Äpfel pflücken im Scheinwerferlicht

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VINSCHGER THEMA

Feierabend um 3 Uhr in der Früh Ein Teil der Erntehelfer/innen arbeitet in der Nacht. „Sie machen es freiwillig und nicht ungern.“ Stattlicher Nachtzuschlag. Keine Klauberboxen und Leitern. EYRS - Nach einer ersten Testphase im Vorjahr ist es bei der heurigen Apfelernte schon fast normal: Seit Anfang Oktober arbeitet ein Teil des Erntehelfer-Teams von Markus Telser in Eyrs während der Nachtstunden im Scheinwerferlicht. „Jetzt spinnen sie total. Sogar in der Nacht schicken sie die Klauber in die Wiesen.“ Solche Stammtisch-Aussagen sind dem Apfelbauer, der den Marottenhof in Eyrs bewirtschaftet, nicht unbekannt. Und es ist ihm auch deshalb daran gelegen, bestimmte Vorurteile auszuräumen und zu entkräften. Auf die Frage, wie man dazu kommt, eine Nachschicht einzuführen und warum das überhaupt notwendig ist, sagte Markus Telser, dass das in erster Linie mit dem Einhalten des sogenannten Erntefensters zu tun hat. Das Erntefester ist der zeitliche Rahmen, innerhalb dem die Äpfel zu den jeweiligen Genossenschaften zu bringen sind. „Und wenn sich dann zeigt, dass die Erntemengen die Erwartungen übertreffen, kann es zu Engpässen kommen. Besonders dann, wenn beträchtliche Flächen abzuernten sind, wie das bei mir der Fall ist“, sagte der junge Bauer am 11. Oktober dem der Vinschger. Heuer sei es so, „dass die Golden bis Mitte Oktober zu liefern sind und wir im Einzugsgebiet der OVEG eine nicht unerhebliche Mengensteigerung haben.“ Für die OVEG insgesamt, die erst kürzlich ein neues Hochregallager errichtet

Im Bild (v.l.): Der Vorarbeiter Giorgio Rad, seine Frau Ana mit Töchterchen Sara und der Apfelbauer Markus Telser.

hat, bedeute das laut Markus Telser, der seines Zeichens auch Vorstandsmitglied der OVEG ist, einen Mengenzuwachs in Richtung 5.000 Waggon. Um die Äpfel zeitgerecht von den Bäumen holen zu können, habe er sich dafür entschieden, die Nachtschicht einzuführen. Kommt es aber nicht auf dasselbe hinaus, wenn man alle Erntehelfer untertags beschäftigt? Markus Telser: „Das mag zwar auf den ersten Blick so anmuten, aber in Wirklichkeit ist das Ganze dann doch etwas komplexer und hat auch mit betriebswirtschaftlichen Faktoren zu tun.“ Insgesamt beschäftigt Telser während der Erntezeit über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Würden alle untertags arbeiten,

Die Schweinwerfer spenden ausreichend Licht und etwas Wärme.

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DER VINSCHGER 35/19

müsste er zusätzlich zu den bestehenden 3 Hebebühnen (Erntemaschinen) weitere Hebebühnen anschaffen. „Und wenn man bedenkt, dass eine Hebebühne rund 50.000 Euro kostet, muss man sich überlegen, ob das sinnvoll ist oder ob es Alternativen gibt.“ Zumal aufgrund der unerwartet großen Apfelmenge kurzfristig keine Hebebühne zum Ausleihen zur Verfügung stand, hat er für seinen Teil in der Einführung der Nachtschicht eine Lösung gefunden. Dadurch sind zwei der Erntemaschinen fast rund um die Uhr im Einsatz. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aufgrund des Einsatzes der Erntemaschinen und des Verzichtes auf Klauberboxen und Leitern auch im Zusammenhang mit dem Einhalten des Erntefensters: „Die reifen Äpfel auf den Gipfeln können zuerst geerntet werden, während die Äpfel im unteren Baumbereich, die beim Klauben der Gipfel unbeschädigt bleiben, noch Zeit zum Reifen haben.“ Während der Erntezeit herrscht am Marottenhof nahezu ein 24-Stunden-Betrieb: die einen kehren von den Wiesen zurück, die anderen rücken aus, für wieder andere ist Essenszeit und Ruhepause. Telser: „Es ist schon rein organisatorisch und logistisch gesehen kein leichtes Unterfangen, einen über 50-Personen-Betrieb halbwegs gut zu führen.“ Die Bürokratie, die Verwaltung und weitere Aufgaben, bei denen auch Telsers Frau mit anpackt, kommen noch dazu. Der Großteil des Mitarbeiterstabs stammt aus Rumänien. Rund zwei Drittel davon sind Frauen. Großen Wert legt Markus Telser darauf, „den Menschen Respekt, Anerkennung und Wertschätzung entgegenzubringen.“ Daher sei es beileibe nicht so, dass jene, die während der Nacht arbeiten, dazu gezwungen werden: „Wir haben vorab gemeinsam mit dem gesamten Team über das System der Nachtschicht gesprochen. Alle, die über Nacht arbeiten, machen es freiwillig.“ Dies bestätigte auch der Vorarbeiter Giorgio Rad aus Rumänien, der seit 7 Jahren als einer von


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