier Studien „in mehrfacher Hinsicht erleichtert“ zeigte. Vorgestellt wurden damals die Ergebnisse der von der Landesregierung im Juli 2013 in Auftrag gegebenen „Studie zur Überprüfung der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die menschliche Gesundheit“ sowie einer weiteren Studie über die Auswirkungen von Chlorpyrifos. Die Studie war von der Abteilung Umweltmedizin des Sanitätsbetriebs in Zusammenarbeit mit dem Tumorregister Südtirol, der Eurac, der epidemiologischen Beobachtungsstelle, der Stiftung Salvatore Maugeri und dem Versuchszentrum Laimburg durchgeführt worden. Die federführende Koordination lag beim leitenden Arzt Lino Wegher vom Zentrum für Umweltmedizin des Sanitätsbetriebs. Am 21. Oktober stellte Wegher die zwei Studien auf Einladung der Umweltschutzgruppe Vinschgau in der Aula Magna der WFO in Schlanders vor. „Keine relevanten Unterschiede“ Das Kernergebnis fasste er so zusammen: Was die Häufigkeit von Tumorerkrankungen betrifft sowie die Sterberate bei Tumorerkrankungen, „gibt es keine relevanten Unterschiede bei Einwohnern intensiv landwirtschaftlich genutzter Gebiete und Einwohnern gering landwirtschaftlich genutzter Gebiete.“ Die Untersuchungen bezüglich Parkinson
Das Thema Pflanzenschutzmittel scheidet weiter die Geister.
(Zeitraum 2003-2015) sowie Alzheimer und Demenz (2010-2014), bei denen es laut Wegher „keine Register im eigentlichen Sinn gibt“, hätten ergeben, dass die Inzidenz bei Parkinson in der Gruppe „andere Gemeinden“ höher sei als in den Gemeinden mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. Bei Alzheimer und Demenz sei die Inzidenz in Gemeinden mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung niedriger als die Inzidenz der gesamten Provinz und der Gruppe der „anderen Gemeinden“, sprich der nicht untersuchten. Wegher unterstrich, dass man aufgrund fehlender Register auf anderweitige Informationen zurückgegriffen habe (Kennziffer der Krankenhauseinlieferung, Medikamentenverschreibung usw.). Fehlgeburten habe es von 2004 bis 2014 in den Gemeinden mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung weniger gegeben. Keine relevanten Unterschiede seien
Michael Oberhuber, Markus Lobis, Eberhard Greiser und Lino Wegher (v.l.)
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DER VINSCHGER 37/19
bezüglich der Schwangerschaftsrisiken festgestellt worden. In der Chlorpyrifos-Studie wurden die Auswirkungen anhand von Tests bei Bauern aus Kastelbell-Tschars, Latsch, Naturns, Marling und Tirol sowie von Anrainern dieser Gemeinden untersucht. Während der Ausbringungs-Saison seien zwar höhere Konzentrationen festgestellt worden, doch hätten die Dosen weit unter den zugelassenen Grenzwerten gelegen. Kein gutes Haar Kein gutes Haar an den Studien ließ der Epidemiologie Eberhard Greiser von der Universität Bremen. Der Professor „zerpflückte“ die Studien in vielerlei Hinsicht, vor allem was die Methodik und die angestellten Vergleiche des „überlasteten Einzelkämpfers“ Lino Wegher betreffe. Greiser beanstandete, „dass keine einzelne Erkrankung definiert wurde, sondern eine Vielzahl von Erkrankungen.“ In der gesamten Studie über die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die menschliche Gesundheit „findet sich überhaupt kein Hinweis auf verwendete Literatur.“ Außerdem sei nur nach Gemeinden mit hoher bzw. niedrigerer landwirtschaftlicher Nutzung differenziert worden.“ Daten zur Anwendungshäufigkeit vermisse er in der Studie ebenso wie Hinweise darüber,
„welche Pestizide in welchem Umfang verwendet wurden.“ Greiser beanstandete auch, „dass an keiner Stelle eine Vergleichbarkeit der einzelnen Gemeinden gezeigt wurde.“ Es seien teilweise Dinge miteinander verglichen worden, „die nicht vergleichbar sind.“ Die Studien-Ergebnisse seien daher teilweise Null-Ergebnisse. Bezüglich der Chlorpyrifos-Studie verwies Greiser auf die geringe Anzahl von Probanden: 28 Probanden mit Verwendung von Chlorpyrifos und 25 ohne. Außerdem sei an keiner Stelle begründet worden, „warum Chlorpyrifos als einziges Pestizid ausgewählt wurde.“ Jede Schlussfolgerung, „dass keine Gesundheitsgefährdung von Chlorpyrifos bestünde, ist aus den Ergebnissen dieser Studien wissenschaftlich nicht begründbar“, behauptete Greiser. Er wartete mit den Ergebnissen großer und viel breiter angelegten Studien aus den USA auf, wonach Krebserkrankungen durch Chlorpyrifos fundiert und wissenschaftlich korrekt nachgewiesen worden seien. Bei vielen Erkrankungen sei bei verlängerter Chlorpyrifos-Exposition ein teils merklich höheres Risiko festgestellt worden. Die Palette reicht von Lungen- und Enddarm-Krebs bis hin zu Hirn-Tumoren und Erkrankungen von Kindern nach Exposition in der Gebärmutter. Zum Thema Grenzwerte hielt Greiser grundsätzlich fest, „dass