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Politik
NORDMETALL VOR ORT bei Baader in Lübeck
Zum fünften Mal trafen im Debattenformat „NORDMETALL vor Ort“ Spitzenpolitiker auf Unternehmerinnen und Unternehmer der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie. Wenige Wochen vor der schleswig-holsteinischen Landtagswahl wurde diesmal im BAADER Technology Center in Lübeck engagiert diskutiert.
Da platzte dem Wirtschaftsminister doch fast der Kragen: „Was ist nach der Abschaffung des Tariftreue- und Vergabegesetzes in Schleswig-Holstein schlechter geworden? Wo sind die vielen zusätzlichen prekären Beschäftigungsverhältnisse, die entstanden sein sollen?“, ging Bernd Buchholz (FDP) den SPD-Spitzenkandidaten Thomas Losse-Müller während der Debatte direkt an. Im Grundgesetz gebe es doch die negative Koalitionsfreiheit, nach der Unternehmen auch tariffrei agieren dürften, so der Liberale weiter. „Ein Tariftreuegesetz ist einfach nur ein weiterer Versuch, in die Tarifautonomie einzugreifen.“ Genau das hatte der Sozialdemokrat Losse-Müller vorher für den Fall angekündigt, dass er nach dem 8. Mai Ministerpräsident in Kiel werden würde.

Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) betonte die aus seiner Sicht erfolgreiche Bilanz der Kieler Jamaikakoalition.

SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller warb intensiv für den raschen Ausbau erneuerbarer Energien.
Wehrindustrie und Taxonomie
Derart ging es sofort munter los, nachdem Petra Baader, geschäftsführende Gesellschafterin Nordischer Maschinenbau Rud. Baader, die rund zwei Dutzend Gäste vor Ort und viele weitere über Zoom und Youtube zugeschaltete Beobachter begrüßt hatte. „Ein Familienunternehmen zu führen, heißt, langfristig und nachhaltig zu agieren und nicht nur auf die kurzfristige Optimierung des Gewinns zu setzen“, betonte die Chefin des Traditions-Maschinenbauers. NORDMETALL- Vizepräsident Robert Focke definierte im Anschluss die Themen, die den norddeutschen M+E-Unternehmen unter den Nägeln brennen: zusätzlich zu den zunehmenden Eingriffen in die Tarifautonomie vor allem der Ukraine-Krieg mit seinen weitreichenden Folgen für die Versorgungssicherheit mit bezahlbarer Energie sowie das in der EU angedachte Projekt der sozialen Taxonomie. Letzteres würde die gerade im Land zwischen den Meeren mit rund 300 Unternehmen stark vertretene Wehrindustrie negativ kategorisieren und so von den Finanzmärkten abschneiden – ein Vorhaben, das gerade in diesen Zeiten so nicht umgesetzt werden dürfe, war sich die Runde überraschend weitgehend einig. Joschka Knuth, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kieler Landtag, der kurzfristig für die verhinderte grüne Spitzenkandidatin und Finanzministerin Monika Heinold eingesprungen war, formulierte es so: „Ich verstehe die Debatte in Brüssel im Moment derart, dass wir auf einen Neutralitätsstatus für die Rüstungsindustrie kommen.“ Minister Buchholz war auch das zu wenig. Die Wehrindustrie dürfe nicht mit Zigarettenindustrie und Glücksspiel gleichgesetzt werden.

Joschka Knuth, wirtschaftspolitischer Sprecher in der Kieler Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, hält eine Renaissance der Atomkraft für unnötig.
Knackpunkt erneuerbare Energien
„Nur mit der SPD wird es den Ausbau der erneuerbaren Energien geben, den wir brauchen“, versprach SPD- Spitzenkandidat Losse-Müller, von 21 müsse man auf 55 Terrawatt kommen. Was abseits dieser Mittel- und Langfristprognose gegen die aktuelle Energiepreisexplosion und eine drohende Knappheit im nächsten Winter helfe, konnte in der Runde nicht so leicht beantwortet werden. Tobias Koch, Vorsitzender der CDU- Landtagsfraktion, schlug das Repowering von Windkraftanlagen vor: „Es gibt fast 1.000 Windkraftanlagen im Land, die am Ende ihrer Lebensdauer vor dem Abbau stehen“, es brauche jetzt rasch ein Bundesgesetz, das die sofortige Weiternutzung dieser Standorte für Windkraft erlaube.

Tobias Koch, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, sieht die Union mit Ministerpräsident Daniel Günther auch künftig an der Spitze der Landesregierung.
NORDMETALL-Hauptgeschäftsführer Nico Fickinger fasste die Debatte nach eineinhalb Stunden so zusammen: „Ich würde mir wünschen, dass die Politik mehr Vertrauen in die Wirtschaft hat und uns als Partner sieht.“ Highlights und die gesamte Diskussion finden Sie auf unserer Webseite: meinarbeitgeberverband.de/ nordmetallvorort
Alexander Luckow

NORDMETALL-Hauptgeschäftsführer Dr. Nico Fickinger resümierte die eineinhalbstündige Debatte.

NORDMETALL-Vizepräsident Robert Focke wandte sich mit klaren Botschaften an die schleswig-holsteinischen Landespolitiker.

Petra Baader, Geschäftsführende Gesellschafterin Nordischer Maschinenbau Rud. Baader, begrüßte die Gäste im Technology Center des Lübecker Traditionsunternehmens.

Hausherrin Petra Baader (r.) begrüßt Jutta Humbert, Geschäftsführende Gesellschafterin Getriebebau NORD aus Bargteheide und NORDMETALL-Vorstandsmitglied.

Unter 3G-Coronaregeln trafen norddeutsche Unternehmerinnen und Unternehmer die schleswig-holsteinischen Landespolitiker.
Fotos: Christian Augustin