material+technik möbel Ausgabe 07/2018

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FAC H M AG A Z I N F Ü R D I E K A S T E N – , K Ü C H E N – , B Ü R O – U N D S I T Z M Ö B E L – F E R T I G U N G S OW I E D E N I N N E N AU S B AU · W W W. M AT E R I A L-T E C H N I K . D E · 3 0 8 3 5 M_mt0718_Titel_Surteco_03.indd 1

Wohn- und Küchenmöbel:

Fertigungstechnik:

Sitzmöbelbezüge:

Stauraum in Schränken besser nutzen

Roboter gleichen Fachkräftemangel aus

Hightech-Stoffe werten Polstermöbel auf 10.12.18 14:37


„Unternehmen benötigen Designideen von Menschen, die unkonventionell denken“ Wie werden wir in der Zukunft wohnen und mit welchen funktionellen Lösungen kann der Wohnkomfort verbessert werden? Fragen, mit denen sich alle zwei Jahre weltweit Studierende von Hochschulen befassen, die am International Design Award (IDA) teilnehmen. Bei dem renommierten Wettbewerb der beiden Branchengrößen Hettich und Rehau lassen die Teilnehmer ihrer Phantasie freien Lauf und schrecken auch vor unkonventionellen Einrichtungsideen nicht zurück. Anhand der eingereichten Entwürfe erläutern Dr. Andreas Hettich (Inhaber/ Vorsitzender der Geschäftsleitung Hettich) sowie Ralf Müterthies (Head of Market Intelligence bei Hettich) im Gespräch mit material+technik möbel ­ die Wohnvorstellungen der Studenten und geben einen Ausblick darüber, welche funktionellen Lösungen Hettich der Branche auf der interzum 2019 präsentieren wird.

m+t: Herr Dr. Hettich, der Inter-

national Design Award hat eine Fülle an interessanten Einrichtungsideen gebracht? Seit wie vielen Jahren gibt es den Wettbewerb? Hettich: Unser Unternehmen hat

den Award im Jahr 1997 ins Leben gerufen und zunächst eigenständig veranstaltet. Als der Erfolg und die Resonanz auf den Wettbewerb immer größer und internationaler wurden, haben wir 2007 den Polymerspezialisten Rehau mit ins Boot genommen. Beide Unternehmen hatten zu dieser Zeit gemeinsam an richtungsweisenden Konzepten für die Produktion leichterer Einrichtungsprodukte gearbeitet. m+t: Herr Müterthies, wie war

die Resonanz auf die diesjährige Ausschreibung? Müterthies: Die Beteiligung an unserem 21. Wettbewerb war über-

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wältigend. Wir haben 1.360 Einreichungen aus der gesamten Welt erhalten. Hochschulen aus 71 Ländern haben sich dieses Mal beteiligt.

„Die Entwürfe stammen aus 71 Ländern der Welt“ m+t: Der Award scheint sich damit zu einem echten Ideenpool entwickelt zu haben. Hettich: Das kann man wohl sagen. Seit dem ersten Wettbewerb im Jahr 1997 haben wir über 10.000 innovative und vor allem ungewöhnliche Einrichtungslösungen zugesendet bekommen. Die Spannbreite reicht von simplen und doch spannenden Ideen bis hin zu ausgeklügelten und durchdachten Designs. m+t: Wie realistisch sind die Ideen der Studierenden?

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Macher & Märkte

Dr. Andreas Hettich (r.) und Ralf Müterthies (l.) erläutern Richard Barth die kreativen Einrichtungsideen der Studierenden. Dr. Andreas Hettich (right) and Ralf ­Müterthies (left) explain to Richard Barth the creative furnishing ideas of the students.

Hettich: Bei dem Wettbewerb erwarten wir keine umsetzbaren Produktkonzepte, sondern kreative Ideen, wie sich junge Leute ihre künftige Einrichtung vorstellen und welche Erwartungen sie daran haben. Wir stellen dabei immer wieder fest, dass sich die meisten Entwürfe – sagen wir mal – auf einer ‚höheren Flugebene‘ befinden. Die Studierenden denken gar nicht darüber nach, ob sich ihre Idee auch technisch umsetzen lässt. Das unterscheidet die Entwürfe auch von den Produktideen, die in unserer Entwicklungsabteilung entstehen. Bei uns sind Ingenieure und Metallbauer am Werk, die tagtäglich die Produktionsprozesse unserer Industriekunden bei ihrer Arbeit im Blick haben. Den Studenten geht es dagegen um die Idee, da spielen technische Umsetzungen zunächst einmal keine Rolle.

„Die interzum ist für uns die weltweit wichtigste Messe“

haben uns 2011 daher dazu entschieden, realitätsnahe Lösungen auf der interzum zu präsentieren und für den Award ein eigenes Event zu organisieren. Müterthies: Die Entwürfe der Studenten sind in hohem Maße erklärungsbedürftig und unser Standpersonal hat auf der interzum nicht ausreichend Zeit dafür. Immerhin treffen rund 200 Hettich-Mitarbeiter auf fast 7.000 Standbesucher aus der gesamten Welt. Die erwarten von der führenden Zuliefermes-

se vor allem Produkte und Lösungen, mit denen sie ihren Möbeln einen Mehrwert verleihen können. Das bedeutet aber nicht, dass ­Hettich keine Zukunftsvisionen hat. Im Jahr 1999 und 2009 hatten wir die Küchenvisionen „Concept 2010“ und „Concept 2015“ gezeigt

Die Top-Ten-Entwürfe hängen im Korridor des HettichEntwicklungszentrums aus. The top ten designs hang in the corridor of the Hettich Development Centre.

und für viel Gesprächsstoff auf der Messe gesorgt. m+t: Welche Rolle spielt die

i­nterzum für Hettich? Hettich: Für Hettich ist die interzum mit Abstand das weltweit wichtigste Messeereignis. Das zeigt sich al-

lein darin, dass wir mit einem 1.200 m2 großen Stand vertreten sind. Für die Bedeutung der Messe spricht auch, dass sich unsere Entwicklungszyklen und die der anderen Aussteller an der interzum ausrichten. Wir treffen dort regelmäßig auf Kunden aus aller Welt und präsentieren ihnen Einrichtungsideen, die wir aufgrund unserer breiten Kompetenz in allen Wohnbereichen entwickelt haben. Im Gegensatz zu den Entwürfen der Studenten sind diese Ideen unmittelbar umsetzbar. Daher steht unser Messeauftritt auf der interzum 2019 erneut unter dem Motto „Fascin[action]“. Wie schon 2017 lassen wir unsere Entwickler „querdenken“ und sie neue Stauraumlösungen entwickeln, so dass wir die Messebesucher erneut faszinieren können. m+t: Können Sie uns die eine oder andere Lösung der letzten interzum zeigen? Müterthies: Schauen Sie sich mal diese Stauraumidee für Treppennischen an, die wir 2017 vorgestellt haben. Bei der Realisierung sind mehrere Hettich-Produkte eingeflossen. Aus dem Bürobereich etwa stammt unser „Orgatower“Auszug, der dem Nutzer von beiden Seiten Zugang zum Stauraum ermöglicht. Die grifflose Optik und das komfortable Öffnen verdanken wir unserem elektromotorischen Kühlschrankbeschlag. m+t: Es handelt sich dabei um eine echt „smarte“ Stauraumlösung, die sich schon heute realisieren lässt. Auch die Top-Ten-Entwürfe des Wettbewerbs befassten sich mit dieser Thematik. Wie wurden die Sieger ermittelt? Müterthies: Unter den Einsendungen hat eine größere Gruppe aus beiden Unternehmen anhand von vereinheitlichten Kriterien zunächst die Top 30 ermittelt. Anhand der Vorschläge haben Dr. Hettich und

m+t: Werden die Entwürfe des

Wettbewerbs auf der kommenden interzum zu sehen sein? Hettich: In den Anfangsjahren hat-

ten wir die Entwürfe dem Publikum auf der Messe gezeigt, aber wir haben festgestellt, dass die Einrichtungsideen einfach zu weit von der Umsetzung entfernt waren und unsere Kunden nur verwirrten. Wir

Dr. Andreas Hettich erläutert den Entwurf chinesischer Studenten, bei dem mit Hilfe von Drohnen unerreichbare Stauräume genutzt werden. Dr. Andreas Hettich explains the design of Chinese students with the help of drones to use unreachable storage spaces. ­m aterial+technik möbel 07|18 ­­­7

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Sicam:

Volles Haus zum Zehnjährigen

Zu ihrem zehnten Geburtstag wartete die Sicam in Pordenone mit Bestleistungen auf. Der Zulieferevent war nicht nur größer als je zuvor, sondern erzielte auch das beste Besucherergebnis. Damit erwies sich die italienische Veranstaltung als die größte und wichtigste Zuliefermesse für die Möbelindustrie 2018.

Das zehnjährige Jubiläum der Sicam hätte nicht besser ausfallen können: Mit insgesamt 612 Ausstellern versammelten sich vom 16. bis zum 19. Oktober 2018 mehr Zulieferer der Möbelindustrie als je zuvor in Pordenone. Carlo Giobbi, Gründer und Veranstalter des Events, musste eine temporäre Halle auf dem Messegelände aufstellen lassen, um die hohe Nachfrage nach Ausstellungsflächen erfüllen zu können. In dieser zehnten Halle konnten 40 zusätzliche Anbieter auf 3.500 m2 Fläche untergebracht werden, so dass die Brutto-Ausstellungsfläche auf rund 36.000 m2 wuchs. Die Nettofläche wird mit 16.500 m2 angegeben. Unter den Ausstellern befanden sich zahlreiche Neuaussteller sowie Zulieferfirmen, die mehrere Jahre nicht auf der Sicam ausgestellt hatten. Für den Veranstalter sind die Platzmöglichkeiten auf dem Messeareal mit der mobilen Halle nun allerdings ausgereizt. Mehr Fläche kann und will der Initi­­­10

ator der Sicam nicht zur Verfügung stellen, bekundete er gegenüber Pressevertretern. Wichtigste Auslandsmesse Zehn Jahre nach ihrer Gründung gilt die Sicam in den geraden Jahren als die wichtigste Zulieferveranstaltung für die Möbelin­ dustrie. Zu dieser Feststellung kommen Aus­steller, die bereits beim Debüt im Jahr 2009 dabei waren. „Hinter der interzum hat die Sicam zu 100 Prozent den zweiten Platz der Rang­liste der europäischen Branchen­events eingenom-

men“, unterstreicht Marco Müller, Geschäftsführer von Grass Italien. Der österreichische Beschlaghersteller nahm bereits an der ersten Ausgabe der Sicam im Jahr 2009 teil. Burkhard Schreiber (GF Kesseböhmer) gibt der diesjährigen Ausgabe ebenfalls gute Noten: „Für uns ist die Sicam sicherlich die wichtigste Auslandsmesse. Bei Kesseböhmer hat sich der Eindruck verstärkt, dass die Sicam in diesem Jahr noch mal an Besuchern und Qualität gewonnen hat. Vor allem

ten, auch bei den Besuchern wurden Bestergebnisse erzielt. Allerdings veröffentlicht Veranstalter Giobbi seit einigen Jahren keine Personenzahlen mehr. Stattdessen gibt er die Anzahl der auf der Messe vertretenen Firmen bekannt, was einen Vergleich mit den vorherigen Ausgaben erschwert. Fest steht lediglich, dass sich für die diesjährige Ausgabe mehr Unternehmen als für die Vorjahresveranstaltungen interessiert haben. Laut Schlussbericht kamen Vertreter von

über die vielen Interessenten aus Osteuropa haben wir uns gefreut.“ In den ungeraden Jahren wird die interzum in Köln von der Branche als die weltweit führende Zuliefermesse angesehen. Zur letztjährigen Sicam hatten sich insgesamt 583 Anbieter versammelt. Besucher von 7.765 Firmen, davon 31 Prozent aus dem Ausland, waren zu dem Event angereist.

Carlo Giobbi (r.) und sein Team pusten die Kerzen der Geburtstagstorte aus. Carlo Giobbi (right) and his team blow out the candles on the birthday cake.

Mehr Besucher Die diesjährige Ausgabe konnte nicht nur mit einer Rekordbeteiligung seitens der Aussteller aufwar-

rund 8.065 Firmen zur Messe, was gegenüber dem Vorjahr einem Plus von mehr als 3 Prozent entspricht. Der Anteil der ausländischen Besucher stieg auf 35 Prozent. Da große Firmen in der Regel mehrere Personen auf die Messe schicken, dürfte die Besucheranzahl beim Doppelten oder Dreifachen

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Mit mehr als 8.000 Firmen verzeichnete die Sicam einen neuen Besucherrekord. With a total of more than 8,000 companies, the Sicam fair set a new record for visitors. Mit „Excessories“ feierte bei Salice eine Produktlinie für die Schrankinnenausstattung Premiere. Salice celebrated the premiere of “Excessories”, a product line of interior fittings for cabinets. Photos: Barth

gelegen haben. Im Vergleich zu den Vorveranstaltungen ist auch die Internationalität der Besucher deutlich gestiegen. Laut Veranstalterangaben stammten die Besucher aus 104 Ländern der Welt. Neben den Italienern zählten die Osteuropäer zu den wichtigsten Besuchergruppen. Die Aussteller berichteten aber auch von einem höheren Interesse aus dem asiatischen Raum. Aussteller und Besucher konnten bei der diesjährigen Ausgabe erstmals die öffentlichen Verkehrsmittel in Pordenone nutzen, da der Veranstalter eine entsprechende Regelung mit dem Betreiber geschlossen hatte. Wachsende Angebotspalette Die Einrichtungsindustrie trifft in Pordenone auf ein Angebot, das hauptsächlich von europäischen Zulieferfirmen dominiert wird. Auch wenn die Aussteller aus 34 Ländern der Welt stammten, sind italienische Unternehmen zahlenmäßig am stärksten vertreten. Bei 70 Prozent der Aussteller handelte es sich um inländische Anbieter. Zweitgrößte Ausstellergruppe war Deutschland mit 53 Anbietern, darunter marktführende Unternehmen wie Schattdecor, Pfleiderer, Rehau, Renolit oder Hettich. Für einen internationalen Anstrich sorgten außereuropäische Anbieter wie etwa Kastamonu und Gentas aus der Türkei. Dank der mobilen Extrahalle konnte die Sicam mit einer noch breiteren Angebotspalette aufwarten. Mit dem Branchenneuling Upco aus Deutschland sowie der Firma DTS-Elesgo waren zudem Spezia-

listen für Releasefolien an Bord, die mit ihren Produkten Möbeloberflächen zusätzliche Eigenschaften verleihen. Upco war erst Anfang 2018 ins Leben gerufen worden. Funktionale Oberflächeneigenschaften sind seit Jahren das Metier der Firma DTS, die nach mehreren Jahren Abstinenz wieder auf die Messe zurückgekehrt war. Lückenloses Beschlagsangebot Besonders umfangreich präsentierte sich das Angebot an Möbelbeschlägen und Stauraumlösungen. Hier waren nicht nur alle Marktführer angetreten, sondern auch zahlreiche Neuanbieter. Bei den Möbelscharnieren spielten Komfortfunktionen wie etwa gedämpfte Schließmechanismen sowie alternative Farbausführungen wie z.B. „Titan“ oder „Onyx“ die Hauptrolle. Damit passen die Scharniere besser zu den dunklen Oberflächen, die bei Möbeln derzeit im Trend liegen. Weiterentwicklungen betrafen insbesondere eine schnellere und vereinfachte Montage. Zusätzlich bieten die Anbieter von Schubkastenund Stauraumsystemen den Anwendern noch mehr individuellen Gestaltungsspielraum. Bei den Schubkastenzargen stehen verschiedene Designs zur Auswahl, und auch die Stauraumauszüge in Küchen können immer individueller gestaltet werden. Zahlreiche Produktpremieren Auf der Sicam zeigten die Aussteller meist Neuheiten der interzum 2017 sowie der diesjährigen HolzHandwerk in Nürnberg. Eine Reihe von Unternehmen hatte aber auch

Neuerungen mitgebracht, die erst in den vergangenen Monaten das Licht der Welt erblickt hatten. Immer häufiger testen die Zulieferunternehmen ihre Produkte nämlich vorab auf anderen Messeveranstaltungen wie der Küchenfachmesse EuroCucina in Mailand oder den Herbsthausmessen in Ostwest-

falen. So hatte die zu Hettich gehörende Firma Ambigence auf der Sicam zwar ihr offizielles Debüt, Produkte des Unternehmens waren jedoch bereits auf der ­EuroCucina und dem Salone del Mobile zu sehen gewesen. Ähnlich verhielt es sich auch bei der Ausstattungslinie „Excessories“ von ­m aterial+technik möbel 07|18 ­­­11

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Mit seinem neuen Event hat der Dekordrucker Interprint für die Einrichtungsbranche eine Fusion aus Hausmesse, Kongress, Networking und Party geschaffen. Das ­Interior-Festival „HUB“ bot den Besuchern am 14. und 15. November in kompakter Form nicht nur eine Fülle an Einrichtungsmaterialien, sondern auch Informationen über das Entstehen von Trends und die Entwicklung von Märkten. Gleichzeitig ist es dem Dekordrucker gelungen, einen innovativen Folge­ event für seine „Möbeltage“ auf die Beine zu stellen. Zehn Jahre lang war die Präsentation der Neuentwicklungen am Firmensitz in Arnsberg Taktgeber für die Möbelund Fußbodenindustrie gewesen. Auf den „Möbeltagen“ wurden Kunden aus dem In- und Ausland bei einem gleichermaßen spannenden wie vergnüglichen Themenparcours über die neusten Dekorentwicklungen informiert.

Das Sanaa-Gebäude in Essen war Austragungsort für das HUB-Festival. The Sanaa building in Essen hosted the HUB festival. Photo: Interprint

Gemeinsam die Zukunft des Interieurs gestalten Mit einem neuen Veranstaltungsformat hat Interprint der Einrichtungsbranche frischen Wind verliehen. Mitte November hatte der Dekordrucker zu einem Megaevent unter dem Namen ­„HUB Interior Festival“ nach Essen eingeladen, bei dem die Einrichtungswelt nicht nur über brandaktuelle Möbeldekore informiert wurde, sondern auch viel Gelegenheit zum Austausch hatte. ­­­30

Neues Event-Format kommt an Beim neuen Event war alles anders. Der Bruch mit der Vergangenheit wurde bereits mit der Wahl des Austragungsortes vollzogen: Statt Arnsberg wählte Interprint das ­Sanaa-Gebäude auf dem Areal des UNESCO-Welterbes „Zeche Zollverein“ in Essen. Komplett aus Beton und mit geometrischen, minimalistischen Strukturen war es 2006 von dem gleichnamigen japanischen Architekturbüro konzipiert worden. Das Gebäude verbindet das Erbe der ehemaligen Industriebauten mit der Moderne und bot damit den passenden architektonischen Rahmen für eine Veranstaltung, die mehr als nur eine Dekorschau sein sollte. Die Bezeichnung „Festival“ signalisierte den Besuchern zudem, dass es in der Eventlocation etwas zwangloser vonstatten gehen würde und so war es dann auch: Die Führungen auf den „Möbeltagen“ sind einem lockeren Beieinander gewichen. Das „Networken“ war bei der Neukonzeption des Interprint-Events eindeutig ganz oben auf der Aufgabenliste gestanden.

Den Gästen wurde hierzu jede Menge Gelegenheit geboten, da Interprint auch die Partnerunternehmen Technocell, Hornschuch, Rehau, Flai, Sesa, MKT s­ owie Hueck in die Marktplatzatmosphäre eingebunden hatte. Wie bei einem Musikfestival war auch die Veranstaltungsdauer begrenzt: An den beiden Veranstaltungstagen erwartete die Besucher ein jeweils sechsstündiges Programmangebot, aus dem sich jeder das herauspicken konnte, was seinen Wünschen und Vorstellungen am besten entsprach. Der große Erfolg der Premierenveranstaltung beweist, dass die „neue Freiheit“ bei den Besuchern bestens ankam: Über 600 nationale und internationale Besucher aus über 250 Unternehmen ließen sich von dem „HUB Festival“ inspirieren und nutzten die After Show Party zum weiteren Netzwerken. Material-Vielfalt Trotz der großen Bandbreite an Informationen und Impulsen kamen die Dekorneuheiten nicht zu kurz. Sie wurden im zweiten Stock des Sanaa-Gebäudes unkonventionell in Szene gesetzt. Neben Aktionsflächen, die Neuentwicklungen präsentierten, trafen die Besucher acht Inszenierungen von bekannten Dekoren, wie etwa ­„Ambassador“ oder „Katthult“ an. Alle Dekore waren auf den voraus-

Über die „HUB“-App wurden Raum-Visualisierungen mit dem Dekor sichtbar. The “HUB” app displayed room visualizations with the decor. Photo: Interprint

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Daniel Heitkamm (l.) und Salvatore Figliuzzi (r.) bereiten die „Soup of the day“ zu. Daniel Heitkamm (left) and Salvatore Figliuzzi (right) prepare the “Soup of the day.” Photo: Interprint Festival ebenfalls vor: Bei einem Hybriddekor wurde mit Hilfe eines bedruckten Overlays eine dekorative Überlagerung des Dekors erzielt und damit ein originelles Design kreiert. Ausgestellt war auch ein Phantasiedekor, dessen Muster sich über fünf Meter ohne Wiederholung erstreckt und das mit Hilfe der Digitaldruck-Technologie realisiert worden war. Im klassischen Dekortiefdruck wäre ein solcher Rapport nicht umsetzbar gewesen.

gegangenen ­„Möbeltagen“ in die „Six Pack“-Auswahl gekommen und hatten Karriere gemacht. Indem sie die Kurzlebigkeit hinter sich gelassen haben, sind die Dekore in den Augen des Dekordruckers zu Protagonisten für Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit geworden. „Diese Dekore haben Potenzial, zum Design-Klassiker zu werden“, findet Salvatore Figliuzzi (Director of Marketing & Design). „Durch ihre erneute Präsentation legen wir den Fokus auf Beständigkeit und Langlebigkeit von Design und geben so den Produkten ihre Wertigkeit wieder.“ Bei den Neuentwicklungen setzte das Designteam auf Materialvielfalt. Während „Artisan“ sich in einem weichen ­Eichenton präsentierte, griff „Titan One“ den aktuel-

Asiatisch inspiriert: die Neu­ entwicklung „Aris“. Asian-inspired: the new development “Aris”. Photo: Barth len Metalltrend auf. An zerbrochene Keramik erinnerte dagegen das Dekor „Aris“, das – von der asiatischen Wabi-Sabi-Ästhetik inspiriert – mit kontrastreichen Klebefugen die Schönheit des Unvollkommenen symbolisiert. Bei unifarbenem Dekorpapier arbeitet Interprint künftig mit dem ­Dekorpapierhersteller Technocell zusammen. Anstelle von gedruckten Unis können Holzwerkstoffhersteller farblich passende Dekorpapiere von Technocell beziehen oder alternativ als Finishfolie von ­Interprint. Auf dem Festival wurden sechs Trendfarben präsentiert.

Technologische Highlights Neue Gestaltungsmöglichkeiten mit Hilfe modernster Drucktechnologien führte Interprint auf dem

Shaping the future of interiors together With a new kind of event, the decor printing specialist Interprint has given the interior design industry a breath of fresh air. After a two-year creative break, the company invited its customers to the “HUB Interior Festival” on 14 and 15 November in the Sanaa building on the area of the UNESCO World Heritage Site “Zeche Zollverein” in Essen. In addition to Interprint, the partner companies Technocell, Hornschuch, Rehau, Flai, Sesa, MKT and Hueck also exhibited. Over 600 national and international visitors from more than 250 companies were presented not only with decorative novelties on the two days of the event, but also, from eight well-known speakers, were offered a wealth of information about the emergence of trends and the development of markets. At the After-Show Party, the participants also had the opportunity to network. Interprint intends to hold the Interiors Festival in the even years and alternating with interzum. With this decision, the decor printing specialist also signals its goal of contributing to greater value and longevity in design in the furnishing industry.

Hat Potenzial zum Design-Klassiker zu werden: „Artisan“. Has potential to become a design classic: “Artisan”. Photo: Barth Mit Hilfe des ausgestellten Musters demonstrierte Interprint gleichzeitig die Bedeutung eines gelungenen Zusammenspiels aller Parameter für ein perfektes Resultat und übertrug diese Erkenntnis auch auf das neue Event: Am Ende jedes Veranstaltungstages fassten die Interprint-Designer unter dem Motto „Soup of the day“ die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und forderten zu gemeinsamen Schritten auf. ­m aterial+technik möbel 07|18 ­­­31

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Büromöbel werden flexibel und mobil

Interessenten aus 142 Ländern nach Köln gereist.

Die Arbeitswelt verändert sich und mit ihr die Büroeinrichtung. Auf der Orgatec in Köln konnten sich die Besucher in Erfahrung bringen, mit welchen Lösungen die internationale Büromöbelindustrie auf diesen Wandel reagiert, und sich über die neuen Design- und Materialtrends informieren. Über 63.000 Interessenten waren hierzu nach Köln gereist. In den vergangenen Jahren hat sich der Arbeitsalltag in den Büros kräftig gewandelt. Durch die Digitalisierung hat sich nicht nur der Bedarf an Stauraum verändert, auch die Arbeitsweise ist eine andere geworden. Dazu kommen ein verändertes Verhältnis zur Arbeit bei den Berufsanfängern und ein völlig anderer Lifestyle der Generation Y (Millennials), die bereits mit den digitalen Medien groß geworden ist. Auf der Orgatec, die vom 23. bis zum 27. Oktober in Köln stattfand, stellten sich über 750 Anbieter (2016: 664) dieser neuen Heraus-

forderung. Davon stammten 566 Unternehmen aus 39 Ländern der Welt. Die diesjährige Ausgabe hatte das Thema „culture@work“ zum Motto, erstreckte sich über sieben Hallen und war mit 130.000 m2 Fläche größer als die Orgatec 2016. Allerdings hatte die Koelnmesse auch die Kongressmesse „archi­tectureworld“ und den „Deutschen Hoteltag“ als Zusatzveranstaltungen gewinnen können. Beide Events hatten im Vorjahr in Duisburg stattgefunden. In der Messehalle 10.1 standen beiden Veran1

staltungen im Rahmen der Orgatec rund 6.000 m2 Ausstellungsfläche zur Verfügung. Neben zahlreichen Anbietern von Büromöbeln und Akustiklösungen stellten in den Messehallen Anbieter von Bezugsmaterialien wie Hornschuch/Continental, Crevin, Fidivi und Englisch Dekor, Furnieranbieter wie etwa die Firma Muto, der Vliesstoffspezialist Sandler oder Alfa Klebstoffe aus. Das erweiterte Angebot auf der Orgatec zog laut Angaben der Messeleitung 15 Prozent mehr Besucher als 2016 an. Insgesamt waren über 63.000 2

Lücken im Angebot Obwohl nahezu alle namhaften Büromöbelproduzenten an Bord waren, gab es dennoch Lücken im Angebot: Der Österreicher Bene präsentierte seine Produkte in seinem Kölner Showroom, Steelcase befand sich ebenfalls nicht unter den Teilnehmern, stellte jedoch durch die Übernahme des exklusiven Vertriebs im deutschsprachigen Raum der spanischen Möbelkollektion Viccarbe indirekt aus. Lösungen des Spaniers waren im Rahmen der Sonderschau „Work to go“ zu sehen. Steelcase hat 2018 aber auch sein Firmenimperium ausgebaut. Im Sommer hatte der Büromöbelriese die Übernahme der britischen Firma Orangebox bekannt gegeben. Bene zeigte außerhalb der Messe Ergänzungen und Weiterentwicklungen seiner Möbellinien „Pixel“ und „Studio“. Rückenwind Wie Steelcase konnten die meisten Anbieter mit gut gefüllten „Kriegskassen“ zur diesjährigen 1| Der futuristische Arbeitstisch von König + Neurath entpackt sich und stellt sich auf den Nutzer ein. At König + Neurath, the futuristic worktable unpacks itself and adjusts to the user. Photo: Barth 2| Wini hatte einen Sitz-StehTisch mit der weltschnellsten motorischen Verstellung mitgebracht. Wini had brought along a sitting-standing table with the world’s fastest motor-driven adjustment. Photo: Wini

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3| Beim Programm „Cubas“ von Assmann ist jeder Regalwürfel drehbar. In the “Cubas” series by Assmann, each of the cuboid elements can be turned around. Photo: Assmann 4| Bei Interstuhl ist die Rückenlehne des Stuhls „PUREis3“ aus Spezialkunststoff und ermöglicht das „Active Sitting“. The backrest of the “PUREis3” chair by Interstuhl is made out of a special plastic and enables “active sitting”. Photo: Barth

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Orgatec antreten. Die Geschäfte waren in den vergangenen Jahren nicht nur auf dem deutschen Markt gut verlaufen. Der IBA (Industrieverband Büro und Arbeitswelt e.V.) informierte zur Messe über ein Umsatzplus seiner Mitglieder in Höhe von 5,5 Prozent in den ersten acht Monaten 2018. Laut Verband sind die Jahresumsätze der Büromöbelindustrie zum fünften Mal in Folge gewachsen. An­gesichts hoher Mieten in den Metropolen und der Erfordernis einer effizienten Nutzung der Geschäftsräume sind die Ansprüche der Firmen an ihr Büromobiliar gestiegen und haben die Nachfrage angekurbelt. Völlig neue Typen von Möbeln mussten erdacht werden, und die Fabriken mussten Produktion und Beschaffung vielfach komplett überdenken und neu organisieren. Schließfachschränke Dies spiegelte sich auf der diesjährigen Orgatec wider. Auf ihr prägten Sitzmöbel und Polsterprogramme das Messebild, während Stauraumprogramme ins Hintertreffen gerieten. Letztere zeigten sich im Wesentlichen auf reine Schließfachschränke reduziert, in denen der Arbeitstätige seine persönlichen Sachen einschließen kann. Die Zunahme der temporären Arbeitsweise bzw. der Heimarbeit führt dazu, dass die Arbeitstätigen vielfach keinen eigenen Arbeitsplatz mehr haben oder benötigen und sich beim Betreten des Unternehmens erst einen Arbeitsplatz organisieren müssen. Hierfür halten die Anbieter verschiedene Software- und App-Lösungen bereit, die wie bei Nowy Styl etwa auf Displays die Belegung des jeweiligen Schreibtisches anzeigen. „YoYo“ von Kesseböhmer Ergonomie ist eine smarte Plattform, mit der sich ein Arbeitsplatz buchen lässt und die Tisch und Stuhl auch gleich die individuellen Einstellungen des

5 Mitarbeiters übermittelt. Darüber hinaus verfügt das System über eine Schnittstelle zum Facility-­ Management. „Zwitterstühle“ und multifunktionelle Tische Da der Anteil der Projektarbeit in vielen Unternehmen zugenommen hat, musste die Büromöbelindustrie neue Möbeltypen entwerfen, die auf die neuen Anforderungen besser zugeschnitten sind. Die Zunahme an Projektarbeit hat eine neue Generation an Stühlen und Tischen notwendig gemacht, die komfortables Arbeiten auch über Stunden hinaus erlauben. Neue Konferenztische verfügen über eine eingebaute Höhenverstellung, andere Tische ließen sich im Handumdrehen in eine Beschriftungsoder Projektionswand umfunktionieren. Auch ohne komplizierte ­Einstellungsmechaniken stellen sich die Stühle dank einer automatischen Gewichtsanpassung auf wechselnde Benutzer ein und lassen sie während der Projektarbeit komfortabel sitzen, beispielsweise der Stuhl „se:flex“ von Sedus oder „ConWork“ von Klöber. Im Design zeigten sich die neuen Drehstühle sehr filigran. Wohnlichkeit zieht in die Büros ebenfalls ein. Davon zeugten nicht nur die Hollywoodschaukeln, die etwa bei Interstuhl ausgestellt waren, sondern auch die zahlreichen Loungepolstermöbel. Als Spezialist

6 für Bürodrehstühle präsentierte ­Interstuhl unter dem Namen „HUB“ seine erste modular aufgebaute Produktlinie für die Kommunikationszonen in Büroräumen. Dorthin sollen sich die Mitarbeiter zum Relaxen zurückziehen können oder auch die Möglichkeit haben, in relaxter Umgebung zu arbeiten. Hierfür können die Polstermöbel mit Tablar, Steckdosen für Strom, USB-Anschluss und einer integrierten Ladestation für Handys ausgestattet werden. Vitra konzipierte mit „Soft Work“ ein modulares Sofaprogramm für Menschen, die einen Teil ihrer Arbeit an Flughäfen oder sonstigen öffentlichen Plätzen verrichten und bei denen die Grenzen zwischen Büro und öffentlichem Raum verschwinden. Sitz-Steh-Tische Laut Angaben des Branchenverbandes IBA sind Sitz-Steh-Tische­­ in den vergangenen Jahren zu den Wachstumstreibern der Büro­ möbelindustrie geworden. Entsprechend vielfältig gestaltete sich das Angebot, das von simplen mechanischen Lösungen mit Kurbel bis hin zu futuristischen Lösungen auf dem Messestand von ­König + Neurath reichte. Dieser Aussteller hatte zusammen mit Kesseböhmer Ergonomie eine Studie zu einem Arbeitstisch realisiert, der sich aus seiner Verpackung heraus selbst aufrichtet und in die ge wünschte Arbeitsposition bringt.

5| Das Regal von Ophelis ist aus recycelten Stoffresten gebaut. The shelving unit by Ophelis is made out of recycled fabric scraps. Photo: Barth 6| Filigran und mit Membranrücken zeigt sich „Cosm“ von Herman Miller. “Cosm” by Herman Miller has a membrane back and a filigree look. Photo: Herman Miller Das Entwicklungsprojekt „KN Worker“ verfügt über einen Gelenkmechanismus und über eine FlipchartFunktion oder wahlweise eine interaktive Arbeitsfläche. Wini konnte mit „WINEA FLOW“ kontern, dem laut Firmenangaben schnellsten Motortisch der Welt. Die zusammen mit Linak, einem Spezialisten für motorische Höhenverstellung, entwickelte Lösung war zur Orgatec serienreif und lieferbar. Laut Angaben des Produzenten funktioniert die Verstellung in nur sieben Sekunden, während bisherige motorische Lösungen nahezu die doppelte Zeit benötigen. Weiteres Feature des Tisches ist seine intuitive Bedienung: Durch Anheben- oder Absenken der Tischecke wird die Verstellung ausgelöst. Beim Verschieben der Tischplatte hebt sich zudem synchron zur Platte ein Liftkanal und ermöglicht eine übersichtliche Elektrifizierung. Neben Bürotischen können sich

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