“Heißes Pflaster” | Herbst 2013 | Ausgabe 6

Page 1

Ausgabe 06 // Oktober 2013


Medienschmiede 2013 Herbstredaktion II


Grußwort Liebe Leserinnen, liebe Leser, LILSLAMEIFAG ist genau das richtige Wort für unsere Ausgabe des Heißen Pflasters. Im Rahmen der zweiten Herbstferienwoche 2013 arbeiteten 15 Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren an dem Jugendmagazin „Heißes Pflaster“ und erstellten zusammen diese Ausgabe. Das allgemeine Bild der Jugend von heute ist verzerrt. Fernsehen, Computer und Handy? Nicht wir (zumindest nicht diese Woche). Wir wollen dem allgemeinen Bild, das Erwachsene von uns haben, entgegentreten und beweisen, dass wir nicht alle gleich sind. Im Laufe der Woche haben wir gelernt, mit Medien umzugehen und mit anderen Teenies zusammenzuarbeiten. Am Anfang waren alle noch ziemlich „eingefroren“ und die Dozenten bemühten sich sehr, das Eis zwischen uns zum Schmelzen zu bringen. Spätestens am Mittwoch brach es dann vollkommen auf. War es das Gruppenfoto, bei dem zwei nette, junge Männer versuchten, uns unter Anweisung von Fara zu fotografieren und somit der ganzen Gruppe ein herzliches Lachen ins Gesicht zauberten? Oder der Halloween-Nachmittag bei dem die Mädchen großen Spaß hatten, den Grusel auch in die Redaktion zu bringen? Wunderbare Fotos von den kleine Zombies sind entstanden. Auch der Versuch ein Foto für die „Nahtod-Seite“ zu fabrizieren erwies sich als großer Spaß, als die Fotomodelle anfingen, sich für das richtige Licht auf dem Kopierer in Szene zu setzen. Es waren sechs LILSLAMEIFAGe Tage, die uns sehr geprägt haben: Lang Interessant Lehrreich Spannend Lustig Aufschlussreich Monstersuperwundervollstzauberhaftinspirierendlebendigkreativschön Erfahrungsbringend Inspirierend Fabulös Aufregend Grandios. Die Layouter lernten von Lisa Dres (Medienpädagogin), wie sie in einer einzigen Linie eine Seite wunderbar gestalten können. Fara Phoebe Zetzsche (Fotografin) zeigte den Nachwuchsfotografen Tricks zum Zaubern toller Bilder. Die Schreiber unserer Ausgabe wurden von Viola Zetzsche (Autorin, Wissenschaftjournalistin) in der hohen Kunst des Schreibens unterwiesen. Das Resultat unserer Zusammenarbeit ist nun in gebundener Form anzuschauen. Wir können alle stolz auf das sein, was wir geschafft haben und glücklich sagen, dass sich jede Mühe gelohnt hat.

Viel Spaß, beim Entdecken eurer Lieblingsthemen! Lasst euch mitreißen … Antonia Heiser, Leoni Behnisch


Inhalt Grußwort...................................

4

Ein Handwerk, das unter die Haut geht..........................

Warum es wichtig ist, sich vor dem ersten Tattoo ein „Bild“ zu machen. Wir sprachen mit einem, der Bilder unter die Haut gehen lässt und erzählen die Geschichte des Tätowierens.

8

Was tun, wenn der Schädel brummt?..............................

Schüßlersalze, Pflanzenkraft, Akupunktur, Schamanismus – was haben alternative Heilmethoden einer medizinischen Behandlung voraus?

12

Rettet die Welt..............................

... sie ist der einzige Planet, auf dem es Schokolade gibt. Wir haben in der Dresdner Neustadt einen Konditor getroffen, der aus Schokolade, Mehl, Butter und Glasur wahre Kunstwerke herstellt - und schmecken tut‘s auch noch!

1


16

Nahezu tot......................................

Was passiert nach dem Tod? Wieso sehen Menschen mit Nahtoderfahrungen einen Tunnel? Wir beschreiben was vorgeht und lassen Betroffene erz辰hlen, was sie erlebten.

Mit Schwert, Pfeil und Bogen....................................

20

Ihr wollt wissen wie es im Mittelalter war? Kein Problem: Wir berichten 端ber Kampfarten und andere knallharte Fakten, haben uns bei einem Falkner erkundigt und ein Interview mit ihm gef端hrt. Wir entf端hrten zwar keine Prinzessinnen, allerdings jetzt euch.

Redaktion......................................

24

Impressum......................................

25


Ein Handwerk, das unter die Haut geht

Körperkunst, die ein Leben überdauert, sollte schmücken, kann die Persönlichkeit stärken, aber auch ein Grund sein, seine Haut für den Rest aller Tage zu verstecken. Text: Sarah Held // Foto: Livia Koenitz // Layout: Leonhard Kehr Für mich sind sie moderne Kunst, für andere Schund und für manche sind sie einfach nur wunderschön. Ich überlege, ob ich mir ein Tattoo stechen lasse und mache mich auf die Suche nach Argumenten, um meine Eltern zu überzeugen. Ein Tattoo ist ein Motiv, das mit organischen oder anorganischen Farbmitteln oder Tinte in die Lederhaut eingebracht wird. Heute wird dieser Prozess meist von einem Tätowierer durchgeführt. Er benutzt eine Tätowiermaschine, die eine oder mehrere Nadeln besitzt. Tattoos gibt es über die ganze Erde verteilt und scheinbar schon ewig. Diese Kunst am eigenen Körper hat sich unabhängig voneinander und selbständig

in verschiedenen Völkern entwickelt. Hinweise dafür wurden auf allen Kontinenten gefunden. Eine 7 000 Jahre alte Mumie aus dem Norden von Chile wurde zu Lebzeiten an Händen und Füßen mit Erdfarben tätowiert. Gerade in Lateinamerika besaßen Tattoos rituelle und spirituelle Bedeutung. Dabei spielten Krafttiere und die als göttlich empfundenen Gestirne eine besondere Rolle. Auch der über 5 200 Jahre alte Ötzi war mit einigen Zeichen tätowiert. Im Mittelalter verbreiteten sich in Europa christlich-religiöse Tattoo-Symbole.


Tattoo | 05

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Insassen der Konzentrationslager mit Häftlingsnummern gekennzeichnet. An ihrer Blutgruppentätowierung am linken Oberarm erkannten sich Mitglieder der Schutzstaffel der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei, genannt SS. Heute wird bei vielen Zucht- und Haustieren ein Identifikationscode eintätowiert.

„Wo und wann sollte man stechen lassen und welche Geschäfte sollte man besser meiden?“ „Am besten ist es, sich in Studios tätowieren zu lassen,

Inzwischen hat das Tattoo eher die Aufgabe, den Körper zu verzieren. Es zeigt das Bedürfnis nach Individualität und danach, seinen Körper selbst zu gestalten. Tattoos fallen auf und ziehen Blicke an. Sie provozieren schockierte oder interessierte Reaktionen. Menschen tragen es, weil sie damit etwas zeigen oder ausdrücken wollen oder, weil es die Erinnerung an einen Lebensabschnitt bewahrt. Am besten weiß das ein waschechter Tätowierer. Denn der hört während seiner Arbeit viele Geschichten. Ich treffe Martin aus dem Tattoostudio „Das Bunte Wunder“ auf der Rudolf-Leonhard-Straße im Hechtviertel. „Wie lange tätowieren Sie schon?“ „Ich tätowiere mit Ausbildung und allem Drum und Dran insgesamt schon 6 Jahre.“ „Welche Vorrausetzungen bzw. Talente muss man besitzen?“ „Man sollte auf jeden Fall großes Interesse haben, und gute zeichnerische Fähigkeiten besitzen.“ „Was war Ihr erst gestochenes Tattoo an einem Menschen?“ „Das war an meinem eigenen Körper. Um genau zu sein im Wadenbereich. Das Motiv war ein Teddybär.“ Ich sehe nach. Er hat ihn immer noch.

in denen man sich vorher gut über die Hygiene und die Qualität der Tattoos informiert hat. Z. B. durch die Befragung von Kunden oder Anschauen von Fotos gestochener Motive an Menschen. Keinesfalls sollte man sich sein Tattoo an Strandbuden verpassen lassen, wo es nicht sehr sauber und besonders billig ist.“ „Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit und was nicht? „Ich habe an allem Spaß.


06 | Tattoo

kommt auf die Person an. Ich würde es nicht „süchtig machen“ nennen. Es ist eher die Leidenschaft für Tattoos. Manche schwimmen auch einfach nur der Masse nach.“ Martin tätowiert konzentriert weiter und zeichnet Nadelstich für Nadelstich unvergängliche Linien auf makellose Haut.

Es wäre schlecht, wenn nicht. Das würde sich im Ergebnis der Kunden widerspiegeln.“ Ich sehe mir einige Motive und Fotos an. „Welche Motive sind out und welche in?“ „In sind derzeit amerikanische und polynesische Zeichen so wie Anker, Rosen, Uhren und Frauengesichter. Out ist das Arschgeweih.“ „Ist Ihnen schon einmal ein schwerwiegender Fehler unterlaufen?“ „Kleine Fehler ja, aber nichts, was ich nicht korrigieren konnte.“ „Welches Motiv war die größte Herausforderung für Sie?“ „Jedes Tattoo ist eine Herausforderung, aber am schwierigsten sind Gesichter oder Porträtbilder.“ „Was ist das schwierigste am Tätowieren?“ „Das schwierigste ist die Umsetzung der Aufträge. – So, dass man selbst zufrieden damit ist.“ „Was sagen Sie zu der Ansicht, dass man nach noch mehr Tattoos süchtig werden kann?“ „Es

Minderjährige brauchen eine Einverständniserklärung ihrer Erziehungsberechtigten. Manchen Studios aber reicht das nicht. Wer könnte nicht einfach einen Schriftzug unter eine ausgedruckte Einverständniserklärung setzen? Sie verlangen die Anwesenheit eines Elternteils während der gesamten Prozedur. In der Branche gibt es viele Autodidakten. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Eine Lehrausbildung zum Tätowierer oder eine Ausbildungsvergütung gibt es nicht. Wer sich berufen fühlt, kann ein Portfolio zusammenstellen und damit zu einem praktizierenden Tätowierer gehen. Der kann als „Lehrmeister“ fungieren. Eine gute Ausbildung dauerte drei Jahre. Ausreichend Zeit, um die Tricks und Kniffe kennen zu lernen und zu wissen, was die Kunden mögen. Männer möchten mit Tattoos ihre Stärke hervorheben oder beispielsweise durch ein Krafttier potenzieren. Sie lassen sich gern den Bizeps, die Schultern oder die Waden verzieren. Frauen setzen auf Erotik und wählen am häufigsten ihre Fesseln, das Schulterblatt oder, bevor es aus der Mode kam, die Lenden für das inzwischen belächelte Geweih. Manche Motive stehen für charakteristische Eigenschaften wie nachdenklich, ruhig, aufgedreht oder geheimnisvoll. Aggressive Tattoos sind nicht als Waffe sondern eher als Schutz für den Tätowierten zu verstehen. Nach Fertigstellung, wird von Tätowierten ein verändertes Körpergefühl beschrieben. Der „neue Schmuck“ auf der Haut und die überstandenen Schmerzen, die Aufmerksamkeit beim Betrachten durch Freunde – all das stärkt zunächst das Selbstbewusstsein. Später werden kleine Symbole


Tattoo | 07

größer, aus Blüten werden Schmetterlinge oder Elfen gestochen. Jedes Tattoo ist ein Symbol und erzählt eine Geschichte, die oft einen feierlichen oder tragischen Hintergrund hat. Es veranschaulicht einen emotionalen Moment im Leben des Trägers. In der Neustadt suche ich nach jemandem, der mir die Geschichte seiner Tattoos erzählt. Vor einem Klamottenladen treffe ich Manuela. Ihr erstgestochenes Tattoo war ein Geschenk ihrer ersten großen Liebe. Es ist eine schwarze Flamme die von einer Notenzeile umrahmt ist. Die steht für ihren jetzigen Lebenspartner, der DJ ist. Auch ihr Sohn Patrice hat einen Platz auf ihrem linken Oberarm gefunden. Für ihn wurden die beiden Buchstaben P und A mit in die Notenzeile tätowiert. Seerosen sollen an ihren verstorbenen Vater erinnern, der an der Küste gelebt hat. Außerdem fliegt eine wunderschöne bunte Schwalbe als Symbol für Familie über ihren Arm. Manuela ist mit ihrer Motivwahl bis heute sehr zufrieden. Sie will ein weiteres Tattoo nur stechen lassen, wenn es eine passende Begebenheit gibt. Was aber macht man mit inzwischen völlig aus der Mode gekommenen Symbolen, Exfrauen oder dem überlebten Hinternschmuck? 15  Prozent der Tätowierten lassen Motive wieder entfernen. Zum einen wollen sie Erinnerungen wortwörtlich ausblenden oder sie haben sich einfach weiterentwickelt und das Motiv bleibt hinter dem neuen Selbst zurück.

Zurück bleiben dabei auch Schwermetalle aus den anorganischen Tattoofarben. Sogenannte Fullbodys, die am ganzen Körper tätowiert sind, leiden darunter besonders. Die Metallteile senken die Hauttemperatur und sie frieren ständig! Unglaublich aber wahr: Aufgrund der Metallablagerungen in der Haut gibt es immer mehr Ärzte, die eine Untersuchung durch Kernspintomographie bei Tätowierten und dauerhaft Gepiercten ablehnen. Ob man sich gleich eine bleibende Tätowierung stechen lässt oder es lieber mit Henna versucht, muss letzten Endes jeder selbst entscheiden. Ich komme so langsam ins Zweifeln. Ein Tattoo für´s ganze Leben? Das ist nichts für mich! Ein Henna-Tattoo ist vergänglich, preiswerter und tut nicht weh.


Was tun, wenn der Schädel brummt? Text: Aisha Reiche Foto: Juliane Reichelt Layout: Antonia Burkhardt

Sie kommen wieder in Mode, doch so mancher zweifelt an ihrer Wirksamkeit. Vier alternative Heilmethoden und wie sie funktionieren. Meine Tante hat kein Vertrauen in die Schulmedizin mehr. Sie sagt, wir werden mit Chemie vollgepumpt und vertraut auf Homöopathie und alternative Heilmethoden. Die unüberschaubare Aufstellung der Heilmethoden auf lexikon-alternativ-heilen.de reicht von Aderlass über die Misteltherapie bis zur Zungendiagnostik. Nicht alle sind Teil der Tradition der Länder in denen sie angewendet werden und nicht überall sind sie in das dominante Gesundheitssystem integriert. Trotzdem haben sie sich mittlerweile über den ganzen Globus verbreitet. Was hierzulande wieder in Mode kommt, hat zum Teil eine jahrtausendealte Tradition. Die Herkunft ist so vielfältig wie ihre Entstehungsländer. Früher alltäglich bildet sie den Grundstein für die heutige Schulmedizin.

Ein Kursteilnehmer leidet unter Migräne. Ich mache mich auf die Suche nach alternativen Behandlungsmethoden und stoße zunächst auf Akupunktur. Sie gehört zur Chinesischen Medizin und hat eine über 4 000-jährige Geschichte. Der Name setzt sich aus den lateinischen Begriffen acus (Nadel) und pungere (stechen) zusammen. Ich besuche Frank Lohmann in seinem Zentrum für Tai Chi und Traditionelle Chinesische Medizin in Dresden. Es riecht wohltuend nach Räucherstäbchen. Als er 24 war, verletzte er sein Knie. Sein Arzt sagte, es wäre unheilbar und er müsste ab jetzt im Rollstuhl sitzen. Das konnte er nicht akzeptieren und suchte einen Akupunkteur auf. Nach der Behandlung war das Knie geheilt und Frank Lohmann wurde Akupunkteur.


„Für das Studium habe ich fünf Jahre gebraucht. Viereinhalb um die Theorie zu erlernen und ein halbes Jahr für die Praxis und welche Behandlung ich bei welcher Krankheit anwenden muss.“ „Gibt es eine spezielle Behandlung gegen Migräne?“, frage ich. „Nein. Die Chinesen kennen 15 verschiedene Arten von Kopfschmerzen. Ein Akupunkteur erstellt zu jeder Krankheit ein eigenes Symptombild, nach dem er dann den Patienten behandelt.“ „Was kann passieren, wenn man jemanden falsch behandelt?“ „Das kann zu ernsthaften Verletzungen führen. Die Nadeln werden zentimetertief in die Haut gestochen. Dadurch können sie Organe beschädigen und zu schlimmen Blutungen führen.“ Um das zu vermeiden, sticht Frank Lohmann je eine sterile Einweg-Metallnadel in einen der über 700 Akupunktur-Hauptpunkte auf 14 Meridianen (Energieleitbahnen), die mit den Organen verbunden sind. Dass Akupunktur funktioniert, hat sich seit ihrer Entwicklung immer wieder, wie am Beispiel von Frank Lohmann, bewiesen. Von Sebastian S. erfahre ich, dass er in Peru an einem schamanischen Ritual teilgenommen hat. Er kommt in die Medienschmiede und erzählt: „Ich hatte seit zehn Jahren starke Migräne. Ich war bei vielen Ärzten, aber es hat sich nicht verbessert.“ „Woher wusstest du von dem Schamanen?“ „Der ortskundige Archäologe Dr. Klaus Koschmieder hatte mir den mercado de brujos, den Hexenmarkt

in Chiclayo empfohlen. Er ist Teil eines jeden Marktes in Peru. Dort geht man in ländlichen Regionen nicht zum Arzt, sondern zunächst zu einem qurandero, einem Heiler.“ Diese Heiler werden bei uns allgemein als Schamanen bezeichnet. Schamán kommt aus dem Altai in Sibirien. Es bedeutet Schütteln, außer sich sein oder in Trance geraten. Das ist neben der schamanischen Reise in andere Erlebnisdimensionen ein wesentlicher Aspekt schamanischen Wirkens. Schamanismus ist der älteste Weg des Menschen zu Heilung, Kraft und Stärke. Seine Ergebnisse wurden bereits 1980 von der Weltgesundheitsorganisation der UNO als heilend wirksam anerkannt. Körper, Seele und Geist werden einbezogen. Die Schulmedizin behandelt lediglich den Körper. Das Wort Schamane wird allgemein im Sinne von Medizinmann und -frau, für Heiler aber auch für Zauberer oder Magier verwendet. Sebastians Behandlung


10 | Alternative Heilmethoden

fand in einer Blechbude auf einem Hexenmarkt statt. Ringsum hingen Kräuterbüschel, getrocknete Schlangen, ein Kondorkopf. Überall standen Fläschchen mit farbigen Essenzen. „Der Schamane ließ mich das T-Shirt ausziehen. Er mixte ein Getränk und sprach Beschwörungsformeln. Dann gab er mir die Flüssigkeit zu Trinken. Ich hatte keine Ahnung was drin war, aber es schmeckte scheußlich. Der Mann nahm einen Schluck in den Mund und besprühte damit meinen Körper. Er sagte, dass ich einen Krampf in den Armen bekomme und dass ich keine Angst haben soll. Es sollte nicht lange dauern. Danach würde die Wirkung einsetzen und ich sei geheilt. Am nächsten Tag hatte ich das Ganze fast vergessen. Ich lief über einen Zebrastreifen. Als ich auf der anderen Seite war, versteiften sich meine Arme und die ganze rechte Körperhälfte. Nach einigen Minuten war es vorbei und ich hatte ein Jahr lang keine Migräne. Seither habe ich kaum noch Symptome und wenn, sind sie viel schwächer.“ Nicht jeder kann nach Peru fliegen und einen schamanischen Heiler besuchen. Und: Auch heimische Kräuter haben es in sich! Meine Tante kennt sich aus. Sie hatte Ekzeme an den Händen, an deren Heilung Mediziner vergeblich laborier-

ten. Brennesseltee (vier Stunden gezogen) hat sie schließlich geheilt. Sie beschäftigt sich seit 30 Jahren mit Pflanzenheilkunde und Homöopathie und verwendet diese von leichtem Unwohlsein bis zu schweren Krankheiten. „Zu meiner Hausapotheke gehören etwa 60 verschiedene Pflanzenheilmittel wie Johanniskrauttinktur gegen Verspannungen und Kräuter von der Wiese.“ Arnika verwendet sie für die Wundheilung, Ringelblumensalbe gegen blaue Flecken und Pfefferminztee bei MagenDarm-Problemen. All das steht zwischen Haustür und Gartentor oder auf den Elbwiesen. Die Natur ist der größte Feind der Pharmaindustrie. Alles nachwachsende Rohstoffe … Gegen Migräne kennt meine Tante kein Allheilmittel. „Wenn man Kopfschmerzen hat, ist es gut viel zu trinken. Rosmarintee hilft am besten.“ Als erstes, sagt sie, sollte man herausfinden, warum man Kopfschmerzen hat. Danach kann man das Heilmittel bestimmen. Bei Kopfschmerzen wegen Verspannung empfiehlt sie Johanniskrauttinktur und homöopathische Mittel wie Bella Donna. Ihr Credo ist: „Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen.“ Pestwurz wurde laut heilkraeuter.de im Mittelalter gegen die Pest verwendet. Heute wird sie gegen Migräne eingesetzt. Sie wirkt krampflösend, beruhi-


gend, schmerzstillend und entzündungshemmend. Auch Jules Tante möchte nicht gleich zu „harten“ Medikamenten greifen. Sie kennt sich mit Schüßlersalzen aus. Die Therapie stützt sich auf die Theorie, dass man krank wird, wenn der Mineralhaushalt der Körperzellen gestört ist. Die Verabreichung von Mineralien auf homöopathischer Basis soll heilen. Die Therapie entwickelte der homöopathische Arzt Wilhelm Schüßler. „Ich nehme Schüßlersalze, wenn ich Anzeichen einer Erkältung, von Kopfschmerzen oder einer Blasenentzündung spüre bzw. vorbeugend gegen Stress, zur Stärkung der Nerven und des Immunsystems.“ Man muss keine Angst vor einer Überdosis haben und erhält die Salze in jeder Apotheke. Auf die Frage nach einem Mittel gegen Migräne sagt sie: „Ich kenne kein Heilmittel gegen Migräne, aber gegen Kopf- und Gliederschmerzen hilft die „heiße 7“. Man löst zehn Stück des Schüßlersalzes Nr. 7 in heißem Wasser auf und trinkt dann schlückchenweise.“ Natürlich interessiert mich auch die Sicht einer „Schulmedizinerin“, besser einer Ärztin mit psychiatrischer Facharztausbildung. Ich frage Dr. Miriam Fiedler. Von ihren Kopfschmerzpatienten leiden ca. ein Drittel unter Migräne. Die Symptome sind: halbseitig, lichtscheu, Übelkeit, evtl. Erbrechen, manchmal Sehstörungen oder Lähmungen, oft vor den eigentlichen Kopfschmerzen. „Migräne verläuft in Attacken. Dann muss man Schmerzmittel nehmen“, sagt sie.

Eine Leitlinienempfehlung für Ärzte und Angehörige anderer Gesundheitsberufe sieht zur Prophylaxe bei häufigen Attacken Beta-Blocker vor, bekannt als: die „chemische Keule“. „Da Migräne oft eine komplizierte Schmerzkrankheit ist, kommen verschiedenste Medikamente zum Einsatz, die nicht immer zum Wohl der Patienten sind“, sagt die Psychiaterin. Sie empfiehlt, sich bei einem Nervenarzt/Neurologen vorzustellen und einmal ein Kernspintomographie/MR-Bild vom Kopf machen zu lassen. Es gibt Zusammenhänge zwischen den Schmerzen und psychischen Belastungen. Ihr Fazit: „Eine dauerhafte Heilung gibt es bei klassischer Migräne nicht, weil es bestimmte Erbfaktoren gibt, d.h. sie tritt in einigen Familien gehäuft auf. Wenn man älter wird, kann die Migräne nachlassen.“ Es lohnt sich, über den Tellerrand der Schulmedizin zu schauen. Auch wenn gegen Migräne kein Kraut gewachsen scheint.


Rettet die Erde ... sie ist der einzige Planet, auf dem es Schokolade gibt.

Text: Leoni Behnisch // Foto: Anja Kern // Layout: Martina Schretzenmayr „Die Kunst ist die Liebe in Schönheit gehüllt“, beschreibt der Maler Giovanni Segantini sein Bild der freien Kunst. Ich stehe vor der Vitrine der Patisserie émoi und schlucke. Der Mann hat recht! Die Törtchen, Gipfel und glasieren Schnitten mit Pistazienrand sind nicht einfach nur Kuchen! Hier kann ich Kunst mit (fast) allen Sinnen erleben. Feinst verzierte Torten, Pralinees und Blätterteiggebäck in angenehmstem Geschmack entfalten ihren Duft. Seit ich hier bin, umhüllt mich eine Aromawolke von Schokolade, Kuchenteig und Zuckerguss. Allein die Luft schmeckt schon nach süßem Gebäck. Von elegant bis verspielt finde ich Petit Fours und viele weitere essbare Blickfänger. Die eleganten Kristallleuchter werfen ihr Licht auf die bunt glasierten Raffinessen von André George und verleihen ihnen einen transparenten Schein.

Der Name seiner Patisserie émoi steht in pink-weißer Schrift auf kleinen Schokoladentäfelchen. Sie schmücken das Zusammenspiel von feinster Bäckerarbeit und Ideen aus aller Welt. Eine Welle aus Eindrücken, die meine Sinne einnimmt. Aber nun stellt sich die alles entscheidende Frage: Was soll ich nehmen? Patisserie ist von jeher als Luxusprodukt der feinen Backstuben bekannt. Das Gebäck wird liebevoll in Handarbeit vom umgangssprachlichen „Zuckerbäcker“ hergestellt, so dass jedes Gebäck ein Unikat ergibt. Es ist eine Kuns für sich, die oftmals gar nicht als solche erkannt wird und erst beim genaueren Hinsehen offenbaren sich Feinheiten, die gelegentlich aufgrund ihrer (Miniatur-) Größe übersehen werden.


Schoko-Kunst | 13

Hier lohnt es sich, ein zweites Mal hinzuschauen. Zusammen mit unserer Fotografin Anja und der Layouterin Martina besuche ich das émoi auf der Kamenzer Straße. Schon von außen zieht die Konditorei mit ihrer eleganten Einrichtung magisch an. Aber sie ist durchaus nicht nur ein Blickfang für kleine Prinzessinnen. André George, der Geschäftsführer von émoi weiß, was Patisserie ausmachen muss, um Erfolg in der Welt der Kritiker zu haben. Der geborene Meißner lebte bis zu seinem 19. Lebensjahr in seiner Heimatstadt. Nach seiner Bäckerlehre in Meißen verfeinerte er sein Fachwissen in Frankreich mit einer Spezifierung zum Konditor. Dort lernte er den Unterschied zwischen der deutschen und der französischen Back- und Modellierkunst kennen. Danach zog er los, um die Feinbäckerei der Welt zu ergründen. Es verschlug ihn in die verschiedensten Ecken des Globus … Knapp 15 Jahre reiste er und lernte dazu, bis er sich vor einem Jahr hier in Dresden niederließ und mit dem émoi sein erstes eigenes Geschäft gründete. Wir sitzen in dem kleinen, gemütlichen Café, während Anja aufgeweckt mit ihrer Kamera herumwu-

selt und versucht die kleinen Kunstwerke von allen Seiten fotografisch festzuhalten. André George lächelt sympathisch und setzt sich uns gegenüber. Herzlich antwortet er auf meine Fragen. „War es schon als Kind ein großer Traum von Ihnen, einmal eine eigene Konditorei zu führen?“ „Mein Vater hat eine Bäckerei in Meißen. Ich hab´ als Kind oder Jugendlicher nie wirklich darüber nachgedacht etwas anderes zu machen. Das war gar kein Thema für mich! Es stand schon von Anfang an für mich fest, dass ich das später weiterführen werde.“ „Warum sind sie dann Konditor geworden und nicht Bäcker geblieben? Was ist der besondere Reiz daran?“ Er überlegt kurz. „Zwischen einem Bäcker und einem Konditor gibt es schon gewisse Unterschiede. Das ist vor allem in Frankreich so, da findet man keinen Bäcker der eine Konditorenausbildung hat. Das ist alles streng getrennt. Ich finde, man kann das beides auch nicht wirklich von den Tätigkeiten her gleichsetzen“, sagt er lächelnd. „Ein Brot ist ja auch nicht mit einer Sahnetorte vergleichbar! Konditorei erfordert etwas mehr Kreativität und Individualität und aufgrund dessen kann man sich


14 | Schoko-Kunst

auch mehr ausprobieren!“ „Sind Sie der Meinung, dass ihr Beruf ein Künstlerberuf ist?“ Er sieht zu einem der Kronleuchter und schmunzelt: „Direkt Kunst?! Also in Deutschland wird immer noch im Standard gearbeitet, Torte, Windbeutel und weiteres. Aber in Ländern wie Frankreich oder Belgien, auch Spanien, kann man den Fortschritt sehr gut verfolgen. Alle zwei bis drei Jahre prägen starke Veränderungen das Konzept der Konditorenschule. Da muss man mithalten können! In dem Sinne ist es schon eine Kunst, da sehr viel Kreativität gefragt ist, um auch immer etwas zu kreieren, das es möglichst noch nicht gibt.“ Er lehnt sich vor und redet begeistert weiter: „Wenn man will, kann man das ganze

auch mit einem Stein- oder Bildhauer vergleichen. Der Standard sind Grabsteine. Außerdem gibt es noch Steinmetze, die Figuren oder andere Skulpturen hauen. So kann man das auch bei der Bäckerei sehen. In dem Sinne würde ich sogar sagen, dass man die Konditorei höher setzen kann, da man hier mit zerbrechlichen Materialien arbeitet und teilweiße auch mit unangenehmen Bedingungen, wie hohen Temperaturen umgehen muss. Es ist eine Kunst für sich!“ Ich lasse das erstmal auf mich wirken. Eine Frau mit rotem Haar steht an der Vitrine und kann sich nicht für eines der kunstvollen Petit Fours entscheiden. Als sie endlich gewählt hat, lächelt sie beglückt. „Haben sie ein persönliches Markenzeichen, das sie und ihr Gebäck definiert?“ Bevor er antwortet, geht er seine Kunstwerke im Kopf durch. Nach gründlicher Überlegung antwortet er: „Was mich definiert ist, dass ich gern ungewöhnliche Zutaten für meine Gebäcke verwende. Ich arbeite gern ausgefallen und probiere neue und oft auch skurrile Sachen aus, wie zum Beispiel eine Ap-


Schoko-Kunst | 15

feltasche mit Rote Bete und Ziegenjoghurt.“ Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Wir gehen an die Vitrine und er beschreibt einige ungewöhnliche Zusammenstellungen, die alle großartig aussehen. Ich staune, was man alles aus Zucker, Früchten, Backpulver und Schokolade machen kann – und das wissen die Kunden in diesem Laden zu schätzen. Die freundliche Bedienung stellt einen weißen Karton mit süßen Kunstwerken auf die Glasvitrine. Die Frau mit dem roten Haar nimmt ihn und lächelt zufrieden. Allen, denen ich im Laden oder davor begegne, sehe ich an, dass sie sich auf einen besonderen Genuss freuen. Es ist fast schon Zaubererei, wie der Geruch von süßem Gebäck den Menschen ein kleines Stück Glückseligkeit ins Gesicht malt und das Strahlen der glänzenden Glasur sich in ihren Augen wiederfindet.

Mit einer Tüte „Tuile aux Amandes“Plätzchen, dem zugehörigen Rezept und dem festen Vorsatz wiederzukommen beenden wir unseren Ausflug in die Welt der hohen Kunst der Patisserie.


Gibt es ein Leben nach dem Tod? Bis zu vier Millionen Menschen in Deutschland haben Nahtoderfahrungen gemacht. Alles Einbildung oder tatsächlich real? Text: Antonia Heiser Foto: Nina Pohl Layout: Sarah Juhr

„Wenn man einmal den Tod erlebt hat, wie ich es getan habe, dann weiß man im Innersten: Es gibt gar keinen Tod. Man geht immer nur weiter von einem zum nächsten – wie man weitergeht von der Grundschule zur Oberschule zur Hochschule“, schreibt Raymond A. Moody in seinem Buch „Leben nach dem Tod“. Tröstliche Worte – aber: Empfinden alle, die schon im Jenseits oder nahe dran waren, das Gleiche? Ihre Erlebnisse werden als Nahtoderfahrungen bezeichnet. Was bedeutet das und was erleben Menschen, wenn das Herz aufhört zu schlagen? Nahtoderfahrungen kommen bei Menschen vor, die durch schwere Verletzungen in Lebensgefahr waren und überlebten, während sie bewusstlos waren. Um mehr zu erfahren, befrage ich die 29-jährige

Maria aus Berlin. „Mit 17 Jahren hatten Sie eine Nahtoderfahrung. Wie kam es dazu?“ „Ich war mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Schule, habe an einer Kreuzung als Linksabbieger den Gegenverkehr abgewartet und wurde von hinten von einem LKW erfasst.“ „Was genau ist passiert?“ „Ich bin nach meinem Unfall nicht bewusstlos geworden, ich stand unter Schock und wurde dann, aufgrund der Schwere der Verletzungen, ins künstliche Koma versetzt. In der Zeit hatte ich dann sehr merkwürdige Träume, in denen ich nicht zu meinem Körper gelangen konnte.“ „Erinnern Sie sich an Ihren letzten Gedanken, bevor Sie bewusstlos wurden?“


Nahtoderfahrungen | 17

„Mein letzter bewusster Gedanke war: Warum falle ich nicht in Ohnmacht? In den Filmen fällt man immer in Ohnmacht.“ „Wie war es für Sie?“ „Da ich unter Schock stand, habe ich nur noch teilweise Erinnerungen an den Unfall und weiß auch nicht mehr, wie ich ins Koma versetzt wurde. Die Komaträume waren erschreckend real und beinhalteten viel von dem, was um mich herum passierte. Ich wusste auch nach meinem Aufwachen nicht mehr genau, was wirklich passiert ist und was nicht, ich stand ja unter starken Medikamenten. Mit Abstand betrachtet waren es sehr wirre Träume.“ „Was genau haben Sie gesehen oder erlebt?“ „Ich hatte keinen Körper mehr, bestand aus einer merkwürdigen schwebenden Materie, ähnlich der Form eines Schwammes, aber ohne feste Konsistenz. Einfach eine wabernde Masse. Um mich herum waren noch viele andere dieser „Schwämme“ und wir waren durch ein Gitter von unseren Körpern getrennt. Ich wollte unbedingt durch das Gitter, weiß aber nicht mehr, ob es mir letztendlich ge-

lungen ist.“ „Hatten Sie Angst?“ „Ich glaube, Angst war es nicht, es war einfach ein dringendes Bedürfnis, zu meinem Körper zu gelangen. ‚Hilflosigkeit‘ trifft es am ehesten.“ „Wäre der Tod in diesem Augenblick schlimm gewesen?“ „Mir war nicht bewusst, dass ich gerade mit dem Tod kämpfte, daher nein.“ „Sind Sie wieder zurückgegangen?“ „Ich bin gefangen gewesen, getrennt von meinem Körper, ein Zurückgehen war nicht möglich. Ich weiß allerdings nicht mehr, ob ich es im Traum zu meinem Körper geschafft habe.“ „Sprach eine Stimme zu Ihnen?“ „Nein.“ „Wenn Sie die Wahl hätten, es noch einmal zu erleben, würden Sie es tun?“ „Nein, es war ein unangenehmes Gefühl der Hilflosigkeit.“ Professor Dr. Dr. Wilfried Kuhn, Chefarzt der Neu-


18 | Nahtoderfahrungen

rologischen Klinik im Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Grenzerfahrungen zwischen Spiritualität und Wissenschaft. Gegenüber der Mainpost sagte er über Nahtoderfahrungen nach Herzstillstand, sie seien kein Beweise für ein Leben nach dem Tod aber ein Hinweis, dass der körperliche Tod nicht das Ende ist. Zu Beginn der Nahtodforschung wurden Nahtoderlebnisse von Selbstmördern überwiegend als negativ dargestellt. In seinem Buch „Leben nach dem Tod“ behauptet der Autor Raymond A. Moody, dass alle ihm bekannten Fälle von suizidbedingten Nahtoderfahrungen von „höllenähnlichen Erfahrungen“ begleitet waren oder als „Strafe für ihren Versuch, die Regeln zu brechen“ empfunden wurden. Alle Berichte hätten im Einklang mit den „uralten theologischen und sittlichen Gründen gegen den Freitod“ gestanden. Nahtodforscher, wie der US-amerikanische Psychologie-Professor Kenneth Ring, widersprechen dem. Sie haben nachgewiesen, dass kein besonderer Erlebnisunterschied zwischen Menschen, die nach einem Suizidversuch gerettet werden, und denen, die einen kurzzeitigen Herzstillstand erlebten und fast gestorben sind, besteht.

In allen Informationen, die ich dazu finde, zeichnet sich ein deutlicher werdendes, charakteristisches Erlebnismuster am Rande des Todes ab: Der oder die Betroffene verlässt den eigenen Körper, nimmt sich selbst als schwerelos wahr, sieht zum Teil Lebenssituationen vorbeiziehen, schwebt durch einen „Tunnel“, an dessen Ende ein gleißendes Licht strahlt, fühlt sich Eins mit allem, glücklich und voller Liebe, strömt dem Licht entgegen, das „bannender“ wird, bis zu manchen eine Stimme spricht: „Du musst zurück gehen!“, danach kommen sie wieder zu Bewusstsein. „Falls die Nahtoderfahrung von einer Hirnaktivität stammt, sollte man das bei Menschen oder Tieren nach dem Ende der Blutversorgung des Gehirns identifizieren können“, meint der Hirnforscher Jimo Borjigin gegenüber dem Spiegel. Aber da ist die Wissenschaft wieder uneins und noch ziemlich am Anfang. Aktuelle Testergebnisse von Hirnforschern und der University of Michigan in Ann Arbor zeigen laut einer Meldung der dpa: Nach dem Herzstillstand steigt die Gehirnaktivität kurzzeitig deutlich an. Wenn das Herz aussetzt oder der Körper in Lebensgefahr ist, kommt das Kopfkino in Gang. Betroffene beschreiben, dass sie in dieser Zeit Halluzinationen haben. Aber: Haben sie alle die gleichen? Der 14-jährige Jacopo bestätigt das allgemein Beschriebene. Mit sechs Jahren stieg er aus der Straßenbahn und überquerte die Schienen im „toten Winkel“. Mehr weiß er nicht. Als ihn die Bahn erfasste, war er sofort bewusstlos. Ich frage ihn, was mit ihm passierte. „Erstmal ist gar nichts passiert. Dann war ich ganz kurz in einem Gang, wo am Ende ein Licht war.“


Nahtoderfahrungen | 19

In ihrem Buch über die Maya beschreibt die Autorin Viola Zetzsche, was sie als 5-Jährige während einer Operation unter Äthernarkose erlebte. „Ich glitt durch einen hell scheinenden Tunnel, besser eine organische Röhre, die orangerot leuchtete wie die dünne Haut zwischen Daumen und Zeigefinger, wenn wir sie mit der Taschenlampe durchleuchten. Ich war nicht begrenzt, hatte keinen Körper und keine Berührungspunkte. Ringsum war niemand und nichts als diese Röhre. Ich glitt hindurch wie eine elektrische Ladung. Immer weiter und weiter einer immer vollkommeneren, allumfassenden Glückseligkeit entgegen. (…) Alles war im Gleichklang, alles war erleuchtet. Besonders da, wo die Röhre zu enden schien. Ich konnte keinen Ausgang erkennen – aber ich wusste, dass er da war und dort war ein Leuchten und ein Friede, der weiter reichte als meine Kinderträume. Auch wenn nicht mehr als dieses Licht zu ahnen war, so ging von dort doch aus, was wir mit dem Paradies verbinden. Auch die Gewissheit: Ich bin behütet, für immer.“

Jacopo erzählte mir hingegen: „Ich war in diesem Gang, hinter mir war es grau, irgendwie silbrig, und vor mir weiß. Je weiter ich nach vorne sah, desto weißer wurde es. Der Gang war eckig, man sah allerdings keine Wände, nur die Umrisse. Es war nicht so wie in einem U-Bahn-Tunnel, der Gang war ungefähr zehn Meter breit. Es war seltsam …, positiv seltsam. Es war schön …“ Wahrscheinlich werden wir nie einen tatsächlichen Beweis haben, was nach dem Tod passiert, bis wir selbst einmal sterben. Aber eins wissen wir doch: Wir brauchen keine Angst vor dem Tod zu haben. Oscar Wilde bewies uns allen, dass man selbst auf dem Sterbebett Humor haben kann. Seine letzten Worte waren: „Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich.“


Mit Schwert, Pfeil und Bogen

Text: Jacopo Fiedler Foto: Merlin Borowiak Layout: Federico Fiedler

Um mittelalterliche Kampfkünste ranken sich viele Mythen. Wir begeben uns auf Spurensuche, um der Faszination nachzuspüren. Ritter in schwarzen, silbernen und goldenen Rüstungen, die im Sonnenlicht glänzen, mit Schwertern an der Seite und Schilden auf dem Rücken. So sahen und sehen die Akteure auf einem Ritterspektakel aus. Als ich neun war, war ich zum ersten Mal auf einem Ritterfest. Klar, dass ich mich seitdem für Kampfkünste interessiere. Es gab sie schon in der Steinzeit. Im Mittelalter kamen z. B. der Stabkampf und unendlich viele Arten der Fechtkunst hinzu. Die bekanntesten Kampfkünste sind der Schwertkampf, auch bekannt als Freifechten, und das Bogenschießen. Diese beiden gelten hierzulande auch als die beliebtesten. Die Kampfkunst durfte im Mittelalter nicht von allen Bürgern ausgeübt werden. Die meisten waren Adlige oder Grundbesitzer mit viel Geld. Dies lag

daran, dass die Ärmeren sich die Ausrüstung oder die Lehre bei Rittern nicht leisten konnten. Trotzdem zogen auch Bauern in den Krieg, selbst wenn sie keine Waffen besaßen. Sie wurden von der “Herrschaft“ ausgerüstet. Die meisten Krieger verwendeten auf dem Schlachtfeld die üblichen Kampfarten: Bogenschießen, Schwertkampf oder den Kampf mit Stichwaffen. Es gab aber auch einige, die sich mehr der Kampfkunst verschrieben hatten und sich in Zweischwertkampf, Armbrustschiessen und anderen Künsten übten. Irgendwann schenkte mir meine Mutter das Buch „Unterwegs – Der Wanderer“, von Paulo Coelho. Darin las ich fasziniert von den besten Schwertkämpfern der Welt: “Wer ist der beste Schwertkämpfer?” fragte ein Krieger seinen Meister. “Geh hinaus auf das Feld beim Kloster”, sagte der


Meister. “Dort steht ein Felsen. Beschimpfe ihn.” “Warum sollte ich das tun?”, fragte der Schüler. „Der Felsen wird nicht antworten.” “Dann greif ihn mit dem Schwert an”, sagte der Meister. “Auch das werde ich nicht tun”, entgegnete der Schüler. “Mein Schwert würde zerbrechen. Und griffe ich ihn mit den Händen an, würde ich meine Finger verletzen, ohne etwas auszurichten. Ich möchte wissen wer der beste Schwertkämpfer ist!” “Der beste Schwertkämpfer ist der, der dem Felsen gleicht”, sagte der Meister. “Ohne die Klinge zu ziehen, gelingt es ihm zu zeigen, dass niemand ihn besiegen kann.” Merlin Borowiak ist seit acht Jahren Leistungssportler, Deutscher Meister seiner Altersklasse und mehrfacher Landesmeister im Fechten. In seiner Freizeit ist er Tempelritter mit Schwert, Pfeil und Bogen. Wir reden über sein Hobby. „Wie bist du zum Bogenschießen gekommen?“, frage ich.

„Durch meinen Vater, der das zuerst nur als Hobby gemacht hat, dann später als Beruf. Ich habe ihm da immer geholfen.“ „Was genau machst du mit Bogen und Rüstung?“ „Ich nehme an Events auf Mittelaltermärkten teil, mit meinem Vater oder inzwischen auch allein.“ „Was reizt dich daran?“ „Es ist ein Hobby geworden, das so viel Spaß macht, dass ich da nicht mehr wegkomme.“ „In welchem Rahmen trainierst du?“ „Ich mache kein Training für den Schwertkampf. Die Ausrüstung trage ich


22 | Künste des Mittelalters

auf Mittelaltermärkten. Wir machen Schaukämpfe und üben dafür.“ „Was kostet eine Ausrüstung?“ „Die ist sehr teuer: Ein sogenannter Gambesong (Schuss- und stichsichere Schutzjacke) kostet ca. 50 Euro, ein Kettenhemd und ein Umhang oder Gewand von 100 bis 1 000 Euro.“ Wie bei Merlin wuchs auch meine Faszination für das Mittelalter mit mir und natürlich bekam ich auch mit, dass man sich vor Verletzungen schützen muss. Ich fing an, mich im Schwertkampf zu üben. Mein Schwert ist natürlich nicht aus Metall. Das wäre zu gefährlich. Es ist eine Schaukampfwaffe und besteht aus einem Glasfieberkern, der in Schwertform mit Silikon ummantelt ist. Kampfkünste waren nie ungefährlich. Es konnte zu Wunden oder gar zum Tod kommen. Deswegen war es wichtig, den Körper beim Training oder gar im Krieg zu schützen. Dafür waren die Rüstungen da. Sie bestanden aus einem Helm, einem Schild, einem Kettenhemd und

einem Plattenpanzer. Im frühen Mittelalter wurden oft nur Kettenhemden benutzt. Nach dem Aufkommen der Lanze boten sie nicht mehr genug Schutz und wurden durch Platten verstärkt. Ein Plattenpanzer war Maßarbeit und wurde von Plattnern hergestellt. Sie kauften Metall bei einem Schmied und fertigten den Panzer nach den Maßen des Kunden an. Plattner hatten ein sehr hohes Ansehen in der Ständegesellschaft. Rüstungen wurden zunächst von Rittern zu Pferde benutzt, um sich vor schweren Lanzenhieben zu schützen. Außerdem war eine imposante Rüstung sehr wichtig für einen eindrucksvollen Auftritt bei Turnieren. Heute gibt es Vorführungen, bei denen Turniere nachgestellt werden, Mittelaltermärkte und Trainings beispielsweise im Bogenschießen, Armbrustschießen oder mit Raubvögeln. Sie wurden nicht bei Auseinandersetzungen eingesetzt, sondern bei der Jagd, genannt Falknerei. Die Falken wurden teilweise von Wieseln oder anderen


Künste des Mittelalters | 23

kleinen Tieren unterstützt, die das Wild aus ihrem Bau jagten. Wenn es die Flucht ergriff, wurden die Falken darauf angesetzt und erlegten es. Manche Greifvögel wurden auch eingesetzt um Botschaften über weite Strecken zu überbringen. Dieses Prinzip kennt man heute noch von den Brieftauben. Peter Schaaf aus Meißen hat mit neun Jahren einen verletzten, jungen Waldkauz gefunden und gepflegt. Inzwischen arbeitet er seit 15 Jahren als Falkner. Mit seinen Raubvögeln hatte er viele Auftritte, beispielsweise in der Semperoper. Seine Prachtexemplare sind Olga, ein sibirischer Uhu, Max, ein Weißkopfseeadler und Wanda, der Wanderfalke. Als Belohnung während der Vorstellung oder danach füttert er rein biologische Kost: Wachteln, Tauben, Ratten oder Mäuse. „Im Mittelalter wurden Falken u. A. zur Jagd von Wassergeflügel wie Enten und Gänsen genutzt“, erklärt Peter Schaaf. „Dazu wurden sie gezähmt.“ Heute jagt er nicht mehr mit Falken, sondern mit einem Steinadler oder einem Habicht. Dafür braucht er seine Ausbildung zum Falkner und einen gültigen Falkner-Jagdschein. Wie für die Falknerei muss man auch für die Kampfkünste bestimmte Vorraussetzungen mitbringen. Für den Schwertkampf sollte man eine gute Ausdauer, aber auch Wendigkeit besitzen, um nicht nach den ersten paar Schlägen die Kraft zu verlieren oder um dem Gegner auszuweichen und schnell zuzuschlagen, wenn er sich eine Blöße gibt. Heute wird in allen Ländern nur noch mit Schusswaffen gekämpft. Einige Nomaden in der Mongolei jagen noch mit dem Bogen. Bevor ihre Kinder laufen lernen, lernen sie reiten und als nächstes Bogenschießen. Die mittelalterliche Kampfkunst ist nicht verboten, da sie keine Gefahr für die Bevölkerung darstellt.

Das Waffenarsenal – also Schwerter, Dolche, Messer, Stoß- und Wurfspeere, Lanzen, Spieße, Hellebarden, Armbrüste, Bögen, Speerschleudern und Ballisten – ist im Waffengesetz unter den Hieb- und Stoßwaffen zusammengefasst. Gemäß § 2, darf Hieb- und Stoßwaffen nur erwerben, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Streng genommen dürften sie trotzdem nicht am Gürtel getragen werden. Ausnahmen bilden Theater- oder Schaustellergruppen. Für Märkte erteilt das jeweilige städtische Ordnungsamt Genehmigungen. Beispielsweise für die bevorstehende MittelalterWeihnacht im historischen Dresdner Stallhof, in märchenhafter Atmosphäre, zwischen Ölleuchten und mittelalterlichen Klängen. Dort zeigt sich alljährlich, wie groß bis heute das Interesse an mittelalterlichem Backwerk, historischen Klängen, holden Damen, edlen Rittern und ihren Kampfkünsten ist.


Redaktion Schreiben

Aisha Reiche 14 Jahre

Antonia Heiser 13 Jahre

Jacopo Fiedler 14 Jahre

Leoni Behnisch 15 Jahre

Sarah Held 15 Jahre

Juliane Reichelt 17 Jahre

Livia Koenitz 14 Jahre

Merlin Borowiak 14 Jahre

Nina Pohl 14 Jahre

Leonhard Kehr 14 Jahre

Martina Schretzenmayr 15 Jahre

Sarah Juhr 17 Jahre

Foto

Anja Kern 16 Jahre

Layout

Antonia Burkhardt 14 Jahre

Federico Fiedler 16 Jahre


Viola Zetzsche Chefredakteurin

Lisa Dres Art-Director

Fara Ph. Zetzsche Photo-Director

Impressum

Heißes Pflaster - das Jugendmagazin der Medienschmiede Dresden Von Jugendlichen für Jugendliche, die etwas zu sagen haben.

Die Medienschmiede Dresden ist ein freier Bildungsträger für Jugendjournalismus zur Förderung der kommunikativen und medialen Bildung und Weiterbildung von Jugendlichen im Bereich Fotografie, Layout, journalistisches Schreiben und Medienkommunikation. Das Projekt wird gefördert durch die Europäische Union und den Freistaat Sachsen. Kontakt: Florian-Geyer-Straße 36 | 01307 Dresden Tel.: 0351 5637740 mail@medienschmiede-dresden.de www.medienschmiede-dresden.de Titelbild: Enrico und Merlin Borowiak

Kundenservice: Bestellung der Digitalfassung der Zeitung über: mail@medienschmiede-dresden.de Copyright ©Medienschmiede Dresden, 2013

Mit freundlicher Unterstützung von:

Bischofsweg 48 01099 Dresden Tel: 0351-8011979 Fax: 0351-8026626 Mail: info@copyland.de


Du willst mit dabei sein? Weitere Kurse gibt es in den Februarferien 2014 Informationen und alle Ausgaben unter: www.medienschmiede-dresden.de


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.