Substanz ohne Form

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Gegenfurtner, Michael

SUBSTANZ OHNE FORM Ein Buch über den Primitivismus



Ich neige zu schroffem Gelände [...] , und welches Gelände ist dies bei näherer Betrachtung nicht? [...] An unseren Kalkplateaus, immergrüne Strauchheiden, Heideland ist zu denken. Ich neige auch zu ausgewaschenen, holprigen Feldwegen. Wer die Boulevards liebt, wird dieses Buch nicht mögen. Aber vielleicht sind immer weniger Menschen den Boulevards zugetan?

UNLEUGBAR WURDEN DIESE HAUP TSÄCHLICH FÜR MILTÄRAUFMÄRSCHE GEBAUT.1 1 | Zitat | White, 2007, S. 12


INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT | 6

KAPITEL 1 | 18 Der Primitivismus  –Bedeutungsübersicht

KAPITEL 2 | 40 Aus der Perspektive des ›Primitiven‹

KAPITEL 3 | 62 Aus der Perspektive des ›westlichen Primitiven‹ –  Gesellschaftskritik

KAPITEL 4 | 84 Anthropologie  –  Grundlage für den Primitivismus


KAPITEL 5 | 114 Eine Geschichte aus alten Tagen

KAPITEL 6 | 128 Primitivismus in der Literatur

KAPITEL 7 | 148 Primitivismus in der Kunst

KAPITEL 8 | 192 Die primitivistische Strömung in der modernen Gesellschaft

QUELLENVERZEICHNIS | 216


VORWORT Die negative Belegung des Begriffs ›primitiv ‹

A

ls erstes muss der Sachverhalt um das Wort ›primitiv ‹ geklärt werden. Dem Autor ist bewusst, dass dieser Ausdruck vor allem negativ belegt ist. Primitiv wird in erster Linie mit Begriffen wie simpel, rückschrittlich, ungebildet usw. in Verbindung gebracht. Der Autor wendet sich jedoch gänzlich gegen diese Vorurteile, das ›Primitive‹ wird in erster Linie positiv beleuchtet. Den Gebrauch dieses Wortes hätte der Autor, wenn möglich, vermieden, doch die Kommunikation mit dem Publikum funktioniert letztendlich nur auf einer kolonialistisch geprägten, von Vorurteilen beladenen Sprache. Im Vordergrund dieser Arbeit steht die Aufarbeitung des gängigen Klischees, primitive Völker und deren Denkweisen seien der westlichen Zivilisation unterlegen. Der Autor negiert dieses Vorurteil und vertritt die genau entgegengesetzte These: Die moderne Wahrnehmung und der dadurch resultierende Blick auf die Welt wurde durch Entfremdung initiiert, ist also folglich ›unnatürlich‹ und kann somit dem höchstem ›Gut allen Lebens‹, nämlich der Natur selbst, unmöglich überlegen bzw. übergeordnet sein.

VORWORT | PRIMITIVISMUS


Der ›Primitivismus ‹ Diesem Standpunkt geht eine in erster Linie philosophisch sowie auch psychologisch geprägte Strömung voraus, der ›Primitivismus‹. Dieser war vor allem Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts aktuell, als Kolonisation und der Erste Weltkrieg das Bild Europas vollkommen veränderten. Der ›primitive Diskurs‹ fand überwiegend in künstlerischen Kreisen Nährboden. Als Quelle diente dabei oftmals die Anthropologie. Inspirieren ließ man sich von geplündertem Kunsthandwerk aus aller Welt. Die zwei großen Widersprüche, die sich nach Ansicht des Autors durch die gesamte Debatte um den Primitivismus ziehen und bis heute Angriffsfläche für Kritik bilden, sind folgende: ·  Der Primitivismus ist eine westliche Erscheinung, der ›wahre Primitive ‹ (  gemeint ist der Ureinwohner selbst), wird sich kaum als primitiv bezeichnen. Der Primitivismus wagt den Versuch anhand logischer Denkvorgänge nicht logisch begreifbare Phänomene und Beobachtungen zu begreifen. Ein Paradoxon ohne Aussicht auf Erfolg. ·     Viele Primitive waren nach Ansicht des Autors vom Egoismus geleitet, im Vordergrund stand das Interesse an unbekannten Kulturen und das daraus gewonnene Wissen. Das Ergehen dieser Völker und die Folgen deren ›Erforschung ‹ schien die Wenigsten zu interessieren. Zudem finden sich überraschenderweise teils rassistische Äußerungen,

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welche vermutlich zur damaligen Zeit nicht als solche wahrgenommen wurden. Anhand sorgfältig gesammelter und zusammengetragener Textauszüge aus unterschiedlichsten Fachbereichen und Epochen wird in diesem Buch unsere ›fortschrittliche‹ Welt in Frage gestellt. Ziel dieses Buches ist es, den einseitigen Blick auf primitive Kulturen zu relativieren. Eine Abrechnung mit der Arroganz westlicher Lebensweisen. Substanz ohne Form Der Autor dieses Buches erklärt ein intaktes Kollektivbewusstsein als wichtigste Grundvoraussetzung für das Funktionieren eines sozialen Apparats. Er vertritt die These, dass eine der Hauptproblematiken modernen Zusammenlebens auf individualistisch geprägtem Gedankengut basiert. Dieses Phänomen zieht sich durch unsere gesamte Gesellschaft, unabhängig von Bildungsniveau oder Einkommen. Die eigentliche Ironie dabei besteht darin, dass innerhalb unseres Systems Strömungen (bspw. politisch Motivierte) agieren, welche den Anspruch erheben, dies zu ändern, d.h., in sich jeweils abgeschlossene ›kollektive Subkulturen‹ propagieren Werte, welche eigentlich

VORWORT | PRIMITIVISMUS


als grundsätzlich galten bzw. gelten sollten. Dabei begehen sie den vehementen Fehler, sich anhand genau dieser eigentlich als grundsätzlich voraussetzbaren und allgemeingültigen Werte zu profilieren. Das ursprünglich positiv agierende Kollektiv reduziert sich letztendlich wieder auf die bloße ›Selbsterhöhung‹ des Individuums bzw. einer ausgewählten kollektiven Subkultur, die sich anhand von Erscheinungssmerkmalen (  bspw. Kleidungsstil ) zu erkennen gibt. Als Begleiterscheinung tritt des weiteren eine gewisse Distanzierung bzw. Arroganz gegenüber Andersdenkenden (›Unterlegenen‹) auf, welche zur weiteren Spaltung und Entfremdung innerhalb einer Gesellschaft führt. Der eigentlich propagierte Wert/ Ursprungsgedanke bleibt dabei zurück und wird zur Projektionsfläche des eigenen Ichs. Was bleibt ist Selbstprofilierung und Heuchelei. Diese Art von kollektiver Erscheinung ist zum Scheitern verurteilt, da sie narzisstischen Ursprungs ist und in keiner Weise mit Authentizität, also dem Wert/ Gedankengut an sich, in Verbindung steht. ›Wahres Kollektivbewusstsein‹, die Grundvoraussetzung für ein friedliches Miteinander, beginnt mit der Entwertung des Ichs und der Aufwertung der Anderen. Dem Autor ist dieses Anliegen sehr wichtig, daher ist der Titel »Substanz ohne Form« diesem Buch gewidmet. Die Form ist sekundär, primär ist und bleiben die Dinge, die wir weder zu greifen noch zu sehen in der

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Lage sind, welche jedoch absolute Grundsätze menschlicher Natur bilden und deshalb niemals in festgelegte Formen gebracht werden dürfen, da sie folglich der Gefahr der Rationalisierung und Individualisierung unterliegen. Dies würde bedeuten, die Essenz, also das nicht Greifbare und ›Wahre‹ greifbar zu machen und somit zerstören. Der Primitivismus an sich bleibt reine Utopie, doch es besteht von Seiten des Autors die Hoffnung, essentielle Erkenntnisse über das Leben selbst zu gewinnen und diese zu realisieren.

»EIN [...]DÄMONISCHES, [...]TEUFLISCHES PRINZIP WIRD [...] DEN PRINZIPIEN DER LOGIK GEGENÜBERGESTELLT. DAHINTER STEHT [...] DIE VORSTELLUNG, DASS MAN SO DER WIRKLICHKEIT NÄHER KOMMEN KÖNNE, DA DIESE EBEN NICHT NUR VON DER LOGIK BESTIMMT WERDE. DER PRIMITIVE IST DAZU EHER IN DER LAGE, EBENSO WIE DER [...]GEISTESKR ANKE, DENN IHN [...] TREIBE NICHT DIE LOGIK SONDERN DAS GEFÜHL ZUM HANDELN«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 118


»NICHT VOM OPIUM MUSS MAN GENESEN, SONDERN VON DER INTELLIGENZ. [(JEAN COCTEAU)]1« 1 | Zitat | https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/biokapitalismus-und-askese, 20. Mai 2016, 13:48 Uhr Bild | http://40.media.tumblr.com/5823b8af9220e0cebc6da89c11baddad/tumblr_ nxo6z6Vy7E1uh3q1do1_1280.jpg, 24. Juni 2016, 21:50 Uhr

Laut Statistiken ist der Drogenmissbrauch in modernen Industrienationen doppelt so hoch als in sogenannten Entwicklungsländern


» B E R L I N K U L T U R

H A T Z U

B I E T E N [ . . . ] , D O C H E S I S T [ . . . ]L Ü G E , D I E MAN AUCH NOCH D E N N E G E R N IN AFRIKA ALS Z I V I L I S A T I O N V E R K A U F E N W I L L . « 1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 114



»DER RUF ›ZURÜCK ZUR NATUR!‹ BEKOMMT IM RAHMEN DES PRIMITIVISMUS EINE BESONDERE FÄRBUNG. DIE REDE WAR VON DEN NATURVÖLKERN, DIE DURCH DIE EUROPÄISCHE ZIVILISATION VERDORBEN WORDEN SEIEN, UND AUF DEREN URSPRÜNGLICHEN STAND MAN WIEDER ZURÜCKKOMMEN MÜSSE.«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 138


Batan Island ist das wirtschaftliche und politische Zentrum von Batanes, der nรถrdlichsten Inselgruppe der Philippinen. Sie ist Heimat der Ivatan, den indigenen Bewohnern dieses Archipels



DER PRIMITIVISMUS – BEDEUTUNGSÜBERSICHT


BEGRIFFSERKLÄRUNG Allgemeine Definition des Primitivismus

D

er Primitivismus strebt eine gesellschaftliche Rückkehr zu vor–industriellen, und oftmals sogar vor–landwirtschaftlichen Produktions– und Lebensverhältnissen an. Primitivisten gehen auf Grund anthropologischer Quellen davon aus, dass Jäger–und–Sammlergesellschaften weniger von Gewalt, Krieg und Seuchen betroffen sind. Primitivismus wird in erster Linie als utopistische Strömung verstanden, die Ideen des Anarchismus mit denen der Kyniker verknüpft. Es wird eine Rückkehr zu einer biologischen »Ursprünglichkeit des Menschen« angestrebt. In Frage gestellt wird die Vorstellung, dass die Industrie als fortschrittlich anzusehen ist; ferner wird die politische Idee der Zivilisation aus ideologiekritischer Perspektive wahrgenommen. Der Theorie des Primitivismus zufolge, ermöglichte erst die Arbeitsteilung die Akkumulation des ökonomischen Potenziales und damit die Entstehung von Machtverhältnissen. Daraus ergab sich dann die historische Erscheinung einer autoritären Kultur des

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Patriarchalen und ihre Auswüchse, die Sitte und die Moral, wobei die Sitte die gelebte Moral ist. Dem Primitivismus nach, sind die vom Menschen geschaffenen Mittel zur Beherrschung der Umwelt, entfremdend. Die technologische Entwicklung reflektiert und treibt in ihrem Wachstum auch die gesellschaftliche Entfremdung an, die sich seit der industriellen Revolution zum Beispiel mit der zeitlichen und horizontalen Teilung von Arbeitsprozessen ganz konkret in den Produktionsverhältnissen niedergeschlagen hat. Tatsächlich ist die Technologie gemäß primitivistischer Vorstellungen die neue Religion, der Fortschrittsglaube Hoffnung, und die modernen Götter und Götzen die massenmedialen Inszenierungen. Daher versucht der neoprimitive Mensch, in seiner Analyse in Reaktion auf diese Missverhältnisse, zu seinem »Urwesen« zurückzufinden, um somit seine Triebstruktur von den Fesseln zu befreien. Die Anhänger des Primitivismus erkennen ihren »natürlichen Ursprung « offenkundig an. Sie streben nach einem Leben ohne Privateigentum an Materie oder Personen mit offener Sexualität. Dabei findet oftmals eine Orientierung an indigenen Volksgruppen statt.1 1 | Text | vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Primitivismus, 17. April 2016, 19:37 Uhr

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Begriffe, die mit dem Primitivismus in Verbindung gebracht werden · Abenteuer [...] · abnorm · Abstraktion · Amok · androgyn · Anfang · animalisch (tierhaft) · Antike · archaisch · authentisch · Banjo · Baobab · Barbar, barbarisch · barock · bizarr · Boxer · brutal · burlesk · Cake-walk · dämonisch · Dandy · dunkel, Dunkelheit [...] · einfach (simpel) · Ekstase · erotisch K APITEL 1 | PRIMITIVISMUS

· Ethnologie · exotisch · expressiv · Fetisch [...] · Fiktion [...] · Frau, fraulich [...] · frei, Freiheit [...] · fremd (fremd  a rtig [...]) · Freude, sich freuen · geisteskrank   (irre, verrückt [...]) · Geschrei, Geheul   ( Lärm [...]) · gesund (vital, Lebens   k raft) · Gott, göttlich, Götze · Grauen, grausam, · grauenvoll [...] · Grazie, graziös · grotesk · Hysterie, hysterisch · Indianer · Jazz · Jude, jüdisch


· Kaffer [...] · Kannibale, kannibalisch · Kind, kindlich [...] · Kobold [...] · kollektiv, Kollektivismus · Kolonialismus,    K olonialliteratur,    K olonialausstellungen [...] · komisch · kosmopolitisch · krank [...] · Kultur [...] · Lachen [...] · Logik   ( gegen die [Logik] [...]) · Lüge, lügen [...] · Lunapark [(Vergnügungs   gelände)] · Magie, magisch · Mann, männlich [...] · Märchen, märchenhaft [...] · makaber · Maske · Melancholie, melancholisch · Mittelalter (Gotik) · Mord, Mörder [...] · Musik, musikalisch · mysteriös  (geheimnisvoll,    rätselhaft [...]) 20 | 21

· Mythos, mythisch · Nacht [...] · nackt [...] · naiv, Naivität · Natur, natürlich · Neger- (Kunst,   Musik, Lieder usw. [...]) · neu [...] · Nigger, Niggerei [...] · objektiv · organisch · Poesie, poetisch · primitiv · Paradies · Ragtime · Rausch, Rauschgift [...] · rein, Reinheit [...] · Reise, Reisebericht [...] · Reklame · Religion, religiös · Rhythmus, rhythmisch · riesig, Riese · romantisch · schön, Schönheit [...] · schwarze Soldaten [...] · schwarz-weiß · Shimmy · Spiel, spielerisch [...]


· Stamm(esdenken) · stark [...] · Tätowierung [...] · Tam Tam · Tanz, tanzen [...] · Telegramm(-Stil) · Teufel, teuflisch [...] · Tourismus · Traum [...] · Trödel [...] · Überlegenheit [...] · unerklärlich (unverständlich [...]) · Ur- (Urkraft, Urform, · Urrythmen, Urwald usw.) · Varieté [(eine Art       Theatervorführung)] · Verbrecher, verbrecherisch [...] · Volk, Volkskunst [...] · wahr, Wahrheit (echt, · wahrhaftig [...]) · wild [...] · Wunder, wunderbar [...]1 1 | Wörtersammlung | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 13 –  16 2 | Tatsächliche Aussage | Mann der Aeta

»YOU AD ME ON FACEBO OK ?«2


OK Mann aus dem indigenen Volk der Aeta; Philippinen

DD

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Frau aus dem philippinischen Stamm der Kalinga. Fotografie von Eduardo Masferré, aus dem Jahre 1952

Etymologische Herleitung Primitivismus ist dem Wort ›primitiv ‹ entlehnt. Herkunft Das Wort primitiv stammt von dem gleichbedeutenden französischen Wort ›primitif ‹ aus dem 18. Jahrhundert ab. Dieses wiederum wurde dem lateinischen ›prīmitīvus ‹ (»der erste in seiner Art«; mittellateinisch auch ›ursprünglich‹) entlehnt.1 Das lateinische ›primus ‹ bedeutet ›erster‹. ›Primus ‹ findet z.B. auch in der Alltagssprache im Sinne von ›Klassenbester  ‹ Verwendung. 1 | Text | vgl. https://de.wiktionary.org/wiki/primitiv, 17. April 2016, 23:20 Uhr K APITEL 1 | PRIMITIVISMUS

Bild | https://p2.liveauctioneerscom/2631/ 64932/32720674_1_x.jpg, 18. April 2016, 14:20 Uhr


Bedeutungsübersicht primitiv

1. 2. 3.

1

in ursprünglichem Zustand befindlich, urtümlich, nicht zivilisiert (veraltend)

2

ursprünglich, elementar, naiv, nicht verfeinert

1

sehr einfach, schlicht, simpel

2

dürftig, armselig, kümmerlich, notdürftig, behelfsmäßig (oft abwertend) ein niedriges geistiges, kulturelles Niveau aufweisend, ungebildet, geistig und kulturell wenig anspruchsvoll (abwertend)1 1 | Bedeutungsübersicht | vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/primitiv, 17. April 2016, 23:22 Uhr

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Synonyme primitiv

1. 2. 3.

bescheiden, einfach, ohne Aufwand, schlicht, simpel (oft abwertend) arm, ärmlich, armselig, behelfsmäßig, dürftig, karg, kärglich, kümmerlich, notdürftig, provisorisch, spartanisch, unzureichend, unzulänglich (gehoben), miserabel (emotional) gewöhnlich, niveaulos, unfein, proletenhaft (abwertend), ordinär (oft abwertend), ungebildet, vulgär (bildungssprachlich abwertend), prollig (salopp abwertend, besonders Jugendsprache abwertend), prolo1 1 | Synonyme | vgl. http://www.duden.de/ rechtschreibung/primitiv, 18. April 2016, 15:06 Uhr

Die Rainbow Bridge in Tokyo, eine der modernsten Metropolen weltweit K APITEL 1 | PRIMITIVISMUS


Gegenwörter primitiv modern, kompliziert, schwierig entwickelt, ausgereift

gebildet, wohlerzogen1 1 | Gegenwörter | vgl. https:// de.wiktionary.org/wiki/primitiv, 18. April 2016, 16:45 Uhr


Das Adjektiv primitiv Das Adjektiv primitiv steht einerseits für die Primitivität, eine Bezeichnung für besondere Einfachheit, und andererseits die Plesiomorphie, einen biologischen Fachausdruck für Einfachheit im Sinne von Ursprünglichkeit.1 Die Primitivität Primitivität [...] ist eine Bezeichnung für besondere Einfachheit. Im sozialen Zusammenhang steht primitiv [oft] für einen empfundenen Mangel an Zivilisiertheit, oder auf eine Person bezogen, für geringe Intelligenz. In der Biologie, speziell in der Entwicklungsbiologie, der Paläontologie und der Paläoanthropologie, wird die Bezeichnung primitiv für anatomische Merkmale jedoch wertneutral im Sinne von ursprünglich, urtümlich und alt verwendet [...], das heißt als Gegensatz zu–gleichfalls wertneutral beschriebenen–neuartigen, fortschrittlichen, vom ursprünglichen Zustand abgeleiteten Merkmalen [...]. Häufig kann das Gegensatzpaar ›primitiv ‹ und ›abgeleitet  ‹ auch im Sinne von ›einfach ‹ [...] [und] ›komplex‹ (vielschichtig) verstanden werden.2 1 | Text | vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Primitiv, 28. Mai 2016, 15:42 Uhr 2 | Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Primitivit%C3%A4t, 18. April 2016, 20:43 Uhr

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Die Mathematik kennt folgende Bedeutungen: ·      Die primitiven n–ten Einheitswurzeln sind genau die Nullstellen des n–ten Kreisteilungspolynoms. · Ein erzeugendes Element einer einfachen Körpererweiterung heißt primitives Element des Erweiterungskörpers, zum Beispiel ist die imaginäre Einheit i das primitive Element der einfachen Körpererweiterung C : R. · Ein erzeugendes Element der multiplikativen, zyklischen Gruppe F * eines endlichen Körpers F heißt primitives Element des Körpers [...]. ·      Die primitiv–rekursiven Funktionen sind aus einfachen Grundfunktionen durch Komposition und (  primitiver) Rekursion gebildet und spielen in der Rekursionstheorie eine wichtige Rolle. In der Kristallographie werden Elementarzellen, bei denen die Basisvektoren so gewählt sind, dass das von ihnen gebildete Gitter mit dem Kristallgitter identisch ist, als primitiv bezeichnet. Früher wurden diejenigen indigenen Völker [...] als ›primitiv ‹ bezeichnet, die über keine Schrift und nur einfache Technik verfügen und außerdem eine ursprüngliche, naturverbundene Kultur und Religion [...] [pflegen], meist mit überwiegend Ackerbau oder Viehzucht [...]. 1 1 | Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Primitivit%C3%A4t, 18. April 2016, 20:43 Uhr

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Die Plesiomorphie Als Plesiomorphie ( [...] aus dem griechischen plesio ›benachbart ‹ , und morphe ›Gestalt ‹) bezeichnet man in der entwicklungsbiologischen Systematik und Kladistik eine ursprüngliche Merkmalsausprägung, die vor der betrachteten Stammlinie entstanden ist und in dieser unverändert erhalten blieb. Der Gegenbegriff zur Plesiomorphie ist ein neu erworbenes Merkmal, eine Apomorphie. Die Einordnung als ›ursprünglich‹ oder ›neu erworben‹ ist relativ, da sie stets von den beiden betrachteten Linien (  Taxa) abhängt. Beispielsweise ist das Merkmal der Vierfüßigkeit bei der Entwicklung der fossilen Reptilien aus fossilen Amphibien eine Plesiomorphie, da alle Teilgruppen der Landwirbeltiere ursprünglich vier Gliedmaßen besaßen. Im Vergleich der Landwirbeltiere mit den fossilen Fleischflossern handelt es sich bei der Vierfüßigkeit dagegen um eine Apomorphie, da das Merkmal gegenüber der zu den Knochenfischen gehörenden Stammgruppe neu erworben wurde. Ebenso stellt die spätere Rückbildung der Extremitäten bei Schlangen eine Apomorphie dar, denn die fossilen Reptilien weisen ursprünglich vier Extremitäten auf.1 1 | Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Plesiomorphie, 18. April 2016, 21:33 Uhr

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Das Substantiv Primitiv Das Substantiv Primitiv steht zum einen für das Grafische Primitiv, in der Computergrafik bestimmte einfache 2– oder 3–dimensionale Figuren, zum anderen für das Kryptographische Primitiv, der Verschlüsselung einfacher Grundbausteine. Zudem findet es Verwendung für die einfachsten Elemente in der Syntax von Programmiersprachen. 1 Das Grafische Primitiv Der Begriff (grafisches) [...] Primitiv wird in der Computergrafik verwendet. Er bezeichnet elementare ein–, zwei– oder dreidimensionale geometrische Formen, die ein Bestandteil von Austauschformaten (z.B. DXF, PCL oder SVG) sind. Aus diesen einfachen Primitiven lassen sich kompliziertere Formen zusammensetzen. Synonym werden auch die Begriffe Grundobjekt, grafische Grundform oder Raumbezugsgrundform [...] verwendet. Welche Formen zu grafischen Grundformen gehören, hängt vom verwendeten Programm oder der Beschreibungssprache ab. In der 2 D –Computergrafik sind Punkte, Strecken, Polygone, Kreise und Ellipsen gebräuchlich. In der 3D–Computergrafik sind Dreiecke oder Polygone die gebräuchlichsten Primitive, wenngleich auch Punktwolken und weitere Formen Verbreitung finden. 1 | Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Primitiv, 18. April 2016, 22:05 Uhr

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Grundformen werden bei vektorgestützter Grafikbearbeitungssoftware und 3D–Modellierungswerkzeugen verwendet. In der 2D–Computergrafik gibt es für Grundformen Algorithmen zur Rasterung; in der 3D–Computergrafik werden sie von Renderern verwendet.1 Das Kryptografische Primitiv Ein kryptographisches Primitiv ist in der Kryptographie ein einfacher Baustein, der in Beweisen verwendet wird. Die Primitive werden dabei vorausgesetzt, um darauf aufbauend Eigenschaften von komplexeren kryptographischen Systemen zu beweisen oder zu widerlegen. Kryptographische Primitive sind beispielsweise Blockchiffren, kryptographisch sichere Hashfunktionen, Stromchiffren und kryptographisch sichere Zufallsgeneratoren. Durch Sicherheitsreduktionen kann man im Einzelfall beweisen, dass ein kryptographisches System/ Verfahren, welches aus diesen kryptographischen Primitiven aufgebaut ist, genau dann ›sicher‹ ist, wenn die zu Grunde liegenden Primitive sicher sind. 2 1 | Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Grafisches_Primitiv, 18. April 2016, 22:05 Uhr 2 | Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Kryptographisches_Primitiv, 16. Mai 2016, 16:05 Uhr Bildvorlage | https://de.wikipedia.org/wiki/Grafisches_Primitiv#/ media/File:Beetle.gif, 16. Mai 2016, 15:49 Uhr

K APITEL 1 | PRIMITIVISMUS



» I N C L A U D E F A R R È R E S K O L O N I A L R O M A N [ . . . ] S T E H T D I E D I S K U S S I O N , W E R N U N E I N E W A H R E Z I V I L I S A T I O N ( O D E R K U L T U R ?  ) Z U

B I E T E N

H A B E – D I E

K O L O N I A L H E R R E N ( I N S BESONDERE DIE OFFIZIERE D E R

F R A N Z Ö S I S C H E N

A R M E E ) O D E R D I E K O L O N I S I E R T E N – I M M I T T E L P U N K T .  « 1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 115




»WENN SICH DIE AVANTGARDISTEN VON DER WEISSEN ZIVILISATION ABWANDTEN, UM DEM PRIMITIVEN WILDEN IHRE VEREHRUNG DARZUBRINGEN, DANN AUCH, WEIL SIE ERLEBEN MUSSTEN, WIE MÖRDERISCH DIE WEISSE ZIVILISATION IM ERSTEN WELTKRIEG SEIN KONNTE.«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 131 Bild | https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/ba/ Nach_Gasangriff_1917.jpg, 30. Mai 2016, 13:56 Uhr

Tote Soldaten in einem Schützengraben nach einem Giftgasangriff während des Ersten Weltkrieges



AUS DER PERSPEKTIVE DES ›PRIMITIVEN‹


Seattle, Noah

WIR SIND EIN TEIL DER ERDE * Die Rede des Häuptlings Seattle

D

er Staat Washington, im [...] Norden der USA, war die Heimat der Duwamish, eines Volkes, das sich– wie alle Indianer–als einen Teil der Natur betrachtete, ihr Respekt und Ehrerbietung erwies und seit Generationen mit ihr in Harmonie lebte. Im Jahre 1855 machte der 14. Präsident der Vereinigten Staaten, der Demokrat Franklin Pierce, den Duwamish das Angebot, ihr Land weißen Siedlern zu verkaufen; sie selbst sollten in ein Reservat ziehen.

ßen Häuptling der Weißen« auf dessen Angebot mit einer Rede, deren Weisheit, Kritik und bescheidene Hoffnung uns heute, fast 150 Jahre später, mehr denn je betrifft und betroffen macht. »Meine Worte sind wie Sterne, sie gehen nicht unter  « , sagte Chief Seattle. Sein Volk hat nicht überlebt, seine Worte wurden nicht gehört. Werden wir sie hören? Werden wir überleben? Die Rede

Die Indianer verstanden das nicht. Wie kann man Land kaufen und verkaufen? Nach ihrer Vorstellung kann der Mensch die Erde nicht besitzen, so wenig, wie er den Himmel, die Frische der Luft oder das Glitzern des Wassers besitzen kann. Chief Seattle, der Häuptling der Duwamish, antwortete dem »gro-

»Der große Häuptling in Washington sendet Nachricht, dass er unser Land zu kaufen wünscht. Der große Häuptling sendet uns auch Worte der Freundschaft und des guten Willens. Das ist freundlich von ihm, denn wir wissen, er bedarf unserer Freundschaft

* Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 –  37


Chief Seattle, Häuptling der Duwamish–Indianer Bild | https://danielosgood.files.wordpress.com/2013/04/3g08927u-11.jpg, 15. April 2016, 19:22 Uhr


»WIR WISSEN, DASS DER WEISSE MANN UNSERE ART NICHT VERSTEHT.« der auf die Wiederkehr der Jahreszeiten verlassen kann.

nicht. Aber wir werden sein Angebot bedenken, denn wir wissen– wenn wir nicht verkaufen–kommt vielleicht der weiße Mann mit Gewehren und nimmt sich unser Land. Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen–oder die Wärme der Erde? Diese Vorstellung ist uns fremd. Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen– wie könnt Ihr sie von uns kaufen? Wir werden unsere Entscheidung treffen. Was Häuptling Seattle sagt, darauf kann sich der große Häuptling in Washington verlassen, so sicher wie sich unser weißer BruK APITEL 2 | PRIMITIVISMUS

Meine Worte sind wie die Sterne, sie gehen nicht unter. Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig, jede glitzerne Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig, in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes. Der Saft, der in den Bäumen steigt, trägt die Erinnerung des roten Mannes. Die Toten der Weißen vergessen das Land ihrer Geburt, wenn sie fortgehen, um unter den Sternen zu wandeln. Unsere Toten vergessen diese wunderbare Erde nie, denn sie ist des roten Mannes Mut-


ter. Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler–sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme des Ponys–und des Menschen–sie alle gehören zur gleichen Familie.

ten Kinder verlassen. Er schickt Maschinen, um dem weißen Mann bei seiner Arbeit zu helfen, und baut große Dörfer für ihn. Er macht Euer Volk stärker, Tag für Tag. Bald werdet ihr das Land überfluten wie Flüsse, die die Schluchten hinabstürzen nach einem unerwarteten Regen.

Wenn also der große Häuptling in Washington uns Nachricht sendet, dass er unser Land zu kaufen gedenkt–so verlangt er viel von uns.

Mein Volk ist wie eine ablaufende Flut–aber ohne Wiederkehr. Nein, wir sind verschiedene Rassen. Unsere Kinder spielen nicht zusammen, und unsere Alten erzählen nicht die gleichen Geschichten. Gott ist Euch gut gesinnt, und wir sind Waisen. Wir werden Euer

Der große Häuptling teilt uns mit, dass er uns einen Platz gibt, wo wir angenehm und für uns leben

»WIE K ANN MAN DEN HIMMEL K AUFEN ODER VERK AUFEN – ODER DIE WÄRME DER ERDE? DIESE VORSTELLUNG IST UNS FREMD. WENN WIR DIE FRISCHE DER LUFT UND DAS GLITZERN DES WASSERS NICHT BESITZEN – W IE KÖNNT IHR SIE VON UNS KAUFEN?«

können. Er wird unser Vater und wir werden seine Kinder sein. Aber kann das jemals sein? Gott liebt Euer Volk und hat seine ro42 | 43

Angebot, unser Land zu kaufen, bedenken. Das wird nicht leicht sein, denn dieses Land ist uns heilig.


Wir erfreuen uns an diesen Wäldern. Ich weiß nicht–unsere Art ist anders als die Eure. Glänzendes Wasser, das sich in Bächen und Flüssen bewegt, ist nicht nur Wasser–sondern das Blut unserer Vorfahren. Wenn wir Euch das Land verkaufen, müsst Ihr wissen, dass es heilig ist, und Eure Kinder lehren, dass es heilig ist und dass jede flüchtige Spiegelung im klaren Wasser der Seen von Ereignissen und Überlieferungen aus dem Leben meines Volkes erzählt. Das Murmeln des Wassers ist die Stimme meiner Vorväter. Die Flüsse sind unsere Brüder– sie stillen unseren Durst. Die Flüsse tragen unsere Kanus und nähren unsere Kinder. Wenn wir unser Land verkaufen, so müsst Ihr Euch daran erinnern und Eure Kinder lehren: Die Flüsse sind unsere Brüder–und Eure–, und Ihr müsst von nun an den Flüssen Eure Güte geben, sowie jedem anderen Bruder auch. Der rote Mann zog sich immer zurück vor dem eindringenden weißen Mann –so wie der Frühnebel in den BerK APITEL 2 | PRIMITIVISMUS

gen vor der Morgensonne weicht. Aber die Asche unserer Väter ist heilig, ihre Gräber sind geweihter Boden, und so sind diese Hügel, diese Bäume, dieser Teil der Erde uns geweiht. Wir wissen, dass der weiße Mann unsere Art nicht versteht. Ein Teil des Landes ist ihm gleich jedem anderen, denn er ist ein Fremder, der kommt in der Nacht und nimmt von der Erde, was immer er braucht. Die Erde ist sein Bruder nicht, sondern Feind, und wenn er sie erobert hat, schreitet er weiter. Er lässt die Gräber seiner Väter zurück –und kümmert sich nicht. Er stiehlt die Erde von seinen Kindern und kümmert sich nicht. Seiner Väter Gräber und seiner Kinder Geburtsrecht sind vergessen. Er behandelt seine Mutter, die Erde, und seinen Bruder, den Himmel, wie Dinge zum Kaufen und Plündern, zum Verkaufen wie Schafe oder glänzende Perlen. Sein Hunger wird die Erde verschlingen und nichts zurücklassen als eine Wüste. Ich weiß nicht– unsere Art ist anders als die Eure. Der Anblick Eurer Städte schmerzt die Augen des


Pierre Brice als Winnetou, der fiktive Häuptling der Mescalero –  A pachen aus dem gleichnamigen Film, basierend auf Karl Mays Roman

roten Mannes. Vielleicht, weil der rote Mann ein Wilder ist und nicht versteht. Es gibt keine Stille in den Städten der Weißen. Keinen Ort, um das Entfalten der Blätter im Frühling zu hören oder das Summen der Insekten. Aber vielleicht nur deshalb, weil ich ein Wilder bin und nicht ver-

stehe. Das Geklappere scheint unsere Ohren nur zu beleidigen. Was gibt es schon im Leben, wenn man nicht den einsamen Schrei des Ziegenmelkervogels hören kann, oder das Gestreite der Frösche am Teich bei Nacht? Ich bin ein roter Mann und verstehe das nicht. Der Indianer mag das sanfte Geräusch des Windes, der über eine Teichfläche streicht

Bild | http://bilder4.n-tv.de/img/incoming/origs11859471/481273904-w1000-h960/imago 54351545h.jpg, 13. April 2016, 19:45 Uhr


»WIR WISSEN, WENN WIR NICHT VERKAUFEN, KOMMT WAHRSCHEINLICH DER WEISSE MANN MIT WAFFEN UND NIMMT SICH UNSER LAND. ABER WIR SIND WILDE.« Bild | http://i1.web.de/image/376/30690376, pd=3/pierre-brice-lex-barker.jpg, 13. April 2016, 20:08 Uhr


Pierre Brice als Winnetou und Lex Barker als Old Shatterhand, die beiden fiktiven Heldenfiguren und Freunde aus dem Film Winnetou, basierend auf Karl Mays gleichnamigen Roman


–und den Geruch des Windes, gereinigt vom Mittagsregen oder schwer vom Duft der Kiefern. Die Luft ist kostbar für den roten Mann–denn alle Dinge teilen denselben Atem–das Tier, der Baum, der Mensch–sie alle teilen densel-

ten. Und der Wind muss auch unseren Kindern den Lebensgeist geben. Und wenn wir Euch unser Land verkaufen, so müsst Ihr es als ein besonderes und geweihtes schätzen, als einen Ort, wo auch der weiße Mann spürt, dass der Wind süß duftet von den Wiesenblumen.

»DER ANBLICK EURER STÄDTE SCHMERZT DIE AUGEN DES ROTEN MANNES. VIELLEICHT, WEIL DER ROTE MANN EIN WILDER IST UND NICHT VERSTEHT.« ben Atem. Der weiße Mann scheint die Luft, die er atmet, nicht zu bemerken; wie ein Mann, der seit vielen Tagen stirbt, ist er abgestumpft gegen den Gestank. Aber wenn wir Euch unser Land verkaufen, dürft Ihr nicht vergessen, dass die Luft uns kostbar ist–dass die Luft ihren Geist teilt mit all dem Leben, das sie enthält. Der Wind gab unseren Vätern den ersten Atem und empfängt ihren letzK APITEL 2 | PRIMITIVISMUS

Das Ansinnen, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken, und wenn wir uns entschließen anzunehmen, so nur unter einer Bedingung.

Der weiße Mann muss die Tiere des Landes behandeln wie seine Brüder. Ich bin ein Wilder und verstehe es nicht anders. Ich habe tausend verrottende Büffel gesehen–vom weißen Mann zurückgelassen–erschossen aus einem vorüberfahrenden Zug. Ich bin ein Wilder und kann nicht verstehen, wie das qualmende Eisenpferd wichtiger sein soll als der Büffel, den wir nur töten, um am Leben zu bleiben. Was ist der Mensch ohne die Tiere? Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch


an großer Einsamkeit des Geistes. Was immer den Tieren geschieht– geschieht bald auch den Menschen. Alle Dinge sind miteinander verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Ihr müsst Eure Kinder lehren, dass der Boden unter ihren Füßen die Asche unserer Großväter ist. Damit sie das Land achten, erzählt ihnen, dass die Erde erfüllt ist von den Seelen unserer Vorfahren. Lehrt Eure Kinder, was wir unsere Kinder lehren: Die Erde ist unsere Mutter. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Wenn Menschen auf die Erde spucken, bespeien sie sich selbst. Denn das wissen wir, die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde–das wissen wir. Alles ist miteinander verbunden, wie das Blut, das eine Familie vereint. Alles ist verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer Ihr dem Gewebe antut, das tut Ihr Euch selber an. Nein, Tag und Nacht 48 | 49

können nicht zusammenleben. Unsere Toten leben fort in den süßen Flüssen der Erde, kehren wieder mit des Frühlings leisem Schritt, und es ist ihre Seele im Wind, der die Oberfläche der Teiche kräuselt. Das Ansinnen des weißen Mannes, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken. Aber mein Volk fragt, was denn will der weiße Mann? Wie kann man den Himmel oder die Wärme der Erde kaufen–oder die Schnelligkeit der Antilope? Wie können wir Euch diese Dinge verkaufen–und wie könnt Ihr sie kaufen? Könnt Ihr denn mit der Erde tun, was ihr wollt–nur weil der rote Mann ein Stück Papier unterzeichnet–und es dem weißen Manne gibt? Wenn wir nicht die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers besitzen–wie könnt Ihr sie von uns kaufen? Könnt Ihr die Büffel zurückkaufen, wenn der letzte getötet ist? Wir werden Euer Angebot bedenken. Wir wissen, wenn wir nicht verkaufen, kommt wahrscheinlich der weiße Mann mit Waffen und nimmt sich unser Land. Aber wir



»WAS IST DER MENSCH OHNE DIE TIERE? WÄREN ALLE TIERE FORT, SO STÜRBE DER MENSCH AN GROSSER EINSAMKEIT DES GEISTES.  WAS IMMER DEN TIEREN GESCHIEHT  –  GESCHIEHT BALD AUCH DEN MENSCHEN.  ALLE DINGE SIND MITEINANDER VERBUNDEN.«

Die Skyline von Istanbul


sind Wilde. Der weiße Mann, vorübergehend im Besitz der Macht, glaubt, er sei schon Gott–dem die Erde gehört. Wie kann ein Mensch seine Mutter besitzen? Wir werden Euer Angebot, unser Land zu kaufen, bedenken, Tag und Nacht können nicht zusammenleben–wir werden Euer Angebot bedenken, in das Reservat zu gehen. Wir werden abseits und in Frieden leben. Es ist unwichtig, wo wir den Rest unserer Tage verbringen. Unsere Kinder sahen ihre Väter gedemütigt und besiegt. Unsere Krieger wurden beschämt. Nach Niederlagen verbringen sie ihre Tage müßig–vergiften ihren Körper mit süßer Speise und starkem Trunk. Es ist unwichtig, wo wir den Rest unserer Tage verbringen. Es sind nicht mehr viele. Noch wenige Stunden, ein paar Winter–und kein Kind der großen Stämme, die einst in diesem Land lebten oder jetzt in kleinen Gruppen durch die Wälder streifen, wird mehr übrig sein, um an den Gräbern eines Volkes zu trauern–das einst so stark und K APITEL 2 | PRIMITIVISMUS

voller Hoffnung war wie das Eure. Aber warum soll ich trauern über den Untergang meines Volkes, Völker bestehen aus Menschen–nichts anderem. Menschen kommen und gehen wie die Wellen im Meer. Selbst der weiße Mann, dessen Gott mit ihm wandelt und redet, wie Freund zu Freund, kann der gemeinsamen Bestimmung nicht entgehen. Vielleicht sind wir doch– Brüder. Wir werden sehen. Eines wissen wir, was der weiße Mann vielleicht eines Tages erst entdeckt–unser Gott ist derselbe Gott. Ihr denkt vielleicht, dass Ihr ihn besitzt–so wie Ihr unser Land zu besitzen trachtet–aber das könnt ihr nicht. Er ist der Gott der Menschen–gleichermaßen der Roten und der Weißen. Dies Land ist ihm wertvoll–und die Erde verletzen, heißt ihren Schöpfer verachten. Auch die Weißen werden vergehen, eher vielleicht als alle anderen Stämme. Fahret fort, Euer Bett zu verseuchen, und eines Nachts werdet Ihr im eigenen Abfall ersti-


»WENN DIE BÜFFEL ALLE GESCHLACHTET SIND –  D IE WILDEN PFERDE GEZÄHMT –  D IE HEIMLICHEN WINKEL DES WALDES, SCHWER VOM GERUCH VIELER MENSCHEN –  U ND DER ANBLICK REIFER HÜGEL GESCHÄNDET VON REDENDEN DRÄHTEN –  WO IST DAS DICKICHT – FORT, WO DER ADLER – FORT, UND WAS BEDEUTET ES, LEBEWOHL ZU SAGEN DEM SCHNELLEN PONY UND DER JAGD:

DAS ENDE DES LEBENS – UND DEN BEGINN DES ÜBERLEBENS.« cken. Aber in Eurem Untergang werdet ihr hell strahlen–angefeuert von der Stärke des Gottes, der Euch bestimmte, über dieses Land und den roten Mann zu herrschen. Diese Bestimmung ist uns ein Rätsel. Wenn die Büffel alle geschlachtet sind–die wilden Pferde gezähmt –die heimlichen Winkel des Waldes, schwer vom Geruch vieler Menschen–und der Anblick reifer Hügel geschändet von redenden Drähten–wo ist das Dickicht–fort, wo der Adler–fort, und was bedeutet es, Lebewohl zu sagen dem schnellen Pony und der Jagd: Das Ende 52 | 53

des Lebens–und den Beginn des Überlebens. Gott gab Euch Herrschaft über die Tiere, die Wälder und den roten Mann, aus einem besonderen Grund–doch dieser Grund ist uns ein Rätsel. Vielleicht könnten wir es verstehen, wenn wir wüssten, wovon der weiße Mann träumt–welche Hoffnungen er seinen Kindern an langen Winterabenden schildert–und welche Visionen er in ihre Vorstellungen brennt, so dass sie sich nach einem Morgen sehnen. Aber wir sind Wilde–die Träume des weißen Mannes sind uns verborgen. Und weil sie uns verborgen


Skulptur des philippinischen KĂźnstlers Arthur Lozano. Fotografiert in seinem Atelier in Baguio City


sind, werden wir unsere eigenen Wegen gehen. Denn vor allem schätzen wir das Recht eines jeden Menschen, so zu leben, wie er selber

Tage auf unsere Weise verbringen. Wenn der letzte rote Mann von dieser Erde gewichen ist und sein Gedächtnis nur noch der Schatten einer Wolke über der Prärie, wird immer noch der »AUCH DIE WEISSEN Geist meiner Väter in diesen Ufern und diesen WERDEN VERGEHEN, Wäldern lebendig sein. Denn sie liebten diese EHER VIELLEICHT Erde, wie das NeugeboALS ALLE ANDEREN rene seine Mutter. Wenn STÄMME. FAHRET FORT, wir Euch unser Land verkaufen, liebt es, so wie EUER BETT ZU VERwir es liebten, kümmert Euch, so wie wir uns kümSEUCHEN, UND EINES merten, behaltet die ErNACHTS WERDET innerung an das Land, so wie es ist, wenn Ihr es IHR IM EIGENEN ABnehmt. Und mit all Eurer Stärke, Eurem Geist, EuFALL ERSTICKEN.« rem Herzen, erhaltet es für Eure Kinder und liebt es wünscht–gleich wie verschieden es–so wie Gott uns alle liebt. von seinen Brüdern er ist. Das ist nicht viel, was uns verbindet. Denn eines wissen wir–unser Gott ist derselbe Gott. Diese Erde ist Wir werden Euer Angebot bedihm heilig. Selbst der weiße Mann enken. Wenn wir zustimmen, so kann der gemeinsamen Bestimnur, um das Reservat zu sichern, mung nicht entgehen. Vielleicht das ihr versprochen habt. Dort vielsind wir doch–Brüder. Wir werleicht können wir unsere kurzen den sehen.« 54 | 55


» D I E W E I S S H Ä U T I G E Z I V I L I S A T I O N S MENSCHHEIT I N E U R O P A – AMERIKA IST K R A N K . I H R E KRANKHEIT A B E R H E I S S T : 1 K U L T U R  .  «  1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 112



»DER MASSENTOURISMUS STAND VOR DER TÜR, SCHON PIERRE LOTI WARNTE DAVOR [...], DASS JEDES LAND, DAS SICH DEM TOURISMUS ÖFFNE, SEINE WÜRDE AUFGEBE.«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 195

Touristenmenge vor der Hagia Sophia in Istanbul




AUS DER PERSPEKTIVE DES ›WESTLICHEN PRIMITIVEN‹ – GESELLSCHAFTSKRITIK


Scheurmann, Erich

DER PAPALAGI * Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea

A

lle Kulturerrungenschaften des Europäers [(Papalagi ist die Bezeichnung für den Weißen)] betrachtet Tuiavii als einen Irrtum, als eine Sackgasse, er der kulturlose Insulaner. Das könnte anmaßend erscheinen, wenn nicht alles mit [»]wunderbarer Einfalt[«], die ein demütiges Herz verrät, vorgetragen, würde. Er warnt zwar seine Landsleute, ja er ruft sie auf, sich vom Banne des Weißen frei zu machen. Aber er tut es mit der Stimme der Wehmut und bezeugt dadurch, daß sein Missionseifer der Menschenliebe, nicht der Gehässigkeit entspringt. »Ihr glaubet uns das Licht zu bringen«, [...] » in Wirklichkeit möchtet ihr uns mit in eure Dunkelheit hineinziehen.«1 Vom runden Metall Vernunftvolle Brüder, horcht gläubig auf und seid glücklich, daß ihr K APITEL 3 | PRIMITIVISMUS

das Auge nicht kennt und die Schrecken des Weißen.–Ihr alle könnt mit bezeugen, daß der Missionar sagt, Gott sei die Liebe. Ein rechter Christ täte gut, sich immer das Bild der Liebe vor Augen zu halten. Dem großen Gott alleine gälte darum auch die Anbetung des Weißen. Er hat uns belogen, betrogen, der Papalagi hat ihn bestochen, daß er uns täusche mit den Worten des großen Geistes. Denn das runde Metall und schwere Papier, das sie Geld nennen, das ist die wahre Gottheit der Weißen. Sprich einem Europäer vom Gott der Liebe–er verzieht sein Gesicht und lächelt. Lächelt über die Einfalt deines Denkens. Reich ihm aber ein blankes, rundes Stück Metall oder ein großes, schweres Papier–alsogleich leuchten seine Augen, und viel Speichel tritt auf seine Lippen. Geld ist seine Liebe,


Samoanische Frau in zeremonieller Tracht 1 | Text | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 15 –  16 * Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 –  6 0 Bild | https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ef/Samoan_female_ceremonal_ dancer,_by _Thomas_Andrew,_c._1890s.jpg, 16. Mai 2016, 21:34 Uhr


»DER PAPALAGI IST EIN MENSCH MIT BESONDEREN SINNEN.  ER TUT VIELES,  DAS KEINEN SINN HAT UND IHN KRANK MACHT, TROTZDEM PREIST ER ES UND SINGT SICH SELBER EIN SCHÖNES LIED DARAUF.«1 1 | Zitat | Scheurmann, 2001, S. 43 –  4 4

K APITEL 3 | PRIMITIVISMUS


Geld ist seine Gottheit. Sie alle die Weißen denken daran, auch wenn wie schlafen. Es gibt viele, deren Hände sind krumm geworden und

Sie schleppen es in ihren Lendentüchern zwischen zusammengefalteten harten Häuten [(gemeint ist die Kleidung und der Geldbeutel )].

»DER PAPALAGI [...] BRACHTE UNS DAS LICHT, DAS HERRLICHE LICHT, DAS IN UNSER HERZ HINEINFLAMMT UND UNSERE SINNE MIT FRÖHLICHKEIT UND DANKBARKEIT ERFÜLLTE.– ER HATTE DAS LICHT FRÜHER ALS WIR. DER PAPALAGI STAND SCHON IM LICHTE, ALS DIE ÄLTESTEN VON UNS NOCH NICHT GEBOREN WAREN. ABER ER HÄLT DAS LICHT NUR IN AUSGESTRECKTER HAND, UM ANDEREN ZU LEUCHTEN, ER SELBER, SEIN LEIB, STEHT IN DER FINSTERNIS, UND SEIN HERZ IST WEIT VON GOTT, OBWOHL SEIN MUND GOTT RUFT, WEIL ER DAS LICHT IN HÄNDEN HÄLT.«1

1 gleichen in ihrer Haltung den Beinen der großen Waldameise vom vielen Greifen nach dem Metall und Papier. Es gibt viele, deren Augen sind blind geworden vom Zählen ihres Geldes. Es gibt viele, die haben ihre Freude hingegeben um Geld, ihr Lachen, ihre Ehre, ihr Gewissen, ihr Glück, ja Weib und Kind. Fast alle geben ihre Gesundheit dafür hin. Um das runde Metall und das schwere Papier. 1 | Zitat | Scheurmann, 2001, S. 150

Sie legen es nachts unter ihre Schlafrolle, damit es ihnen niemand nehme. Sie denken täglich, stündlich, sie denken in allen Augenblicken daran. Alle, alle! Auch die Kinder! Sie müssen, sollen daran denken. Es wird [ihnen] von der Mutter so gelehrt, und sie sehen es vom Vater. Alle Europäer! Wenn du in den Steinspalten [(gemeint sind die Häuserschluchten der großen Städte)] Siamanis [(Deutsch-


land)] gehst, so hörst du jeden Augenblick einen Ruf: Mark! Und wieder der Ruf: Mark! Du hörst ihn überall. Es ist der Name für das blanke Metall und schwere Papier. In Falani [(Frankreich)]– Frank, in Peletania [(England)] –Shilling, in Italia [(Italien)]– Lire. Mark, Frank, Shilling, Lire –dies ist alles dasselbe. Alles dies heißt Geld, Geld, Geld. Das Geld allein ist der wahre Gott des Papalagi, so dies Gott ist, was wir am höchsten verehren. Es ist dir aber auch in den Ländern des Weißen nicht möglich, auch nur einmal vom Sonnenaufgang bis -untergang ohne Geld zu sein. Du würdest deinen Hunger und Durst nicht stillen können, du würdest keine Matte finden zur Nacht. Man würde dich ins Fale pui pui [(Gefängnis)] stecken und dich in den vielen Papieren [(Zeitungen)] ausrufen, weil du kein Geld hast. Du mußt zahlen, das heißt Geld hingeben, für den Boden, auf dem du wandelst, für den Platz, auf dem deine Hütte steht, für deine Matte zur Nacht, für das Licht, das deine Hüte erhellt. Dafür daß K APITEL 3 | PRIMITIVISMUS

du eine Taube schießen darfst oder deinen Leib im Flusse baden. Willst du dorthin gehen, wo die Menschen Freude haben, wo sie singen oder tanzen, oder willst du deinen Bruder um einen Rat fragen–du mußt viel rundes Metall und schweres Papier hingeben. Du mußt zahlen für alles. Überall steht dein Bruder und hält die Hand auf, und er verachtet dich oder zornt dich an, wenn du nichts hineintust. Und dein demütiges Lächeln und freundlichster Blick hilft dir nichts, sein Herz weich zu machen. Er wird seinen Rachen weit aufsperren und dich anschreien: »Elender! Vagabund! Tagedieb!« Das alles bedeutet das gleiche und ist die größte Schmach, die einem widerfahren kann. Ja selbst für deine Geburt mußt du zahlen, daß du gestorben bist, auch dafür, daß man deinen Leib in die Erde gibt, wie für den großen Stein, den man zu deinem Gedenken auf dein Grab rollt. Ich habe nur eines gefunden, für das in Europa noch kein Geld erhoben wird, das jeder betätigen kann, soviel er will: das Luftneh-


men. Doch ich möchte glauben, daß dies nur vergessen ist, und ich stehe nicht an zu behaupten, daß, wenn man diese meine Worte in Europa hören könnte, augenblicklich auch dafür das runde Metall und schwere Papier erho-

Glieder. Ein nichts. Du mußt Geld haben. Du brauchst das Geld wie das Essen, Trinken und Schlafen. Je mehr Geld du hast, desto besser ist dein Leben. Wenn du Geld hast, kannst du Tabak dafür haben, Ringe oder schöne Lendentücher. Du kannst so viel Tabak, Ringe oder Lendentücher »ABER VIEL SCHLIMhaben, als du Geld hast. MERE STRAFE HAT Hast du viel Geld, kannst du viel haben. Jeder möchGOTT DEM PAPALAGI te viel haben. Darum will auch jeder viel Geld habGEGEBEN [...].  –   E R en. Und jeder mehr als der GAB IHM DEN KAMPF andere. Darum die GierZWISCHEN DENEN, DIE de danach und das Wachsein der Augen auf Geld NUR EIN KLEINES zu jeder Stunde. Werfe ein rundes Metall in den ODER GAR KEIN MEIN Sand, die Kinder stürzen HABEN, UND DENEN, sich darüber, kämpfen darum, und wer es greift und DIE EIN GROSSES hat, ist der Sieger, ist glüMEIN SICH NEHMEN«1 cklich.–Man wirft aber selten Geld in den Sand. ben würde. Denn alle Europäer su1 chen immer nach neuen Gründen, Woher kommt das Geld? Wie Geld zu verlangen. kannst du viel Geld bekommen? O auf vielerlei, auf leichte und schweOhne Geld bist du in Europa ein re Weise. Wenn du deinem Bruder Mann ohne Kopf, ein Mann ohne das Haar abschlägst [(gemeint ist 1 | Zitat | Scheurmann, 2001, S. 91


Slumkinder aus Happyland auf der Suche nach Geldmßnzen in den Abwässern der Millionenmetropole Manila



der Friseur)], wenn du ihm den Unrat vor seiner Hütte fortträgst, wenn du ein Canoe über das Wasser lenkst, wenn du einen starken Gedanken hast.– Ja, es muß der Gerechtigkeit wegen gesagt sein:

»Wir aber, die wir freie Kinder der Sonne und d[es] Lichts sind, wollen dem großen Geiste treu bleiben und ihm nicht das Herz mit Steinen beschweren. Nur verirrte, kranke Menschen, die Gottes Hand nicht mehr halten, können zwischen Steinspalten [(gemeint sind die Häuserschluchten der großen Städte)] ohne Sonne, Licht und Wind glücklich leben. Gönnen wir dem Papalagi sein zweifelhaftes Glück, aber zertrümmern wir ihm jeden Versuch, auch an unseren sonnigen Gestaden Steintruhen [(Wohnhäuser)] aufzurichten und die Menschenfreude zu töten mit Stein, Spalten, Schmutz, Lärm, Rauch und Sand, wie es sein Sinn und Ziel ist.«1

1

Wenn auch alles viel schweres Papier und rundes Metall erfordert, leicht kannst du auch für alles solches bekommen. Du brauchst nur ein Tun zu machen, was sie in Europa »Arbeiten « nennen. 1 | Zitat | Scheurmann, 2001, S. 46

»Arbeite, dann hast du Geld « heißt eine Sittenregel in Europa. Dabei herrscht nun eine große Ungerechtigkeit, über die der Papalagi nicht nachdenkt, nicht nachdenken will, weil er seine Ungerechtigkeit dann einsehen müßte. Nicht alle, welche Geld haben, arbeiten auch viel. (Ja alle möchten viel Geld haben, ohne zu arbeiten.) Und das kommt so: Wenn ein Weißer so viel Geld verdient, daß er sein Essen hat, seine Hütte und Matte und darüber hinaus noch etwas mehr, läßt er sofort für das Geld, was er mehr hat, seinen Bruder arbeiten. Für sich. Er gibt ihm zunächst die Arbeit, welche seine eigenen Hände schmutzig und hart gemacht hat. Er läßt ihn den Kot forttragen, den er selber verursacht hat. Ist er ein Weib, so nimmt es sich ein Mädchen als seine Arbeiterin. Es muß ihm die schmutzige Matte reinigen, die Kochgeschirre und Fußhäute [(gemeint sind Schuhe)], es muß die zerrissenen Lendentücher wieder heilen [(zerrissene Kleidung flicken)] und darf nichts tun, was ihn nicht dient. Nun hat er oder sie Zeit für größere, stärkere und fröh-


lichere Arbeit, bei der die Hände sauberer bleiben und die Muskeln froher und–für die mehr Geld bezahlt wird. Ist er ein Bootsbauer, so muß ihm der andere helfen, Boote zu bauen. Von dem Gelde, das dieser durch das Helfen macht und daher eigentlich ganz haben sollte, nimmt er ihm einen Teil ab, den größten, und sobald er nur kann, läßt er zwei Brüder für sich arbeiten, dann drei, immer mehr müssen für ihn Boote bauen, schließlich hundert und noch mehr. Bis er gar nichts mehr tut als auf der Matte liegen, europäische Kava trinken und Rauchrollen verbrennen, die fertigen Boote abgeben und sich das Metall und Papier bringen lassen, das andere für ihn erarbeiteten.–Dann sagen die Menschen: Er ist reich. Sie beneiden ihn und geben ihm viele Schmeicheleien und klingende Wohlreden. Denn das Gewicht eines Mannes in der weißen Welt ist nicht sein Adel oder sein Mut oder der Glanz seiner Sinne, sondern die Menge seines Geldes, wieviel er davon an jedem Tag machen kann, wieviel er in seiner dicker eisernen Truhe [(gemeint ist ein Tresor)], die 70 | 71

kein Erdbeben zerstören kann, verschlossen hält. Es gibt viele Weiße, die häufen das Geld auf, welches andere für sie gemacht haben, bringen es an einen Ort, der gut behütet ist [(die Bank)], bringen immer mehr dahin, bis sie eines Tages auch keine Arbeiter mehr für sich brauchen, denn nun arbeitet das Geld selbst für sie. Wie dies möglich ist, ohne eine wilde Zauberei, habe ich nie ganz erfahren, aber es ist in Wahrheit so, daß Geld immer mehr wird, wie Blätter an einem Baum, und daß der Mann reicher wird, selbst wenn er schläft. Wenn nun einer viel Geld hat, viel mehr als die meisten Menschen, so viel, daß hundert, ja tausend Menschen sich ihre Arbeit damit leicht machen könnten–er gibt ihnen nichts: er legt seine Hände um das runde Metall und setzt sich auf das schwere Papier mit Gier und Wollust in seinen Augen. Und wenn du ihn fragst: »Was willst du mit deinem vielen Gelde machen? Du kannst hier auf Erden doch nicht viel mehr als dich kleiden,


deinen Hunger und Durst stillen? « –so weiß er dir nichts zu antworten, oder er sagt: »Ich will noch mehr Geld machen. Immer mehr. Und noch mehr.« Und du erkennst bald, daß das Geld ihn krank gemacht hat, daß alle seine Sinne vom Geld besessen sind. Er ist krank und besessen, weil er seine Seele an das runde Metall und schwere Papier hängt und nie genug haben und nicht aufhören kann, möglichst vieles an sich zu reißen. Er kann nicht so denken: Ich will ohne Beschwerde und Unrecht aus der Welt gehen, wie ich hineingekommen bin; denn der große Geist hat mich auch ohne das runde Metall und schwere Papier auf die Erden geschickt. Daran denken die wenigsten. Die meisten bleiben in ihrer Krankheit, werden nie mehr gesund im Herzen und freuen sich der Macht, die ihnen das viele Geld gibt. Sie schwellen auf in Hochmut wie faule Früchte im Tropenregen. Sie lassen mit Wollust viele ihrer Brüder in roher Arbeit, damit sie selber fett von Leib werden und gut gedeihen. Sie tun dies, ohne daß ihr Gewissen K APITEL 3 | PRIMITIVISMUS

krankt. Sie freuen sich ihrer schönen, bleichen Finger, die nun nie mehr schmutzig werden. Es plagt sie nicht und nimmt ihnen nie den Schlaf, daß sie dauernd die Kraft anderer rauben und zu ihrer eigenen tun. Sie denken nicht daran, den anderen einen Teil ihres Geldes zu geben, um ihnen die Arbeit leichter zu machen. So gibt es in Europa eine Hälfte, die muß viel und schmutzig arbeiten, während die andere Hälfte wenig oder gar nicht arbeitet. Jene Hälfte hat keine Zeit, in der Sonne zu sitzen, diese viele. Der Papalagi sagt: Es können nicht alle Menschen gleich viel Geld haben und alle gleichzeitig in der Sonne sitzen. Aus dieser Lehre nimmt er sich das Recht, grausam zu sein, um des Geldes willen. Sein Herz ist hart und sein Blut kalt, ja er heuchelt, er lügt, er ist immer unehrlich und gefährlich, wenn seine Hand nach dem Gelde greift. Wie oft erschlägt ein Papalagi den anderen um des Geldes willen. Oder er tötet ihn mit dem Gift seiner Worte, er betäubt ihn damit, um ihn auszurauben. Daher traut auch selten


»SO HABEN ALLE SEINE WUNDER [(GEMEINT SIND DIE INNOVATIONEN DES WESTENS ANHAND VON MECHANISIERUNG UND TECHNOLOGISIERUNG)] DOCH EINE HEIMLICHE UNVOLLKOMMENE STELLE, UND ES GIBT KEINE MASCHINE, DIE NICHT IHREN WÄCHTER BRAUCHT UND IHRE ARBEITER. UND JEDE BIRGT IN SICH EINEN HEIMLICHEN FLUCH. DENN WENN AUCH DIE STARKE HAND DER MASCHINE ALLES MACHT, SIE FRISST BEI IHRER ARBEIT AUCH DIE LIEBE MIT, DIE EIN JEDES DING IN SICH BIRGT, DAS UNSERE EIGENEN HÄNDE BEREITETEN. [...]

DIES IST DER GROSSE FLUCH DER MASCHINE, DASS DER PAPALAGI NICHTS MEHR LIEBHAT, WEIL SIE IHM ALLES ALSOGLEICH WIEDERMACHEN KANN.«1 wissen nie, wie und woher einer seine Schätze genommen hat.

einer dem anderen, denn alle wissen von ihrer großen Schwäche. Nie weißt du daher auch, ob ein Mann, der viel Geld hat, gut im Herzen ist; denn er kann wohl [(auch)] sehr schlecht sein. Wir 1 | Zitat | Scheurmann, 2001, S. 104 –  105

Dafür weiß aber der reiche Mann auch nicht, ob die Ehre, die man ihm darbietet, ihm selber oder nur seinem Gelde gilt. Sie gilt zumeist seinem Gelde. Deshalb begreife ich auch nicht, warum die sich so sehr


schämen, die da nicht viel rundes Metall und schweres Papier haben und den reichen Mann beneiden, statt sich beneiden zu lassen. Denn wie es nicht gut ist und unfein, sich

Aber kein Papalagi will auf sein Geld verzichten. Keiner. Wer das Geld nicht liebt, wird belächelt, ist velea [(dumm)]. »Reichtum–das ist viel Geld haben–macht glücklich«, sagt der Papalagi. Und: »Das Land, das am meisten Geld hat, ist das »DER ORT DES FALSCHEN LEBENS glücklichste.« [(GEMEINT IST DAS KINO;

HEUTZUTAGE AUCH BEZOGEN

Wir alle, ihr lichten Brüder, sind arm. Unser Land ist das ärmste unter der USW.)] UND DIE VIELEN PAPIERE Sonne. Wir haben nicht [(GEMEINT SIND ZEITUNGEN, soviel rundes Metall und MAGAZINE USW.)] HABEN DEN schweres Papier, um eine PAPALAGI ZU DEM GEMACHT, Truhe damit zu füllen. Wir sind armselige Bettler im WAS ER IST: ZU EINEM Denken des Papalagi. Und SCHWACHEN, IRRENDEN MENdoch! Wenn ich eure AuSCHEN, DER LIEBT, WAS NICHT gen sehe und vergleiche sie WIRKLICH IST, UND DER mit denen der reichen Alii [(der reichen Herren)], so DAS, WAS WIRKLICH IST, NICHT finde ich die ihren matt, 1 MEHR ERKENNEN K ANN« welk und müde, eure aber strahlen wie das große mit einer 1 großen Last Muschel- Licht, strahlen in Freude, Kraft, ketten zu behängen, so auch nicht Leben und Gesundheit. Eure Augmit der schweren Last des Geldes. en habe ich nur bei den Kindern Es nimmt dem Menschen den Atdes Papalagi gefunden, ehe sie em und seinen Gliedern die rechte sprechen konnten, denn bis dahin Freiheit. wußten auch sie nichts vom Gelde.

AUF DEN FERNSEHER, COMPUTER

1 | Zitat | Scheurmann, 2001, S. 132


Mädchen aus dem Volk der Ivatan; Philippinen

Das Geld ist ein Aitu [(der Teufel)]; denn alles, was er tut, ist schlecht und macht schlecht. Wer das Geld nur berührt, ist in seinem Zauber gefangen, und wer es liebt, der muß 74 | 75

ihm dienen und ihm seine Kräfte und alle Freuden geben, solange er lebt. Lieben wir unsere edlen Sitten, die den Mann verachten, der etwas für eine Gastlichkeit, der für


jede gereichte Frucht ein Alofa [(Geschenk)] fordert. Lieben wir unsere Sitten, die es nicht dulden, daß einer viel mehr hat als der andere oder einer sehr vieles und der andere gar nichts. Damit wir nicht im Herzen werden wie der Papalagi, der glücklich und heiter sein kann, auch wenn sein Bruder neben ihm traurig und unglücklich ist. Hüten wir uns aber vor allem vor dem Gelde. Der Papalagi hält nun auch uns das runde Metall und schwere Papier entgegen, uns lüstern danach zu machen. Es sollte uns reicher und glücklicher machen. Schon sind viele von uns geblendet und in die schwere Krankheit geraten. Doch wenn ihr den Worten eures demütigen Bruders glaubt und wißt, daß ich die Wahrheit spreche, wenn ich euch sage, daß das Geld nie froher und glücklicher macht, wohl aber das Herz und den ganzen Menschen in arge Wirrnis bringt, daß man mit Geld nie einem Menschen wirklich helfen, ihn froher, stärker und glücklicher machen kann–so werdet ihr das runde Metall und schwere Papier hassen als eueren schwersten Feind. K APITEL 3 | PRIMITIVISMUS

Rushhour in dem Stadtviertel Shibuya in Tokyo


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»  N I C H T D I E KOLONISIERTEN S C H W A R Z E N S I N D D I E S K L A V E N , S O N D E R N D I E W E I S S E N , D I E SICH VON IHREN Z I V I L I S A T I O N S VORSTELLUNGEN U N D D E R E N P R O PAGANDISTEN V E R S K L A V E N 1 L A S S E N  .  «  1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 108




»› D ER PARISER ODER BERLINER JEDOCH, DER NIE ERNSTHAFT ÜBER DAS WEICHBILD SEINER WELTSTADT HINAUSGEBLICKT HAT, WIRD VOR [...] EINER MENSCHENAUSSTELLUNG NUR DEN ÄUSSERLICHEN UNTERSCHIED, DAS KURIOSE UND LÄCHERLICHE WAHRNEHMEN UND SO VON DEN FREMDLINGEN DAS EINZIGE, DAS SIE UNBEWUSST LEHREN KÖNNTEN, NICHT LERNEN: HUMANISMUS.‹«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 108 Bild | http://www.planet-wissen.de/geschichte/menschenrechte/sklaverei/ portraetsklavereinarbengjpg100~_v-gseagaleriexl.jpg, 08. Mai 2016, 15:39 Uhr

Misshandelter Sklave aus Afrika



ANTHROPOLOGIE – GRUNDLAGE FÜR DEN PRIMITIVISMUS


Lévy-Bruhl, Lucien

DIE GEISTIGE WELT DER PRIMITIVEN Die Denkvorgänge der ›Primitiven‹

D

ie geistigen Handlungen werden niemals um ihrer selbst willen vorgenommen und sie erheben sich deshalb für uns nicht zur Würde dessen, was wir im eigentlichen Sinne »Gedanken« nennen. Dieses setzt ein moderner Forscher in helles Licht, welcher bei den Polar–Eskimos gelebt hat. »Alle ihre Gedanken«, sagt er, »drehen sich um den Walfischfang, die Jagd und um das Essen. Abgesehen davon ist für sie der »Gedanke« im allgemeinen das Synonym für Langeweile oder Kummer. »Woran denkst du«, fragte ich eines Tages auf der Jagd einen Eskimo, welcher ganz in seine Überlegungen vertieft schien. Meine Frage erregte nur Lachen. »Da erkennt man Euch richtig, Ihr Weißen, die Ihr soviel denkt, wir Eskimos denken nur an unsere Fleischverstecke für die lange Nacht des Winters, ob wir genug haben werden oder nicht. Wenn das Fleisch in genügender Menge vorhanden ist, haben wir es nicht mehr nötig, zu denken. Ich, ich habe mehr Fleisch als ich brauche.« Ich verstand, daß ich ihn beleidigt hatte, indem ich ihm »Gedanken« zutraute.1 1 | Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 6 –  7 K APITEL 4 | PRIMITIVISMUS


»DIE[...] TENDENZ, DAS GEDÄCHTNIS, WO IRGEND MÖGLICH, AN STELLE DES NACHDENKENS ZU GEBRAUCHEN, ZEIGT SICH SCHON BEI DEN KINDERN, DEREN GEISTIGE GEWOHNHEITEN SICH NATÜRLICH NACH DENEN IHRER ELTERN FORMEN.«1 Die geheimnisvollen und unsichtbaren Mächte  Kausalität und Zeit Allgegenwart der Geister, Hexerei und Zauber, die immer drohend im Schatten stehen, Verstorbene, eng mit dem Leben der Lebenden vermischt; dieses Zusammenspiel von Vorstellungen bildet für die Naturvölker eine unerschöpfliche Quelle von Gemütsbewegungen, und durch sie erhält ihre geistige Tätigkeit ihren wesentlichen Charakter. Sie ist nicht nur mystisch, das heißt, in jedem Augenblick zu den dunkeln Mächten hingewendet. Sie ist nicht nur prälogisch [(vorlogisch; das primitive, natürliche, gefühlsmäßige, einfallsmäßige Denken betreffend)]2 , d.h. meistens indifferent gegen Widersprüche. Noch mehr: die Kausalität, die uns vertraut ist, und diese dritte Form ist mit den beiden ersten solidarisch. Das Band der ursächlichen Verknüpfung, so wie wir es verstehen, verbindet die Phänomene innerhalb der Zeit in notwendiger Weise und bedingt sie derart, daß 1 | Zitat | Lévy-Bruhl, 1966, S. 9 2 | Zusatzinformation | http://www.duden.de/rechtschreibung/ praelogisch, 10. Mai 2016, 18:11 Uhr


sie sich in unveränderliche Reihen anordnen. Außerdem verlängern und untermischen sich die Reihen der Ursachen und Wirkungen ins Unendliche. Alle Erscheinungen des Weltalls stehen, wie Kant sagt, in allgemeiner Wechselwirkung; aber so komplex dieses Netz auch sei, die Gewißheit, die wir haben, daß diese Erscheinungen sich immer wieder tatsächlich zu kausalen Reihen anordnen, begründet für uns die Ordnung der Welt, mit einem Wort, die Erfahrung überhaupt. Für die primitive Geistesart liegt es aber ganz anders. [...] [S]ie [schreibt]beinah alles, was geschieht, dem Einfluß dunkler oder geheimnisvoller Mächte zu (Zauberei, Abgeschiedene Geister usw.). Indem sie dieses tut, gehorcht sie ohne Zweifel demselben geistigen Triebe wie wir. Aber anstatt daß für uns Ursache und Wirkung beide in der Zeit und fast immer im Raume gegeben sind, gibt die primitive Mentalität jeden Augenblick zu, daß nur eines der beiden Glieder wahrgenommen werde; das andere gehört der Gesamtheit der unsichtbaren und nicht wahrnehmbaren Wesen an. Allerdings ist in seinen Augen diese nicht weniger wirklich, nicht weniger unmittelbar gegeben als die andere; und das ist sogar ein dieser Geistesart eigentümliches Merkmal; aber das kausale Band zwischen diesen heterogenen Gliedern wird von dem Bande sehr abweichen, welches wir uns vorstellen. Die Ursache, eines der beiden Glieder

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bleibt ohne sichtbaren Kontakt mit den Wesen und Tatsachen der sinnlich wahrnehmbaren Welt. Sie ist außerräumlich und daher, mindestens unter einem gewissen Gesichtspunkt, außerzeitlich. Sie geht ohne Zweifel ihrer noch voraus, und darin wird der Groll bestehen, den z.B. ein Neu-Verstorbener empfindet und der ihn bestimmt, den Überlebenden dieses oder jenes Leiden aufzuerlegen. Aber nichtsdestoweniger bleibt die Tatsache bestehen, daß die mystischen Kräfte, welche die Ursachen sind, unsichtbar und ungreifbar für die gewöhnlichen Mittel der Wahrnehmung bleiben. Dies verhindert, sie in Zeit und Raum einzuordnen und erlaubt oft nicht, sie zu individualisieren. Sie schwimmen, sie strahlen sozusagen, sie kommen aus unzugänglichen Regionen; sie umgeben von allen Seiten die Menschen, die nicht erstaunt sind, sie an mehreren Orten zugleich zu fühlen. Die Welt der Erfahrung, welche sich für die primitive Geistesart so konstituiert, kann reicher als die unsere erscheinen, wie ich oben bemerkt habe, nicht nur, weil diese Erfahrung Elemente mit einbegreift, die die unsrige nicht enthält, sondern auch, weil ihre Struktur eine andere ist. Diese mystischen Elemente scheinen für die Geistesart der Naturvölker etwas in der Art einer Ergänzungsdimension einzuschließen, die unsere Mentalität nicht kennt. Und zwar nicht eigentlich eine räumliche Dimension, sondern vielmehr eine Dimension der Erfahrung in ihrer Gesamtheit. Diese besondere Beschaffenheit der Erfahrung macht es, daß die Naturvölker die Modi der Kausalität als einfach und natürlich betrachten [...].

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Für die prälogische Mentalität stellt sich die ursächliche Verknüpfung unter zwei, übrigens benachbarten Formen dar. Bald wird eine bestimmte Vorverbindung durch die Kollektivvorstellung aufgedrängt: z. B. wenn ein gewisses Tabu verletzt ist, wird sich ein gewisses Unglück zeigen, oder umgekehrt, wenn sich ein solches Unglück zeigt, ist ein solches Tabu verletzt worden. Oder auch das Ereignis, welches geschieht, wird im allgemeinen auf eine mystische Ursache zurückgeführt: eine Epidemie bricht aus, davon muß der Zorn der Ahnen die Ursache sein, oder es ist die Bosheit eines Zauberers; man versichert sich dessen entweder durch Wahrsagerei, oder indem man die der Zauberei verdächtigen Personen einem Gottesurteil unterwirft. In dem einen wie dem andern Fall ist die Verbindung von Ursache und Wirkung unmittelbar. Sie läßt keine Mittelglieder zu oder wenigstens wenn sie solche anerkennt, betrachtet sie sie als unwichtig und leiht ihnen keinerlei Aufmerksamkeit. Wenn wir sagen, daß eine Vergiftung den Tod verursacht hat, stellen wir uns eine große Anzahl von Phänomenen vor, die der Einnahme des Giftes in einer bestimmten Ordnung gefolgt sind. Die in den Körper eingeführte Substanz wird z.B. auf dieses oder jenes Gewebe, dieses oder jenes Eingeweide ihren Einfluß ausgeübt haben. Diese Aktion muß auf die nervösen Zentren zurückgewirkt haben; die Atmungsorgane werden demzufolge angegriffen worden sein usw., bis endlich die Gesamtheit der physiologischen

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Funktionen aufgehalten wurde. Für die primitive Geistesart wirkt das Gift einzig darum, weil das Opfer zum Tode verurteilt wurde (doomed). Die Verbindung zwischen dem Todesfall einerseits und der verhängnisvollen Wirkung des Zaubers andererseits ist hergestellt. Alle dazwischen liegenden Erscheinungen sind ohne Bedeutung. Sie geschehen nur durch den Willen und besonders durch die Kraft des Zauberers. Wenn er gewollt hätte, hätten sie auch anders sein können. Es ist nicht einmal ein Mechanismus, den er auslöst. Die Vorstellung dieses Mechanismus, der sich von einem gegebenen Moment ab in zwangsläufiger Weise anrollen würde, schließt den klaren Begriff eines Determinismus gewisser Phänomene ein. Die primitive Mentalität besitzt diese Vorstellung nicht. Sie ersetzt sie durch die Vorstellung von gefügigen und gehorsamen Instrumenten, wie z.B. das Krokodil, welches das ihm von dem Zauberer bezeichnete Opfer entführt. Es ist sicher, daß das Krokodil es entführen wird. Aber dies geschieht nicht, weil der Mensch sich dem Angriff des Tieres unkluger Weise ausgesetzt hat. Im Gegenteil, nach der Ansicht des Primitiven würde das Krokodil, wenn es dem Zauberer nicht als Werkzeug diente, dem Menschen [...] nichts [...] Böses antun. Ebenso sind die Lähmung, die Schmerzen und endlich der Tod, der durch das Gift verursacht worden ist, nicht die notwendigen Wirkungen seiner Gegenwart im Körper, sondern die Mittel, die die geheimnisvolle Macht gewählt hat, um ihre Opfer zu töten.

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»YOU' V E GOT A LOT OF DIRT IN YOUR WATER [(BAD SPIRITS)]. THAT IS VERY COMMON WITH YOU WHITE PEOPLE !«1 1 | Tatsächliche Aussage | Mananambal

Als ›Mananambal‹ wird der philippinische Medizinmann bezeichnet. Durch das Ausblasen seines Atems durch einen Strohhalm in einen Wasserbehälter, sollen Krankheiten geheilt, und böse Geister vertrieben werden. Zu Beginn des Rituals entsteht eine Trübung oder Verunreinigung im Wasser (symbolisiert Krankheiten oder Geister). Die Prozedur wird solange durchgeführt, bis das Wasser seine ursprüngliche Klarheit wiedererlangen konnte. Erst dann kann der Patient von seinen körperlichen bzw. geistigen Leiden erlöst werden


Man sieht jetzt den tiefen Grund, weshalb die primitive Geistesart den sekundären Ursachen gleichgültig gegenübersteht. Sie ist an einen Typus der Kausalität gewöhnt, der ihr sozusagen das Netz der Ursachen verbirgt. Während diese den Nexus und den Komplexus konstituieren, die sich in Zeit und Raum ausdehnen, sind die mystischen Ursachen, an welche sich die primitive Geistesart beinahe immer wendet, außerräumlich und sogar außerzeitlich. Sie schließen sogar die Vorstellung von diesem Nexus und Komplexus aus. Ihre Handlung kann nur unmittelbar sein. Selbst wenn sie sich in der Entfernung auswirkt (wie es oft bei einer Verzauberung geschieht) und wenn ihre Wirkung nur im Laufe eines gewissen Verzuges erscheinen darf, stellt man sie sich darum nicht weniger unmittelbar vor, oder besser gesagt, empfindet man sie nicht weniger als unmittelbar. Die ganz mystische Verbindung, und man muß noch öfter sagen, die Vorverbindung, wird durch die dunkle Macht direkt an die hervorgebrachte Wirkung gebunden, so weit entfernt sie auch sei. Die Frage nach dem »Wie« stellt sich diese Geistesart also beinahe niemals. Indessen hat der unmittelbare Charakter der mystischen Kausalität denselben Wert und noch höheren als das, was wir Evidenz nennen, sei sie sinnlich, rational oder intuitiv. Es liegt in der Natur einer Vorverbindung, daß sie nicht bestritten wird oder werden kann. Wenn die Eingeborenen bemerken, daß die Europäer sich weigern, an sie zu glauben, haben sie Mit-

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leid mit ihnen oder sie erkennen an, daß das, was für sie gilt, für die Weißen nicht zu gelten braucht. Ein sehr richtiger Schluß, aber nicht in dem Sinne, wie sie es verstehen. Das Vorherrschen dieses Typus von mystischer und unmittelbarer Kausalität in ihrem Geiste trägt dazu bei, ihrer Mentalität in ihrer Gesamtheit den Charakter zu verleihen, der es uns so schwierig macht, sie ganz zu verstehen. Denn es ist zu bedenken, daß weder Zeit noch Raum für sie genau dasselbe sind, wie für uns,–ich verstehe für uns im täglichen Leben und nicht in der philosophischen oder wissenschaftlichen Reflexion. Können wir uns den Zeitbegriff vorstellen, den wir haben würden, wenn wir nicht gewohnt wären, die Erscheinungen als durch ein kausales Band verknüpft zu betrachten? Weil sich für uns die Erscheinung–ohne daß wir darüber nach zudenken brauchen–in unveränderliche Reihen mit bestimmten und meßbaren Zwischenräumen anordnen, weil uns die Ursachen und Wirkungen wie geordnet in dem uns umgebenden Raum erscheinen, scheint uns die Zeit auch ein homogenes Quantum zu sein, teilbar in untereinander identische Teile, die sich mit absoluter Regelmäßigkeit folgen. Aber was ist die Vorstellung der Zeit für Geister, welche diese regelmäßigen Reihen der Erscheinungen im Raum gleichgültig lassen und welche der unveränderlichen Folge von Ursache und Wirkung keinerlei Aufmerksamkeit leihen, wenigstens keine reflektierte? Mangels eines Aufenthalts kann sie nur unbestimmt und schlecht

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definiert werden. Sie nähert sich vielmehr einem subjektiven Gefühl der Dauer – [...] das nicht ohne Analogie mit dem von Bergson beschriebenen ist. Sie ist kaum eine Vorstellung. Die Vorstellung, die wir von der Zeit haben, scheint uns von Natur dem menschlichen Geiste anzugehören. Aber das ist eine Einbildung. Diese Idee existiert nicht für die primitive Geistesart, die die Kausalverbindung unmittelbar zwischen dem gegebenen Phänomen und der dunklen außerräumlichen Kraft herstellt. Wie [...] [man] gezeigt hat, hat die primitive Mentalität vielmehr ein Gefühl der Zeit nach ihren Eigenschaften, als daß sie sich dieselbe in ihrem objektiven Charakter vorstellt. »Die Neger, die weiter innen im Lande wohnen, so [wird] berichtet [...], teilen die Zeit in einer [»]drolligen [«] Weise ein, nämlich in glückliche und unglückliche Zeit. Es gibt einige Länder, wo die große, glückliche Zeit 19 Tage dauert, und die kleine (denn man muß wissen, daß sie dort noch einen Unterschied machen) währt 7 Tage; zwischen diesen beiden Zeiten zählen sie 7 unglückliche Tage, die eigentlich ihre Ferien sind, denn sie reisten weder in diesen Tagen, noch ziehen sie in den Krieg, noch unternehmen sie etwas Wichtiges, sondern sie halten sich ruhig, ohne etwas zu tun.« Mann erkennt die klassische Unterscheidung von Glücks- und Unglückstagen wieder. Die Perioden und die herausspringenden Zeitpunkte sind durch die Offenbarungen der mystischen Gewalten charak-

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»DIE NEGER, DIE WEITER INNEN IM LANDE WOHNEN, SO [WIRD] BERICHTET [...], TEILEN DIE ZEIT IN EINER [»]DROLLIGEN[«] WEISE EIN, NÄMLICH IN GLÜCKLICHE UND UNGLÜCKLICHE ZEIT.«

terisiert, die sich darin kund tun. An sie und fast allein an sie bindet sich die primitive Mentalität. Gewisse Forscher haben diese Bemerkung in ganz besonderen Ausdrücken gemacht. So: »Was wir Europäer Vergangenheit nennen, ist an die Gegenwart geknüpft, und diese ist ihrerseits an die Zukunft gebunden. Aber diese Menschen glauben an ein aus zwei nicht getrennten Existenzen zusammengesetztes Leben, von denen die eine in die andere übergeht, wie die menschliche in die geistige und die geistige in die menschliche; für sie hat also die Zeit in Wirklichkeit nicht die Einteilung wie für uns. Ebenso hat sie weder Wert noch Zweck, und aus diesem Grunde behandelt man sie mit einer dem Europäer vollständig unerklärlichen Gleichgültigkeit und Verachtung.« Dieser bemerkenswerte Satz [...] ist dunkel, vielleicht wie die Vorstellungen selbst, von denen er eine Idee geben will. Aber es sind wohl diejenigen von Geistern, die zum mindesten ebenso in der Welt der unsichtbaren Realitäten leben, als in dem, was wir die objektive Realität nennen.

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Was [...] soeben von der Zeit gesagt [...] wurde, ist auch auf den Raum anzuwenden, und aus denselben Gründen. Der Raum, den wir uns ganz homogen vorstellen–nicht nur der geometrische Raum, sondern auch der Raum, der in unseren laufenden Vorstellungen mit einbezogen ist–, erscheint uns wie ein indifferenter Hintergrund für die Gegenstände, welche sich darauf abzeichnen. Ob die Phänomene sich in dieser oder jener Region des Raumes produzieren, im Norden oder im Süden, in der Höhe oder in der Tiefe, zu unserer Linken oder zu unserer Rechten, hat in unseren Augen keine Bedeutung für die Phänomene selbst; es erlaubt nur, ihre Lage zu bestimmen und häufig sie zu messen. Aber eine derartige Vorstellung des Raumes ist nur für die Geister möglich, die an die Beachtung der Reihen sekundärer Ursachen gewöhnt sind, welche sich in der Tat nicht verändern, wie auch die Regionen des Raumes beschaffen sei, in welchem sie gegeben sind. Setzen wir nun ganz anders orientierte Geister voraus, welche vor allem und beinah ausschließlich mit dunklen Kräften und mystischen Mächten beschäftigt sind, deren Handlung sich in unmittelbarer Art und Weise offenbart. Diese Geister werden sich den Raum nicht als ein gleichförmiges indifferentes Quantum vorstellen. Im Gegenteil, er wird ihnen mit Qualitäten beladen erscheinen: seine verschiedenen Regionen werden besondere Eigenschaften und werden Anteil an den mystischen Mächten haben, welche sich dort offenbaren. Er wird nicht sowohl vorgestellt als gefühlt werden und die verschiedenen Richtungen und

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Lagen im Raum werden sich qualitativ voneinander unterscheiden. Obwohl es so scheint, ist der homogene Raum auch ebensowenig eine natürliche Gegebenheit des menschlichen Geistes als die homogenen Zeit. Unzweifelhaft bewegt sich der Naturmensch im Raum genau so wie wir; er versteht unzweifelhaft ebensogut und manchmal besser wie wir die Entfernungen schnell abzuschätzen, eine Richtung wiederzufinden usw., um seine Wurfgeschosse zu schleudern oder ein entferntes Ziel zu erreichen. Aber die Handlung im Raum, und die Vorstellung dieser Raumes sind zweierlei. Es ist hier damit wie bei der Kausalität. Die Naturvölker bedienen sich beständig der tatsächlichen Verbindung von Ursachen und Wirkungen. Zum Beispiel bei der Herstellung von Geräten oder von Fallen beweisen sie oft eine Erfindungsgabe, welche eine sehr feine Beobachtung dieser Verbindung einschließt. Folgt daraus, daß ihre Vorstellung von der Kausalität der unseren gleich ist? Um diese Folgerung zu ziehen, müßte man zugeben, daß es dasselbe ist, einen Modus der Aktivität und die Analyse dieser Aktivität zu besitzen und zugleich die überlegte Kenntnis der geistigen oder körperlichen Prozesse, welche sie begleiten. Es genügt, dies Postulat zu formulieren, um zu sehen, daß es unhaltbar ist. Wenn wir die Erfahrung beschreiben, in der sich die primitive Mentalität so verschieden von der

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unsrigen bewegt, handelt es sich um die Welt, welche ihre Kollektivvorstellungen aufbauen. Vom Gesichtspunkt der Handlung aus gesehen, bewegen sie sich im Raum von einem Punkt zum andern wie wir (und wie die Tiere). Sie erreichen ihre Ziele vermittels der Werkzeuge, deren Gebrauch die tatsächliche Verbindung von Ursache und Wirkung einschließt, und wenn sie sich nicht nach dieser objektiven Verbindung richteten wie wieder wir (und wie die Tiere), würden sie alsbald zugrunde gehen. Aber gerade das, was sie zu Menschen macht, ist, daß die soziale Gruppe sich damit nicht zufrieden gibt, daß sie handeln, um zu leben. Jedes Individuum hat von der Realität, wo es lebt und handelt, eine mit der Struktur dieser Gruppe streng solidarische Vorstellung. In der Tat halten sich die Geister dort hauptsächlich an anderes, als an die objektiven Verbindungen, auf welche praktische Betätigung und das Gewerbe sich gründen. So kommt es, daß in der Mentalität, die ganz mystisch und prälogisch ist, nicht nur die Gegebenheiten, sondern sogar die Rahmen der Erfahrung sich nicht mit den unseren decken. Die berühmte Theorie Bergsons, welche sagt, daß wir die Zeit als ein homogenes Quantum durch eine Verwechslung der lebendigen Dauer mit dem Raum auffassen, welcher tatsächlich ein Quantum ist, scheint auf die primitive Mentalität nicht anwendbar zu sein. Es verhält sich nur in den schon entwickelten Gesellschaften so: wenn die mystischen Vorverbindungen sich abschwächen

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und dazu neigen, sich aufzulösen, und wenn sich die Gewohnheit befestigt, den Verbindungen der sekundären Ursachen und ihren Wirkungen Aufmerksamkeit zu schenken, so wird der Raum in den Vorstellungen homogen und die Zeit beginnt, es ebenfalls zu werden. Der Rahmen unserer Erfahrung zeichnet sich nach und nach ab, verdeutlicht und befestigt sich. Sehr viel später, wenn die Reflexion uns instand setzt, sie mit unserem eigenen Geist zu ergreifen,

»WENN DIE MYSTISCHEN VORVERBINDUNGEN SICH ABSCHWÄCHEN UND DAZU NEIGEN, SICH AUFZULÖSEN, UND WENN SICH DIE GEWOHNHEIT BEFESTIGT, DEN VERBINDUNGEN DER SEKUNDÄREN URSACHEN UND IHREN WIRKUNGEN AUFMERKSAMKEIT ZU SCHENKEN, SO WIRD DER RAUM IN DEN VORSTELLUNGEN HOMOGEN UND DIE ZEIT BEGINNT, ES EBENFALLS ZU WERDEN. DER RAHMEN UNSERER ERFAHRUNG ZEICHNET SICH NACH UND NACH AB, VERDEUTLICHT UND BEFESTIGT SICH.«

sind wir versucht, zu glauben, daß sie konstitutive Elemente sind–dem Geiste eingeborene–, so sagten ehemals die Philosophen. Die Beobachtungen und die Analyse der Kollektivvorstellungen bei den niederen Gesellschaften sind weit davon entfernt, diese Hypothese zu bestätigen.1 1 | Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 71 –  78 98 | 99


»WAS C. G. JUNG UNGEFÄHR ZU[R] GLEICHEN ZEIT MIT SEINER ARCHETYPENLEHRE HATTE THEORETISCH FASSEN WOLLEN, WIRD VON [RENÉ] DAUMAL IN WENIGEN SÄTZEN ZUM AUSDRUCK GEBRACHT: IM TRAUM IST DER ZIVILISIERTE NOCH EIN WILDER, HAT ER VERBINDUNG MIT DER BILDWELT DER PRIMITIVEN.«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 196

Nahaufnahme eines Kunstdrucks des philippinischen Malers Arthur Lozano. Das Bild einer Frau der Kalinga, auf Wellblech gedruckt, anschließend mit Farbklecksen überdeckt. Die Fotografie entstand im Atelier des Künstlers in Baguio City



Die Träume Offenbarungen unsichtbarer Mächte Die Erfahrungswelt in ihrer Gesamtheit stellt sich der primitiven Mentalität nicht so dar wie uns. Nicht allein ist ihr Rahmen ein wenig verschieden, weil Zeit, Raum und Kausalität anders vorgestellt und vor allem ganz anders empfunden werden, auch die Gegebenheiten sind bei ihnen komplexer und in einem gewissen Sinne viel reicher. Zu denen, die ihnen wie uns die sichtbare Welt liefert, zur Gesamtheit der von den Sinnen wahrnehmbaren Wirklichkeiten kommen noch hinzu, oder vielmehr es untermischen sich mit ihnen für den Primitiven die Gegebenheiten, welche von mystischen Kräften herrühren, überall und stets gegenwärtig und bei weitem die wichtigsten sind. Wie kann man sie sammeln, wie sie hervorrufen, wenn sie zögern, sich zu zeigen, wie sie interpretieren, wie sie einreihen? Alles dies sind Funktionen, die der Geist der Primitiven ausführen muß, deren Kollektivvorstellungen eine außerordentliche Komplexität zeigen. Man sieht dann, daß die intellektuelle Starrheit, der Mangel an Wißbegierde, die durch soviel Beobachter festgestellte Gleichgültigkeit in den primitiven Gesellschaften, beinah immer mehr anscheinend als wirklich sind. Sobald das Handeln der mystischen Mächte ins Spiel tritt, erwachen diese so schläfrigen Geister. Sie sind dann weder gleichgültig noch apathisch, ihr werdet sie aufmerksam, geduldig und sogar erfinder-

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isch und scharfsinnig finden. Ohne Zweifel führt der Weg, den sie eingeschlagen haben, nicht wie der unsere, zur Bildung von Begriffen und wissenschaftlicher Erkenntnis, welche ein unbeschränktes Feld vor sich hat und welche immer weiter gehen kann. Er erreicht sein Ziel sehr schnell, oder er führt überhaupt nirgends hin. Außerdem haben die meisten Kollektivvorstellungen, die sie beschäftigen, einen ganz bemerkenswert emotionalen Charakter; die zwischen ihnen hergestellten Vorverbindungen sind oft von prälogischer Natur und für die Erfahrung undurchdringlich. Vor allem ist es für die Naturvölker wichtig, die Handlung der mystischen Kräfte zu erfassen, von denen sie sich umgeben fühlen. Diese Kräfte sind durch ihre Natur selbst unsichtbar und nicht wahrnehmbar. Sie enthüllen sich nur durch mehr oder weniger deutliche, mehr oder weniger bezeichnende und mehr oder weniger häufige Offenbarungen. Man muß also lernen, sie zu unterscheiden, sie zu sammeln und sie verstehen. [...] [Es] wird alles, was als ungewöhnlich, zufällig, außergewöhnlich, überraschend, unvorhergesehen erscheint, durch Offenbarungen dunkler Mächte erklärt. Aber es gibt für sie noch andere, direktere und vor allem regelmäßigere, durch welche diese Mächte erkennen lassen, was geschehen wird; sie benachrichtigen davon sozusagen das Individuum oder die soziale Gruppe. Von dieser Art sind die Träume und die guten oder schlechten Vorzeichen. Wenn diese Offenbarungen nicht

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von selbst kommen, bemüht sich die primitive Mentalität, sie hervorzurufen. Sie erfindet Mittel, sie sich zu verschaffen (hervorgerufenen Träume, Verfahren zur Weissagung, Gottesurteile usw.). Sie erhält so manche Gegebenheiten, welche im Rahmen ihrer Erfahrung Raum finden und welche nicht wenig dazu beitragen, sie für uns oft verwirrend zu gestalten.1 Dem Traum ist man Gehorsam schuldig Es kommt vor, daß der Primitive im Traum Tatsachen sieht, die später geschehen müssen, dieses Tatsache sind gleichzeitig zukünftig, weil er sie für die Zukunft voraussieht, und vergangen, weil er sie im Traum gesehen hat und weil sie dergestalt in seinen Augen schon stattgefunden haben. Dies ist für Geister unmöglich, die wie der unsere, vor allem durch den Satz von Widerspruch geleitet werden und die eine klare Vorstellung vom Zeitverlauf als einer einlinigen Reihe von aufeinander folgenden Augenblicken haben. Wie könnte ein und dasselbe Ereignis in dieser Reihe zwei verschieden voneinander entfernte Stellungen einnehmen und also gleichzeitig der Vergangenheit und der Zukunft angehören? Aber an dieser Unmöglichkeit nimmt die prälogische Mentalität keinen Anstoß. Sie findet sich nicht mit den gröbsten Verwirrtheiten ab, wie man es so oft sagt, sondern die Welt ihrer Erfahrung, die komplexer ist als die unsere, läßt Gegebenheiten als gleichzeitig zu, die in unserer Zeit und in un1 | Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 79 –  8 0 K APITEL 4 | PRIMITIVISMUS


serem Raum nicht nebeneinander existieren können. Nur so kann man die Tatsachen dieser Art verstehen, die Grubb

»DIE TR ÄUME SIND FÜR SIE DIE WIRKLICHKEIT, UND SIE SIND ÜBERZEUGT DAVON, DASS, WENN SIE EINEN VERSTORBENEN VERWANDTEN IM TRAUM SEHEN, SIE MIT SEINEM GEIST EINE UNTERHALTUNG FÜHREN, WÄHREND WELCHER DER TOTE SEIN RATSCHLÄGE GIBT, SEINE BEFRIEDIGUNG ODER SEINE UNZUFRIEDENHEIT, SEINE BESTREBUNGEN UND SEINE WÜNSCHE AUSDRÜCKT. ES KANN GESCHEHEN, DASS DER VERSTORBENE EINEN SKLAVEN FORDERT, UM FÜR IHN ZU SORGEN. MAN BEFR AGT ALSDANN DEN ›BENGET‹, UND WENN DAS ORAKEL EIN UNGLÜCK VORHERSAGT, IN DEM FALL, IN DEM MAN DEN WÜNSCHEN DES VERSTORBENEN NICHT RECHNUNG TRÜGE, SO BRICHT M AN EINEM SKL AVEN ARM UND BEINE UND MAN LEGT IHN AUF DAS GR AB, WO ER VOR SCHMERZEN UND HUNGER STIRBT.«1 berichtet. »Der Indianer«, sagt er, »glaubt ganz fest an seine Träume und läßt seine Handlungen von ihnen leiten. Ein Eingeborener, namens Poit, war ernsthaft durch einen Traum erschüttert worden, den er während mehrerer Wochen erzählte, ehe er versuchte, mich zu töten. Er war mir im Traum in einer Lichtung des Waldes begegnet: ich hatte 1 | Zitat | Lévy-Bruhl, 1966, S. 94

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ihn angeklagt, Gegenstände gestohlen zu haben, die mir gehörten und hatte einen Schuß auf ihn abgefeuert. Er betrachtete diesen Traum als ein gewisses Vorzeichen dessen, was geschehen würde, und vom Gesichtspunkt des Indianers aus hatte er, wenn er die Katastrophe nicht anders vermeiden konnte, keinen Ausweg mehr, als mir die Kugel zurückzuschicken und sein möglichstes zu tun, um mich so zu behandeln, wie er geträumt hatte, daß ich ihn behandelte. Der Indianer, der den Mordversuch macht, betrachtet sich nicht als der Angreifer. Er vergilt Mr. Grubb nur Gleiches mit Gleichem. Was er im Träume gesehen hat, ist wirklich. Also Mr. Grubb hat ihn angegriffen und wenn der Indianer das erwidert, ist es ein Fall gerechter Notwehr. Betrachtet er die Szene, die er im Traum gesehen hat, als vergangen oder zukünftig? Offenbar als zukünftig weil Mr. Grubb noch nicht auf ihn geschossen hat und er nicht getroffen worden ist. Aber sie hat darum nichtsdestoweniger stattgefunden und sie rechtfertigt seine Erwiderung.« Die folgende Tatsache schließt noch eine viel unentwirrbarere Schwierigkeit ein, wenn man es nicht zugibt, daß die Erfahrungen dieser Indianer sich in einem weniger starren Rahmen als die unsere anordnet, so daß sie gleichzeitig Gegebenheiten enthält, die für uns notwendigerweise einander ausschließen müßten. »Dieser Mann gelangte in mein Dorf; er kam von einem Ort, wel-

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cher ungefähr 150 Meilen entfernt war. Er forderte von mir eine Entschädigung für die Kürbisse, die ich ihm kürzlich aus seinem Garten gestohlen hätte. Ich sagte ihm ganz erstaunt, daß ich seit langer Zeit seinem Garten ganz fern geblieben wäre, und daß ich daher unmöglich seine Kürbisse gestohlen haben könnte. Ich glaubte zuerst an einen Scherz, aber bald überzeugte ich mich, daß der Mann es sehr ernsthaft meinte. Von einem Indianer des Diebstahls angeklagt zu werden, war eine ganz neue Erfahrung für mich. Auf meine Vorwürfe erwiderte er, indem er freimütig zugestand, daß ich die Kürbisse nicht genommen hätte. Als er dies sagte, begriff ich weniger und weniger. Ich wäre böse geworden,wenn ich nicht gesehen hätte, daß er vollständig davon überzeugt war, und ich interessierte mich im Gegenteil jetzt lebhaft für die Sache. Endlich entdeckte ich: er hatte geträumt, daß ich eines Nachts in seinem Garten war und daß er mich–verborgen hinter einigen sehr großen Pflanzen–sah, wie ich drei große Kürbisse abbrach und sie davontrug. Er wünschte, daß ich für diese bezahlen solle. Da sagte ich ihm: ›Aber du hast doch eben anerkannt, daß ich sie nicht genommen habe.‹ Er räumte dies von neuem ein, aber er fügte plötzlich hinzu: ›Wenn Sie dort gewesen wären, hätten Sie sie genommen‹, so zeigte er, daß er die Tat meiner Seele (von der er vermutete, daß sie in seinem Garten gewesen wäre) als eine von mir wirklich gewollte betrachtete und daß ich sie tatsächlich begangen haben würde, wenn ich in Fleisch und Blut dort gewesen wäre.«1 1 | Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 87 –  89 106 | 107


» › I H R W E I S S E N , I H R S E I D U N G L Ü C K L I C H , W E I L I H R K E I N E AHNUNG VON D E R M A G I S C H EN SEITE DES L E B E N S H A B T . ‹ « 1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 122



Das Anting –  a nting ist ein okkultistisches Amulett aus den Philippinen. Ihm werden übernatürliche Kräfte nachgesagt. Die äußerlichen Erscheinungsformen dieses Talismans sind stark variierend, sogar christliche Motive wurden über die letzten Jahrhunderte in die mystische Symbolik übernommen

»WIE DIE BANTUS [...] ENTSCHLOSSEN SICH DIE INDIANER FAST NUR DANN SICH ZU BEKEHREN, WENN SIE ES GETRÄUMT HATTEN, ODER WENN SIE MINDESTENS EIN TRAUM DAZU AUFGEFORDERT HATTE. [...] ›ICH BIN DURCHAUS GENEIGT, DEN GLAUBEN ANZUNEHMEN UND CHRIST ZU WERDEN, SO SCHRECKLICH ES MIR IST, SAGTE UNS EINER DIESER ARMEN SKLAVEN DES SATANS, VORAUSGESETZT, DASS MEIN TRAUM ES MIR BEFIEHLT‹«1 1 | Zitat | Lévy-Bruhl, 1966, S. 100




EINE GESCHICHTE AUS ALTEN TAGEN


Sawad, Chang-ag

THE LUPLUPA VILLAGERS AND THE RIVER CREATURES *

I

In many of the stories told by Kalinga [(an indigenous tribe in the Philippines)] elders, Angtan is an evil spirit bringing illness and destruction to the villages. This is a story of how two children tricked her and the things that happened thereafter. The tale One day, when Angtan went to clean her uma (swidden field), there were two children playing who noticed her passing by. The children followed Angtan. When Angtan reached her uma, she started removing the weeds that were choking her plants. The two naughty children took turns sneaking up on Angtan and pinching her from behind! »Suppian, achiyacho kaoffan! Suppian, don’t bite me!« Angtan cried,

thinking that insects were biting her. She cried out again and again but the pinching would not stop. After a while, she caught one of the two children pinching her. Angtan got very angry. And because she was very huge, she lifted the two children with her bare hands and placed them in her basket full of atila or sweet potatoes. »It’s my lucky day! The meat of the children will taste wonderful with the atila,« Angtan thought. She carried the basket on her head and began to walk home. When she reached the bamboo thickets, her basket suddenly felt lighter, »Tamo yumappaw?« She wondered. »Umiffi ani. We are peeing,« the children replied. Angtan waited for a little bit until she felt her bas-

* G eschichte | Sawad, Chang-ag: The Luplupa Villagers and the River Creatures, Cordillera Green Network Inc., Baguio City, Philippines 2015


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Frau der Kalinga in Buscalan; Philippinen


ket get heavy again. She continued walking. She did not reach very far when she noticed that her basket grew lighter again, »Tamo yumappaw?« »Umattay ani. We are poo-ing,« the children said. Angtan waited again. Then she felt that her basketwas not getting any heavier. She wondered what was taking the children so long. She took her basket off her head and saw that it was empty! She looked up and saw that the two children had climbed out. They were hanging high above [her] on the branches of the big Fungliw tree. »Umafafa a Fungliw, ta alâ nan chi chuway anâ,« Angtan asked the Fungliw tree to become short so that she could reach the two children. »Fungliw, umanchu-anchu a ta mifâfâ ad chamang na!« The two children asked the Fungliw tree to grow higher and higher so that it could bend down on the opposite riverbank. K APITEL 5 | PRIMITIVISMUS

Angtan and the two children took turns asking favors of the Fungliw tree. At one time the Fungliw would shorten, and then it would grow very tall, then short, then tall, then short again. Because of the quick shortening and lengthening of the Fungliw tree, the two children were thrown into the river! Chalit the Eel and Kawong the Crab were roused from their sleep by the noise. Chalit and Kawong surfaced to see what was happening. »Kawong and Chalit, please help us! Annan manogchog anchi ani!« The two children told Kawong and Chalid that Angtan was running after them. Kawong jumped towards Angtan and bit her with his claw. Chalit jumped and smashed her body against Angtan. That was how Angtan died. The two children were grateful to the two river creatures, Chalit the Eel and Kawong the Crab. Every morning they saved some of the


food their parents gave them, and brought this food to the river. »Kawong an Chalit, lumawa ayu ta alaon yo kammoy yo!« The two children would call the river creatures to eat the food they brought. Back at home, the villagers wondered where these two children were bringing their food. »Nga chan mangiya-iyan nan an-ananâ han kammoy cha?« They asked each other. »In-ani ad chawwang ta poypoyyaaw,« the two children said that they only wanted to eat by the riverside. The breeze on the river cooled them and it was pleasant to eat there. After some time, the elders decided to spy on the children. They saw that the children were feeding a crab and an eel. Thinking that this was a bad thing, the elders thought of a way to stop the children from feeding the river creatures. One morning, the children were asked by their parents to go to the uma to gather cucumbers, »Intau 116 | 117

ad uma mangasimon.« The two children obeyed. They did not go to the river to feed Kawong and Chalit. When the two children were far from the village, the other villagers went to the river. They called for the river creatures the way the children called them, »Ka[...]wong an Chalit, annan anon yo!« When the river creatures surfaced, the villagers took their spears and struck Kawong and Chalit. Kawong was able to escape but Chalit was caught. They took Chalit to the village and fried her and ate her. While in the uma, the children smelled something delicious. »Manfangu-fango amas fangon chay apo,« It was so fragrant that the children thought they must have smelled a godly spirit. When the two children returned home, they remembered to bring food to their friends by the river. They called for their friends but only Kawong surfaced. Kawong had a spear planted in his back. The children removed the spear


Abbildung | Sawad, Chang-ag: The Luplupa Villagers and the River Creatures, Cordillera Green Network Inc., Baguio City, Philippines 2015


and asked Kawong where Chalit was. Kawong told them what happenend. The two children cried and cried. It made them angry to see that the villagers had hurt their friends. »Tinufay yo as Kawong ya sinuninyo as Chalit way nanaku anchi ani!« The children cried out about how their elders speared Kawong and fried Chalit–the river creatures that saved their lives. »Litto-litto pana faraw pakay cha ama, way nangischa han apo cha!« The children repeated this curse, chanting: Litto-littopana, it’s our elders fault. They ate their own ancestors.« They chanted and chanted and as they chanted, the river rocks slowly eroded until the children were buried underwater. »How can we get them back?« The parents of the children cried. All the villagers gathered on the riverbank and they called all the birds to help them. 118 | 119


One bird named Fittot used her beak to tap at the stone. While she was tapping the stones, the villagers chanted, »Finitnag fatuwengweng achi mawen wenganweng!« The other birds came to help Fittot, and slowly the two children were uncovered.

When the river dried up, they recovered the asaan. The villagers returned home exhausted. They were glad that they had the two children back. And now they understood why the two children were offering food to the river creatures. Background information

The villagers thanked the birds with a gift. They handed Fittot an asaan, a whetstone. Fittot carried the asaan and flew across the river. But because the asaan was heavy Fittot dropped it in the middle of the river.

This story happened in Luplupa, a village near Chico River that runs through the veins of Kalinga. To this day, when the Luplupa villagers eat by the river, they remember to offer food to the river creatures.

The villagers thought of how to get the asaan again. But nobody wanted to dive to the bottom of the river for fear of Kawong and Chalit. A bird named Fussissi volunteered. Fussissi had a very big stomach. Fussissi did not swim in the river but knelt down on the shore and drank all the water of the river! K APITEL 5 | PRIMITIVISMUS

Der Chico River wird von den Kalinga auch als »river of life « bezeichnet. Sein Flussbett verläuft durch die Philippinischen Kordilleren im Norden des Inselstaats



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1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 148 –  149

S I N D . «  1



»FÜR CARL EINSTEIN IST DIE PRIMITIVE MASKE ›FIXIERTE EKSTASE‹, IN DEN TIERMASKEN ›ERHEBT SICH DROHEND DAS [GROTESKE] MISSVERHÄLTNIS ZWISCHEN DEN GÖTTERN UND DEM GESCHÖPF‹«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 125


Installation des philippinischen KĂźnstlers Jordan Mang-Osan. Fotografiert auf dem Balkon seines Ateliers in La Trinidad



PRIMITIVISMUS IN DER LITERATUR


Schultz, Joachim

WILD, IRRE UND REIN Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940

D

ie Futuristen waren die ersten, die sich als Primitive bezeichnet haben. Französische Dichter um die Zeitschrift Poésie waren damit gar nicht einverstanden, sie lancierten ihr eigenes Manifeste du Primitivisme [...]. Die Verfasser dieses Manifests beriefen sich bezeichnenderweise auf die beiden Kolonialschriftsteller Marius und Ary Leblond und ihr Buch L’idéal du XIXe siécle [...]. Für Marius und Ary Leblond war es ein Einfaches, den Primitivismus des 19. Jahrhunderts und den ihrer Zeit zu definieren. Primitive sind für sie zunächst zum einen Völker prähistorischer Zeiten, aber auch ihrer Zeit, mit rudimentärer Zivilisation, die ein instinktiv einfaches Leben führen, frei von den Komplikationen einer kultivierten Gesellschaft. Zum anderen bezeichnet man bestimmte Künstler des [...]Mittelalters als Primitive, die, auf der Grundlage eines starken und [...]naiven Glaubens, ihr Ideal in der [...]christlichen Reinheit gefunden haben, für die das Schöne in einer ›erleuchteten Kargheit‹ [...] liegt [...]. Moderne Primitive beziehungsweise vorangegangenen Definitionen vereinen und kombinieren und auf der

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Grundlage ihres Glaubens, ihrer fraternalistischen oder sozialistischen Überzeugungen von einem zukünftigen idyllischen Leben der Menschheit träumen, von einem [...]freieren, [...]gesunderen, harmonischeren Leben, wie sie es sich bei den Völkern der Prähistorie oder ähnlichen Völkern ihrer Zeit vorstellen, deren Schönheitsbegriff sie zum Teil in den Kunstwerken des Mittelalters wiederfinden. Eine ähnliche Definition versuchte Nietzsche einige Jahre zuvor, wobei er sich mehr auf die griechische Antike bezog. Es wird deutlich, daß sich der Begriff im Laufe des 19. Jahrhunderts mit dieser Bedeutung und ihren positiven Konnotationen herausgebildet hat. Bereits in der zwischen 1843 und 1845 entstandenen ersten Fassung der Education sentimentale von Flaubert ist von alten Volksliedern der nordamerikanischen [...]Indianer die Rede, von einer ›primitiven Poesie‹ , »die gewiß gewaltig ist wie ihre großen Flüsse und rubin- und saphirgleich glänzt wie das Gefieder ihrer Vögel«. Zehn Jahre später schrieb Alexandre Dumas seinen Roman Les Mohicans de Paris in denen die ›Indianer‹, ähnlich wie die, die er in den Romanen Coopers bewunderte, ihr [...]freies Leben in Paris führen. Wenn es da heißt: »Le faubourg Saint-Jacques est un des faubourgs les plus primitifs de Paris«, und wenn von den ›[...]Wilden des Faubourg Saint-Jacques‹ die Rede ist, dann spielen diese positiven Konnotationen eine wichtige Rolle. Paris und die Mohikaner, diese beiden ›[...]riesigen Unbekannten‹

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[...] hat Dumas in seinem Roman dargestellt, und damit eine freie Subkultur im Herzen einer europäischen Metropole. Dies alles führt uns, kombiniert noch mit der Orientbegeisterung jener Zeit, zu Rimbaud, der wiederum als der Vater des Primitivismus der Avantgarden angesehen werden kann. In seinem Prosagedicht L’impossible aus Une maison en enfer träumt er von einer großen Flucht aus der abendländischen Gesellschaft in den Orient [...]. Hier liegt er nahe beim etymologischen Ursprung des Wortes ›primitiv‹, es geht um erste Weisheiten vom [...]Anfang der Menschheit. Und so kann es ihm auch nicht um die ›BastardWeisheiten des Korans‹, des heutigen Orients, gehen, sondern um eine »patrie primitive«, um die »pureté des races antiques«, wie überhaupt die [...]Reinheit das wichtigste Element seines Primitivismus ist [...]. »Wir sind Rimbaudisten, ohne es zu wissen und zu wollen«, hat Hugo Ball am 20. Juni 1916 in sein Tagebuch geschrieben. »Er ist der Patron unserer vielfachen Posen und sentimentalen Ausflüchte.« Noch im selben Jahr schrieb Ball, am 14. Dezember: »Rimbaud lese ich heute doch anders als noch vor einem Jahr. Er versucht die Überwindung des Europäertums durch eine Betonung von Rasse und Instinkt inmitten der (zerfallenden) Moralsphäre. Er selbst rühmt sich bald gallischer, bald skandinavischer Vorfahren, die in ihm aufleben.« Im selben Ein-

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trag bringt Ball auch das berühmte Neger-Zitat (»Je suis une bête, un nègre«, in deutscher Übersetzung bei Ball) und umreißt so insgesamt den Primitivismus Rimbauds, den er als den seinen anerkennt. Es ist sicher kein Zufall, daß er im nächsten Eintrag (vom 18.121916) aus Nietzsches Geburt der Tragödie zitiert. Den Begriff ›primitiv‹ verwendet Ball nicht, aber einer seiner Mitstreiter, Richard Huelsenbeck, schrieb bereits 1920 rückblickend in seiner »Geschichte des Dadaismus« über die ersten Dada-Abende in Zürich: »In der Literatur verfolgte man primitive Tendenzen«, ›Tzara habe sich den Spaß gemacht, selbstgedrechselte [...]Negerverse als zufällig aufgefundene Reliquien einer Bantuund Winnetoukultur zum besten zu geben‹ [...]. Ein Jahr später veröffentlichte Huelsenbeck seinen Roman Dr. Billig am Ende. Eine der Hauptpersonen, die Prostituierte Margot, lächelt darin an einer Stelle, und dazu heißt es: »Billig sah die asiatische Linie dieses Lächelns, sah losgelöste primitivste Instinkte, fand sich an Gefühle erinnert, deren höchste Steigerung die Sensation des Mordes sei.«[...]Hier wird das Adjektiv primitiv so verwendet, wie man es auch aus der Alltagssprache kennt, aber in Verbindung mit der ›asiatischen Linie‹ und der ›Sensation des [...]Mordes‹, also einer ›negerhaften [...]Brutalität‹, wie es im selben Roman heißt[...], ist diese Verwendung des Wortes auch im Rahmen des Primitivismus der Avantgarden zu sehen.

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Die futuristischen Maler hatten sich schon vor Dada als Primitive bezeichnet. Es geht hier nicht um die Verwendung des Begriffs in der Malerei, aber Marinetti verwendete ihn auch in Bezug auf die Literatur, und zwar in seinem Manifest Le Music-Hall vom 21. November 1913 unter Punkt 14: »Le Music est naturellement anti-académique, primitif et ingénu, par conséquent plus significant par l’imprévu de ses tâtonnements et la simplicité grossière de ses moyens.«[...] Zusammen mit zwei anderen Schlüsselwörtern–›ingénu‹, also arglos oder naiv (sicherlich auch in Erinnerung an Voltaires Erzählung vom naiven Huronen) und ›simplicité‹, [...]einfach, Einfachheit–wird hier der Primitivismus einer bestimmten populären Theaterform gepriesen. Zu erwähnen sind weiter Stellen aus diesem Manifest, die diese Vorstellung von einem theatralischen Primitivismus ergänzen: Zwei Tänzer aus den Folies-Bergères werden gepriesen, die die Marokko- und Kongo-Frage in einem symbolischen Tanz dreimal besser ausgedrückt hätten als alle Studien zur Außenpolitik. Weiter unten werden die theatralischen und akrobatischen Mittel der Music-Hall aufgelistet, darunter ein »maximum de frénésie musculaire des Nègres«. Dann wird die Music-Hall mit dem gewaltigen Spektakel einer modernen Großstadt verglichen, wo, hyperbolisch formuliert, auf einer riesigen Leucht[...] -Reklame […] für die Manoli-Zigaretten ein dreißig Meter großer Neger erscheint. [...]Riesige, frenetische Neger, vor dem Hintergrund des europäischen [...]Kolonialis-

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mus, sind mit ihren Tänzen wichtige Bestandteile des Primitivismus. Bei Marinetti hat dies eine bombastisch-manifestären Ton. An anderen Stellen wird der Begriff eher leise, wie ein Fachbegriff, verwendet. Alber C. Barnes schreibt in seinem Artikel Die Negerkunst und Amerika (1925), in dem er sich mit den Bildenden Künsten und der Literatur befaßt: »Es ist die gesunde Kunst primitiver Naturen, unbelastet von der Erziehung des weißen Mannes«. Theodor Lessing schreibt lakonisch über Josephine Baker (1928): »Sie tanzt primitiv«. Deutlich wird aber immer, daß dies ein anderer Primitivismus ist als der, den die Leblond versucht haben zu definieren. Es geht hier nicht um Idylle und Harmonie, sondern um frenetische, gigantische [...]Wildheit, die einer allzu harmonischen Kultur geradezu entgegengesetzt ist. Schon in Huelsenbecks Geschichte des Dadaismus ist eine spöttische Distanz gegenüber diesem Primitivismus zu verspüren. Für Walter Benjamin ist dieser Primitivismus etwas für Snobs, die meinen, vor einer [...] Kinderzeichnung und einem [...]Fetisch könne ›der ganze Picasso einpacken‹. In seinem »Dreizehn Thesen wider Snobisten« in der Einbahnstraße (1928) stellt er die wahre Kunst den »Dokumenten« der Primitiven gegenüber: »Der Künstler macht ein Werk«/ »Der Primitive äußert sich in Dokumenten.« »Der Künstler geht auf die Eroberung

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»[B]EZEICHNENDERWEISE GAB KURT TUCHOLSKY SEINEM GEDICHT ÜBER JOSEPHINE BAKER DEN TITEL APAGE, JOSEPHINE; APAGE, SO DASS DIE SCHWARZE TÄNZERIN ALS SATANISCHE GESTALT ERSCHEINT, GEGEN DIE NUR DER EXORZISMUS HILFT; DIESES GEDICHT NIMMT [...] EINE ZEITKRITISCHE WENDUNG, WENN ER DAS SCHEINHEILIGE ENTSETZEN DER KIRCHE BEIM AUFTRITT DER BAKER IHRER GLEICHZEITIGEN DULDUNG DES KRIEGES UND DER GEWALT GEGENÜBERSTELLT.«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 194

Josephine Baker, Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin. Vor allem bekannt für ihre obszönen Auftritte, erfuhr sie großen Erfolg und wurde zum Sinnbild für Erotik und Exotik


Bild | http://media1.popsugar-assets.com/files/2011/06/22/3/192/1922153/ 2f60669da5db21af_51656538.xxxlarge/i/Josephine-Baker-Beauty-Quotes.jpg, 05. Mai 2016, 16:56 Uhr


von Gehalten.«/ »Der primitive Mensch verschanzt sich hinter Stoffen.« [...] Benjamin übersah womöglich, daß die modernen Primitiven den Kunstbegriff ablehnten und wirklich nur Dokumente hinterlassen wollten. Einig war er sich aber mit Adorno, der in seinem Aufsatz Über Jazz (1937) bewußt nicht zwischen den beiden Bedeutungen des Adjektivs primitiv unterscheidet. Wenn er sagt, der Tango sei »rhythmisch sehr primitiv«, verwendet er das Wort im alltagssprachlichen Sinn und meint, daß es sich um einen sehr einfachen, rudimentären Rhythmus handelt. Wenn er der Gesellschaft vorwirft, daß sie den [...]Jazz als »urtümlich, primitiv, ›Natur‹« verkläre, verwendet er das Wort in der von ihm abgelehnten Bedeutung der Primitivisten. Nur wenige Zeilen darunter spricht er von den »›primitiven‹ Elementen des Jazz« und setzt das Wort in Anführungszeichen. Hier meint er wieder die rudimentären Formen des Jazz, mit den Anführungszeichen erinnert er aber wohl daran, daß gerade diese simple Primitivität von den Avantgardisten positiv bewertet wurde. [...] Carl Einstein, der selbst zu den Wortführern des Primitivismus gezählt wurde, bringt diese kritische Haltung später auf den Punkt: für ihn sind es ganz einfach »spätprimitive Ekstasen« [...]. Einstein schrieb dies in den dreißiger Jahren, vor dem Hintergrund des immer stärker werdenden Faschismus, der für ihn und andere das Erbe dieses Primitivismus angetreten hatte. Nimmt man ihn mit seinen früheren Schriften beim Wort, wird man eine wich-

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tige Tendenz des Primitivismus der Avantgarden konstatieren müssen. Es ging ihnen darum, näher an die Wirklichkeit heranzukommen, die Differenz (Derrida) zwischen der Kunst und der Wirklichkeit so weit wie möglich aufzuheben. Daß dies ein letztlich Scheitern verurteiltes Unterfangen war, haben einige ihrer Vertreter wie Huelsenbeck schon früh erkannt. Ihnen, insbesondere Einstein, erschien es bedenklich, daß der Primitivismus für manche eine anarchische [...]Freiheit von allen Formen und Traditionen bedeutete, was in dem folgenden Zitat von Antonin Artaud zum Ausdruck kommt: »Man bezeichnet jenen Geist als primitiv, der das Seiende nicht wahrzunehmen vermag, denn in Wirklichkeit existiert ja nichts, der aber mit Pinsel oder Feder wiedergibt, was für ihn wahr ist; und was für ihn wahr ist, entspricht immer seiner unbegrenzten Phantasie.« [...] Zumindest kann dieser Satz in dieser Richtung mißverstanden werden, für Artaud bedeutet er, wie für viele Avantgardisten, daß der Primitive und die ihm nacheifernden Künstler und Dichter frei von jeglichem Zwang, die Realität abzubilden, künstlerisch tätig sein können.1 Der primitivistische Stil in der Literatur Henri Michaux’ Gedicht Télégramme de Dakar [...] eignet sich als Ausgangspunkt in besonderer Weise, den primitivistischen Stil in der Literatur der Avantgarden, den Marion Löhndorf nur bei Carl Einstein sehen will, zu 1 | Textauszug: Primitiv, Primitivismus | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 149 –  154


charakterisieren. Das Gedicht präsentiert zunächst das Elend des schwarzen Kontinents und ist dadurch auch eine Kritik am Kolonialismus. Viele Bilder und negative Formulierungen unterstreichen diese Seite des Textes: niedrighängende, bleiche Wolken zum Totengeläut, dreimal werden die schwarze Rasse [...] und der schwarze Kontinent verflucht, Ruinen kommen ins Bild, zu hören sind »[...]Tam-tams morbides da la Terre de misère«, die Menschen sind enthauptet [...]. Es handelt sich hier jedoch nicht um eine beschreibende, direkte Infragestellung, wie wir sie beispielsweise in Blaise Cendrars’ Reisegedichten Feuilles de route (1924) finden. Michaux schreibt in einem Telegrammstil, und das Telegramm ist (auch für Cendrars in anderen Gedichten) seit den Futuristen zur poetischen Gattung geworden. Marinetti forderte 1913 »immagine telegrafiche« in der Literatur, früher bereits »catene di analogie«, »parole in libertà«, ziemlich genau den Stil mit ›formelhaft verkürzten Sätzen, aufgebrochener Satzstruktur ohne Satzzeichen‹, den Marion Löhndorf für [Carl] Einstein konstatiert; bei Marinetti, Michaux und anderen nur viel radikaler. Die futuristischen Maler haben sich als »primitivi di una nuova sensibilità« bezeichnet, für die Literatur fordert Marinetti einen eigenen Stil, der rundheraus als ›häßlich‹ [...] bezeichnet wird, häßlich im Vergleich zur Schreibweise des Fin de Siècle, zum Stil der Bürger, die mal wieder schockiert werden sollen.

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Ähnlichen Stil finden wir außer bei Marinetti, Cendrars und Michaux auch in den Poèmes nègres von Tristan Tzara, bei Apollinaire, der mit seinem Gedicht Lettre-Océan (1914) das Telegramm als poetische Gattung weiter gefördert hat, in den Wortkonglomeraten des belgischen Dadaisten Clément Pansaers; ebenso bei vielen deutschen Expressionisten, von denen hier nur die Kriegsgedichte eines August Stramm genannt werden sollen. Die Kategorie des Häßlichen kann jedoch nicht als einzige Kategorie eines primitivistischen Stils genannt werden. Hinzu kommt das Mittel der Wiederholung: In Michaux’ Telegramme de Dakar wird z.B. der Baobab dreiun[d]dreißigmal genannt. In diesem Zusammenhang kann man einen Artikel von Alfred Lemm aus dem Jahr 1916 heranziehen. Unter der Überschrift »Einiges vom Problem der Form« schreibt er: »Der primitivste Ausdruck der Form ist die Wiederholung«, und er bezieht sich auf wilde Völker, die mit Aneinanderreihungen von Tönen [...]magische Wirkung in ihren Musik- und Wortkunstwerken erzielen wollen.[...] Der Mensch brauche diese Form der Wiederholung, sie sind gleichermaßen Zeichen der Bewegung und der Ruhe. Hinzu kommen des weiteren Worte aus wirklichen oder erfundenen ›Eingeborenen‹-Sprachen (Baobab zum Beispiel), um die Wirkung der [...]Fremdheit zu verstärken. Manche von Tzaras ›Negergedichten‹ (1917) bestehen nur daraus, wobei die Bedeutung dieser Wörter unwichtig ist, es sind Telegramme aus der Welt der [...]Wilden,

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die die Zivilisierten beunruhigen und mit neuer Magie beliefern sollen. Eines seiner Gedichte kann man gewissermaßen als ein Telegramm der Wilden aus Sansibar lesen:

»ZANSIBAR O MAM RE DE MI KY NOUS AVONS ÉCHAPPÉ AUWAHHA, HA, HA LES WAWINZA NE NOUS TOURMENTERONT PLUS OH OH MIONWU NE RECEVRA PLUS DE TISSU DE NOUS HY HY ET KIALA NE NOUS RECEVRA PLUS JAMAIS HE HE« [...] Einen typografischen Primitivismus präsentieren Raoul Hausmann und andere Dadaisten in ihren Lautgedichten und -plakaten. »KP’ERIOUM« und die folgenden Wörter dieses ›Gedichts‹ von Hausmann könnten auch Wörter aus einer Eingeborenensprache sein und nicht ein freies [...]Spiel mit den Lettern eines Setzkastens. Man kann den Primitivismus in der Literatur nicht auf diesen Stil reduzieren, bis auf die drei genannten wichtigsten Merkmale (Telegrammstil, Wiederholung, [...] fremde Wörter) kann hier auch nicht von Einheitlichkeit die Rede sein, doch auf der sprachlichen Ebene bringt er die in diesem Wörterbuch umrissene Geisteshaltung zum Ausdruck.1 1 | Textauszug: Primitiv, Primitivismus | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 191 –  193 Abbildung | https://en.wikipedia.org/wiki/Raoul_Hausmann#/media/File:Kp%27_ erioum-Hausmann.jpg, 14. Juni 2016, 00:14 Uhr


KP’ERIOUM des österreichischen Dadaisten Raoul Hausmann aus dem Jahre 1919


» [ D ] I E E I N F A C H H E I T U N D D I E O R G A NIS C H E N G E S E T Z E D E R K U N S T [ W E R D E N ] G E P R I E S E N [ .  .  .  ]  . D I E KUNST MACHE DAS UNMITTELBARE M I T T E L B A R . › D I E KUNST GREIFT D A S L E B E N . D A S LEBEN BEGREIFT D I E K U N S T . ‹  «  1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 181



»WENN SICH [...] KÜNSTLER WIE JOSEPH BEUYS AN DEN MAGISCHEN PRAKTIKEN DER SCHAMANEN ORIENTIEREN, DANN SEHEN ZWAR EINIGE DARIN NUR SCHARLATANERIE, FÜR DIE KUNSTKRITIK GEHT ES HIER ABER UM DEN ERNSTHAFTEN VERSUCH, DIE GRENZEN DER ABENDLÄNDISCHEN KUNST ZU ERWEITERN. UND WENN MAN DEN MAGISCHEN REALISMUS DER LATEINAMERIKANISCHEN ROMANCIERS BEWUNDERT, DANN STECKT DARIN AUCH DIE BEWUNDERUNG FÜR DIE WEISHEIT NICHT-ABENDLÄNDISCHER KULTUREN DER SCHWARZEN UND INDIOS, DIE DIESEN SCHRIFTSTELLERN NÄHER STEHT ALS UNS.«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 122 Abbildung | https://meganlevacy.files.wordpress.com/2010/02/ beuys-stagshead-1954.jpg, 14. Juni 2016, 23:43 Uhr


Zeichnung von Joseph Beuys. Dieser zählt bis heute zu den bedeutendsten Aktionskßnstlern des 20. Jahrhunderts



PRIMITIVISMUS IN DER KUNST


PAUL GAUGUIN, WEGBEREITER FÜR DEN PRIMITIVISMUS Das außergewöhnliche und ›wilde‹ Leben des Malers Kindheit und Jugend

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auguins Vater Clovis Gauguin (1814–1851) war ein liberaler Journalist, seine Mutter war Aline Marie Chazal (1825–1867), die Tochter der sozialistischen Schriftstellerin Flora Tistan, einer Französin mit peruanischen Wurzeln. Schon bald nach der Geburt des Sohnes sah der Vater sich im Verlauf der Februarrevolution 1848 aus politischen Gründen gezwungen, Frankreich zu verlassen. 1849 schiffte die Familie sich nach Peru ein, wo Gauguins Mutter einflussreiche Verwandte besaß und wo der Vater plante, eine Zeitung zu gründen. Er starb jedoch auf der Überfahrt an einem Herzinfarkt. In den folgenden Jahren lebte seine Frau mit den beiden Kindern –Paul und seiner älteren Schwester–bei ihrem Onkel in Lima. Nachdem 1853 in Peru ein Bürgerkrieg ausgebrochen war, kehrte die Familie nach Frankreich zurück. Gauguin besuchte in der Nähe von Orléans eine Internatsschule, das Petit Séminaire de la ChapelleSt-Mesmin. Zu seinen dortigen Lehrern gehörte auch

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Bischof Félix Dupanloup, der ihn in katholischer Liturgie und Philosophie unterrichtete. Zwischenzeitlich lebte er aber auch für einige Monate bei seiner Mutter, die in Paris einen Schneidersalon eröffnet hatte; Gauguin besuchte dort eine Marineschule. Im Alter von 17 Jahren ließ seine »Marotte zu fliehen«, wie er selbst es ausdrückte, ihn die Seemannslaufbahn einschlagen. 1865 trat er als Offizieranwärter in die Handelsmarine ein, später wechselte er zur Kriegsmarine. Auf diese Weise kam er unter anderem nach Südamerika, nach Indien und überschritt auf einer Forschungsreise den Polarkreis. Im Jahr 1867, Gauguin war auf großer Fahrt, starb seine Mutter. Als Vormund für Paul hatte sie einen Freund der Familie, Gustave Arosa, bestimmt. 1871 beendete Gauguin seine Seemannslaufbahn. Bürgerliche Karriere Auf Vermittlung von Gustave Arosa nahm Gauguin 1872 eine Stelle in einer Bank an. Erstaunlich leicht fand er sich in die neue Situation hinein. Er verdiente gut als Börsenmakler, spekulierte außerdem erfolgreich auf eigene Rechnung und konnte sich bald einen luxuriösen Lebensstil leisten. 1873 heiratete er die Dänin Mette-Sophie Gad, mit der er später fünf Kinder hatte. Der Vormund Gustave Arosa war nicht nur Geschäftsmann, er war auch Kunstliebhaber und -sammler.

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In seinem Haus lernte Gauguin unter anderem Werke von Eugène Delacroix, Gustav Courbet und Camille Corot kennen. Davon angeregt nahm Gauguin Unterricht und begann in seiner Freizeit selbst zu malen. 1876 gelang es ihm zum ersten (und einzigen) Mal, ein Gemälde im Pariser Salon auszustellen: Sous-bois à Virof lay, eine Landschaft im typischen Malstil der Schule von Barbizon. 1879 wurde er eingeladen, an der vierten Gruppenausstellung der Impressionisten teilzunehmen. Im selben Jahr besuchte er den impressionistischen Maler Camille Pissarro auf dessen Landsitz, um unter seiner Anleitung im Freien zu malen. An vier weiteren so genannten Impressionisten-Ausstellungen nahm Gauguin ebenfalls teil. Er machte die Bekanntschaft zahlreicher impressionistischer Künstler, darunter Edgar Degar, Pierre-Auguste Renoir und Édouard Manet, und begann, ihre Werke zu sammeln. Entscheidung für die Malerei 1882 verlor Gauguin infolge eines Börsenkrachs seine Anstellung und nahm dies zum Anlass, den Bankberuf ganz aufzugeben. Gegen den Widerstand seiner Frau beschloss er, fortan nur noch zu malen und damit den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Gauguin hatte damit gerechnet, dass er sich mit seiner Malerei schnell durchsetzen würde. Er konnte sich damit jedoch erst in seinen letzten Lebensjahren ein bescheidenes Auskommen finanzieren. Seine Launenhaftigkeit und Streitlust trugen nicht dazu

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bei, ihm das Fortkommen zu erleichtern. Von nun an war sein ganzes weiteres Leben geprägt von immerwährenden Geldsorgen. Außer vom Bilderverkauf lebte er von Zuwendungen seiner Bekannten, von Hilfsarbeiten, vorübergehend auch von einer kleinen Erbschaft. 1884 zog die Familie nach Rouen in der Normandie, weil dort die Lebenshaltungskosten niedriger waren. Aber schon wenige Monate später kehrte Gauguins Frau mit den Kindern zu ihrer Familie nach Kopenhagen zurück. Gegen Ende des Jahres reiste auch Gauguin nach Kopenhagen; sein Plan, sich dort als Vertreter einer Segeltuchfirma zu etablieren, scheiterte. Nach einer missglückten Ausstellung seiner Werke und heftigen Auseinandersetzungen mit Mettes Familie kehrte er schließlich nach Paris zurück. Trotz der Trennung blieb das Paar aber bis kurz vor Gauguins Tod in Briefkontakt. Gauguin führte ab diesem Zeitpunkt ein unstetes Wanderleben Bretagne, Karibik und Arles 1886 ging er für drei Monate nach Pont-Aven. Das bretonische Fischerdorf war ein beliebter Künstler-Treffpunkt, später als Schule von Pont-Aven bezeichnet. Gauguins Arbeiten fanden die Anerkennung der Malerkollegen. »Ich arbeite hier viel und mit Erfolg«, schrieb er an seine Frau. »Man achtet mich hier als den stärksten Maler, jedoch bringt mir das nicht einen einzigen Sou mehr ein […] [.]

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»›MEINE SEELE IST EIN ZWINGER VOLL WILDER TIERE‹, schreibt der Expressionist Walter Rheiner in seinem Prosagedicht Nocturne (1919), er sieht sich als ›nackter Wilder‹ –  d amit will er sich zwar der von irrationalen Ängsten gepeinigten Mentalität der sogenannten Primitiven nähern, doch er sieht diese Annäherung als einzige Möglichkeit in einer Zivilisation, die ihm keine Chance läßt. Ein wildes Leben war für viele Schriftsteller und Künstler in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eine Grundbedingung für eine neue Kreativität«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 205

Bei diesem Gemälde handelt es sich um ein Selbstexperiment des Autors. Es wurde versucht, so unbefangen und intuitiv wie nur irgend möglich, eine 2 auf 1,5 Meter große Leinwand zu gestalten. Um ein hohes Maß an Intuition zu gewährleisten, und rationales, kontrolliertes Arbeiten, weitgehendst zu vermeiden, wurde zum einen der Abstand zwischen Leinwand und malendem Subjekt sehr klein gehalten. Somit bestand während des Schaffensprozess nur bedingt die Möglichkeit, einen Überblick über das Gemalte zu bewahren. Zum anderen war ein sehr kurzer Zeitraum für die Gestaltung festgelegt.



Ich lebe auf Kredit, und die Geldsorgen lassen mich gänzlich verzagen.« Wieder zurück in Paris, begann er gemeinsam mit einem Töpfer Keramiken herzustellen. Die fantasievoll verzierten Gefäße spiegeln den Einfluss präkolumbischer Keramiken, die Gauguin seit seiner Kindheit in Peru kannte. Der erhoffte finanzielle Erfolg blieb aber auch hier aus. Gegen Ende des Jahres lernte er über den Pariser Kunsthändler Theo van Gogh dessen Bruder Vincent van Gogh kennen. Einer der Gründe für Gauguins Aufenthalt in der Bretagne war seine Suche nach einem einfachen, ursprünglichen Leben. 1887 führte ihn diese Suche in weitere Fernen: Gemeinsam mit seinem Künstlerfreund Charles Laval schiffte er sich im April nach Panama ein. »[…] ich gehe nach Panama, um dort wie ein Wilder zu leben«, schrieb er Anfang April 1887 an Mette Gauguin. Die Realität erwies sich jedoch als enttäuschend. Gauguins

»[…] ICH GEHE NACH PANAMA, UM DORT WIE EIN WILDER ZU LEBEN« finanzielle Schwierigkeiten spitzten sich so zu, dass er gezwungen war, sich als Arbeiter beim Bau des Panamakanals zu verdingen. Im Juni reisten die beiden Maler weiter zu

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einem anderen vermeintlichen Paradies: »[…] ein schönes Land mit einem leichten und billigen Leben–das ist Martinique«, schrieb Gauguin an seinen Freund Émile Schuffenecker. Anfangs war Gauguin von der üppigen Natur Martiniques begeistert. Doch bald erkrankte er schwer an Ruhr und Malaria, so dass er notgedrungen im November nach Frankreich zurückkehrte, wo er sich nur langsam von seinen Krankheiten erholte. Trotz aller Schwierigkeiten war der Aufenthalt in künstlerischer Hinsicht erfolgreich; Gauguin brachte mehr als zwanzig Gemälde mit nach Hause. In den folgenden drei Jahren pendelte Gauguin zwischen Paris und der Bretagne. Dort wurde er zum Mittelpunkt einer kleinen Gruppe von Künstlern, von denen einige später als die Nabis bekannt werden sollten. Gemeinsam mit Émile Bernard entwickelte er eine neue Stilrichtung, den Synthetismus. Im Oktober 1888 folgte Gauguin einem Vorschlag Vincent van Goghs, mit ihm im südfranzösischen Arles gemeinsam zu leben und zu arbeiten. Die von Konflikten belastete Beziehung endete zwei Monate später mit dem nie völlig geklärten Vorfall, in dessen Verlauf van Gogh sich nach einem Streit mit Gauguin ein Stück seines Ohres abschnitt. Gauguin entfloh der für ihn unerträglichen Situation nach Paris. Ab Februar 1890 lehrte er für einige Monate an der Académie Vitti.

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Erster Aufenthalt in Polynesien Seit Ende der 1880er Jahre hatte Gauguin mit dem Gedanken gespielt, in den Tropen zu leben und zu malen. Zunächst schwankte er zwischen den Inseln Madagaskar und Tahiti, entschied sich aber schließlich für die letztere. In Gauguins Vorstellung war Tahiti ein exotisches Paradies, wo er, ohne arbeiten zu müssen, ein ursprüngliches, glückliches und annähernd kostenfreies Leben würde führen können. Die »glücklichen Bewohner eines unbeachteten Paradieses in Ozeanien kennen vom Leben nichts anderes als seine Süße. Für sie heißt Leben Singen und Lieben«, schrieb er Ende 1890 dem dänischen Maler Jens-Ferdinand Willumsen. Eine recht erfolgreiche Versteigerung seiner Gemälde erbrachte die Reisekosten, und im April 1891 schiffte Gauguin sich nach Tahiti ein. Dort angekommen, musste er feststellen, dass die Realität mit seinen Erwartungen in keiner Weise übereinstimmte. Christianisierung, Handel und Kolonialherrschaft (Tahiti war seit 1880 französische Kolonie) hatten das »exotische Paradies«, sofern es jemals existiert hatte, zerstört. In der Hauptstadt Papeete lebte die einheimische Bevölkerung in ärmlichen Wellblechhütten, westliche Kleidung hatte die traditionelle Tracht ersetzt, Religion und Traditionen waren von den Missionaren unterdrückt worden. Die Lebensweise der weißen Oberschicht unterschied sich kaum von der im Mutterland. Auf

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der Flucht vor der europäischen Zivilisation mietete Gauguin eine Hütte in dem Dorf Mataiea, 40 km von Papeete entfernt. Er lernte–mit mäßigem Erfolg–die Landessprache. Bald lebte er mit der 13-jährigen Tahitianerin Téha'amana (genannt auch: Tehura) zusammen, die ihm häufig

»[DIE] GLÜCKLICHEN BEWOHNER EINES UNBEACHTETEN PARADIESES IN OZEANIEN KENNEN VOM LEBEN NICHTS ANDERES ALS SEINE SÜSSE. FÜR SIE HEISST LEBEN SINGEN UND LIEBEN«

als Modell diente. Es entstanden zahlreiche Gemälde mit tahitianischen Motiven. Sie geben jedoch nicht das Tahiti wieder, das Gauguin umgab, sondern die farbenprächtige, exotische Welt, die er sich erträumt hatte. Während dieses Aufenthalts begann Gauguin mit den Arbeiten an seinem Buch Noa Noa (Duft). In dieser Beschreibung seines Lebens auf Tahiti mischt sich Erlebtes mit Erfundenem; auch war es seine Absicht, mit dem Buch beim europäischen Publikum Verständnis für seine Kunst zu wecken. Noa Noa, das Gauguin selbst illustrierte, erschien 1897. Anfang 1892 spuckte Gauguin Blut und wurde ins Krankenhaus von Papeete eingeliefert, das[s] er aus Geldmangel aber bald wieder verließ. Zu den gesundheitlichen

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»CHRISTIANISIERUNG, HANDEL UND KOLONIALHERRSCHAFT [...] HATTEN DAS ›EXOTISCHE PARADIES‹, SOFERN ES JEMALS EXISTIERT HATTE, ZERSTÖRT. [...] DIE EINHEIMISCHE BEVÖLKERUNG [LEBTE] IN ÄRMLICHEN WELLBLECHHÜTTEN, WESTLICHE KLEIDUNG HATTE DIE TRADITIONELLE TRACHT ERSETZT, RELIGION UND TRADITIONEN WAREN VON DEN MISSIONAREN UNTERDRÜCKT WORDEN.« Die traditionellen Hütten der Kalinga in Luplupa wurden durch Wellblechhäuser ersetzt, ihre ethnische Religion vom christlichen Glauben verdrängt


Problemen kamen finanzielle. Das mitgebrachte Geld war aufgebraucht, und unter dem Druck der Umstände beschloss Gauguin, nach Frankreich zurückzukehren. Auch hoffte er, dass die 66 auf Tahiti entstandenen Gemälde ihm endlich den Durchbruch zum gefeierten Künstler bringen würden. Im August 1893 war er wieder in Paris; die Reisekosten übernahm der französische Staat. Schon bald nach Gauguins Rückkehr fand eine Ausstellung seiner Gemälde statt. Sie wurde von den Künstlerfreunden und von einer Gruppe von Schriftstellern hoch gelobt, stieß aber in der breiteren Öffentlichkeit wiederum auf Unverständnis und Spott. Eine Erbschaft ermöglichte es Gauguin 1894, ein größeres Atelier zu mieten, das er exotisch dekorierte und in dem er mit einer Mulattin zusammenlebte. Im selben Jahr brach er sich in der Bretagne bei einer Schlägerei einen Knöchel. Die Verletzung heilte nie mehr völlig aus. Zurück in Paris, musste er feststellen, dass seine Geliebte sein Atelier–mit Ausnahme der Bilder–ausgeräumt hatte und verschwunden war. Weitere Fehlschläge folgten, und

»1894 BESCHLOSS GAUGUIN ENTTÄUSCHT UND VERBITTERT, SICH ENDGÜLTIG VON DER ZIVILISIERTEN WELT ABZUWENDEN UND NACH TAHITI ZURÜCKZUKEHREN.«

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Ende 1894 beschloss Gauguin enttäuscht und verbittert, sich endgültig von der zivilisierten Welt abzuwenden und nach Tahiti zurückzukehren. Zweiter Aufenthalt in Polynesien und Tod Im September 1895 traf Gauguin wieder in Papeete ein; enttäuscht musste er feststellen, dass die Europäisierung der Insel inzwischen weiter fortgeschritten war. Mit Hilfe seiner Nachbarn baute er sich an der Küste in der Nähe von Papeete eine traditionelle Hütte und nahm erneut ein sehr junges Mädchen, Pau'ura a Tai, bei sich auf. Es brachte Ende 1896 eine Tochter zur Welt, die bald darauf starb. Als das Mädchen 1899 wieder zu seinen Eltern zurückgekehrt war, gebar es den Sohn Emile. Bald nach der Ankunft verschlechterte sich Gauguins Gesundheitszustand. Zu den Schmerzen im Bein kam ein Hautausschlag als Folge einer Syphilis. Auch die finanzielle Situation war besorgniserregend, da versprochene Geldsendungen aus Frankreich ausblieben. Gauguin lebte von Wasser und Reis; er war verzweifelt. Anfang 1897 erhielt er den Erlös aus dem Verkauf von Bildern in Europa, was einen vorübergehenden finanziellen Aufschwung brachte; seine Gesundheit aber verschlechterte sich weiter. Er litt nun auch unter Herzbeschwerden und einer chronischen Augenentzündung. Die Nachricht vom Tod seiner Tochter Aline, die in Kopenhagen an einer Lungenentzün-

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dung gestorben war, verstärkte seine Schwermut zusätzlich. Nach einem Herzanfall am Ende des Jahres nahm Gauguin alle Kräfte zusammen und malte innerhalb von vier Wochen das 139 × 375 cm große Bild [...] [D’où venons-nous? Que sommes-nous? Où allons-nous?] [(]Woher kommen wir ? Wer sind wir? Wohin gehen wir?[)], das testamentarischen Charakter hat. Anschließend unternahm er einen Selbstmordversuch mit Arsen, an dessen Folgen er wochenlang leiden sollte. Sein Gesundheitszustand blieb weiterhin schlecht; mehrmals war er in den nächsten Jahren gezwungen, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen. 1898 zwang ihn der Geldmangel, vorübergehend mit dem Malen aufzuhören und stattdessen eine schlecht bezahlte Stelle als Zeichner beim Bauamt in Papeete anzunehmen; 1899 wurde er Mitarbeiter bei der satirischen Zeitschrift Les Guèpes (Die Wespen); später gründete er eine eigene Zeitschrift Le Sourire (Das Lächeln). Beide Publikationen nutzte er, um gegen Beamte der Kolonialverwaltung und gegen Missionare, denen er Heuchelei vorwarf, zu Felde zu ziehen. Währenddessen begann die Kunstwelt in Europa allmählich, auf Gauguins Werk aufmerksam zu werden. So konnte er 1900 mit Ambroise Vollard, einem der einflussreichsten Kunsthändler seiner Zeit, einen Vertrag abschließen, der ihm ein bescheidenes, aber regelmäßiges Einkommen sicherte. Damit war der Künstler zum ersten Mal in der Lage, vom Ertrag seiner Malerei zu leben.

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Das Gemälde »Nafea faa ipoipo?« (Wann heiratest du?) ist vermutlich das teuerste Bild der Welt. Im Jahr 2015 wurde es angeblich für rund 300 Millionen Dollar verkauft

Auf Tahiti fühlte Gauguin sich zunehmend unwohl. Die Insel schien ihm zu sehr europäisch beeinflusst, das Leben dort zu teuer geworden, auch suchte er nach neuen Eindrücken und Anregungen für seine Malerei. Im Herbst 1901 zog er nach Atuona, dem Hauptort der Marquesas-Insel Abbildung | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin#/media/File:Paul_Gauguin,_Nafea _Faa_Ipoipo%3F_(When_Will_You_Marry%3F)_1892,_oil_on_canvas,_101_x_77_cm.jpg, 16. Juni 2016, 00:53 Uhr 162 | 163


Hiva Oa. Die rund 1400 Kilometer [...] von Tahiti entfernte Insel war ebenfalls Teil des französischen Kolonialreichs, hatte aber ihre Ursprünglichkeit stärker bewahrt. Auf Hiva Oa errichtete Gauguin wiederum eine Hütte. Wieder war ihm ein 14-jähriges Mädchen zugleich Lebensgefährtin und Modell: Marie-Rose Vaeoho. Sie brachte, nachdem sie sich von ihm getrennt hatte, 1902 eine Tochter von ihm, Tahiatikaomata, zur Welt. Gauguin setzte sich erneut für die Rechte und Interessen der einheimischen Bevölkerung ein und griff die katholische Kirche scharf an. Sein provozierendes und verletzendes Verhalten brachte ihn bald wieder in Konflikt mit der Obrigkeit. Die ständigen Auseinandersetzungen gipfelten schließlich in der Verurteilung des Künstlers wegen Verleumdung zu einer Haft- und einer Geldstrafe, die seine finanziellen Möglichkeiten bei weitem überstieg. Gauguin war mittlerweile bettlägerig geworden und bekämpfte seine Schmerzen mit Morphin. Bevor er weitere rechtliche Schritte unternehmen konnte, starb er 54-jährig am 8. Mai 1903. Er ist auf Hiva Oa begraben. Neue Ausdrucksformen 1888, nach seiner Reise in die Karibik, begann Gauguin, eine neue, eigenständige Malweise zu entwickeln. Die Auseinandersetzungen mit den Künstlerfreunden in Pont-Aven und mit den Werken Vincent van Goghs gaben ihm dabei

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wichtige Impulse. Anfang 1891 war dieser Prozess abgeschlossen. Gauguin hatte nun seine eigene Bildsprache gefunden, die er, vielfältig variiert, bis ans Ende seines Lebens beibehielt. In der Literatur wird dieser Stil mal als Nachimpressionismus, dann wieder als Synthetismus, auch als Symbolismus oder Primitivismus bezeichnet. Unabhängig von solchen Einordnungen kann grundsätzlich gesagt werden, dass es Gauguins Anliegen war, in seiner Malerei zu einfachen, ursprünglichen Gestaltungen zurückzukehren. Von der Rückbesinnung auf die Kunst alter Kulturen erhoffte er sich eine Verjüngung und Erneuerung der Malerei. 1897 schrieb Gauguin, der sich selbst gern als »Wilden« bezeichnete, an seinen Freund Daniel de Monfreid: »Halten Sie sich stets die Perser vor Augen, die Kambodschaner und ein wenig die Ägypter!«

»VON DER RÜCKBESINNUNG AUF DIE KUNST ALTER KULTUREN ERHOFFTE [...] [GAUGUIN] SICH EINE VERJÜNGUNG UND ERNEUERUNG DER MALEREI.«

Gauguin wandte sich von dem in der Malerei seit Jahrhunderten angestrebten Ziel ab, eine Illusion der Realität zu schaffen. Seine Bilder sollten nicht die sichtbare Wirklichkeit wiedergeben, sondern Ausdruck von Gefühlen und Gedanken sein (dies ist die Grundidee des Synthetismus und des Symbolismus; Gauguin bezeichnete sich selbst

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als Synthetisten und Symbolisten). Er verdeutlichte sein Bestreben in einem Brief an den Freund Schuffenecker vom 14. August 1888: »Malen Sie nicht zu viel nach der Natur. Das Kunstwerk ist eine Abstraktion. Ziehen Sie es aus der Natur heraus, indem Sie vor ihr nachsinnen und träumen.« 1

»DER ›EDLE WILDE‹, L’INGÉNU, DAS ARGLOSE, NAIVE NATURKIND: DAS SIND KONZEPTE DER LITERATUR DES 18. JAHRHUNDERTS, DIE ALLERDINGS BIS INS 20. JAHRHUNDERT GEWIRKT HABEN. WIR FINDEN DIESE WIRKUNG AUCH BEI GAUGUIN, DER IN SEINEN SCHRIFTEN UND BRIEFEN IMMER WIEDER DAS KINDHAFTE UND NAIVE DER WILDEN AUF DEN INSELN DER SÜDSEE BETONT. WENN ER ABER VON DEN ›KANNIBALENZÄHNEN‹ DIESER ›SCHWARZEN WESEN‹ SCHREIBT, WENN ER VERKÜNDET, DASS ER ALS BARBAR WIEDER NACH FRANKREICH ZURÜCKGEKEHRT SEI, DANN LEGT ER DEN GRUNDSTEIN FÜR EINEN PRIMITIVISMUS, FÜR DEN DAS BARBARISCHE UND BRUTALE WICHTIG WAR, UM SICH VON DER ÄSTHETIK DES ABENDLANDES ABZUHEBEN.«2 1 | Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr 2 | Zitat | Schultz, 1995, S. 204

Traditionelle Holzschnitzerei der Ifugao, einem indigenen Volk der Philippinischen Kordilleren



Einstein, Carl

NEGERPLASTIK

K

Kasimir Edschmid behauptet in seinem frühen Manifest Über den dichterischen Expressionismus (1917), daß es Expressionismus in jeder Zeit gegeben habe. »Kein Stamm, der nicht das dumpfe Göttliche damit besang und formte.« [...] Das Bemühen der Expressionisten wird mit dem Bemühen primitiver Stämme auf eine Stufe gestellt und als Wesen dieser avantgardistischen Strömung gesehen. Man wollte weg von einer Individualkunst, hin zu einer [...]Kollektivkunst. Carl Einstein forderte eine [...] [»]nötige Kollektivkunst« und meint damit eine primitive Kunst: »Ablehnen der kapitalisierten Kunstüberlieferung. Europäische Mittelbarkeit und Überlieferung muß zerstört, das Ende der formalen Fiktionen festgestellt werden.« [...] [D]ie Ablehnung der Mittelbarkeit, unmittelbare Darstellung wird gefordert, eine möglichst kleine ›Differenz‹ zwischen Leben und Kunst; all dies glaubte man im primitiven Stammesdenken verwirklicht zu sehen.1 Religion und afrikanische Kunst Die Kunst des Negers ist vor allem religiös bestimmt. Die Bildwerke werden verehrt, wie bei irgendeinem antiken 1 | Text | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 182 –  183


Volke. Der Verfertiger arbeitet sein Werk als die Gottheit oder ihr Bewahrer, das heißt, er besitzt von Beginn an Distanz zum Werk, das der Gott ist oder ihn festhält. Seine Arbeit ist entfernte Adoration [([...] Anbetung aus der Ferne [...])]1 und somit das Werk a priori [([...]vor jeglicher Erfahrung [...])]2 etwas Selbstständiges, mächtiger als der Verfertiger; zumal dieser seine gesamte Intensität in das Werk hineinarbeitet und somit als der Schwächere diesem sich opfert. Seine Arbeit muß als religiöser Dienst bezeichnet werden. Das Werk als Gottheit ist frei und losgelöst von jeglichem; Arbeiter wie Adorant stehen zu ihm in unmeßbarem Abstand. Jenes wird sich nie dem menschlichen Geschehen vermischen und wenn, so als der Mächtige und wiederum Distanzierte. Die Transzendenz des Werkes ist im Religiösen bedingt und vorausgesetzt. Es wird in Adoration, in einem Grauen vor dem Gott geschaffen und das gleiche ist seine Wirkung. Verfertiger und Anbeter sind a priori seelisch, das ist wesentlich identisch; der Effekt liegt nicht im Kunstwerk, sondern in seinem vorausgesetzten, unbestrittenen Gottsein. Der Künstler wird sich nicht vermessen, neben dem Gott wetteifernd eine Wirkung anzustreben; diese ist sicher gegeben und vorausbestimmt. Das Kunstwerk als Mühe um einen Effekt ist hier sinnlos, zumal die Idole oft im Dunkeln adoriert werden.

Der Künstler erarbeitet ein Werk, das selbstständig, transzendent und unverwoben bleibt. Dieser 1 | Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 147 2 | Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes | Einstein, Carl, 2012, S. 146


Transzendenz entspricht eine räumliche Anschauung, die jede Funktion des Beschauers ausschließt; ein vollständig erschöpfter, totaler [([...]bezieht sich auf den schwer zu fassenden Zentralbegriff Einsteins der »Totalität« und meint die formale Geschlossenheit des Kunstwerkes als kubistischer Raum [...])]1 und unfragmentarischer Raum muß gegeben und verbürgt sein. Abgeschlossenheit des Raumes bedeutet hier nicht Abstraktion, sondern ist unmittelbare Empfindung. Die Geschlossenheit ist nur garantiert, wenn das Kubische [([...]aufgebaut aus dreidimensionalen geometrischen [,] [...] eigentlich würfelförmigen [...] Formen [...])]2 völlig geleistet ist, dem nichts hinzugefügt werden kann. Die Aktivität des Beschauers kommt nicht in Frage. (Handelt es sich um religiöse Malerei, so wird diese gänzlich auf die Bildfläche sich beschränken, damit ein Gleiches erreicht werde. Einer solchen Malerei ist also nicht vom Dekorativen oder Ornamentalen her beizukommen; dies sind sekundäre Folgen.) Ich sagte, das Dreidimensionale muß vollkommen und ungemindert geleistet sein, die Anschauung ist religiös vorausbestimmt und wird vom religiösen Kanon gefestigt. Mit dieser Bestimmung des Schauens ist ein Stil geleistet, der keiner Willkür des einzelnen unterliegt, sondern kanonisch bestimmt ist und nur durch religiöse Umwälzungen verändert werden kann. Der Beschauer adoriert die Bilder oft im Dunkeln, ist betend ganz vom Gott beansprucht und diesem völlig hingegeben, so daß er kaum 1 | Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 147 2 | Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes | Einstein, Carl, 2012, S. 146


auf die Art des Kunstwerks einwirken, ja achten wird. Die Situation bleibt die gleiche, wenn ein König oder Häuptling dargestellt wird; ja auch im Bildwerk des gemeinen Mannes wird ein Göttliches angeschaut, ja verehrt; auch hier bestimmt dieses das Werk. In einer solchen Kunst

»DIE ANSCHAUUNG IST RELIGIÖS VORAUSBESTIMMT UND WIRD VOM RELIGIÖSEN KANON GEFESTIGT. MIT DIESER BESTIMMUNG DES SCHAUENS IST EIN STIL GELEISTET, DER KEINER WILLKÜR DES EINZELNEN UNTERLIEGT«

finden individuelles Modell und Porträt keinen Platz, höchstens als profane Nebenkunst, die sich der religiösen Kunstübung kaum entziehen kann oder als unwesentlicheres Gebiet, wenig geachtet, kontrastiert. Das Werk wird als Typus der adorierten Gewalt aufgerichtet. Es bezeichnet die Negerplastiken, daß sie eine starke Verselbständigung der Teile aufweisen; auch dies ist religiös bedingt. Jene sind nicht vom Beschauer, sondern von sich aus orientiert; die Teile werden von der engen Masse aus empfunden , nicht in abschwächender Entfernung; somit werden sie und ihre Grenzen verstärkt sein. Weiter fällt auf: die meisten dieser Arbeiten entbehren des Sockels und ähnlicher Aufstellungszutaten,

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was verwundern könnte, da die Statuen in unserem Sinn äußerst dekorativ sind. Jedoch wird der Gott nie anders vorgestellt denn als selbstständiges Wesen, keiner Hilfe bedürftig. Fromme, verehrenden Hände mangeln ihm nicht, wenn er vom Adoranten einhergetragen wird. Eine solche Kunst wird selten das Metaphysische verdinglichen, da es als selbstverständlich vorausgesetzt ist. Es wird sich gänzlich in der vollständigen Form dartun müssen und in ihr erstaunlich intensiv sich konzentrieren; das heißt, die Form wird zur äußersten Geschlossenheit durchgebildet. Ein kräftiger Realismus des Formalen wird auftreten; denn nur so werden die Kräfte tätig, die nicht auf abstraktem oder reaktiv polemischen Wege [([...] meint in einer auf den optischen Reiz ansprechenden oder inhaltlichen Auseinandersetzung [...])]1 zur Form gelangen, sondern unmittelbar Form sind. (Das Metaphysische der heutigen Künstler verrät noch immer die vorhergegangene Kritik des Malerischen und ist in die Darstellung als gegenständliche und formale Essenz einbezogen, wodurch die Unbedingtheit von Religion und Kunst, ihre streng abgegrenzte Korrelativität zu einem zerstörenden Verwischen verwirrt wurde.) Im formalen Realismus, worunter nicht ein nachahmender Naturalismus verstanden wird, ist die Transzendenz gegeben; denn Nachahmung ist ausgeschlossen; wen dürfte ein Gott nachahmen, wem sich unterwerfen. Ein folgerichtiger Realismus der transzendenten Form ergibt sich. Das Kunstwerk 1 | Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 147 K APITEL 7 | PRIMITIVISMUS


wird nicht als willkürliche und künstliche Schöpfung angesehen werden, vielmehr als mythische Realität, die an Kraft die natürliche übertrifft. Das Kunstwerk ist real durch seine geschlossene Form; da es selbstständig und überaus mächtig ist, wird das Distanzgefühl eine ungeheuer intensive Kunst erzwingen. Während das europäische Kunstwerk der gefühlsmäßigen, sogar formalen Deutung unterliegt, insofern der Beschauer zur aktiven optischen Funktion aufgerufen wird, ist das Negerkunstwerk aus mehr als formalen Gründen, nämlich auch religiösen, eindeutig bestimmt. Es bedeutet nichts, es symbolisiert nicht; es ist der Gott, der seine abgeschlossen mythische Realität bewahrt, worein er den Adoranten einbezieht und auch ihn zu einem Mythischen verwandelt und seine menschliche Existenz aufhebt.

»WÄHREND DAS EUROPÄISCHE KUNSTWERK DER GEFÜHLSMÄSSIGEN, SOGAR FORMALEN DEUTUNG UNTERLIEGT, INSOFERN DER BESCHAUER ZUR AKTIVEN OPTISCHEN FUNKTION AUFGERUFEN WIRD, IST DAS NEGERKUNSTWERK AUS MEHR ALS FORMALEN GRÜNDEN, NÄMLICH AUCH RELIGIÖSEN, EINDEUTIG BESTIMMT. ES BEDEUTET NICHTS, ES SYMBOLISIERT NICHT; ES IST DER GOTT, DER SEINE ABGESCHLOSSEN MYTHISCHE REALITÄT BEWAHRT«

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Formale und religiöse Geschlossenheit entsprechen sich; ebenso formaler und religiöser Realismus. Das europäische Kunstwerk wurde geradezu die Metapher der Wirkung, die den Besucher zu lässiger Freiheit herausfordert. Das religiöse Negerkunstwerk ist kategorisch und besitzt ein prägnantes Sein, das jede Einschränkung ausschließt. Um ein abgegrenztes Dasein des Kunstwerks herauszubilden, muß jede zeitliche Funktion ausgeschaltet werden; das heißt, ein Umgehen des Kunstwerks, ein Betasten muß verhütet werden. Der Gott besitzt keine Genetik [([...] vermutlich im Sinne von Genese: Entwicklung [...])]1; diese widerspricht seiner gültigen Existenz. Es mußte also eine Darstellung gefunden werden, die ohne Modélé [([...] falsche französische Schreibweise, meint Formgebung, Gestaltung [...])]2 , das eine unfromme, persönlich beeinträchtigende Hand verrät, sofort in festem Material sich ausdrückt. Die Raumanschauung, die ein solches Kunstwerk aufweist, muß gänzlich den kubischen Raum absorbieren und ihn vereinheitlicht ausdrücken; Perspektive oder die übliche Frontalität sind hier verboten, sie wären unfromm. Das Kunstwerk muß die gesamte Raumgleichung geben; denn nur, wenn es jede zeitliche Interpretation, die auf Bewegungsvorstellungen beruht, ausschließt, ist es zeitlos. Es absorbiert die Zeit, indem es, was wir als Bewegung erleben, in seiner Form integriert.3 1 | Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 147 2 | Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 148 3 | Textauszug: Religion und afrikanische Kunst | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 –  18


Afrikanische Skulptur aus Carl Einsteins Sammlung sogenannter Negerplastiken Abbildung | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 32 174 | 175


Maske und Verwandtes An der Maske versteht der psychologisierende und zugleich theatralische Europäer [...] am ehesten. Der Mensch verwandelt sich immer etwas, jedoch bleibt er bemüht, eine gewisse Kontinuität, die Identität zu wahren. Gerade der Europäer bildete dies Gefühl zu einem fast hypertrofen [([...] übermäßig, ausufernd [...])]1 Kult; der Neger, der weniger vom subjektiven Ich befangen ist und die objektiven Gewalten ehrt, muß, soll er sich neben ihnen behaupten, sich in sie verwandeln, gerade, wenn er sie am gesteigertsten feiert. Mit der Verwandlung stellt er das Gleichgewicht zur vernichtenden Adoration auf; er betet dem Gott, er tanzt dem Stamm ekstatisch und er selbst verwandelt sich durch die Maske in den Stamm und den Gott; diese Verwandlung gibt ihm das mächtigste Begreifen des Objektiven; er inkarniert dies in sich und er selbst ist dies Objektive, worin alles einzelne zernichtet. Darum: die Maske hat nur Sinn, wenn sie unmenschlich, unpersönlich ist; das heißt konstruktiv, frei von der Erfahrung des Individuums; möglich, daß er die Maske als Gottheit ehrt, wenn er sie nicht trägt. Die Maske möchte ich die fixierte Ekstase nennen, vielleicht auch das immer bereite Mittel, ungeheuer zur Ekstase zur stimulieren, indem das Gesicht der adorierten Gewalt oder des Tiers fixiert da ist.2

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»MAN GIBT SICH VIEL MÜHE MIT DEM STUDIUM DESSEN, WAS DIE MENSCHEN, VÖLKER UND ZEITEN VONEINANDER TRENNT. ACHTEN WIR JE UND JE AUCH WIEDER AUF DAS, WAS ALLE MENSCHEN VERBINDET. ETWAS DAVON SIEHT UNS DANN AUCH AUS DER NEGERPLASTIK AN.«3 1 | Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 149 2 | Text | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 28 –  29 3 | Zitat | Hesse, 2012, Buchrückseite

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DER NEOEXPRESSIONIST UND ›MODERNE PRIMITIVE‹ JEAN-MICHEL BASQUIAT

J

ean-Michel Basquiat ([...] [geboren am] 22. Dezember 1960 in New York City; [...] [gestorben am] 12. August 1988 ebenda) war der erste afroamerikanische Künstler, der den Durchbruch in der hauptsächlich weißen Kunstwelt schaffte. Der gängigen Einordnung als Graffiti-Künstler widersprach Basquiat »Ich bin kein Teil der Graffitikunst.«[...] Bis heute polarisiert Basquiat bei der Bestimmung seines Stellenwertes in der Kunstgeschichte.[...] Um Basquiats Bilder zu verstehen, schreibt die afroamerikanische Essayistin [B]ell [H]ooks, müsse man bereit sein, die tragische Dimension des schwarzen Lebens zu akzeptieren und bezieht sich dabei auf James Baldwins Essay The Fire Next Time (1963), »dass es für die Schrecken des schwarzen Lebens keine Sprache gibt.« Basquiats Arbeit gebe diesem Schrecken [...] künstlerischen Ausdruck.[...]1 K APITEL 7 | PRIMITIVISMUS

Interview Demosthenes Davvetas Luckily I made the appointment with Jean-Michel Basquiat in this bar on Great Jones St. The artist was late, but at least the TV worked. Lady providence, concerned about my nerves, was broadcasting a basketball game. At one point my table-mate, a bearded Yankee of medium caliber, left his chair to go to the restrooms. Absorbend in the game, I thought he’d left. And when Basquiat finally turned up, I offered him his chair. Bad idea. The bearded guy came back. Livid, he pounced on my interlocutor, nearly knocking him down and ruining my shot, my interview. Absorbed with finding a correct translation of »You snooze, you lose, « I stayed out of it. In the end we changed tables. Not without a certain amount of irony.


Bildausschnitt aus dem Gemälde »K« von Jean-Michel Basquiat aus dem Jahre 1982 1 | Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Michel_Basquiat, 18. Juni 2016, 17:26 Uhr Abbildung | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. 25 178 | 179


The scene could have been taken from one of the paintings by JeanMichel Basquiat, graffiti artist born in one of the disreputable neighbourhood’s of Brooklyn. And the coarse protagonist of this episode

»Wieland Herzfelde bezeichnete schon 1914 in seinem Artikel Die Ethik der Geisteskranken den Künstler als einen Träumer, als einen ›wirklichkeitsscheuen, wissenschaftslosen Träumer‹, wie ihn die Philister sehen. Dem Künstler gelinge es zuweilen, sich aus den Fesseln des realen Seins zu befreien, wie es auch im Traum geschieht, aber dann zwinge ihn die ›phantasielose, seelenfremde Logik wieder zurück in die Armut der nackten Tatsächlichkeit‹. Es geht darum, der kalten Logik zu entgehen, und was Herzfelde bei den Geisteskranken verwirklicht sieht, wird später auch mit der Mentalität der Primitiven in Verbindung gebracht.«1 of New York life could well have admired it while taking the subway, like the thousands of subway users familiar with this type of image, from when the artist signed his underground works with the enig1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 195

matic name SAMO. That was when comics attracted him more than is reasonable for a painter; his favorite themes were Hitchcock, Nixon , cars, war, and weapons. Famous from the age of twentytwo, at the time Basquiat indicated in a biography that he’d wanted to become a fireman. While interviewing him, I racked my brain for the correct translation of »Many are called, few are chosen.« Demosthenes Davvetas: Was the graffiti on the buildings and streets of Brooklyn a rebellious reaction? Jean-Michel Basquiat: My father was Haitian, my mother Puerto Rican. I spent my whole childhood in Brooklyn. I left home at fifteen. I went to Washington Square Park where I spent eight months getting stoned on acid. Then I didn’t like it there. I had a lof of problems with the authority figures and I had to leave again. At school I made typical teenager things. Psychedelic images on star backgrounds. I also sold postcards that I drew and sweatshirts painted by hand. In other words, I was all over the place,


roaming the streets. A kind of survival. During that period you were writing poems on sidewalks, drawing and painting on walls. You sought a kind of »communication« with Interview magazine. That’s when Andy Warhol asked you to draw T-shirts. How did you go from »survival« to »recognition«? At that time I wouldn’t have been surprised if I’d died like a dog. But the problem of money became imperative. I couldn’t even buy the necessary materials to finish a canvas. I thought about going to see the Art Students’ League. I had enough curiosity, enough will to find a solution, a way of reaching any goal. But in other respects, student work seemed so sad to me… I preferred to continue wandering around until the day I decided to participate in the exhibition »New York–New Wave,« organized by Diego Cortez. From then on, things started to change. In 1982 you had your first solo exhibition at Annina Nosei’s gallery, while also being invited to Docu180 | 181

menta. A lot of people attribute your success to the fact that you knew how to gain Andy Warhol’s attention… (angrily) I was the one who helped Andy Warhol paint! It had been twenty years since he’d touched a brush. Thanks to our collaboration, he was able to rediscover his relationship to painting. It seems like you don’t like to be treated like a graffiti artist. Labels don’t mean anything. My work has nothing to do with graffiti. It’s painting, it always has been. I’ve always painted. Well before painting was in fashion. There are almost always totems, primitive signs, and fetishes in your images. Is that a search for your African roots? I’ve never been to Africa. I’m an artist who has been influenced by his New York environment. But I have a cultural memory. I don’t need to look for it; it exists. It’s over there, in Africa. That doesn’t mean that I have to go live there. Our cultural memory follows us everywhere, wherever you live.



»BASQUIAT CONTINUED TO PAINT MYSTERIOUS AND GREAT PAINTINGS […]. HE ALSO DID NOT LOSE HIS CAPACITY TO DRAW MASTERPIECES SUCH AS SELFPORTRAIT, 1985 […], AN AUTO-DISSECTION WHERE THE INPUT OF A MULTITUDE OF EYES IS GENERATING A STORM IN THE BRAIN. A MIND-BLOWING DRAWING IN MORE WAYS THAN ONE.«1 Abbildung | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. 99 1 | Zitat | Marenzi, 2009, S. XLII

Die Zeichnung »Selfportrait« aus dem Jahre 1985

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»PICASSO ARRIVED AT PRIMITIVE ART IN ORDER TO GIVE OF ITS NOBILITY TO WESTERN ART. AND I ARRIVED AT PICASSO TO GIVE HIS NOBILITY TO THE ART CALLED ›PRIMITIVE‹«1 1 | Zitat | Basquiat, 2009, S. 126 2 | Zitat | Basquiat, 2009, S. XXXII 3 | Interview | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. LXII –  L XIII (© Demosthenes Davvetes, in New York International, Lugano, no. 3, october-november 1988) 4 | Zitat | Basquiat, 2009, S. 12

K APITEL 7 | PRIMITIVISMUS


In your work, the magical element doesn’t seem like a cult. You use it

Someone who could use his art as a weapon against racism?

»[...] BUILD A FORT/ SET THAT ON FIRE«2 with distance, like a child who plays with objects. Magic doesn’t especially interest me. What I like is the intuition that

Making good art is revenge enough. That’s why I feel no nostalgia for the misery I lived in. All my energy scattered then, without following any particular path. Now I’m a lot happier.

THERE ARE ALMOST ALWAYS TOTEMS, PRIMITIVE SIGNS, AND FETISHES IN YOUR IMAGES. IS THAT A SEARCH FOR YOUR AFRICAN ROOTS?

tells me that a work is finished. I’m not an elitist, but an autodidact who would like to be part of the family of artists.

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What American artists do you like best? Twombly, Rauschenberg, Warhol, Johns. And among the Europeans? Da Vinci’s and Titian’s drawings. More recently, work by Penck,Clemente,Cucchi.3

»I LIKE KIDS’ WORK MORE THAN WORK BY REAL ARTISTS ANY DAY« 4


» D A S L E B E N S E L B S T , E I N SW E R D E N M I T D E M E R E I G N I S: U N M I T T E L B A R E O B J E K T I V I T Ä T : D A S W A R [ . . . ] I N D E R E U R O P Ä I S C H E N K U N S T N I C H T (  M E H R  ) M Ö G L I C H . I N DER KUNST DER PRIMITIVEN S A H [ . . . ] [ M A N ] E T W A S D A V O N , UND DARUM MUSSTE SIE  [ . . . ] Z U M V O R B I L D W E R D E N . « 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 146



»DASS DIE WILDEN NACKT HERUMLAUFEN, IST FÜR DEN ›NORMALEN‹ BÜRGER IM NEGATIVEN SINN PRIMITIV, DOCH SPÄTESTENS SEIT DER JAHRHUNDERTWENDE, ALS DIE NACKTKÖRPERKULTUR IN EUROPA VIELE ANHÄNGER FAND, WURDE AUCH DIE NACKTHEIT DER WILDEN (WIEDER) ALS VORBILDHAFT, ALS ZEICHEN KINDHAFTER UNSCHULD, ANGESEHEN.«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 135 Bild | http://www.essentialhommemag.com/wp-content/uploads/ 2014/01/FR27.jpg, 09. Mai 2016, 23:07 Uhr


Fotografie des KĂźnstlers Jean-Michel Basquiat



DIE PRIMITIVISTISCHE STRÖMUNG IN DER MODERNEN GESELLSCHAFT


ANARCHO–PRIMITIVISMUS

A

[...] Anarcho-Primitivismus [...] bezeichnet die anarchistische Kritik an den Ursprüngen und Auswüchsen der Zivilisation. Primitivist_Innen sehen in der neolithischen Revolution von der Jäger_Innen-Sammler_Innen-Gesellschaft zur agrikulturellen Sesshaftigkeit den Ursprung sozialer Zwänge, Spaltung und Entfremdung. Sie treten ein für eine Rückkehr zu nicht-zivilisierter Lebensweise durch Deindustrialisierung, Aufgabe der Arbeitsteilung oder Spezialisierung und Verbannung jeglicher Technologie. Es gibt jedoch viele nicht explizit anarchistische Formen des Primitivismus und nicht alle Vertreter_Innen dieser Ideologie sehen den Ursprung zivilisierter Problematika im selben Phänomen. Theodore Kaczynski bspw. sieht in der Industriellen Revolution den Ausgangspunkt, während andere auf verschiedenste historische Entwicklungen wie Monotheismus, Schrift oder die Entwicklung von Metallwerkzeugen hinweisen. Viele traditionelle Anarchist_Innen haben eine abweisende Haltung gegenüber antizivilisatorischer Herrschaftskritik, während andere, wie bspw. Wolfi Landstreicher, die Kritik befürworten, ohne sich selbst als Anarcho-Primitivist_Innen zu bezeichnen. AnarchoPrimitivist_Innen zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie versuchen, durch sog. »Rewilding« einen wilden, unzivilisierten Zustand zu erreichen.

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Konzepte Primitivist_Innen gehen davon aus, dass die Menschen vor der Etablierung des Ackerbaus in kleinen, nomadischen Gruppen lebten, die auf sozialer, politischer und ökonomischer Basis egalitär waren. In ihrer nicht-hierarchischen Ausprägung werden solche Gruppen von einigen als Verkörperung eines Vorreiters des Anarchismus angesehen. John Moore schrieb, dass Anarcho-Primitivismus das Ziel hat[:]

»DIE UNTERSCHIEDLICHEN FORMEN DER MACHT, WELCHE DIE [...] INDIVIDUELLEN, SOWIE SOZIALEN BEZIEHUNGEN ZUR NATÜRLICHEN WELT GLIEDERN[,] AUFZUDECKEN, HERAUSZUFORDERN UND ZU BESEITIGEN.«

Primitivist_Innen behaupten, dass die aufgrund der Sesshaftigkeit und Feldwirtschaft wachsenden Menschenmassen fast unmerklich immer angewiesener auf technologische Prozesse und abstrakte Machtstrukturen wurden, welche hauptsächlich aus der Arbeitsteilung hervorgingen. Primitivist_Innen widersprechen der Notwendigkeit von Gartenbau in einer anarchistischen Gesellschaft und während manche der Permakultur eine gewisse

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Rolle einräumen, befürworten andere ein striktes Jäger_ Innen-Sammler_Innen-Dasein. Trotz der Ablehnung von Wissenschaft, stützt sich der Primitivismus stark auf kulturanthropologische und archäologische Prämissen. Völker, welche früher als barbarisch angesehen worden waren, wurden im Verlaufe des letzten halben Jahrhunderts von Akademikern neu bewertet, von welchen viele zum Schluss gekommen sind, dass der frühe Mensch in verhältnismäßig friedlichen und wohlhabenden Zuständen gelebt hat. [...] Gelehrte wie Karl Polanyi und Marshall Sahlins charakterisieren primitive Gesellschaften als Schenkökonomien, in welchen »Güter durch ihre Nützlichkeit oder Schönheit statt durch Kosten bewertet werden; Gebrauchsgüter mehr auf Bedarfsbasis denn auf der von Tauschwert getauscht werden; Verteilung auf die Gemeinschaft ohne Berücksichtigung der durch die Mitglieder geleisteten Arbeit erbracht wird; Arbeit ohne die Idee eines Lohns zum Ausgleich, ja ohne die Vorstellung von ›Arbeit‹ an sich geleistet wird.« Andere Gelehrte und Denker wie Paul Shepard, beeinflusst durch den Anthropologen Claude LéviStrauss, schrieben von einem »evolutionären Prinzip«, welches grob besagt, dass eine Spezies, die von ihrem natürlichen Habitat und Verhalten abkommt, pathologisch

K APITEL 8 | PRIMITIVISMUS


wird. Shepard hat ausführlich über den Bruch, ausgelöst durch den sesshaften Lebensstil der Feldwirtschaft, der natürlichen »Ontogenie« des Menschen geschrieben, welche sich über tausende von Jahren der Evolution entwickelt hat. Zivilisation Primitivist_Innen sehen in der Zivilisation die Logik, die Institutionen und den physikalischen Apparat der Domestizierung, Kontrolle und Herrschaft. Sie konzentrieren sich hauptsächlich auf die Frage der Herkunft. Zivilisation wird als grundlegendes Problem und als Wurzel jeglicher Unterdrückung angesehen und Primitivist_Innen zielen auf ihren Abbau oder ihre Zerstörung ab. Der Aufstieg der Zivilisation wird als Wechsel während der letzten 10'000 Jahre von einer Existenz tiefer Verbindung zum Netz des Lebens zu einer davon losgelösten und gegenüber restlichem Leben herrschsüchtigen Existenz angesehen. In vorzivilisatorischer Zeit soll es ausgiebig freie Zeit, nennenswerte Geschlechter-Autonomie und–Gleichheit, einen unzerstörerischen Zugang zur natürlichen Welt, keine organisierte Gewalt, keine vermittelnden oder formellen Institutionen und robuste Gesundheit gegeben haben. Primitivist_Innen gehen davon aus, dass die Zivilisation Kriegsführung, die Herabminderung von Frauen, Bevölkerungswachstum, Sklavenarbeit,

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Eigentumskonzepte, fest verwurzelte Hierarchien und so ziemlich jede bekannte Krankheit einführte. Sie behaupten, dass Zivilisation auf einem erzwungenen Freiheitsverzicht basiert und dass es unmöglich ist, diesen Verzicht weg zu reformieren. Kritik symbolischer Kultur Primitivist_Innen sehen die Verschiebung zu einer verstärkt symbolischen Kultur, verkörpert durch die virtuelle Realität, als höchst problematisch, da sie uns von direkter Interaktion abhält. Diese Kritik sieht eine Vernachlässigung anderer sinnlicher und unvermittelter Wege der Kommunikation aufgrund der vorwiegend auf Symbolik beruhenden Form der Verständigung der Zivilisation. Die Betonung des Symbolischen ist eine Verlagerung von direkter Erfahrung in vermittelte Erfahrung in Form von Sprache, Kunst, Zahl, Zeit etc. Symbolische Kultur filtere unsere gesamte Wahrnehmung durch formelle und informelle Symbole, behaupten Primitivist_Innen. Dies geht darüber hinaus, Dingen Namen zu geben und erweitert sich zu einer Beziehung zur Welt, die auf die Vorstellung reduziert wird. Es steht zur Debatte, ob der Mensch zu symbolischem Denken vorprogrammiert ist oder ob sich dieses Denken als kulturelle Entwicklung oder Anpassung ergeben hat, doch laut Primitivist_Innen führt die begrenzte Ausdrucks-

K APITEL 8 | PRIMITIVISMUS


und Verständnispalette der Symbolik und die zunehmende Abhängigkeit davon zu Versachlichung, Entfremdung und einer engstirnigen Wahrnehmung. Viele Primitivist_ Innen befürworten und praktizieren das Kennenlernen und wiederaufleben Lassen vernachlässigter oder vergessener Formen der Interaktion und Wahrnehmung, wie Berührungen oder Gerüche und experimentieren mit einzigartigen, individuellen Verständigungsformen. Die Domestizierung des Lebens Domestizierung ist, gemäß Primitivist_Innen, der Prozess, den die Zivilisation benutzt, um sich das Leben gemäß ihrer strikt geordneten Logik einzuverleiben und zu beherrschen. Im Grunde genommen ist Domestizierung die zivilisatorische Tendenz, den Rest des Universums in sein berechnendes und strukturiertes System zu assimilieren. Die Mechanismen der Domestizierung sollen unter anderem beinhalten:

· ZÄHMUNG · ZUCHT · GENMANIPULATION · AUSBILDUNG BZW. ERZIEHUNG · EINKERKERUNG · EINSCHÜCHTERUNG

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GĂźtertransport auf der philippinischen Inselgruppe Batanes



· ZWANG · ERPRESSUNG · VERSPRECHEN · ABSCHLIESSEN VON VERTRÄGEN · REGIEREN · VERSKLAVUNG · TERROR · MORD Domestizierung ist ein pathologischer Machtprozess, der von Gruppen früher Menschen begonnen wurde, die jegliche Unsicherheiten und Gefahren des Lebens ausmerzen wollten und eine ganzheitlich sichere und organisierte Existenz anstrebten. Letztlich ist es diese Kraft, gegen die sich Primitivist_Innen (insbesondere Anarcho-Primitivist_Innen) stellen. Primitivist_Innen beschreiben die Domestizierung auch als den Prozess, durch welchen vormals nomadische menschliche Populationen in einen sesshaften, durch Feldwirtschaft und Tierhaltung gezeichneten Lebensstil wechseln. Sie behaupten, dass diese Art der Domestizierung eine totalitäre Beziehung sowohl zum Land, wie auch zu den Pflanzen und Tieren, die domestiziert werden, verlangt–letztendlich verlangt es gar eine totalitäre Beziehung zum Menschen an sich. Sie sagen, dass während

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das Leben in Wildnis sich Ressourcen teilt und auch darum konkurriert, die Domestizierung diese Balance vollends zerstört. Die domestizierte Landschaft (bspw. Weideflächen, Äcker, Monokulturen und auch Gärten) erfordert das Ende freien Teilens der Ressourcen–was früher allen »gehörte«, wird nun einem »mir« zugeschrieben. Anarcho-Primitivist_Innen gehen davon aus, dass diese Auffassung von Besitz durch das Aufkommen von Macht den Grundstein für soziale Hierarchie legte, oder wie JeanJacques Rousseau schrieb:

»DER ERSTE, DER EIN STÜCK LAND EINGEZÄUNT HATTE UND AUF DEN GEDANKEN KAM [,] ZU SAGEN ›DIES IST MEIN‹ [,] UND DER LEUTE FAND, DIE EINFÄLTIG GENUG WAREN, IHM ZU GLAUBEN, WAR DER WAHRE BEGRÜNDER DER ZIVILEN GESELLSCHAFT.« [...]

Unumgänglich ging damit die Kultivierung und Ausbeutung der Umwelt einher und simultan entstanden Monopsonie und Monopol des Menschen und für den Menschen, welche im Verlaufe der Zeit die wertebasierenden sozialen Strukturen hervorbrachten, die wir heute haben, in welchen jedes konkrete Ding–von Nahrung über Erde über Gene zu Ideen–als quantifizierbares disponibles Vermögen angesehen wird. Diese Entwicklung bedeutet auch die Zerstörung, Versklavung oder Assimilation an-

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derer Gruppen früher Menschen, welche eine solche Transition nicht vornahmen oder dabei nicht so erfolgreich waren. Für Primitivist_Innen verändert die Domestizierung nicht nur die Ökologie von einer libertären in eine totalitäre Ordnung, sondern versklavt die Spezies welche domestiziert werden, als auch die Domestizierenden selbst. Gemäß Primitivist_Innen nähert sich der Mensch folglich dem Beginn der letzten Phase des Domestizierungsprozesses, da nun Experimente mit direkter Genmanipulation gemacht werden und dramatische und furchterregende Fortschritte auch in der Psychologie, Anthropologie und Soziologie gemacht wurden. Mithilfe dieser Entwicklungen quantifizieren und objektifizieren wir uns selbst, bis auch wir zu Rohstoffen ohne größeren oder kleineren Wert als ein beliebiges anderes Kapital verkommen. Ursprünge und Dynamik des Patriarchats  Ein frühes Produkt der Domestizierung ist das Patriarchat: die Formalisierung männlicher Dominanz und die Institutionalisierung dieser Herrschaft. Laut Primitivist_ Innen kreiert die Zivilisation durch die falsche Unterteilung in Geschlechter und die Teilung zwischen Mann und Frau ein »anderes«, welches verdinglicht, kontrolliert, dominiert, benutzt und zur Ware gemacht werden kann. Sie sehen dies als Parallele zur Domestizierung von Pflanzen für die Feldwirtschaft und vor allem von Tieren zum

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Schutz im Allgemeinen, doch auch spezifisch wie die Kontrolle der Fortpflanzung. Primitivist_Innen behaupten, dass, wie in anderen Bereichen sozialer Gliederung, Frauen gewisse Rollen zugewiesen werden um eine unbeugsame und durchschaubare Ordnung herzustellen, die der Hierarchie dienlich ist. Sie behaupten, dass Frauen bald genauso als Besitz angesehen wurden, wie die Ernte der Felder oder die Schafe auf der Weide. Besitz und absolute Kontrolle, egal ob über das Land, die Pflanzen, Tiere, Sklaven, Kinder oder Frauen, sind Teil der der Zivilisation innewohnenden Dynamik. Das Patriarchat verlangt die Unterjochung der sozial konstruierten Frau und die Usurpation der Natur; es treibt uns voran in die totale Vernichtung. Weiter wird behauptet, dass das Patriarchat Macht, Kontrolle und Herrschaft über Wildheit, Freiheit und Leben stellt. Die patriarchale Konditionierung diktiere alle unserer Interaktionen: mit uns selbst, unserer Sexualität, unserer Beziehungen zu einander und unserer Beziehung zur Natur. Das Patriarchat begrenzt das Spektrum möglicher Erfahrungen mit aller Strenge. Arbeitsteilung und Spezialisierung Primitivist_Innen sehen in Arbeitsteilung und Spezialisierung fundamentale und unüberbrückbare Probleme,

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die für soziale Beziehungen innerhalb der Zivilisation bestimmend sind. Sie sehen darin die Abkopplung von der Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen und für die eigenen Bedürfnisse aufzukommen, die von der Zivilisation zur Entmachtung und Teilung der Menschen aufrecht erhalten wird. Spezialisierung wird als Urheberin unumgehbarer Ungleichheit des Einflusses angesehen, als auch als Hemmerin egalitärer Verhältnisse. Ablehnung der Wissenschaft In antizivilisatorischen Kreisen stößt die moderne Wissenschaft als Beitrag zum Verständnis der Welt auf Ablehnung. Wissenschaft wird von Primitivist_Innen nicht als neutral angesehen. Sie wird stattdessen als mit Motiven und Vermutungen, welche der Zivilisation entstammen und / oder sie bestärken, belastet angesehen. Die moderne Wissenschaft sieht die Welt als eine Sammlung separater Objekte, welche beobachtet und verstanden werden sollen. Um dies zu erreichen, müssen Forscher_Innen sich emotional und physisch von diesen Objekten distanzieren, um zu einer einseitigen Informationsübertragung zu gelangen. Primitivist_Innen kritisieren dies als mechanistische Herangehensweise, ganz im Sinne der dominanten Kultur unserer Zeit. Davon ausgehend, dass die Wissen-

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schaft sich nur mit Mengen beschäftigt, vermuten Primitivist_Innen, dass sie dem Fokus ihrer Beobachtungen keinen Wert und keine Emotionen zugesteht. Entgegen der wissenschaftlichen Sichtweise, dass nur Dinge, die reproduzierbar, vorhersehbar und objektiv wahrnehmbar sind, realistisch und wichtig sind, setzt der Anarcho-Primitivismus die These, dass die Realität per se weder reproduzierbar, noch vorhersehbar, noch objektiv wahrnehmbar ist. Die Wissenschaft beachtet laut Primitivist_ Innen nur Teile der Realität und macht sich deswegen des vermeintlichen Reduktionismus schuldig. Der wahre Zweck und die wahren Mittel der Wissenschaft seien Beobachtbarkeit, Objektifizierbarkeit, Quantifizierbarkeit, Vorhersehbarkeit, Beherrschbarkeit und Uniformität. Dies führt laut Primitivist_Innen zur Weltansicht, dass alles objektifiziert, quantifiziert, beherrscht und uniform mit allem und jedem sein sollte. Laut Primitivist_Innen soll die Wissenschaft die Idee fördern, dass anomale Erfahrungen, anomale Ideen, letztlich anomale Menschen an sich verstoßen oder zerstört werden sollten, indem sie ein Bild von Normalität konstruiert.

»[...] DIE WISSENSCHAFT [SOLL] DIE IDEE FÖRDERN, DASS ANOMALE ERFAHRUNGEN, ANOMALE IDEEN, LETZTLICH ANOMALE MENSCHEN AN SICH VERSTOSSEN ODER ZERSTÖRT WERDEN SOLLTEN, INDEM SIE EIN BILD VON NORMALITÄT KONSTRUIERT.«

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»DIE PRIMITIVISTEN WANDTEN SICH GEGEN DIE ABENDLÄNDISCHE KULTUR, DIE IHNEN ALLZU SEHR VON DER RATIO, VON KALTER LOGIK, BESTIMMT SCHIEN. MAN SUCHTE NACH DER [...]URFORM«1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 117

Moderne Architektur in der Wüste des marokkanischen Atlasgebirges



Wichtige Vertreter  · Derrick Jensen [...] sieht seine primäre Aufgabe darin, die industrielle Zivilisation aufzuhalten, die er als Grund für die fortschreitende Zerstörung der Erde ansieht. Er sieht sich damit als antizivilisatorisch, allerdings nur bedingt als primitivistisch oder anarchistisch. Eine primitivistische und damit anarchistische Lebensweise ist bei ihm eher eine Folge als das Ziel eines Umsturzes der (industriellen) Zivilisation. Sein eigentliches Ziel ist die Herstellung eines Zustandes in dem nichtmenschliche Tiere und Pflanzen kaum noch einer Gefahr der Ausrottung durch den Menschen ausgesetzt sind und Menschen in eine unterdrückungsfreie Beziehung zu diesen anderen Lebensformen und anderen Menschen treten. Das aus diesen Zielen eine primitivistische und anarchistische Lebensweise folgt[,] erscheint folgerichtig, ist jedoch nicht erklärtes Ziel dieses Autors. · Theodore Kaczynski (aka der Unabomber) ·   Wolfi Landstreicher (Nur bedingt primitivistisch, versteht sich als antizivilisatorisch) · John Zerzan ·  Daniel Quinn [...] beschreibt in seinen Werken »Ismael« und »Ismaels Geheimnis« die Entwicklung der Kultur als einen Prozess, der sich vor 10'000 Jahren von der langen Tradition der Menschheitsgeschichte loslöste und mit der ersten industriellen Revolution begann, dem Ackerbau. Quinn fordert nicht die Zerstörung der Kultur, beschreibt

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aber die Notwendigkeit ihres Veränderns, wenn sie überleben will. Insgesamt bietet Quinn ein neues Weltbild an, welches gleichzeitig so alt ist wie die Menschheit selbst (und damit erprobt ist wie kein anderes). Dieses Weltbild kann dazu beitragen, den Technikwahn zu überwinden und dorthin zurückzukehren, wo wir herkommen und wo wir hingehören: In eine freie Welt.

»DEN TECHNIKWAHN [...] ÜBERWINDEN UND DORTHIN ZURÜCK[...]KEHREN, WO WIR HERKOMMEN UND WO WIR HINGEHÖREN:

IN EINE FREIE WELT.« Kritik Die Erde hat eine Bevölkerung von mehr als 6.5 Milliarden Menschen. Kritiker_Innen behaupten, dass die Erde nicht so viele Menschen versorgen könnte, wenn sie alle als Jäger_ Innen-Sammler_Innen leben würden. Kritiker_Innen wundern sich über das Schicksal der Milliarden Menschen, welchen die Lebensgrundlage entzogen werden würde, würde ein solcher Lebenswandel plötzlich und global angenommen. Dem wiederum wird entgegnet, dass die menschliche Bevölkerung der Erde bereits lange in einem

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Zustand der Übernutzung von Lebensgrundlagen (»Overshoot«) lebt. Landwirtschaft wird als zerstörerischer Prozess gesehen der wie andere Prozesse der Rohstoffextraktion sowohl zur Erhaltung der Bevölkerung notwendig ist, jedoch gleichzeitig auch die Lebensgrundlagen dieser Bevölkerung entzieht. Die Verwendung von energieabhängigen Technologien wie Kunstdünger fördern diese Zerstörung und erlauben eine weitere, temporäre Übernutzung. Primitivist_Innen folgern daraus, dass eine Reduktion der Bevölkerung daher unabdingbar ist und gegebenenfalls durch einen unausweichlichen Kollaps nach totaler Degradierung der Lebensgrundlagen geschehen würde. In diesem Punkt gibt es Überschneidungen zu Denkern die sich mit der »Peak Oil« Krise beschäftigen, sowie Forschern wie Jared Diamond, welcher aus den negativen Folgen der Landwirtschaft und aus Beobachtungen vergangener Zivilisationen ebenfalls folgert, dass unter den aktuellen Bedingungen ein Kollaps der Zivilisation und Bevölkerung fast unausweichlich ist (und folgert, dass die Bedingungen verändert werden müssen). Diese Unausweichlichkeit eines Zusammenbruches der Zivilisation nach einer immer stärker ausgeprägten Vernichtung der Lebensgrundlagen folgender Generationen wird als Motivation für das Anstreben eines vorzeitigen Abbaus von Zivilisation und Überbevölkerung erklärt. Kritiker_Innen sehen Primitivismus als eine Art Chiliasmus [(Offenbarung)] und den Niedergang

K APITEL 8 | PRIMITIVISMUS


der Zivilisation durch technologischen Fortschritt aufhaltbar. Laut kritischen Stimmen ist die These, dass Hierarchien und Gewaltanwendungen ein Erzeugnis der Zivilisation sind, nicht mit Machtkämpfen und gewalttätigen Ausbrüchen von Schimpansen vereinbar, obwohl Beweise für solches Verhalten unter Menschen oder den uns ebenso nah verwandten Bonobos bis 12000 Jahre zurück[,] fehlen. Manche Quellen innerhalb des AnarchoPrimitivismus, wie der Autor Pierre Clastres, bieten eine anthropologische Erklärung für diese Kämpfe, ohne Anarchie als natürliches Gleichgewicht primitiver Gesellschaften aus den Augen zu verlieren. [...]1

»›DAS UNVOLLKOMMENE [DES PRIMITIVEN] KORRIGIERE DIE UNVOLLKOMMENHEIT DER GEGENWART‹«2 1 | Text | http://deu.anarchopedia.org/Anarcho-Primitivismus, 13. Mai 2016, 16:39 2 | Zitat | Schultz, 1995, S. 199

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» › S O Z E I G T S I C H,   D A S S D E R E X O T I S M U S D E S M Y T H I S C H E N ,  D I E F A S Z I N A T I O N ALSO DURCH UNS FREMDE A U S S E R E U R O P Ä I S C H E K U L T U R E N U N D M Y T H E N,  N U R E I N U M W E G I S T ,  A U F D E M WIR ZU DEN VERSCHÜTTETEN U N D V E R D R Ä N G T E N U R G R Ü N D E N

U N S E R E R

S E E L E Z U R Ü C K F I N D E N . ‹ « 1 1 | Zitat | Schultz, 1995, S. 134




Holpriger Feldweg in Kappadokien; TĂźrkei


QUELLENVERZEICHNIS 3

Zitat | White, Kenneth: Streifzüge des Geistes. Nomadenwege zur Geopoetik, Waldgut Verlag, Frauenfeld 2007, S.12

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Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 118

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Bild | http://40.media.tumblr.com/5823b8af92 20e0cebc6da89c11baddad/tumblr_nxo6z6Vy7E 1h3q1do1_1280.jpg, 24. Juni 2016, 21:50 Uhr Zitat | https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ biokapitalismus-und-askese, 20. Mai 2016, 13:48 Uhr

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Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 114

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Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen


Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 138 18   –   19

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Primitivismus, 17. April 2016, 19:37 Uhr

20   –   2 2

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 13 – 16

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Tatsächliche Aussage | Mann der Aeta

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Bild | https://p2.liveauctioneers.com/2631/64932/ 32720674_1_x.jpg, 18. April 2016, 14:20 Uhr Text | https://de.wiktionary.org/wiki/primitiv, 17. April 2016, 23:20 Uhr

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Bedeutungsübersicht | http://www.duden.de/rechtschreibung/primitiv, 17. April 2016, 23:22 Uhr

26

Synonyme | http://www.duden.de/rechtschreibung /primitiv, 18. April 2016, 15:06 Uhr

27

Gegenwörter | https://de.wiktionary.org/wiki/primitiv, 18. April 2016, 16:45 Uhr


28

Text | vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Primitiv, 28. Mai 2016, 15:42 Uhr Text | https://de.wikipedia.orgwiki/Primitivit%C3%A4t, 18. April 2016, 20:43 Uhr

29

Text | https://de.wikipedia.orgwiki/Primitivit %C3%A4t, 18. April 2016, 20:43 Uhr

30

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Plesiomorphie, 18. April 2016, 21:33 Uhr

31

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Grafisches_ Primitiv, 18. April 2016, 22:05 Uhr Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Primitiv, 18. April 2016, 22:05 Uhr

32

Bildvorlage | https://de.wikipedia.org/wiki/Grafisches_ Primitiv#/media/File:Beetle.gif, 16. Mai 2016, 15:49 Uhr Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Grafisches_ Primitiv, 18. April 2016, 22:05 Uhr Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Kryptographisches_ Primitiv, 16. Mai 2016, 16:05 Uhr

33

Bildvorlage | https://de.wikipedia.org/wiki/Grafisches_ Primitiv#/media/File:Beetle.gif, 16. Mai 2016, 15:49 Uhr


34

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 115

36

Bild | https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/ b/ba/Nach_Gasangriff_1917.jpg, 30. Mai 2016, 13:56 Uhr

37

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 131 Bild | https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons /b/ba/Nach_Gasangriff_1917.jpg, 30. Mai 2016, 13:56 Uhr

40

Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37

41

Bild | https://danielosgood.files.wordpress.com/2013/ 04/3g08927u-11.jpg, 15. April 2016, 19:22 Uhr

42  –   4 3

Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37


44

Zitat aus Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37

45

Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37 Bild | http://bilder4.n-tv.de/img/incoming/origs118 59471/481273904-w1000-h960/imago54351545h.jpg, 13. April 2016, 19:45 Uhr

46

Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37 Bild | http://i1.web.de/image/376/30690376,pd=3/ pierre-brice-lex-barker.jpg, 13. April 2016, 20:08 Uhr

47

Zitat aus Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37 Bild | http://i1.web.de/image/376/30690376,pd=3/ pierre-brice-lex-barker.jpg, 13. April 2016, 20:08 Uhr

48

Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37


Zitat aus Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37 49

Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37

51

Zitat aus Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37

52

Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37

53

Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37 Zitat aus Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37

55

Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37


Zitat aus Rede | Seattle, Noah: Wir sind ein Teil der Erde. Die Rede des Häuptlings Seattle, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003, S. 7 – 37 56

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 112

58

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 195

62

Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 – 6 0 Text | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 15 – 16

63

Bild | https://upload.wikimedia.orgwikipedia/commons/ e/ef/Samoan_female_ceremonial_dancer,_by_ Thomas_Andrew,_c._1890s.jpg, 16. Mai 2016, 21:34 Uhr


64

Zitat | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 43 – 4 4

65

Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 – 6 0 Zitat | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 150

66

Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 – 6 0

67

Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 – 6 0 Zitat | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 91

70

Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 – 6 0


Zitat | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 46 71  –    72

Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 – 6 0

73

Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 – 6 0 Zitat | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 104 – 105

74

Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 – 6 0 Zitat | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 132

75   –    76

Textauszug: Vom runden Metall | Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Oesch Verlag AG, Zürich 2001, S. 49 – 6 0


78

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 108

80

Bild | http://www.planet-wissen.de/geschichte/ menschenrechte/sklaverei/portraetsklavereinarbeng jpg100~_v-gseagaleriexl.jpg, 08. Mai 2016, 15:39 Uhr

81

Bild | http://www.planet-wissen.de/geschichte/ menschenrechte/sklaverei/portraetsklavereinarbengj pg100~_v-gseagaleriexl.jpg, 08. Mai 2016, 15:39 Uhr Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 108

84

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 6 – 7

85

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 71 – 78


Zitat | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 9 Zusatzinformation | http://www.duden.de/ rechtschreibung/praelogisch, 10. Mai 2016, 18:11 Uhr 86   –    89

91

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 71 – 78 Tatsächliche Aussage | Mananambal

92   –    94

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 71 – 78

95

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 71 – 78 Zitat aus Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 71 – 78

96   –    98

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 71 – 78


99

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 71 – 78 Zitat aus Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 71 – 78

100

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 196

102   –  103

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 79 – 8 0

104

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 79 – 8 0 Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 87 – 89

105

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 87 – 89


Zitat aus Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 94 106   –  107

Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 87 – 89

108

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 122

110

Zitat aus Text | Lévy-Bruhl, Lucien: Die geistige Welt der Primitiven, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, S. 100

114

Geschichte | Sawad, Chang-ag: The Luplupa Villagers and the River Creatures, Cordillera Green Network Inc., Baguio City, Philippines 2015

116   –  117

118

Geschichte | Sawad, Chang-ag: The Luplupa Villagers and the River Creatures, Cordillera Green Network Inc., Baguio City, Philippines 2015 Abbildung | Sawad, Chang-ag: The Luplupa Villagers and the River Creatures, Cordillera Green Network Inc., Baguio City, Philippines 2015


119

Abbildung | Sawad, Chang-ag: The Luplupa Villagers and the River Creatures, Cordillera Green Network Inc., Baguio City, Philippines 2015 Geschichte | Sawad, Chang-ag: The Luplupa Villagers and the River Creatures, Cordillera Green Network Inc., Baguio City, Philippines 2015

120

Geschichte | Sawad, Chang-ag: The Luplupa Villagers and the River Creatures, Cordillera Green Network Inc., Baguio City, Philippines 2015

122

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 148 – 1 49

124

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 125

128   –  133

Textauszug: Primitiv, Primitivismus | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 149 – 154


134

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 194

135

Bild | http://media1.popsugar-assets.com/files/2011/ 06/22/3/192/1922153/2f60669da5db21af_51656538. xxxlarge/i/Josephine-Baker-Beauty-Quotes.jpg, 05. Mai 2016, 16:56 Uhr

136

Textauszug: Primitiv, Primitivismus | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 149 – 154

137

Textauszug: Primitiv, Primitivismus | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 149 – 154 Textauszug: Primitiv, Primitivismus | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 191 – 193


138   –  140

Textauszug: Primitiv, Primitivismus | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 191 – 193

141

Abbildung | https://en.wikipedia.org/wiki/Raoul_ Hausmann#/media/File:Kp%27_erioum-Hausmann. jpg, 14. Juni 2016, 00:14 Uhr

142

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 181

144

Abbildung | https://meganlevacy.files.wordpress.com/2010 /02/beuys-stagshead-1954.jpg, 14. Juni 2016, 23:43 Uhr Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 122

145

Abbildung | https://meganlevacy.files.wordpress.com/2010 /02/beuys-stagshead-1954.jpg, 14. Juni 2016, 23:43 Uhr


148   –  151

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr

152

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 205

154

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr Zitat aus Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_ Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr

155   –  156

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr

157

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr Zitat aus Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_ Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr

159

Zitat aus Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_ Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr

160

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr


Zitat aus Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_ Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr 161   –  162

163

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr Abbildung | https://de.wikipedia.org/wiki/ Paul_ Gauguin#/media/File:Paul_Gauguin,_Nafea_Faa_ Ipoipo%3F_(When_Will_You_Marry%3F)_1892,_oil _on_canvas,_101_x_77_cm.jpg, 16. Juni 2016, 00:53 Uhr Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr

164

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr

165

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr Zitat aus Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_ Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr

166

Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gauguin, 13. Mai 2016, 15:30 Uhr Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen


Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 204 168

Textauszug: Religion und afrikanische Kunst |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 – 18 Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 182 – 183

169

Textauszug: Religion und afrikanische Kunst |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 – 18 Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 147 Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 146

170

Textauszug: Religion und afrikanische Kunst |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 – 18


Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 147 Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 146 171

Textauszug: Religion und afrikanische Kunst |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 – 18 Zitat aus Textauszug: Religion und afrikanische Kunst |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 – 18

172

Textauszug: Religion und afrikanische Kunst |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 – 18 Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 147

173

Textauszug: Religion und afrikanische Kunst |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 – 18


Zitat aus Textauszug: Religion und afrikanische Kunst | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 – 18 174

Textauszug: Religion und afrikanische Kunst |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 15 – 18 Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 147 Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 148

175

Abbildung | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 32

176

Text | Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 28 – 29 Zusätzliche Details zur Erklärung des Textes |  Einstein, Carl: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, S. 149

177

Zitat | Hesse, Hermann: Negerplastik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2012, Buchrückseite


178

Interview | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. LXII – LXIII (© Demosthenes Davvetes, in New York International, Lugano, no. 3, october-november 1988) Text | https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Michel _Basquiat, 18. Juni 2016, 17:26 Uhr

179

Abbildung | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. 25

180

Interview | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. LXII – L XIII (© Demosthenes Davvetes, in New York International, Lugano, no. 3, october-november 1988) Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 195

181

Interview | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. LXII – LXIII (© Demosthenes Davvetes, in New York International, Lugano, no. 3, october-november 1988)

182

Abbildung | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. 99


183

Zitat | Marenzi, Luca: Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. XLII

184

Zitat | Basquiat, Jean-Michel: Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. 126

185

Interview | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. LXII – LXIII (© Demosthenes Davvetes, in New York International, Lugano, no. 3, october-november 1988) Zitat aus Interview | Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. LXII – LXIII (© Demosthenes Davvetes, in New York International, Lugano, no. 3, october-november 1988) Zitat | Marenzi, Luca: Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. XXXII Zitat | Basquiat, Jean-Michel: Civico Museo Revoltella Trieste: Basquiat, Charta Books Ltd., New York City 2009, S. 12

186

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen


Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 146 188

Bild | http://www.essentialhommemag.com/wp-content/ uploads/2014/01/FR27.jpg, 09. Mai 2016, 23:07 Uhr Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 135

189

Bild | http://www.essentialhommemag.com/wp-content/ uploads/2014/01/FR27.jpg, 09. Mai 2016, 23:07 Uhr

192   –  197

Text | http://deu.anarchopedia.org/Anarcho-Primitivismus, 13. Mai 2016, 16:39

200   –  2 04

Text | http://deu.anarchopedia.org/Anarcho-Primitivismus, 13. Mai 2016, 16:39

205

Text | http://deu.anarchopedia.org/Anarcho-Primitivismus, 13. Mai 2016, 16:39 Zitat aus Text | http://deu.anarchopedia.org/AnarchoPrimitivismus, 13. Mai 2016, 16:39

206

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen


Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 117 208

Text | http://deu.anarchopedia.org/Anarcho-Primitivismus, 13. Mai 2016, 16:39

209

Text | http://deu.anarchopedia.org/Anarcho-Primitivismus, 13. Mai 2016, 16:39 Zitat aus Text | http://deu.anarchopedia.org/AnarchoPrimitivismus, 13. Mai 2016, 16:39

210

Text | http://deu.anarchopedia.org/Anarcho-Primitivismus, 13. Mai 2016, 16:39

211

Text | http://deu.anarchopedia.org/Anarcho-Primitivismus, 13. Mai 2016, 16:39 Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 199

212

Zitat | Schultz, Joachim: Wild, irre und rein. Wörterbuch zum Primitivismus der literarischen Avantgarde in Deutschland und Frankreich zwischen 1900 und 1940, Anabas-Verlag Günter Kämpf KG, Gießen 1995, S. 134



IMPRESSUM Konzeption, Satz und Layout  Michael Gegenfurtner 8. Semester Kommunikationsdesign Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg Fakultät Gestaltung Kursthema  Bachelorarbeit Primitivismus Sommersemester 2016 Projektbetreuung Christina Hackenschuh Prof. Dr. phil. habil. Gerhard Schweppenhäuser Erscheinungsort  Würzburg, Deutschland Auflage  6 Exemplare


Buchformat  134 x 176 mm Papier  IGEPAgroup Profimatt 115 g/ qm Verwendete Schriftarten  Futura LT Medium Bold Futura LT Medium Bold Italic Futura LT Medium Regular Walbaum Text Pro Bold Walbaum Text Pro Regular Walbaum Text Pro Italic Druck  Tim Bingnet, FHWS Bindung  Horst Jöst, FHWS © 2016 Michael Gegenfurtner Würzburg, Deutschland/ Wien, Österreich



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