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Termin beim Chef: Dr. Michael Winkler - Hella Fahrzeugkomponenten GmbH
Dr. Michael Winkler steht mit kerzengerader Haltung da und hält ein Stück schwarzes Plastik hoch. Im Innenleben des geöffneten Rundlings glitzern gleich mehrere Linsen hell wie Swarovski-Kristalle: „Ist diese Komplexität nicht beindruckend?“, fragt er und gibt gleich selbst die Antwort: „Als ich diesen Regen-Licht-Sensor das erste Mal gesehen habe, war ich gleich fasziniert: Die Dioden strahlen Licht aus, über ein Prisma gelangt das auf die Windschutzscheibe und eine Fotodiode fängt es wieder ein. So misst dieser Sensor, integriert in die Frontscheibe auf Innenspiegelhöhe, ob das Fahrlicht oder die Scheibenwischer eingeschaltet werden müssen.“ Der 46jährige Geschäftsführer der Bremer HELLA-Dependance für Fahrzeugkomponenten freut sich wie ein Schuljunge über das erste „Sehr gut“. Technikbegeisterung und Ingenieursstolz sprechen aus jeder Silbe. Das ist „sein“ Produkt, das Herzstück der mehr als 10 Millionen Einheiten pro Jahr umfassenden Sensorproduktion, die hier in Bremen-Neustadt unweit des Flughafens der Wesermetropole vom klinisch reinen Band rollen.
Sensoren – Helfershelfer aus der Hansestadt
Ölstand und Straßennässe, bald auch den Feinstaub innerhalb und außerhalb eines Autos messen die kleinen Helfershelfer aus der Hansestadt, gebaut und entwickelt von gut 500 Bremer HELLA-Mitarbeitern. Der PM2.5, so der interne Code für den Luftpartikelmesser, soll nach Analyse der Staubbelastung sogar Vorschläge für eine immissionsfreiere Routenführung auslösen – umweltgerechte Mobilitätszukunft „Made in Bremen“. „Wir beliefern nahezu alle Automobilhersteller weltweit“, berichtet der studierte Nachrichtentechnik-Ingenieur. Die sind es gewohnt, dass ein führendes Automotive-Unternehmen wie HELLA stets Innovationen anbietet, weiß Dr. Winkler: „Ich habe hier ein eigenes Vorentwicklungsteam mit 10 Leuten, die längst nicht nur an neuen Sensoren dran sind. Die Kollegen entwickeln gerade eine Cloud-Lösung, in der Straßenzustand und Luftqualitätsdaten per Funk gesammelt und weiterverteilt werden.“ HELLA ist mit solchen Neuheiten seit 120 Jahren erfolgreich: 1899 von Sally Windmüller als „Westfälische Metall-Industrie Aktien-Gesellschaft (WMI)“ im beschaulichen Lippstadt gegründet, produzierte man erst Ballhupen, Kerzen- und Petroleumlampen für Kutschen. Mit dem Siegeszug des Autos begann zu Anfang des 20. Jahrhunderts der weltweite Verkaufserfolg von HELLA-Scheinwerfern, die Familienfirma zählte schon 1911 fast 400 Mitarbeiter. Nach dem Borgward-Konkurs im Sommer 1961 etablierte der Lippstädter Konzern an der Weser eine Außenstelle mit 30 ehemaligen Isabella-Bauern – die Keimzelle von HELLA Bremen war gegründet. Mitte der 60er-Jahre produzierten weit über 100 Kollegen schon 12.000 „Blinkgeber“ – pro Tag.
HELLA-DNA: Tradition und Technikinnovation
„Tradition und Technikinnovation sind unsere DNA“, sagt Dr. Winkler. Diese Grundhaltung gilt auch für ihn, den gebürtigen Hannoveraner mit weltläufiger Studien- und Berufserfahrung: Während des Ingenieursstudiums an der Leine absolviert er Auslandsemester im südenglischen Bristol und bretonischen Brest, lernt Management-Systeme im schweizerischen St. Gallen kennen. Bei Bertelsmann in Gütersloh fängt er 1998 als Technologieberater an, unter anderem, um zu klären, „wie viele Bücher pro Sekunde über einen Lichtwellenleiter übertragbar sind“. Zwischendurch findet er noch Zeit für etwas Kommunalpolitik als Ratsmitglied in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Ab 2005 zieht es ihn für sechs Jahre zur NATO ins niederländische Den Haag, wo er wichtige Führungserfahrung sammelt: „Offizieren aus verschiedensten Nationen zu vermitteln, wie sichere Funksysteme für das ganze Verteidigungsbündnis auch im Einsatz unter Extrembedingungen in der afghanischen Wüste funktionieren – das war eine gelegentlich raue Erfahrung“, berichtet Dr. Michael Winkler und lächelt vielsagend.
HELLA holte ihn, mittlerweile verheiratet und Vater dreier Kinder, 2011 nach Lippstadt, wo er für Fahrzeugzugangssysteme und Karosserieelektronik verantwortlich zeichnete. „Als ich in die westfälische Kleinstadt kam, hatte ich erst Sorge, dass es mir dort zu eng werden könnte. Aber dann habe ich festgestellt, dass die HELLA-Konzernwelt ähnlich international aufgestellt ist, wie die der 29 NATO-Staaten“, erinnert sich der weitgereiste Dr. Winkler. 135 Standorte in über 35 Ländern, mehr als 40.000 Mitarbeiter, die zwischen Vietnam und den USA einem Unternehmen mit aktuell über fünf Milliarden Euro Börsenwert angehören – HELLA ist ein „Hidden Champion“ der deutschen Industrie.
Global entwickeln, regional produzieren
Angesichts der funktionierenden Strategie, global intensiv zu entwickeln und regional marktnah zu produzieren, sei man gut aufgestellt für die nächsten Jahre, auch wenn die Autoindustrie vor historischen Umwälzungen stehe, glaubt der Bremer Manager. Im Bremer Werk ziehen sie deshalb alle an einem Strang, sogar gegen Sonntagsschichten hatte die Gewerkschaft nach einigen Verhandlungsrunden nichts mehr einzuwenden. Dr. Winklers Konzernchef teilt die positive Einschätzung, sieht aber kurzfristig ein „anspruchsvolles Marktumfeld“ auf das erfolgsverwöhnte Unternehmen zukommen: „Wir gehen von einer weiter nachlassenden Marktentwicklung sowie steigenden Material- und Personalkosten aus“, sagte Dr. Rolf Breidenbach im April.
Dr. Michael Winkler glaubt an den Langzeit-Erfolg eines „gut gesteuerten evolutionären Prozesses: Die Mobilität der Zukunft ist elektrisch, voll vernetzt und autonom. Für diesen Markttrend sind wir mit unseren Produkten zwischen Energiemanagement, Fahrzeugsensorik und Fahrerassistenz bestens gerüstet“. Exakte Koordination, Freude am Tempo, Lust auf Erneuerung – diese Kombination leitet den ausgesprochen organisierten Manager auch privat: Tanzen ist sein Hobby, am liebsten Fox und immer mit der Gattin, die er in einer Tanzschule kennengelernt hat. Haltung prägt.
Alexander Luckow

Traditionsfirma HELLA
Der Unternehmensname spiegelt die Familientradition: „Hella“ ist die Kurzform von Helene. Diesen Vornamen trug die Gattin des Firmengründers Sally Windmüller. Gleichzeitig klingt HELLA nach heller – die HELLA-Scheinwerfer lassen grüßen. „Acetylen-Laternen für Automobile“ fertigte man im westfälischen Lippstadt schon im Jahr 1900. Der erste Käfer-Prototyp von 1936 erhielt HELLA-Leuchteinheiten, in den 60er-Jahren erfand man das asymmetrische Abblendlicht und expandierte in die Welt. Im zurückliegenden Geschäftsjahr erwirtschaftete der Konzern 7,1 Milliarden Euro Umsatz. Das operative Ergebnis (Ebit) betrug in diesem Zeitraum 574 Millionen Euro.