Standpunkte 02/2019

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Standpunkte

Zukunft Europa wählen!

Warum diese Europawahl wirklich eine Schicksalswahl ist

Termin beim Chef

Dr. Michael Winkler von HELLA Fahrzeugkomponenten GmbH

Das Magazin von Nr. 2 / Juni 2019 / 37. Jahrgang www.nordmetall.de
Plus:AGVNORD–NeueFührunggewählt

Vollautomatisiert durch die Stadt

Premiere an der Elbe: Erstmals fahren automatisierte Fahrzeuge im öffentlichen Stadtverkehr durch Hamburg. Volkswagen erprobt unter realen Bedingungen automatisiertes Fahren bis Level 4 (passiver Fahrer zur Sicherheit noch an Bord) mit fünf Elektro ­ Golfs, bestückt mit Laserscannern, Kameras, Ultraschallsensoren und Radaren. Daimler testet unterdessen zusammen mit Bosch in den USA bereits Level 5 automatisierten Fahrens (ohne Menschen an Bord). Die Schwaben wollen für einen App ­ basierten, fahrerlosen Mitfahrservice schon bis 2021 mehr als 10.000 autonome Taxis produzieren. DJ

STANDPUNKT NR. EINS

Populisten gäben falsche Antworten auf richtige Fragen, befand Ifo-Präsident Fuest als frischgekürter Schleyer-Preisträger kürzlich. Nicht nur das: Auch Spitzenkandidaten etablierter Volksparteien erliegen in Fernsehduellen der Versuchung, dem Wähler all das zu versprechen, was er hören will. Ehrenvoll, wer stattdessen Prinzipien verteidigt, Probleme in ihrer Komplexität durchdringt und nach vernünftigen, politisch machbaren Lösungen sucht.

In der Ablehnung dieses sanften wie auch des extremen Populismus sollten wir uns einig sein. Auch an der einzigartigen Bedeutung der EU als Wohlstandsgarant und Friedensstifter sollte kein Zweifel bestehen. Doch wird Kritik an bestehenden Strukturen zu oft mit diesen Totschlagsargumenten im Keim erstickt – als stellte jeder, der auf Schwachstellen hinweist, gleich das gesamte System infrage.

Dabei gibt es genügend Punkte, über die es zu debattieren lohnt: Hat die EU ein Demokratiedefizit? Wer ist bereit, in welchen Feldern Kompetenzen auf einen europäischen Souverän zu übertragen? Wollen wir eine politische Union im Sinne der Vereinigten Staaten von Europa oder bloß eine große Freihandelszone, also Einheit in Vielfalt? Warum empfinden wir uns nicht als große Kultur- und Wertegemeinschaft, als Teil einer großen Idee, die Portugiesen und Polen, Belgier und Briten vereint? Warum denkt Brüssel, anders als von Kommissionspräsident Juncker versprochen, in großen Dingen oft klein und in kleinen Dingen zu groß? Wie bauen wir eine kulturelle Brücke zwischen dem deutschen Subsidiaritätsprinzip und der französischen Egalitätssehnsucht? Wie verschieben wir den politischen Schwerpunkt von mehr Sozialprotektion hin zu mehr Wettbewerbskraft?

Ich bin sicher: Wenn solche Debatten geführt würden, würde auch das Interesse am Projekt EU wieder aufflammen. So könnte eine starke, vitale Bewegung entstehen, die über das gemeinsame Europa der Zukunft diskutiert. Doch diese Kontroverse braucht eine stabile Basis: Nur auf verlässlichem, proeuropäischem Grund kann eine konstruktive Reformdebatte die richtigen Antworten finden. Die Anti-Europäer dagegen bauen nicht mit am gemeinsamen europäischen Haus, sondern reißen alles ein, was wir mühevoll errichtet haben und stolz an unsere Kinder weiterreichen wollen.

Dr. Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer NORDMETALL
Wir müssen das Europa der Zukunft diskutieren
Foto: Volkswagen AG (c) Friso Gentsch
3 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Termin beim Chef

Haltung für HELLA

Thema Bildung

Corporate Learning Camp

Wie wir im Digitalzeitalter lernen S. 18

Titel

Historische Wahl

Das nächste Europaparlament wird die Zukunft der EU entscheidend bestimmen – auch die der M+E­A rbeitgeber. S. 6

Thema

AGV NORD

Traditionelles Spargelessen und Wahl einer neuen Führungsspitze im Schloss Hasenwinkel S. 12

Verband Konjunkturumfrage Frühjahrs­ Umfrage ­ Konjunktur in Seitwärtsbewegung 16 Aus der Hauptstadt INSM warnt vor SPD ­Sozialstaatsplänen 30 10 Jahre NORDMETALL CUP Jubiläum für Formel­1­ Flitzer in der Schule 32 Wir für Sie Folge 24: Unsere Frau für betriebliche Altersvorsorge – Meike Tilsner 36 Mehrwert Verband Folge 57: Firmenzirkel – Prozesse optimieren 38 Rubriken Made in Northern Germany – Kreiselpumpen von EDUR 24 Termine 31 Menschen und Meldungen 34 Grafik des Monats 37 Cartoon / Wirtschaftszitat 39 Panorama – Heiße Kiste 40 Treffpunkt Nord 50 Mein Standpunkt – Die Nanny­Staat­ Falle 56 Personenregister / Impressum 57 Kurz vor Schluss / Wagner liest 58 Testimonial – Dr. Markus Fein 59 Thema Reportage Wie Airbus in Bremen den A400M baut 20 Serie – Bauen im Norden Gute Planung schützt vor bösen Überraschungen 26 Face to Face Prof. Sascha Stowasser und Thomas Tillmann ­ Bramkamp diskutieren Schichtarbeit 42
Dr. Michael Winkler führt HELLA Fahrzeugkomponenten in Bremen S. 46
Fotos: Angelika Heim, BDA Fotos: Airbus Defence and Space, Christian Augustin 02 2019 Plus 4 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 5 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Europa-Debatte

„Wir müssen in Europa nach der Wahl vom 26. Mai nicht etwa die Sozialstandards erhöhen, sondern darauf achten, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und China stärken.“ Das betonte Dr. Nico Fickinger Hauptgeschäftsführer von NORDMETALL und AGV NORD, in der April­Ausgabe von Standpunkte TV, die zum Monatsende unter dem Titel „Zukunft Europa wählen“ bei Hamburg 1 ausgestrahlt wurde.

Wahlcheck: Für ein freies Europa!

Seit 1979 wird das Europaparlament gewählt. Noch nie stand so viel auf dem Spiel, wie bei der neunten Wahl am 26. Mai:

Antieuropäer wie Schulden-Vergemeinschafter sind auf dem Vormarsch. Die Befürworter unabhängiger Nationalstaaten in einem geeinten Europa und einer freien Wirtschaft ohne staatliche Gängelung müssen kämpfen.

Die Europäische Union ist in ihren Strukturen hochkomplex: 28 Länder inklusive Großbritannien, eine (noch) genauso starke Kommission, ein Ministerrat mit zehn wechselnden Themenbesetzungen von der Außen- bis zur Bildungspolitik und ein mehr als 700 Abgeordnete zählendes Parlament, das von gut 500 Millionen Europäern bestimmt wird – Transparenz geht anders, die Förderung von Politikbegeisterung wohl auch. Kein Wunder, dass die Wahlbeteiligung in Deutschland bei den letzten acht Europawahlen stets unter der von Bundestagswahlen blieb. Auch 2014, als erstmals Spit-

zenkandidaten europaweit antraten, betrug sie hierzulande nur 47,9 Prozent – weit weg von den 90 Prozent in Belgien und Luxemburg. Das könnte sich diesmal jedoch ändern: Demoskopen messen eine deutlich höhere Europawahlabsicht zwischen Flensburg und Füssen. Die speist sich aus dem Stimmungswechsel, den drohende Handelskriege und kriegsbedingte Migrationsströme, Globalisierungsängste und Klimahysterie gerade in Deutschland hervorrufen. Fast alle westlichen Demokratien erleben bereits seit Jahren Umbrüche: Rechtspopulisten erzielen Wahlerfolge mit Anti-EU-

Bisher tagt das Europaparlament wechselweise in Brüssel und Straßburg. Den „Wanderzirkus“ zwischen beiden Städten wollen CDU und FDP beenden: Nur noch in der belgischen Hauptstadt sollen die EU-Abgeordneten zusammenkommen.

Dr. Christoph Ploß , direkt gewählter CDU ­ MdB aus Hamburg­ Nord und Mitglied des Europaausschusses des Bundestages, unterstützte diese Position: „Wir brauchen keine Sozialunion in Europa. Stattdessen sollten wir das Subsidiaritätsprinzip durchhalten: Gerade in der Sozialpolitik können wir Unterschiede zwischen den Nationalstaaten aushalten.“

Knut Fleckenstein , seit 2009 SPD ­ Europaabgeordneter aus Hamburg, hielt dagegen: „Wir glauben, dass ein europäischer Mindestlohn, der sich am jeweiligen Durchschnittslohn orientiert, ein Thema ist, mit dem die Europäer erreicht werden.“

Svenja Hahn, FDP­Kandidatin auf dem Listenplatz 2 zur Europawahl aus Hamburg, sieht eine anhaltende Mobilisierung für Europa unter jungen Menschen: „Das Thema Urheberrechtsreform und Uploadfilter hat massenweise junge Menschen auf die Straße gebracht. Das ist ein Engagement, hinter dem Begeisterung für Europa steht.“

NORDMETALL lädt seit November 2016 jeden letzten Mittwoch im Monat Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zur 45 ­ minütigen Diskussion über Themen ein, die die M+E­ Industrie, ihre Mitarbeiter und Kunden betreffen. In der Ausgabe vom 29. Mai 2019, die Hamburg 1 um 20.15 Uhr ausstrahlt, wird voraussichtlich über Vor­ und Nachteile von Schichtarbeit diskutiert. Standpunkte TV kann auch auf www.nordmetall.de oder Youtube abgerufen werden.

Kampagnen, die sich gegen überbordende Brüsseler Bürokratie oder andauernde Streitigkeiten in Finanz- und Migrationsfragen wenden, so zuletzt beim Brexit-Votum oder der spanischen Parlamentswahl. Linkspopulisten versprechen den Wählern besonders in den wirtschaftlich angeschlagenen Ländern des europäischen Südens oder Ostens nordeuropäische Sozial standards, setzen auf Schuldenpolitik und Staatsregulierung. Dabei droht zunehmend auch in Deutschland auf der Strecke zu bleiben, was gerade der Exportnation Nummer eins seit 70 Jahren Wohlstand in Freiheit beschert

Foto: Shutterstock Roman Yanushevsky Foto: Christian Augustin
Titelstory 6 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 7 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

96 deutsche Abgeordnete

1.380 Kandidaten stellen sich in Deutschland am 26. Mai für Europa zur Wahl, unter ihnen 479 Frauen.

96 deutsche Abgeordnete werden ins EU ­ Parlament einziehen. Bisher stellten CDU/CSU 34 Mandatsträger, die als einzige unter allen größeren Parteien über Landeslisten einrücken. Aus Norddeutschland steht für die Union erneut der frühere niedersächsische Ministerpräsident David McAllister zur Wahl, in Hamburg der CDU ­ L andesvorsitzende Roland Heintze . Die SPD hielt bisher 27 Sitze in Brüssel und Straßburg. Der seit zehn Jahren in der sozialistischen Europafraktion an führenden Stellen tätige Hamburger Knut Fleckenstein (s. Kasten S. 7) ist auf den Platz 18 der bundesweiten SPD ­ Liste gesetzt, den Demoskopen diesmal für unsicher halten.

Die Grünen ziehen unter anderem mit Reinhard Bütikofer (Bundeslistenplatz 4) in den Wahlkampf, der zuletzt im Januar auf Einladung der VU Mecklenburg­Vorpommern Industriebetriebe besuchte und dabei dezidiert wirtschaftsfreundliche Positionen bezog. Auch der Berliner Rechtsanwalt Sergey Lagodinsky kann sich nach Erwartungen der Wahlforscher auf dem grünen Bundeslistenplatz 12 Hoffnungen auf den Einzug machen. Auf der FDP­ Bundesliste folgt der ehemaligen Generalsekretärin Nicola Beer auf dem sicheren Platz 2 die Hamburger PR­ Managerin Svenja Hahn (s. S. Kasten 7). Die Linke schickt erneut den Berliner Martin Schirdewan ins Rennen, die AfD auf Platz 6 den früheren „Bild am Sonntag“­Vizechef Dr. Nicolaus Fest

hat: das Bekenntnis zu sozialer Marktwirtschaft und europäischer Partnerschaft, zu Freihandel und Freizügigkeit. Standpunkte hat die Wahlprogramme der Parteien auf die Punkte hin abgeklopft, die Deutschlands Wirtschaft gerade im Norden braucht.

Europäische Integration durch Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion

Ein besser integriertes Europa lebt ganz entscheidend von einem gestärkten Binnenmarkt. SPD und Grüne wollen dazu ein gemeinsames Eurozonenbudget schaffen. Die Sozialdemokraten wünschen sich dafür einen Minister mit Bürokratie, die Grünen einen Stabilitätsmechanismus in einem EU-Währungsfonds, der auch

die Letztsicherung bei Bankenabwicklungen garantiert. CDU/CSU und FDP lehnen solche Einheitsstrukturen ab, setzen auf eine gestärkte Vernetzung nationaler Wirtschafts- und Finanzpolitiken ohne Schulden-Vergemeinschaftung, aber mit klareren Sanktionen bei Regelverstößen gegen Stabilitätskriterien. Während die Linke die „Diktatur der Finanzmärkte“ inklusive Investmentbanking abschaffen will, fordert die AfD die Wiedereinführung nationaler Währungen.

Soziales Europa braucht Arbeitnehmerfreizügigkeit

Nur die FDP verlangt explizit die Abschaffung der Entsenderichtlinie, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit zum Schaden vieler deutscher Unternehmen beschränkt. Die Union will wie die Liberalen keine europäische Arbeitslosenversicherung, beide betonen die nationalen Zuständigkeiten in der Sozialpolitik inklusive Mindestlohnfestlegung oder Rentenpolitik. Die FDP will überdies eine europäische Agentur zur Bekämpfung des Fachkräftemangels schaffen und eine moderne Einwanderungspolitik bei verstärkter EUAußengrenzensicherung. SPD und Grüne setzen auf europaweite Mindestlöhne mit länderspezifischer Orientierung, einen einheitlich gestärkten Arbeitsschutz und gestärkte Arbeitnehmer- und Mitbestimmungsrechte. Die AfD will „Inländerdiskriminierung“ beenden, die Linke findet die Entsenderichtlinie klasse.

Digital-Europa schaffen

Um den digitalen Binnenmarkt zu vollenden und den freien Verkehr von Daten zu sichern, wollen alle Parteien den Datenschutz stärken und digitale Zukunftstechnologien intensiver fördern. CDU/CSU fordern eine Europäische Digitalplattform für smarte Anwendungen und KI-Förderung, die FDP verlangt eine flächendeckende Gigabit- und Glasfaserinfrastruktur, die 5G-Funktechnologie müsse europaweit einheitlich vorangetrieben werden, KMU’s brächten Bürokratieentlastung bei der IT-Sicherung. Die SPD will Datenverwertung durch „Monopolkonzerne“ verhindern, die Grünen glauben an eine „Green IT-Strategie“. Linke meinen, dass Dateninfrastrukturen verstaatlicht gehörten, die AfD will sicherstellen, dass Bürger auch ohne digitale Identität künftig Behördenzugang behalten.

Industrie-, Handels- und Steuerpolitik ohne Staatsdirigismus

Die Grünen wollen die europäische Industrie unter den Vorbehalt der Öko-Verträglichkeit stellen, „Monopole“ zerschlagen und Öko-Projekte gezielt fördern. Staatsdi-

rigismus für einen „sozial-ökologischen Umbau“ der Industrie befürwortet auch die Linke, die SPD will einen Pakt zur Industrieentwicklung in wirtschaftlich schwachen Gebieten schaffen. Union und Liberale wollen Bürokratie durch einen Normenkontrollrat oder die „One in, two out“-Regel abbauen. Die CSU/CSU will europäische Weltmarktführer gezielt fördern, die FDP einen verpflichtenden KMU-Test für neue Gesetze etablieren, die AfD „made in Germany“ und die Wehrtechnik stärken.

Freihandel und Globalisierung gegen Protektionismus und Populismus verteidigen, das wollen Union und Li-

berale ebenso wie Handelsverträge mit den USA und eine Revitalisierung der Welthandelsorganisation. Die SPD verlangt einen EU-Aktionsplan „Menschenwürdige Arbeit in globalen Lieferketten“, Grüne und Linke fordern einklagbare Menschenrechte gegenüber transnationalen Unternehmen. EU-Subventionen will die AfD abbauen.

Eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer haben sich CDU/CSU und FDP ins Programm geschrieben, die Liberalen wollen außerdem die Abschaffung von Mindeststeuersätzen und eine Entlastung bei Energiesteuern im Falle der Ausweitung des

Sitzverteilung im Europäischen Parlament nach Fraktionen

sonstige radikale Linke Linksfraktion (VEL/NGL)

Grüne und Regionalisten (Grüne/EFA)

Sozialdemokraten (S&D-Fraktion)

Liberale Fraktion (ALDE)

sonstige Liberale Christliche Demokraten (EVP)

Konservative (EKR)

Rechtspopulisten (EFDD)

Rechtsextreme (ENF)

sonstige radikale Rechte

Titelstory Quelle: www.EuropeanElectionsStats.eu (Stand 17.4.2019). Europaparlament 2014 Prognose 2019 insgesamt 751 Sitze 52 48 50 57 191 148 67 73 1 49 221 177 70 58 48 40 36 63 35
Mögliche Mehrheiten Große Koalition 325 148 177 Liberale-Mitte-Bündnis 73 398 177 148 148 57 7349327 Mitte-Links-Bündnis 148 57 382 177 376 Grüne-Mitte-Bündnis
Quelle: www.europeanelectionsstats.eu/de/europawahlen-2019-wahlprognose
8 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL
Grafik: Maren Spreemann

Emissionshandels. EU-einheitliche Unternehmenssteuern mit Mindeststeuersätzen verlangen SPD, Grüne und Linke, die AfD lehnt jede „EU-Steuer“ ab.

Bildungs- und Wissenschaftsstandort

Europa stärken

Eine Erhöhung der Erasmus-Fördermittel planen CDU/ CSU, außerdem das Werben für unternehmerisches Engagement unter Jugendlichen und die Stärkung europäischer Hochschulnetzwerke. Die SPD will eine europaweite Anerkennung von Bildungsabschlüssen, die FDP die Schaffung eines EU-Ausbildungsmarktes. Die Grünen verlangen eine verpflichtende Praktika-Entlohnung, die Linken lehnen eine EU-Exzellenz-Förderung der Hochschulen ab, die AfD will die deutsche Meisterpflicht für zahlreiche Berufe und den Austritt Deutschlands aus der Amsterdamer Verpflichtungserklärung zum Gender Mainstreaming.

Vernünftige Energie- und Klimapolitik

Die Dekarbonisierung der europäischen Industrie vernichte Wirtschaftskraft, deshalb seien die Pariser Klimaschutzverträge abzulehnen und eine EU-Klimaschutzpolitik überflüssig, verkündet die AfD. Grüne und Linke sind vom Gegenteil überzeugt, verlangen den möglichst sofortigen europaweiten Atom- und Kohleausstieg, die Linken wollen Energiekonzerne verstaatlichen. CDU/CSU, SPD und FDP streben neue Konzepte für den Handel mit Emissionspapieren oder eine Besteuerung des CO2 -Ausstosses an.

EU ausbauen und Subsidiarität erhalten

Die EU-Gremien verkleinern, dem EU-Parlament ein eigenes Initiativrecht einräumen und ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten zulassen, das fordert die FDP. Die Union betont das Subsidiaritätsprinzip, nach dem Brüssel nur tätig werden soll, wenn Ziele politischer Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können. Die SPD will Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat und ein Lobbyregister, die Grünen ein EU-Wahlrecht mit transnationalen Listen. Die Linke fordert die Auflösung von EURATOM, die AFD einen deutschen EU-Austritt.

Fazit: Die Mitte vertritt Arbeitgeberpositionen.

Nur wer aus der EU austreten oder sie in eine DDRlight verwandeln will, ist mit seiner Stimme zur Europawahl bei Rechts- oder Linksextremen gut aufgehoben. Die Grünen frönen einem Öko-Dirigismus, der alles dem Klimaschutz unterordnet und Freiheitsrechte wie Wirtschaftshandeln erheblich beschneidet. Die Sozialdemokraten betonen Arbeitnehmerrechte und setzen auf neue Brüsseler Bürokratie.

Union und Liberale dagegen wollen das Europa unabhängiger Nationen erhalten, die FDP sogar verschiedene EU-Geschwindigkeiten zulassen. In der Mitte des Parteienspektrums will man auf die Einhaltung geltender Regeln intensiver pochen, die Stärkung bestehender EU-Strukturen anstreben und doch nationale Identitäten erhalten – eine Position der Vernunft. Alexander Luckow

Zehn BDA-Thesen zur Europawahl

1 Europa ist unsere Zukunft – durch Integration gewinnen

• Arbeitgeber bekennen sich zur Europäischen Union

• Soziale Marktwirtschaft prosperiert dank EU-Integration

• Nur mit EU kann Deutschland Zukunft meistern

2 Binnenmarkt stärken – EU zum attraktivsten Wirtschaftsraum der Welt machen

• Funktionierender Binnenmarkt schafft Basis für sozial starkes Europa

• Digitalen Binnenmarkt vollenden, freier Verkehr von Daten

• Freiraum im Binnenmarkt stärken, Entsenderegeln erleichtern

3 Digitalisierung in Europa gestalten –Flexibilität sicherstellen

• Europa zum Vorreiter der Digitalisierung machen

• Sozialpartner brauchen Spielraum, um digitale Arbeitswelt zu gestalten

• Digitale Kompetenzen der Beschäftigten durch EU-Programme unterstützen

4 Arbeitsmobilität fördern –EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit optimieren, Talente für EU gewinnen

• Arbeitsmobilität stärken: Hindernisse abbauen, Missbrauch bekämpfen

• Europaweit arbeiten: Bedingungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbessern

• Talente aus Drittstaaten werben: „Blue Card“ bekannter machen

5 Subsidiarität achten – nationale Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik respektieren

• Vielfalt bei Arbeitsmärkten erhalten, Sozialsysteme in Mitgliedstaaten gestalten

• Europaweit Sozialpartner und Sozialen Dialog stärken

• Impulse für solide finanzierte Sozialsysteme über Europäisches Semester geben

7 Freihandel ermöglichen – faire Regeln für Wachstum in Europa gestalten

• EU als Verteidigerin des Freihandels – aktiv gegen Protektionismus

• Neue EU-Freihandelsverträge ambitioniert zum Abschluss bringen

• Verlässliches und transparentes Handelssystem stärken

8 Wirtschafts- und Währungsunion weiterentwickeln – Euro garantiert Stabilität

• WWU-Reformen voranbringen, stabile WWU ist Basis für Wohlstand

• Strukturreformen in Mitgliedsstaaten begleiten und unterstützen

• Euro als internationales Zahlungsmittel weiter aufwerten

9 EU-Mehrwert schaffen – groß in großen, klein in kleinen Fragen sein

• Subsidiarität besser beachten, Akzeptanz für EU ausbauen

• Globale Herausforderungen wie Sicherheit oder Migration angehen

• Bürokratie abbauen statt neue schaffen

10 Politik mit Verantwortung – europäische Werte verteidigen

• Absage an Populismus, der keine komplexen Probleme lösen kann

• Handlungsfähige EU: Europa ist die Lösung, nicht das Problem

• Europäische Werte vertreten – auch nach innen

Um hier einzuziehen, brauchen Parteien diesmal keine Sperrklausel überwinden, wie etwa die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl. Die Kandidaten der 41 antretenden Gruppieren müssen nur Stimmanteile zwischen 0,416 und 0,627 Prozent erreichen – eine Chance für Vertreter kleiner Parteien.

6 Bildung in der EU voranstellen –Grundlage für Wohlstand legen

• EU-Markenzeichen fortschreiben: Erasmus-Mittel verdoppeln

• Bildung europaweit stark machen, Erfahrungsaustausch fördern

• Europaweit MINT-Bildung attraktiver machen, MINT-Initiativen unterstützen

Foto: Shutterstock Ikars
10 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 11 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Staffelübergabe im Schloss

Generationswechsel beim AGV NORD: Nach fast einem Jahrzehnt im Amt übergab Manfred Lehde (68) den Vorsitz an Julian Bonato (49).

Weiter steigende Mitgliederzahlen, noch größere Zufriedenheit mit den Angeboten und Serviceleistungen des AGV NORD.

Links: Der neue Vorstand mit Dr. Nico Fickinger (AGV NORD), Ralf Lorber (stv. Vorsitzender, Egger Holzwerkstoffe), Vincent Kokert (CDU-Chef M-V) Julian Bonato (Vorsitzender, MHG Heiztechnik), Roland Habeck (HAWART OMV Landtechnik), Horst Bick (Schatzmeister, HELL Gravure Systems) (v.l.n.r). Es fehlen Marc Brestrich (DEHARDE), Dr. Andreas Dikow (Webasto Thermo & Comfort).

„Es schmerzt mich ein bisschen, dass ich mit neun Jahren und 11 Monaten AGV NORD-Vorsitz die runden zehn Jahren nicht ganz geschafft habe“, scherzte Manfred Lehde in seiner sehr persönlichen Abschiedsrede. Auf Schloss Hasenwinkel nahe Schwerin hatten sich Mitte Mai 70 Vertreter der Mitgliedsunternehmen des Allgemeinen Verbandes der Wirtschaft Norddeutschlands e. V. eingefunden, um einen neuen Vorstand zu wählen. Dr. Nico Fickinger, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des tariffreien Schwesterverbandes von NORDMETALL, dankte dem Diplom-Ingenieur, gelernten Elekt romechaniker und ehemaligen Geschäftsführer des Luft- und Raumfahrtzulieferers RST, Rostock System-Technik, für seinen großartigen Einsatz. Dieser habe die Interessen der weit über 400 Unternehmen überaus erfolgreich vertreten und damit entscheidend zum Wachstum des AGV NORD beigetragen. Zudem sei Lehde unermüdlich den vor allem in Mecklenburg-Vorpommern wiederholt unternommenen Versuchen entgegengetreten, jene Unternehmen öffentlich in Misskredit zu bringen, die sich nicht dem Flächentarif unterwerfen, sondern die vom Grundgesetz garantierte negative Koalitionsfreiheit in Anspruch nehmen wollen. Dieses „OT-Bashing“ hatte Lehde zuvor als „unterirdisch“ gerügt.

Standing Ovations gab es zum Abschluss für den scheidenden Vorsitzenden und eine Schärpe in AGV NORDGrün, auf der „Präsident der Herzen“ geschrieben stand – eine Anspielung auf Lehdes schmunzelnd vorgetra-

Jens Schlüter berichtete als Rechnungsprüfer vom ordnungsgemäßen Rechnungs- und Haushaltsabschluss.

Oben: Der neue Vorsitzende Julian Bonato (l.) bedankt sich bei seinem Vorgänger Manfred Lehde.

Unten: Einstimmigkeit bei Entlastung des alten und Wahl des neuen Vorstands sowie des Ehrenvorsitzenden.

Joyce Müller Harms vom AGV NORD stellte die Initiative „Zukunftspool.me“ vor, die Bewerber und M+E-Unternehmen zusammenbringen soll.

Manfred Lehde zieht Bilanz nach zehn Jahren Vorsitz im AGV NORD.

Fotos: Angelika Heim
Dr. Nico Fickinger stellte die Verbandsentwicklung vor.
12 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Köstlicher Spargel und gute Gespräche: Mehr als 70 Gäste genossen nach dem Unternehmerforum das traditionelle Spargelessen.

gene Abschieds-Anekdote, dass er ja, anders als der NORDMETALL-Präsident, immer „nur“ ein Vorstandsvorsitzender gewesen sei. Er werde sich künftig seinen Hobbies, dem Reisen und seiner kleinen Oldtimer-Sammlung, widmen, sagte Lehde und versprach, sich weiterhin auch in der Funktion des Ehrenvorsitzenden in die Verbandsarbeit einzubringen. Einstimmig wählte die Mitgliederversammlung den Diplom-Ingenieur und Wirtschaftsingenieur Julian Bonato zum neuen, dritten AGV NORD-Vorsitzenden seit der Gründung 1992. Bonato ist seit 2012 als geschäftsführender Gesellschafter der MHG Heiztechnik GmbH in Buchholz in der Nordheide tätig, einem Unternehmen, dass sich die Zukunft des Energiesparens mit heiztechnischen Systemen und Komponenten für Öl, Gas, Umweltwärme, Solar und Hybridheizsysteme auf die Fahnen geschrieben hat.

„Der AGV NORD ist bestens aufgestellt, wir müssen keinen Hausputz machen“, rief Bonato den Vertretern der Mitgliedsunternehmen zu. Er habe sich vorgenommen, am positiven Markenkern des Verbandes und der Unternehmerschaft ohne Bindung an den Flächentarifver-

trag zu arbeiten. Gemeinsam mit dem Schwesterverband NORDMETALL, der nun auch tariffreie Unternehmen aufnehme, sei die Debatte um eine strategische Aufstellung zu führen, die ein attraktiveres Unternehmerbild im Norden zur Folge haben müsse. „Wir wollen, dass die Menschen, die bis zu 40 Stunden in der Woche in unseren Unternehmen arbeiten, am Ende ihrer Lebensarbeitszeit sagen: Das war ein Gewinn für mein Leben“, so der neue AGV NORD-Vorsitzende.

Neu in den Vorstand wurde als Schatzmeister außerdem Horst Bick gewählt, der in Kiel als Kaufmännischer Leiter bei der HELL Gravure Systems GmbH & Co. KG wirkt. Er folgt auf den langjährigen Chef der Verbandsfinanzen Rainer Bergfeld, dem Manfred Lehde für seine gewissenhafte und weitblickende Arbeit dankte. Wiedergewählt als stellvertretender AGV NORD-Vorsitzender wurde Ralf Lorber, Geschäftsführer der Egger Holzwerkstoffe Wismar GmbH & Co. KG. Weitere Beisitzer sind Marc Brestrich (Deharde GmbH, Varel), Dr. Andreas Dikow (Webasto Thermo & Comfort SE, Neubrandenburg) und Roland Habeck (Hawart OMV Landtechnik GmbH, Neubrandenburg).

Referierte über die politische und wirtschaftliche Lage in Berlin und Schwerin: Vincent Kokert, CDU Partei- und Fraktionsvorsitzender in Mecklen-

Im anschließenden AGV NORD-Unternehmerforum warb der Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU Mecklenburg-Vorpommerns Vincent Kokert für mehr „wirtschaftsliberale Politik“.

„Ich danke den Unternehmern im Land für ihren Einsatz. Und ich will dafür werben, dass wir in der Politik mehr daran denken, wo das Geld herkommt, statt nur zu diskutieren, wie wir noch mehr ausgeben“, so der 41jährige Neustrelitzer. Prof. Dr. Stefan Behringer, Präsident der NORDAKADEMIE, erinnerte die AGV NORD-Unternehmer an ihre ureigene Verantwortung im Umgang mit Menschen und Mammon: „Gelegenheit macht Diebe? Wenn Manager kriminell werden“, hatte er seinen Vortrag überschrieben, dem eine muntere Debatte zu Wirtschaftskriminalität folgte. Der Tag endete mit dem traditionellen AGV NORD-Spargelessen: Beim Beelitzer Edelgemüse zu trockenem Sauvignon Blanc von der Nahe waren sich Gäste und Unternehmensvertreter einig: Staffelübergabe gelungen, Verbandszukunft gesichert! Alexander Luckow

Oben: Vorstandsmitglied Roland Habeck.

Rechts: Der neue Schatzmeister Horst Bick, Kaufmännischer Leiter von HELL Gravure Systems.

Unten rechts: Gerhard Erb, Geschäftsführer der Jastram GmbH.

Volles Haus in Hasenwinkel: Vorn links der neue AGV-Vorsitzende Julian Bonato, rechts Sven Müller, Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern e. V., hinten Christoph Fülscher, Vorstand NORDAKADEMIE.

Fotos: Angelika Heim Prof. Dr. Stefan Behringer, Präsident der NORDAKADEMIE, sprach über Wirtschaftskriminalität. burg-Vorpommern. Peter Golinski, Geschäftsführer beim AGV NORD, stellte die Aktivitäten und Projekte im Bereich Bildung und Arbeitsmarkt vor. Der neue Vorsitzende des Vorstands, Julian Bonato, bedankte sich „für die Übertragung dieser ehrenvollen Aufgabe, auf die ich mich sehr freue.“ Rainer Bergfeld von MAKITA Engineering Germany (r.) hat als Schatzmeister 14 Jahre lang die Finanzen des Verbands kontrolliert. Manfred Lehde dankte ihm im Namen des AGV Nord.
15 Standpunkte NORDMETALL

Beurteilung der Geschäftslage gegenwärtig als „gut“:

Der Negativtrend hält auch im Frühjahr 2019 an. Wie schon im letzten Herbst müssen NORDMETALL und die Partnerverbände in der gemeinsam erhobenen Konjunkturumfrage vermelden: Die Eintrübung der Metall- und Elektrokonjunkturaussichten setzt sich fort.

164 Unternehmen mit mehr als 107.000 Beschäftigten beteiligten sich an der traditionellen Frühjahrs-Konjunkturumfrage – ein Spitzenwert an Rückmeldungen unter den rund 660 Mitgliedsunternehmen mit circa 150.000 Beschäftigten, die bei NORDMETALL, dem AGV NORD, den Arbeitgeberverbänden Oldenburg und Ostfriesland sowie dem Allgemeinen Arbeitgeberverband Bremen organisiert sind.

Nur 37 Prozent der befragten Firmen beurteilen die gegenwärtige Geschäftslage als gut, die besonders negativen Einschätzungen dominieren unter den Metallerzeugern und den Gießereien (s. Grafik S. 17 oben). Die Kapazitätsauslastung verharrt nach dem starken Rückgang im letzten Herbst bei rund 87 Prozent auf dem Niveau des Frühjahrs 2014. Den Auftragsbestand betrachten nur 30 Prozent der Unternehmen als relativ hoch,

Wie gut sind geeignete Bewerber für Ausbildungsplätze verfügbar?

46 P rozent geben ein „ausreichend“, 24 Prozent beklagen einen zu geringen Auftragsbestand. Nur noch 15

Prozent der Firmen erwarten im nächsten halben Jahr eine bessere Geschäftslage, zwei Drittel sehen keine Veränderung gegenüber bisher, 19 Prozent befürchten eine Verschlechterung – Letzteres ist fast eine Verdoppelung gegenüber dem letzten Herbst.

Die schlechte oder unbefriedigende Verfügbarkeit von Fachkräften beschwert 62 Prozent der Betriebe im Norden, besonders die kleinen und mittleren mit weniger als 500 Beschäftigten. Der Negativ-Spitzenwert wird hier mit 77 Prozent in Hamburg erreicht, im nordwestl ichen Niedersachsen sorgen sich demgegenüber nur

Erschwerende Wirtschaftsfaktoren:

36 P rozent um den Fachkräftemangel. Besonders besorgniserregend entwickelt sich aus Sicht der Unternehmen die Situation auf dem Ausbildungsmarkt: 49 Prozent beurteilen die Verfügbarkeit ausbildungsfähiger Jugendlicher als schlecht oder unbefriedigend, ein weiterer Negativrekord (s. Grafik S. 16 unten). Als erschwerende Wirtschaftsfaktoren betrachten gut drei Viertel der Firmen die weiter steigenden Arbeitskosten in Deutschland. Erheblich zugenommen hat die Verunsicherung über die Entwicklungen der internationalen Politik: 62 Prozent ordnen drohende Handelskriege, den Brexit oder weitere internationale Konflikte als erschwerenden Faktor ein, vor zweieinhalb Jahren waren dies nur gut 40 Prozent (s. Grafik S. 17 unten). Immerhin: Die Sorge um den Euro-Kurs hat sich in zwei Jahren auf 9 Prozent halbiert. Als Folge der mehrheitlich negativen Entwicklungen hält der seit 2016 deutlich gestiegene Verlagerungsdruck unter den Unternehmen an: 18 Prozent planen Produktionsverlagerungen ins Ausland.

NORDMETALL-Präsident Thomas Lambusch resümierte die Entwicklung während der Pressekonferenz zur Frühjahr-Konjunkturumfrage in Hamburg eindeutig: „Die Aussichten bleiben trübe, wir erleben seit der deutlichen Verschlechterung im letzten Herbst eine Seitwärtsbewegung der Konjunktur. Die schlechte Fachkräfteverfügbarkeit und die sich zuspitzende Lage auf dem Ausbildungsmarkt erhöhen mit dem anhaltend hohen Kostendruck die Tendenz unter den Unternehmen, ins erheblich günstigere Ausland abzuwandern. Das gilt besonders für den Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Industrie. Die Politik muss hier endlich mit Steuererleichterungen, Bürokratieabbau und einer Ausbildungsoffensive positive Signale setzen, um die Firmen im Land zu halten.“ Alexander Luckow

0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 76 % 62 % 100 % Arbeitskosten 2016 Häu gkeit der Nennung 2017 2017 2018 2018 2019 Internationale Politik 2016 2017 2017 2018 2018 2019 Frühling Herbst Konjunkturumfrage Grafiken: Maren Spreemann 10 % 0 % 20 % 30 % 40 % 60 % 70 % 50 % 2017 2012 2013 2014 2015 2016 2019 2018 Herbst Frühling Metallerzeugnisse Metallerz., Gießereien Elektrotechnik Maschinenbau 0 20 40 60 80 100 8 Herbst 2016 Frühjahr 2017 Herbst 2017 Frühjahr 2018 Frühjahr 2019 Herbst 2018 24 50 18 7 34 49 10 8 28 54 11 8 29 53 10 16 27 47 10 14 35 45 6 gut befriedigend unbefriedigend schlecht
16 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 17 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Anders

Lernen lernen

Der digitale Strukturwandel erfordert anderes Lernen von Unternehmen und Menschen. Wie modernes Lernen heute geht, war Thema beim Corporate Learning Camp.

300 Personen, aber kein Programm. Was bei einer normalen Konferenz undenkbar ist, war das Prinzip des ersten Corporate Learning Camps von NORDMETALL, dem AGV NORD, der Technischen Universität Hamburg und der Corporate Learning Community Ende März. Der Titel Camp war treffend gewählt, denn hier ging es nicht um eine klassische Konferenz mit Frontalvorträgen. Die zweitägige Veranstaltung an der TU Hamburg unter dem Motto „Lernen und Arbeiten im Jahr 2025“ war als Barcamp konzipiert, auch Unkonferenz genannt. Wie bei jeder Konferenz treffen sich Experten und Interessierte, allerdings organisieren sie die Konferenzinhalte

und den Ablauf vor Ort selbst. „Lernen ist in unserer DNA schon drin“, sagte Peter Golinski, Bildungsgeschäftsführer bei NORDMETALL und AGV NORD zum Auftakt. „Aber durch den digitalen Strukturwandel verändern sich Arbeitsabläufe und Führung, das Arbeiten wird agiler und deswegen werden sich auch Lernprozesse verändern müssen. Um das zu unterstützen vernetzen wir unsere Mitgliedsunternehmen untereinander und mit externen Experten.“ Wie das in den Betrieben konkret funktionieren kann, interessierte auch die mehr als 60 Teilnehmer aus den Mitgliedsunternehmen der beiden Verbände. „Wir sind schon ganz neugierig und ge-

spannt“, sagte Torsten Lemmermann von Mankenberg. „Wir wollen zusammen lernen und das Wissen dann in unser Unternehmen tragen“, war das Ziel von ihm und zwei Kolleginnen. Gelegenheit dazu gab es reichlich: Nach kurzer Organisationsphase standen fast 100 sogenannte Sessions auf dem Plan. „Wie kann der Aufbau digitaler Kompetenzen gelingen?“, „Erfolgsfaktoren bei E-Learning-Projekten“, „MOOCs, Bots, KI und Blockchain“, „Podcast als Lernformat?!“, „Pflichtschulungen – Wie macht ihr es?“, „Lernerfolgsmessung“ oder „Argumentation einer veränderten Lernkultur für Top-Manager“ sind nur einige Beispiele für das breite Spektrum an Vorträgen, Diskussionen und Themengruppen. „Viel Austausch, viel Input, viel Praxis – das kann nur gut werden“, freute sich Susanne Sonnenberg von Liebherr, die insbesondere an den Debatten über Agilität, verschiedene Lernformen und eLearning teilnehmen wollte. In den Sessions wurden eifrig Erfahrungen aus der eigenen Arbeits- und Lernwelt ausgetauscht, manchmal auch strittig diskutiert, neue Erkenntnisse weitergegeben und gemeinsam praktische Anwendungen ausprobiert. „Ich bekomme hier ganz viel Inspiration, Anregungen für neue Formate und kann mich super vernetzen“, fand Verena Fritzsche vom Northern Institute of Technology Management. Auch Jan Balcke von Airbus war sehr zufrieden: „Ich finde das Barcamp mutig, und es ist sehr gut, dass sich NORDMETALL hier positioniert und die Unternehmen auffordert, sich zu beteiligen. Hier kommen ganz unterschiedliche Interessen und Sichtweisen zusammen.“ Er berichtete von einem praktischen Beispiel aus seinem Unternehmen, einer neuen „Learning and Exploration Factory“ am Airbus-Standort Hamburg. „Dort fokussieren wir uns auf die Frage, wie man die Mitarbeiter über neue Technologien informieren kann. Ängste nehmen, die Akzeptanz steigern, indem man die Mitarbeiter involviert und trainiert – das sind die Kernpunkte. Wir sehen da eine große Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, weil es nicht unmittelbar im Produktionskontext stattfindet, aber auch nicht zu weit weg ist. Beispielsweise zu zeigen, wie man mit einem intelligenten Handschuh arbeitet oder wie man eine Datenbrille anwendet. Das findet große Akzeptanz, auch beim Betriebsrat.“ Solche konkreten Beispiele und Erfahrungen fanden die Besucher des Corporate Learning Camps besonders hilfreich. „Wir stehen wie alle vor der Digitalisierung von Lernprozessen: Welchen Bedarf haben wir, welche Technologien gibt es, wie lösen wir die Probleme?

Da hilft das Corporate Learning Camp auf jeden Fall”, fand Britta von Selchow von Fette Compacting.

Mehr Infos und Dokumentationen der Teilnehmer auf www.colearn.de/clc19hh.

Selbst organisierte Inhalte, selbst moderierte Sessions. Die 300 Teilnehmer des Corporate Learning Camp füllten nicht nur das Audimax der TU Hamburg, sondern sorgten auch in neun weiteren Tagungsräumen für viele Diskussionen, Austausch und Vernetzung.

Fotos: Christian Augustin 18 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Die Airbus A400M kann als Transporter, Tankflugzeug oder fliegendes Lazarett eingesetzt werden. Der Rumpf wird am Standort Bremen gefertigt.

Das fliegende Multitalent

Hollywood-Star Tom Cruise ist bekannt dafür, dass er Stunts gerne selber macht. Vor allem in den Filmen der „Mission Impossible“-Reihe gibt es dazu reichlich Gelegenheit. Besonders eindrucksvoll war sein Einsatz im fünften Teil, der 2015 anlief. Dort springt er auf ein startendes Militärflugzeug vom Typ Airbus A400M und hängt gefühlte Ewigkeiten an der Außentür, um schließlich in 1.500 Meter Flughöhe den Frachtraum zu entern und über die Heckklappe eine Fallschirmpalette mit geklauten Granaten abzuwerfen.

Gedreht wurde die Szene auf der britischen Luftwaffenbasis Wittering, aber das Flugzeug kam aus Norddeutschland. Zumindest entscheidende Teile davon, denn der Rumpf und das Frachtladesystem der viermotorigen Maschine werden in Bremen entwickelt und gebaut.

A400M-Standortleiter Jens Franzeck: „Bremen ist das deutsche Zentrum der A400M-Entwicklung und -Produktion. Wir beschäftigen hier derzeit rund 800 Mitarbeiter und haben bereits über 100 Rümpfe abgeliefert.“

Zu einem kompletten Flugzeug werden diese Rümpfe im spanischen Sevilla, wo Airbus ein großes Werk mit rund 2.000 Mitarbeitern hat. Den Transport übernimmt das Spezialflugzeug „Beluga“, das auch den Hamburger Standort regelmäßig anfliegt, um dort Teile an- und abzuliefern.

Franzeck: „Die A400M ist ein europäisches Gemeinschaftsprojekt. Wir liefern den Rumpf, die Briten die Tragflächen, die Franzosen die Nase inklusive Cockpit, und die Spanier übernehmen die Endmontage. Klingt einfach, ist aber im Detail eine gewaltige Herausforderung. Alles muss exakt aufeinander abgestimmt sein, wenn man am Ende ein perfektes Produkt haben will.“

Dass so viele Länder beteiligt sind, hat mit der Entstehungsgeschichte der A400M zu tun – eine Geschichte, die bis in die frühen 80er-Jahre zurückgeht. Damals beschlossen einige europäische NATO-Staaten, den veralteten Bestand an Transportern durch ein moderneres und leistungsfähigeres Modell zu ersetzen.

Daher gründeten Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB), Aérospatiale, Lockheed und British Aerospace Ende 1982 ein Konsortium, das die Machbarkeit eines europäischen Transporters untersuchen sollte. Dass es tatsächlich einen Bedarf dafür gab, zeigte sich spätestens 1998/1999 bei den militärischen Interventionen der NATO-Streitkräfte im Kosovokrieg.

In der Konzeptionsphase, so Franzeck, hatte „jeder Partner seine ganz eigenen Vorstellungen davon, was die Maschine leisten soll“. Oder, um es mit den Worten eines externen Branchenkenners zu sagen: „Ein Blick auf das Lastenheft zeigt, dass man sich eine eierlegende Wollmilchsau wünschte, die auch noch fliegen kann.“

Ende 2007 wurde mit dem Bau des ersten Prototyps begonnen, zwei Jahre später fand der Erstflug statt. Franzeck: „Das Feedback der Piloten ist wirklich gut. Sie mögen unser Flugzeug und sind voll des Lobes, was uns natürlich freut.“

Und auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen äußerte sich zuletzt sehr positiv. Die A400M werde das „modernste Transportflugzeug der Welt“ sein, sagte sie bei einem Besuch auf dem niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf, wo die A400M seit Ende 2014 stationiert ist.

Standortleiter Jens Franzeck ist seit vier Jahren für den A400M-Bereich im Bremer Airbus-Werk verantwortlich.

Reportage
Ein Monteur arbeitet an einer Laderampe, im Hintergrund werden die Rümpfe gefertigt.
Foto: Airbus Defence and Space
Links: Bei Bedarf kann die A400M Täuschkörper ausstoßen, um feindliche Raketen abzulenken. Fotos: Christian Augustin
21 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Das Transportflugzeug kann über seine Heckrampe eine maximale Nutzlast von 37 Tonnen aufnehmen, zum Beispiel Kampffahrzeuge oder andere militärische Güter, aber auch ziviles Material für Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz. Zudem kann es andere Maschinen in der Luft betanken und braucht keine perfekt präparierte Piste zum Starten oder Landen.

In den Rumpf der A400M passen bis zu 116 Fallschirmspringer, die das Flugzeug entweder durch die Seitentür oder über über die Heckrampe verlassen können.

Komplexer Teamwork-Prozess: Der Rumpf kommt aus Bremen, die Tragflächen aus England, die Seitentüren aus der Türkei und die Nase samt Cockpit aus Frankreich. Die Endmontage findet in Spanien statt.

Aktuell stehen dort 25 Maschinen, aber da der Platz langsam knapp wird und die Bundeswehr in den nächsten Jahren noch weitere A400M erhalten wird, soll ein Teil der Transportflugzeuge ab 2025 auf dem bayerischen Fliegerhorst Lechfeld stationiert werden.

700 Kilometer nördlich davon wird unterdessen in der Bremer Airbus-Halle emsig gearbeitet, denn in Kürze steht der nächste Beluga-Flug nach Sevilla an. Jens Franzeck deutet auf den Innenraum eines Rumpfes, in dem gerade Rohrleitungen für Hydraulik und Kabel fixiert werden. „Von außen sieht die Maschine so groß aus“, sagt er, „aber in Wahrheit sind es ähnlich beengte

Die Rümpfe werden in Bremen aus mehreren Einzelsegmenten zusammengesetzt.

Verhältnisse wie in einem U-Boot. Allein für die Elekt rik müssen über 120 Kilometer Kabel verlegt werden, dazu kommen annähernd 400 Rohrleitungen für das Luftverteilungssystem und fast doppelt so viele Leitungen für die Hydraulik.“

Die Maschine ist mit einer „Fly by wire“-Steuerung ausgestattet, bei der die Lenkkommandos der Piloten nicht mehr analog über Stahlseile, hydraulische Systeme und Schubstangen übertragen werden, sondern via Kabel über elektrische Signale.

Das ermöglicht es den Piloten, die fast 80 Tonnen schwere Maschine mit kleinen Sidesticks zu steuern, die wie

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Rotkreuz-Mitarbeitern vor einer A400M, die gerade mit einem Hilfsfahrzeug beladen wird.

Computerspiel-Joysticks aussehen und auch ähnlich funktionieren. Zudem beanspruchen sie deutlich weniger Platz im Cockpit.

Angetrieben wird das 45 Meter lange Flugzeug von vier eigens entwickelten Propellerturbinen-Triebwerken mit rund 11.000 PS Leistung. Dank der Turboprop-Bauweise kann die A400M wegen ihres niedrigen Spritverbrauchs relativ lange Strecken bewältigen. Franzeck:

„Bei maximaler Beladung liegt die Reichweite bei 3.100 Kilometern, unbeladen schafft die Maschine sogar fast 9.000 Kilometer.“ Wenn der Transporter dann nach langem Flug an seinem Einsatzort angekommen ist, kann

Kommentar

er über die Heckrampe binnen kurzer Zeit entladen werden. Für die Konstrukteure war dieses Bauteil eine echte Herausforderung, denn die Vehikel, die in den Flieger einfahren, sind oft schwer und mit Ketten ausgestattet. Daher muss die Rampe so beschaffen sein, dass sie bei diesem Vorgang nicht beschädigt wird. Es gibt aber auch Einsätze, wo die Piloten gar nicht landen können, weil das Gelände zu unwegsam ist oder feindliche Hinterhalte am Boden drohen. Dann öffnet der Lademeister kurzerhand im Flug die Heckklappe und setzt die Fracht per Fallschirm ab – so wie Tom Cruise in „Mission Impossible“. Clemens von Frentz

propa

Jahre lang bewährt, zuletzt in 70 Jahren NATO Existenz. Nun aber wird es in Deutschland steht infrage. Große

„Qui desiderat pacem, bellum praeparat“. Das propagierte schon Cicero im alten Rom. Nicht bedingungsloser Pazifismus, garniert mit einer Prise Hoffnung, bewahrt den Frieden, sondern Wehrhaftigkeit, so die Erkenntnis. Dieses Überlebensprinzip hat sich seitdem 2.000 Jahre lang bewährt, zuletzt in 70 Jahren NATO ­ E xistenz. Nun aber wird es in Deutschland sträflich vernachlässigt – trotz hochwertiger Produkte der deutschen Wehrtechnik, wie der A400M.

Die Bundeswehr kämpft in allen Truppengattungen mit überalterter Technik, leidet unter stark eingeschränkter Einsatzbereitschaft. Statt die im Nordatlantischen Verteidigungsbündnis gegebene Zusage einzuhalten, den Verteidigungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben, knausert die Bundesregierung bei längst überfälligen Rüstungsprojekten.

In der Truppe breitet sich Frust aus, Bündnispartner bezeichnen die Deutschen mittlerweile als „bedingt

einsatztauglich“. Als wäre das in international unruhigen Zeiten nicht bitter genug, bremst die Große Koalition auch noch zunehmend europäische Rüstungsprojekte aus. Nach restriktiver Auslegung des Kriegswaffenkontrollgesetzes wird in Berlin über Flugzeuglieferungen nach Saudi­A rabien gestritten, selbst der Materialersatz für französische Militärhubschrauber steht in Frage. Große Unternehmen der Branche wie etwa Airbus leiden unter dieser Verweigerungshaltung. Die Franzosen im Konzern und die Politik in Paris spotten über „German Free Products“, die es nun herzustellen gelte.

55.000 Menschen arbeiten in Deutschlands Rüs

Schaden nimmt am Ende vor allem die deutsche Wirtschaft: 55.000 Menschen arbeiten in Deutschland Rüstungsindustrie, in Schleswig­ Holstein allein sind es 6.700. Wer ihnen die Aufträge für U ­ Boote und Flugzeuge, für Panzer und Fregatten nimmt, der gefährdet mittelfristig ihre Arbeitsplätze. Und langfristig den Frieden in Europa und der Welt. Luc

Fotos und Grafik: Airbus Defence and Space
„Wer den Frieden wünscht, bereitet den Krieg vor“
Foto: Christian Augustin
„Wer den Frieden wünscht, bereitet den Krieg vor“
22 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 23 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Kreiselpumpe 1927

EDUR-Pumpenfabrik Eduard Redlien GmbH & Co. KG, Kiel

Das Familienunternehmen aus Kiel zählt zu den Hidden Champions der norddeutschen Wirtschaft. Vor mehr als 90 Jahren gegründet, hat sich EDUR zu einem weltweit führenden Anbieter von Kreiselpumpen insbesondere für Teilgasförderung und andere Sonderanforderungen entwickelt.

Vor allem die Mehrphasenpumpen sind heute aus der Prozess- und Verfahrenstechnik kaum mehr wegzudenken. Eingesetzt werden sie beispielsweise in Flotationsanlagen zur Abwasseraufbereitung, in Bioreaktoren zur Belüftung, auf Ölfeldern und Ölplattformen zur Rohölwasserseparation, in der Papierindustrie als Kalkfallen, zur Rohstoffgewinnung und in vielen anderen Verfahren. Sie können Flüssigkeiten mit einem Gasanteil von bis zu 30 Prozent transportieren. Noch bis in die 1990er-Jahre hinein wurden für die Anreicherung von Flüssigkeiten mit Gasen aufwendige Kombinationen aus Standardpumpen, Kompressoren und statischen Mischern eingesetzt. Heute werden diese Anlagenkomponenten vollständig durch Mehrphasenpumpen ersetzt. Solche Prozessvereinfachungen werden allerdings häufig nicht sofort mit Kusshand begrüßt. „Es hat rund 15 Jahre gedauert, den Markt zu durchdringen“, sagt Dr. Jürgen Holdhof, geschäftsführender Gesellschafter der EDUR-Pumpenfabrik in Kiel. Hier wurde diese spezielle Kreiselpumpe entwickelt. Doch der lange Atem zahlte sich aus: EDUR ist heute einer von weltweit nur zwei Anbietern, die Mehrphasenpumpen individuell nach den Anforderungen des Kunden fertigen können. Für EDUR und seine rund 120 Mitarbeiter sind die besonderen Herausforderungen das Tagesgeschäft. „Deshalb sind uns selbstständiges Arbeiten, Neugierde und Freude am Sich-Einlassen auf alles Neue so wichtig“, sagt Holdhof. Längst sind weitere Pumpen entwickelt worden, die die Kundenprozesse effizienter und sicherer machen. Aktuelle Anwendungsschwerpunkte sind zusätzlich zur Wasser- und Abwasseraufbereitung („Mikroplastik“) die Kältetechnik („umweltfreundliche Kältemittel“), Energietechnik („Power-to-Gas“) und Flüssiggas.

Doch auch die strategischen Herausforderungen behält der promovierte Wirtschaftsingenieur im Blick. Gemeinsam mit seiner Frau Dr. Glenny Holdhof, Tochter des Firmengründers Eduard Redlien, und seiner Tochter Frederike Holdhof treibt er die digitale Transformation massiv voran: von der mit Sensoren ausgestatteten intelligenten Pumpe über die Automatisierung von Fertigungsprozessen an den EDUR-Standorten Kiel, Kuala Lumpur und Hangzhou bis hin zu Angeboten zur veränderten Customer Journey. So gründete Holdhof im April 2018 gemeinsam mit zwei weiteren Pumpenherstellern die „StarPumpAlliance“, eine Plattform, die es weltweit Maschinen- und Anlagenbauern erleichtern soll, die passende Pumpe für ihr spezifisches Problem zu finden. Von beiden gibt es unzählige. Aktuell führt EDUR rund 20.000 unterschiedliche Produkte.

Begonnen hatte alles mit nur einem einzigen Produkt und dem simplen Wunsch, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Anfang der 1920er-Jahre hatte der Ingenieur Eduard Redlien die geniale Idee von einer selbstansaugenden Kreiselpumpe. Sie erleichterte die Wasserversorgung in Land- und Milchwirtschaft, Gewerbebetrieben und Privathaushalten maßgeblich. Der 25-jährige Redlien ließ sich seine Erfindung patentieren und gründete am 1. April 1927 in einem Kieler Mehrfamilienhaus sein eigenes Unternehmen, die EDUR-Pumpenfabrik. Später folgte die strategische Neuausrichtung weg von der Serienfertigung handelsüblicher Wasser pumpen hin zur Entwicklung von Spezial- und Nischenprodukten für industrielle Anwendungen. Mit Erfolg: Jedes Jahr verkauft EDUR rund 8.000 Kreiselpumpen – viele davon sind auf Kundenanwendungen zugeschnittene Spezialitäten. BiB

Made in Germany Northern Foto: Christian Augustin
24 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 25 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

geben ihm recht: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt seit Jahren an, die der Arbeitslosen sinkt. Große Industrieunternehmen wie Premium Aerotec, ThyssenKrupp Aerospace oder die Papier- und Kartonfabrik Varel investieren kräftig in neue Anlagen.

B

auen im Norden

Gut geplant ist halb gebaut

Platz für Wachstum, attraktive Arbeitsplätze oder effizientere Arbeitsbedingungen – die Gründe, warum Unternehmen bauen, sind vielfältig. Eines aber ist allen Vorhaben gemein: Sorgfältige Planung schützt vor Überraschungen bei der Bauausführung.

„Wenn es mit dem Bauantrag mal etwas länger dauern sollte, dann sind natürlich die Schnarchnasen vom Landkreis dafür verantwortlich.“ Sven Ambrosy, Landrat des Landkreises Friesland, macht deutlich, was sich die Mitarbeiter auf den Bauämtern bisweilen anhören müssen. Dabei stimme der Vorwurf in der Regel nicht. „Im Gegenteil. Bei uns werden Anträge zügig und transparent abgearbeitet“, sagt der Verwaltungschef. Dank elektronischer Akte könnten Antragsteller inzwischen sogar stets den aktuellen Stand der Planungen einsehen.

Der 100.000-Einwohner-Landkreis hatte erst vor einem Jahr mit überraschenden Zahlen auf sich aufmerksam gemacht. Denn im Regionen-Ranking von Focus Money konnte sich Friesland 2017/18 von Platz 246 auf Platz 102 katapultieren. Beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts belegte die Region zwischen Wangerooge im Norden und Varel im Süden sogar mit 9,72 Prozent Rang 3 unter 381 Kreisen und kreisfreien Städten. Woran liegt’s? „Am politischen Willen, einer schnell arbeitenden Verwaltung und einer gut geplanten Raumordnung“, wirbt der Landrat von der SPD. Die Fakten

„Bei uns werden Anträge zügig und transparent abgearbeitet.“

Sven Ambrosy, Landrat des Landkreises Friesland

Ambrosy will den Wachstumsweg verstetigen und weiter für wirtschaftsfreundliche Bedingungen in seinem Landkreis sorgen. Das muss er auch, denn die Region hat Nachholbedarf. Nach wie vor liegt das Steueraufkommen im Vergleich zu anderen Kreisen unter dem Bundesdurchschnitt – da hilft Bauen für die Industrie.

Erschließung neuer Gewerbegebiete könnte schneller gehen

Das Schaffen neuer Gewerbegebiete gehört eigentlich ganz oben auf die Agenda von Wirtschaftspolitikern und -förderern. Doch mitunter münden die schnellen Ankündigungen mancher Verantwortlicher in jahrelange Planungsprozesse, zum Leidwesen der Wirtschaft. Speziell dann, wenn Ländergrenzen überschritten werden, wie beispielsweise beim bremisch-niedersächsischen Gewerbegebiet Achim-West südlich des Autobahnkreuzes A1/A27. Dort sollen 75 Hektar Bauland erschlossen werden. Erste Planungen liefen schon 2006, doch die Bauarbeiten werden voraussichtlich nicht vor 2020 starten. Auch das erste länderübergreifende Gewerbegebiet zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein nimmt nur langsam Form an. Über das knapp 40 Hektar große Gelände zwischen Stapelfeld im Kreis Stormarn und dem benachbarten Rahlstedt auf Hamburger Seite wurde rund sieben Jahre diskutiert. Nun sollen die Bagger 2020 kommen. Beide Prozesse eignen sich nicht als Ruhmesblätter für die Landespolitiker in Bremen und Hannover oder Kiel und Hamburg. Dass es innerhalb der Landesgrenzen durchaus auch schneller gehen kann, zeigt die Garz & Fricke GmbH aus Hamburg-Harburg. Das Unternehmen mit aktuell 150 Mitarbeitern baut Touchdisplay-basierte Eingabe-

„Wir wurden von der Wirtschaftsförderung gut unterstützt.“

systeme unter anderem für Industrieanlagen, Automatensysteme und medizinisch-technische Laborgeräte. Auf der sogenannten Bahnhofslinse, einem Gelände nördlich des Hamburger Elbcampus, errichtet der Elekt ronik s pezialist seine neue Firmenzentrale. „Von der Planung bis zur Grundsteinlegung haben wir rund drei Jahre gebraucht“, berichtet Firmengründer Manfred Garz.

Dabei war das Gelände noch gar nicht voll erschlossen. Zwar wurde schon 2006 ein Bebauungsplan aufgestellt, doch die Umsetzung zog sich aufgrund komplizierter Eigentumsverhältnisse kleinerer Grundstücke hin. „Wir hatten mit unserem Grundstück allerdings kaum Probleme und wurden vonseiten der Wirtschaftsförderung stets gut unterstützt“, sagt Garz.

Zweistelliges Wachstum über zehn Jahre

Im Frühjahr 2017 startete das expandierende Unternehmen mit den Bauarbeiten auf dem 12.000 Quadratmeter großen Areal, der Einzug in die Verwaltungs- und Produktionsgebäude mit einer Gesamtfläche von 9.000 Quadratmetern ist für den Herbst dieses Jahres terminiert. Der Umzug war notwendig geworden, weil das Unternehmen wächst und in den alten Räumen im hit-Technopark Bostelbek an seine Grenzen gestoßen war. „In den vergangenen zehn Jahren haben wir ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 18 Prozent

So soll das neue Gebäude der Garz & Fricke GmbH aussehen. Der Einzug ist für den Herbst dieses Jahres terminiert.

Foto: Shutterstock/yuttana Contributor Studio
Teil 2
Thema
Foto:
Manfred Garz, Geschäftsführer Garz & Fricke GmbH
Garz & Fricke GmbH, Landkreis Friesland
26 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 27 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

jährlich realisiert“, erzählt der Chef. So kletterte der Umsatz von sieben Millionen Euro im Jahr 2008 auf rund 36 Millionen Euro 2018. Der Neubau wird die zur Verfügung stehende Fläche nahezu verdoppeln.

Die Lage der neuen Firmenzentrale sei mit Bedacht gewählt worden. Der Standort direkt am Harburger Bahnhof bietet vor allem den Mitarbeitern beste Bedingungen. Zwölf Minuten mit der S-Bahn bis zur City seien ein unschlagbares Argument, so der Chef.

Ebenso sorgfältig wurden Architekt und Generalunternehmer ausgewählt. Das zahlt sich heute aus, denn der Bau macht gute Fortschritte. Erst kürzlich wurde Richtfest gefeiert. 20 Millionen Euro geben die Mittelständler für ihre neue Zentrale aus, dafür haben sie sich mit dem Münchner Finanzinvestor Afinum einen Partner ins Boot geholt.

„Wussten genau, was wir wollten“

Ähnlich gute Erfahrungen mit Behörden und Dienstleistern hat die Rostocker Elektrotechnikfirma SEAR gemacht. Das Unternehmen, das 2006 als Management-Buy-out von Thomas Lambusch und Mayk Wiese gegründet wurde, gehört zu den großen Playern auf dem Markt der Energieverteilung und des Energietransportes. Eine Spezialität der 220 Mitarbeiter starken Firma ist die elektrotechnische Installation von Umspannwerken für die Hochspannungs- und Gleichstromübertragung.

Im Jahr 2012 bezog SEAR sein neues Firmendomizil, nur etwa ein Jahr nach Ausschreibung der Bauleistungen. „Wir wussten genau, was wir wollten, hatten einen guten Architekten, einen guten Generalunternehmer und eine ebenso gute Bauaufsicht“, erinnert sich Lambusch. Der Unternehmer und NORDMETALL-Präsident zählt damit die Voraussetzungen für den erfolgreichen Baufortschritt auf. Zudem gestaltete sich auch die Zu-

Die Scheidt & Bachmann System Technik GmbH hat im interkommunalen Gewerbegebiet Melsdorf/ Kiel vor etwa zwei jahren neu gebaut. Gute Planung, eine externe Projektbegleitung und die Einbeziehung der Mitarbeiter haben den schnellen Baufortgang positiv beeinflusst.

lichen Nahverkehrs. „Von dort bis zur Kieler Innenstadt sind es 20 Minuten“, sagt Désirée Gruchot, kaufmännische Leiterin des Betriebs.

Scheidt & Bachmann System Technik entwickelt mit insgesamt 95 Mitarbeitern komplexe Softwareprodukte und Betriebsführungssysteme sowie Simulationsanlagen für den schienengebundenen Fern- und Nahverkehr. Seit 2014 gehört der Softwarespezialist zum Scheidt & Bachmann-Firmenverbund, einem weltweit aktiven Unternehmen mit Produkten für Parkhäuser, Signalanlagen, Tankstellen und Fahrgeldmanagement mit Sitz in Mönchengladbach.

die straffe Planung haben zum Erfolg geführt“, freut sich die Kauffrau.

Im Februar 2018 erfolgte der erste Spatenstich, im November des Jahres bezog die Firma ihre neuen Räumlichkeiten. Das dreigeschossige Gebäude bietet auf rund 3.000 Quadratmetern Platz für Büros, Test- und Integrationsräume sowie Lagerflächen. Für künftiges Wachstum ist noch genug frei bebaubare Fläche übrig. Ein Fahrradunterstand, drei Ladesäulen für E-Autos, moderne Technik, helle und freundliche Büros sowie Meeting-Flächen auf jeder Ebene bieten den Mitarbeitern attraktive Arbeitsbedingungen.

sammenarbeit mit der Rostocker Wirtschaftsförderung positiv. „Rostock Business hatte uns mehrere Grundstücke angeboten. Wir wollten zunächst nur 9.000 Quad rat meter, haben uns dann aber für ein doppelt so großes Grundstück entschieden“, berichtet der Chef. Exakt fünf Monate nach dem Richtfest, am 15. Oktober 2012, zogen rund 150 Mitarbeiter in die Büro- und Produktionsräume ein. Das Bürogebäude bietet auf rund 2.000 Quadratmetern Nutzfläche und in drei Geschossen Platz für 120 Arbeitsplätze. In der 1.500 Quadratmeter großen, direkt anschließenden Produktionshalle bauen 30 Mitarbeiter Schaltanlagen und Beleuchtungsbefestigungen. Insgesamt hat SEAR rund fünf Millionen Euro im ersten Bauabschnitt investiert. In einem wenige Jahre später folgenden zweiten Abschnitt wurde noch einmal eine Million Euro in die Ausweitung von Parkplatzkapazitäten und Außenanlagen gesteckt. Der Aufwand hat sich gelohnt. In Rostock ist eine architektonisch attraktive Firmenzentrale entstanden, die den Mitarbeitern funktionale Arbeitsplätze, genügend Raum und im Außenbereich auch Platz zum Verweilen bietet. „Auf den Campus-Charakter haben wir großen Wert gelegt“, sagt Lambusch. „Wir wollen, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen.“ Dazu gehört natürlich auch die gute Anbindung an das öffentliche Nahverkehrsnetz. Die S-Bahn-Haltestelle ist nur fünf Minuten entfernt.

Neubau im interkommunalen Gewerbegebiet

Ähnlich komfortable Bedingungen findet das Kieler Unternehmen Scheidt & Bachmann System Technik GmbH im interkommunalen Gewerbegebiet Rotenhof in Melsdorf vor den Toren der Landeshauptstadt vor. Das Autobahnkreuz Kiel-West befindet sich in unmittelbarer Nähe, ebenso wie ein Haltepunkt des öffent-

Ende 2018 zogen die Software-Experten von Kiel-Wellsee in das neu erschlossene Gewerbegebiet. „Am alten Standort hatten wir keine Möglichkeiten mehr zur Expansion. Zudem entsprach das Gebäude aus den 1980er-Jahren in keinerlei Hinsicht mehr den Anforderungen heutiger Bürostandards“, berichtet Gruchot. Relativ schnell wurde klar, dass es für eine Firma in der Größenordnung von 100 Mitarbeitern auf dem Mietmarkt nichts Adäquates gab. Also wurde entschieden, neu zu bauen. „Die Grundstücke im damals neu geschaffenen interkommunalen Gewerbegebiet waren ideal für unsere Anforderungen“, berichtet die kaufmännische Leiterin.

Von der Planungsphase bis zum Einzug ins neue Gebäude vergingen dann nur knapp zwei Jahre. Dabei setzte die Geschäftsführung von Anfang an auf die Einbeziehung der Mitarbeiter. „Wir haben ein Projektteam ins Leben gerufen und so die Bedürfnisse und Wünsche der Belegschaft in die Planungen einbringen können“, erklärt Gruchot. Zudem unterstützte eine externe Projektbegleitung mit Baufachleuten von den Ausschreibungen bis zur Schlüsselübergabe die Arbeiten. „Die Projektbegleitung, das motivierte Team und

Die rund sechs Millionen Euro Investitionssumme seien gut angelegtes Geld, meint Gruchot. Denn Scheidt & Bachmann will in Kiel wachsen. Die Voraussetzungen sind da, weil hier die Erkenntnis beherzigt wurde: Gut geplant ist halb gebaut. Lothar Steckel

Moderne Architektur von außen und innen: So präsentiert sich die SEAR-Firmenzentrale in Rostock. Viel Licht, moderne Technik und großzügige Besprechungsareale bestimmen das Bild. Bauherr Thomas Lambusch freut sich über den gelungenen Bau.

Foto: Scheidt & Bachmann System Technik GmbH
Fotos: SEAR GmbH
28 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 29 Standpunkte NORDMETALL

im Einsatz für die Unternehmen

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) setzt sich seit mehr als 18 Jahren für ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ein, das auf Freiheit und Verantwortung fußt. Getragen wird das Engagement von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie, darunter auch NORDMETALL. Hier berichten wir über die aktuelle Arbeit.

INSM kritisiert Grundrente

Die Deutschen leben immer länger und bekommen immer weniger Kinder. Das führt zu einer Überalterung der Gesellschaft und stellt unser umlagefinanziertes Rentensystem vor riesige Herausforderungen. Anstatt die Sozialversicherung zukunftsfest zu machen,

schnürt die Bundesregierung ein um das andere teure Rentenpaket – und produziert damit hohe Kosten zu Lasten der Jüngeren. Die INSM hat die Grundrente ins Visier genommen und kämpft gegen die Pläne von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Milliarden an Steuer- und Beitragsgeld mit der Gießkanne an alle Rentner zu verteilen – auch an diejenigen, die nicht bedürftig sind. Die Pläne sind ungerecht, helfen nicht gegen Altersarmut und beschädigen das Äquivalenzprinzip. In einer groß angelegten Anzeigenkampagne machte die INSM öffentlichkeitswirksam auf den Konstruktionsfehler der Grundrenten-Pläne aufmerksam, nämlich das Fehlen der Bedürftigkeitsprüfung.

Reformvorschläge für Hartz IV

Die INSM hat sich aktiv in die Debatte über Hartz IV eingeschaltet. Bei einem INSM-Frühstücksdialog erläuterte Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft Möglichkeiten, um Hartz-IVBezieher in Lohn und Brot zu bekommen. Die Frage, die Schäfer im Auftrag der INSM beantwortete, lautet: Wie kann eine Reform die Anreizstrukturen verbessern, damit Leistungsberechtigte einen größeren Anteil ihres Bedarfs aus eigener Kraft erwirtschaften? Der kon struk t ive Vorschlag: bessere Zuverdienstmöglichkeiten für höhere Verdienste schaffen und gleichzeitig die Freibeträge kürzen. Mehrarbeit würde sich dann für Hartz-IV-Empfänger wieder lohnen. Um die teils hitzig geführte Diskussion in Deutschland zu versachlichen, legte die INSM zudem die Sammlung „11 Fakten zu Hartz IV“ auf. Sie kann kostenlos als Printausgabe bestellt oder heruntergeladen werden unter www.insm.de

Termine von NORDMETALL, NORDMETALL-Stiftung und AGV NORD

Mitgliederversammlung, Treffen zum Netzwerken, Informationsveranstaltungen zu Arbeitsrecht, Bildungsfragen oder der Stiftungsarbeit — die norddeutschen Industrieverbände NORDMETALL und AGV NORD sowie die NORDMETALL-Stiftung bieten ein reichhaltiges Angebot.

Nähere Informationen zu Anmeldung, Ablauf, Referenten, kurzfristigen Änderungen sowie weitere Termine finden Sie auf unserer Homepage unter www.nordmetall.de/veranstaltungen

04.06.2019 Infoveranstaltung „Arbeitszeit“ NORDMETALL, Hamburg NM / AGV

04.06.2019 Treffpunkt Nordbildung Tannenfelde Bildungs- und Tagungszentrum, Aukrug

/ Mitgliederversammlung

07.06.2019 Infoveranstaltung zum TV LeiZ und TV BZMENORDMETALL, Hamburg NM / AGV

11.06.2019 Arbeitsmarkttagung „Fachkräftesicherung heute und morgen“

13.06.2019 NORDMETALL-Regiotreff „Tarifpolitik Aktuell“

14.06.2019 Arbeiten in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ): Welches Recht gilt?

/ Elbphilharmonie

16.06.2019 Kinder- und Familienfest Schloss Hasenwinkel Hasenwinkel

17.06.2019 Infoveranstaltung „Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung“ NORDMETALL Hamburg

18.06.2019 Infoveranstaltung „Altersteilzeit / Betriebliche Altervorsorge“

NM / AGV
06.06.2019 Vorstandssitzung
NORDMETALL NDR Hamburg NM
NORDMETALL
NM / AGV
NORDMETALL
Hamburg
Hamburg NM
The
Westin
Hamburg NM / AGV / Nordwindaktiv
NM-Stiftung
NM / AGV
NORDMETALL Hamburg NM / AGV
NORDMETALL Neubrandenburg NM / AGV
NORDMETALL,
NM / AGV 18.–22.07.2019 30 Jahre Infotruck Burg, Fehmarn NM / AGV 20.07.2019 Verleihung
MMG GmbH,
(Müritz) NM-Stiftung 31.07.2019 Auftaktkonzert
Schloss Hasenwinkel Hasenwinkel NM-Stiftung 19.08.2019 Workshop „Arbeitsvertragsgestaltung“ NORDMETALL Hamburg NM / AGV 27.08.2019 Infoveranstaltung MTV I NORDMETALL Hamburg NM / AGV 29.08.2019 Infoveranstaltung MTV II NORDMETALL Hamburg NM / AGV August TERMINE
Juni Juli 01.07.2019 Workshop „Arbeitsvertragsgestaltung“
08.07.2019 Workshop „Arbeitsvertragsgestaltung“
Kiel
des NORDMETALL-EnsemblepreisesProduktionshalle der
Waren
des Preisträger-Projekts
AUS DER HAUPTSTADT
RESPEKT-RENTE GEFÄHRDET RENTEN-PRINZIP: LEISTUNG WIRD NICHT MEHR GLEICH BEWERTET! RENTEN-TROJANER GEFUNDEN SPD-Respekt-Rente löst „Niedrige Einheitsrente für alle“ aus. SOFORT ENTFERNEN IGNORIEREN insm.de 100x132_INSM_Einheitsrente.indd 1 09.05.19 13:30
Die 30 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 31 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Teamgeist gewinnt

Ein Rennen auf der MEYER WERFT, ein cooles Dankesvideo, Lob und Autogramme von zwei Profi-Rennfahrern und eine technologische Revolution –NORDMETALL-Stiftung und Formel 1 in der Schule hatten sich für die Jubiläumssaison ihres NORDMETALL-Cups einiges einfallen lassen.

Nach der Ruhe kommt der Knall. Mehrere hundert Augenpaare verfolgen gespannt, welcher der beiden Miniatur-Formel-1-Wagen als erster ins weich gepolsterte Ziel kommt. Mit bis zu 80 Stundenkilometern sausen die Rennautos über die 20 Meter lange Piste. Jedes Frühjahr, in ganz Norddeutschland. Und das seit zehn Jahren. So lange gibt es den von der NORDMETALL-Stiftung und der Formel 1 in der Schule gGmbH ins Leben gerufenen interdisziplinären Technologiewettbewerb „NORDMETALL CUP Formel 1 in der Schule“ bereits. Schülerinnen und Schüler im Alter von 11 bis 19 Jahren konstruieren am Computer gemeinsam einen Mini-Rennwagen. Sie

fräsen ihn aus einem Kunststoffblock und prüfen seine Tauglichkeit in einem virtuellen Windkanal, bevor sie ihn einer fachkundigen Jury präsentieren und auf die Strecke schicken.

„Ausgehend von der Faszination der ,großen‘ Formel 1, wollten und wollen wir bei Jugendlichen die Neugier für Technik und Naturwissenschaften wecken und sie so für technische Berufsfelder begeistern“, sagt Peter Golinski, NORDMETALL-Geschäftsführer Bildung und Arbeitsmarkt. Er hat den international größten Schulwettbewerb vor zehn Jahren für Norddeutschland entdeckt. Die Bilanz kann sich sehen lassen: 815 Teams, also fast

4.500 Kinder und Jugendliche – darunter 20 Prozent Mädchen – haben mehr als 3.000 dieser Starts zwischen gespannter Stille und lautem Knall verfolgt. Verursacht wird der spezielle Sound von einer Gaspatrone, die jeden Wagen nach dem Rückstoßprinzip antreibt. In den Wertungsrennen während der Landesmeisterschaften in Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein haben die Mini-Boliden so insgesamt mehr als 65 Kilometer zurückgelegt. Mehrere norddeutsche Teams konnten sich über den Gewinn der Deutschen Meisterschaft für die Weltmeisterschaft von „Formel 1 in der Schule“ etwa in Malaysia und Singapur qualifizieren. Viele Male als Mitglied der Jury mit dabei: Sybille Neumann. In der Jubiläumssaison hat die langjährige Projektkoordinatorin bei NORDMETALL den Staffelstab an Dr. Jessica Bönsch, Referentin Bildung und Wissenschaft der NORDMETALL-Stiftung, übergeben. „Meinen Hut ziehe ich vor denjenigen, die über mehrere Jahre am Cup teilnehmen, aus ihren Erfahrungen lernen, sich und ihr Projekt weiterentwickeln und ganz zielstrebig ihren Weg verfolgen“, sagt Neumann. Rund drei Millionen Euro hat die NORDMETALLStiftung in den Wettbewerb investiert. Damit ist der NORDMETALL CUP das umfangreichste Bildungsprojekt der Stiftung, die in diesem Jahr ihren 15. Geburtstag feiert.

Thomas Lambusch, Vorstandsvorsitzender der NORDMETALL-Stiftung, freut sich über die anhaltende Begeisterung der Jugendlichen und ihrer Lehrkräfte für den Wettbewerb: „Mit dem NORDMETALL CUP haben wir einen Weg gefunden, der Kinder und Jugendliche

nachhaltig für wirtschaftlich-technische Zusammenhänge begeistert. Den Lehrkräften bietet der Wettbewerb zudem die Möglichkeit, auf wichtige Kompetenzen der Arbeitswelt 4.0 in ihrem Unterricht vorzubereiten.“

Immer wieder berichten Lehrerinnen und Lehrer Projektleiter Rolf Werner, wie die Monate der intensiven Zusammenarbeit ihre Schülerinnen und Schüler positiv veränderten: Sie raufen sich innerhalb kurzer Zeit zusammen, konzentrieren sich auf das Wesentliche und lernen, frei zu sprechen und professionell zu präsentieren – und das über alle Schulformen hinweg. Mehr als 70 verschiedene Schulen haben sich in den vergangenen zehn Jahren am NORDMETALL CUP beteiligt – zur Hälfte Gymnasien, zur anderen Hälfte Gemeinschafts-, Stadtteil- oder Haupt- und Realschulen.

Nach der Ruhe kommt der Knall. Diese Cup-Regel könnte demnächst der Vergangenheit angehören. Vielleicht erobert ein umweltfreundlicher Elektroantrieb die Rennbahn. Studierende der Hochschule Stralsund haben auf der Landesmeisterschaft Mecklenburg-Vorpommern Anfang März im phanTECHNIKUM in Wismar einen ersten Prototyp vorgestellt. Rund zwei Sekunden nach dem Start setzt sich der Wagen in Bewegung und surrt zügig Richtung Ziel. „Der Quasi-Raketenantrieb der bisherigen Rennwagen ist nicht das Zukunftsmodell“, sagt Dirk Hauschild von der Hochschule Stralsund. „Wenn wir zur E-Mobilität forschen, müssen wir auch für den NORDMETALL CUP sinnvolle Alternativen finden.“ Auch zehn Jahre nach dem ersten Startschuss ist beim NORDMETALL CUP viel in Bewegung. Auf die nächsten zehn Jahre! Birte Bühnen

Konzentriert und reaktionsschnell müssen die Starter beim NORDMETALL CUP sein. So könnte die Zukunft aussehen: Prototyp eines elektrisch betriebenen Mini-Formel-1-Wagens. Nachwuchsrennfahrerin Sophia Flörsch und Timo Scheider (früherer DTM-Champion) signieren in der NORDAKADEMIE in Elmshorn Rennwagen-Modelle. Der Film zu „10 Jahre NORDMETALL CUP“: einfach den Code mit der Kamera Ihres Smartphones scannen! Foto: Dirk Hauschild Fotos: NORDMETALLStiftung
33 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 32 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL
Foto: Ibrahim Ot

Menschen und Meldungen

Öko-Stahl

Geballte Kompetenz

Der Werkzeughersteller LMT Tools richtet in Lahr und in Schwarzenbek bei Hamburg zwei „Center-of-Competence“ ein. „Dort bündeln wir Expertenteams aus Forschung und Entwicklung, Produktmanagement, Anwendungstechnik und Kundensupport und bieten unseren Kunden damit Zugriff auf global vernetztes Wissen, mit allen Vorteilen, die sich daraus ergeben. Kundenindividuelle Lösungen können so noch schneller entwickelt und bereitgestellt werden“, so Daniel Ehmans, CEO von LMT Tools. DJ

Mehr Flexibilität, bessere Wettbewerbsfähigkeit. Mit einem neuen Hochofen sichert ArcelorMittal die Zukunft seines Hamburger Stahlwerkes weiter ab. Die Investition von mehr als 15 Millionen Euro steigert die Energieeffizienz und verbessert die CO2 -Bilanz. Nach drei Jahren Bauzeit ging der aus mehr als 3.000 Teilen bestehende Ofen nun in Betrieb, seine Abwärme versorgt zudem mehr als 2.500 Haushalte. „Mit dem neuen Hubbalkenofen leisten wir einen weiteren Beitrag für nachhaltige und zukunftsorientierte Stahlproduktion“, erklärt Dr. Uwe Braun , CEO von ArcelorMittal Hamburg. Und der Hamburger Wirtschaftssenator Michael Westhagemann lobt: „Eine starke Industrie ist nicht nur für wirtschaftliches Wachstum und sozialen Fortschritt unentbehrlich, sie setzt auch weltweit Maßstäbe bei der Entwicklung umwelt- und klimaschonender Produkte und Produktionsverfahren.“ DJ

Ausgezeichnete Inklusion

Der renommierte Inklusionspreis für die Wirtschaft ging in diesem Jahr in der Kategorie Konzern an Daimler. Der Autobauer zeige nachhaltig und ganzheitlich, wie Inklusion als Teil der Unternehmenskultur gelebt werden könne. Besonders beeindruckend aus Sicht der Jury: Barrierefreiheit wird von Daimler nicht nur in Gebäuden umgesetzt, sondern gilt auch für digitale Anwendungen wie die Mitarbeiter-App „Daimler4You“ mit Vorlesefunktion, Zoom und Sprachassistenten. Zudem hat sich das Unternehmen dem Abbau unbewusster Vorurteile in den Köpfen der Führungskräfte verschrieben und engagiert sich besonders für die Ausbildung junger Menschen mit Behinderungen: 317 Jugendliche mit Handicap konnten bei Daimler ihren Weg in das Berufsleben beginnen. DJ

Dreifach top

Schlaue Jugend

Beim Patenunternehmen Airbus haben 46 Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Hamburger Landeswettbewerbs von „Jugend forscht“ ihre Projekte der Fachjury vorgestellt. Besonders erfreulich: Zehn von ihnen kommen aus dem von NORDMETALL geförderten Schülerforschungszentrum Hamburg. Sie konnten gleich sechs der begehrten Preise ergattern, unter anderem den ersten Platz in „Technik“ für Marten Gralla und seine multifunktionale, computergesteuerte Fertigungsmaschine zur Metallverarbeitung. Die Maschine mit modularem Werkzeugkopf ist kostengünstig, ließe sich als Bausatz verkaufen und ersetzt somit eine unerschwingliche Prototypenfertigung. DJ

Gleich drei Mal dürfen sich die MV WERFTEN mit der Auszeichnung „TOP Ausbildungsbetrieb“ schmücken. Allen drei Standorten (Rostock, Wismar, Stralsund) wurden innovative Ideen, interessante Ausbildungskonzepte und hervorragende Betreuung und Förderung der Azubis bescheinigt. Spitzenreiter ist die Stralsunder Werft mit der elften Prämierung. Rostock und Wismar erhielten die Trophäe bereits zum zehnten bzw. neunten Mal. Derzeit lernen 202 Azubis und 30 Dualstudenten an den drei Standorten der Schiffbaugruppe. Zum Start des neuen Ausbildungsjahres am 2. September stellt MV WERFTEN 67 Azubis und sechs Dualstudenten ein. DJ

Fotos: LMT Group, ArcelorMittal, Airbus Foto unten: MV Werften, Foto oben: zeichensetzen/Harms 34 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 35 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Krankenstand

Rekord:

Folge 24: Meike Tilsner

Fragen zur Alterssicherung jenseits der gesetzlichen Rentenversicherung

beantwortet seit Februar 2019 Verbandsjuristin Meike Tilsner.

Meike Tilsner ist ein bAV-Neuling. Dennoch ist das Thema gut bei ihr aufgehoben. „Die betriebliche Altersvorsorge – kurz bAV –ist eine Querschnittsaufgabe, in der außer Arbeits- auch viel Steuer- und Versicherungsrecht steckt. Ein ideales Betätigungsfeld für eine Arbeitsrechtlerin, die den Umgang mit Zahlen nicht scheut“, sagt die 32-Jährige. Seit 1. Februar ist Tilsner als Verbandsjuristin in der Tarifabteilung von NORDMETALL tätig.

Um sich für ihre neue Aufgabe fit zu machen, absolvierte die gebürtige Staderin und einstige Altländer Blütenkönigin Anfang April eine Woche lang eine bAV-Schulung in Wiesbaden. Sie verfolgt stetig die Positionen des Pensions-Sicherungs-Vereins und der Versicherungsverbände. Bei kniffeligen Fragen berät sie sich mit Personalleiterin Jutta Kemme, die das Thema bislang bei NORDMETALL verantwortete.

Tilsner ist sicher, die bAV wird für Unternehmen immer wichtiger. Derzeit kümmere sie sich meist um Abrechnungsfragen größerer Firmen. Die bAV sei jedoch auch für kleinere und mittlere Unternehmen bedeutsam. „Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, das seit dem 1. Januar 2018 gilt, wird vor allem die Altersvorsorge für Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen gestärkt. Das macht die bAV zu einem wirksamen Instrument, um Mitar-

beiter zu binden – über alle Unternehmensgrößen hinweg.“ Gemeinsam mit dem Leiter der Tarifabteilung, Stephan Kallhoff, bereitet sie nun bAV-Infoveranstaltungen für NORDMETALL-Mitglieder vor.

Erste Verbandsluft hat Tilsner während ihres Studiums geschnuppert. Eine ihrer Wahlstationen absolvierte die Rechtswissenschaftlerin 2014 beim Bundesverband der Deutschen Pharmazeutischen Industrie in Brüssel. Nach Stippvisiten bei Airbus und Lufthansa Technik ging sie Ende 2016 zum Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen nach Berlin. Dort leitete sie die Abteilung Verkehr und Logistik, das Büro des Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers und war als Referentin für Europäische Sozialpolitik tätig. Dass Tilsner ihre Begeisterung für rechtliche und politische Zusammenhänge bei NORDMETALL nun auch mit ihrer Leidenschaft für „große Pötte“ und ausgedehnte Spaziergänge an der Elbe verbinden kann, ist für sie ein Glücksfall. BiB

Kontakt für Mitglieder:

Meike Tilsner

Tel.: 040 6378-4259

E-Mail: tilsner@nordmetall.de

8

WIR FÜR SIE
Quelle: BARMER Gesundheitsreport 2018 (Arbeitsunfähigkeitstage nach KldB 2010) Quelle: NORDMETALL (Ausfalltage / Soll-Arbeitstage, Verbandsgebiet)
in
Metall- und Elektroindustrie
der
Jährliche Arbeitsunfähigkeitstage nach Berufen 2 19972000 2005 2010 20152018 3 4 5 6 7 8 6,8 5,1 3,0 6,2 4,8 3,0 6,6 7,6 6,0 4,0 5,3 3,7 Gewerbliche Gesamt Angestellte Maschinen- und Gerätemonteure
Lagerwirtscha
Spanende Metallbearbeitung
Wartung und Instandhaltung
IT-Technik
und -steuerung
Informatik
Entwicklung
Angaben in Prozent Illustration: Maren Spreemann
Höchster Krankenstand seit Jahrzehnten
25
24
22
19
15 Produktionsplanung
14
10 Forschung und
GRAFIK DES MONATS 36 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 37 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL
Unsere Frau für betriebliche Altersvorsorge
Foto: Christian Augustin

Folge 57: Firmenzirkel

Prozesse optimieren

Sie stehen vor der Herausforderung, Abläufe in der Fertigung umzustrukturieren, neue Messverfahren einzuführen oder Energiekosten zu senken? Sie möchten Ihre Belegschaft von den nötigen Prozessverbesserungen überzeugen und wissen nicht, wie sich all das innerhalb weniger Monate bewerkstelligen lässt? Der neue „Firmenzirkel“, durchgeführt vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa), zeigt Ihnen Möglichkeiten auf, wie Sie Ihre betrieblichen Abläufe verbessern können. Für NORDMETALL-Mitgliedsunternehmen ist die Teilnahme kostenlos.

„Wir geben den Teilnehmenden mit dem ,Firmenzirkel‘ einen in der Praxis erprobten Werkzeugkasten für ihr Prozess- und Projektmanagement an die Hand“, sagt Alexander Matthes, einer der Spezialisten für Arbeitsorganisation bei NORDMETALL. Innerhalb von vier Modulen lernen die „Firmenzirkler“, wie sie Verbesserungen planen und vereinbaren: Dazu gehört die Erfassung relevanter Fakten und Daten, die Ursachenforschung bei Abweichungen, die Entwicklung einer Problemlösungsstrategie und die Erfolgskontrolle. „Dieses systematische Vorgehen führt in den Unternehmen im Schnitt zu einer Kostenersparnis von bis zu 100.000 Euro pro Jahr“, sagt Matthes.

Zu einer ersten Auftaktveranstaltung Anfang Mai haben sich 20 Interessierte angemeldet. Doch nicht alle Projektvorschläge sind zur Analyse im Rahmen des „Firmenzirkels“ geeignet. „Wir arbeiten stark anwendungsbezogen“, sagt Matthes. „Deshalb muss zur Umsetzung der

herausgestellten Verbesserungen auch das nötige Budget zur Verfügung stehen.“ Das sei für einige Unternehmen nicht immer einlösbar. An mangelnder Unterstützung durch die Firmenleitungen liege das jedoch nicht. Zu Beginn des „Firmenzirkels“ schließen die teilnehmenden Werks-, Produktions-, Projekt- oder Personalleiter mit ihren Geschäftsführern eine verbindliche Vereinbarung darüber ab, dass die erarbeiteten Verbesserungen auch umgesetzt werden dürfen. „Es hilft niemandem, in diesem Programm für den Papierkorb zu arbeiten“, sagt Matthes. Dazu sei das halbe Jahr, in dem sich die Teilnehmenden wechselseitig besuchten, um über ihre Fortschritte zu berichten, und in dem das ifaa die einzelnen Methoden erläuterte, zu arbeitsintensiv. Von 20 Interessierten meldeten sich meist zehn Unternehmen verbindlich an.

„Wenn fünf davon den Prozess abschließen, war der ,Firmenzirkel‘ ein Erfolg“, sagt Matthes.

Zuletzt hat NORDMETALL seine Mitglieder 2013 zu einem „Firmenzirkel“ eingeladen. Sollte die Neuauflage 2019 auf breites Interesse stoßen, sind weitere „Firmenzirkel“ angedacht. BiB

Kontakt:

Weitere Informationen bei

Alexander Matthes

Tel.: 040 6378-4265

E-Mail: matthes@nordmetall.de

WIRTSCHAFTSZITAT

„Ein Europa à la carte, bei dem jeder der Partner nur das aussucht, was ihm an diesem Europa besonders zusagt, kann ebenso wenig unser Ziel sein, wie ein Europa, das sich am langsamsten Schiff im Geleitzug ausrichten muss.“

Helmut Kohl (1930 – 2017) Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland von 1982 bis 1998
Foto: peterschreiber.mediastock.adobe.com F oto: Shutterstock / 360b MEHRWERT VERBAND 2005 38 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 39 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL
Das Buch zum Firmenzirkel mit vielen praktischen Anwendungsbeispielen senden wir Ihnen gern kostenfrei zu.

Heiße Kiste

Hier sollte man unbedingt sitzen bleiben, denn wer zu früh aufsteht, hat verloren. Die Feuerwalze, die gerade über die drei Feuerwehrleute hinwegrollt, hat eine Kerntemperatur von rund 1.000 Grad Celsius – da bietet selbst die beste Ausrüstung nur wenige Sekunden Schutz. Das spektakuläre Bild entstand in einem Übungscontainer von Dräger, in dem Feuerwehrleute sehr realitätsnah trainieren können, wie man Brände in Innenräumen optimal bekämpft. Ein anspruchsvoller Job, auch für unseren erfahrenen Fotografen Christian Augustin. Während sein schreibender Kollege sich dezent im Hintergrund halten konnte, musste er ganz dicht ran, um alles perfekt abzulichten. Offenbar ist ihm das gelungen, jedenfalls riecht sein Auto heute noch nach Rauch. CvF

Foto: Christian Augustin 40 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Thomas TillmannBramkamp

… ist im sauerländischen Schmallenberg aufgewachsen. Er absolvierte eine Ausbildung zum Textilmechaniker bei Falke Garne, wurde Jugend ­ und Ausbildungsvertreter und Betriebsrat. Nach Stationen an der Sozialakademie Dortmund und Gewerkschaftssekretär bei der Gewerkschaft Textil­ Bekleidung in Berlin und Bremen wirkt er seit 1998 bei der IG Metall in Oldenburg und Wilhelmshaven, Arbeitsschwerpunkt Tarifarbeit, Leistungs­ und Arbeitszeitpolitik.

Zwei Menschen, zwei Sichtweisen: Der Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft

(ifaa) Prof. Dr. Sascha Stowasser (48) und der politische Sekretär der IG Metall Oldenburg

Thomas Tillmann-Bramkamp

(59) diskutieren über Schichtarbeit: ihre grundsätzliche Notwendigkeit, konkrete Ausgestaltung und Kompatibilität mit den Anforderungen der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts.

Standpunkte: Schichtarbeit ist als notwendiges Instrument industrieller Produktion seit über einem Jahrhundert anerkannt: Hochöfen müssen dauerhaft brennen, Produktionsstraßen sinnvoll ökonomisch ausgelastet werden. Sind heute auch anspruchsvolle Vier- oder Fünfschichtsysteme mit Anforderungen der flexiblen Arbeitszeitgestaltung vereinbar?

Stowasser: Ja, das ist sehr gut möglich. Das ifaa hat in einer Untersuchung über 3.000 Schichtpläne ausgewertet. Wir haben gut 700 Systeme für typische Produktionsbetriebe und Personalsituationen herausgearbeitet und festgestellt: Die Unternehmen orientieren sich mittlerweile sehr stark an

arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen. Es gibt ein knappes Dutzend Regeln, die sich nicht nur aus gesetzlichen Arbeits- und Ruhezeiten ergeben, sondern die schlicht wichtig für Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer sind. Zum Beispiel der Vorwärtswechsel von der Früh- in die Spätund anschließend in die Nachtschicht, der sich als funktionierendes Instrument bewährt hat. Allerdings muss man auch sagen: Es ist häufig ein langer Prozess, die Unternehmen dahin zu bringen, dass sie Betriebsräte mitnehmen, die Beschäftigten intensiv einbinden, um mit flexibleren Modellen zu arbeiten.

Tillmann-Bramkamp: Auch auf der Arbeitnehmerseite müssen wir nicht selten hart daran arbeiten, wenn wir alte Gewohnheiten aufbrechen wollen, um modernere und belastungsoptimierte Schichtstrukturen einzuführen. Ein wichtiger Punkt, der im Prozess nicht ausreichend einbezogen wird, sind die Familien, das soziale Umfeld

Prof. Dr. Sascha Stowasser

… stammt aus dem badischen Rastatt, studierte in Karlsruhe erst Wirtschaftsingenieurswesen, dann an der Fernuniversität Hagen soziale Verhaltenswissenschaften. 2005 habilitierte er im Bereich Arbeitswissenschaften, seit 2008 ist er als Direktor und geschäftsführender Vorstand des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa) in Düsseldorf tätig. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat er zudem eine außerplanmäßige Professur inne.

Foto: Christian Augustin Foto: ifaa, Tania Walck 42 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 43 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

der Kollegen. Meine Erfahrung ist: Je früher wir den Dialog so breit wie möglich im Betrieb und auch darüber hinaus führen, umso leichter und erfolgreicher gelingt die Beteiligung. Die glaubwürdige Einbeziehung muss in Entscheidungen über die Schichtplangestaltung münden. Für Arbeitnehmer ist der Schichtplan existenziell, dem Arbeitgeber kann es egal sein, wer an der Maschine steht.

Standpunkte: Wie sieht denn so ein beispielhafter Prozess aus, mit dem altgediente Rhythmen der Schichtarbeit flexibler und moderner organisiert werden können?

Stowasser: In der Regel treten die Unternehmen an uns heran, weil Gesundheitsstatistiken oder Mitarbeiterbefragungen oder Interventionen der Betriebsräte den Anstoß geben, etwas zu unternehmen. Im ersten Schritt ist es sehr wichtig, Transparenz zu schaffen bei allen Beteiligten, etwa durch Workshops. Wir versuchen klarzumachen, dass eine zeitgemäße Schichtplangestaltung für alle Beteiligten besser ist, weil Gesundheit, Zufriedenheit, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter am Ende auch die Erfolgszahlen des Unternehmens entscheidend prägen. Sensibilisierung ist wichtig und vor allem der Erfahrungsaustausch: Welche Auswirkungen

Rund 6,5 Millionen Erwerbstätige in Deutschland arbeiteten zuletzt in Schichtarbeit, das entspricht einem Anteil von gut 15 Prozent.

fangen, nicht mal mit Mehrarbeit und Überstunden.

Stowasser: Das ist weniger das Thema Schichtplanung, sondern der Bereich Grundauslastung. Drei Acht-StundenSchichten in sieben Tagen bei 100 Prozent Auftragsauslastung ohne geeignete Reserveplanung führen bei wachsendem Auftragseingang natürlich zu Problemen. Das kann unternehmerischer Weitblick mit strategischem Kapazitätsaufbau verhindern.

Standpunkte: Welche Tendenzen sehen Sie in den M+E-Unternehmen mit Schichtarbeit, seit die neuen Flexibilisierungsmöglichkeiten des Tarifvertrages 2018 greifen?

dann leicht die dominanteren gegen schwächere Kollegen durch, das können wir nicht wollen. Freiräume an der Basis sind wichtig, aber die Mitbestimmung zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung ist als funktionierendes Regulativ an dieser Stelle schon eine gute Sache.

Stowasser: Verlässlichkeit tut gut, aber es gibt auch die Notwendigkeit kurzfristiger Änderungen, auch im Schichtplan. Schnelle Entscheidungen unter den Betroffenen nach raschem Austausch mit modernen Kommunikationsmitteln müssen möglich sein.

hat welche Schichtgestaltung auf meine Fitness, meine Schlafqualität, mein Freizeitverhalten, mein Umfeld? Und welche Anforderungen habe ich im Unternehmen an den Produktionsprozess, an Gruppengrößen oder die Auftragsabarbeitung, wie werden diese Anforderungen durch System X oder Y erfüllt oder nicht erfüllt? Wir müssen richtig rein in die Betriebsspezifik, um eine Pilotphase für ein neues Schichtsystem zu planen, es einige Monate laufen zu lassen und dann nachzujustieren. Bis zu 95 Prozent der Beteiligten im Betrieb wollen dann beim neuen Status bleiben.

Tillmann-Bramkamp: An uns treten immer wieder Betriebsräte heran und berichten, dass viele ältere Kollegen sich mit den eingefahrenen Schichtstrukturen belastet fühlen und krank werden, während die Jüngeren die Arbeitsbedingungen für das Mehreinkommen akzeptieren. Die Verlockung zur maximalen Ausnutzung der Maschinenlaufzeiten bis zu 7 Tage á 24 Stunden birgt auch Gefahren für die Unternehmen. Da muss man aufpassen, dass nicht alles bis zur letzten Stunde verplant wird, weil dem Unternehmen dann die Luft zum Atmen fehlt.

Wer hier unvorsichtig wird, steht plötzlich am oberen Ende der Kapazitätsauslastung und kann Sondersituationen nicht mehr auf-

Tillmann-Bramkamp: Wir registrieren im Moment in den Schichtbetrieben, dass die neuen tariflichen Möglichkeiten der Arbeitszeit-Flexibilisierung stark angenommen werden. Das stellt einige Betriebe vor organisatorische Herausforderungen und nicht jeder kann in der Einführungsphase alle Wünsche abbilden. Aber in den meisten Betrieben klappt es gut, auch weil das ein Motivationsfaktor ist.

Stowasser: Wir stellen fest, dass in den Unternehmen verstärkt über nachhaltige Lösungen diskutiert wird, wie man Nachtschichten und überhaupt Schichtarbeit speziell an Wochenenden reduzieren kann. Verlagerung von Tätigkeiten von der Nachtin die Tagschicht, Prozessoptimierung, Robotereinsatz – das sind alles Diskussionspunkte dazu. Hintergrund ist auch ein gewisser Wertewandel, der die Suche nach einem veränderten Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit befördert.

Standpunkte: Können sich heute Teams und Gruppen innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen im Betrieb hier nicht weitgehend selbst organisieren?

Stowasser: Da gibt es Pilotprojekte, die aber weniger im klassischen Industriemil ieu, sondern in stark digitalisierten Bereichen stattfinden. Entscheidend ist, dass Arbeitsschutzgesetze eingehalten werden und kein Wildwuchs entsteht, der den modernen Erkenntnissen von Arbeitswissenschaft und Arbeitsmedizin widerspricht.

Tillmann-Bramkamp: Schichtplanung per App funktioniert vielleicht in der Fernmontage, aber in Industriebetrieben in der Werkshalle eher nicht. Sonst setzen sich

Standpunkte: Was werden die größten Herausforderungen der Zukunft für Arbeitszeitgestaltung im Allgemeinen und Schichtarbeit im Besonderen?

Stowasser: Der Wertewandel führt dazu, dass viele Unternehmen schon jetzt Probleme haben, genug Nachtschichtarbeiter zu finden, gerade in den Ballungsräumen. Wir müssen uns mit den Unternehmen noch weiter in Flexibilisierungsinstrumente reindenken, um die notwendige Schichtarbeit attraktiver und flexibler zu machen.

Tillmann-Bramkamp: Mein Motto ist: Wir können noch besser, aber nicht billiger. Im Spitzenindustrieland Deutschland können wir Vorreiter sein, um die Wünsche nach mehr Flexibilität bei Mitarbeitern wie Unternehmern und die Anforderungen der Schichtarbeit in Einklang zu bringen.

Standpunkte: Wir danken Ihnen für das Gespräch. Alexander Luckow

ifaa aktuell: Befragung zu digitalen Produktivitätsstrategien startet

Mit der fortschreitenden Digitalisierung entstehen neue Möglichkeiten zur Prozessgestaltung und zum Produktivitätsmanagement. Diese Möglichkeiten und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsgestaltung werden im Forschungsprojekt TransWork analysiert und bewertet. Als beteiligtes Forschungsinstitut führt das ifaa eine Onlinebefragung unter Unternehmensvertretern aller Wirtschaftsbereiche durch. Unternehmen sind aufgefordert, sich unter www.arbeitswissenschaft.net/befragung zu beteiligen.

Foto: iStock, bluecinema
44 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 45 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Dr. Michael Winkler

HELLA-FAHRZEUGKOMPONENTEN GMBH

Dr. Michael Winkler steht mit kerzengerader Haltung da und hält ein Stück schwarzes Plastik hoch. Im Innenleben des geöffneten Rundlings glitzern gleich mehrere Linsen hell wie Swarovski-Kristalle: „Ist diese Komplexität nicht beindruckend?“, fragt er und gibt gleich selbst die Antwort: „Als ich diesen Regen-Licht-Sensor das erste Mal gesehen habe, war ich gleich fasziniert: Die Dioden strahlen Licht aus, über ein Prisma gelangt das auf die Windschutzscheibe und eine Fotodiode fängt es wieder ein. So misst dieser Sensor, integriert in die Frontscheibe auf Innenspiegelhöhe, ob das Fahrlicht oder die Scheibenwischer eingeschaltet werden müssen.“

Der 46jährige Geschäftsführer der Bremer HELLA-Dependance für Fahrzeugkomponenten freut sich wie ein Schuljunge über das erste „Sehr gut“. Technikbegeisterung und Ingenieursstolz sprechen aus jeder Silbe. Das ist „sein“ Produkt, das Herzstück der mehr als 10

Millionen Einheiten pro Jahr umfassenden Sensorproduktion, die hier in Bremen-Neustadt unweit des Flughafens der Wesermetropole vom klinisch reinen Band rollen.

Sensoren – Helfershelfer aus der Hansestadt Ölstand und Straßennässe, bald auch den Feinstaub innerhalb und außerhalb eines Autos messen die kleinen Helfershelfer aus der Hansestadt, gebaut und entwickelt von gut 500 Bremer HELLAMitarbeitern. Der PM2.5, so der interne Code für den Luftpartikelmesser, soll nach Analyse der Staubbelastung sogar Vorschläge für eine immissionsfreiere Routenführung auslösen – umweltgerechte Mobilitätszukunft „Made in Bremen“.

„Wir beliefern nahezu alle Automobilhersteller weltweit“, berichtet der studierte Nachrichtentechnik-Ingenieur. Die sind es gewohnt, dass ein führendes

Chef mit Durchblick: Dr. Michael Winkler, Geschäftsführer HELLA Fahrzeugkomponenten GmbH, im Bremer Werk.
Foto:
TERMIN BEIM CHEF 47 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL
Christian Augustin

Automotive-Unternehmen wie HELLA stets Innovationen anbietet, weiß Dr. Winkler: „Ich habe hier ein eigenes Vorentwicklungsteam mit 10 Leuten, die längst nicht nur an neuen Sensoren dran sind. Die Kollegen entwickeln gerade eine Cloud-Lösung, in der Straßenzustand und Luftqualitätsdaten per Funk gesammelt und weiterverteilt werden.“

HELLA ist mit solchen Neuheiten seit 120 Jahren erfolgreich: 1899 von Sally Windmüller als „Westfälische Metall-Indust rie Aktien-Gesellschaft (WMI)“ im beschaulichen Lippstadt gegründet, produzierte man erst Ballhupen, Kerzen- und Petroleumlampen für Kutschen. Mit dem Siegeszug des Autos begann zu Anfang des 20. Jahrhunderts der weltweite Verkaufserfolg von HELLA-Scheinwerfern, die Familienfirma (s. Kasten S. 49) zählte schon 1911 fast 400 Mitarbeiter. Nach dem Borgward-Konkurs im Sommer 1961 etablierte der Lippstädter Konzern an der Weser eine Außenstelle mit 30 ehemaligen Isabella-Bauern – die Keimzelle von HELLA Bremen war gegründet. Mitte der 60er-Jahre produzierten weit über 100

Kollegen schon 12.000 „Blinkgeber“ –pro Tag.

HELLA-DNA: Tradition und Technikinnovation

„Tradition und Technikinnovation sind unsere DNA“, sagt Dr. Winkler. Diese Grundhaltung gilt auch für ihn, den gebürtigen Hannoveraner mit weltläufiger Studien- und Berufserfahrung: Während des Ingenieursstudiums an der Leine absolviert er Auslandsemester im südenglischen Bristol und bretonischen Brest, lernt Management-Systeme im schweizerischen St. Gallen kennen. Bei Bertelsmann in Gütersloh fängt er 1998 als Technologieberater an, unter anderem, um zu klären, „wie viele Bücher pro Sekunde über einen Lichtwellenleiter übertragbar sind“. Zwischendurch findet er noch Zeit für etwas Kommunalpolitik als Ratsmitglied in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Ab 2005 zieht es ihn für sechs Jahre zur NATO ins niederländische Den Haag, wo er wichtige Führungserfahrung sammelt: „Offizieren aus verschiedensten Nationen zu ver-

mitteln, wie sichere Funksysteme für das ganze Verteidigungsbündnis auch im Einsatz unter Extrembedingungen in der afghanischen Wüste funktionieren – das war eine gelegentlich raue Erfahrung“, berichtet Dr. Michael Winkler und lächelt vielsagend.

HELLA holte ihn, mittlerweile verheiratet und Vater dreier Kinder, 2011 nach Lippstadt, wo er für Fahrzeugzugangssysteme und Karosserieelektronik verantwortlich zeichnete. „Als ich in die westfälische Kleinstadt kam, hatte ich erst Sorge, dass es mir dort zu eng werden könnte. Aber dann habe ich festgestellt, dass die HELLA-Konzernwelt ähnlich international aufgestellt ist, wie die der 29 NATO-Staaten“, erinnert sich der weitgereiste Dr. Winkler. 135 Standorte in über 35 Ländern, mehr als 40.000 Mitarbeiter, die zwischen Vietnam und den USA einem Unternehmen mit aktuell über fünf Milliarden Euro Börsenwert angehören – HELLA ist ein „Hidden Champion“ der deutschen Industrie.

Global entwickeln, regional produzieren

Angesichts der funktionierenden Strategie, global intensiv zu entwickeln und regional marktnah zu produzieren, sei man gut aufgestellt für die nächsten Jahre, auch wenn die Autoindustrie vor historischen Umwälzungen stehe, glaubt der Bremer Manager. Im Bremer Werk ziehen sie deshalb alle an einem Strang, sogar gegen Sonntagsschichten hatte die Gewerkschaft nach einigen Verhandlungsrunden nichts mehr einzuwenden. Dr. Winklers Konzernchef teilt die positive Einschätzung, sieht aber kurzfristig ein „anspruchsvolles Marktumfeld“ auf das erfolgsverwöhnte Unternehmen zukommen: „Wir gehen von einer weiter

nachlassenden Marktentwicklung sowie steigenden Material- und Personalkosten aus“, sagte Dr. Rolf Breidenbach im April.

Dr. Michael Winkler glaubt an den Langzeit-Erfolg eines „gut gesteuerten evolutionären Prozesses: Die Mobilität der Zukunft ist elektrisch, voll vernetzt und autonom. Für diesen Markttrend sind wir mit unseren Produkten zwischen Energiemanagement, Fahrzeugsensorik und Fahrerassistenz bestens gerüstet“. Exakte Koordination, Freude am Tempo, Lust auf Erneuerung – diese Kombination leitet den ausgesprochen organisierten Manager auch privat: Tanzen ist sein Hobby, am liebsten Fox und immer mit der Gattin, die er in einer Tanzschule kennengelernt hat. Haltung prägt.

Traditionsfirma HELLA

Der Unternehmensname spiegelt die Familientradition: „Hella“ ist die Kurzform von Helene. Diesen Vornamen trug die Gattin des Firmengründers Sally Windmüller. Gleichzeitig klingt HELLA nach heller – die HELLA-Scheinwerfer lassen grüßen. „Acetylen-Laternen für Automobile“ fertigte man im westfälischen Lippstadt schon im Jahr 1900. Der erste Käfer-Prototyp von 1936 erhielt HELLA-Leuchteinheiten, in den 60er-Jahren erfand man das asymmetrische Abblendlicht und expandierte in die Welt. Im zurückliegenden Geschäftsjahr erwirtschaftete der Konzern 7,1 Milliarden Euro Umsatz. Das operative Ergebnis (Ebit) betrug in diesem Zeitraum 574 Millionen Euro.

„Energiemanagement, Fahrzeugkontrolle und Fahrerassistenz sind unsere Kernkompetenzen“
„Wir bauen umweltgerechte Mobilitätszukunft ,made in Bremen‘“
Foto: Christian Augustin
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TREFFPUNKT NORD

NORDMETALL­ Präsident Thomas Lambusch leitet mit der Erläuterung internationaler Wirtschaftsdaten ein.

Fast vollzählig: Die Mitglieder von NORDMETALL­Vorstand und Tarifpolitischem Ausschuss Ende April im Hamburger Haus der Wirtschaft.

NORDMETALL Spitzentreffen

Vorstand und Tarifpolitischer Ausschuss von NORDMETALL trafen sich Ende

April in der Hamburger Verbandszentrale, um aktuelle Themen zu diskutieren und die Tarifrunde 2020 vorzubereiten.

Rege Debatte über die Strategie der Arbeitgeber in der nächsten Tarifrunde.

Debattiert wurden die Erfahrungen mit der Anwendung der Regeln zur Flexibilisierung und Differenzierung aus dem Tarifvertrag 2018 Die Hauptgeschäftsführung berichtete unter anderem über den Stand der Gespräche der Arbeitgeber der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie mit der IG Metall. Luc

Fotos: Christian Augustin

Diskutiert wurden auch die Erfahrungen aus der Tarifrunde 2018

Referenten, Organisatoren und Stiftungs­ Geschäftsführerin Kirsten Wagner (r.) sind mit dem Symposium zufrieden. Eine Fortsetzung 2020 ist möglich.

The relevant Museum

Bunt und bildstark: Ergebnisprotokoll mittels Graphic Recording.

Julie Aldridge führte versiert und praxisnah durch das zweitägige Programm.

Mit einem international besetzten Symposium gingen die NORDMETALLStiftung und die Hamburger Kulturbehörde am 11. und 12. April in Hamburg der Frage nach, wie es Museen gelingt, neues Publikum zu finden. Rund 100 Gäste tauschten sich in der urig-urbanen (Konzert-) Halle 424 im Oberhafenquartier zu Strategien des Audience Development und der Besucherforschung aus. Durchs Programm führte die Unternehmens- und Marketingberaterin Julie Aldridge. Als Referenten begrüßten Stiftungsvorstand Dr. Nico Fickinger und Kultursentator Dr. Carsten Brosda Prof. Graham Black (Nottingham Trent University), Tony Butler (Derby Museums), Sarah Metzler (Deutscher Museumsbund), Dr. John-Paul Sumner (Museum für Islamische Kunst) und Rachel Wang (Chocolate Films). BiB

Fotos: Daniel Dittus

NORDMETALL­ Führungsteam auf Empfang: Lena Ströbele, Vorsitzende des Tarifpolitischen Ausschusses, Präsident Thomas Lambusch, Hauptgeschäftsführer Dr. Nico Fickinger (v.r.n.l.)

Engagierte Beiträge: Dr. Volker Subatzus von der Airbus Operations GmbH (r.)

In einzelnen Workshops diskutierten die Teilnehmer ihre Visionen und Ziele für ein gutes Audience Development.

Dr. John ­ Paul Sumner sprach über Barrieren im Museum und wie man sie überwindet.

Hamburgs Kultursentator Dr. Carsten Brosda (r.) war einer der Impulsgeber des Symposiums. Kai­ Michael Hartig (Körber­Stiftung) und Dr. Claudia Gemmeke (Stiftung Stadtmuseum Berlin) im Gespräch.
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Tarifexpertin Kristin Jordanow referierte unter anderem über verkürzte Vollzeit, neue Quotenregelungen und mobiles Arbeiten.

Tarifverträge gut erklärt

Mehr als 50 Seiten umfassen die Manteltarifverträge der drei NORDMETALL-Tarifgebiete jeweils. Die Vielzahl an Regelungen zu Arbeitszeit, Kündigungen oder Zuschlägen ist nicht nur für Neueinsteiger in das Tarifwesen erkärungsbedürftig. Entsprechend rege verlief die Debatte während der sechs Infoveranstaltungen im Februar und März. DJ

Fotos: Christian Augustin

Botschaft und Persönlichkeit

Wie zeigt sich typisch weibliche und männliche Kommunikation im Berufsleben? Wie vermeide ich die „Harmoniefalle“? Die Chefseminar-Trainerin

Susanne Westphal gab im Kommunikations- und Führungsworkshop für Frauen Ende März wertvolle Tipps, wie „frau“ durchsetzungsstark und charmant rüberzukommt. Die vielgefragte Buchautorin verriet die wichtigsten Kniffe für erfolgreiche Verhandlungen. Infos und Termine weiterer Chefseminare (auch für Männer!) finden Sie auf www.nordmetall.de/ chefseminare DJ

Fotos: Christian Augustin

Verwaltungsausschuss

Der Verwaltungsausschuss der Hamburger Agentur für Arbeit tagte Ende April im Haus der Wirtschaft. NORDMETALLHauptgeschäftsführer Dr. Nico Fickinger (r.) ist einer der vier Arbeitgebervertreter im Ausschuss und stellte den Gastgeber NORDMETALL auf der 99. Sitzung vor. Als Beispiel für ein erfolgreiches Kooperationsprojekt zwischen Wirtschaft und Arbeitsagentur sprach die Leiterin Nachwuchssicherung und Arbeitsmarkt, Joyce Müller-Harms (4. v.r.), über das Projekt „Nordchance“. DJ

Foto: Christian Augustin

Reger Austausch über die Erfahrungen in der betrieblichen Praxis in den Pausen.

Agiles Netzwerk HR

Bedenken, Verantwortung abzugeben, hat Christoph Smak nicht, viele Führungskräfte aber schon. Warum die Übergabe von Verantwortung aber für agiles Arbeiten notwendig ist, erläuterte der Trainer für moderne Führung und Organisationsentwicklung beim Netwerk HR in Kiel und Hamburg. Knapp 50 Personalverantwortliche diskutierten über seinen Impulsvortrag und tauschen ihre Ansichten zum Thema Agile Führung aus. DJ

Fotos: Thorsten Mischke

Wenn die Tagung um 8.30 Uhr startet, gehört ein gutes Frühstück einfach dazu. Die nächsten Treffen des Netzwerk HR finden am 5.9. in Hamburg und 10.9. wieder in Kiel

Rollenspiele zur Kommunikation im Führungsalltag sind Teil des Seminares. Sönke Fock, Chef der Hamburger Agentur für Arbeit (6. v.r.), AGA­ Hauptgeschäftsführer Volker Tschirch (8. v.r.) und UV Nord ­ Geschäftsführer Sebastian Schulze (11. v.r.)sind nur einige Mitglieder des Verwaltungsrates. Mit guter Laune bei der Sache: Trainerin Susanne Westphal. Führungskräfte unter sich. Zum ersten Mal fand das Seminar im Haus der Wirtschaft in Hamburg statt. statt. Christoph Smak (r.) von EOS Technology Solutions ist auch Gründer von Storylines Organisationsentwicklung. In Kiel eröffnete NORDMETALL­Verbandsjurist Reto Kretzdorn (2. v.l.) das Netzwerktreffen im Café „Der alte Mann“. Lachende Teilnehmer trotz trockener Materie. Manteltarif kann auch Spaß machen.
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Stipendiaten lernen dazu

Seit einigen Jahren unterstützt NORDMETALL Stipendiaten der Stiftung der Deutschen Wirtschaft mit exklusiven Einblicken in Industrieunternehmen, Branchenstrukturen und das Verbandsleben. „Wirtschaft 2025 – Herausforderungen und Chancen der nächsten Jahre“ lautete im März das diesjährige Motto des intensiven Informations- und Besuchsprogramms. DJ

Foto: Christian Augustin

KONTAKT ZU NORDMETALL

Ihr 24-Stunden-Verbandsservice: www.nordmetall.de

Hier finden Sie aktuelle Nachrichten Ihres Arbeitgeberverbandes und viele Informationen und Unterlagen für Ihre tägliche Arbeit.

NORDMETALL-Geschäftsstellen

GESCHÄFTSSTELLEN

Kiel

Mehr als 40 Stipendiaten hatten ein intensives Arbeitsprogramm plus Besuche bei Mankenberg, NORDMETALL und dem Hamburger Hafen.

Brainstorming mit vielen guten Ideen, um am „Tag der Stiftungen“ auf 15 Jahre NORDMETALL­Stiftung aufmerksam zu machen.

Treffen zur Stiftungs­PR

Die NORDMETALL-Stiftung lud ihre Projektpartner ins Haus der Wirtschaft ein, um sich über Öffentlichkeitsarbeit auszutauschen. Ende März stand außer einem Vortrag zu Collaboration-Tools auch die Planung gemeinsamer Aktionen zum „Tag der Stiftungen“ am 1. Oktober 2019 anlässlich 15 Jahren NORDMETALL-Stiftung auf dem Programm. BiB

Fotos: Birthe Meyer

Wilhelmshaven

Emden

Cuxhaven

Bremerhaven

Bremen

Oldenburg

Rostock

Projektpartner der Stiftung loteten gemeinsam die besten PR­ Ideen für 2019 aus.

Referentinnen und Partner hatten sichtlich Spaß am projektübergreifenden Austausch.

Hauptgeschäftsstelle Kapstadtring 10

22297 Hamburg Tel.: 040 6378-4200

Geschäftsstelle Bremen Schillerstraße 10

28195 Bremen

Tel.: 0421 36802-0

Geschäftsstelle Bremerhaven

c/o Arbeitgeberverband Bremerhaven

Hohenstaufenstraße 33

27570 Bremerhaven

Tel.: 0471 26031

Hamburg Schwerin

Neubrandenburg

Geschäftsstelle Cuxhaven

c/o UnternehmensVerband Cuxhaven

Elbe-Weser-Dreieck e. V.

Hamburg-Amerika-Straße 5

27472 Cuxhaven

Tel.: 04721 38054

Geschäftsstelle Emden

c/o Arbeitgeberverband für

Ostfriesland und Papenburg e. V

Zwischen beiden Bleichen 7

26721 Emden

Tel.: 04921 3971-0

Geschäftsstelle Kiel

Lindenallee 16

24105 Kiel

Tel.: 0431 3393610

Geschäftsstelle Neubrandenburg

Feldstraße 2

17033 Neubrandenburg

Tel.: 0395 56035-0

Geschäftsstelle Oldenburg

c/o Arbeitgeberverband Oldenburg e. V

Bahnhofstraße 14

26122 Oldenburg

Tel.: 0441 21027-0

Geschäftsstelle Rostock

Platz der Freundschaft 1

18059 Rostock

Tel.: 0381 442112

Geschäftsstelle Schwerin

Graf-Schack-Allee 10 a

19053 Schwerin

Tel.: 0385 6356-200

Geschäftsstelle Wilhelmshaven

c/o Arbeitgeber- und Wirtschafts verband

Jade e. V.

Virchowstraße 21

26382 Wilhelmshaven

Tel.: 04421 13939-0

55 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL 54 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

MEIN STANDPUNKT

Die Nanny­Staat­Falle

Er regelt gern alles immer und überall, stets die denkbar größtmöglichen Risiken im Blick: der Kindermädchen-Staat, im angloamerikanischen Raum als „Nanny State“ berüchtigt.

Seine Vorkämpfer haben erst das Rauchen in Restaurants, Bahnhöfen oder Amtsstuben verboten. Jetzt nehmen sie Parks und Familienautos aufs Korn. Ganz Eifrige liebäugeln schon mit einem Feuerwerks-Bann im gesamten öffentlichen Raum, wegen des grauenhaften Feinstaubaufkommens einmal im Jahr zu Silvester. Auch die Kita-Pflicht für alle Kinder wird ernsthaft diskutiert. Das Argument der Nannys: Nur so bekäme der Nachwuchs aus bildungsfernen Familien mit nicht selten fremdländischer Herkunft den unausweichlich-verordneten Zugang zu Sprachkenntnissen und Bildung. Und natürlich müsse das „schnelle Fahren“ auf Autobahnen verboten werden. Selbst auf nagelneuen sechsspurigen Strecken wie der zwischen Hamburg und Kiel, wegen des schlimmen CO2 -Ausstoßes bei gefährlichen Geschwindigkeiten über 120 km/h. Und so weiter und so fort.

Ausgehend vom größten anzunehmenden Unfall, dem traumatisierenden GAU aus sowjetischen Atomkraftzeiten, mutmaßen die Freunde des Nanny-Staats, dass Feinstaub und Kohlendioxidbelastung, Sprachunkenntnis und Bildungsferne abnähmen, wenn man denn mit Verboten und Zwängen arbeite. Dass der Wirksamkeitsnachweis dieser Maßnahmen auf schierem Glauben beruht, stört sie nicht, im Gegenteil: Zur Regeldurchsetzung wird im zwischenmenschlichen Bereich das Prinzip Blockwart unter neudeutschen Titeln reaktiviert. Im öffentlichen Raum boomt der Einsatz von Überwachungskameras und Blitzgeräten, mit geschärften Bußgeldkatalogen und Strafandrohungen im Hintergrund. Das schafft nebenbei auch jede Menge schöne neue Überwacherjobs.

In Wahrheit aber ist das einzige, was der glaubensstarke Nanny-Staat mit Sicherheit erreicht, die grundsätzliche Preisgabe von Freiheit, weit über Reisegeschwindigkeit, Feiertags-Feuerwerk und auch Kindererziehung hinaus. In letzter Konsequenz wollen manche Nanny-Staat-Freunde dann auch Wohneigentum und Autokonzerne unter dem Vorwand des öffentlichen Wohls enteignen – mindestens. Die Freunde der Freiheit sollten von Anfang an nicht in die Nanny-Falle tappen.

PERSONENREGISTER

Julie Aldridge S. 51, Julie Aldridge Consulting Ltd.

Sven Ambrosy S. 26 f., Landrat Kreis Friesland, SPD

Christian Augustin S. 41, Fotograf

Jan Balcke S. 19, Airbus Operations GmbH

Nicola Beer S. 8, MdB, FDP

Prof. Dr. Stefan Behringer S. 14, NORDAKADEMIE

Rainer Bergfeld S.14, AGV NORD

Horst Bick S. 13, 15, HELL Gravure Systems GmbH & Co. KG

Prof. Graham Black S. 51, Nottingham Trent University

Julian Bonato S.13 ff., AGV NORD

Dr. Jessica Bönsch S. 33, NORDMETALLStiftung

Dr. Uwe Braun S. 34, ArcelorMittal Hamburg GmbH

Dr. Rolf Breidenbach S. 49, HELLA Fahrzeugkomponenten GmbH

Marc Brestrich S. 13, DEHARDE GmbH

Dr. Carsten Brosda S. 51 f., Kultursenator HH

Reinhard Bütikofer S. 8, MdEP, Bündnis 90/ Die Grünen

Tony Butler S. 51, Derby Museum and Art Gallery

Tom Cruise S. 21, 23, Schauspieler

Andreas Dikow S. 13, Webasto Thermo & Comfort SE

Daniel Ehmans S. 34, LMT Tools GmbH & Co. KG

Gerhard Erb S. 15, Jastram GmbH

Dr. Markus Fein S. 5, 59, Festspiele Mecklenburg-Vorpommern gGmbH

Dr. Nicolaus Fest S. 8, AfD-Europakandidat

Dr. Nico Fickinger S. 3, 7, 12 f., 50, 51, 58, NORDMETALL

Knut Fleckenstein S. 7, 8, MdEP, SPD

Sophia Flörsch S. 33, Rennfahrerin

Jens Franzeck S. 21 ff., Airbus Operations GmbH

Verena Fritzsche S. 19, NIT Northern Institute of Technology Management gGmbH

Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest S. 3, ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. Christoph Fülscher S. 15, NORDAKADEMIE

Manfred Garz S. 27, Garz & Fricke GmbH

Dr. Claudia Gemmeke S. 51, Stiftung

Stadtmuseum Berlin

Alexander Gerst S. 58, European Space

Agency

Peter Golinski S. 14, 18, 32, NORDMETALL

Marten Gralla S. 34, Schüler

Désirée Gruchot S. 29, Scheidt & Bachmann System Technik GmbH

Roland Habeck S. 13, 15, HAWART OMV Landtechnik GmbH

Svenja Hahn S. 7, 8, FDP-Europakandidatin

Kai-Michael Hartig S. 51, Körber-Stiftung

Dirk Hauschild S. 33, Hochschule Stralsund

Hubertus Heil S. 30, Bundesminister für Arbeit und Soziales, MdB, SPD

Roland Heintze S. 8, CDU, HH

Dr. Jürgen Holdhof S. 25, EDUR-Pumpenfabrik Eduard Redlien GmbH & Co. KG

Frederike Holdhof S. 25, EDUR-Pumpenfabrik Eduard Redlien GmbH & Co. KG

Kristin Jordanow S. 53, NORDMETALL

Jean-Claude Juncker S. 3, Europäische Kommission

Stephan Kallhoff S. 36, NORDMETALL

Jutta Kemme S. 36, NORDMETALL

Vincent Kokert S. 12, 14, MdL, Mecklenburg-Vorpommern, CDU

Reto Kretzdorn S. 53, NORDMETALL

Dr. Sergey Lagodinsky S. 8, Bündnis 90/ Die Grünen

Thomas Lambusch S. 17, 28 f., 33, 50, NORDMETALL/SEAR GmbH

Manfred Lehde S. 13 f., AGV NORD

Ehrenvorsitzender

Torsten Lemmermann S. 19, Mankenberg

GmbH

Ralf Lorber S. 13, Egger Holzwerkstoffe

Wismar GmbH & Co. KG

Alexander Luckow S. 56, NORDMETALL

Alexander Matthes S. 38, NORDMETALL

David McAllister S. 8, MdEP, CDU

Dr. Angela Merkel S. 22, Bundeskanzlerin, MdB, CDU

Sarah Metzler S. 51, Deutscher Museumsbund e. V.

Sven Müller S. 15, VUMV

Joyce Müller-Harms S. 13, NORDMETALL

Sybille Neumann S. 33, NORDMETALL

Dr. Christoph Ploß S. 7, MdB, CDU

Holger Schäfer S. 30, IW

Martin Schirdewan S. 8, MdEP, Die Linke

Dipl.-Kfm. Jens Schlüter, S. 13, DREHTAINER

GmbH Spezial Container- und Fahrzeugbau

Timo Schneider S. 33, Rennfahrer

Christoph Smak S. 53, Storylines Organisationsentwicklung GmbH

Susanne Sonnenberg S. 19, Liebherr-MCCtec Rostock GmbH

Prof. Dr. Sascha Stowasser S. 5, 42 ff., Institut für angewandte Arbeitswissenschaft

Lena Ströbele S. 50, NORDMETALL

Dr. Volker Subatzus S.50, Airbus Operations GmbH

Dr. Paul-John Sumner S. 51, Museum für Islamische Kunst

Thomas Tillmann-Bramkamp S. 5, 42 ff., IG Metall

Meike Tilsner S. 5, 36, NORDMETALL

Andreas Volleritsch S. 58, Wurm & Volleritsch GbR

Ursula von der Leyen S. 21, Verteidigungsministerin, MdB, CDU

Britta von Selchow S. 19, Fette Compacting GmbH

Kirsten Wagner S. 5, 51, 58, NORDMETALL-Stiftung

Rachel Wang S. 51, Chocolate Films

Rolf Werner S. 33, Formel 1 in der Schule gGmbH NORDMETALL-Cup

Michael Westhagemann S. 34, Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, HH

Susanne Westphal, S. 52, Institut für Arbeitslust

Mayk Wiese S. 28, SEAR GmbH

IMPRESSUM

Standpunkte

Das Magazin von NORDMETALL e.V., dem M+E-Arbeitgeberverband für Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, das nordwestliche Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Herausgeber:

Haus der Wirtschaft Kapstadtring 10 22297 Hamburg

www.nordmetall.de

E-Mail: standpunkte@nordmetall.de

Verantwortlich im Sinne des Presserechts:

Dr. Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer

Chefredakteur:

Alexander Luckow (Luc)

Tel.: 040 6378-4231

E-Mail: luckow@nordmetall.de

Redaktion:

Birte Bühnen (BiB)

Tel.: 040 6378-5947

E-Mail: buehnen@nordmetall.de

Daniel Jakubowski (DJ)

Tel.: 040 6378-4258

E-Mail: jakubowski@nordmetall.de

Autoren: Clemens von Frentz (CvF), Lothar Steckel (LS), Kirsten Wagner

Art-Direktorin:

Birthe Meyer

Tel.: 040 6378-4822

E-Mail: meyer@nordwirtschaftsmedien.de

Produktion: Druck:

CaHo Druckereibetriebsges. mbH 37. Jahrgang

Erscheinungsweise: zweimonatlich

Bezug: Kostenfrei für Mitgliedsunternehmen von NORDMETALL und Sonderempfänger in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Medien.

Sie erreichen mich unter: luckow@nordmetall.de www.facebook.com/Nordmetall-News zu Politik und Wirtschaft www.facebook.com/NORDMETALL

Dr. Glenny Holdhof, S. 25, EDUR-Pumpenfabrik Eduard Redlien GmbH & Co. KG

Dr. Michael Winkler Titel, S. 5, 47 ff., HELLA Fahrzeugkomponenten GmbH

Oliver Wurm S. 58, Wurm & Volleritsch GbR

Das Magazin und alle in ihm veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Nachdruck und Verbreitung des Inhalts nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Chefredaktion, mit Quellenangabe und Zusendung eines Beleges an die Redaktion. Vervielfältigungen von Teilen dieses Magazins sind für den innerbetrieblichen Gebrauch der Mitgliedsunternehmen gestattet. Die mit dem Namen oder den Initialen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge geben die Meinung des Verfassers, aber nicht unbedingt die Ansicht des Herausgebers oder der gesamten Redaktion wieder.

Titelfoto: MEYER WERFT

Alexander Luckow, „Standpunkte“Chefredakteur
@
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KURZ VOR SCHLUSS

Redlichkeit eingefordert

Dr. Nico Fickinger richtete Anfang April im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) mit einem Namensartikel einen eindeutigen Appell an die Gewerkschaften: Mehr Redlichkeit forderte der Hauptgeschäftsführer von NORDMETALL und AGV NORD in der Debatte um die Tarifbindung ein. Es dürfe nicht länger als „Tarifflucht“ „kriminalisiert“ werden, was unter dem Begriff der Koalitionsfreiheit ausdrücklich im Grundgesetz geschützt sei. Für kleine und mittlere Unternehmen bestehe bei einer überschaubaren Mitarbeiterzahl ohnehin kaum die Chance, die komplexen Regelwerke der Flächentarifverträge anzuwenden. Überdies würden die Gewerkschaften unredlich argumentieren, da sie sich gegenüber Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage häufig erst nach Austritten aus den Tarifträgerverbänden kompromissbereit zeigten. Statt solche kontraproduktiven Taktiken anzuwenden, sei es an der Zeit, gemeinsam an der „Qualität des Produkts Flächentarif“ zu arbeiten: mit mehr Flexibilität und praxisnahen Lösungen, im Geiste einer „gestaltungsfreudigen und gestaltungswilligen Sozialpartnerschaft“. Luc

Wagner liest

Die Schönheit

der Verfassung

Am 23. Mai ist das Grundgesetz 70 Jahre alt geworden. Man könnte sich den Text gratis im Internet herunterladen oder kostenlos von der Bundeszentrale für politische Bildung zusenden lassen – warum also ein Magazin am Kiosk kaufen? Weil es mit diesem Heft Spaß macht, sich mit dem Grundgesetz zu beschäftigen! Verleger Oliver Wurm und Designer Andreas Volleritsch haben sich vorgenommen, unsere Verfassung zeitgemäß und lesbar zu präsentieren.

Durch die Gestaltung springt dem Leser die Wucht und Schönheit des Textes direkt ins Auge. Oft wurde ich daran erinnert, unter welchen Voraussetzungen die Artikel des Grundgesetzes entstanden und wie schützenswert und wichtig die darin festgehaltenen Werte sind. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die ebenso schlichten wie faszinierenden Fotos von Deutschland und Europa aus dem All von Alexander Gerst und der European Space Agency.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Nationalhymne, Bundespräsidenten und -kanzler und ein Abriss der deutschen Geschichte sind wissenswerte Ergänzungen, ebenso wie Infografiken, die auch Abläufe der Bundestagswahl erklären.

Kirsten Wagner, Geschäftsführerin der NORDMETALLStiftung und Jurymitglied des Literaturpreises des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI e. V

Ich lese „Standpunkte“, weil ...

Das Grundgesetz als Magazin

122 Seiten, 10,00 € www.dasgrundgesetz.de

„... sich die norddeutschen Metall­ und Elektroindustrie ­A rbeitgeber seit Jahren auch für die Festspiele MecklenburgVorpommern engagieren. So habe ich immer ein Ohr an der Branche.“

Foto: Kirsten Haarmann
Foto: Christian Augustin
Dr. Markus Fein, geschäftsführender Intendant Festspiele Mecklenburg-Vorpommern gGmbH
58 2 / 2019 Standpunkte NORDMETALL

Für jede Veranstaltung den richtigen Rahmen –in ungestörtem Ambiente

Tagungen auf Schloss Hasenwinkel

Unsere Tagungsgäste schätzen die idyllische Lage abseits der Großstadthektik und setzen auf das schöne und kreative Ambiente von Schloss Hasenwinkel.

Optimale Voraussetzungen, um sich auf wichtige Themen konzentrieren zu können.

Wir freuen uns auf Ihren Anruf! Tel: 03847 66140

Oder schreiben Sie uns: hasenwinkel@tagungsschloss.de, www.hasenwinkel.com

TAGUNGSHOTEL DER WIRTSCHAFT
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