Vaud Promotion (D)

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an.

Von Weinbergen und Weltklassearenen

Alexander Vitolic · Sie sei stolz darauf, den Menschen die Schönheit des Waadtlands auf dem Gravelbike näherzubringen, sagt Veloguide Lillie Rumpf, auch bekannt als «Cycling Heidi». Besser lässt sich die Idee hinter dieser Beilage rund ums Radfahren und Geniessen kaum beschreiben.

Das Waadtland ist ein Radsportparadies – und insbesondere für Gravelbiker eine wahre Trouvaille. Was das ist? Gravelbikes sind vielseitige Velos, die Elemente von Rennrad und Mountainbike vereinen. Sie sind mit breiteren, profilierten Reifen (meist ab 35 mm) ausgestattet und eignen sich perfekt für Touren auf Asphalt, Schotter, Wald­ und Landwirtschaftswegen.

Die Region bietet hunderte Kilometer abwechslungsreiche Strecken, die durch Weinberge, Wälder, über Alpenpässe und entlang von Seen führen. Orte wie Nyon, Morges, Echallens oder Aigle sind ideale Reiseziele, um mit dem Gravelbike das vielfältige

«Aigle ist die Heimat des Radsports»

Kulturerbe zu entdecken. Die Routen bieten für jedes Niveau das passende Abenteuer. Einige davon stellen wir Ihnen auf den folgenden Seiten vor. Auch Lillie Rumpf bietet geführte Touren an, in denen sie Natur, Tradition, regionale Spezialitäten und Spass verbindet. Wir porträtieren die lebensfrohe Amerikanerin mit dem grün­weissen Herzen im rot­weissen Tenue auf Seite 6. Auf Seite 7 nehmen wir Sie mit auf eine Führung durch das World Cycling Centre (WCC) des internationalen Radsport­Dachverbands UCI in Aigle. Das internationale Trainingszentrum am Fuss der Waadtländer Alpen bietet nicht nur ein hochmodernes Velodrom, sondern auch ein spannendes Museum zur Radsportgeschichte. Sie sehen: Das Waadtland wartet nur darauf, erkundet zu werden – vielleicht begegnen wir uns ja unterwegs. Zum Schluss gibt es auch noch etwas zu gewinnen – lassen Sie sich überraschen und bleiben Sie bis zum Ende dran!

Amina Lanaya leitet den Weltradsportverband UCI in Aigle. Im Interview spricht die Französin-Marokkanerin über den Vorteil zertifizierter Fahrradregionen im Waadtland und ihr Engagement für einen weltweiten Ausbau fahrradfreundlicher Infrastrukturen.

Frau Lanaya, wofür steht das UCI-Label «Bike Region»?

Als die International Cycling Union (UCI) im Jahr 2016 dieses Label lancierte, war es das Ziel, Städte und Regionen auszuzeichnen, die nicht nur grosse UCI­Radsportveranstaltungen ausrichten, sondern sich auch in herausragender Weise für den Radsport für alle engagieren. Die UCI ist stolz darauf, dass dieses Netzwerk mittlerweile auf 28 Städte und Regionen in 15 Ländern auf 4 Kontinenten angewachsen ist. Alle, die dieses Label erhalten haben, arbeiten mit der UCI zusammen, um sicherzustellen, dass unser Sport zu sicheren, gesunden und widerstandsfähigen Gemeinschaften beiträgt.

Und nach welchen Punkten wird das Label vergeben?

Es gibt zehn Kriterien, die zur Bewertung beitragen. Dabei gibt es zwei Hauptsäulen: einerseits der Sport, andererseits die Frage, wie vielfältig die Bemühungen sind, einen besseren Zugang zum Radsport für alle Menschen – unabhängig von ihrem Alter, ihrer Fitness oder ihrer Fahrradaktivität – zu ermöglichen. Das langfristige Ziel der UCI ist es, das globale Netzwerk von Fahrradstädten und ­regionen weiter auszubauen. Um sicherzustellen, dass jede Stadt auf jedem Kontinent von den Leitlinien der UCI zur Förderung des Radfahrens für alle profitieren kann, haben wir deshalb im letzten Jahr unseren neuen «UCI Bike City Pathway» ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um einen Leitfaden, der Stadtplanern, politischen Entscheidungsträgern und der breiten Radsportfamilie einen umfassenden Fahrplan für die Schaffung einer fahrradfreundlichen Umgebung auf Grundlage der zehn Vergabekriterien des UCI Bike City Label an die Hand gibt.

Was zeichnet Aigle, den Sitz der UCI, als Radregion aus?

Die Gemeinde Aigle hat im September 2023 das UCI Bike City Label erhalten. Als Sitz der UCI und des UCI World Cycling Centre (WCC) hat Aigle eine reiche Radsporttradition und war bereits mehrfach Austragungsort der UCIJunioren­Bahnrad­Weltmeisterschaften sowie der UCI Gran Fondo World Series. Im Jahr 2022, dem «Jahr des Fahrrads», fanden hier insgesamt elf Radsportveranstaltungen statt, darunter die Tour de France und die Tour de Romandie. Nach der Einführung der Strategie «Horizon 2035» durch den Kanton Waadt hat Aigle eine eigene globale Vision mit den Schwerpunkten Sport, Energie und Mobilität vor­

«Gravel

ist eine sehr zugängliche Disziplin, auch für Amateure. Sie spielt in der Freizeit und im Alltag eine wichtige Rolle.»

gestellt, in der der Radsport eine wichtige Rolle spielt. Ausserdem wurde ein spezieller Masterplan erstellt, um das Verhältnis zwischen aktiver Mobilität, individuellem motorisierten Verkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln ins Gleichgewicht zu bringen und sichere Wege für Radfahrende zu schaffen.

Sie arbeiten in Aigle. Welche Radroute gefällt Ihnen besonders gut? Aigle ist die Heimat des Radsports. Ich mag die ausgeschilderte und ruhige Route zwischen dem Bahnhof Aigle und dem Hauptsitz des UCI World Cycling Centre. Sie ermöglicht es uns, Gäste und Besucher dazu anzuregen, Zugfahrten mit einer Radtour zu kombinieren, zumal wir direkt auf unserem Gelände eine Velospot­Fahrradverleihstation haben.

2022 hatte bereits der Kanton Waadt das UCI-Label «Bike Region» erhalten. Der Kanton Waadt engagiert sich sehr stark für die Förderung des Radsports. Er hat bereits mehrere Veranstaltungen der UCI ausgerichtet und tut das weiterhin, etwa mit der Ausrichtung der UCI­Gravel­Weltmeisterschaften 2029 in Villars. Generell ist das Ziel, die mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege im Kanton Waadt zwischen 2015 und 2035 zu verfünffachen, die Erreichbarkeit zu verbessern und das Potenzial für Transport und Freizeit zu stärken. Finanziert mit einem Budget von 42 Millionen Schweizer Franken, umfassen die Massnahmen den Ausbau der Fahrradinfrastruktur, die Unterstützung von Gemeinden und Regionen bei der Förderung des Radverkehrs sowie die Entwicklung von Kampagnen und vielen weiteren Projekten. Damit wird auch der Status der Schweiz als Radsportland gefestigt. Die Vielfalt und die Abwechslung sind grossartig – es gibt

mehr als 12 000 Kilometer ausgeschilderte Radwege in der Schweiz.

Wie wichtig ist Ihnen persönlich die rasant wachsende Disziplin Gravel? Die UCI fördert mit der Gravel World Series und den Gravel World Championships die Entwicklung dieser Disziplin stark. 2025 umfasst die World Series 33 Veranstaltungen weltweit – von Italien über Frankreich bis nach Australien und Namibia, um nur einige Gastgeberländer zu nennen. Der Boom ist faszinierend. Gravel ist eine sehr zugängliche Disziplin, auch für Amateure, und spielt etwa in der Freizeit und im Alltag eine wichtige Rolle.

Dann erlauben Sie uns zum Abschluss die Frage, wie sich die Popularität des Radfahrens aus Ihrer Sicht in Zukunft entwickeln wird?

Städte auf der ganzen Welt erkennen zunehmend die Bedeutung einer nachhaltigen und aktiven Mobilität sowie die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Vorteile der Förderung des Fahrrads. Es ist gut für die Gesundheit, gut für die Umwelt und reduziert Staus. Und diese Liste der Vorteile für die Gesellschaft ist natürlich noch viel länger. Auch die Politik hat das längst erkannt: 2024 unterzeichneten der Europäische Rat, die Kommission und das Parlament die Europäische Erklärung zum Radverkehr, in der das Radfahren offiziell als vollwertiges Verkehrsmittel anerkannt wird. In der Erklärung wird das Radfahren als eine der nachhaltigsten, zugänglichsten, inklusivsten, kostengünstigsten und gesündesten Formen des Verkehrs und der Freizeitgestaltung bezeichnet und seine zentrale Bedeutung für die europäische Gesellschaft und Wirtschaft hervorgehoben.

Interview: Fabian Ruch

Spass am Geniessen und Radfahren: Lillie Rumpf (ganz rechts) bietet im Waadtland geführte Velotouren
Setzt sich für den Radsport für alle ein: UCI-Direktorin Amina Lanaya. PD

Das Waadtland auf zwei Rädern

Ob Sonntagsfahrer oder Leistungssportlerin – solange die Pneus des Fahrrads gepumpt sind, steht dem Abenteuer Waadtland nichts im Weg.

Die abwechslungsreiche Region ist für Fahrradenthusiasten die ideale Destina tion für Entdeckungstouren auf zwei Rädern. Die vielfältige Landschaft – von ruhigen Seeufern über majestätische Bergpässe und hügelige Weinberge bis hin zu malerischen Dörfern – bietet zahlreiche Möglichkeiten, versteckte Perlen abseits der asphaltierten Strassen zu entdecken. Gut ausgebaute Velorouten und spannende Schotterstrassen verbinden den legendären Lac Léman mit den

Unesco­Weinterrassen von Lavaux und die langgestreckten Höhenzüge des Juramassivs.

Abenteuerlust trifft Genuss

Mehr als 20 ausgeschilderte Routen, eingebunden ins nationale Netzwerk von SchweizMobil, laden dazu ein, die Region auf umweltfreundliche und dazu noch gesunde Weise zu erkunden. Ob auf der «Route du Cœur» oder der «Tour du Léman» – jede Strecke eröffnet

neue Perspektiven auf das Waadtländer Landschaftsmosaik. Für diejenigen Reisenden, die mehrere Tage in der Region verbringen, empfiehlt sich das sogenannte «Hub & Spoke»­Prinzip, bei welchem eine Unterkunft als Ausgangspunkt für verschiedene Rundfahrten und Entdeckungstouren dient. So lässt sich auch die kulturelle Vielfalt der Region erleben – sei es bei einem Museumsbesuch, einer Weinverkostung oder einem kulinarisch angereicherten

Zwischenhalt in einem der vielen ausgezeichneten Restaurants.

Nachhaltigkeit und Tourismus

Das Waadtland ist nicht nur für seine Rebberge und Seen bekannt, sondern auch für sein Engagement im Bereich Nachhaltigkeit. Als Teilnehmer des Swisstainable­Programms setzt die Region auf sanften Tourismus und umweltfreundliche Mobilität. Ein Besuch im Centre Mondial du Cyclisme in

Aigle, dem Hauptsitz des internationalen Radsportverbands UCI (auf Seite 7 dieser Beilage), unterstreicht zudem die Bedeutung des Velos in der Region. Nachfolgend stellen wir 13 Orte und Routen vor, anhand derer sich die Strahlkraft der Region auf zwei Rädern (und auch zu Fuss) erkunden lässt. Von Outdoor­Aktivitäten über Sehenswürdigkeiten bis hin zu Sporteinrichtungen.

Auf der nächsten Doppelseite gehts zur Übersicht

Mit dem Velo das Waadtland erkunden: So ein Ausblick, wie hier am Kopfende des Lac de Joux, bleibt lange in Erinnerung.

Highlight 1

Lausanne

Was könnte sportlicher sein als die Olympischen Spiele? Deshalb ist ein Besuch in der «Olympia­Hauptstadt» am Ufer des Genfersees absolut empfehlenswert. Seit 1915 befindet sich hier der Sitz des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Die Stadt ist daher nicht nur ein wichtiges Zentrum des Weltsports, sie verkörpert auch die olympischen Werte von Exzellenz, Freundschaft und Respekt.

Highlight 2

Montreux Riviera

Nicht zu verpassen ist hierbei natürlich ein Besuch im Olympischen Museum. Auf mehreren Etagen erzählt das Museum die Geschichte der Olympischen Spiele von der Antike bis zur Gegenwart. Interaktive Stationen erwecken die Spiele zum Leben und der wunderschöne Olympiapark lädt zum Verweilen ein – als Sahnehäubchen obendrauf: ein atemberaubender Blick auf den See und die Alpen.

Malerische Velorouten, herausfordernde

Die Unesco­Terrassen von Lavaux gehören zu den schönsten Weinregionen der Schweiz, die sich entlang des Genfersees zwischen Lausanne und Montreux erstrecken. Die Lavaux Grand Cru Route folgt grösstenteils der Route de la Corniche, einer Panoramastrasse, die sich durch die Weinberge schlängelt und atemberaubende Ausblicke auf den Genfersee bietet. Die 2,8 km lange Strecke ist vor allem für kurze Wanderungen sehr beliebt. Sie kann auch mit dem Fahrrad gemacht werden, am besten in Kombination mit weiteren gut ausgeschilderten und pittoresken Radstrecken der Gegend. Entlang der Route laden zahlreiche Weinkeller zu Degustationen der berühmten Chasselas­Weine ein. Wer Genuss, Bewegung und Landschaft verbinden möchte, findet hier einige der schönsten Velorouten der Schweiz.

Highlight 3

Pays-d’Enhaut: Château d’Oex, Rossinière, Rougemont

Die Region des Pays­d’Enhaut lässt sich wunderbar auf der beliebten Mountainbike­Route Nr. 593 («Pays­d’Enhaut Bike») erkunden. Diese führt entlang der Saane durch die idyllische Landschaft und die charmanten Dörfer des Pays­d’Enhaut. Wer tiefer in die Kulturgeschichte der Region eintauchen möchte, besucht das Musée

Highlight 4

du Pays­d’Enhaut in Château­d’Oex. Das 1922 gegründete Museum zeigt eine umfangreiche Sammlung von Alltagsgegenständen, Möbeln, Werkzeugen und Fotografien, die den Alltag der Region dokumentieren. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Schweizer Scherenschnitt, einer Kunstform, die in dieser Region tief verwurzelt ist.

Aigle-Leysin-Col des Mosses

Zwischen den Weinbergen von Aigle, den Bergen und Seen gelegen, bietet die Region Aigle, Leysin und Col des Mosses zahlreiche Velorouten und attraktive Angebote für einen sportlichen Besuch in den Waadtländer Alpen. Als Fahrradenthusiast sollte man hierbei

Highlight 5

einen Besuch im Centre Mondial du Cyclisme und im dazugehörigen Restaurant Vélodrome in Aigle nicht verpassen. Bei geführten Touren oder in Einsteigerkursen tauchen die Besucherinnen und Besucher mit Haut und Haar in die Welt des Radsports ein.

Villars-Gryon-Les Diablerets-Bex

Die malerische Region kombiniert alpine Pässe, charmante Dörfer und spektakuläre Ausblicke auf das Rhonetal. Sie ist sowohl für ambitionierte Rennradfahrer als auch für GravelbikeEnthusiasten geeignet. Vor der rasanten Abfahrt nach Bex empfiehlt sich ein Zwischenstop in Solalex. Im idyllischen

Highlight 6

Region Nyon

Auf einer einzigen Strecke alle Besonderheiten der Region entdecken?

Die Mountainbike­Route La Barillette macht es möglich! Die Route beginnt in Chéserex, wo man relativ bald in die kühlen Wälder der Region eintaucht und die 1000 Höhenmeter in Richtung La Barillette in Angriff nimmt. Weiter

Hochplateau auf 1460 Metern Höhe befinden sich zwei Restaurants, die zur wohlverdienten Pause laden. Das Restaurant Miroir d’Argentine direkt am Eingang des Ortes mit authentischer Küche und das Refuge de Solalex, ein rustikales Berghaus mit traditionell Schweizer Küche.

geht es über St­Cergue zum technisch anspruchsvollen Teil: die Abfahrt nach Trélex. Wer sich nicht nur sportlich, sondern auch kulturell austoben möchte, holt sich den La­Côte­Museumspass. Mit ihm haben Besucherinnen und Besucher Zugang zu 8 bedeutenden Museen und Schlössern der Region Nyon.

QR­Code scannen, um noch mehr Gravelbikerouten im Kanton Waadt zu erkunden.

Lausanne
Region Nyon
Region Morges
Vallée de Joux
Yverdonles-Bains
Schweiz
Waadt Region Echallens

Nach zehn Sekunden hat Lillie Rumpf die Aufmerksamkeit des Gesprächspartners garantiert, nach fünf Minuten weiss man, wie sie ihre Kundinnen und Kunden begeistert, und nach einer Viertelstunde möchte man unbedingt sofort eine Lektion bei ihr buchen.

Lillie Rumpf, bekannt als «Cycling Heidi», bietet in der Westschweiz Velotouren aller Art mit dem Rennrad und mit dem Gravelbike an, aber auch «Skill Clinics», also Technik­Workshops – für Privatpersonen und Gruppen, Firmen und Vereine. Rumpf hat ihre Leidenschaft zum «Hilfsdienst» für andere Radfahrer gemacht, wie sie sagt. Und sie legt erst richtig los: «Ich habe noch viele Ideen, um den Menschen Freude zu bereiten und sie davon zu überzeugen, wie grossartig Radfahren ist.» Dabei, und das ist ihr besonders wichtig, soll der Spass im Vordergrund stehen: «Wenn die Leute ein Lachen im Gesicht haben, bin ich glücklich. Dann habe ich einen guten Job gemacht.»

Rumpfs Weg zur gewandeten Ikone der Schweizer Alpen ist ungewöhnlich: Aufgewachsen in Downtown Los Angeles, lebt sie heute in Gryon, einer kleinen Gemeinde in den Waadtländer Bergen in der Nähe von Aigle mit knapp 1500 Einwohnerinnen und Einwohnern. «Die Gegensätze könnten nicht grösser sein», sagt sie. «Aber mich hat es schon als Kind in L.A. in jeder freien Minute in die Natur und in die Berge getrieben.» Rumpf sagt, Gryon bedeute heute Heimat für sie, und das nicht nur, weil sie zusammen mit ihrem Westschweizer Mann und dem neunjährigen Sohn dort wohnt. «Ich möchte hier für immer sein.»

Faszination Gravelbike

Lillie Rumpf fühlt sich in der Schweiz zu Hause, geblieben ist jedoch ihre typisch amerikanische Einstellung. Sie sagt von sich selbst, sie sei «super USA­Style», wenn es darum gehe, die Dinge mit Zuversicht anzugehen. Die Schweizerinnen und Schweizer könnten zurückhaltend sein, aber spätestens in ihrer Rolle als «Cycling Heidi» gelinge es ihr stets, die Stimmung aufzulockern. Sie sieht sich auch als Motivatorin und hat als Veloguide ihre Berufung gefunden.

Dabei hatte sie eigentlich ganz andere Pläne. Erst mit 22 Jahren, also vor einem halben Leben, begann sie während des Studiums in San Diego ernsthaft mit Radfahren. In den USA sind die Strassen nicht gerade komfortabel für Velofreundinnen und Velofreunde konzipiert, das Auto dominiert alles, man muss in Grossstädten um sein Leben fürchten. So sagt das Lillie Rumpf, die in ihrer Kindheit in Los Angeles drei Fahrräder besass, die ihr alle nach kurzer Zeit gestohlen wurden, und damals als Autonärrin sogar Rennen fuhr. In San Diego studierte sie chemische Geologie und Vulkanologie, arbeitete aber nie in diesem Bereich. Sie war Ingenieurin im Automobilbereich und spä­

Mit «Cycling Heidi» das Waadtland erkunden

Lillie Rumpf hat auf dem Velo ihre Bestimmung gefunden. In ihren Kursen und Ausfahrten in der Westschweiz vermittelt die gebürtige Amerikanerin Teilnehmenden ein Gefühl für die Schönheit des Radfahrens in der Natur.

ter in der Luft­ und Raumfahrtindustrie sowie in der Wasserkraftbranche.

In die Schweiz kam Rumpf 2008 zufälligerweise, weil ihr früherer Ehemann, ein Engländer, einen Job in der Romandie annahm. Zwei Jahre später begann sie, in ihrer Freizeit «Social Rides» zu organisieren, um andere Radfahrbegeisterte zu treffen und ihrer Community etwas zurückzugeben – vorerst vor allem für Frauen und Anfänger, und bald schon auch mit dem Gravelbike. Wenn sie minutenlang über die Faszination dafür spricht, könnte man sie sich auch problemlos als Velobotschafterin vorstellen. Rumpf schwärmt von der Vielseitigkeit, weil man auf Strassen wie auf unbefestigtem Terrain unterwegs sein könne – das Gravelbike sei das perfekte Fahrrad für Erkundungstouren, lange Fahrten und Bikepacking. Es ist, um es in ihren Worten zu sagen, «Big

Fun», weil man jederzeit in die Natur ausweichen könne und es ein wunderbarer Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Geländegängigkeit sei. «Ein Gravelbike sieht aus wie ein Rennrad, aber die Geometrie ist anders. Es ist für relativ breite Reifen ausgelegt und so konstruiert, dass es Unebenheiten gut abfedert», sagt Rumpf. Im Grunde genommen ist ein Gravelbike ein Mountainbike ohne Federung, das sich viel besser für längere Strecken und ein hohes Tempo eignet.

Lebensfreude und Leichtigkeit

Lillie Rumpf hat ihr Passionsprojekt in den letzten 15 Jahren nicht nur aufgebaut, sondern ständig verfeinert. Seit rund einem Jahr bietet sie auch Fahrtechnikkurse an, um Menschen zu helfen, ihre Grundkenntnisse zu verbessern und mentale Blockaden zu über­

winden, die ihnen etwa das Fahren in einer Gruppe oder das Verhalten in Kurven und Abfahrten erschweren. Sie weiss aus Erfahrung, was es heisst, sorgsam mit der eigenen mentalen Gesundheit umzugehen. «Es ging in meinem Leben nicht immer nur aufwärts», sagt sie. «Deshalb bin ich heute so dankbar, im Radfahren eine Bestimmung gefunden zu haben und anderen Leuten etwas mitgeben zu können.» Denn es gehe, im Leben wie im Sport, auch darum, Spass zu haben und nicht immer alles verbissen zu sehen.

Mit 45 Jahren steht Lillie Rumpf mitten im Leben. Ihr Heidi­Kostüm, das sie gerne auf dem Rad trägt, ist ein Statement für Lebensfreude, Lockerheit und Leichtigkeit. Sie sagt, sie habe einmal an einem Event in Mexiko mit mehr als 5000 Radfahrerinnen und Radfahrern teilgenommen und habe dort einen Mann gesehen, der als Superman ver­

In den Waadtländer Alpen hat die Gravelbike-Expertin aus den USA ihre Bestimmung gefunden: «Ich habe noch viele Ideen, um die Menschen hier in der Schweiz davon zu überzeugen, wie grossartig Radfahren ist.»

kleidet gewesen sei. «Alle waren begeistert von ihm. Das hat mich inspiriert. Und deshalb bin ich heute als Heidi unterwegs.» Es ist auch eine Hommage an ihre geliebten Berge, die in der Schweiz stets so nahe sind.

Den Flow spüren

Lillie Rumpf könnte stundenlang vom Radfahren erzählen. Manchmal, wenn sie mit ihren Kursteilnehmerinnen auf Tour geht, tut sie das auch. Ihren jetzigen Mann hat sie im UCI Velodrome in Aigle kennen gelernt, und mit ihm hat sie in den letzten Jahren auch viele Schotter­ und Strassenrouten im Waadtland entwickelt.

Darüber hinaus hat sie zahlreiche individuelle, auch mehrtägige Touren zusammengestellt, die den Wünschen der Gäste in Bezug auf Schwierigkeitsgrad und Interessen entsprechen. «Die Schweiz ist meine Wahlheimat. Ich bin stolz darauf, ihnen die Schönheit des Landes auf zwei Rädern zeigen zu können.» Der kulinarische Aspekt ist Lillie Rumpf fast genauso wichtig. Deshalb ist es ihr ein Anliegen, ein Gesamterlebnis zu bieten, bei dem der Genuss nicht zu kurz kommt.

Die Region sei wie geschaffen für Feinschmecker, sagt Rumpf, und es sei hilfreich, sich so gut auszukennen, dass man auch weniger bekannte Routen und Sehenswürdigkeiten sowie besondere Restaurants besuchen könne.

Auch in den Läden entlang der Strecke sind viele Spezialitäten erhältlich. Zum Beispiel der berühmte Vacherin Mont­d’Or AOP, die Biscuits Agathe oder die handwerklichen Spezialitäten der Moulin de Sévery. Beim Einkaufen kann man sich am Label «Vaud certifié d’ici» orientieren, das die Qualität der Produkte und der lokalen Produzenten garantiert. Lillie Rumpf kann unzählige Stunden auf dem Velo verbringen – langweilig wird ihr nicht. Auch als «Cycling Heidi» hat sie noch viel vor: «Ich werde das Kostüm so lange tragen, wie ich anderen damit Freude machen und sie zum Lachen bringen kann.» Ihr Ansporn ist, Menschen mehr zu bieten als einfach eine grandiose Tour durch die Schweizer Alpen oder einen umfangreichen Technik­Workshop. «Ich nehme sie mit auf eine Reise der Selbstfindung, auf der sie ihre Grenzen austesten und schlechte Gewohnheiten ablegen können. Ich gebe ihnen die Werkzeuge an die Hand, mit denen sie das Radfahren in vielen Situationen meistern können.» Sie selbst hat einmal auf einer mehrtägigen Tour von Turin nach Nizza gespürt, wie mächtig der Glaube an die heilende Wirkung des Radfahrens und eine positive Einstellung sein können. «Ich war zuerst leicht verletzt, aber ich biss mich durch, und am Ende hatte ich keine Schmerzen mehr, weil ich wie in einem Flow war.» Es ist diese Erfahrung, die sie in ihren Kursen und Fahrten vermitteln möchte, damit Teilnehmende glücklicher und vor allem selbstbewusster Zeit auf ihrem eigenen Rad verbringen können. Mehr Info: cyclingheidi.ch

FABIAN RUCH
Nimmt Menschen mit auf eine Reise zu sich selbst – einfach auf zwei Rädern: Lillie Rumpf. ALAIN RUMPF / VAUD PROMOTION

Im Herzen des Radsports

Im Weltradsportzentrum in Aigle kommen nicht nur Rad-Aficionados auf ihre Kosten. Der Leiter Philippe Duperrex präsentiert die zahlreichen Aktivitäten – und bietet interessante Einblicke in ein vielfältiges Bijou mit zahlreichen Möglichkeiten.

FABIAN RUCH

Wer zum ersten Mal an den UCIHauptsitz nach Aigle fährt, wird schon bei der Eingabe der Adresse ins Navigationssystem des Autos mit dem Thema konfrontiert: Allée Ferdi Kübler 12. Kübler starb 2016 mit 100 Jahren, er war ein begnadeter und populärer Radrennfahrer und 1950 erster Schweizer Sieger an der Tour de France, ein Jahr später wurde er Weltmeister. Er ist der angemessene Namensgeber für den imposanten UCI­Komplex, keine zwei Minuten von der Autobahnausfahrt entfernt.

An der Allée Ferdi Kübler 12 atmet man den Geruch der grossen, weiten Radsportwelt: Der Internationale Radsportverband UCI ist der Dachverband von 205 nationalen und 5 kontinentalen Radsportverbänden. Er ist zu Hause in Aigle, wo auch das Centre Mondial du Cyclisme steht, welches im Frühling 2002 nach zweijähriger Bauzeit fertiggestellt wurde. 2024 wurde der Verband mit dem Label «Vaud Ambassadeur» ausgezeichnet.

Ein Besuch im Centre in Aigle ist auch ein Ausflug in eine faszinierende Trainingsanlage, wobei vielen Menschen in der Schweiz gar nicht bewusst ist, wie vielfältig die Möglichkeiten sind; dazu passt der am meisten benutzte Name UCI World Cycling Center (UCI WCC). «Es ist uns ein Anliegen, die Sichtbarkeit des UCI WCC weiter zu verbessern», sagt der Geschäftsführer Philippe Duperrex während des Treffens an einem Samstagmorgen Ende April – an dem er die weitverzweigten Räumlichkeiten präsentiert.

Mit modernster Technik Womöglich ist es sinnvoll, sich dem UCI­Sitz erstmal nüchtern zu nähern. 139 Menschen arbeiten hier, 99 beim Verband, 40 im UCI WCC, es sind Mitarbeitende aus allen Ecken der Welt. Neben den Büroräumen befinden sich eine 200­Meter­Radrennbahn, mehrere Gymnastikhallen, Seminar­ und Unterrichtsräume, ein jeden Tag geöffnetes Restaurant, eine Boutique, das Internationale Radsportmuseum mit Bildern aus der reichhaltigen Geschichte des Sports, eine moderne Werkstatt sowie ein riesiges Gym im Gebäudekomplex. Draussen hat es unter anderem eine spektakuläre BMX­Bahn, einen Pumptrack sowie zahlreiche, teilweise furchteinflössend steile Rampen für die BMX­Freestyle­Disziplin.

Philippe Duperrex füllt die Zahlen und Fakten mit Leben, Geschichten und Visionen. Beim Rundgang durch die Halle mit einer Tribüne für 800 Zuschauerinnen und Zuschauer erzählt der 59­Jährige zum Beispiel, wie modern und stilprägend das Dach ist, dass die maximale Neigung der Bahn etwas mehr als 46 Prozent ist, dass der Innenraum für andere Sportarten wie Leichtathletik, Trampolin und Kunstturnen gebraucht wird.

Sowieso: Die Multifunktionalität ist beeindruckend. Der Leichtathletikverband führt hier Einheiten durch, die besten Kunstturnerinnen und Kunstturner der Schweiz trainieren ebenfalls im UCI WCC, die Einrichtungen sind umfassend und auf höchstem Level. Auch ausländische Radsportverbände reisen gerne nach Aigle, so waren kürzlich die Nationalmanschaften im BMX Racing, BMX Freestyle und Bahnradsport aus China, Indien und Frankreich für Trainingslager hier. «Wir sind in der Lage, ganz in der Nähe Unterkünfte zu reservieren», sagt Duperrex. «Und wer einmal in dieser Region zu Besuch war, kommt gerne wieder.» Der Romand liebt selbst die Möglichkeiten, auf den vielen Radwegen in der Gegend unterwegs zu sein, die Berge sind nahe, der Lac Leman mit seinen vielen touristisch attraktiven Orten wie Montreux ohnehin. «Es ist hier wie im Paradies», sagt Duperrex.

Wer einmal in der Region rund um Aigle und die Waadtländer Alpen war, versteht, warum der Leiter des Weltradsportzentrums sagt: «Es ist hier wie im Paradies.»

An diesem Samstagmorgen werden etwa zwanzig Amateure von zwei Trainern in die Geheimnisse des Fahrens auf der Radrennbahn eingeweiht. Nach zögerlichem Start sprinten die Neulinge bald bemerkenswert rasant und immer höher im Kreis. Wenn man oben steht, sieht man erst, wie steil die Rampen sind – aus diesem Grund findet die Tour durch die Anlage immer erst nach dem Unterricht statt. Sonst würden einige wohl nicht mehr so viel Mut zeigen, zumal die Rennräder keine Bremsen haben. «Wir haben festgestellt, dass die meisten Gäste begeistert sind», sagt Duperrex. «Viele Buchungen erhalten wir wegen positiver Mund­zu­MundPropaganda.»

Mit neuen Ideen

Weiter ausbauen würden die Betreiber gerne die Angebote, Meetings und Seminare in den in den oberen Etagen gelegenen Räumen durchzuführen. «Oft verbinden die Firmen diese Anlässe mit der Möglichkeit, den Mitarbeitenden Kurse auf der Radrennbahn oder auf dem BMX­Kurs anzubieten», sagt Duperrex. Auch Privatpersonen kommen für 60 Franken in den Genuss, zwei Stunden als Radfahrer in der Halle oder auf

dem BMX­Kurs zu verbringen – Bikes und Schuhe, Helme und Instruktionen durch die UCI­Trainer inbegriffen. Bei Philippe Duperrex laufen im UCI World Cycling Center alle Fäden zusammen. Er arbeitet seit drei Jahren hier in Aigle, zuvor war er unter anderem für den Europäischen Fussballverband (Uefa) in Nyon tätig, beim Diamond League­Leichtathletik­Meeting Athletissima in Lausanne und bei der Fédération Internationale de Ski (FIS) in Oberhofen. Sport ist sein Leben. Und weil in der Romandie so viele Organisationen wie übrigens auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Lausanne ihren Sitz haben, besteht auch ein enger Austausch untereinander. Die UCI existiert seit ihrer Gründung in Paris bereits 125 Jahre, war jahrzehntelang ebenfalls in Lausanne, ehe sie 2002 nach Aigle zog. «Die Infrastruktur hier ist perfekt», sagt Duperrex. «Und wir haben zahlreiche Ideen, um in Zukunft noch mehr Veranstaltungen durchzuführen.»

Mit sozialem Engagement

2024 fanden allein 20 grosse Sportevents statt und über 200 Radwettbewerbe. Insgesamt waren rund 30000 Menschen zu

Besuch im Restaurant und knapp 8000 an Meetings und Seminaren. Bei einem riesigen Galadinner genossen auch schon etwa 1000 Personen gleichzeitig die Ambiance in der Halle, und bei der anschliessenden Party gab es keine Probleme mit dem Lärm, weil es weit und breit keine Nachbarn gibt. In diesem Jahr findet im November in Aigle die Taekwondo­EM statt. Wichtig ist Duperrex und seinem Team aber auch, weiter in die Nachhaltigkeit zu investieren. In den letzten zwei Jahren wurden auf 800 Quadratmetern Photovoltaikanlagen auf den Dächern installiert. «Wir sind heute in der Lage, ein Drittel des benötigten Stroms selbst zu produzieren», sagt Duperrex. Auch das soziale Engagement wird hochgehalten. Mittlerweile gibt es weltweit elf «UCI WCC Satellite Centers» und damit ausgezeichnete Trainingsmöglichkeiten in Ländern wie Südafrika, China, Südkorea, Kanada, Indien, Trinidad und Tobago oder Ruanda. Und am Hauptsitz in Nyon sind auch an diesem Samstagmorgen zahlreiche Pakete zu sehen, in denen Fahrräder verpackt sind, die im Zuge eines umfangreichen Solidaritätsfonds in Entwicklungsländer versendet werden – um den Radsport global weiter zu fördern.

Die imposante Radrennbahn ist ein Trainingsparadies für Profis und Amateure. Das WCC ist eingebettet in die atemberaubende Landschaft der Waadtländer Alpen.
Philippe Duperrex im UCI World Cycling Center: «Wir arbeiten auch daran, neue Talente zu fördern und Innovationen voranzutreiben.»
FOTOS: GABRIEL MONNET

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