Substanz ohne Form

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Ähnlichen Stil finden wir außer bei Marinetti, Cendrars und Michaux auch in den Poèmes nègres von Tristan Tzara, bei Apollinaire, der mit seinem Gedicht Lettre-Océan (1914) das Telegramm als poetische Gattung weiter gefördert hat, in den Wortkonglomeraten des belgischen Dadaisten Clément Pansaers; ebenso bei vielen deutschen Expressionisten, von denen hier nur die Kriegsgedichte eines August Stramm genannt werden sollen. Die Kategorie des Häßlichen kann jedoch nicht als einzige Kategorie eines primitivistischen Stils genannt werden. Hinzu kommt das Mittel der Wiederholung: In Michaux’ Telegramme de Dakar wird z.B. der Baobab dreiun[d]dreißigmal genannt. In diesem Zusammenhang kann man einen Artikel von Alfred Lemm aus dem Jahr 1916 heranziehen. Unter der Überschrift »Einiges vom Problem der Form« schreibt er: »Der primitivste Ausdruck der Form ist die Wiederholung«, und er bezieht sich auf wilde Völker, die mit Aneinanderreihungen von Tönen [...]magische Wirkung in ihren Musik- und Wortkunstwerken erzielen wollen.[...] Der Mensch brauche diese Form der Wiederholung, sie sind gleichermaßen Zeichen der Bewegung und der Ruhe. Hinzu kommen des weiteren Worte aus wirklichen oder erfundenen ›Eingeborenen‹-Sprachen (Baobab zum Beispiel), um die Wirkung der [...]Fremdheit zu verstärken. Manche von Tzaras ›Negergedichten‹ (1917) bestehen nur daraus, wobei die Bedeutung dieser Wörter unwichtig ist, es sind Telegramme aus der Welt der [...]Wilden,

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