Wallonia Export _ juni 2012

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CONNECTING THE WORLD, LINKING PEOPLE, BETTER LIVING TOGETHER … LÜTTICH BEWIRBT SICH ALS GASTGEBER FÜR DIE „EXPO 2017“


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CONNECTING THE WORLD, LINKING PEOPLE, BETTER LIVING TOGETHER … LÜTTICH BEWIRBT SICH ALS GASTGEBER FÜR DIE „EXPO 2017“

INHALTSVERZEICHNIS 2 VORWORT 3-7 DOSSIER Connecting the World, linking People, better living Together …

Lüttich bewirbt sich als Gastgeber für die „Expo 2017“ 8-13 DOSSIER

Weil es eine Zukunft nach der Kohle- und Stahlindustrie gibt Lüttich ist Feuer und Flamme für die „Expo internationale“ in 2017 14-15 WBT

„Expo Liège 2017“: Aufbruchsstimmung an der Maas Lüttich wirft sich in Schale

Liebe Leserinnen und Leser, glauben Sie mir, der Anlass ist außerordentlich genug und rechtfertigt die Ausnahme: Am 10. Juni 2011 hat Lüttich ihre offizielle Kandidatur als Gastgeberstadt für „Liège Expo 2017“ beim „Bureau International des Expositions“ eingereicht. Seitdem steckt Lüttich im Expo-Fieber. Behörden und Bürger fühlen die gleiche Begeisterung und möchten der Welt den Wandel in der Maasmetropole zeigen. Und weil nicht nur Lüttich, als Stadt, Großraum und Provinz hinter dieser Initiative steht, sondern auch der Föderalstaat und alle anderen regionalen Instanzen ihre Unterstützung zugesagt haben, widmen wir unser Wirtschaftsmagazin diesem unerhörten Challenge. Sogar der Präsident des Europäischen Ministerrates, der Belgier Herman Van Rompuy, steht hinter Lüttichs Bewerbung. Warum diese Begeisterung für unsere „cité ardente“*, die ihren Beinamen „feurige Stadt“ völlig zu Recht trägt? Wohl weil Lüttich – 800 Jahre lang unabhängiges Fürstbistum, aber auch Wiege der Industrierevolution und einst reiche Metropole der Kohle- und Stahlindustrie – in den letzten Jahren abermals bewiesen hat, dass es eine Zukunft gibt: für die Stadt, ihre Menschen und Unternehmen, auch nach dem Rückgang der Schwerindustrie und Jahren der Aussichtslosigkeit. Lüttich ist im Wandel. Man sieht es an spektakulären Architekturprojekten und neu angelegten Plätzen, an der Entstehung neuer Wirtschaftsaktivitäten wie die Logistik, die Biotechnologie, die Informations- und Kommunikationstechnologien usw. Diese wirtschaftliche Neurorientierung liefert auch die Thematik, die Lüttich für die internationale Ausstellung, die im Wechsel mit den Weltausstellungen alle drei Jahre stattfindet, aufbereiten möchte: „Connecting the World, linking People, better living Together“ oder wie die neuen Technologien die Welt vernetzen, die Menschen verbinden und die Lebensqualität verbessern. Nicht nur hierzulande, sondern auch im Austausch mit weniger entwickelten Regionen, die dank bits and bytes von diesem Know-how profitieren. Die Entscheidung fällt am 22. November. Bis dahin drücken wir den Lüttichern alle die Daumen. Übrigens finden Sie „Wallonia Export“, in Deutsch und in allen anderen Sprachen, ab jetzt auch im Netz. Schauen Sie einfach unter www.awex.be. Viel Spaβ bei der Lektüre!

Philippe Suinen, Hauptgeschäftsführer der Wallonischen Exportförderungsund Auslandsinvestitionsagentur Belgiens * Die Bezeichnung Lüttichs als „cité ardente“ stammt aus einem Ritterroman aus der vorigen Jahrhundertwende, indem der Autor den legendären Stolz der Lütticher in einem Aufstand gegen Karl den Kühnen, im Jahre 1486, verklärt.

Wallonia-export: Juni 2012 Wallonische Exportförderungs- und Auslandsinvestitionsagentur Belgiens Verantwortlicher Herausgeber: Philippe Suinen, Hauptgeschäftsfürer AWEX 2, place Sainctelette - 1080 Brüssel Tel.: +32 (0)2 421 82 11 - Fax: +32 (0)2 421 87 87 E-Mail: mail@awex.be www.wallonia-international.be

COPYRIGHTS DER FOTOS Der Herausgeber hat die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Autorenrechte der Personen beachtet, die Bildmaterial zur Verfügung gestellt haben. Für etwaige Beanstandungen bittet der Herausgeber, sich mit ihm in Verbindung zu setzen.

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COLOFON Redaktioneller Entwurf, Design, Produktion & Koordination: De Visu Digital Document Design. Redaktion: Martina Luxen Druck: IPM


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Connecting the World, linking People, better living Together …

LÜTTICH BEWIRBT SICH ALS GASTGEBER FÜR DIE „EXPO 2017“ Dass die Sicherheit und Erschließung von neuen Kommunikationswegen ausschlaggebend für die Entwicklung einer Gesellschaft sind, beweist die Geschichte zur Genüge. Von den Römern, die ihr Reich mit einem weit verzweigten Straßennetz unterbauten, über die Kaiser und Könige der Renaissance, die mittels neuer Schifffahrtsrouten ganze Erdteile erobern, bis hin zu den Nationen im Industriezeitalter, die ihren wirtschaftlichen Erfolg mit dem Bau der Eisenbahn festigen …

Für Lüttich, Stadt an der Maas, Schnittstelle zwischen Nord- und Südeuropa, war die Erschließung der Kommunikationswege seit jeher der Treibstoff für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Seit Jahrhunderten ist die Maas Lüttichs „Autobahn“ zur See und ins europäische Hinterland. Als der Bergbau und die Stahlindustrie im 19. Jahrhundert aufblühten, wurde die Stadt umgehend an das belgische und europäische Eisenbahnnetz angeschlossen. Den Wohlstand und Fortschritt, den Ingenieure und Financiers der Eisen- und Stahlindustrie wie Cockerill, Francqui oder Nagelmackers nach Lüttich brachten, ist heute noch zu sehen. Prächtig restaurierte historische Bauten, wie der Palais des Princes-Evêques, säumen die place Saint-Lambert. Das Museum für Moderne Kunst und seine außeror-

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dentliche Sammlung (Picasso, Chagall, Gauguin, …) befinden sich in einem Palast der Weltausstellung von 1905. Um die vorige Jahrhundertwende war Lüttich nämlich eine der führenden europäischen Wirtschaftsmetropolen und durfte als solche die Prestigeveranstaltung beherbergen. Als „Liège“ – so der französische Name der Stadt (200.000 Einwohner), des Großraums (600.000 Einwohner) und der Provinzverwaltung (1 Million Einwohner) – 1939 den Albert-Kanal einweihte, stellte die Stadt eine große internationale


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Ausstellung zum Thema Wasser auf die Beine. Dreh- und Angelpunkt war damals der Bezirk Coronmeuse, wo jetzt, nach mehr als 70 Jahren, „Liège Expo 2017“ aufgezogen werden soll. Anno 2012 haben sich neue Kommunikationsmittel ihren Weg in die Wirtschaft und Gesellschaft gebahnt, ermöglicht von den so genannten Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT): Heute sind die Verbraucher und Unternehmen auf virtuellen Autobahnen unterwegs und reden beispielsweise von digitaler Raumordnung. Neben der realen entsteht auch eine virtuelle Wirtschaft. Hartnäckig hängt die Frage im Raum, ob diese Kommunikationsmittel die sichere Beförderung von Daten in der virtuellen Welt gewährleisten und damit eine der Voraussetzungen erfüllen, um auch die reale Wirtschaft anzukurbeln. Man denke nur an die Daten, die beim OnlineShopping hin- und hergesendet werden, an die Sicherheit des Zahlungsverkehrs oder an den Datenschutz bei der Übertragung von Patientenakten in der Medizin.

Vernetzt ja, … Neben Aspekten der Sicherheit werfen diese neuen Technologien auch Fragen darüber auf, inwiefern der Bürger gleichberechtigten Zugang zu diesen hat. Jeden Tag entstehen neue IKT-Anwendungen, die den Alltag und das Leben der Bürger erleichtern sollen: EDV-unterstützter Unterricht, virtuelle öffentliche Schalter, Ferndiagnosen in der Medizin, die Schlagzeilen in real time, jederzeit abrufbar, nicht nur am Computer, sondern inzwischen auch über neue Telefone oder andere Geräte …

… aber auch verbunden? Die Welt ist vernetzt, aber sind die Menschen auch untereinander vernetzt und verbunden? Feststeht, dass nicht alle einen gleichberechtigten Zugang zu dieser neuen Technologie und ihren Anwendungen haben. Ein Teil der Bevölkerung, nicht nur in unseren Breitengraden, sondern auch in

den Entwicklungsländern, droht von dieser digitalen Vernetzung und Verbindung ausgeschlossen zu werden.

Kein geringerer als der britische Stararchitekt baute in Lüttich die Médiacité.

In diese Bresche will „Liège Expo 2017“ mit der Thematik connecting the World, linking People, better living Together springen. Die geplante Weltausstellung soll Teilnehmer und Besucher zum Nachdenken darüber anregen, wie die neuen IKT, indem sie die Welt vernetzen und die Menschen verbinden, zu einer harmonischeren Entwicklung der Gesellschaft insgesamt beitragen. Eine Plattform, auf der die teilnehmenden Länder interessante IKT-Praktiken austauschen, ist im Programm vorgesehen, sollte im Dezember 2012 die Entscheidung des Bureau International des Expositions tatsächlich zugunsten von Lüttich fallen – und nicht zugunsten der kasachischen Hauptstadt Astana, die auf ihren Öl- und Gasreserven bauend, die Energien der Zukunft als Thematik aufbereitet. Mit dieser Thematik knüpft Lüttich auch an die Milleniumsziele der UNO an, die die Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Gesundheit und des Wohlbefindens, der Erziehung und Forschung, der Kultur und nachhaltigen Entwicklung sowie der Mobilität und Umwelt anlässlich der Jahrtausendwende definiert hat. Eingebunden in die Aufbereitung dieser hochaktuellen Thematik sind private und öffentliche Akteure, Unternehmen, Universitäten, Kulturinstanzen, …

Vorausdenken und glaubhaft bleiben Den wissenschaftlichen Unterbau der Thematik steuert das CETIC bei, ein Kompetenzzentrum für angewandte Forschung im IKT-Bereich, verantwortlich für den Transfer zwischen Universitäten und Unternehmen, beteiligt an einer Reihe von europäischen Projekten. Das Thema von „Liège Expo 2017“ soll nicht in der Futurologie versanden, sondern an konkreten und realisierbaren Projekten festgemacht werden, wie CETIC-Direktor Simon Alexandre erklärt: „Das war eine der Herausforderungen, die wir bei unseren Überlegungen zum Inhalt meistern 4

mussten: Die IKT entwickeln sich, im Vergleich zu industriellen Technologien beispielsweise, mit einer rasanten Geschwindigkeit. Manche Anwendungen entpuppen sich als Strohfeuer, andere setzen sich tatsächlich auf Dauer durch. Die Schwierigkeit im Hinblick auf den Ausstellungsinhalt für 2017 besteht darin, zu ermessen, welche Technologien in fünf Jahren und darüber hinaus bis 2025 tatsächlich funktionieren und die Welt verbessern.“ 13 Jahre vorausdenken ist gerade in diesem sich rasch wandelnden Bereich eine ganz schön lange Zeit: „Zudem müssen wir unter allen Umständen glaubwürdig bleiben“, unterstreicht Simon Alexandre. Glaubwürdigkeit ist wichtiger, als die neueste technische Spielerei zu präsentieren: „Wir organisieren keine Technologiemesse, auf der unsere Unternehmen und die teilnehmenden Länder ihr jüngste Erfindung vorstellen. Viel mehr zeigen die Teilnehmer, wie ihr Produkt zur Lösung eines gesellschaftlich relevanten Problems beitragen kann.“


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Innerhalb von 2 Jahrzehnten hat sich Liège Airport zum siebtgrößten Frachtflughafen Europas entwickelt.

Eine schöne Erinnerung an die Weltausstellung von 1905: die „pont de Fragnée“ über der Maas.

Zwar fällt es der Wallonie noch immer schwer, Abschied von der Eisen- und Stahlindustrie zu nehmen, dennoch haben viele Unternehmen heute den Anschluss an die neuen Technologien gefunden und sich Bereichen verschrieben, die in voller Entwicklung sind: Wie lässt sich die Kommunikation zwischen verschiedenen Softwaresystemen herstellen? Wie können Datenschutz und Datenabsicherung optimalisiert, die Anbindung an Breitbandnetzwerke gewährleistet werden, …? Globale Lösungen sind gefordert.

Anschluss oder Ausschluss? Das wissenschaftliche Team begrenzt seine Überlegungen über die Auswirkungen und Anwendungen der Informationsund Kommunikationstechnologien nicht auf Europa. Es bezieht auch andere Regionen dieser Welt mit ein, die noch drastischer mit den Auswirkungen der neuen Technologien konfrontiert werden. Stellen diese eine Gefahr dar, weil sie die

Abseitsgefahr für gewisse Regionen noch gravierender macht? Oder öffnen sie, im Gegenteil, gerade Perspektiven, indem sie einen gewaltigen Entwicklungssprung ermöglichen? CETIC-Direktor Alexandre denkt spontan an den Einsatz von Biosensoren in Afrika: „In Kenia,wo ich vor einigen Jahren eine Station von Ärzte ohne Grenzen besuchte, habe ich festgestellt, dass die lokalen Gesundheitsbehörden noch immer mit Bleistift und Papier arbeiten. Biosensoren – im Grunde ein Daten kommunizierendes Pflaster – erfassen biometrische Daten und leiten sie weiter. Die Folgen für die Gesundheitspolitik sind überwältigend“, hebt Simon Alexandre hervor: „Auch in großer Entfernung kann ein Patient überwacht und behandelt werden. Epidemien wie Tuberkulose oder Aids sind dank Biosensoren besser vorzubeugen und zu bekämpfen. Die neuen Technologien verbessern nicht nur den Gesundheitszustand der 5

Bevölkerung, sondern auch das Budget der Volksgesundheit, die ihre Gelder effizienter anlegen kann. Auch in Europa helfen neue und sicherere IKT-Lösungen, die Gesundheitspolitik effizienter und kostengünstiger zu gestalten: In Belgien beispielsweise hat der Gesetzgeber die Ärzte verpflichtet, eine Globale Medizinische Akte (GMA) für jeden Patienten anzulegen. Die GMA soll auf Dauer alle medizinischen Daten (Arztbesuche, Diagnosen, Interventionen, verschriebene Arzneimittel, …) enthalten, sodass ein fremder Arzt in einem anderen Krankenhaus diese Daten einsehen kann. Eine Leistung, die in ihrem ganzen Umfang heute noch nicht geboten wird, weil die verschiedenen Softwaresysteme der Krankenhäuser noch nicht in der Lage sind, miteinander zu „reden“ oder weil der Datenschutz eines Patienten während der gesamten Behandlungsdauer nicht garantiert werden kann. Die Einsparungen, die ein globales System für


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Das Lütticher Unternehmen Safran konzipiert, entwickelt und produziert Bauteile und Ausrüstungen für die Raumfahrt.

die Gesundheitspolitik bedeutet, liegen auf der Hand: Ist die Allergiegefährdung eines Patienten auch dem neuen Arzt bekannt, sinkt das Risiko einer Fehldiagnose, werden doppelt verschriebene Arzneimittel und Laboruntersuchungen vermieden, …

Smart City Wer im öffentlichen Raum mit Bahn, Bus, Tram und Metro unterwegs ist, erfährt den technologischen Fortschritt auf dem gesamten Netz: Informatiksysteme, die untereinander kompatibel gemacht worden sind, erlauben den Fahrgästen heute, von einem Verkehrsmittel aufs andere umzusteigen, sich zu identifizieren und einen einzigen Fahrschein auf allen Strecken zu benutzen. Ein weiterer Ausbau der IKT im Bereich Mobilität und Transport besteht darin, dass verschiedenste Informationen verknüpft werden: Informationen über Verspätungen, Staumeldungen, Bauarbeiten, Umleitungen usw. kommen zusammen und werden unterschiedlichen Benutzern – den Fahrgästen, aber auch den Netzbetreibern, Verkehrsbetrieben, … – angeboten, um ihnen eine bessere Planung und eine effizientere Reise zu erlauben. „Die Herausforderung liegt in der gemeinsamen Schnittstelle“, hebt CETIC-Direktor Alexandre hervor: „Der Fahrgast soll in Echtzeit über Verkehrsprobleme informiert

werden, diese auf allen möglichen Geräten (Smartfone, PC, TV, Tablet-Computer, …) empfangen und dementsprechend schnellerer und sicherer reisen können.“ CETIC nimmt zurzeit an dem grenzüberschreitenden wallonisch-französischen Projekt C2All teil, dessen Ziel die Entwicklung eines kommunizierenden Systems zwischen alle Peripheriegeräten (Tachograf, Temperaturanzeiger im Kühlwagen, Navigationsgerät, …) im Fahrzeug ist. Lüttich als „Smart City“: Auch diese Vision schwebt den Ausstellungsmachern für 2017 vor. Während der drei Ausstellungsmonate rechnen sie mit 6 Millionen Besuchern, die möglichst zügig und problemlos durch die Stadt zu lotsen sind. Zur Ergänzung des völlig ausgelasteten Lütticher Busnetzes ist eine brandneue Straßenbahnlinie geplant. Diese wird auch nach der eventuell stattfindenden internationalen Ausstellung erhalten bleiben und das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln permanent verstärken. Eine Tram als sauberes und geräuschloses urbanes Transportmittel des 21. Jahrhunderts … Die Anwendung von IKT bei der Fahrzeugkonstruktion und Verkehrsverwaltung sorgt insgesamt für weniger Luftverschmutzung (reduzierte Feinstoffe, Abgase, …), flüssigere Verkehrsströme, einen sparsameren Energieverbrauch, … Allesamt 6

Eigenschaften einer modernen Verkehrswirtschaft, die sich dank der neuen IKT entfalten können.

Intelligente Logistiksysteme Wer Mobilität und Transport sagt, ist auch schon bei einem der herausragenden Wirtschaftssektoren der Maasmetropole angekommen: die Logistik. Informatik und Internet haben die Lokalisierung und Rückverfolgbarkeit der Ware und damit optimierte Transportwege ermöglicht. Die Wallonie – von Cushman & Wakefield als europäischer Logistikstandort schlechthin qualifiziert – und Lüttich – Europas Logistikstandort Nummer eins, so Bernard Piette von Logistics in Wallonia – bieten lokalen und internationalen Unternehmen logistische Spitzentechnologien wie RFID-Kaptoren, Near Field Communication, … „Die IKT sind in der Logistik ganz einfach unverzichtbar“, unterstreicht Bernard Piette. Die Durchdringung mit IKT ist auch ein wichtiger Katalysator für mehr Wachstum und neue Ansätze im Umweltschutz und in der nachhaltigen Entwicklung. Smart Grid (intelligentes Stromnetz) beispielsweise bezeichnet die kommunikative Vernetzung und Steuerung von Stromerzeugern, Speichern, elektrischen Verbrauchern, … Dieser Entwicklung zufolge kann die Waschmaschine demnächst ‚selbst ent-


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scheiden‘, wann sie Strom aus dem Netz pumpt. Vorzugsweise natürlich, wenn das Netz am wenigsten belastet und der Strom am günstigsten ist! Smart Metering ist ein weiterer Begriff, der die Runde macht. Er bezeichnet intelligente Stromzähler, die in der ganzen Stadt oder im ganzen Haus verteilt, nützliche Daten sammeln, bewahren und an Netzbetreiber, Energielieferanten, Konsumenten, … weitergeben. Sie sind die Vorstufe zum intelligenten Stromnetz. In diesem Rahmen hat die Wallonische Region 2010, zusammen mit CISCO, IBM, Microsoft, AlcatelLucent, … das Euro Green IT Innovation Center gegründet. Dessen Ziel ist es, die Forschung voranzutreiben und neue ökoeffiziente Technologien zu entwickeln.

Passivbau mit Bits and Bytes Was auf erste Sicht widersprüchlich klingt, hat in Wirklichkeit großes ökologisches und wirtschaftliches Potenzial:

Damit beim Passivhausbau die traditionelle Heiz- und Klimaanlage wegfallen und die Sonneneinstrahlung maximal genutzt werden kann, sind neueste IKT unverzichtbar: Sie messen beispielsweise den Sonneneinfall über einen längeren Zeitraum, analysieren die Daten, sodass der Architekt jeden Raum nach seinem Energiebedarf eingeplant wird.

Von digitalen Schulranzen … Ersetzt der Tablett-Computer demnächst Schiefertafel und Schreibhefte im Unterricht, hier und anderswo? In manchen Schulen laufen Pilotprojekte, angeregt von Initiativen wie CampusNumérique.be oder Ecole Virtuelle der Provinz Lüttich. Claroline ist eine andere Plattform, initiiert u. a. von der Universität Lüttich, um Lehrkräften und Trainern Unterrichtsmaterial bereitzustellen oder den Online-Unterricht zu ermöglichen. Die Plattform wird heute mit pädagogischem Content aus der ganzen

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Welt gespeist. Für Schüler und Studenten aus rückständigen Regionen eine enorme Chance, denn zur Weiterbildung sind „lediglich“ eine Internetverbindung und ein Computer erforderlich. Übrigens fördern die IKT neue pädagogische Lernmethoden wie Serious Game, Lernen über Videospielmethoden. 2010 gewann das wallonische Unternehmen Belle Productions den Sonderpreis der Jury auf der „Serious Game Expo 2010“ in Lyon mit Neurodyssée, einem Computerspiel für Kinder über Europa.

… und virtueller Kreativität IKT fördern nicht nur umweltfreundlicheres Bauen – wie das künftige und nach ökologischen Verfahren gebaute Ausstellungsgelände entlang der Maas beweisen will – sondern auch Kultur, Kunst und Bildung. Angesichts der Angst, dass mit Internet, globaler Vernetzung und sozialen Medien, … die kulturelle Vielfalt verflachen und eingehen könnte, hört sich das reichlich provozierend an. Im Gegenteil, unterstreicht Simon Alexandre: „Dank Breitbandverbindungen, digitaler Techniken zur Bearbeitung und Lagerung von Inhalten, lässt sich jedes noch so kleine kulturelle Erbe heute bewahren und einem ggf. weltweiten Publikum zugänglich machen.“ 2007 gab die Föderation Wallonie-Bruxelles grünes Licht zur Digitalisierung des Contents kultureller Institutionen und zu dessen Bearbeitung für neue Anwendungen. Die SONUMA, die sich um die Digitalisierung der Archive des öffentlichen Rundfunks kümmert, will diese sowohl für professionelle als auch private Nutzer erschließen. Dokumente, Ton- und Bildaufnahmen, die in jahrelang in einem Archiv schlummerten, können dank IKT einem neuen Publikum bereitgestellt werden. Virtuelle Kulissen und Breitbandverbindungen machen Kreativität simultan an verschiedenen realen Orten möglich … Für Künstler bieten sich neue Perspektiven der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit! Die Expo 2017 in Lüttich eignet sich jedenfalls als perfekte Bühne, um die unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Welt zu veranschaulichen.


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Lüttich ist Feuer und Flamme für d Es gibt viele gute Argumente, um eine Stadt für die Organisation einer namhaften internationalen Veranstaltung vorzuschlagen und auszuwählen: wirtschaftlicher Aufschwung und Erfolg, große urbanistische und architektonische Erneuerungen,Erreichbarkeit und Hotelinfrastruktur, …

Schon wegen des neuen Bahnhofs reisen viele nach Lüttich: gebaut von Santiago Calatrava und seit September 2009 offiziell eröffnet.

Allesamt Argumente, die eine Stadt grenzüberschreitendes Interesse wecken lassen und Millionen Menschen zu einem Besuch anregen. Wäre aber nicht eines der herausragendsten Argumente ganz einfach, die Lust und das Engagement der Bürger selbst, der Welt ihre Stadt zu zeigen? Eine Stadt, die nach langem Siechtum wiederaufersteht. Deren Bürger nicht nur stolz auf den Wandel sind, sondern auch davon überzeugt, dass sie diese internationale Bühne verdient. In Lüttich besaß die Kandidaturabgabe für die Expo Internationale 2017 Züge eines Schelmenromans, in dem die Bürger zweier Städte gegeneinander antreten. Obwohl Mons, am anderen Ende des ehemaligen wallonischen Kohlenpotts gelegen, die Wahl als Kulturhauptstadt Europas 2015 bereits in der Tasche hatte, fühlten sich die Lütticher von der

Lüttich: eine feurige Stadt in grüner Umgebung.

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die „Expo internationale“ in 2017 Die Kirche St. Barthélemy ist ein typisches Beispiel für den Baustil des Rheinlandes und des Maaslandes im 12. Jahrhundert.

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Aufbruchsstimmung in ihrer Stadt wohl derart beflügelt, dass sie Mons ihren Titel streitig machen wollten. Als Jux, dafür aber nicht weniger vielsagend, zeichneten 20.000 Lütticher eine Unterschriftenaktion, in der sie Lüttich und nicht Mons zur europäischen Kulturhauptstadt küren wollten. Zum einem „diplomatischen Eklat“ zwischen den Stadtvätern von Mons und Lüttich kam es klugerweise nicht. Mons behielt seinen Titel. Und die Stadtväter von Lüttich waren so weitsichtig, des Volkes Aufbegehren aufzufangen und schlugen ihm ein noch größeres und Aufsehen erregendes Projekt vor: Lüttich als Kandidatin für die Internationale Ausstellung von 2017.

Der Museumskomplex Grand Curtius beherbergt u. a. 7000 Jahre Kunst und Archäologie.

Eine vielsagende Anekdote, die die Frage aufwirft, warum das Projekt von den Bewohnern der Maasmetropole selbst mit einer derartigen Begeisterung und großem Engagement getragen wird? Wahrscheinlich, weil niemand anderes als die Bevölkerung selbst ein besserer Zeitzeuge des Wandels wäre, der seit einem Jahrzehnt in Lüttich eingesetzt hat. Um die vorige Jahrhundertwende zehrte die Stadt noch immer von ihrer Vergangenheit als Wiege der Industrierevolution. Dank Kohlebergbau, Stahlindustrie , kleinen und mittelgroßen Handwerks- und Handelsbetrieben florierte Lüttich und strahlte weit über die Grenzen hinaus. Doch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging es brutal bergab. Die Einstellung des Kohleabbaus und die spätere Krise in der Eisen- und Stahlindustrie ließen die 200.000-SeelenStadt mit tiefen Rissen im wirtschaftlichen und sozialen Geflecht zurück.

Calatrava, Arad, Grand Curtius … Anno 2012 ist Lüttich jedoch auf dem besten Weg, das Image einer ehemaligen Industriestadt, die sich aufgegeben hat, komplett abzustreifen. Die Anzeichen des Aufbruchs im Stadtbild sind nicht zu übersehen: Der neue von Santiago Calatrava entworfene Bahnhof, für den nicht nur Architekturliebhaber heute in „Liège Guillemins“ aussteigen. Oder die Médiacité, eine ShoppingMall, zuzüglich Freizeitangeboten und

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Medienunternehmen, die Lüttich vom weltberühmten britischen Industriedesigner und Architekt Ron Arad bauen ließ: Im Stadtbild liegt sie auf der gleichen Achse wie der Bahnhof mit seiner überwältigenden Dachkonstruktion. Oder noch „Le Grand Curtius“, ein Museumskomplex mit Gärten und Brasserie im historischen Altstadtviertel Féronstrée, … Weitere mit Prestige behaftete Projekte sind in Planung: ein internationales Kunstzentrum, eine neue Straßenbahn, eine Museumsinsel im Boverie-Park, …

Vom Kohlenpott zum Logistikhub Unverkennbar: Lüttich blickt nach vorn, nicht nur auf urbanistischer und kultureller Ebene, sondern auch wirtschaftlich.

Von traditionellen Industrieaktivitäten sind die Unternehmen allmählich auf neue Technologien und Branchen umgestiegen. Für Lüttich, das seine zentrale geografische Lage in Nordwesteuropa seit jeher als As aus dem Ärmel schütten kann, lag die Entwicklung einer hochspezialisierten und komplementären Logistikinfrastruktur auf der Hand. In wenigen Monaten beginnen in Hermalle-sous-Argenteau, im Norden von Herstal, die Bauarbeiten für den „Trilogiport Terminal“, der den Lütticher Binnenhafen – der größte nach Paris und Duisburg – zum Hinterlandhafen für Antwerpen und Rotterdam ausbauen wird. „Trilogiport“ heißt, dass es sich um eine Logistikplattform handelt, die 11

die Güterbeförderung per Schiff, Bahn und LKW kombiniert. 2000 Arbeitsplätze können durch diese Investitionen entstehen. Ein anderer, Mitte der 90er Jahre gereifter Plan für die Weiterentwicklung Lüttichs zum Logistikhub ist aufgegangen und präsentiert sich als jüngste Erfolgsstory: Innerhalb von 2 Jahrzehnten hat der Regionalflughafen von Bierset sich zum siebtgrößten Frachtflughafen Europas entwickelt. Zudem besitzt „Liège Airport“ weiteres Entwicklungspotenzial sowohl für Fracht- als Passagierflüge. Der geplante Ausbau des Flughafens könnte zu einer Verdoppelung Xx der 10.000 direkten und indirekten Arbeitsplätze führen.


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Mehr bits and bytes Das vom wallonischen Unternehmen AMOS gebaute Teleskop.

Das Planck-Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation ESA.

Im Oktober vergangenen Jahres teilte der Stahlkonzern ArcellorMittal mit, seine Warmstahlproduktion in Lüttich definitiv einzustellen. Die Hochöfen in Ougrée und Seraing sowie die Gießerei in Chertal werden ihre Aktivitäten bald für immer hinunterfahren. Dennoch hoffen Behörden und Bürger in Lüttich, dass die verlorenen Stellen von neuen Wirtschaftssektoren wettgemacht werden. Verbunden mit der Hoffnung, dass das Organisationskomitee der „Expo internationale“ ihre Entscheidung zugunsten von Lüttich – und nicht für Mitbewerber Astana in Kasachstan – fällt, wollen die Stadtväter auf dem geplanten Ausstellungsgelände in Coronmeuse ein Eco-Quartier hochziehen. Das nachhaltig gebaute und eingerichtete Stadtviertel soll erst die Ausstellungsteilnehmer beherbergen und anschließend in Wohnungen und Handelsräume verwandelt werden und der Maasmetropole ein ökologisches Vorzeigeviertel bescheren. Rund um die Universität von Lüttich und ihren Kompetenzzentren, darunter das umfassende multidisziplinäre GenomProteom-Projekt „GIGA“ und „Wallonia Space Logistics“, haben sich Spin-offs und junge Unternehmen angesiedelt, von denen mehrere auf ihrem Gebiet inzwischen weltweit führend sind. Ihre Arbeiten, Projekte und Zukunftsperspektiven, ob im Bereich der Biowissenschaften, neuen Werkstoffe, Informations- und Kommunikationstechnologien, … haben auch die Thematik der Bewerbung für „Liège Expo 2017“ geliefert: „Connecting the World, Linking People, better living Together“. Oder wie man mit bits and bytes neue virtuelle Autobahnen baut, die die Menschen dieser Welt verbinden und den Transfer von Know-how und Technologien grenzüberschreitend ermöglichen. Lüttich will auf dieser internationalen Ausstellung nicht so sehr die Errungenschaften seiner Bildungs- und Forschungsinstitute und Unternehmen zur Schau stellen, sondern demonstrieren, wie die längst im Westen angekommene neuen Technologien auch weniger entwickelten Weltregionen zugute 12

kommen: mit e-Learning, Fernmedizin, digitalen Bild- und Tonarchiven, Informationen, die jederzeit und überall zugänglich sind, … Für Lüttich – „Liège“ auf Französisch und „Luik“ auf Niederländisch – hat sich der Wandel längst gelohnt: Heute ist die Stadt die Wirtschaftsmetropole Nummer eins der Wallonie. Darüber hinaus zieht es stets mehr Menschen zum Leben an die Maasstadt. Nachdem die Einwohneranzahl bis 2002 konstant zurückgegangen war, steigt sie seit 2003 jährlich um mehrere tausend neuer Bürger an. 2011 zählte die „cité ardente“ ca. 195.000 Einwohner. Inzwischen haben auch die anderen Wallonen erkannt, dass


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in diesem ehemaligen Palast der Weltausstellung von 1905 ist die Sammlung für moderne und zeitgenössische Kunst untergebracht.

dort ein neuer Wind weht: Lüttich ist zum beliebtesten Reiseziel des wallonischen Fremdenverkehrs geworden. Mit einem Großprojekt wie „Expo Liège 2017“ scheint Lüttich nicht nur seinen Bürgern aus der Seele zu sprechen, die die Aufbruchsstimmung an der Maas mit ihrer gewohnten Verve und Begeisterung unterstützen. Auch außerhalb der Provinz weckt die Wiederauferstehung der ehemaligen Speerspitze der belgischen Kohle- und Stahlindustrie anhaltendes Interesse. Und es wird nicht lange dauern, bevor auch die Nachbarn auf der anderen Grenzseite feststellen, dass in Lüttich ein neues Feuer brennt.

Großveranstaltungen Mit der Organisation einer „Expo internationale 2017“ (voraussichtlich 66.000 Besucher pro Tag) wären jedenfalls weder Lüttich noch Belgien überfordert. Ganz im Gegenteil, denn das Know-how der Belgier für die Planung und den tadellosen Ablauf internationaler Großveranstaltungen ist hinlänglich bekannt. Lüttich selbst beherbergt in diesem Jahr nicht zum ersten Mal den Prolog und die Startetappen der Tour de France. Bereits 2004 kam der Maasmetropole diese große Ehre zu teil, Bühne für den Auftakt der Frankreichrundfahrt zu sein. Wie vor 8 Jahren erwarten nicht nur das Tour-de-France-Management und die Fahrer, sondern auch hunderttausende Radsportfans und Schaulustige, dass das Prestige-Event vom 30. Juni bis 2. Juli sicher und ohne nennenswerte Zwischenfälle abläuft, gleichwohl sportliche Spannung und Unterhaltung bietet. Diese Ansprüche erfüllen die Provinz Lüttich und die lokalen Instanzen seit vielen Jahren beim Großen Preis von Belgien in Spa-Francorchamps (2010: 55.000 Besucher), ein Formel-1-Spektakel erster Güte. Ein weiteres internationales Sportereignis, das den guten Ruf Belgiens und Lüttichs bestätigt hat, war die Fußball-EM 2000: Belgien, das diese Europameisterschaft zusammen mit den Niederlanden organisierte, stellte abermals unter Beweis,

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wie man große Menschenmassen von einem Ort zum anderen befördert und dabei die Sicherheit der Zuschauer und Teilnehmer garantiert. Ohne dass Spannung und Spaß unter den Vorkehrungen zu leiden hätten. Erfahrung hat Belgien zudem mit den regelmäßig stattfindenden EUoder NATO-Gipfeltreffen gesammelt. Diese erfordern hohe Sicherheitsund Organisationsstandards. Wenn Lüttich – das für seine Kandidatur nicht nur von der eigenen Bevölkerung angefeuert wird, sondern auch die uneingeschränkte Unterstützung des Föderalstaats und der anderen Regionen genießt – also die „Expo internationale“ ausrichten darf, kommen der Stadt diese Erfahrungen zugute. Gänzlich unbeschlagen ist Lüttich übrigens nicht, wenn es um die Beherbergung internationaler Ausstellungen geht. Man findet heute sogar sehr lebendige Spuren aus jener Zeit, vor mehr als 100 Jahren, als Lüttich 1905 die dritte „Exposition universelle“ in Belgien auf die Beine stellte (1894: Antwerpen, 1897: Brüssel): Heute ist das „Mamac“, das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst (mit Meisterwerken von Picasso, Gauguin und Chagall) im ehemaligen Palais untergebracht. Vielen Lüttichern und anderen Zeitzeugen ist noch die „Exposition internationale de l’eau“ von 1939 in lebhafter Erinnerung: Sie brachte 1 Million Menschen nach Lüttich.


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„EXPO LIÈGE 2017“:

AUFBRUCHSSTIMM Lüttich wirft sich in Schale Die Gärten des Museumskomplexes Grand Curtius in Lüttich.

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An der place Saint Lambert kommt wohl kein Lüttich-Besucher vorbei.

Seitdem der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava den neuen TGV-Bahnhof bauen durfte und dieser 2009 mit großem Pomp eröffnet wurde, beginnt für viele Besucher die Lüttich-Tour dort, wo sie aus dem Zug steigen: direkt über ihren Köpfen. Weiße Betonpfeiler und Eisenträger schwingen sich zu einer geometrischen Symphonie aus Linien, Bögen und Diagonalen empor. Aus der Ferne mutet die Konstruktion wie ein weißes Tuch an, das vom Wind getragen in der Luft eine Welle macht. 50 m hoch ist das monumentale und doch filigran anmutende Dach an seinem höchsten Punkt, bevor es sich (insgesamt 157 m lang) wieder sanft zu den Gleisen hinneigt. Mit dem Prestigebau geht es den Lütticher Stadtvätern um mehr als ein „standesgemäßes“ Umfeld für den TGV-, Thalys- und ICE-Terminal, über den die Maasmetropole direkt mit London, Brüssel, Paris, Amsterdam und Köln verbunden ist.

Rundumerneuerung

© OPT - J.P. Remy

Wie in anderen Städten sind bahnbrechende Bauprojekte oft Ausgangspunkt für eine Rundumerneuerung: Vor Liège Guillemins, obligatorische Haltestation

für alle aus Köln kommenden Züge auf dem Weg nach Brüssel oder London, ist ein neuer Vorplatz geplant. Die Stadt kann sich auch eine Verlängerung der Bahnhofsavenue bis zum Maasufer vorstellen – der freie Blick vom Fluss würde die Calatrava-Welle majestätisch exponieren – und sähe die Flussinsel Boverie gerne in eine Museumsinsel verwandelt. Geplant sind außerdem der Bau eines Finanzturms (120 m hoch), eine Fußgängerbrücke zur Boverie, ein neues Designcenter und ein funkelnagelneuer Boulevard mit Geschäften, Hotels und Wohnungen. Hier schließt eine Stadt definitiv mit ihrer jüngeren Vergangenheit als ergraute Industriestadt ab, die den Niedergang des Kohlebergbaus und die Krise der Stahlindustrie erst verkraften musste. Ins Zukunftsbild passt auch die neue Straßenbahnlinie. Sie soll das hochmoderne, nach ökologischen Maßstäben geplante Ausstellungsgelände Corron– meuse mit dem Bahnhof und dem Stadtviertel Sclessin verbinden. Dieses dürfte übrigens deutschen Fußballfans bekannt sein, denn dort liegt das gleichnamige Stadion des Europa-LeagueTeilnehmers Standard Lüttich.

Große Kunst

Zum Saisonauftakt: ein neues Haus Mit einer unveröffentlichten Oper des jungen Lütticher Komponisten César Franck, Stradella, feiert die „Opéra royal de Wallonie“ im September 2012 die Eröffnung ihres vollständig renovierten Opernhauses. Über der neoklassizistischen Fassade erhebt sich jetzt ein Betonkubus, den eine feingliedrige kupferartige Struktur aus Aluminiumlamellen umgibt. Das ursprüngliche Gebäude aus dem Jahre 1830 ist größtenteils erhalten Xx

geblieben, wurde aber jetzt mit allen technischen Finessen aufgerüstet und entspricht damit dem europäischen Standard. Ein doppelt so hohes Bühnenhaus (36 m), modernste Bühnenanlagen, vier mobile Kulissen und ein großer neuer Proberaum im Kubus, der den Künstlern einen fabelhaften Blick auf die Stadt gönnt … Nicht nur Opernfreunde fiebern der Wiedereröffnung der Königlichen Oper der Wallonie in Lüttich entgegen.

Die architektonische Neugestaltung eines ganzen Stadtviertels befeuert die ExpoAmbitionen der Maasmetropole ungemein und beschert dem einstigen Fürstbistum neue sehenswerte Attraktionen. Mit großer Kunst, alter Architektur, urigen Stadtvierteln, authentischem Flair und Charakter kann die cité ardente, die feurige Stadt, seit eh und je aufwarten. Trotz grober Bausünden in den 70er Jahren führt heute kein Weg an der place Saint-Lambert vorbei. Zierliche Kolonnen erinnern an die einst höchste Kathedrale Europas, gefällt im Zuge der Französischen Revolution. Der imposante Palais des Princes-Evêques, größtenteils noch aus dem 16. Jahrhundert, beherbergt heute das Gericht und die Provinzverwaltung. Kein Besuch an der Maas jedoch ohne einen Abstecher ins 14


WALLONIA EXPORT • JUNI 2012

MUNG AN DER MAAS Mamac, wo Lüttichs Picasso, Gauguin, Monet und Chagall hängen. Das Museum, eingerichtet in einer Halle der ehemaligen Weltausstellung von 1905 und gelegen in einem eindrucksvollen Park, soll nach einem Konzept des Architektenbüros PHD und Ricciotti bis 2015 in ein internationales Kunst- und Kulturzentrum verwandeln.

Lüttich ohne die „Maas“ ... unvorstellbar!

Einen Umweg wert ist auch das Grand Curtius mit einer Sammlung, die 7.000 Jahre Kunstgeschichte beleuchtet. Das Museum liegt mitten in Lüttichs Altstadtviertel Hors Château, wo Kunst und Architektur einerseits, Szenenlokale und volkstümliche Bistrots andererseits eine ganz spezielle Melange ergeben. Bis 2017 will die Stadt in diesem Viertel ein weiteres Kunstmuseum errichten – BAL für Beaux-Arts Liège – in dem ihre außerordentliche Sammlung großer Maler besser zur Geltung kommen soll.

Flair Lüttich, wie es leibt und lebt, erfahren Besucher auch in Outremeuse, wo Krimiautor Georges Simenon aufwuchs und seine Fans heute auf Spurensuche gehen. Besonders lebhaft geht es in diesem quartier am Sonntag zu, wenn der berühme Krammarkt La Batte abgehalten wird. Oder um den 15. August, wenn die Stadt, heute noch stets Bistumssitz, die Muttergottes verehrt und vor allem feuchtfröhlich gefeiert wird.

Immer erreichbar Die ausgesprochen zentrale Lage Lüttichs in Westeuropa hat den Standort für geschäftliche und private Unternehmen überaus interessant gemacht. Mit dem Flugzeug, Zug oder Auto ist der Großraum Lüttich mühelos erreichbar und gleichzeitig die ideale Startrampe für einen Abstecher in andere belgische Städte oder ins benachbarte Ausland. Nur einen Katzensprung entfernt aber liegt die legendäreFormel-1-Rennstrecke Spa Francorchamps, die beim Großen Preis von Belgien bis zu 55.000 Zuschauer lockt. Auch Lüttich kann derartige Mega-Sportspektakel bewältigen, wie die feurige Stadt einmal mehr vom 30.

Juni bis zum 2. Juli 2012 unter Beweis stellt, wenn sie den Prolog und die zwei ersten Etappen der Tour de France organisiert. Mangelnde Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten sind in Lüttich und im Umland also nicht zu befürchten, sollte die internationale Ausstellung 2017 hier über die Bühne gehen. 15

Belgien Tourismus WallonieBrüssel (Deutsche Repräsentanz des Wallonie-Bruxelles Tourismus – WBT) c/o Delegation der Deutschsprachigen Gemeinschaft, der Französischen Gemeinschaft & der Wallonischen Region Belgische Botschaft Jägerstraße 52-53 D-10117 Berlin mice@belgien-tourismus.de Tel.: +49 (0)30 20 60 71 605 Fax: + 49 (0)30 20 60 71 606



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