Esteban hat die seltene Erkrankung Friedreich Ataxie, doch er lässt sich nicht unterkriegen. Neben seinen Reisen rund um die Welt engagiert er sich auch für andere Betroffene.
Seite 04
NMD Community Day Vortragende der Veranstaltung sprechen über Forschung, Versorgung & Lebensqualität.
Seite 06–07
Leben mit Phosphatdiabetes
Sara Franke spricht über ein aktives Leben trotz Herausforderungen.
Seite 08
NMD Community Day 2024
Vortragende geben einen Überblick über die Inhalte der Veranstaltung.
Seltene Epilepsien
Online- Schulungen helfen Betroffenen und Angehörigen.
Hereditäres Angioödem (HAE) Warum es wichtig ist, dass Patient:innen am Ball bleiben.
Industry Manager Health: Kerstin Köckenbauer
Layout: Juraj Príkopa, Daniela Fruhwirth Lektorat: Sophie Müller, MA
Managing Director: Bob Roemké
Fotocredits: Außer anders angegeben bei Shutterstock
Medieninhaber: Mediaplanet GmbH • Bösendorferstraße 4/23 • 1010 Wien • ATU 64759844 • FN 322799f FG Wien
Distribution: Der Standard Verlagsgesellschaft m.b.H. Kontakt bei Mediaplanet: Tel: +43 676 847 785 115 E-Mail: kerstin.koeckenbauer@mediaplanet.com ET: 27.09.2024
Bleiben Sie in Kontakt:
Mediaplanet Austria mediaplanet.austria
Ungewöhnliche und unklare Symptome, keine ansprechende Therapie: Richtig handeln bei möglichen Anzeichen für eine seltene
EErkrankung
ine seltene Erkrankung (SE) bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie. Von einer seltenen Erkrankung spricht man gemäß europäischer Definition, wenn weniger als eine von 2.000 Personen das spezifische Krankheitsbild aufweisen. Rund fünf Prozent der Bevölkerung sind von einer SE betroffen – in Österreich rund 450.000 Menschen.
Versorgung zukommt und bestehende Expertise sichtbar gemacht und genützt wird. Gerade für ein vergleichsweise kleines Land wie Österreich ist die Teilhabe an internationalen Netzwerken bedeutend. Die spezialisierten Zentren für seltene Erkrankungen Österreichs sind Mitglieder bei allen 24 fachspezifischen Europäischen Referenznetzwerken (ERNs) – dadurch werden virtuelle europaweite Befundbesprechungen unter Spezialist:innen möglich.
Nützliches Wissen
• Es gibt mehr als 6.000 seltene Erkrankungen.
Eine Diagnose unklarer Symptome ist in jedem Fall wichtig, um eine passende Therapie zu finden und die Situation von betroffenen Menschen zu verbessern. Seltene Erkrankungen können sich neben den gesundheitlichen Beschwerden und Risiken auf alle Bereiche des Alltags und des gesellschaftlichen Lebens auswirken und so große psychische Herausforderungen darstellen. Die geringe Häufigkeit der Erkrankungen führt dazu, dass medizinisches Fachwissen, Versorgungsangebot und auch Forschung begrenzt sind. Durchschnittlich dauert es daher mehr als fünf Jahre bis zur richtigen Diagnose.
• Eine Erkrankung gilt als selten, wenn sie weniger als eine Person von 2.000 betrifft.
• Selten und doch viele: Rund 450.000 Menschen in Österreich (rund fünf %) sind von einer seltenen Erkrankung betroffen.
Wen kontaktiert man bei unerklärlichen chronischen Symptomen? Die erste Anlaufstelle ist meist die Allgemeinmedizin oder ein:e Fachärztin/Facharzt. Als zentrale Aspekte gelten das rasche Erkennen von ungewöhnlichen Symptomen, das Out-of-the-Box-Denken dieser Ärzt:innen und ihr Wissen über spezialisierte Angebote wie Expertisezentren für SE. Im Bedarfsfall sollte durch niedergelassene (Fach-)Ärzt:innen der Kontakt zu einem spezialisierten Zentrum hergestellt werden. Expertisezentren sind zentrale, hochspezialisierte klinische Einrichtungen für definierte Gruppen von seltenen Erkrankungen. Dort erfolgen vor allem Erstdiagnostik und Therapieeinstellung, aber auch Kontrolluntersuchungen. Die Zentren ersetzen nicht die medizinische Grundversorgung, sie sind dafür da, dass Menschen mit seltenen Erkrankungen eine optimale
Hilfreiche Links:
www.prorare-austria.org
Wissensvermittlung
Das Wissen über seltene Erkrankungen und ebenso die Wissensvermittlung nehmen eine wichtige Rolle ein –mehr Wissen bedeutet höhere Gesundheitskompetenz in der Gesellschaft. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet der „International Rare Disease Day“, der seit 2008 jedes Jahr am letzten Tag im Februar stattfindet. Die breite Öffentlichkeit und Vertreter:innen von Politik, Industrie, Forschung und Gesundheitswesen werden mit vielen Aktionen auf das Thema aufmerksam gemacht.
Auch für Menschen, die Informationen zu seltenen Erkrankungen benötigen, wird eine wichtige Anlaufstelle geboten. Sie werden auch bei der Suche nach medizinischen Ansprechpersonen unterstützt sowie an krankheitsspezifische Selbsthilfegruppen vermittelt. Der Verband organisiert außerdem jedes Jahr ein „Vernetzungstreffen“ für Betroffene einer seltenen Erkrankung und alle am Thema Interessierten. Bestens etabliert hat sich mittlerweile auch der Österreichische Kongress für Seltene Erkrankungen, der sowohl Fachpublikum als auch Lai:innen bzw. Betroffene einer SE anspricht und eine interdisziplinäre Diskussionsplattform darstellt.
Pro Rare Austria stellt auf österreichischer Ebene eine gemeinsame starke Stimme für aktuell mehr als 100 Selbsthilfegruppen und Patient:innenorganisationen dar. Der Dachverband bringt ihre Anliegen in die politische Arbeit sowie in die Projekte und Kooperationen des Verbands ein, um Verbesserungen für die Betroffenen zu erzielen.
Seltene Erkrankungen sollen besser und frühzeitig diagnostiziert und erforscht und Patient:innen bestmöglich versorgt werden – durch die Stärkung von Bewusstsein und Expertise, durch Vernetzung und den Ausbau bestehender Strukturen. Unser Ziel ist ein gleichberechtigtes Leben in der Mitte der Gesellschaft für alle Menschen mit einer seltenen Erkrankung.
Plötzliche Schwellungen im Gesicht, im Hals, an den Gliedmaßen und Bauchschmerzattacken können die seltene Erkrankung
Hereditäres Angioödem (HAE) sein.
Du weisst nicht, ob du HAE hast? Du hast schon eine Diagnose und fragst dich, wie es jetzt weitergeht?
HAEllo zum Leben – eine Initiative der BioCryst Pharma GmbH
Weitere Informationen unter www.haellozumleben.at sowie auf Facebook und Instagram @haellozumleben
Ulrike Holzer Obfrau Pro Rare Austria
Mit einer seltenen Erkrankung umgehen lernen – von der Diagnose bis in den Alltag
Die Diagnose „seltene Erkrankung“ löst bei vielen Patient:innen im ersten Moment unterschiedlichste Gefühle aus. Um mit Angst, Stigmatisierung und Exklusion umgehen zu können, helfen einfühlsame Kommunikation, Selbsthilfegruppen und emotionale Unterstützung durch Angehörige. Was hier zu beachten ist, erklärt Caroline Culen im Interview.
Text Redaktion
Klinische und Gesundheitspsychologin, Geschäftsführung Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit
Welche psychischen Herausforderungen erleben Menschen mit seltenen Erkrankungen, die nicht heilbar sind? Menschen, die mit einer seltenen und unheilbaren Erkrankung diagnostiziert werden, erleben oft intensive psychische Belastungen. Dazu gehören Ängste, Verzweiflung, das Gefühl des Kontrollverlusts und die Sorge vor sozialer Isolation. Diese Belastungen erhöhen u. a. das Risiko für Depressionen oder Essstörungen.
Wie unterscheiden sich psychische Belastungen bei Patient:innen mit seltenen Erkrankungen von denen bei Patient:innen mit häufigeren Krankheiten?
Bei seltenen Erkrankungen fühlen sich Betroffene oft allein und unverstanden. Sie müssen sich mit Stigmatisierung und Exklusion auseinandersetzen, besonders in Schulen oder am Arbeitsplatz, aber auch in der Freizeit. Obwohl die medizinische Versorgung besser wird und die Lebenserwartung steigt, bleiben Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe zentrale Herausforderungen.
Welche psychologischen Interventionen haben sich als besonders wirksam erwiesen, um Patient:innen mit seltenen chronischen Erkrankungen zu unterstützen?
Psychologische Betreuung ist in allen Phasen der Erkrankung wichtig. Sie hilft, emotionale Reaktionen zu verarbeiten, die Lebensqualität zu erhalten und die Anpassung an neue Lebensumstände zu erleichtern. Durch kontinuierliche Unterstützung können Rückschritte in der Krankheitsbewältigung verhindert werden. Resilienz wird durch psychologische Unterstützung, Selbstfürsorge, ein starkes soziales Netzwerk und das Finden von Sinn im Leben gefördert. Leider sind kostenfreie psychologische Angebote immer noch nicht selbstverständlich.
Wie können Angehörige und das Umfeld der Betroffenen am besten unterstützen, um die psychische Belastung zu mindern?
Angehörige können ein stabiles, unterstützendes Umfeld bieten, indem sie zuhören, bei praktischen Herausforderungen helfen und das soziale Leben der Betroffenen fördern. Wichtig zu betonen: Auch das Leben von Familienangehörigen und Freundeskreis wird durch die Diagnose einer seltenen Erkrankung auf den Kopf gestellt. Deshalb sollten auch sie Unterstützung annehmen, um eine Überlastung
zu vermeiden. Selbsthilfegruppen beispielsweise bieten Gemeinschaft, Verständnis und gegenseitige Unterstützung. Zudem betreiben sie gemeinsam Öffentlichkeitsarbeit und politische Vertretung.
Welche Rolle spielt der Zugang zu Informationen und Unterstützung bei der Bewältigung von psychischen Belastungen durch eine seltene Erkrankung? Betroffene und ihre Familien brauchen Zugang zu klaren, verständlichen Informationen über die Erkrankung, zu Behandlungsmöglichkeiten sowie zu emotionaler und sozialer Unterstützung. Dies ist entscheidend für die Bewältigung psychischer Belastungen.
Wie sieht die Krankheitsbewältigung bei chronischen und seltenen Erkrankungen aus?
Eine Diagnose ist ein kritisches Lebensereignis, das oft widersprüchliche Gefühle wie Angst, Verwirrung und Trauer auslöst. Oft ist sie nach jahrelanger Suche nach Erklärungen für bestimmte Symptome oder Beschwerden auch eine Erleichterung. Die Lebensqualität der Betroffenen wird von den Einschränkungen im Alltag und der akuten Gesundheitsbedrohung beeinflusst. Die Verarbeitung der Diagnose ist ein dynamischer Prozess mit Fort- und Rückschritten, der im besten Fall zur Akzeptanz der Erkrankung und einem bewussten Umgang mit ihr führt.
Die Diagnoseübermittlung ist oft auch für das medizinische Team eine Herausforderung. Was bedeutet sie jedoch für die Patient:innen? So gut wie alle Patient:innen erinnern sich an den Moment der Diagnoseübermittlung. Momente, die starke Gefühle auslösen, brennen sich in unser Gedächtnis ein. Die Art und Weise, wie eine Diagnose überbracht wird, ist oft entscheidend für den weiteren Umgang mit der Erkrankung. Mediziner:innen oder Psycholog:innen sollten sich ihrer eigenen Erwartungen und Befürchtungen bewusst sein und sicherstellen, dass sie alle wichtigen Informationen vermitteln. Außerdem muss den Betroffenen Raum für ihre Gefühle gegeben werden.
Wie kann ein Diagnosegespräch konkret ablaufen?
Ein einfühlsames und respektvolles Gespräch kann den ersten Schock abmildern und Sicherheit vermitteln. Wichtige Punkte sind eine ruhige, klare Kommunikation, Konzentration auf die wichtigsten
Informationen, Berücksichtigung der emotionalen Belastung der Betroffenen, genügend Zeit für Fragen und emotionale Reaktionen und die Unterstützung durch Ansprechpersonen wie Psycholog:innen oder Sozialarbeiter:innen.
Es gibt seltene Erkrankungen, die fortschreitend sind. Wie können Patient:innen lernen, mit dem Gedanken umzugehen, dass sich ihr Zustand möglicherweise trotz Therapie verschlechtern wird? Betroffene können lernen, mit einer möglichen Verschlechterung ihres Zustands umzugehen, indem sie sich auf das konzentrieren, was sie kontrollieren können, z. B. ihre tägliche Routine. Psychosoziale Begleitung hilft dabei, sich anzupassen, mit Traurigkeit und Angst umzugehen, neue Lebensziele zu definieren und persönliche Stärken zu nutzen. So wie die persönliche Lebenssituation und Krankheitsgeschichte individuell ist, so ist auch die Art, wie mit ihr umgegangen wird. Den Kindern und Jugendlichen geben wir oft mit: es gibt nur einen richtigen Weg, und zwar deinen Weg.
SAVE THE DATE: Kinderliga-Tagung
Weitere Informationen finden Sie unter kinderjugendgesundheit.at
Buchtipp für Eltern betroffener Kinder, Pädagog:innen, medizinisches Fachpersonal und alle Interessierten.
Nicola Sommer / Erwin Ditsios (Hrsg.) Schule und chronische Erkrankungen. Grundlagen, Herausforderungen und Teilhabe 2022. 160 Seiten, kartoniert
ISBN 978-3-7815-2513-9
Mag.a Dr.in Caroline Culen
Esteban, wie und wann kam es zu deiner Diagnose?
Ich war Ballsportler, spielte vor allem Basketball und trainierte jeden Tag. Mit 16, 17 merkte ich, dass etwas nicht stimmt: Hochspringen und Ballfangen – beides essenziell für das Körbe werfen – wurden schwieriger. Ich trainierte wie ein Berserker, das brachte aber nichts. Im Gegenteil: Ich wurde schlechter und ermüdete schneller. Und fragte mich: Was ist los mit mir? Ich suchte viele Ärzt:innen auf, ohne Erfolg. Erst kurz vor meinem 23. Geburtstag erhielt ich die Diagnose: Friedreich Ataxie. Davon hatte ich noch nie gehört.
Friedreich Ataxie – welche Erkrankung ist das?
Friedreich Ataxie ist eine seltene, bislang unheilbare und genetisch bedingte, also vererbbare Krankheit. Das verursachende Gen wurde erst 1996 bestimmt. Friedreich Ataxie beeinträchtigt mehrere Körperfunktionen, darunter den Ablauf von Bewegungen – auch Augen-, Zungen- und Schluckbewegungen – und das Gleichgewicht. Betroffene schwanken und torkeln mitunter durch die Gegend und lallen noch dazu. Das finden gesunde Mitmenschen meist abstoßend: Da sie nichts von der Erkrankung wissen, stempeln sie uns voreilig als ‚besoffen‘ ab, und gehen eher auf Distanz, anstatt Hilfe anzubieten. Bei mir nahm die Krankheit ihren Lauf, sie beeinträchtigte mich immer mehr: Ich bekam Probleme mit der Sicht, verlor teils die Orientierung in der Dämmerung. Meine Muskeln wurden schwächer. Das ging mir ans Gemüt. Ich fühlte mich immer einsamer und fiel in ein tiefes Loch. Es dauerte drei Jahre, um da wieder rauszukommen. Mit 27 Jahren brauchte ich einen Rollstuhl, anfangs nur sporadisch, doch schon bald ständig. Das war für mich aber kein Problem, ich hatte mein Schicksal inzwischen akzeptiert.
„Bleibt am Ball!“ – Leben mit Friedreich Ataxie
Der heute 48-jährige Esteban erhielt mit 22 die Diagnose Friedreich Ataxie. Die Krankheit brachte den einstigen Basketballer mit 27 in den Rollstuhl. Wie Esteban mithilfe seiner acht persönlichen Assistent:innen den Alltag meistert, die Welt bereist und sich für andere Betroffene engagiert, lesen Sie hier.
Wie gelang dir das?
Meine Eltern hatten beide Kinderlähmung. Sie zeigten mir, dass das Leben auch mit körperlicher Beeinträchtigung schön ist. Irgendwann sagte ich mir: „Esteban, das kann‘s noch nicht gewesen sein – das Leben hält noch mehr für dich bereit!“ Und so suchte ich mir meinen Weg zurück ins Leben.
Wie veränderte die Erkrankung dein Leben?
Früher ging ich davon aus, dass mich der Sport durchs Leben tragen wird. Ich träumte von einer Karriere als Basketballspieler und -trainer in Spanien. Die Krankheit machte mir hier einen Strich durch die Rechnung. Zirka fünf Jahre machte ich zwar im Rollstuhl noch Leichtathletik –aber dann ging auch das nicht mehr. Heute spiele ich Boccia mit Bällen, um meine Hand-Augen-Koordination zu trainieren. Regelmäßige Bewegung tut mir mit meiner Krankheit nach wie vor gut.
Meinen Traum vom Reisen habe ich mir von der Krankheit nicht nehmen lassen. Ich besuchte China, die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und mehrere Male meine Familie in Argentinien. Der Rollstuhl war mir unterwegs nie ein Hindernis, die Reiseassistenz eine wichtige Stütze.
Wie lebst du heute? Die Krankheit schreitet fort. Seit zwölf Jahren brauche ich eine persönliche Assistenz, um meinen Alltag zu bewältigen. Morgens hilft sie mir beim Aufstehen, Anziehen, Zähne putzen und Frühstück machen. Vormittags habe ich oft Therapien außer Haus oder trainiere daheim. Mittags kommt die zweite Assistenz, die mein Essen zubereitet und mir zum Mittagsschlaf ins Bett hilft – ohne den geht es seit fünf, sechs Jahren nicht mehr. Nachmittags hilft mir die dritte Assistenz aus dem Bett und ich unternehme viel mit ihr außer Haus. Ich treffe
Selbsthilfegruppe Friedreich
Ataxie Austria (FAu)
Infos & Kontakt
Für alle Betroffenen, Angehörigen, Freunde, Interessierten und Mediziner:innen:
Estebans Geschichte als Buch: „Aufgeben, was ist das?“ www.ennsthaler.at/item/25474202
meine Familie, pflege Freundschaften. Abends gegen neun Uhr hilft mir die vierte Assistenz ins Bett. Meine Assistent:innen sind für mich inzwischen genauso wichtig wie meine Familie. Wir sind auf derselben Wellenlänge, absolut ehrlich und direkt miteinander. Das ist wichtig, da ich von diesen Menschen abhänge. Für Notfälle in der assistenzlosen Zeit habe ich zum Glück hilfsbereite Nachbar:innen, die ich jederzeit telefonisch erreiche.
Du engagierst dich für andere Betroffene. Was rätst du ihnen für mehr Akzeptanz der Erkrankung und einen unbeschwerten Umgang?
Anfang 2023 gründeten wir die österreichische Selbsthilfegruppe für Menschen mit Friedreich Ataxie. Wir informieren Betroffene, ihr Umfeld und Mediziner:innen. Wir bringen Betroffene in Österreich und international zusammen, damit sie sich austauschen und gegenseitig Tipps geben können. Mein Rat an Friedreich-AtaxiePatient:innen und alle, die an einer seltenen Krankheit leiden: Zieht euch nicht zurück, das macht einsam. Bleibt am Ball, am Ball sind wir gut!
Was wünschst du dir für die Zukunft? Es gibt seit Neustem ein Medikament, das den Fortschritt von Friedreich Ataxie bremst. Mein allergrößter Wunsch ist, dass alle Betroffenen Zugang dazu bekommen.
Esteban, 48 Jahre
Wenn der Kopf will, aber die Muskeln nicht mehr können
Dr. Ivan Milenkovic ist Facharzt für Neurologie an der Universitätsklinik der Medizinischen Universität Wien und Experte für Ataxien und seltene Erkrankungen. Im Interview klärt er über die Ursachen von Friedreich Ataxie (FA) und mögliche Verläufe auf. Zudem spricht er über den unbändigen Lebenswillen seiner FA-Patient:innen.
Dr. Ivan Milenkovic, PhD
Facharzt für Neurologie an der Universitätsklinik der Medizinischen Universität Wien
Was passiert bei Friedreich Ataxie im Körper?
Friedreich Ataxie ist eine seltene neurologische Erkrankung. Die Prävalenz in Europa folgt einem West-Ost-Gefälle. In Österreich liegt die Zahl der Betroffenen schätzungsweise im niedrigen Hunderterbereich. In ihrer klassischen Form zeigt sich die Erkrankung vor dem 25. Lebensjahr, in den meisten Fällen bereits im Kindesalter zwischen 6 und 12 Jahren. Meist fallen Koordinationsprobleme, Gangstörungen und Stolpern auf: beim Laufen, Stiegen steigen oder Sport. Im Verlauf gehen die Symptome auf die oberen Extremitäten über; und Betroffene entwickeln eine Sprechstörung. Die klassische Form der Erkrankung geht mit internistischen Symptomen wie Zuckerkrankheit, Fettstoffwechselstörungen oder Herzproblemen einher. Herzprobleme sind bei Kindern nicht selten das erste Symptom. Es gibt auch eine Variante der Friedreich Ataxie mit spätem Beginn: Sie zeigt sich bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen oft anhand eines Torkelns, das man von Betrunkenen kennt. Es entsteht durch Störungen beim Übertragen von Signalen über das Rückenmark zu den Hirnzentren. Die Folge sind Fehlinformationen zur Position der Gliedmaßen, Gleichgewichtsstörungen und Schwindel. Hinzu kommen aufgrund zunehmender Muskelschwäche auch Sprech- und Schluckprobleme. Die Betroffenen lallen deshalb teils auffällig. Tritt die Krankheit erst im höheren Alter (40+ Jahre) auf, sind häufig auch Spastiken zu beobachten. Im Zeitalter der häufig verfügbaren genetischen Testung entdecken wir immer öfter solche Fälle, die sonst verkannt bleiben würden.
Was ist die Ursache von Friedreich Ataxie?
Friedreich Ataxie ist genetisch bedingt. Sie wird autosomal rezessiv und geschlechtsunabhängig vererbt. Das heißt: Die Eltern von Betroffenen sind beide Träger:innen von genetisch verändertem Material (sogenannte Allele). Hier sind es Varianten des Gens Frataxin (FXN) mit überdurchschnittlich mehr sogenannten Triplettrepeatverlängerungen. In dieser Konstellation besteht bei jedem Kind eine 25 %-ige Wahrscheinlichkeit, an Friedreich Ataxie zu erkranken, wenn es das defekte Allel beider Elternteile erbt. Die Eltern selbst sind als reine Mutationsträger:innen nicht von der Erkrankung betroffen.
Wie behandeln Sie Friedreich Ataxie?
Die Erkrankung ist noch nicht heilbar, aber: Es gibt Behandlungsmöglichkeiten, die den
Fortschritt der Friedreich Ataxie zu bremsen vermögen. Deshalb ist es so wichtig, die Erkrankung möglichst früh zu diagnostizieren und zu behandeln. Denn bereits vorhandene Schäden und ihre Folgen sind nicht wiedergutzumachen. Der Nachweis der Erkrankung ist mit einem Bluttest vergleichsweise einfach und schnell durchgeführt. Die Zahl der dabei festgestellten Repeats lässt zudem eine Prognose für den weiteren Verlauf der Erkrankung zu. Bis dato haben wir FA-Betroffene nur symptomatisch behandelt: mit Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. Diese Maßnahmen bleiben nach wie vor wichtig, denn sie sind maßgeblich dafür, dass FA-Betroffene wichtige Körperfunktionen trainieren und somit aufrechterhalten. Hinzu kommen Therapien für die weiteren Erkrankungen, die mit Friedreich Ataxie einhergehen, wie etwa die Zuckerkrankheit.
Verläuft die Krankheit bei allen Patient:innen gleich? Friedreich Ataxie verläuft individuell, da sie vom Ausmaß der genetischen Defekte abhängt. Es gilt: Je mehr der erwähnten Repeats vorliegen, desto früher tritt die Friedreich Ataxie auf und desto schwerer ist der zu erwartende Verlauf der Erkrankung. Beim klassischen Verlauf mit frühem Krankheitsausbruch treten – anders als beim späteren Beginn – nicht nur Bewegungsstörungen, sondern auch oft eine Herzmuskelschwäche sowie Herzrhythmusstörungen auf, die die Lebenserwartung deutlich verkürzen können. Die immer stärker werdende allgemeine Muskelschwäche zwingt alle Patient:innen früher oder später in den Rollstuhl. Das ist insofern tragisch, als dass die Betroffenen keine kognitiven Probleme haben, körperlich aber zunehmend Hilfe brauchen.
Wie wird die Lebensqualität von Friedreich Ataxie beeinflusst? Die Krankheit schränkt die körperliche Funktionalität zunehmend ein. Ich erlebe meine Patient:innen dennoch als hochmotiviert: Sie geben nicht auf, sie lernen, studieren und arbeiten. Sie wollen am Leben teilhaben. Sie sind darüber hinaus sehr an neuen Studienergebnissen interessiert und verfolgen diese aktiv. Ich sehe aber auch, dass gerade im beruflichen Umfeld noch viel getan werden muss, um diesen
Menschen Arbeit zu bieten, die sie tatsächlich ausüben können. Oft fehlt es hier an Flexibilität seitens der Arbeitgeber:innen. Wir als Gesellschaft sind dafür verantwortlich, Menschen mit seltenen Erkrankungen im beruflichen und sozialen Leben miteinzubeziehen. Diese Inklusion muss auf Augenhöhe stattfinden, um Betroffenen das Gefühl von Wertschätzung als Teil einer Gemeinschaft zu vermitteln. An wen können sich Betroffene in Österreich wenden? Erste Anlaufstelle sind oft Hausärzt:innen oder Kinderärzt:innen. Beim begründeten Verdacht auf eine neurologische Erkrankung findet eine Überweisung zu Fachärzt:innen für Neurologie statt. Wichtig ist dann jedenfalls die Überweisung der Patient:innen an ein Expertisezentrum, da dort schnell und unkompliziert eine umfassende Diagnostik durchgeführt werden kann. Nur so können lange Wartezeiten auf eine Diagnose sowie auf eine entsprechenden Therapie wesentlich verkürzt werden. Auch die österreichische Selbsthilfegruppe für Friedreich Ataxie ist sehr gut aufgestellt: Sie vernetzt und hilft Betroffenen weiter, an die richtigen Expert:innen vermittelt zu werden.
Mit freundlicher Unterstützung von Roche
Dietlind Hebestreit
Obfrau Selbsthilfegruppe Verein Marathon
1) Die Schulbildung ist gut. Hilfsmittel verbessern den Zugang zu Freizeitaktivitäten. Der Einschnitt kommt meistens mit Ende der Schulzeit, denn danach sitzen die jungen Erwachsenen wieder daheim bei den Eltern.
2) Es sollte sich für Arbeitgeber:innen lohnen, Menschen mit Behinderung anzustellen. Es muss das Solidaritätsprinzip gelten.
3) Deshalb muss unser Verein lauter werden – wir dürfen uns nicht mehr mit Minimalanforderungen begnügen.
4) Ich fand es wunderbar, dass es auch einmal um vergnügliche Dinge des Lebens ging: Sport und Spiel, Urlaub und Ernährung.
1) Die Versorgungssituation in Österreich mag auf den ersten Blick „gut“ erscheinen. Es existieren jedoch tägliche Herausforderungen und vor allem radikale Unterschiede in den einzelnen Bundesländern.
2) Es muss eine direkte Einbindung der betroffenen Gruppen geben; und das Ermöglichen von Therapien, die die Lebensqualität von Muskelkranken verbessern.
3) Wir leisten Community-Arbeit und stehen jederzeit für einen Erfahrungsaustausch zur Verfügung – auch, um zu zeigen, dass viele Dinge mit einer Muskelerkrankung möglich sind.
4) Diese Veranstaltung ist für die Community nicht mehr wegzudenken. Das Programm mit neuen Inputs und direktem Austausch ist sehr vielfältig.
Diethard Govekar
Vorsitzender des „Kompetenz Gremiums Rollstuhlsport“ (KG R) im Österreichischen Behindertensport Verband (ÖBSV)
1) Die Situation wird nur langsam besser. Muskelerkrankungen sind – noch – nicht im Fokus der Öffentlichkeit.
2) Deshalb muss mehr Öffentlichkeitsarbeit durch den Gesetzgeber, die Sozialverbände und vor allem auch die Politik betrieben werden, um mehr Akzeptanz zu erreichen.
3) Der ÖBSV, speziell das Kompetenz Gremium Rollstuhlsport bietet flächendeckend in Österreich Bewegungsangebote (und nicht nur im Leistungssport) für Menschen mit Muskelerkrankungen an.
4) Die Veranstaltung bietet Menschen mit Muskelerkrankungen viele Angebote und Informationen. Doch auch NichtBetroffene sollten sie für Wissensgewinn besuchen.
Rudolf Kravanja Präsident ÖZIV BUNDESVERBAND für Menschen mit Behinderungen
NMD Community Day 2024: Information, Austausch und Vernetzung bei neuromuskulären Erkrankungen (NMD)
Am 31. August 2024 lud Roche zum dritten Mal Menschen mit einer Muskelerkrankung und deren Angehörige sowie Health Care Professionals nach Wien ein. Praxisnahe Vorträge, Austausch und Vernetzung standen im Fokus des NMD Community Days. Wir stellten den Vortragenden und Roche als Veranstalter Fragen zum aktuellen Forschungs- und Versorgungsstand und den noch notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität von Muskelkranken und deren Familien.
Die vier Fragen an die Vortragenden lauteten wie folgt:
1) Wie nehmen Sie die Situation in Österreich für Menschen mit einer Muskelerkrankung wahr, wenn es um die Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen geht?
2) Welche Verbesserungen würden Sie sich diesbezüglich wünschen?
3) Was kann Ihre Organisation konkret beitragen, um die Möglichkeiten zur Teilhabe und die Lebensqualität von Muskelkranken und deren Angehörigen zu verbessern?
4) Was nehmen Sie vom NMD Community Day mit?
1) Wie bei vielen Menschen mit Behinderungen sind gelebte Inklusion und Barrierefreiheit ein großes Thema.
2) Wir wünschen uns Verbesserungen in der barrierefreien Infrastruktur, inklusive Bildung, einen inklusiven Arbeitsmarkt, flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten sowie angepasste Arbeitsplätze.
3) Wir setzen uns auf allen Ebenen stetig für Verbesserungen ein, um ein selbstbestimmtes Leben und eine bessere Lebensqualität für Menschen mit Behinderungen zu schaffen.
4) Wir durften Menschen kennenlernen, die ihre Bedarfe kennen und selbstbewusst ihr Leben meistern. Unsere Bemühungen decken sich weitgehend mit den Forderungen und Wünschen der Betroffenen.
1) Die Teilhabe von Menschen mit Muskelerkrankungen ist oft eingeschränkt. Barrierefreiheit, soziale Integration und spezialisierte Versorgung sind verbesserungswürdig.
2) Ich wünsche mir daher mehr Sensibilisierung in der Gesellschaft, bessere finanzielle Unterstützung und flächendeckende, spezialisierte Angebote zur Rehabilitation und Ernährungstherapie.
3) Wir fördern individuelle Ernährungsberatung und interdisziplinäre Zusammenarbeit, um die Lebensqualität von Betroffenen und deren Angehörigen zu steigern.
4) Der Austausch mit Betroffenen und Fachleuten hat die Bedeutung von Vernetzung und gezielter Unterstützung verdeutlicht.
1) Vieles ist im öffentlichen Raum nicht barrierefrei; und gesellschaftlich gesehen ist seit Längerem ein großer Egoismus zu erkennen.
2) Es bedarf mehr Sensibilisierung in der Gesellschaft, mehr Sichtbarkeit – für mehr Verständnis. Es braucht ein Zusammenwirken von Selbsthilfe, Politik und Interessenvertretungen.
3) Wir sind die größte Interessenvertretung für Menschen mit chronischen Erkrankungen in Österreich. Nur, wenn alle gemeinsam zusammenwirken, wird es auch im praktischen Alltag von Betroffenen zu Verbesserungen kommen.
4) Ich nehme konkretere Informationen zu NMD und eine gute Vernetzung zu anderen Organisationen mit.
Jürgen E. Holzinger Gründer und Obmann von ChronischKrank Österreich
Pınar Uçar Diätologin
1) Obwohl sich die Situation in den letzten Jahrzehnten verbessert hat, gibt es noch viel Luft nach oben!
2) Ich wünsche mir die zeitnahe Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention, einschließlich einer lückenlosen Versorgung mit persönlicher Assistenz und assistiven Technologien.
3) Wir arbeiten an innovativen, individuell anpassbaren technischen Assistenzsystemen, etwa zur Steuerung von Computern oder zur Unterstützung von Kommunikation, die kostengünstig nutzbar sind.
4) Ich nehme ein gutes Gefühl dank der persönlichen Begegnungen mit, interessante Einblicke in andere Initiativen und viel positive Energie für weitere Projekte.
Das sagt der Veranstalter ...
1) Was hat Roche dazu bewogen, den NMD Community Day ins Leben zu rufen? Obwohl jede neuromuskuläre Erkrankung einzigartig ist, sind viele Themen übergreifend. Vernetzung gepaart mit Information ergibt Wissen. Und das wiederum führt zu Betroffenen, die in ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Teilhabe gestärkt sind.
2) Welche Verbesserungen würden Sie sich für Menschen mit einer Muskelerkrankung wünschen?
Es muss österreichweit ein einheitlicher Zugang zu Therapien und anderen Unterstützungsmaßnahmen geschaffen werden. Außerdem wünsche ich mir mehr Bewusstseinsbildung und eine Entstigmatisierung von Betroffenen.
3) Was kann Ihre Organisation konkret beitragen, um die Möglichkeiten zur Teilhabe und die Lebensqualität für Muskelkranke und deren Angehörige zu verbessern?
Wir treiben neuromuskuläre Erkrankungen als Forschungsschwerpunkt, d. h. Therapieentwicklungen voran; damit können wir langfristig die Lebensqualität Betroffener verbessern. Darüber hinaus besteht ein reger Austausch bzw. die Mitsprache von Betroffenen. Ganz wichtig ist auch, Awareness in der Öffentlichkeit zu schaffen.
4) Was nehmen Sie vom NMD Community Day mit?
Das Feedback der Community als Basis für den NMD Community Day am 30.8.2025 ist entscheidend für uns.
Milan Partenijević Key Account Manager DACH bei tobiidynavox
1) Es gibt viele Möglichkeiten der Unterstützung. Es mangelt jedoch an der finanziellen Hilfe. Viele Betroffene sind auf sich allein gestellt. Die finanzielle Unterstützung ist in den Bundesländern unterschiedlich.
2) Das heißt, ich wünsche mir bessere und einheitlichere Finanzierung.
3) Mit dem Tobii Dynavox Produktportfolio und unserer gesundheitsökonomischen Studie zeigen wir die Vorteile der Hightech-Nutzung von dedizierten Hilfsmitteln für die unterstützte Kommunikation.
4) Ich war positiv überrascht vom NMD Community Day und finde es großartig, dass Roche mit dieser Veranstaltung die Awareness fördert.
Kevin Maier Gründer und Geschäftsführer „Freizeit FreiSein – barrierefreies Reisen“
1) Es gibt bereits zahlreiche Leistungen, Angebote und Veranstaltungen für Betroffene. Aber es ist noch einiges zu tun …
2) Es müssen flächendeckende Angebote und Möglichkeiten für Menschen mit einer Muskelerkrankung geschaffen werden.
3) Als spezialisiertes Reisebüro für barrierefreies und rollstuhlgerechtes Reisen sind wir stets bestrebt, neue Unterkünfte, Freizeitangebote und Hilfsmittel an den jeweiligen Reisezielen zu organisieren und diese unseren Kund:innen anzubieten.
4) Es war eine großartige Erfahrung, dieses Jahr als Vortragender dabei zu sein und die beeindruckende Veranstaltung aus erster Hand zu erleben.
Stephanie Schremmer Patient Community Partner Roche Austria GmbH
Leben mit Phosphatdiabetes –„Gestalten statt hinnehmen“
Die x-chromosomale Hypophosphatämie (kurz XLH) ist eine seltene Störung des Knochenstoffwechsels. Die Mutation, die XLH hervorruft, kann vererbt werden oder als spontane Mutation auftreten, was die Diagnose erschweren kann. XLH führt zu einem Phosphatmangel, weshalb die Erkrankung auch die Bezeichnung Phosphatdiabetes trägt. Auch wenn die Erkrankung entdeckt und behandelt wird, leiden Betroffene unter ihren Folgen. Dazu zählen unter anderem starke Schmerzen, enorme Bewegungseinschränkungen und häufige Knochenbrüche. Wir sprachen mit Sara Franke über ihr Leben mit der Erkrankung.
Sara Franke
Betroffene
Frau Franke, Sie leiden an XLH. Wann und wie hat sich die Erkrankung bei Ihnen geäußert, und gibt es in Ihrer Familie weitere Betroffene?
kung im Zusammenhang stehen? In meiner Kindheit kämpfte ich mit Zahnabszessen und den Einschränkungen durch O-Beine. Aber unsere Familie lebte immer nach dem Motto: Jeder gestaltet sein Leben so gut wie möglich. In meiner Jugend führten Operationen zur Korrektur der Beine und weitere Eingriffe zu vielen Fehlzeiten in der Schule. Das auffällige Äußere und der veränderte Gang sorgten oft für abschätzende Blicke und Stigmatisierung. Es war sehr schwer, als „behindert“ abgestempelt und in meinen Fähigkeiten unterschätzt zu werden, sowohl von Mitschülern als auch von Lehrern. Doch dank der Unterstützung meiner Familie, meiner Freunde und später meines Mannes konnte ich mein Selbstbewusstsein stärken und lernte, mich zu behaupten. Mein gesamtes Skelett ist deformiert, was zu zahlreichen Begleiterkrankungen führte. Ärzte behandeln diese in der Regel nur symptomatisch, was einen kraftraubenden Prozess darstellt. Es gibt nicht viele Patienten mit dieser Krankheit, und es dauert leider oft zu lang, bis man dann als erwachsener Patient einen Spezialisten findet. Bis dahin versuchte ich, meine Schmerzen mit Schmerzmitteln zu lindern. Als lebensfroher Mensch war es für mich oft schwierig, den Ärzten die Intensität meiner Schmerzen und die Dringlichkeit meiner Situation zu vermitteln.
XLH ist zwar noch nicht heilbar, aber behandelbar: Wie geht es Ihnen unter Therapie?
zugelassen wurde und die Erfolge bei Kindern vielversprechend waren, wurde unser Wunsch nach einer Familie noch stärker.
Meine Frauenärztin war hervorragend über meine Krankheit informiert und hat mich jederzeit einfühlsam unterstützt. Nun sind wir stolze und glückliche Eltern eines kerngesunden Sohnes.
Wie geht es Ihnen heute, und was möchten Sie anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Bei der Frage, wie es mir geht, versuche ich oft, einen klaren Unterschied zwischen meinem physischen und meinem persönlichen Zustand herzustellen. Körperlich gibt es immer wieder Tage oder Wochen, in denen es mir nicht so gut geht. Persönlich könnte es mir nicht besser gehen! Ich bin glücklich verheiratet und habe das Geschenk bekommen, einen gesunden Sohn zu haben. Anderen Betroffenen möchte ich mit auf den Weg geben, dass in jedem von uns etwas schlummert, für das es sich zu kämpfen lohnt. Jeder, der betroffen ist, sollte die Kraft und Geduld aufbringen, Ärzte aufzusuchen, bei denen er sich wohlfühlt. Es ist von grundlegender Bedeutung, fest an sich selbst zu glauben. Wir verdienen es, wertgeschätzt zu werden. Wir sind so viel mehr als die Erkrankung!
SYMPTOME DER XLH IM ÜBERBLICK MÖGLICHE
SYMPTOME BEI KINDERN:
• Fehlstellungen der Beine (O- oder X-Beine)
• Deformierungen der Knochen und Achsenfehlstellungen
• Weiche Knochen (Rachitis)
Anlaufstelle für Betroffene von XLH phosphatdiabetes.at
Entgeltliche Einschaltung
Bei mir wurde XLH bereits im Kleinkindalter sichtbar. Mit dem Beginn des Laufens zeigten sich deutliche Verformungen meiner Beine. Meine Mutter zog sofort Parallelen zu ihrer eigenen Kindheit, in der sie ähnliche Verformungen hatte. Die Krankheit, die nicht nur mich, sondern auch meine Mutter und meine beiden Geschwister betrifft, wurde bei meiner Mutter damals fälschlicherweise als Knochenfehlbildung diagnostiziert. Bezugnehmend auf meine Knochenfehlstellung wurde ihr und meinem Papa gesagt, dass sich das wieder verwächst. Glücklicherweise wurde durch die Hartnäckigkeit meiner Eltern bei meinen Schwestern und mir die korrekte Diagnose gestellt, als ich drei Jahre alt war. Was waren und sind für Sie die größten Herausforderungen, die mit Ihrer Erkran-
Mir geht es ganz gut. Natürlich begleiten mich ständig Schmerzen, die wohl auch bleiben werden. Das Bücken und Knien wird mir immer verwehrt bleiben sowie unbeschwert längere Strecken zu gehen. Trotz dieser Herausforderungen empfinde ich mein Leben als wunderbar. Es war mir immer wichtig, ein Teil der Gesellschaft zu sein, sowohl privat als auch beruflich, und das gibt mir sehr viel Kraft. Seit einem Jahr spritze ich mir ein Medikament, das auch für Erwachsene zugelassen ist und mir Tage mit erträglichen Schmerzen schenkt.
Sie sind 2022 Mutter geworden. Hatten Sie Sorge, dass Ihr Kind auch von XLH betroffen sein könnte?
Mein Mann und ich haben ausführlich darüber gesprochen und uns entschlossen, unsere Lebensfreude und unsere Träume nicht von einer Erkrankung beeinträchtigen zu lassen. Als das neue Medikament
• Schädeldeformationen: Craniosynostose (verfrühter Verschluss der Schädelnähte), Chiari Malformation (Fehlbildung des Übergangs zwischen Hinterhaupt und Wirbelsäule)
• Spätes Sekundärgebiss und Zahnprobleme (z.B. Abszesse und Fisteln)
ZUSÄTZLICHE MÖGLICHE SYMPTOME BEI ERWACHSENEN:
• Veränderungen des Gehörs: Schwerhörigkeit bis hin zum Hörverlust, Tinitus, Schwindel
• Frakturen und Pseudofrakturen durch unzureichende Knochenmineralisation
• Osteomalazie (Knochenerweichung)
• Spinalkanalstenosen (Verengungen des Wirbelkanals)
• Früh einsetzende Arthrose oder Knochen- und Gelenkentzündungen
• Bewegungseinschränkungen und Steifigkeit
• Mineralisierung (Verkalkung) von Sehnen und Bändern
• Dauerhafte Verkürzung von Sehnen, Muskeln und Bändern
• Reduzierte Belastbarkeit, Erschöpfung
„Meine Hautprobleme begannen 2004“, berichtet eine Patientin. Sie litt zu dieser Zeit unter wiederkehrenden Hautausschlägen und Schmerzen. Erst Jahre später wurde bei ihr eine Mycosis fungoides diagnostiziert, eine Krebserkrankung, die in Europa weniger als einen von 110.000 Menschen betrifft.1 „Ich befand mich fast zehn Jahre lang in einer Grauzone“, erinnert sie sich. Ihre anfänglichen Symptome wurden zunächst als Ekzem erkannt. Erst ein Zufallsbefund führte zur richtigen Diagnose. Diese Geschichte ist kein Einzelfall: Der Weg bis zum Befund dauert bei diesem Krankheitsbild durchschnittlich zwei bis sieben Jahre.2
Kyowa Kirin ist ein global tätiges biopharmazeutisches Unternehmen, das die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen verbessern möchte. Es wurde 1949 in Japan gegründet und entwickelt seit dieser Zeit innovative Therapien in den Bereichen Nephrologie, Neurologie, Onkologie und Immunologie. Die Forschung, Entwicklung und Wirkstoffproduktion stützen sich auf Verfahren der Spitzenbiotechnologie aus eigenem Hause. So gilt das Unternehmen als Pionier in der Behandlung des nur selten auftretenden Phosphatdiabetes. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Behandlung seltener Krebserkrankungen
wie der Mycosis fungoides und des Sézary-Syndroms – beides Unterformen des kutanen T-Zell-Lymphoms (CTCL). Kyowa Kirin möchte sämtlichen Menschen, mit denen es sich im Austausch befindet, ein Lächeln schenken – nicht nur durch die Bereitstellung neuer Wirkstoffe, sondern auch durch gelebte Partnerschaften. Das Unternehmen sucht weltweit den Austausch mit Betroffenen und Beteiligten, um gemeinsam bessere Antworten auf Patientenbedürfnisse zu finden, getrieben von dem Ansporn „Making people smile“.
Orphanet tinyurl.com/4vr9ar9v 2 CL Foundation tinyurl.com/mvk67utw
Krampfanfälle, Wahnvorstellungen
und mehr:
Die seltene Anti-NMDARezeptor-Enzephalitis
Unerklärliche Krampfanfälle, plötzliche Wahnvorstellungen oder schwere Bewegungsstörungen – was nach unterschiedlichen Erkrankungen klingt, kann auf eine seltene Autoimmunerkrankung hinweisen: die Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis. Schnelle Diagnose und Therapie ermöglichen eine gute Prognose.
Mag. Dr. Christian Lechner Oberarzt Neuropädiatrie und Entwicklungsneurologie, Univ.-Klinik für Pädiatrie I, Medizinische Universität Innsbruck, Erster Sekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinderund Jugendheilkunde
FOTO: TIROL KLINIKEN
Die Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis ist eine seltene, ernste Autoimmunerkrankung des Gehirns. Sie entsteht, wenn das Immunsystem Antikörper gegen NMDA-Rezeptoren bildet, die für die Signalübertragung im Gehirn wichtig sind. Dies führt zu einer Entzündung und einer Vielzahl neurologischer und psychiatrischer Symptome.
Der NMDA-Rezeptor spielt dabei eine zentrale Rolle bei Lern- und Gedächtnisprozessen. Wenn Antikörper diese Rezeptoren blockieren, wird die normale Kommunikation zwischen Nervenzellen gestört.
Die Bildung der Antikörper kann durch Tumore, insbesondere Eierstock-Teratome, ausgelöst werden, die Nervengewebe enthalten. Das Immunsystem greift dieses Gewebe an und bildet Antikörper, die auch die NMDA-Rezeptoren im Gehirn attackieren.
In den meisten Fällen entsteht die Krankheit aber ohne erkennbare Ursache oder nach einer Virusinfektion.
Die Erkrankung beginnt häufig mit psychiatrischen Symptomen wie Verwirrtheit, Angstzuständen oder Wahnvorstellungen. Später folgen neurologische Symptome wie Krampfanfälle, Bewegungsstörungen und Sprachprobleme. Auch das autonome Nervensystem kann betroffen sein, was unter anderem zu Herzrhythmusstörungen oder Atemproblemen führen kann.
Diese 2007 erstmals beschriebene Erkrankung ist mit 0,17 bis 1,5 Neuerkrankungen pro 100.000 Personen pro Jahr sehr selten.
80 % der Betroffenen sind weiblich, der Großteil davon ist im jugendlichen oder jungen Erwachsenenalter.
Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis von Antikörpern gegen den NMDA-Rezeptor primär im Nervenwasser, manchmal auch im Blut. Eine Magnetresonanztomographie des Gehirns kann entzündliche Veränderungen zeigen, aber auch unauffällig sein; ein Elektroenzephalogramm weist abnorme elektrische Aktivitäten im Gehirn nach. Die Therapie zielt darauf ab, die Entzündung zu stoppen und die Antikörperproduktion zu unterdrücken. Dazu werden sogenannte Immunsuppressiva wie Corticosteroide oder eine Plasmapherese („Blutwäsche“) eingesetzt. Falls ein Tumor vorliegt, muss auch dieser operativ entfernt werden. Die Prognose hängt von der raschen Diagnose und Behandlung ab. Viele Patient:innen erholen sich gut, der Prozess kann jedoch Monate oder Jahre dauern. Ohne Behandlung können bleibende Schäden oder sogar der Tod eintreten.
Online-Plattform bietet Infos und Rat zu seltenen Epilepsien
Gemeinsam mit dem Neurologen und Psychiater Prim. Univ.-Prof. Dr. Eugen Trinka vom Uniklinikum Salzburg gestaltete die OÄ Priv.-Doz.in Dr.in Gudrun Gröppel vom Kepler Universitätsklinikum Linz den Bereich „Seltene Epilepsien“ der Online-Plattform selpers.com. Im Interview stellt die Neuropädiaterin die hier kostenlos erhältliche Schulung für Patient:innen und Angehörige zur Behandlung seltener Epilepsien vor.
OÄ Priv.-Doz. in Dr. in Gudrun Gröppel Geschäftsführende Oberärztin, Bereichsleitung Neuropädiatrie sowie Funktionsdiagnostik Kepler Universitätsklinikum Linz
Die Österreichische Gesellschaft für Kinderund Jugendheilkunde hat über 2.100 Mitglieder und vertritt die Interessen angestellter und niedergelassener Pädiater:innen in Österreich. Auch Durchführung und Förderung von Forschung und Lehre im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde gehören zu den Aufgaben der Gesellschaft.
Weitere Informationen finden Sie unter www.paediatrie.at
Was sind seltene Epilepsien? Seltene und komplexe Epilepsien sind Erkrankungen, die sich bevorzugt im Säuglings- und Kleinkindalter zeigen, mit den für Epilepsie typischen Anfällen. Sie beeinträchtigen aber auch kognitive, sensorische und motorische Funktionen sowie das Verhalten betroffener Kinder. Auch Erwachsene können aber davon betroffen sein.
Sie sprechen auch von komplexen Epilepsien?
Ganz genau: Neben den seltenen Epilepsien, die bei nur einem von 2.000 Menschen vorkommen, gibt es Epilepsien, die zwar etwas häufiger auftreten, aber ganz speziell behandelt werden müssen.
Wie hilft das Info-Portal selpers.com? In unserem Selpers-Kurs informieren wir über seltene und komplexe Epilepsien bei Kindern und Erwachsenen – auf selpers.com gibt es auch Kurse zu anderen Erkrankungen. Kern unseres Angebots ist eine kostenlose Online-Schulung zum Thema. Sie umfasst mehrere Bausteine: kurze Videos, die auch ohne Anmeldung anschaulich und leicht verständlich informieren und erklären, was seltene und komplexe Epilepsien sind und wie sie behandelt werden können. Zudem gibt es einen Kurs, der auf das ärztliche Gespräch bei seltenen Epilepsien vorbereitet.
Inwiefern ist diese Vorbereitung wichtig? Wir Fachärzt:innen sind gerade bei den seltenen Epilepsien auf das Wissen und die Erfahrungen von Patient:innen und Angehörigen angewiesen. Die Frage „Was geschieht bei einem Anfall?“ beispielsweise können Betroffene selbst meist nicht beantworten, da sie ihn gar nicht mitbekommen. Ein Anfallstagebuch, das die Angehörigen führen, hilft uns hier sehr. Auch der Blick auf die Gene, insbesondere der Eltern unserer kleinen Patient:innen, gibt uns Aufschluss zur Diagnose und Therapie. Grundsätzlich ist eine gute Vorbereitung auf das ärztliche Gespräch der Schlüssel für einen offenen Austausch auf Augenhöhe – und den brauchen wir, um gemeinsam die richtige Diagnose zu stellen und die passende Therapie zu finden.
Hier geht’s zum kostenlosen Online-Kurs. selpers.com/epilepsie/ behandlung-seltenerepilepsien
Orale Therapie sorgt für noch mehr Lebensqualität bei HAE
Warum das hereditäre Angioödem (HAE) oft so schwer zu diagnostizieren, aber immer besser behandelbar ist, erklärt
Adelheid Huemer von der Österreichischen Selbsthilfegruppe für Hereditäres Angioödem.
Was ist das hereditäre Angioödem (HAE)?
HAE gehört zur Gruppe der seltenen Erkrankungen. Es handelt sich um eine genetisch vererbte Bluterkrankung, die zu Schwellungen an den Gliedmaßen, im Kopf- und Halsbereich und im MagenDarm-Trakt führen kann. Aber auch das Gehirn, die Lunge oder die Nieren können von Ödemen betroffen sein. Das zentrale Symptom ist das Auftreten von oft tagelangen Schwellungen, was zu schmerzhaften Spannungen und Kreislaufproblemen führen kann. In den meisten Fällen treten die Ödeme aber an den Schleimhäuten der inneren Organe des Magen-Darm-Bereichs auf, wo sie zu Schmerzattacken, Krämpfen, Durchfall oder Erbrechen führen können. Besonders gefährlich sind die Anfälle, wenn sie im Halsbereich auftreten. Dann droht akute Erstickungsgefahr, die mitunter auch tödlich enden kann.
Wie verbreitet ist HAE?
Rund einer von 15.000 Menschen erkrankt daran. In Österreich sind zwischen 180 und 200 Fälle bekannt. Die Dunkelziffer ist demnach sehr hoch. Das liegt daran, dass die Krankheit latent sehr lange vorhanden sein kann, bis sie zum ersten Mal auftritt. Zudem ist sie schwierig zu diagnostizieren, weswegen die Betroffenen oftmals jahrelang und mit schlimmen Schmerzen auf eine Diagnose warten. Die ständigen Attacken stellen eine große Belastung dar – gerade für Kinder und Jugendliche. Dabei ist die Erkrankung mittlerweile sehr gut behandelbar – und ein Leben mit hoher Lebensqualität trotz HAE möglich.
Warum ist es so schwierig, rasch eine richtige Diagnose zu erhalten? Die Ursache ist immer dieselbe, aber je nachdem, wo die Ödeme auftreten, können
sich die Beschwerden stark voneinander unterscheiden. Wenn Schwellungen am Körper auftreten, werden in der Regel zuerst Allergietests gemacht. Wenn ein Kind Bauchschmerzen hat, kann das einige Gründe haben. Bei vielen HAE-Patient:innen wird dann der Blinddarm entfernt. Das bringt natürlich nichts. Häufig werden die Beschwerden auch auf psychische Faktoren zurückgeführt. Auf HAE wird demnach erst sehr spät getestet. Es gibt Patient:innen, die zwanzig Jahre auf eine Diagnose warten. Ich kann das aufgrund meiner persönlichen Geschichte bestätigen: Mir wurde der Blinddarm entfernt und Hysterie attestiert. Bis jemand die richtige Diagnose gestellt hat, sind 17 Jahre vergangen. Das Problem ist, dass viele Hausärzt:innen und Internist:innen zu wenig über diese Erkrankung wissen.
Gibt es, anders als bei vielen seltenen Erkrankungen, eine rege Forschungstätigkeit? Wie sieht es mit effektiven Therapien aus?
Ja, in den letzten Jahren ist viel passiert. Viele Pharmaunternehmen haben diese Erkrankung aufgegriffen und entwickeln nun stetig bessere Medikamente dagegen. Gerade die neuen oralen Medikamente stellen eine große Verbesserung dar. Anfänglich konnte man die Präparate nur intravenös spritzen. Das war ein Riesenproblem, weil man sich in Österreich lange Zeit in einem rechtlichen Graubereich bewegt hat. Wir haben uns das in der Selbsthilfegruppe gegenseitig beigebracht. Es gibt aber auch Präparate, die subkutan verabreicht werden – leider meist mit großen Spritzen, die durchaus schmerzhaft sein können. Was spricht für die oralen Präparate? Die orale Darreichung ist sowohl für den akuten Einsatz, als auch als Prophylaxe
Österreichische Selbsthilfegruppe für Hereditäres Angioödem (HAE – Austria) office@hae-austria.at www.hae-austria.at 0677 / 63189739 Die Hotline ist täglich ab 18 Uhr besetzt.
Die Verbesserung der Lebensqualität von HAEBetroffenen und deren Angehörigen ist uns ein zentrales Anliegen!
Wir wollen uns dafür einsetzen, dass wir mit unserem Leiden wahrgenommen und ernstgenommen werden • unsere persönliche Integrität gewahrt bleibt wir ein weitgehend normales Leben führen können.
wichtig. Es ist in beiden Fällen ein großer Vorteil, wenn ich nicht ein oder sogar zwei Spritzen wöchentlich setzen muss. Wenn man einen Schub hat, ist es natürlich wesentlich einfacher, eine Tablette einzuwerfen, als von Schmerzen und Krämpfen geplagt mit einer Spritze zu hantieren. Als aktiver Mensch muss man auch immer ein Medikament für den Notfall dabeihaben, wobei die Präparate aber nicht wärmer als 25 Grad werden sollten. Tabletten sind einfach anspruchsloser in der Handhabung und Anwendung. Den oralen Medikamenten gehört da sicher die Zukunft, weil man sie ohne besondere Vorkehrung überall einnehmen kann. Es wird damit viel leichter, ein normales Leben zu führen. Voraussetzung ist, dass die Kosten auch von den Kassen getragen werden. Dafür setzen wir uns als Selbsthilfegruppe vehement ein.
Wie bleiben Patient:innen am Laufenden, was neue Therapien betrifft?
Es ist wichtig, dass Patient:innen selbst immer am Ball bleiben. Als Selbsthilfegruppe unterstützen wir sie dabei, weil wir immer mit Pharmaunternehmen in Kontakt sind. Die meisten Patient:innen sind aber ohnehin in spezialisierten HAE-Zentren in Behandlung. Die Ärzt:innen dort wissen über aktuelle Entwicklungen Bescheid. Die HAE-Therapiezentren spielen auch in Bezug auf Studien für neue Präparate und die weitere Verbesserung der Therapien eine zentrale Rolle. Es kann sich als Patient:in daher wirklich lohnen, gemeinsam mit den Ärzt:innen dran zu bleiben – gerade, weil sich so viele vielversprechende Medikamente in Entwicklung befinden.
Um diese Ziele zu erreichen, haben wir unsere Tätigkeit auf folgende Bereiche ausgerichtet:
HILFE ZUR SELBSTHILFE Neben dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch ist uns die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung für die optimale Therapie und die entsprechende Umsetzung in den täglichen Lebensvollzug ein besonderes Anliegen.
INFORMATIONS- UND AUFKLÄRUNGSARBEIT über das Krankheitsbild von HAE und die therapeutischen Möglichkeiten
PSYCHOLOGISCHE BEGLEITUNG bei der Umstellung auf ein Leben mit HAE (z.B. Stressmanagement, Krisenintervention) VERNETZUNGS- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Wir sind bemüht, ein gut funktionierendes Netzwerk aufzubauen und die Öffentlichkeit für unsere Erkrankung und die damit verbundenen Anliegen zu sensibilisieren.
Adelheid Huemer, MSc Obfrau HAE Austria
Text Werner Sturmberger
Engagieren Sie sich für Menschen mit seltenen Erkrankungen oder sind Sie selbst betroffen?
Werden Sie Teil unserer Kampagne! Die nächste Ausgabe erscheint am Internationalen Tag der Seltenen Erkrankungen, dem 28. Februar 2025.
Melden Sie sich jetzt unter kerstin.koeckenbauer@mediaplanet.com.
Angekommen!
Jedes Paket macht einen Unterschied. Millionen Menschen warten noch auf unsere Hilfe. Spenden Sie jetzt auf care.at/angekommen