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SELTENE ERKRANKUNGEN

IN DIESER AUSGABE

Amyotrophe Lateralsklerose Im Interview stellt der Neurologe Ap. Prof. Priv.-Doz. Dr. Hakan Cetin die bislang unheilbare Erkrankung ALS vor
VORWORT
Menschliche Empathie & Künstliche Intelligenz
Die Rolle von KI in der Diagnosefindung am Beispiel zweier seltener Erkrankungen
Sales Director: Florian Rohm, BA
Lektorat: Sophie Müller, MA
Layout und Grafik: Daniela Fruhwirth
Managing Director: Bob Roemké
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Wissen bei möglichen Zeichen für eine seltene Erkrankung
Mit einer seltenen Erkrankung (SE) geht für betroffene Personen oft eine lange und beschwerliche Zeit bis zur richtigen Diagnose und Therapie einher. Von einer seltenen Erkrankung spricht man der europäischen Definition zufolge, wenn weniger als eine von 2.000 Personen das spezifische Krankheitsbild aufweisen. Rund fünf Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen – in Österreich sind das vermutlich rund 450.000 Menschen. Eine Diagnose unklarer Symptome ist wichtig, um eine passende Therapie zu finden und die Situation von betroffenen Menschen zu verbessern. Seltene Erkrankungen können sich neben den gesundheitlichen Beschwerden und Risiken auf alle Bereiche des Alltags und des gesellschaftlichen Lebens auswirken und auch große psychische Herausforderungen darstellen. Die geringe Häufigkeit der Erkrankungen führt dazu, dass medizinisches Fachwissen, Versorgungsangebot und auch Forschung begrenzt sind.















Durchschnittlich dauert es daher mehr als fünf Jahre bis zur richtigen Diagnose.
Wen bei unerklärlichen, chronischen Symptomen kontaktieren?
Die erste Anlaufstelle ist meistens die Allgemeinmedizin oder eine Fachärztin bzw. ein Facharzt. Als zentrale Aspekte gelten das rasche Erkennen von ungewöhnlichen Symptomen und das „Out-of-theBox“-Denken dieser Ärzt:innen. Ebenso ist ihr Wissen über spezialisierte Angebote wie z. B. Expertisezentren für seltene Erkrankungen essenziell. Im Bedarfsfall sollte also durch niedergelassene (Fach-) Ärzt:innen der Kontakt zu einem spezialisierten Zentrum hergestellt werden.
Expertisezentren sind zentrale, hochspezialisierte klinische Einrichtungen für definierte Gruppen von seltenen Erkrankungen. Dort erfolgen vor allem Erstdiagnostik und Therapieeinstellung, aber auch Kontrolluntersuchungen. Die







































Zentren ersetzen jedoch nicht die medizinische Grundversorgung –sie sind für die optimale Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen und für das Sichtbarmachen und Nutzen von bestehender Expertise zuständig.
Gerade für ein vergleichsweise kleines Land wie Österreich ist die Teilhabe an internationalen Netzwerken bedeutend. Die spezialisierten Zentren für seltene Erkrankungen Österreichs sind Mitglied in allen 24 fachspezifischen Europäischen Referenznetzwerken (ERNs). Virtuelle Befundbesprechungen europaweit unter Spezialist:innen können so die Zeit bis zu einer Diagnose verkürzen. Das heißt, Betroffene müssen nicht mehr quer durch Europa reisen.
Wissensvermittlung
Das Wissen über seltene Erkrankungen und ebenso die Wissensvermittlung nehmen eine wichtige Rolle ein – sowohl in der breiten Öffentlichkeit, als auch vor allem im medizinischen Fachpublikum und in der Gruppe der Jung-Mediziner:innen und Studierenden der Medizin. Mehr Wissen bedeutet höhere Gesundheitskompetenz in der Gesellschaft.
Einen wichtigen Beitrag dazu leistet der „International Rare Disease Day“, der seit 2008 jedes Jahr am letzten Tag im Februar stattfindet – im Schaltjahr 2024 also heute, am besonderen und
seltenen 29. Februar. Die breite Öffentlichkeit und Vertreter:innen aus Politik, Industrie, Forschung und Gesundheitswesen werden mit vielen Aktionen auf das Thema aufmerksam gemacht. Darüber hinaus findet heute am 29.2. eine Podiumsdiskussion mit Pro Rare Austria und weiteren Expert:innen statt – das Austrian Health Forum-NetUp zu Seltenen Erkrankungen als hybride Veranstaltung im KELSEN im Parlament. Der Dachverband Pro Rare Austria stellt auf österreichischer Ebene eine gemeinsame starke Stimme für aktuell rund 100 Selbsthilfegruppen und Patient:innenorganisationen dar. Pro Rare Austria bringt diese Anliegen in die politische Arbeit sowie in die Projekte und Kooperationen des Verbands ein, um Verbesserungen für die Betroffenen zu erzielen.
Auch jenen Menschen, die Informationen zu seltenen Erkrankungen benötigen, wird eine wichtige Anlaufstelle geboten; sie werden bei der Suche nach medizinischen Ansprechpersonen unterstützt und zu krankheitsspezifischen Selbsthilfegruppen vermittelt. So organisiert der Verband auch 2024 wieder – am 13. April – ein „Vernetzungstreffen“ für Betroffene einer seltenen Erkrankung und alle am Thema Interessierten. Gemeinsamer Dialog und Austausch sollen gefördert werden, während vorgestellte Best-Practice-Initiativen von
Selbsthilfegruppen der Wissensweitergabe untereinander dienen. Seltene Erkrankungen müssen besser und frühzeitiger diagnostiziert und erforscht und Patient:innen bestmöglich versorgt werden – durch die Stärkung von Bewusstsein und Expertise, durch Vernetzung und den Ausbau bestehender Strukturen. Unser Ziel ist ein gleichberechtigtes Leben in der Mitte der Gesellschaft für alle Menschen mit einer seltenen Erkrankung.
Informationen unter:

www.prorare-austria.org/ news/veranstaltungen/

www.gesundheit.gv.at/krankheiten/ seltene-krankheiten/zentrenseltene-erkrankungen.html
VERANSTALTUNG
MPS-Weltkongress 2024: Wissensaustausch zu den
vererbbaren Stoffwechselkrankheiten
MukoPolySaccharidosen
Von 4. bis 7. April 2024 findet im Congress Centrum Würzburg das 17. Internationale Symposium zu MPS und ähnlichen Erkrankungen statt, um Ärzt:innen, Patient:innen, Familien, Wissenschaftler:innen und der Industrie eine Plattform für professionellen Wissensaustausch zu bieten.
Das Congress Centrum Würzburg wird von 4. bis 7. April 2024 zum Ort für wertvollen Austausch von Wissen, Ideen und Innovationen im Bereich der Stoffwechselkrankheit MPS und ähnlicher lysosomaler Speicherkrankheiten. Mit über 1.000 erwarteten internationalen Teilnehmer:innen haben Sie die Möglichkeit, wertvolle Kontakte mit Mediziner:innen aus aller
Welt zu knüpfen. Außerdem gibt es die einzigartige Gelegenheit, Patient:innen mit unterschiedlichen MPS-Formen, Ausprägungen und Altersstufen persönlich kennenzulernen.
Vier Tage voller Vorträge und Workshops Es erwartet Sie ein vielfältiges Programm, darunter zahlreiche wissenschaftliche Vorträge von 90 Expert:innen und Referent:innen auf dem Gebiet der MPS, spezielle Workshops (Physiotherapie, Simulationstraining, Orthopädietechnik, Achtsamkeit), Networking-Dinner und vieles mehr. Die Kongresssprache ist Englisch, dabei werden die Vorträge simultan ins Deutsche und vice versa übersetzt.
Sie sind Arzt/Ärztin, Wissenschaftler:in, Krankenpfleger:in, medizinisches Fachpersonal, persönlich im Familienkreis Betroffene:r oder Industrie-Vertreter:in?
Dann sichern Sie sich jetzt Ihren Platz und melden Sie sich auf der Website MPS-Kongress 2024 an. Die Standard-Rate gilt noch bis 15. März.
Das MPS-Organisationsteam freut sich darauf, Sie in Würzburg begrüßen zu dürfen!
Weitere Informationen und Anmeldungen unter www.mps2024.com

UNSER NEUES BUCH IST ERSCHIENEN UND KANN AB SOFORT BESTELLT WERDEN!
Kongressorganisation
Der MPS-Weltkongress 2024 wird von den Selbsthilfeorganisationen MPS Austria, MPS Schweiz und MPS Deutschland organisiert. Diese Gesellschaften für MPS und ähnliche Erkrankungen wurden bereits in den 1980er-Jahren von Eltern betroffener MPS-Patient:innen gegründet. Ihre Hauptaufgaben sehen die MPS-Gesellschaften in der Beratung, Begleitung und Unterstützung von Patient:innen und deren Angehörigen sowie in der Netzwerkarbeit, vor allem mit Ärzt:innen und Wissenschaftler:innen auf nationaler und internationaler Ebene.
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Chiesi Pharmaceuticals GmbH

Ein Leitfaden für Betroffene, Familien, Ärzte und Angehörige der Pflegeberufe.
Prof. Dr. Dr. Susanne Gerit Kircher
In den letzten Jahren war eine ungeheure Dynamik bei den lysosomalen Erkrankungen, insbesondere bei den Mukopolysaccharidosen, zu verzeichnen. Die Diagnostik, insbesondere auf dem Gebiet der Molekulargenetik, ist breiter verfügbar geworden, parallel dazu sind zahlreiche neue Therapien bei den sogenannten Orphan Diseases entwickelt worden.

Bestellungen sind direkt über die Webseite der MPSGesellschaft möglich: www.mps-austria.at/shop/ mps-buch/ Preis: 25 Euro (+Versandkosten)
Entgeltliche Einschaltung
Unser langfristiges Commitment

Dr. Christian Woergetter, MES Managing Director Chiesi Pharmaceuticals GmbH
Im Interview spricht Dr. Christian Woergetter, MES, Managing Director von Chiesi Pharmaceuticals GmbH und Vorsitzender des Standing Committees für Seltene Erkrankungen der Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs), über das langfristige Engagement für Seltene Erkrankungen.
Warum liegt Ihnen der Bereich der Seltenen Erkrankungen besonders am Herzen?
Mir ist es sowohl beruflich als auch persönlich ein großes Anliegen, hier Fortschritte zu erzielen. Chiesi ist seit über 20 Jahren in diesem Bereich tätig – zu Beginn lag der Fokus auf den Krankheitsbildern Zystische Fibrose und Alpha1-Antitrypsinmangel, inzwischen sind weitere dazugekommen. Wir sind heute in der Lage, für mehr als zehn seltene bzw. sehr seltene Erkrankungen Therapieoptionen in Österreich anbieten zu können.
Welches Ziel verfolgt Chiesi in diesem Bereich?
Wir sind bestrebt, weltweit einen gleichberechtigten Zugang zu innovativen Therapien und Lösungen für Menschen mit Seltenen Erkrankungen zu schaffen. Wir investieren laufend in die Forschung, teilweise auch in Kooperation mit anderen PharmaUnternehmen. 2023 hat Chiesi den Bio-Pharmakonzern Amryt übernommen.
Außerdem wollen wir Bewusstsein für Seltene Erkrankungen generieren – hier setzen wir mit unserer Aufklärungsarbeit an. Auf unserem Instagram-Kanal @ chiesi_austria liefern wir viele Informationen zu unterschiedlichen Krankheitsbildern. Denn der Weg der Patient:innen vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung ist häufig ein langer und leidvoller – und viele Krankheiten bleiben leider immer noch unerkannt.
Sie haben die Übernahme von Amryt angesprochen. Wie spielt diese in Ihre Strategie?
Dieses Investment spiegelt unser langfristiges Engagement für den Bereich der Seltenen Erkrankungen wider. Amryt Pharma hat innovative Behandlungsansätze für Patient:innen mit Seltenen Erkrankungen und hohem „unmet medical need“ entwickelt.
Unser Ziel ist es, Menschen mit Seltenen Erkrankungen und deren Angehörigen Hilfestellungen zu bieten, verbunden mit dem Commitment, sie langfristig zu begleiten.

Chiesi ist ein internationaler, forschungsorientierter Biopharmakonzern, der innovative therapeutische Lösungen in den Bereichen Atemwegserkrankungen und Seltene Erkrankungen und für den Spitalsbereich entwickelt und vermarktet. Chiesi hat sein Headquarter in Parma (Italien), ist in 31 Ländern tätig und beschäftigt mehr als 6.500 Mitarbeiter:innen. www.chiesi.at Follow us on Instagram: @chiesi_austria

We are
Committed to providing unique therapies designed to meet unique needs
EXPERTISE
Eine Erkrankung, die schwer zu entdecken ist
Wer an Morbus Fabry leidet, hat diese Diagnose oft erst nach einer langen Irrfahrt erhalten. Die Krankheit ist selten und wenig bekannt, dabei ist die Diagnose relativ einfach und auch der Schlüssel zur erfolgreichen Therapie. Warum und weshalb erklärt Dr. Michael Rudnicki im Expertengespräch.
Text Philipp Jauernik

Priv.-Doz. Dr. Michael Rudnicki
Universitätskliniken Innsbruck
Dept. für Innere
Medizin IVNephrology and Hypertension
Die Symptome bei Morbus Fabry gelten als unspezifisch. Wie können Betroffene sie trotzdem erkennen und richtig deuten? Sowohl Männer als auch Frauen können betroffen sein, aber Buben und Männer sind es oft früher und stärker. Die Betroffenen spüren meistens zuerst ein Brennen an Füßen oder Händen, das bei Belastung schlimmer wird, also bei Sport, Hitze, Erkrankung oder Stress. Bei Frauen treten die Symptome häufig zehn Jahre später auf als bei Männern, also erst ab dem Teenagerinnen- oder im jungen Erwachsenenalter. Ich frage Verdachtspatient:innen oft, ob sie in der Schule turnbefreit waren, denn auch das Nicht-SchwitzenKönnen ist ein Zeichen der Fabry Erkrankung. Betroffene meiden körperliche Anstrengung (deswegen kein Turnen), sowie extreme Hitze (keine Sauna).
Das bedeutet, dass die Diagnosestellung besonders schwierig ist und die Krankheit eher zufällig entdeckt wird? Wie kann man dem entgegnen? Mich hat kürzlich ein Fall besonders beeindruckt, wo im Rahmen einer Augenuntersuchung in der Volksschule bei einer ganzen Familie Morbus Fabry entdeckt wurde. Der Augenarzt hat bei den Kindern eine Trübung der Hornhaut festgestellt. Sie sehen deshalb zwar nicht schlechter – aber diese Trübung ist ein sicheres Zeichen
für Morbus Fabry. Darauf sollte man also bei der Augenuntersuchung achten. Das zuvor erwähnte Brennen der Füße oder Hände ist ebenfalls ein sehr guter Hinweis. Außerdem sollten unklare Erkrankungen der Niere oder des Herzens oder ein Schlaganfall unter 50 in der Familie einen Test nahelegen.
Wie läuft so ein Test ab?
Vor dem Test auf Morbus Fabry muss man keine Angst haben.
Es handelt sich um eine einfache
Blutabnahme oder einen Stich in die Fingerbeere wie bei der Blutzuckermessung mit einer Trockenblutkarte. Allerdings muss dies erst einmal möglich sein, denn
UNSPEZIFISCHE SYMPTOME BEI MORBUS FABRY
PSYCHE
Depression, Fatigue
AUGEN
Cornea verticillata
HERZ
Hypertrophe
Kardiomyopathie, Herzinfarkt, Arrhythmien, Herzinsuffizienz
NIERE
Mikroalbuminurie, Proteinurie, Niereninsuffizienz
PERIPHERES
NERVENSYSTEM
Neuropathische Schmerzen als Brennschmerz in Händen und Füßen, episodische Schmerzkrisen, Parästhesien, Temperaturintoleranz
ZENTRALNERVEN -
SYSTEM
Transitorische ischämische Attacke, Schlaganfall, Marklagerläsionen
OHREN
Hörverlust, Tinnitus, Schwindel
LUNGE
Kurzatmigkeit bei Belastung, chronisch obstruktive Lungenerkrankung
GI-TRAKT
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Bauchkrämpfe, Bauchschmerzen
HAUT
Angiokeratome, unzureichendes Schwitzen
nicht alle Hausärzt:innen haben die benötigten Karten. Im Internet findet man jedoch in jedem Bundesland Spezialist:innen, außerdem gibt es eine Selbsthilfegruppe (www.morbus-fabry.eu), die die wichtigen Kontaktdaten sofort zur Verfügung stellen kann.
und somit eine Therapieindikation vorliegt. Bei Buben oder Männern ist fast immer mit der Diagnose einer Fabry Erkrankung auch die Indikation für eine Therapie gestellt, bei Frauen ist das nicht immer so. Wenn die Organe nämlich nicht betroffen sind, beschränken wir uns auf regelmä-
Mich hat kürzlich ein Fall besonders beeindruckt, wo im Rahmen einer Augenuntersuchung in der Volksschule bei einer ganzen Familie Morbus Fabry entdeckt wurde.
Priv.-Doz. Dr. Michael Rudnicki
Wie geht es nach der Diagnose für Betroffene weiter?
Nach der Diagnose wird eine Untersuchung der Organe durchgeführt, dazu gehören etwa MRT von Herz und Kopf, Blut- und Harnuntersuchungen und Nierenultraschall. Danach weiß man genau, ob Organe betroffen sind
ßige Kontrollen. Ansonsten wird eine Therapie durchgeführt, bei der das fehlende Enzym mit einer Infusion zugeführt wird, oder in dem das nicht-funktionierende Enzym mit Kapseln unterstützt wird. Die Therapie ist also abhängig von der vorhandenen Genmutation. Das Ziel einer jeden
Behandlung ist eine Stabilisierung bis Verbesserung der Nierenfunktion, der Herzfunktion, der Nervenfunktion und der MagenDarm. Man will die Dialyse, den Herzinfarkt, den Schlaganfall verhindern.
Sie haben schon erwähnt, dass Frauen erst später betroffen sind als Männer. Gibt es noch weitere geschlechtsspezifische Unterschiede?
Morbus Fabry ist eine sogenannte x-chromosomale Erkrankung. Frauen haben zwei X-Chromosomen. Das für Fabry verantwortliche Molekül sitzt nun auf dem X-Chromosom, was bedeutet, dass Männer schwerer erkranken. Buben haben deshalb oft schon im Alter von unter 10 Jahren Beschwerden. Frauen hingegen erkranken schwächer und sehr heterogen – das heißt, Symptome und Organbeteiligung treten sehr unterschiedlich auf. In der Therapie gibt es aber keine Unterschiede.



Entgeltliche Einschaltung
Aktiv trotz Hämophilie A: Mehr als nur Golf spielen
Moderne Präparate und eine angepasste Ersatztherapie machen es Menschen mit Hämophilie A möglich, ein sportlich aktives Leben zu führen. Der BlutgerinnungsExperte Clemens Feistritzer und sein Patient Andreas Berger erklären die Hintergründe.

OA Priv.-Doz.
Dr. Clemens Feistritzer
Leiter der Gerinnungsambulanz an der Universitätsklinik Innsbruck

Andreas Berger Jahrgang 1975, studierte und unterrichtet Physik und Mathematik und nahm, unter anderem für das Radteam Tirol, an internationalen Mountainbikerennen teil.
FOTO: PRIVAT
Wodurch zeichnet sich
Hämophilie A aus?
Feistritzer: Bei Hämophilie A handelt es sich um eine x-chromosomal vererbte Gerinnungsstörung, die somit fast ausschließlich Männer betrifft. Je nach Schweregrad führt dies dazu, dass für die Blutgerinnung benötigte Faktoren nicht oder nur eingeschränkt gebildet werden können. Bei Hämophilie A ist das der Gerinnungsfaktor VIII, bei der seltener vorkommenden Hämophilie B der Faktor IX. Bei Personen mit einer Hämophilie mit einem FaktorSpiegel von unter einem Prozent spricht man von einer schweren Form. Ein Anzeichen dafür ist neben Blutungen im Rahmen von Verletzungen oder Operationen auch das Auftreten von spontanen Gelenksblutungen, die nicht nur sehr schmerzhaft sind, sondern langfristig auch zu schweren Arthrosen der Gelenke führen können.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Feistritzer: Es wird zwar intensiv an GenTherapien geforscht, jedoch ist Hämophilie A aktuell nicht heilbar. In Österreich und ganz Mitteleuropa sind wir in der Lage, eine prophylaktische Therapie durch die Gabe des Faktor VIII zur Verfügung zu stellen. Dies passiert normalerweise alle zwei bis vier Tage als Injektion direkt in die Venen. Als Alternative gibt es auch eine Antikörper-Therapie. Dafür wird der Wirkstoff ein- bis viermal pro Monat direkt unter die Haut gespritzt.
Herr Berger, auf welche Therapie vertrauen Sie?
Berger: Bei mir ist bereits als Kleinkind eine schwere Verlaufsform der Hämophilie A festgestellt worden. Ich hatte von Beginn an eine Prophylaxe, die mir anfangs meine Mutter verabreicht hat. Im Rahmen eines Sommercamps musste ich dann im Alter von 12 Jahren lernen, mich selbst zu spritzen. Ich habe die Prophylaxe im Wesentlichen beibehalten und nur kurzfristig umgestellt, also nur gespritzt, wenn sportliche Großveranstaltungen anstanden oder ich verletzt war. Mittlerweile bin ich aber wieder bei der prophylaktischen Therapie.
Feistritzer: Die Prophylaxe ist die empfohlene Therapieform, da sie Schäden an Gelenken minimieren kann. Bei einer sogenannten „on demand“-Therapie wird im Wesentlichen nur bei akuten Verletzungen oder chirurgischen Eingriffen der Faktor VIII verabreicht, die Folgen sind eine deutlich höhere Anzahl an Gelenksblutungen und langfristig eine Verschlechterung der Gelenke.
Wie ist es um die Sicherheit von Hämophilie-Therapien bestellt?
Feistritzer: Generell ist die Verabreichung durch die Vene bei Ersatztherapien das Hauptproblem, etwa wenn diese sehr fein sind. Nebenwirkungen bei den anderen verfügbaren Therapien sind dagegen sehr selten, sollten allerdings welche auftreten, sollte man diese unbedingt melden. Die Daten werden anonymisiert und laufend analysiert. Jede Meldung eines
unerwünschten Ereignisses zählt. So kann man auch selbst langfristig zur Sicherheit der Therapie beitragen. (Anm.: mehr Informationen zur Nebenwirkungsmeldung in der Infobox). Besonders zu Beginn der Therapie – im Rahmen der ersten 50 Verabreichungen – besteht das Risiko, dass Patient:innen Hemmkörper entwickeln. Dies kann die Therapie wirkungslos machen, was bei rund 30 Prozent aller Patient:innen der Fall ist. Dieser Hemmkörper kann aber meistens mit einer Immuntoleranztherapie gut behandelt werden, sodass die Therapie im Anschluss dann ganz normal wirksam ist. Alternativ kann man aber auch zu der bereits erwähnten Antikörper-Therapie greifen.
Berger: Ich habe nie Probleme mit den Präparaten und bereits als Kind Glück mit meinen Venen gehabt. Ich habe mit einer Vene im Ellbogen angefangen und bin bis heute bei dieser geblieben.
Wie wird die Patient:innen-Sicherheit auch bei neuen Therapien sichergestellt?
Feistritzer: Die Sicherheit eines Arzneimittels wird einerseits durch strenge vorklinische und klinische Versuche überprüft und andererseits nach der Marktzulassung genau überwacht. Ist ein Medikament einmal zugelassen, wird es von wesentlich mehr Patient:innen eingenommen als in den zuvor durchgeführten Studien. Seltene Nebenwirkungen oder Interaktionen mit anderen Medikamenten können durch Nebenwirkungsmeldungen
Mehr Informationen auf dem Instagram-Kanal ichbinbluter.at und unter diesem QR-Code:

Jede Nebenwirkungsmeldung zählt! Jeder Mensch nimmt irgendwann im Laufe seines Lebens Medikamente ein. Über Nebenwirkungen wird dabei wenig gesprochen.
Die Fakten:
Jedes Medikament hat Nutzen und Risiken, welche in klinischen Studien genau untersucht werden. Nur bei einem ausgewogenen Verhältnis wird ein Medikament zugelassen. Daten über Nebenwirkungen nach der Zulassung sind eine notwendige und wichtige Ergänzung für das Nutzen-Risiko-Profil.
Wer kann Nebenwirkungen melden?
Patient:innen und Angehörige des Gesundheitswesens können ein unerwünschtes Ereignis bei der Behörde oder dem Hersteller anonym melden.
Was passiert, wenn die Analyse der Daten zu neuen Erkenntnissen führt?
Die Aktionen richten sich nach der Art der neuen Erkenntnis:
• In den meisten Fällen werden die Packungsbeilage und Fachinformation aktualisiert.
• Möglicherweise müssen Ärzt:innen gezielt informiert werden.
• Sehr selten ist es notwendig, ein Medikament vom Markt zu nehmen.
Beispiele für neue Erkenntnisse:
• Die Wirksamkeit des Medikaments wird durch die Interaktion mit einem anderen Arzneimittel beeinflusst.
• Eine seltene Nebenwirkung, die nur wenige Menschen betrifft, wurde entdeckt.
• Das Medikament zeigt eine unerwartete positive Wirkung.

Zum Melden einer Nebenwirkung und für mehr Information zum Thema Patient:innensicherheit scannen Sie diesen QR Code
erkannt und in die Fach- und Packungsbeilage aufgenommen werden. So wird das Risiko-NutzenProfil laufend detaillierter.
Wie verhält man sich richtig, wenn man sich verletzt?
Berger: Wenn etwas passiert, muss ich schauen, dass ich möglichst schnell nachspritze. Ich habe überall, wo ich mich länger aufhalte, das Medikament vorrätig. Und auch wenn ich eine längere Mountainbike-Tour mache, habe ich es dabei. Für den Fall, dass ich nicht selber spritzen kann, wenn ich zum Beispiel bewusstlos wäre, wissen
meine Freunde und die Familie Bescheid, was sie der Rettung oder dem Notarzt sagen müssen. Zur Sicherheit trage ich auch eine entsprechende Notfallkarte bei mir.
Feistritzer: Hämophilie A ist eine sehr seltene Krankheit. Darum ist es wichtig, dass behandelnde Ärzt:innen schnell davon in Kenntnis gesetzt werden. Auch das Umfeld, Freund:innen und Lehrer:innen sollten über die Krankheit Bescheid wissen – es gibt ja keinen Grund, die Erkrankung zu verheimlichen.
Worauf muss man achten, wenn man sportlich aktiv sein will?
Feistritzer: Der Faktor-VIII-Spiegel nimmt mit der Zeit ab. Je höher der Spiegel ist, desto sicherer ist man. Das ist vor allem dann wichtig, wenn man sportlich aktiv sein will. Patient:innen sollten darum wissen, wann sie gespritzt haben, um im Alltag den Überblick über ihren Spiegel behalten und diesen entsprechend an ihre Freizeitaktivitäten anpassen zu können. Darum ist es wichtig, dass Personen mit Hämophilie A, auch Kinder, entsprechend geschult werden. Das bedeutet nicht nur, sich selbst injizieren zu können, sondern auch zu wissen, wann es notwendig ist. Dann können Kinder auch problemlos am Schulsport, von dem sie früher oft ausgeschlossen worden sind, teilnehmen. Das ermöglicht es, koordinative Fähigkeiten und auch Muskeln zu trainieren. Ersteres hilft dabei, Verletzungen zu vermeiden, während der Muskelaufbau Gelenke schützt. Das gilt natürlich für alle Altersgruppen. Berger: Bei mir war es als Kind
noch so, dass ich gewisse Risikosportarten nicht machen durfte. Das waren Sportarten wie Fußball und Schifahren, wo die Gefahr einer Fremdeinwirkung hoch ist. Ich habe aber dennoch viel Sport gemacht: Tennis und Mountainbike, später auch Bodybuilding, Rennrad, Langlaufen und Skitouren. Alles, was ich gemacht habe, habe ich oft ziemlich extrem gemacht – vielleicht auch, um der Welt zu zeigen, dass ich nicht anders bin und nicht aufpassen muss. Was nicht geht, ist Laufen, weil ich aufgrund der Hämophilie eine Arthrose im Sprunggelenk entwickelt habe. Mit der Ersatztherapie kann ich aber alles, was ich machen will, was mir Freude bereitet, machen – mittlerweile auch Schifahren.
Feistritzer: Wenn man adäquat therapiert, kann man auch Schifahren oder Fußball spielen. Ich halte die Einteilung in Risiko- und NichtRisikosportarten deshalb für nicht mehr zeitgemäß. Studien zeigen, dass die Frage über das Ausüben der Sportarten, nicht so sehr von der Sportart selbst, sondern von den Patient:innen und etwaigen Gelenksvorschädigungen abhängig ist. Unser Ziel ist es, Menschen mit Hämophilie A von Kindheit an so zu therapieren, dass sie alles machen können. Mit der Prophylaxe mit Gerinnungsfaktoren und Antikörpern können alle Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten sportlich aktiv sein.


ao. Univ.-Prof. Dr. Klaus Arbeiter
Leiter der Kinderdialyse an der Abteilung für Pädiatrische Nephrologie und Gastroenterologie, Universitätklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien
Wenn das Blut sauer ist
Bei der distalen renaltubulären Azidose (dRTA) kommt es zur Ansammlung von Säure im Körper. Grund dafür ist die Unfähigkeit der Nieren, ausreichend Säure über den Harn auszuscheiden.
Abläufe, die normalerweise in der Niere stattfinden
In den Nieren werden Wasser, Salze und andere Stoffe aus dem Blut in den Nierenkörperchen als „Primärharn“ filtriert. Von diesem Harn werden bei Erwachsenen pro Tag fast 200 Liter produziert. Dieser fließt über feine Kanäle (Tubuli) weiter über den Harnleiter in die Harnblase und wird als mehr oder weniger konzentrierter Harn ausgeschieden. Bevor der Harn jedoch in der Harnblase ankommt, werden in den Tubuli ein Großteil des Wassers (ca. 99 %), Salze und viele andere Stoffe, die für den Organismus lebensnotwendig sind, über ein komplexes System an Transport- und Rückkopplungsmechanismen wieder ins Blut zurückgeholt.
Dabei werden unter anderem in den distalen Tubuli Wasserstoffionen, die sauer sind, in den Harn abgegeben, um so unser Blut im pH-Gleichgewicht zu halten.
Selten, aber immer wieder unerkannt
Wenn dieser Ablauf nicht funktioniert, entsteht die distale renaltubuläre Azidose (dRTA).
Diese seltene Erkrankung kommt bei Kindern fast ausschließlich durch Vererbung genetischer Mutationen/Varianten vor. Sie kann aber auch – vor allem bei Erwachsenen – als Folge anderer schwerer Erkrankungen oder durch Medikamente ausgelöst werden. In Österreich sind etwa 20 Kinder von der erblichen Variante betroffen, die Dunkelziffer an nicht erkannten Betroffenen ist wahrscheinlich deutlich höher. Dies liegt auch daran, dass sich die Erkrankung manchmal mit milder Ausprägung zeigt und dadurch gar nicht oder erst spät erkannt wird.
Symptome und Anzeichen der dRTA Schon im Säuglingsalter kann die dRTA neben vielen anderen
Gründen zu vermehrtem Erbrechen mit Gedeihstörung und schwerer Dehydration führen. Oft findet deshalb – und aufgrund von gastrointestinalen Infekten – eine erste ärztliche Vorstellung statt. Bei diesen Infekten können betroffene Kinder metabolisch sehr rasch entgleisen.
Ein weiteres Organsystem, das durch die Krankheit betroffen ist, ist das Skelett. Unbehandelt kann sich die Erkrankung durch die chronisch bestehende metabolische Azidose gravierend auf das Längenwachstum auswirken. Kinder mit bis dahin nicht erkannter und unbehandelter dRTA zeigen im Kindergarten- oder Schulalter oft einen Wachstumsrückstand und fallen durch Kleinwuchs auf. Schwere Folgen der dRTA sind Knochenschmerzen und -deformationen sowie Knochenbrüche, die selbst durch geringe Traumen verursacht werden können.
In den Nieren selbst kommt es durch die dRTA schon sehr früh zur Ablagerung von Kalzium (Nephrokalzinose), was zwar keine Beschwerden macht, aber im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung auffallen kann. Bei manchen Betroffenen kommt es auch zur Nierensteinbildung.
Ein Teil der Betroffenen – vor allem bei genetischen Formen – entwickelt auch eine Innenohrschwerhörigkeit, weshalb bei Innenohrhörstörungen vor allem im Kindes- und Jugendalter immer auch an das Vorliegen einer dRTA gedacht werden muss.
Diagnosestellung
Die Diagnose der Erkrankung erfolgt mittels Blut- und Harntests, die den Verdacht der dRTA sehr schnell erhärten können. Dabei findet man in der Blutgasanalyse eine metabolische Azidose, meist auch mit einem niedrigen Kaliumwert einhergehend. Der Harn weist einen alkalischen pH-Wert auf, und die Citrat-Ausscheidung im Harn
zeigt sich stark gesenkt. Zusätzlich ist im Ultraschall der Nieren eine Nephrokalzinose sichtbar.
Die endgültige Diagnose der dRTA erfolgt dann meist anhand von molekulargenetischen Methoden.
Therapieform bei dRTA
Die Behandlung von dRTA ist auf den ersten Blick sehr einfach. Die konsequente Zufuhr von alkalischen Salzen (z. B. Kaliumcitrat) kann die Azidose und damit die schweren Folgen gut korrigieren, mit Ausnahme der Innenohrschwerhörigkeit. Die Therapie sollte regelmäßig über den Tag verteilt verabreicht werden – im Idealfall alle sechs Stunden. Bei Säuglingen funktioniert das Verabreichen in kurzen Abständen meist noch sehr gut, ältere Kinder verweigern die häufige Therapie jedoch in vielen Fällen.
Vor Kurzem wurde von der Europäischen Arzneimittel-Agentur eine Alkalisalz-Kombination zugelassen, die eine längere Wirkdauer aufweist und nur mehr morgens und abends eingenommen werden muss. Für einige Betroffene stellt diese neue Möglichkeit eine große Erleichterung im Alltag mit ihrer Erkrankung dar.
Entscheidend für die Betroffenen ist in jedem Fall eine frühe Diagnose. Erkennt man bei sich selbst oder bei Angehörigen die oben beschriebenen Symptome, sollte an dRTA gedacht und dahingehend untersucht werden. Der erste Schritt, die einfache Blutgasanalyse, kann in jedem Labor durchgeführt werden – sogar über eine kapilläre Blutabnahme bei Säuglingen und Kleinkindern. Die weitere Abklärung sollte in einer kindernephrologischen Ambulanz oder Ordination erfolgen. Die langfristige Betreuung nach finaler Diagnose muss aber in jedem Fall in einem nephrologischen Zentrum stattfinden.

Assoc.-Prof.
PD Dr. Gerald
Schmidinger
Leiter der Ambulanz für Hornhauterkrankungen
Leiter der Hornhautbank Wien
Medizinische Universität Wien
AKH Wien
Seltene Augeninfektion: Wenn sich unter der Hornhaut die Amöben tummeln
Acanthamoeba-Keratitis ist eine seltene Augeninfektion, die verheerende Folgen haben kann. Warum sie dennoch kaum erkannt wird und wie geholfen werden kann, erklärt Augenarzt Dr. Gerald Schmidinger.
Text Philipp Jauernik
Können Sie kurz erklären, worum es sich bei Acanthamoeba-Keratitis handelt?
Die Acanthamoeba-Keratitis, auch Amöbenkeratitis genannt, ist eine Entzündung der Hornhaut der Augen, allerdings in einer seltenen Form. Entzündungen der Hornhaut werden zumeist durch Erreger ausgelöst – das sind Bakterien, in letzter Zeit vermehrt Pilze, aber auch Viren. Ein Teil der Entzündungen wird durch die sogenannten Acanthamoeben ausgelöst.
Wie kommt es zur Infektion, gibt es besondere Risikogruppen?
Einige der Acanthamoeben-Stämme können Infektionen in der Hornhaut auslösen. Sie treten fast immer im Zusammenhang mit Kontaktlinsen auf, meistens mit Monatslinsen, bei denen eine All-in-one-Spüllösung verwendet und die Hygienemaßnahmen nicht ausreichend beachtet werden. Erhöhtes Risiko besteht darüber hinaus bei Nachtlinsen (Ortho-K Linsen).
Acanthamoeben kommen besonders häufig in stehenden Gewässern vor. Das heißt, sehr oft waren Patient:innen mit ihren Kontaktlinsen schwimmen, etwa in tropischen Gebieten, aber auch im Pool oder Seen in Österreich. In England gab es einige Fälle, wo sich Kulturen in Wassertanks auf Hausdächern gebildet hatten. Hier bestehen Gefahren, die vielfach unterschätzt werden.
Wie erfolgt die Diagnose, welche Probleme können dabei auftreten?
Besonders heimtückisch an der
Acanthamoeba-Keratitis ist die extrem schwierige Diagnose – sie wird zunächst fast immer falsch diagnostiziert. Das liegt einerseits daran, dass sie so selten ist, aber andererseits auch daran, dass die Acanthamoeben andere Infektionen klinisch vortäuschen können. Dadurch sieht das klinische Bild oft aus wie etwa eine Pilz- oder eine Vireninfektion. Die Routine führt hier oft dazu, dass Patient:innen anfänglich falsch behandelt werden. Die durchschnittliche Dauer bis zur korrekten Diagnosestellung beträgt oft mehr als ein Monat.
Das klingt lange. Wie unangenehm ist das für Betroffene?
In dieser Zeit passieren oft schon besonders schwierige Infektionsverläufe. Wenn wir an der Universitätsklinik die Patient:innen sehen, haben diese also eine längere Leidensgeschichte hinter sich. Das bedeutet, sie sind meistens in einem schweren Infektionsstadium. Die Infektion hat leider kein klassisches klinisches Bild, bis auf ein paar Anzeichen, die geübten Augenärzt:innen auffallen können. Doch es braucht auch eine gewisse Ausstattung, um die Diagnostik entsprechend gut durchführen zu können. Zum Beispiel müssen PCR-Tests hinsichtlich des Erregers gemacht oder Gewerbeproben entnommen werden. Und trotzdem kommt es leider immer wieder zu falschen Befunden. In einigen wenigen Einrichtungen in Österreich gibt es die Möglichkeit einer sogenannten konfokalen Mikroskopie, bei der die Erreger mit einer guten Bildtechnik dargestellt werden können.
Wie sieht der Therapieweg für Betroffene aus?
Die Acanthamoeben haben einen Verteidigungsmechanismus. Sie treten in zwei Zuständen auf: Zum einen gibt es die aktive Amöbe, die sich lebend durchs Gewebe frisst und die Gewebeentzündungen in der Hornhaut auslöst. Sind die Umweltbedingungen schlecht, kann sich die Amöbe zum anderen in eine Zystenform umbilden, die extrem resistent gegen Strahlung, Temperatur oder chemische Stoffe ist. Das macht eine Therapie äußerst schwierig.
Wie sieht die Therapie in diesem Fall aus?
Aktuell gibt es keine zugelassenen Medikamente, also auch keine Therapie, die in wissenschaftlichen Untersuchungen mit randomisierten Studien etabliert ist. Aber es gibt unterschiedliche Wirkstoffgruppen, von denen man weiß, dass sie erfolgreich gegen die Erreger wirken. Einige davon können etwa aus England bezogen werden. Wir in Wien arbeiten vorrangig mit Chlorhexidin, das wird in Apotheken in Augentropfenform aufbereitet. Polyhexanid ist hingegen schwierig zu bekommen – doch es wird gerade versucht, ein Medikament damit am Markt zu etablieren. Dazu kommen Pilzmedikamente und Antibiotika. Betroffenen kann also gut geholfen werden, auch wenn es nicht einfach ist.
Text: Magdalena Reiter-Reitbauer
Ich lebe jeden Tag mit mir –ich hab‘ mich daran gewöhnt!
Etwa 100 Österreicher:innen leben mit der seltenen Erbkrankheit
Friedreich Ataxie – Jakob Mitterhauser (31) ist einer von ihnen.
Wie er seinen Alltag mit der fortschreitenden neurologischen Gleichgewichtsstörung bewältigt, lesen Sie hier.
Doreen Brumme

Jakob Mitterhauser
Mitbegründer der Selbsthilfegruppe
Friedreich Ataxie
Austria
Wie kam es zu Ihrer Diagnose?
Mit 14 oder 15 hatte ich nach dem Fußballspielen beim Dehnen auf einem Bein immer wieder Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Der Schularzt stellte eine verkrümmte Wirbelsäule fest und schickte mich zur Physiotherapie. Dort fiel mein Gang auf. Man riet mir, die Sache neurologisch abklären zu lassen. Kurz nach der Matura bekam ich dann meine Diagnose: Friedreich Ataxie. Es hieß, ich würde in fünf bis zehn Jahren im Rollstuhl sitzen. Das ist jetzt 13 Jahre her.
Wie steckten Sie die Diagnose weg?
Mir ging’s gut. Ich konnte Fußball spielen und auch noch Ski fahren. Man sah mir fast nichts an, auch wenn ich selbst mitunter das Gefühl hatte, dass mein Gehirn nicht hinterherkommt. Dazu müssen Sie wissen, dass jede Bewegung aus einem Zusammenspiel von Auge, Innenohr, Kleinhirn und peripheren Nerven resultiert, was bei mir gestört ist. Ich schob die Diagnose von mir weg und sprach vier Jahre kaum darüber. Im Jahr 2015 war ich das erste Mal auf Reha und wurde damit konfrontiert, dass sich mein Zustand verschlechtert hatte. Die Veränderungen hatten sich auf eine Art eingeschlichen, dass ich mich daran gewöhnt hatte – ich lebte schließlich jeden Tag mit mir. Dann setzte ich mich aber mit meiner Erkrankung auseinander – zugleich geschah viel im Privatleben. Ich machte meinen
Bachelor und fragte mich „Was tue ich als Nächstes?“. Ich trennte mich von meiner Freundin und erlitt während meines Urlaubs in Südamerika zwei heftige Infekte. Der Stress war zu viel, weshalb ich in depressive Phasen glitt. Vier Jahre lang hatte ich immer wieder depressive Episoden, die ich seit Ende 2019 unter Kontrolle habe.
Wie gelang Ihnen das?
Ich lernte, dass Gesundheit wichtig ist und Stress mir schadet. Ich setze deshalb auf fünf Punkte, um Letzteres zu vermeiden: Schlaf,
Jakob“ (siehe Kasten) machen. Ich bin fit: Ich wohne allein und stemme mein Leben weitgehend selbständig, brauche jedoch mehr Zeit für Alltägliches und zwischendurch immer wieder Pausen. Ich arbeite deshalb in Teilzeit. Meine Familie war und ist mir eine große Stütze. Ich rudere im österreichischen Para-Ruderteam (siehe Kasten) – wir suchen übrigens dringend Verstärkung, insbesondere weibliche –, und ich fahre regelmäßig E-Bike. Außerdem mache ich täglich meine Physioübungen und
Ich lernte, dass Gesundheit wichtig ist und Stress mir schadet. Ich setze deshalb auf fünf Punkte, um Letzteres zu vermeiden: Schlaf, Meditation, soziale Kontakte, Bewegung und Ernährung. Ich weiß, wie sehr mich Depressionen früher eingeschränkt haben, und bin deshalb heute dankbar für jeden Tag ohne sie.
Meditation, soziale Kontakte, Bewegung und Ernährung. Ich weiß, wie sehr mich Depressionen früher eingeschränkt haben, und bin deshalb heute dankbar für jeden Tag ohne sie.
Wie sieht Ihr Alltag inzwischen aus?
Ich meistere das Leben ohne Hilfsmittel, wobei mein Gang an einen Betrunkenen erinnert. Ein Bild davon können Sie sich dank der Dokumentation „Einfach nur
einmal im Jahr eine vierwöchige Reha. Für diese Möglichkeit aufgrund des österreichischen Sozialsystems bin ich dankbar. Ohne Reha wäre mein Zustand sicher schlechter und meine Lebensqualität geringer.
Ihr schwankender Gang zieht Blicke auf sich – Was macht es mit Ihnen, dass viele Sie für betrunken halten?
Viele Blicke sehe ich gar nicht, da ich mich auf meinen Weg
konzentriere. Grundsätzlich verstehe ich die Neugier, mir geht es bei außergewöhnlichen Dingen genauso. Dennoch wünsche ich mir, dass die Menschen bei sich bleiben – wenn ich Hilfe brauche, gebe ich Bescheid. Und meine Erfahrung ist, dass mir dann auch immer geholfen wird. Ich bin heute selbstbewusster als früher, das heißt, mir ist egal, was fremde Menschen von mir denken. Wichtig sind Familie und Freund:innen. Nur so kann ich mit meiner Behinderung leben.
Sie engagieren sich auch für die Belange von Betroffenen?
Während meiner jährlichen RehaAufenthalte genieße ich die verständnisvolle Gemeinschaft mit anderen Betroffenen sehr. Deshalb habe ich im Herbst 2022 unsere österreichische Selbsthilfegruppe (siehe Kasten) mitgegründet, um den kontinuierlichen Austausch über unsere Krankheit zu fördern.

Andreas
Bracher, PhD Head of Medical Affairs
Deutschland und Österreich
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.biogen.at
Derzeit steht in Österreich die Zulassung eines ersten Medikaments gegen Friedreich Ataxie an. Was erwarten Sie sich davon?
Ich erwarte kein Wundermittel. Doch die Erfahrungen aus den USA, wo das Mittel bereits zugelassen ist, stimmen mich zuversichtlich: Es kann das Fortschreiten der Erkrankung und damit die gesundheitlichen Verschlechterungen abbremsen. Es wäre schön, aufzuwachen und etwas einnehmen zu können, das hilft.
Was wünschen Sie sich von Ihren Mitmenschen?
Meine Wünsche erwachsen aus dem Wissen um meine Abhängigkeit als Mensch mit Behinderung: Mir geht es zwar gut, weil Österreich ein soziales Netz hat, das Menschen wie mich auffängt. Doch es gibt hier Luft zur Verbesserung. Zum Beispiel sollte die UN-Menschenrechtskonvention für Menschen mit
Behinderung, die auch Österreich ratifiziert hat, konsequent umgesetzt werden. Das heißt, das Sicherheitsnetz basiert auf demokratischen Grundrechten, die jedoch von rechten Anhänger:innen missachtet werden. Das ist es, was mir Sorgen macht. Als Geograf und Stadtklimatologe sorge ich mich auch um unseren Planeten. Hier wünsche ich mir entschlossene Maßnahmen gegen den Klimawandel.
• Die mit dem österreichischen Wissenschaftspreis 2021 ausgezeichnete Multimedia-Dokumentation „Einfach nur Jakob“ von Sandra Fleck finden Sie hier: www.pageflow.jour.at/einfach-nur-jakob
• Die Para-Ruderer:innen können Sie hier kontaktieren: www.wrc-pirat.at/para-rowing
• Mehr zur Selbsthilfegruppe finden Sie auf der Homepage www.friedreich-ataxie.at , Kontakt: info@friedreich-ataxie.at
Das Leben von Patient:innen mit einer seltenen Erkrankung verbessern: Auftrag und Antrieb zugleich
„Keine Erkrankung sollte zu selten sein, um beachtet zu werden“, sagt Dr. Andreas Bracher, Head of Medical Affairs bei Biogen Deutschland und Österreich. Einzeln mögen sie zwar selten sein – doch addiert man die Schicksale, sind in Österreich etwa 450.000 Personen von einer der 6.000 bis 8.000 seltenen Erkrankungen betroffen. Für ca. 90 % der seltenen Erkrankungen gibt es nach wie vor keine Therapie. Für Biogen ist diese Tatsache Auftrag und besonderer Antrieb zugleich – wie das Beispiel der Friedreich Ataxie zeigt, einer Erkrankung, die die Bewegungskoordination stark beeinflusst und einen Forschungsschwerpunkt des Unternehmens darstellt: „Die medizinische Forschung konzentriert sich intensiv auf seltene Erkrankungen wie der Friedreich Ataxie, um wirksame Therapieansätze zu entwickeln. Wir arbeiten an vielversprechenden Therapieansätzen, die darauf abzielen, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Patient:innen zu steigern.“
Gerade im Bereich der seltenen Erkrankungen ist die Zusammenarbeit mit erkrankten Personen und auch den Patient:innenvertretungen besonders wichtig. „Klinische Skalen und Scores erlauben oft nur bedingt, den Benefit für Patient:innen zu beschreiben. Eine wichtige Rolle spielt aber
Diese Kampagne wird unterstützt von Biogen Biogen-235768 , Stand der Information Februar 2024
auch der subjektive, von der erkrankten Person wahrgenommene Gesundheitszustand während einer Therapie. Dies ist ein wesentlicher Baustein für eine maßgeschneiderte und qualitätsorientierte Therapie“, erklärt Bracher, und ergänzt: „Es geht hier um Einzelschicksale und in einer solidarischen Gesellschaft müssen wir alle Verantwortung übernehmen.“
Um den Zugang zu schnelleren Diagnosen und spezialisierter Versorgung zu fördern, fordert Bracher eine europaweite verbesserte Vernetzung von Zentren für seltene Erkrankungen: „Nur so erhalten wir eine valide und ausreichende Datengrundlage für bestimmte Erkrankungen. Diese Vernetzung ermöglicht zudem langfristig eine erfolgreiche und wohnortnahe Versorgung.“
Als Pionier in Neurowissenschaften erforscht und entwickelt Biogen innovative Arzneimittel für Menschen mit schweren neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen. Biogen wurde 1978 als eines der ersten globalen Biotechnologie-Unternehmen gegründet. Biogen beschäftigt rund 7.500 Mitarbeiter:innen und erreicht mit seinen Medikamenten Menschen in über 80 Ländern weltweit. Seit 1997 ist Biogen auch mit einem Büro in Wien vertreten.
Diagnose mit 5–18 Jahren
Ungefähr 75 % der Personen mit Friedreich Ataxie werden im Alter von fünf bis 18 Jahren diagnostiziert.1
Lebenserwartung:
37 Jahre
Die durchschnittliche Lebenserwartung von Betroffenen liegt bei 37 Jahren. 2
10–20 Jahre bis zum Rollstuhl
Die meisten Personen mit Friedreich Ataxie benötigen innerhalb von zehn bis 20 Jahren ab Auftreten der ersten Symptome einen Rollstuhl. 3
1. Friedreich's Ataxia Research Alliance - What is FA? (curefa.org). 2. Parkinson

35 Jahre „Österreichische Muskelforschung“: Große Fortschritte in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen
Seit der Gründung des gemeinnützigen Forschungsvereins „Österreichische Muskelforschung“ durch einen betroffenen Vater vor 35 Jahren haben sich dank wirksamer Therapien Lebensqualität und Lebenserwartung von Menschen mit Muskelkrankheiten deutlich verbessert.

Univ.-Prof. Dr. Günther Bernert Neuropädiater, Präsident der Österreichischen Muskelforschung
FOTO: A. ÖTTING
Seltene Muskelkrankheiten im Fokus der Forschung
In Österreich leben etwa 20.000 Menschen mit einer Muskelerkrankung, mehr als die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Jede einzelne der ca. 800 verschiedenen Muskelerkrankungen zählt zu den seltenen Erkrankungen. Zum Zeitpunkt der Gründung der Österreichischen Muskelforschung – Vereinigung zur Erforschung von Muskelkrankheiten bei Kindern und Erwachsenen – im Jahr 1989 waren keine kausalen Therapien verfügbar. Menschen mit Duchenne Muskeldystrophie (DMD) starben damals in der Regel noch vor dem Erwachsenenalter. Die Diagnose Spinale Muskelatrophie Typ 1 (SMA) bedeutete vor wenigen Jahren sogar den Tod im Säuglingsalter. Seltene Erkrankungen rücken vermehrt in den Fokus der pharmazeutischen Forschung. Kausale Therapien für neuromuskuläre Erkrankungen, insbesondere für DMD und SMA, aber auch für Morbus Pompe, stehen mittlerweile zur Verfügung oder vor der Zulassung.
Die Spinale Muskelatrophie wurde vor etwa drei Jahren ins Neugeborenenscreening aufgenommen, womit eine rasche Diagnose und damit ein sofortiger Therapiebeginn gewährleistet sind.


Ende 2023

erteilte die Europäische Arzneimittelbehörde die Zulassung für eine Therapie für die Duchenne Muskeldystrophie, die seit Februar 2024 in Österreich auf dem Markt ist.
Bei den anderen neuromuskulären Erkrankungen ist der Weg bis zur Diagnose meist ein langer; und er bedeutet eine große Belastung für Betroffene und Angehörige. Um diesen Leidensweg zu verkürzen, braucht es bei Allgemeinmediziner:innen und Kinderärzt:innen vor allem im niedergelassenen Bereich noch mehr Wissen um Symptome, Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten von Muskelkrankheiten.
Forschung und Weiterbildung
Die Österreichische
Muskelforschung sieht es seit 35 Jahren als ihre Aufgabe, nicht nur Forschungsprojekte im universitären und klinischen Bereich zu unterstützen, sondern auch Wissen um Muskelkrankheiten an Mediziner:innen sowie an Betroffene und Angehörige weiterzugeben. So liefert etwa die Videoenzyklopädie MUSCULUS in Kurzvideos Wissen rund um neuromuskuläre Erkrankungen. Die Videos sind auf der Website der Österreichischen Muskelforschung abrufbar.
Mit der jährlichen HybridTagung „UpDate Muskelforschung“ bietet die Österreichische Muskelforschung am 14. und 15. Juni 2024 Health Care Professionals, aber auch Betroffenen und deren Angehörigen, die Möglichkeit, sich aus erster Hand über bereits verfügbare Therapieoptionen und solche, die vor Zulassung stehen, zu informieren. Vortragende sind Expert:innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Für Betroffene und Angehörige ist die Teilnahme kostenfrei.
Informationen und Anmeldemöglichkeit zu „UpDate Muskelforschung 2024“ sind online verfügbar unter www.muskelforschung.at

Ap. Prof. Priv.-Doz. Dr. Hakan Cetin Stationsführender Oberarzt an der Universitätsklinik für Neurologie, AKH Wien
WENN DIE DIAGNOSE DEN TOD ANKÜNDIGT
Im Interview stellt der Neurologe Ap. Prof. Priv.-Doz. Dr. Hakan Cetin, Oberarzt am AKH Wien, die bislang unheilbare Erkrankung Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) vor – und er berichtet über Entwicklungen bei ihrer Behandlung.
Diagnose ALS – Womit haben
Betroffene es zu tun?
ALS ist eine noch unheilbare Erkrankung, bei der sogenannte Motoneurone verschleißen. Das sind Nervenzellen im zentralen Nervensystem (Gehirn, Rückenmark), die die Muskulatur steuern. Infolgedessen kommt es zu Lähmungen, Krämpfen, Muskelschwäche und Muskelschwund – nach und nach fallen ganze Körperregionen aus. Die durchschnittliche Überlebenszeit nach Ausbruch der Krankheit liegt bei nur zwei bis drei Jahren.
Wie zeigt sich ALS?
Je nachdem, welche Motoneurone betroffen sind, können die muskulären Ausfälle nahezu überall im Körper auftreten: Zum Beispiel lassen sich die Füße nicht heben, sodass sich der Gang verlangsamt und man häufig stolpert. Oder der Nacken wird unbeweglicher, die Hände ungeschickter. Mitunter treten zu Beginn auch Sprach- oder Schluckstörungen auf.
Wie ist der typische Verlauf bei ALS?
Wegen der Vielfalt möglicher erster Anzeichen wird ALS oft nicht gleich als Ursache der Beschwerden vermutet – bis zur Diagnose dauert es im Schnitt ein Jahr. Das ist wertvolle Zeit, die den Betroffenen für eine Behandlung verloren geht.
Wer ist typischerweise betroffen?
Von 100.000 Menschen sind 9 betroffen; das macht in Österreich etwa 900 ALS-Patient:innen. Männer erkranken etwas häufiger daran als Frauen. Meist tritt die Krankheit zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr auf, doch ich betreue auch 20- und 90-jährige Erkrankte. Die Ursachen für ALS sind noch nicht voll erforscht. Bekannte
Risikofaktoren sind das männliche Geschlecht und wahrscheinlich auch Rauchen und wiederholte Kopfverletzungen.
Kopfverletzungen?
Ja, wiederholte Kopfverletzungen scheinen das Risiko einer Erkrankung gering zu erhöhen, so erklärt man sich unter anderem das gehäufte Auftreten der ALS bei Fußball- und Footballspielern. Der Mechanismus dahinter ist allerdings noch nicht vollends klar. Grundsätzlich sind ALS-Patient:innen überdurchschnittlich gesund und sportlich.
Gibt es erbliche ALS-Formen?
Bei zehn Prozent der Fälle wird ALS von Generation zu Generation vererbt. Das heißt, bei 90 Prozent tritt sie dagegen sporadisch auf.
Wie wird ALS diagnostiziert und behandelt?
Bei Verdacht auf ALS lässt sich die Krankheit anhand der sichtlichen Beschwerden und einer neurologischen Untersuchung bzw. mittels elektrophysiologischer Verfahren wie der Elektromyografie (EMG) feststellen. Inzwischen stehen auch spezifische Biomarker zur Verfügung, die im Blut untersucht werden und bei der Diagnose hilfreich sind. Bildgebenden Verfahren wie das MRT sind auch wichtig, um andere Erkrankungen auszuschließen, die sich mit ähnlichen Symptomen präsentieren können. Noch gibt es keine Behandlung, die ALS heilt. In Europa ist seit Langem nur ein Medikament zugelassen, dessen Wirkstoff die Überlebenszeit der ALS-Patient:innen etwas verlängert. Deshalb liegt der Fokus derzeit noch auf der Behandlung der individuellen Beschwerden, die ALS-Betroffene haben. Hier geht es zum Beispiel um die ausreichende
Kalorienzufuhr. Dazu muss man wissen, dass ALS den Stoffwechsel ankurbelt. Infolgedessen verlieren die Betroffenen schnell an Gewicht, was sie zusätzlich schwächt. Verhindern Schluckbeschwerden die natürliche Nahrungsaufnahme, kann eine Magensonde zum Einsatz kommen. Wird das Atmen zu schwer, helfen nicht-invasive und invasive Beatmungsmaßnahmen. Hinzu kommen Physio- und Ergotherapien, Schmerztherapien und ganz wichtig: die psychologische Betreuung.
Was wünschen Sie sich für Ihre ALS-Patient:innen?
Mit der Diagnose überreiche ich meinen Patient:innen die Nachricht vom zunehmenden Ausfall ihres Körpers und baldigen Tod. Ich wünsche mir daher mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung für die ALS-Patient:innen, sodass Diagnose und Behandlung rascher erfolgen und Betroffene besser versorgt werden können. Dazu braucht es insbesondere mehr physiotherapeutsiche, psychotherapeutische, aber auch palliativmedizinische Ressourcen.
Die Ice-Bucket-Challenge in den Social Media brachte der Erforschung von ALS im Jahr 2014 viel Geld1 ein – und damit einen spürbaren Schub in der Forschung: Ein neues vielversprechendes Medikament ist in den USA und Kanada bereits vorzeitig zugelassen. In Europa werden die Phase-III-Studiendaten abgewartet, um dann die Zulassung zu prüfen. Und dann ist da noch die Geschichte von Anna K. aus Deutschland2, die an einer genetischen Form der ALS leidet und jüngst erstmals zeigte, dass ALS nicht nur gebremst, sondern auch umgekehrt werden konnte. Das gibt Hoffnung.
� – https://www.als. org/stories-news/ ice-bucket-challengedramatically-accelerated-fight-against-als
2 – https://www. tagesanzeiger.ch/ medizinisches-wunder-anna-kann-wiedertreppen-steigen-undetwas-durch-die-naseatmen-295585217116
Was sehen Sie auf diesem Bild?
Auf den ersten Blick ganz klar: Das ist eine Zebraherde. Bei genauerem Hinsehen erkennt man allerdings ein weiteres Tier, das da nicht hingehört.
Viele seltene Erkrankungen werden erst sehr spät diagnostiziert, weil sie auf den ersten Blick wie etwas anderes, vielleicht Harmloses wirken.
Unser Appell: Denken Sie bei Hufschlägen nicht gleich an Pferde, es könnten auch Zebras sein. Und wenn Sie eine Zebraherde sehen, suchen Sie den Tiger!
Drehen Sie die Seite um 90 Grad
Generalisierte Pustulöse Psoriasis: Eine seltene autoinflammatorische Hauterkrankung richtig erkennen
und behandeln
Bei Generalisierter Pustulöser Psoriasis (GPP) handelt es sich um eine seltene Erkrankung, die meist lebenslang in Schüben verläuft – unbehandelt können Schübe zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Umso wichtiger sind die richtige Diagnose und eine individuelle Behandlung, die auf den ganzen Körper wirkt.
Die Symptome der GPP treten meist im Alter zwischen 40 und 50 Jahren erstmals auf, dabei sind Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer. Schätzungen zufolge erkranken an GPP zwei bis zehn von einer Million Menschen in Europa. Aufgrund des seltenen Vorkommens der Erkrankung wird die Diagnose oft verzögert gestellt. Mögliche Auslöser für einen Schub der Erkrankung sind Stress, bestimmte Medikamente oder eine Schwangerschaft.
Symptome der Generalisierten Pustulösen Psoriasis
GPP äußert sich vor allem durch plötzlich auftretende Hautveränderungen in Form steriler (nicht infektiöser), mit Eiter gefüllter, entzündeter Pusteln auf großen Teilen der Hautoberfläche. Diese Pusteln führen zu schuppiger und brüchiger Haut, Juckreiz und Schmerzen. Die deutlich sichtbaren Hautveränderungen der Erkrankung können zu einer großen psychischen Belastung werden, insbesondere, weil die Pusteln oft wochen- oder monatelang bestehen bleiben. Begleitet werden sie oft von Fieber, Schüttelfrost, Müdigkeit und Übelkeit. Bedingt durch den schubförmigen Verlauf der Erkrankung sind die Symptome oft rezidivierend, das heißt, sie verschwinden und kehren wieder.
Richtige Diagnose durch Dermatolog:innen
Die Zeit bis zur eindeutigen Diagnose ist aufgrund der Seltenheit der Erkrankung oft lang. Deshalb sollten potenziell Betroffene alle
Anzeichen und Symptome wie Hautschmerzen, großflächige Ausbreitung von Pusteln, Übelkeit etc. notieren und ihren Ärzt:innen mitteilen – auch, weil die Symptome der GPP jenen anderer Erkrankungen ähnlich sein können. Erfahrenen Dermatolog:innen ist die Diagnose meist aber rasch möglich.
Systemische und topische Therapie und Kompetenzzentren Unbehandelt kann GPP zu Komplikationen wie Sepsis, Nierenversagen, Herzversagen und Flüssigkeitsansammlungen in der Lunge führen. Daher sind das Erkennen von Auslösern der Schübe und ein individueller Behandlungsplan essenziell. Zur Linderung der Symptome werden systemisch Medikamente, also Infusionen, Injektionen oder Tabletten, die auf den ganzen Organismus wirken und topische Therapien, also lokal auf der Haut angewendete Behandlungen wie verschiedene Hautcremes oder UV-Bestrahlungen angewendet. Für die bestmögliche Betreuung von GPP-Betroffenen stehen in Europa Ärzt:innen in Kompetenzzentren zur Verfügung, die auf Basis von neuesten Daten aus klinischen Studien multidisziplinär ein höchstes Maß an Fachwissen und praktische Kompetenz zur Behandlung dieser chronischen Erkrankung aufweisen.

Univ. Prof. Dr. Peter Wolf Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie Medizinische Universität Graz
Generalisierte pustulöse Psoriasis ist eine chronische Erkrankung und betrifft den ganzen Körper. Der Leidensdruck kann bei akuten Schüben enorm sein und mit allgemeinen Entzündungssymptomen wie Fieber, Schüttelfrost oder Abgeschlagenheit einhergehen. Oftmals ist es notwendig zur Behandlung eines Schubes in einer spezialisierten Abteilung stationär aufgenommen zu werden. Mit der Zeit können Sie als Patientin oder Patient ein Gefühl dafür entwickeln, wann und wie sich ein Schub der Erkrankung bei Ihnen ankündigt. Warten Sie bitte nicht zu, wenn Sie bemerken, dass ein Schub beginnt, sondern wenden Sie sich rasch an Ihre behandelnde Ärztin bzw. Ihren behandelnden Arzt. So kann schwereren Verläufen rechtzeitig entgegengewirkt werden. Oft scheinen die Schübe der Erkrankung aus heiterem Himmel aufzutreten, aber gemeinsam mit Ihren Ärzt:innen können Sie mit der Zeit herausfinden, welche Reize, sogenannte „Triggerfaktoren“ bei Ihnen einen Schub auslösen könnten. Diese können Sie dann bestmöglich gezielt vermeiden oder minimieren.
Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung von Boehringer Ingelheim
Initiative Act4GPP
Weiterführende Informationen zu GPP, eine Liste der möglichen Symptome, ein Leitfaden für Fragen an Ärzt:innen und weitere nützliche Infos sind unter www.act4gpp.com/at/ abrufbar. Die Initiative Act4GPP unterstützt Patient:innen mit GPP und lässt Sie im Umgang mit der Erkrankung nicht allein, sondern hilft.

Leben mit Phosphatdiabetes –„Gestalten statt hinnehmen“
Die x-chromosomale Hypophosphatämie (kurz XLH) ist eine seltene Störung des Knochenstoffwechsels. Die Mutation, die XLH hervorruft, kann vererbt werden oder als spontane Mutation auftreten, was die Diagnose erschweren kann. XLH führt zu einem Phosphatmangel, weshalb die Erkrankung auch die Bezeichnung Phosphatdiabetes trägt. Auch wenn die Erkrankung entdeckt und behandelt wird, leiden Betroffene unter ihren Folgen. Dazu zählen unter anderem starke Schmerzen, enorme Bewegungseinschränkungen und häufige Knochenbrüche. Wir sprachen mit Sara Franke über ihr Leben mit der Erkrankung.
Frau Franke, Sie leiden an XLH. Wann und wie hat sich die Erkrankung bei Ihnen geäußert, und gibt es in Ihrer Familie weitere Betroffene?
Bei mir wurde XLH bereits im Kleinkindalter sichtbar. Mit dem Beginn des Laufens zeigten sich deutliche Verformungen meiner Beine. Meine Mutter zog sofort Parallelen zu ihrer eigenen Kindheit, in der sie ähnliche Verformungen hatte. Die Krankheit, die nicht nur mich, sondern auch meine Mutter und meine beiden Geschwister betrifft, wurde bei meiner Mutter damals fälschlicherweise als Knochenfehlbildung diagnostiziert. Bezugnehmend auf meine Knochenfehlstellung, wurde ihr und meinem Papa gesagt, dass sich das wieder verwächst. Glücklicherweise wurde durch die Hartnäckigkeit meiner Eltern bei meinen Schwestern und mir die korrekte Diagnose gestellt, als ich drei Jahre alt war.
Was waren und sind für Sie die größten Herausforderungen, die

mit Ihrer Erkrankung im Zusammenhang stehen?
In meiner Kindheit kämpfte ich mit Zahnabszessen und den Einschränkungen durch O-Beine. Aber unsere Familie lebte immer nach dem Motto: Jeder gestaltet sein Leben so gut wie möglich. In meiner Jugend führten Operationen zur Korrektur der Beine und weitere Eingriffe zu vielen Fehlzeiten in der Schule. Das auffällige Äußere und der veränderte Gang sorgten oft für abschätzenden Blicke und Stigmatisierung. Es war sehr schwer als „behindert“ abgestempelt und in meinen Fähigkeiten unterschätzt zu werden sowohl von Mitschülern als auch von Lehrern. Doch dank der Unterstützung meiner Familie, meiner Freunde und
später meines Mannes, konnte ich mein Selbstbewusstsein stärken und lernte mich zu behaupten. Mein gesamtes Skelett ist deformiert, was zu zahlreichen Begleiterkrankungen führte. Ärzte behandeln diese in der Regel nur symptomatisch, was einen kraftraubenden Prozess darstellt. Es gibt nicht viele Patienten mit dieser Krankheit, und es dauert leider oft zu lang, bis man dann als erwachsener Patient einen Spezialisten findet. Bis dahin versuchte ich, meine Schmerzen mit Schmerzmitteln zu lindern. Als lebensfroher Mensch war es für mich oft schwierig, den Ärzten die Intensität meiner Schmerzen und die Dringlichkeit meiner Situation zu vermitteln.
Symptome der XLH im Überblick
Mögliche Symptome bei Kindern:
• Fehlstellungen der Beine (O- oder X-Beine)
• Deformierungen der Knochen und Achsenfehlstellungen
• Weiche Knochen (Rachitis)
• Verspäteter Laufbeginn, Gangbildveränderungen, „Watschelgang“
• Verzögertes/Vermindertes Wachstum (Kleinwuchs)
• Dysproportionen
• Knochen- und Gelenkschmerzen
• Muskelschmerzen und -schwäche
• Schädeldeformationen: Craniosynostose (verfrühter Verschluss der Schädelnähte), Chiari Malformation (Fehlbildung des Übergangs zwischen Hinterhaupt und Wirbelsäule)
• Spätes Sekundärgebiss und Zahnprobleme (z.B. Abszesse und Fisteln)
Zusätzliche mögliche Symptome bei Erwachsenen:
• Veränderungen des Gehörs: Schwerhörigkeit bis hin zum Hörverlust, Tinitus, Schwindel
• Frakturen und Pseudofrakturen durch unzureichende Knochenmineralisation
• Osteomalazie (Knochenerweichung)
• Spinalkanalstenosen (Verengungen des Wirbelkanals)
• Früh einsetzende Arthrose oder Knochen- und Gelenkentzündungen
• Bewegungseinschränkungen und Steifigkeit
• Mineralisierung (Verkalkung) von Sehnen und Bändern
• Dauerhafte Verkürzung von Sehnen, Muskeln und Bändern
• Reduzierte Belastbarkeit, Erschöpfung
Entgeltliche Einschaltung
XLH ist zwar noch nicht heilbar, aber behandelbar: Wie geht es Ihnen unter Therapie?
Mir geht es ganz gut. Natürlich begleiten mich ständig Schmerzen, die wohl auch bleiben werden. Das Bücken und Knien wird mir immer verwehrt bleiben sowie unbeschwert längere Strecken zu laufen. Trotz dieser Herausforderungen empfinde ich mein Leben als wunderbar. Es war mir immer wichtig ein Teil der Gesellschaft zu sein sowohl privat als auch beruflich und das gibt mir sehr viel Kraft. Seit einem Jahr spritze ich mir ein Medikament, das auch für Erwachsene zugelassen ist und mir Tage mit erträglichen Schmerzen schenkt.
Sie sind 2022 Mutter geworden.
Hatten Sie Sorge, dass Ihr Kind auch von XLH betroffen sein könnte?
Mein Mann und ich haben ausführlich darüber gesprochen und uns entschlossen, unsere Lebensfreude und unsere Träume nicht von einer Erkrankung beeinträchtigen zu lassen. Als das neue Medikament zugelassen wurde und die Erfolge bei Kindern vielversprechend waren, wurde unser Wunsch nach einer Familie noch stärker. Meine Frauenärztin war hervorragend über meine Krankheit informiert
und hat mich jederzeit einfühlsam unterstützt. Nun sind wir stolze und glückliche Eltern eines kerngesunden Sohnes.
Wie geht es Ihnen heute, und was möchten Sie anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Bei der Frage wie es mir geht, versuche ich oft einen klaren Unterschied zwischen meinem physischen und meinem persönlichen Zustand herzustellen. Körperlich gibt es immer wieder Tage oder Wochen, in denen es mir nicht so gut geht. Persönlich könnte es mir nicht besser gehen! Ich bin glücklich verheiratet und habe das Geschenk bekommen einen gesunden Sohn zu haben. Anderen Betroffenen möchte ich mit auf den Weg geben, dass in jedem von uns etwas schlummert, für das es sich zu kämpfen lohnt. Jeder, der betroffen ist, sollte die Kraft und Geduld aufbringen, Ärzte aufzusuchen, bei denen er sich wohl fühlt. Es ist von grundlegender Bedeutung, fest an sich selbst zu glauben. Wir verdienen es, wertgeschätzt zu werden. Wir sind so viel mehr als die Erkrankung!
Anlaufstelle für Betroffene von XLH www.phosphatdiabetes.at
Einsatz für Menschen mit seltenen Erkrankungen
„Meine Hautprobleme begannen 2004“, berichtet eine Patientin. Sie litt zu dieser Zeit unter wiederkehrenden Hautausschlägen und Schmerzen. Erst Jahre später wurde bei ihr eine Mycosis fungoides diagnostiziert, eine Krebserkrankung, die in Europa weniger als einen von 110.000 Menschen betrifft.1 „Ich befand mich fast zehn Jahre lang in einer Grauzone“, erinnert sie sich. Ihre anfänglichen Symptome wurden zunächst als Ekzem erkannt. Erst ein Zufallsbefund führte zur richtigen Diagnose. Diese Geschichte ist kein Einzelfall: Der Weg bis zum Befund dauert bei diesem Krankheitsbild durchschnittlich
zwei bis sieben Jahre.2
Kyowa Kirin ist ein global tätiges biopharmazeutisches Unternehmen, das die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen verbessern möchte. Es wurde 1949 in Japan gegründet und entwickelt seit dieser Zeit innovative Therapien in den Bereichen Nephrologie, Neurologie, Onkologie und Immunologie. Die Forschung, Entwicklung und Wirkstoffproduktion stützen sich auf Verfahren der Spitzenbiotechnologie aus eigenem Hause. So gilt das Unternehmen als Pionier in der Behandlung des nur selten auftretenden Phosphatdiabetes. Ein weiterer Schwerpunkt ist
die Behandlung seltener Krebserkrankungen wie der Mycosis fungoides und des Sézary-Syndroms – beides Unterformen des kutanen T-Zell-Lymphoms (CTCL).
Kyowa Kirin möchte sämtlichen Menschen, mit denen es sich im Austausch befindet, ein Lächeln schenken – nicht nur durch die Bereitstellung neuer Wirkstoffe, sondern auch durch gelebte Partnerschaften. Das Unternehmen sucht weltweit den Austausch mit Betroffenen und Beteiligten, um gemeinsam bessere Antworten auf Patientenbedürfnisse zu finden, getrieben von dem Ansporn „Making people smile“.

INSPIRATION
Menschliche Empathie und Künstliche Intelligenz: Erfolgsfaktoren für eine rasche Diagnose
Text Verena Bittner-Call
Der lange Weg zur Diagnose Im Durchschnitt dauert es etwa fünf Jahre bis zur Diagnose einer seltenen Erkrankung. Für Betroffene und deren Angehörige bedeutet der Weg bis zur Diagnose eine Zeit voller Ungewissheit und Sorgen. „Bei meiner Tochter hat es sogar acht Jahre gebraucht, bis die richtige Diagnose gestellt wurde“, berichtet Nadine Bösch, Mutter einer jungen Frau mit hereditärem Angioödem (HAE) – einer seltenen Erberkrankung, bei der es zu Flüssigkeitseinlagerungen und Ödemen in der Unterhaut kommt. Meist zeigen sich die Schwellungen im Gesicht, an den Händen, Armen, Beinen und Füßen oder im Magen-Darmtrakt. Seltener betreffen die Schwellungen den Kehlkopf. In diesem Fall können die Ödeme zu Atemnot und Ersticken führen. Die Symptome traten auf, als die junge Frau in der Pubertät war – und wurden von den Ärzt:innen zum Teil auf die Pubertät zurückgeführt.
Andrea Kavallar, Obfrau der Patient:innenorganisation Morbus Gaucher Austria, hat den Weg bis zur Diagnose bei ihrer achtjährigen Tochter ähnlich erlebt. Morbus Gaucher ist eine lysosomale Speichererkrankung und
vererbbaren Fettspeicherkrankheiten. Bestimmte ernährungsunabhängige Fettstoffe werden nicht abgebaut, sondern in den Organen gespeichert. Dadurch entstehen vergrößerte, sogenannte GaucherZellen. Die Folge sind einerseits Knochenschmerzen und -brüche, andererseits die Vergrößerung von Milz und Leber und Veränderungen im Blutbild. Bei Kindern hat die allgemeine Schwächung des Organismus vor allem verzögertes ein Wachstum und Gedeihstörungen zur Folge. Um Spätschäden bei dieser progredient verlaufenden Erkrankung zu vermeiden und um den betroffenen Patient:innen eine normale Entwicklung sowie ein normales Leben zu ermöglichen, ist eine frühzeitige Diagnose und Therapieintervention notwendig.
Künstliche Intelligenz zur Unterstützung bei der Diagnosefindung
Einer der Gründe, weshalb der Weg zur Diagnose bei seltenen Erkrankungen meist lange dauert, ist die Seltenheit dieser Patient:innen, die Krankheitsbilder vorweisen, die vielen Ärzt:innen unbekannt sind. Unterstützung auf dem Weg zu einer rascheren Diagnose können
anhand der eingegebenen Symptome mögliche Erkrankungen vorschlagen. Basis der Datenbank sind gesammelte Daten aus der „echten Welt“, die dann von einer Künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet werden.
In diesem Zusammenhang betont Jama Nateqi, Mediziner und Gründer des Symptom-Checkers symptoma, die Wichtigkeit des Datenschutzes: „Eine Symptomdatenbank darf niemals persönliche Daten abfragen. Alle Angaben sind anonymisiert.“ Die grundlegenden Daten für einen Symptom-Checker werden nicht zentralisiert, sondern von der KI aus allen im Internet verfügbaren relevanten Quellen, wie etwa Fachliteratur oder auch Patient:innenerfahrungen, „zusammengesammelt“. Andrea Kavallar hält den Einsatz von KI in diesem Bereich für sehr hilfreich. Sie glaubt, dass ihrer Tochter eine schmerzhafte Knochenmarkuntersuchung erspart geblieben wäre,


Denken Sie daran


wenn bei der Diagnosefindung bereits KI zum Einsatz gekommen wäre.

Dr. med. univ.
Jama Nateqi CEO & Founder Symptoma GmbH

Obfrau Morbus
Gaucher Austria
Symptom-Checker ersetzen nicht die Diagnose Ein Symptom-Checker ersetzt jedoch nicht die Diagnose. „Die möglichen Diagnosen, die auf Basis der eingegebenen Symptome vorgeschlagen werden, helfen Ärzt:innen, Ideen zu generieren, welche Erkrankung vorliegen könnte, an die sie sonst vielleicht nicht gedacht hätten“, erklärt Nateqi. Das hält der Mediziner für besonders wichtig. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass Ärzt:innen Symptome, die sie aufgrund fehlenden Wissens nicht einer seltenen Erkrankung zuordnen können, als psychosomatisch einstufen. Diese Erfahrung machte auch Nadine Bösch. Es dauerte lange, bis die Symptome ihrer Tochter ernst genommen wurden. „KI nützt nichts ohne die Bereitschaft des Arztes, wirklich hinzuhören, was der Patient sagt, und ihm auch wirklich zu glauben“, erklärt Bösch. Sie fand schließlich eine Ärztin, die die Symptome ihrer Tochter ernst nahm und sich dann der KI bediente, um sich auf die Suche nach einer möglichen Diagnose zu machen.
Soziale Medien: Erkrankung sichtbar machen
Eine hilfreiche Quelle für Informationen rund um eine seltene Erkrankung können auch die Websites von Patient:innenorganisationen sowie Social Media sein. Als Obfrau von Morbus Gaucher Austria betreut Andrea Kavallar die Facebook-Seite und den Instagram-Kanal des Vereins. „Über die Sozialen Medien haben wir die Möglichkeit, die Erkrankung sichtbar zu machen, und uns mit
Gleichgesinnten zu verbinden“, erzählt Kavallar. Auf Facebook erreicht man die ältere Generation – dort haben auch komplexere Inhalte ihre Berechtigung. Die junge Generation ist auf Instagram vertreten und drückt sich mit Videos und Reels aus. Der Instagram-Kanal der Morbus-GaucherCommunity wird regelmäßiger bespielt als Facebook. „Für mich ist das Posten ein Hobby, an dem ich dranbleiben muss. Sobald ich einen oder zwei Tage nichts poste, werden die Likes schon weniger“, so Kavallar, die sehr achtsam mit Bildmaterial umgeht, das Betroffene zeigt.
Weltweiter Austausch und Vernetzung
Im Bereich der seltenen Erkrankungen bieten die Sozialen Medien somit eine wichtige Plattform für weltweiten Austausch und globale Vernetzung unter Betroffenen und Angehörigen. Besonders für Eltern, die oft durch Schuldgefühle belastet sind, weil sie ihren Kindern die Erkrankung vererbt haben, ist der Austausch mit anderen Eltern eine Erleichterung. Laut Kavallar verwenden Frauen diese Kommunikationswege häufiger als Männer. Junge Patient:innen suchen kaum den Austausch mit anderen Betroffenen. Diese Beobachtung macht auch Nadine Bösch. Ihre Tochter nutzt Instagram wenig, und wenn, dann nicht im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass sich junge Menschen in dieser Lebensphase nicht mit ihrer Krankheit auseinandersetzen möchten. Im Gegensatz zu ihrer Tochter ist Nadine Bösch auf Instagram sehr aktiv, würde jedoch niemals Fotos von ihrer Tochter posten. Instagram funktioniert für Bösch sehr gut in Bezug auf Selbsthilfe,
Vernetzung, Austausch und Informationen zu Medikamenten und Therapien bei HAE.
Apps für das Krankheitsmanagement
Einig sind sich Bösch, Kavallar und Nateqi darüber, dass die digitale Welt für Menschen mit einer seltenen Erkrankung eine immer größere Rolle spielt. Terminvereinbarung, Datentransfer, Vernetzung und ärztliche Konsultationen werden durch digitale Möglichkeiten einfacher. Apps für das Krankheitsmanagement kommen ebenso vermehrt zum Einsatz. Nadine Böschs Tochter verwendet die HAE-App intensiv zur Aufzeichnung von besonderen Symptomen oder Schwellungsattacken, zur Dokumentation und zur Terminerinnerung für ärztliche Besuche. Andrea Kavallar würde sich so eine App auch für Morbus-GaucherPatient:innen wünschen.
Digitale und analoge Verarbeitung der Krankheit
Nadine Bösch nutzt die digitale Welt auch, um unter einem Pseudonym über Krankheit und Schmerz zu schreiben. Mit „Der rote Faden“ veröffentlichte sie allerdings unter ihrem echten Namen ihre Familiengeschichte. Darin schreibt sie in einer lyrischen Form erstmals autobiografisch und sehr konkret über das Leben mit einer seltenen Erkrankung. Ganz abseits von der digitalen Welt schreibt Andrea Kavallar für ihre achtjährige Tochter ein Buch über den Verlauf der Erkrankung, das sie ihr schenken wird, wenn sie erwachsen ist. „Die Inhalte der digitalen Welt sind nicht für die Ewigkeit. Das Buch wird bleiben“, ist Kavallar zuversichtlich.
Mehr Info unter: www.morbusgaucher-oegg.at www.haeaustria.at





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Das Kurzdarmsyndrom aus drei Perspektiven
Das Kurzdarmsyndrom (KDS) fordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Welchen Stellenwert diese hat, beantworten eine Diätologin, ein Behandler und ein Betroffener.

Elisabeth Hütterer
Diätologin Med Uni Wien
Das KDS stellt eine komplexe medizinische Herausforderung dar, die den gesamten Körper betrifft und bei der ein erheblicher Teil des Dünndarms entfernt worden ist oder nicht richtig funktioniert. Die wichtigste grundlegende Therapieform ist dabei eine individuell angepasste Ernährung, da eine Mangelversorgung der Zellen komplexe Probleme auslösen und langfristig zu zahlreichen Folgeerkrankungen führen kann. Ein interdisziplinärer
Die Erkrankung reicht, je nach Schweregrad, von der intestinalen Insuffizienz bis hin zum intestinalen Versagen. Zu einem individuellen Behandlungsmanagement der Patient:innen gehören diätologische Beratung im Makro- und Mikronährstoffbereich, Flüssigkeitsmanagement sowie pharmakologische Therapien, um einerseits bzw. die Lebensqualität der Betroffenen zu maximieren und andererseits krankheitsbildspezifische Komplikationen sowie

Johannes Priebsch, BSc
Präsident Die Chronischen Experten
Das KDS weist ein hochkomplexes Krankheitsbild auf und ist in den meisten Fällen die direkte Folge einer Dünndarmresektion. Das Ziel der Behandlung des KDS liegt darin, die Nährstoffaufnahme zu maximieren und die künstliche Ernährung möglichst zu minimieren – sowie Symptome (Blähungen, Durchfall, Dehydratation etc.) zu lindern. Eine erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit (Chirurg:in, Gastroenterolog:in, Diätolog:in) unter Einbeziehung des/

Ansatz in der Therapie ist unerlässlich: Häufig beginnt die Erkrankung damit, dass Chirurg:innen abgestorbene oder schwer beschädigte Darmteile entfernen müssen, um Betroffenen primär das Überleben zu sichern. Weiters versuchen sie auch, vorübergehend ausgeschaltete Darmabschnitte wieder in Gang zu setzen. Gemeinsam mit Gastroenterolog:innen verordnen sie Medikamente, um die verbleibenden Darmzotten optimal bei der Aufnahme zu unterstützen.
die Mortalität zu minimieren. Zentralisierte und interdisziplinär geführte intestinale Rehabilitationsprogramme (IR) verbessern das Outcome für die Patient:innen, indem sie die Langzeitabhängigkeit der parenteralen Ernährung und Flüssigkeit reduzieren. Spezialisierte IR-Programme setzen auf einen Team-Approach, um die Patient:innenversorgung in spezialisierten Zentren zu koordinieren. Solche IR-Programme werden in der Regel in großen medizinischen
der Betroffenen selbst ist für den Therapieverlauf entscheidend. Als Betroffene:r ist es wichtig, sich kontinuierlich mit dem interdisziplinären Team auszutauschen. Die Schwierigkeit dabei ist die Überlegung, welche Expert:innen bei der Lösung eines konkreten Problems helfen können; und auch deren Erreichbarkeit.
Eine zentrale Rolle spielt daher die Patient:innenorganisation Die Chronischen Experten als Bindeglied zwischen Fachexpert:innen
Diätolog:innen berechnen den Bedarf für Ernährungsinfusionen, empfehlen Trinknahrungen sowie Nahrungsergänzungsmittel, besprechen Trink- und Essenspläne und überwachen mit Hilfe von Laborparametern den Nährstoffstatus. Eine wichtige Rolle kommt auch der Stomapflege zu. Und schließlich ist dabei auch die psychologische Unterstützung nicht zu vernachlässigen.
Einrichtungen etabliert, weil sie breite Diagnostik und MonitoringMöglichkeiten, pharmakologisches Management, Symptom- und Komplikationskontrolle, Ernährungsberatungsservice sowie unterstützende psychosoziale und edukative Anlaufstellen benötigen. Eine rationale, nahtlose und zeitnahe Kommunikation zwischen Patient:in, Patient:innen-Netzwerken, extramuralen Teams und dem IR-Zentrum ist notwendig für den Erfolg eines IR-Programms.
und Betroffenen. Sie bietet einen niederschwelligen Zugang zu Fachinformationen und verfügt darüber hinaus über die nötige Erfahrung, um Fragen zu beantworten und gegebenenfalls an die richtige Stelle weiterzuleiten. Praktisch umgesetzt wurde dieser Ansatz mit der KDS-Helpline. Sie bietet allen KDSBetroffenen und deren Angehörigen die Möglichkeit, niederschwellig und kostenfrei mit KDS-Expert:innen in Kontakt zu treten.


FOTO: AKH WIEN

Dr. Felix Harpain Facharzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie am AKH Wien, MUW
Weitere Informationen unter: www.chronisch.at

Mag. a Dr. in
Caroline Culen
Klinische und Gesundheitspsychologin
Geschäftsführung
Österreichische Liga für Kinderund Jugendgesundheit

Michaela Weigl
Geschäftsführerin
MPS Austria
Vom Kind zum Erwachsenen:
Transition ist mehr als „bei der einen Tür raus und bei der anderen rein“
Die medizinischen
Möglichkeiten im Bereich der seltenen Erkrankungen haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Dadurch gewinnen Betroffene an Lebensqualität und – in vielen Fällen – Lebenserwartung. Auch die Transition, also der Übergang von der pädiatrischen (Kinderheilkunde) in die Erwachsenenmedizin, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Weshalb ist der Übergang von der Pädiatrie in die erwachsenenmedizinische Betreuung für junge Menschen mit einer seltenen Erkrankung meist so herausfordernd?
Culen: Transition bedeutet auf sozialer Ebene Abschied nehmen von jenen Menschen, die lange begleitet haben. Gleichzeitig müssen die Patient:innen in der Erwachsenenmedizin nun neue Expert:innen für ihre Erkrankung finden. Im Gegensatz zur Kinderklinik sind diese nicht alle unter einem Dach zu finden. Es gibt also persönliche und strukturelle Hürden. Dazu kommt für junge Betroffene außerdem die Herausforderung des Erwachsenwerdens.
Weigl: Die Betreuung von Kindern erfolgt durch Pädiater:innen, die viel Wissen um die Erkrankung haben und so etwas wie Case-Manager:innen sind. Wenn diese Kinder dann als Jugendliche in die Erwachsenenmedizin wechseln, haben sie oft das Gefühl, plötzlich allein dazustehen.
Was bedeutet es für junge Erwachsene, wenn die Transition in die Erwachsenenmedizin nicht gelingt?
Weigl: Wenn Transition nicht gelingt,
kann dies bis zu Depressionen führen. Ich erlebe Patient:innen, die sich allein gelassen fühlen und überfordert sind. Es kommt zu einem Kontaktverlust zu den Ärzt:innen, aber auch zu Familie und Freunden. Wenn damit verbunden die Therapieadhärenz nicht mehr gegeben ist, verschlechtern sich Gesundheitszustand und Lebensqualität.
Welche Auswirkungen hat es auf das Gesundheitssystem, wenn diese jungen Menschen nicht in der Erwachsenenmedizin ankommen?
Culen: Für das Gesundheitssystem wird es teuer! Es kommt zu vermehrten Akutaufnahmen und Spitalsaufenthalten, weil sich gesundheitliche Komplikationen ergeben. Zusätzlich verschlechtert sich die Lebensqualität. Überforderung und Einsamkeit kommen dazu. Es können sich Ängste, depressive Verstimmungen bis hin zu manifesten Depressionen einstellen.
Welche Rolle übernehmen die Eltern bei der Transition?
Culen: Junge Menschen, die von ihren Eltern auf die Transition vorbereitet und begleitet worden sind, kommen besser in der Erwachsenenmedizin an. Sie haben bessere medizinische und psychische Werte. Die Familie spielt deshalb eine sehr wichtige Rolle, auf die sie jedoch vom System zu wenig vorbereitet wird. Standardisierte Transitionsprozesse und Unterlagen für die Eltern wären wünschenswert und erforderlich.
Wie sieht der ideale Transitionsprozess aus?
Weigl: Transition ist mehr als nur „bei
der einen Tür raus und bei der anderen rein“. Transition ist ein Prozess, für den es Zeit braucht. Es braucht Zeit für mehrere, auch fachübergreifende, Gespräche. Es sollten gemeinsame Termine mit Pädiater:in, Erwachsenenmediziner:in und Patient:in stattfinden, um schrittweise die Verantwortung zu übergeben. Außerdem sind nicht alle Patient:innen mit 18 Jahren bereit für die Transition. Auch darauf sollte Rücksicht genommen werden. Wie schon erwähnt, müssen darüber hinaus Patient:innen und Angehörige auf den Transitionsprozess vorbereitet werden. Unterstützende Angebote für junge Menschen wären beispielsweise Terminerinnerungen, die über eine App laufen könnten. Auch Selbsthilfegruppen bieten bei der Transition ein wichtige Anlaufstelle.
Welche Strukturen und Ressourcen braucht es für gelungene Transition?
Culen: Es muss den Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik bewusst sein, dass Transition Zeit und finanzielle Mittel braucht. Es braucht Personen, die sich für den Transitionsprozess verantwortlich fühlen. Diese können auch aus dem Pflegebereich kommen. Wichtig ist dabei ein Monitoring der Maßnahmen: Was hat gut funktioniert? Wo müssen wir noch nachbessern? Ein gut ausgearbeitetes Transitionskonzept sollte ein Qualitätsmerkmal einer Gesundheitseinrichtung sein.

Seltene Erkrankungen

Am 29. Februar ist TAG DER
TAKEDA UNTERSTÜTZT MENSCHEN MIT SELTENEN UND KOMPLEXEN ERKRANKUNGEN
Fünf Prozent der Weltbevölkerung leiden an Seltenen Erkrankungen.1 In Österreich sind 450.000 Menschen betroffen.2 Takeda unterstützt die Patient*innen von der Diagnose bis zur bestmöglichen Versorgung mit Therapien. Seit 70 Jahren entwickeln und produzieren wir in Österreich eine Vielzahl von hochinnovativen Arzneimitteln, um die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.
1 Global Genes. RARE Diseases: Facts and Statistics. Verfügbar unter: https://globalgenes.org/rare-disease-facts/ Letzter Zugriff: Februar 2024.
2 Dachverband Pro Rare Austria. Verfügbar unter: https://www.prorare-austria.org/pro-rare-austria/wer-wir-sind Letzter Zugriff: Februar 2024.
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