Zuständig fürs Wohlbefinden

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VINSCHGER GESELLSCHAFT

Die geschlechtliche Vielfalt NATURNS - Die geschlechtliche Vielfalt war am 3. März das Thema eines Online-Abends im Rahmen von „Red mor amol driber …“, eines Gemeinschaftsprojektes des Jugenddienstes Meran und des Jugenddienstes Naturns sowie deren Mitgliedsgemeinden. Mit über 60 Zugeschalteten, darunter auch Interessierten aus dem Vinschgau, stieß auch dieser Themenabend auf viel Zuspruch. Referent war der aus dem Pustertal stammende und in Innsbruck arbeitende Sexualpädagoge und Sexualberater Michael Peintner. Wie Peinter bestätigte, suchen zunehmend auch junge Menschen Beratung, weil sie nicht in das Schema der Heterosexualität hineinpassen. Personen, deren geschlechtliche Identität nicht den heteronormativen Normen entspricht, seien oft Vorurteilen ausgesetzt. Das Gebot, wonach jeder Mensch entweder Frau oder Mann sei muss, sei fest verankert. Es werde angenommen,

dass das Geschlecht eine körperliche Basis hat, dass es angeboren und unveränderlich ist. Dabei gehe die Geschlechtervielfalt weit über die Zweigeschlechtlichkeit hinaus. Der Begriff Trans*Gender umfasse alle Phänomene, bei denen Geschlechtergrenzen in Frage gestellt werden. Für Menschen, die ihre Zuweisung auf eine männliche oder weibliche Rolle ablehnen und sich zwischen den Geschlechtern identifizieren, seien die Begriffe „In-Between“, „non-binary“ und „genderfluid“ enstanden. „Androgyn“ werden Menschen genannt, die sich bewusst als nicht geschlechtlich zugeordnet darstellen oder anderen Menschen so erscheinen. Von Trans*Identitäten wird gesprochen, wenn die subjektiv empfundene Geschlechtsidentität nicht mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmt. Außerdem gibt es Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen die Kleidung des

Michael Peintner beim Online-Abend

anderen Geschlechts anziehen, jedoch nicht unbedingt ein Leben im anderen Geschlecht anstreben. „Queer“ ist ein politischer und soziologischer Begriff für alle Menschen, die die Heteronormativität und überkommene Rollenklischees ablehnen, sowie das Leben in einer Vielfalt geschlechtlicher Identitäten und sexueller Praxen bevorzugen. Die geschlechtliche Vielfalt hat laut Peintner nichts mit Geschlechtspartner-Orientierung zu tun. „Wir sind alle heteronor-

mativ sozialisiert worden.“ Wenn ein Mann mit einem anderen Mann sexuelle Kontakte hat, sei er nicht automatisch schwul. Die Orientierung reiche von heterosexuell, schwul und lesbisch bis hin zu bisexuell, asexuell, pansexuell, demisexuell und polyamourös. Das Wissen um die geschlechtliche Vielfalt sei ebenso wichtig, wie die Haltung zu Queer-Menschen und der Umgang im Alltag. Peintner: „Wir sollten immer davon ausgehen, dass wir es in unserem Umfeld mit der gesamten geschlechtlichen Vielfalt zu tun haben.“ Grundsätzlich hielt der Referent fest, „dass Trans*Gender in Italien weitgehend allein gelassen werden.“ In Südtirol gebe es Ansätze einer Verbesserung. Der Geschlechtseintrag „divers“ (ungleichartig, verschieden) bildet seit 2018 in Deutschland und seit 2019 in Österreich eine dritte rechtliche Option neben „weiblich“ und „männlich“. SEPP

LESERBRIEFE

Ein Dankeschön Ein Dankeschön an die Busfahrer und Begleitpersonen, die im Auftrag der Firma Tundo, zuverlässig und mit Empathie unsere Kinder und Jugendlichen zur Schule und in die Werkstätten gefahren haben. Wir Eltern waren immer zufrieden mit euch und bedanken uns auf diesem Weg. DIE VINSCHGER AEB-ELTERN, 10.03.2021

Heiße Eisen der Pandemie Wir gehen zum Mechaniker, wenn das Auto kaputt ist, wir gehen zum Fachhandel, wenn wir professionelle Beratung brauchen, und wir gehen zu Ärztinnen und Ärzten, wenn es uns nicht gut geht. Und doch gibt es immer mehr Menschen, die genau diese Expertise in Frage stellen. Glauben wir heute tatsächlich, dass ein paar YouTubeVideos und online- Artikel, die unsere Filterblase uns vorschlägt, langjährige Ausbildung und Er-

fahrung ersetzen können? Seit uns das Coronavirus getroffen hat, schimpfen sehr viele Menschen auf WissenschaftlerInnen und ÄrztInnen, von Diktatur und Beschneidung der Menschenrechte ist die Rede. Und gleichzeitig verwehren die, die auf Demos am lautesten schreien, denjenigen, die vor tatsächlichen Repressalien und Bedrohung ihres Lebens durch einen Staat fliehen, das Recht auf ein sicheres Leben in Freiheit und Menschenwürde. Sie müssen unter schlimmsten Bedingungen in Lagern vor sich hin vegetieren, und wir jammern über Masken? Das passt für mich nicht zusammen und kommt mir doch sehr verwöhnt vor in unserem westlichen Luxus. Verständlich, dass Zeiten wie diese Ängste schüren. Und kritisches Hinterfragen ist und bleibt eine gute Sache. Meine größte Angst aber ist, dass dabei die Solidarität auf der Strecke bleibt. Nur gemeinsam können wir Krisen wie diese bewältigen. Anstatt wieder (wie schon so oft in der Geschichte)

vermeintliche Sündenböcke aufzuspüren und zu jagen, sollten wir uns lieber darauf konzentrieren, durch Zusammenhalt diese herausfordernden Zeiten zu überstehen. Jetzt geht es ums Impfen. Impfungen haben der Menschheit sehr viel Leid erspart und zählen zu den größten medizinischen Errungenschaften unserer Zeit. Ich trage noch eine Narbe meiner Pockenimpfung am Arm, meiner Tochter wird das erspart bleiben, weil es gelungen ist, diese schreckliche Krankheit auszurotten. In anderen Ländern tragen Mütter ihre Kinder tagelang zu Krankenhäusern, damit sie nicht noch eines an Kinderlähmung oder Diphterie verlieren. Natürlich, auch ich mache mir Gedanken, ob ein so neuer Wirkstoff sicher ist, und eine Industrie, die Geld mit der Gesundheit von Menschen verdient, ist immer problematisch. Dennoch, es führt wohl kein Weg daran vorbei, wenn wir einander endlich wieder ohne Angst treffen und umarmen wollen, wenn wir uns gemeinsam in Konzerten,

Lokalen und auf Veranstaltungen sehen wollen. Meine Sehnsucht danach ist größer als die Angst, und mein Wunsch, die Risikogruppen zu schützen, ihnen den so wichtigen zwischenmenschlichen Kontakt zu ermöglichen, ist stärker. Von der Politik würde ich mir wünschen, dass sie auf die berechtigten Ängste der Menschen echte Antworten gibt, anstatt nur NLP-geschulte Phrasen zu dreschen. Ich hoffe, dass die leider notwendige soziale Distanz des letzten Jahres bald Vergangenheit sein wird, und uns diese Zeit noch deutlicher bewusst macht, wie sehr wir einander brauchen. Und auch bereit sein müssen, das Wohl der Gemeinschaft über unsere eigenen Befindlichkeiten zu stellen, denn: „Nichts bist du, nichts ohne die anderen. Der verbissenste Misanthrop braucht die Menschen doch, wenn auch nur, um sie zu verachten.“ (Marie von EbnerEschenbach) DOMINIK PLANGGER, WIEN, 01.03.2021

DER VINSCHGER 09-10/21

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