Was jetzt, SVP?

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VINSCHGER GESELLSCHAFT

Halt der Gewalt: Hier finden Frauen Hilfe Beratungsstelle im Vinschgau eröffnet. Warum das so wichtig ist – und was hilfesuchende Frauen dort erwartet. SCHLANDERS - „Der Bedarf im Vinschgau ist da“, bringen es Nadin Zöschg und Claudia Gorfer auf den Punkt. Die beiden Mitarbeiterinnen der Sozialdienste in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau wissen: „Oft ist das Thema in Tälern mit Scham behaftet. Es muss ein gesellschaftliches Thema werden“. Das Thema ist jenes der Gewalt an Frauen. Es ist – leider – heute weltweit ein alltägliches Problem. Dies belegen die nackten Zahlen: Nach offiziellen Schätzungen werden 35 Prozent aller Frauen zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt. Über 100 Femizide gab es alleine im Jahr 2022 in Italien. Über 100 Frauen wurden damit ermordet – von Männern. Weil sie Frauen sind.

Auch psychische und ökonomische Gewalt

behilflich. Jedoch werde nichts ohne das Einverständnis der Betroffenen unternommen, auch die Anzeige müsse stets von der Frau selbst kommen. „Man sucht gemeinsam den richtigen Weg. Die Frauen können sich hier sicher und verstanden fühlen“, erklären die beiden Mitarbeiterinnen der Bezirksgemeinschaft. Prävention und Bekämpfung geschlechterspezifischer Gewalt

Claudia Gorfer. Um eine Anlaufstelle für Frauen in solchen Situationen zu schaffen eröffnete am vergangenen Donnerstag, 26. Jänner, die Beratungsstelle Schlanders, koordiniert von der Bezirksgemeinschaft Vinschgau. Die Beratungen werden von qualifizierten Frauen des Vereins „Conne contro la violenza – Frauen gegen Gewalt“ angeboten. In Schlanders stehen dafür derzeit Claudia Pichler und Sara Bagozzi zur Verfügung. Bisher mussten Vinschger Frauen dafür nach Meran. Insgesamt wenden sich rund 100 Frauen pro Jahr für ein Erstgespräch an die Stelle in Meran, wie viele davon aus dem Vinschgau kommen, ist nicht bekannt. „Die Stelle in Schlanders jedenfalls stellt eine Möglichkeit dar, für jene, die nicht so weit fahren möchten. Natürlich kann man

dennoch nach Meran, etwa falls man dies als anonymer betrachte“, so Gorfer. Anonymität sei aber freilich auch in der Göflaner Straße in Schlanders garantiert. Die Beraterinnen seien auch zu Verschwiegenheit verpflichtet.

Atmosphäre des Vertrauens Gewalt an Frauen beginnt freilich schon viel früher. „Wir spreDer Verein „Frauen gegen Gechen dabei neben körperlicher walt“ führt seit 30 Jahren den FrauGewalt auch von psychischer und enhausdienst in Meran, durchökonomischer“, erklärt Sozialschnittlich 30 Frauen werden hier assistentin Nadin Zöschg. Ökoaufgenommen. In Schlanders nomische Gewalt ist es etwa dann, wolle man ein vorurteilsfreies wenn Frauen auf das Einkommen Zuhören in einer Atmosphäre ihres Mannes angewiesen sein des Vertrauens anbieten – um müssen – und letztere sich das dann zusammen mit den Betrofsogar noch zunutze machen, die fenen eine Hilfe zu suchen. Eine Frau damit „kleinhalten“ oder Unterbringung im Frauenhaus diskriminieren. könne veranlasst werden, auch Psychische Gewalt ist oft unbeim Schritt zu einer Anzeige sichtbar, reicht von Beschimpfungegen den Gewalttäter sei man gen über Drohungen und Mobbing bis hin zu Stalking. Auch der – leider nach wie vor – weit verbreitete Sexismus kann und soll als Form psychischer Gewalt betrachtet werden. Nicht zuletzt ist es oft die körperliche Gewalt, die im Verborgenen bleibt. Stichwort: häusliche Gewalt. Physische Gewalt werde „ohnehin in den allermeisten Fällen von Männern ausgeübt, die den Frauen nahestehen“ ergänzt Nadin Zöschg und Claudia Gorfer stellten die neue Beratungsstelle vor. 12

DER VINSCHGER 02/23

Im Dezember 2021 war das Landesgesetz Nummer 13 „Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung geschlechterspezifischer Gewalt und zur Unterstützung von Frauen und ihren Kindern“ erlassen worden. „Dieses sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, etwa den landesweiten Aufbau eines Netzwerks von Fachkräften, um aktiv das Thema der Gewalt an Frauen anzugehen“, so Gorfer. Im Vinschgau habe es dazu bereits vor rund einem Jahr die ersten Treffen gegeben. Das Ziel dabei sei es, eine Fachgruppe mit Vertreterinnen der Sozialdienste, der Gemeinden, der Ordnungskräfte, der Schulen und des Sanitätsdienstes, sowie der Fachfrauen des Frauenhausdienstes Meran zu bilden. Koordiniert wird das Netzwerk von den Vertreterinnen des Sozialdienstes Schlanders. Dass das Thema im Vinschgau angegangen werden müsse, sei klar. „Konkrete Zahlen hierzu gibt es zwar nicht, aber es gibt mehrere Vinschgerinnen, die Hilfe in Meran suchen“, erklärt Nadin Zöschg. Die Dunkelziffer sei vermutlich sehr hoch. „Viele trauen sich nicht“, weiß Claudia Gorfer. Es gelte, weiter zu sensibilisieren – damit Betroffene auch den richtigen ersten Schritt machen. Über die Gewalt sprechen und sich Hilfe suchen. MICHAEL ANDRES


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