material+technik möbel Ausgabe 01/2019

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FAC H M AG A Z I N F Ü R D I E K A S T E N – , K Ü C H E N – , B Ü R O – U N D S I T Z M Ö B E L – F E R T I G U N G S OW I E D E N I N N E N AU S B AU · W W W. M AT E R I A L-T E C H N I K . D E · 3 0 8 3 5

Innovationen für die Möbel von morgen

Vernetzung für die digitale Zukunft

Nachhaltigkeit gibt Polstern Perspektive

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Prognosen. Trends. Innovationen.

So war es und so wird es

Photo: Fotolia.com/莉叶 朱

Das Jahr 2018 ist Vergangenheit. Für die deutsche Wirtschaft ist es positiv verlaufen. Die Einrichtungsbranche konnte davon nicht im gleichen Maße profitieren und zeigt sich enttäuscht. Für das begonnene Jahr äußern sich die führenden Wirtschaftsinstitute nur vorsichtig optimistisch. Trumps Handelspolitik sowie die Brexit-Debatte bringen Risiken mit sich und zählen zu den großen Herausforderungen des Jahres 2019. material+technik möbel hat Vertreter der Industrieverbände und namhafter Zulieferunternehmen nach ihren Erwartungen für 2019 und die wichtigsten Kennzahlen und Prognosen der Wirtschaftsinstitute auf den folgenden Seiten zusammengetragen. ­­­6

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Prognosen. Trends. Innovationen.

Wirtschaftwachstum Welt

Die Weltkonjunktur wird sich nach Angaben führender deutscher Wirtschaftsinstitute 2019 weiter eintrüben. Erste Anzeichen stellten die Experten bereits in den letzten Monaten des abgelaufenen Jahres fest, so dass sie am Jahresende ihre Prognosen reduzierten. Nach Angaben des IfW Kiel (Institut für Weltwirtschaft Kiel) hat die Weltproduktion 2018 voraussichtlich um 3,7 Prozent zugenommen, in gleichem Umfang also wie im Jahr 2017. Für 2019 zeigen sich die Wirtschaftsforscher etwas vorsichtiger und rechnen nur noch mit einem Wachstum von 3,4 Prozent. Ursprünglich hatten sie 3,5 Prozent prognostiziert. Der IWF senkte seine Prognose um 0,2 auf 3,5 Prozent. Während das IfW Kiel 2020 mit der gleichen Steigerungsrate wie 2019 rechnet, sieht der IWF ein weltweites Wachstum von 3,5 Prozent voraus.

Wohnungsbau

Beim Wohnungsbau geht es weiter aufwärts. Laut Angaben des Deutschen Baugewerbes ist für 2018 mit der Fertigstellung von rund 300.500 Wohnungen zu rechnen. Im gerade begonnenen Jahr soll diese Zahl nochmals steigen, hier werden voraussichtlich 315.000 bis 320.000 Wohneinheiten fertiggestellt. Als Treiber dieser positiven Entwicklung sehen die Experten allerdings weniger die Ein- und Zweifamilienhäuser. Für das vergangene Jahr erwartet das deutsche Baugewerbe hier lediglich eine ähnlich hohe Zahl an Fertigstellungen wie im Jahr davor, also etwa 106.000 bis 108.000 Wohneinheiten. 2019 soll die Zahl auf rund 112.000 steigen. Beim Mehrfamilienhausbau gehen die Experten dagegen für 2018 von einem Plus von 12 Prozent auf 138.000 Wohneinheiten aus. 2019 soll das Wachstum andauern, aber nicht mehr ganz so hoch ausfallen. Das Deutsche Baugewerbe rechnet nur noch mit einer 7-prozentigen Steigerung. Das wären rund 148.000 Wohneinheiten.

Jan Kurth (Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie): „Deutsche Möbel­industrie wird sich 2019 behaupten“

„Die deutsche Möbelindustrie blickt auf ein schwieriges Jahr 2018 zurück. Zwar verbleibt unter dem Strich statistisch eine geringfügige Umsatzsteigerung von rund einem Prozent, doch kann dies nicht über die enormen Herausforderungen der Branche und die unterschiedlichen Entwicklungen der Teilbranchen hinwegtäuschen. Die erst im Spätherbst einsetzende leichte Belebung reichte insbesonders in den klassischen Wohnmöbelsegmenten nicht aus, um die entstandene Lücke zu schließen. Einzig die Segmente Küche und Büro konnten sich von dieser Entwicklung positiv abheben. In einem schwierigen Marktumfeld wird sich die deutsche Möbelindustrie aber im gerade begonnenen Jahr 2019 behaupten. Dies im Wesentlichen wegen nachfolgender Faktoren: Der Inlandsmarkt wird sich vor dem Hintergrund einer leicht positiven Konsumnachfrage, stei-

gender Nettoeinkommen und robuster Baukonjunktur stabil entwickeln. Hierbei wird es den deutschen Herstellern trotz hoher Importkonkurrenz gelingen, ihre Marktanteile zu verteidigen. Dies umso mehr, wenn es im Schulterschluss mit dem Handel möglich ist, die Themen Wohnen und Einrichten „made in Germany“ stärker in den Vordergrund zu stellen. Das ist unser erklärtes Ziel, und auch deshalb haben wir im Herbst die Kampagne #zuhausesein gestartet. Zudem wird die Branche mit Unterstützung des Verbandes das Exportgeschäft konsequent weiterentwickeln und zusätzliche Marktanteile in definierten Zielländern erobern. Eine erneut erfolgreiche imm cologne/LivingKitchen setzt wichtige Impulse und schiebt das Möbeljahr nachhaltig an. Die Doppelmesse ist der mit Abstand wichtigste Branchenevent des Jahres. Vor diesem Hintergrund gehen wir für das Jahr 2019 von zumindest stabilen bis sogar leicht wachsenden Branchenumsätzen aus. Unsere Auftaktmesse, die imm cologne/LivingKitchen, ist mit einem ausgezeichneten Ergebnis in sehr guter Stimmung zu Ende gegangen. Rund 150.000 Besucher ließen sich von den Einrichtungs- und Küchenwelten inspirieren. Mit einem Anteil von 52 Prozent ausländischen Fachbesuchern präsentierte sich das Messeduo so global wie nie zuvor. Dies wird den Export von Möbeln „made in Germany“ zusätzlich ankurbeln.“ Photo: VDM

Wirtschaftswachstum Deutschland

Die führenden Wirtschaftsinstitute sagen für 2019 einen gebremsten Aufschwung in Deutschland voraus. Fast alle Institute haben ihre Prognosen für das abgelaufene und das gerade begonnene Jahr zurückgeschraubt. Die Wirtschaftsexperten des IfW Kiel (Institut für Weltwirtschaft Kiel) erwarten für 2018 lediglich ein Plus in Höhe von 1,5 anstelle von 1,9 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt. Für 2019 und 2020 rechnet das Institut jeweils mit einem Zuwachs von 1,8 Prozent. Bislang war das IfW von einem Plus von 2 bzw. 1,9 Prozent ausgegangen. Deutlich pessimistischer zeigen sich das Ifo-Institut und der Internationale Währungsfond (IWF) in seinen Prognosen. Für 2019 rechnen sie lediglich mit einem Plus von 1,1 bzw. 1,3 Prozent. Optimistischer lauten die Prognosen für das folgende Jahr, wo die Experten beider Institute ein Wachstum von 1,6 Prozent erwarten. ­m aterial+technik möbel 01|19 ­­­7

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Prognosen. Trends. Innovationen.

„Die Nische ist das neue Normal“ Auf dem HUB-Festival des Dekordruckers Interprint Mitte November 2018 machte Barbara Busse die Teilneh­ mer mit weltweiten Trendentwicklungen bekannt, die maßgeblichen Einfluss auf die Einrichtungsbranche haben werden. Mit ihrem Wissen über die Megatrends der Zukunft und deren Auswirkungen unterstützt sie Unternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte. material+technik möbel fragte bei Busse nach, wer die Möbelkäufer von morgen sind. m+t: Frau Busse, Sie sind als ­Expertin für Trendresearch, Busi­ ness Innovation und Produkt­ design bekannt. Könnten Sie sich den Lesern, die nicht auf dem ­Interprint-HUB-Festival waren, kurz vorstellen? Busse: Nach meinem Designstudium war ich in internationalen Agenturen und Konzernen in Sydney, London, Santiago de Chile und München tätig. Bevor ich im September 2016 die Designagentur Future+You gegründet habe, war ich acht Jahre lang im Telekom Design als Creative Director verantwortlich für verschiedene Themen. m+t: Für Einrichtungsunterneh­ men ist es von enormer Bedeu­ tung, nicht nur auf kurzfristige Trends zu reagieren, sondern auch die künftigen Käufer im ­Visier zu haben und für sie die richtigen Produkte zu entwickeln. Auf welche Käufergruppe sollte sich die Einrichtungsbranche vor­ bereiten? Busse: Für die gesamte Konsumgüterindustrie und damit auch für die Einrichtungsbranche ist die Generation Z von sehr großer Bedeutung. Das sind die bis 22jährigen, die sich in den nächsten Jahren ihre ersten Wohnungen einrichten. Global betrachtet, werden sie bald die stärkste Konsumentengruppe sein. Sie sind mit Internet und Mobilfunk aufgewachsen. Individuelle und schnell verfügbare Produkte und Services sind für sie selbstverständlich. Schon in wenigen Jahren ­­­12

Barbara Busse ist Inhaberin der Design-Agentur Future+You. Barbara Busse is the owner of the Future+You design agency. Photo: Busse

werden sie Häuser und Büros einrichten. Die traditionellen Wertschöpfungsketten in der deutschen Industrie sind darauf noch nicht ausgelegt. Deutschland rangiert in der Digitalisierung im unteren Mittelfeld. Das liegt sowohl am schlechten Netzausbau, nachweislich aber auch an mangelnden Investitionen inhabergeführter Unternehmen. Firmen, die von einem Managementteam geführt werden, investieren doppelt so viel in Forschung und Entwicklung. Die fehlende Digitalisierung stellt übrigens für die deutsche Wirtschaft eines der größten Risiken dar. „Warten ist keine Option, sondern ein Fehler“ m+t: Das kommt einem vernich­ tenden Urteil über die Zukunfts­ perspektiven der deutschen In­ dustrie gleich. Worin unterschei­ den sich denn die Erwartungen und Wünsche der Generation Z? Busse: Stellen Sie sich vor, Sie wachsen damit auf, dass Sie alle TV-Sendungen, Musik, Mode sofort oder innerhalb von 24 Stunden erhalten können. Warten ist für die Generation Z keine Option, sondern ein Fehler! Alles muss per Mausklick verfügbar sein. Die Generation Z teilt sich zudem in soge-

nannte Lifestyle-Tribes auf, deren Lebensstile aus Werten, Normen und ästhetischen Präferenzen bestehen, die sich so grundlegend voneinander unterscheiden, dass man sich von dem bisherigen Verständnis des Massenmarktes abwenden muss. Die Nische ist das neue Normal, und der Massenmarkt besteht aus vielen Nischen. Nachhaltige und ethische Produktion spielt dabei eine ebenso große Rolle wie Individualität. Die Generation Z wurde in eine Umwelt-Havarie geboren und setzt alles daran dies über den eigenen Konsum nicht noch schlimmer zu machen. „Fernsehen und Facebook sind out“ m+t: Aktuell müssen Möbelkäufer noch mehrere Wochen auf ihre Einrichtung warten. Und je indivi­ dueller die Möbel sind, desto län­ ger dauert es. Wie kann die Bran­ che das lösen? Busse: Ich empfehle den Unternehmen, die ich berate, ihre Produkte online in den Kanälen zu vermarkten, in denen sich auch die Zielgruppe bewegt. Jüngere Menschen schauen weder TV noch lesen sie Zeitschriften. Facebook ist out. Instagram, Conversational Commerce und Voice Vommerce werden sich als starke Absatzkanäle etablieren. Dazu kommen das Zahlen per Paypal, das Nutzen von Konfiguratoren sowie von vorausschauenden Analysen. Möbelproduzenten sollten unbedingt auch diese

Kunden fragen, was sie wollen, und ihnen ermöglichen, das Angebot mitzugestalten. Außerdem sollten die Unternehmen überlegen, welche Bestell- und Produktionsschritte in Echtzeit miteinander verzahnt sein müssen, um individuelle und schnell verfügbare Produkte zu realisieren. m+t: Da kommen eine Menge Hausaufgaben auf die Einrich­ tungsbranche zu! Denken Sie, dass die Einrichtungsbetriebe das bewerkstelligen können, und ken­ nen Sie Firmen, die aus Ihrer Sicht bereits für die Generation Z aufge­ stellt sind? Busse: Tylko ist ein polnischer Möbelhersteller, der seinen Kunden einen Konfigurator als App anbietet. Über das Mobiltelefon kann der Kunde Möbel in einer virtuellen Darstellung in seine Wohnung einpassen. Die Genauigkeit liegt bei etwa zehn Zentimetern, und er kann Form und Farbe frei bestimmen. Das solllte jeder mal probiert haben. Die Bestellung aus der App ist dann innerhalb von zwei bis drei Wochen beim Kunden. Passgenau und einzigartig. Die Retourenrate liegt laut Angaben von Tylko unter einem Prozent. Ein weiteres gutes Beispiel ist der Textilhersteller WOVNS aus den USA. Hier werden Textilien „digital“ gewebt, und ich kann kleinste Abschnitte im Wechsel weben. Ein Code wird mit eingewebt, der später ermöglicht, das Teilstück richtig zuzuordnen. Also individuell weben ab einem Meter.

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Prognosen. Trends. Innovationen.

Bereit sein für die Generation Alpha Megatrends und deren Auswirkungen auf die Einrichtungsbranche standen im Mittelpunkt einer Veranstaltung, die während der imm cologne und LivingKitchen unweit des Messegeländes stattfand. Zusammen mit dem RAL Institut als Co-Veranstalter informierte Julia Greven über künftige Herausforderungen für die Einrichtungswelt

terstützen. Zu ihren Kunden zählen auch Unternehmen aus der Einrichtungsbranche wie beispielsweise der Dekoroberflächenspezialist Impress Surfaces oder der noch junge Smart Living Anbieter Kimocon, welcher erstmals auf der imm cologne im Bereich Future Technology ausstellte. Die Teilnehmer des „Trend-Frühstücks“ konnten sich im Anschluss auf dem Messestand von Kimocon von der Umsetzung wesentlicher Megatrends überzeugen. Das Unternehmen hat sich zur Aufgabe gemacht, vernetzte und ergonomische Smart-Home-Lösungen zu entwickeln und sieht sich als offene Plattform für das Wohnen der Zukunft. In ihrem knapp zweistündigen Vortrag informierte Greven nicht nur über die Entstehung von Trends, sondern zeigte den Teilnehmern auch auf, welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Digital-Zeitalter die Gewohnheiten und Bedürfnisse der Konsumenten maßgeblich verändern. Wie Greven ausführte, habe das Zukunftsinstitut insgesamt zwölf Megatrends definiert. Die Trendwahrnehmung hänge allerJulia Greven (philla BrandXitement) und Markus Frentrop (Leiter RAL Farben) begrüßen die Teilnehmer des Trend-Updates. Julia Greven (philla BrandXitement) and Markus Frentrop (Global Head of RAL Colours) greet the Trend Updates participants.

Ready for generation alpha Bei „philla’s Wednesday No 4“, der am Vormittag des 16. Januar einen Steinwurf entfernt vom Kölner Hauptbahnhof stattfand, informierte Julia Greven Gäste aus Architektur, Kunst, Design, Dekormanagement, Produktentwicklung, Marketing und PR anhand von Beispielen über aktuelle und künftige Trends, die Einfluss auf unser Wohnen, Leben und Arbeiten nehmen. Für über 30 Interessenten war ihr Vortrag zugleich ein passender Einstieg in den Messetag auf der imm cologne und LivingKitchen, die auf der anderen Rheinseite gerade Halbzeit feierten. Veranstaltungsort für das „Trend-Frühstück“ war das 2018 eingeweihte „Design

Offices Dominium“, ein innovatives Co-Working- und Eventzentrum, das die Veränderungen in der Arbeitswelt widerspiegelt. Trendscouting und Marketingberatung Nachdem Greven über 17 Jahre lang den Markenaufbau und das Marketing im väterlichen Betrieb, Cabinet Schranksysteme AG, in Kerpen verantwortet hatte, nutzt sie seit 2016 ihre langjährigen Erfahrungen und ihr Wissen, um mit ihrer Firma „philla BrandXitement“ Unternehmen aus den unterschiedlichsten Konsumbereichen beim Markenaufbau und vor allem bei der Marktpositionierung zu un-

Megatrends and their effects on the interior design industry were the focus of the event “philla’s Wednesday No 4”, which was hosted by Julia Greven and the RAL Institute at the “Design Offices Dominium” in Cologne. Since 2016, the trend and marketing expert and her company, “philla BrandXitement”, have supported a range of businesses in their brand development and market positioning. Greven previously worked as Head of Brand Development and Marketing in her father’s company, Cabinet Schranksysteme AG, for 17 years. In her talk, Greven presented four central trends, “Smart Living”, “Healthy Living”, “Natural Living” and “Collaborate Living”, that will have a significant influence on the interior design industry. She also drew attention to Generation Alpha (people born after 2010), as in the future they will place greater value on mobility instead of on luxurious interior design so that they are able to live in a mobile and flexible way. An additional challenge facing the interior design industry that Greven spoke about was growing urbanisation and the reduction of home sizes connected to this. As a response to this, she has seen that consumers want more personalisation, haptic effects, softer materials and increased sustainability, and that they are also more willing to pay for better “consumer experiences”. ­m aterial+technik möbel 01|19 ­­­13

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Macher & Märkte

„Wir orientieren uns am Bedarf der Einrichtungsindustrie“ Seit knapp einem Jahr ist Maik Fischer neuer Direktor der Kölner Zuliefermesse interzum. Die imm cologne sowie die LivingKitchen boten Fischer eine ideale Gele­ genheit, zusammen mit Richard Barth (Chefredakteur material+technik möbel) Zulieferprodukte von interzum-Ausstellern „live“ im Einsatz bei Möbeln zu erleben.

m+t: Herr Fischer, wie wichtig ist

Ihnen der Kontakt zu den Zulie­ ferern und deren Anwendern? Fischer: Für mich ist er essentiell, denn wir machen die interzum für die Aussteller und Besucher, daher müssen wir wissen, was diese von uns als Markt- und Kommunikationsplattform erwarten. Daher blicke ich unserem Rundgang mit Spannung entgegen, da ich im Gespräch mit den Ausstellern der imm cologne und LivingKitchen nun erfahren kann, welche Anforderungen sie an Zuliefermaterialien stellen. m+t: Lassen Sie unseren Rund­

gang bei den Oberflächen star­ ten, denn sie fallen dem Konsu­ ­­­22

menten als erstes ins Auge. Die Möbel der belgischen Möbelfa­ brik Bauwens sehen aus wie aus echtem Eichenholz gefertigt. Herr Vercruysse, als langjähri­ ger Vertriebsleiter des Unter­ nehmens sind Sie sicherlich auch Materialexperte. Sind das alles Echtholz-Oberflächen? Vercruysse: Nein, echtes Eichenholz verarbeitet Bauwens schon seit Jahren nicht mehr. Ich gebe Ihnen aber Recht, dass die heutigen Holznachbildungen so authentisch wie echtes Holz erscheinen. Wir verarbeiten bei diesem Programm Finishfolie, ein Oberflächenprodukt, das in den vergangenen Jahren eine sensationelle Evolution erlebt hat. Bei diesem Sideboard ha-

Heidrun Brinkmeyer (BallerinaKüchen) und Frank ­Hunte­brinker (Salice) informieren über den neuen Einschub­ türenbeschlag. Heidrun Brinkmeyer (BallerinaKüchen) and Frank ­Hunte­brinker (Salice) inform about the pocket door system from Salice.

ben wir sogar zwei aktuelle Materialtrends kombiniert: Während die Fronten in Eichenholznachbildung gehalten sind, haben unsere Designer dem Möbel durch einen Korpus und eine Abdeckplatte in Roheisenoptik einen modernen Look verliehen, der auch bei jüngeren Möbelkäufern toll ankommt. Beide Materialanmutungen stammen von dem Oberflächenspezia-

listen Decor Druck Leipzig. Wenn Sie die beiden Finishfolien „Grandson Oak“ und „Tera Mater“ berühren, haben sie durch den haptischen Oberflächeneffekt den Eindruck, dass es sich um die Originalmaterialien handelt. Da braucht man wirklich keine Bäume mehr zu fällen, um den Echtholzcharakter in seine vier Wände zu holen und dies zu einem Preis, den sich auch Otto Normalverbraucher leisten kann! Fischer: Auf der interzum 2019 erwarten wir über 1.800 Aussteller, die ihre Produkte und Lösungen für die Möbelherstellung und den Innenausbau zeigen werden. Im Bereich der Oberflächen-Zuliefererprodukte werden sowohl die marktführenden Unternehmen wie auch kleinere Anbieter dabei sein, so dass die interzum das weltweite breiteste Angebot zeigen wird. m+t: Die Firma Walter Knoll hat

auf die imm cologne ein Möbel­ stück mitgebracht, bei dem hochwertige Materialien zum Einsatz kommen. Herr Schmidt, das hat sicherlich auch seinen Preis? Schmidt: Natürlich hat ein Möbel wie der „Tama Desk“ seinen Wert – dieser Schreibtisch ist ein Statement! Meine Aufgabenstellung als Entwickler bei Walter Knoll war es, gemeinsam mit dem Designteam EOOS ein Highend-Möbel zu entwickeln, das wie eine Skulptur im Raum wirkt und bei dem alle Register der Möbelbaukunst gezogen werden. Dies ist uns nach einer Entwicklungsphase von fast sechs Jahren, angefangen bei der De­

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Macher & Märkte

aus, beim genauen Hinsehen fällt aber die aufwändige Beschlagstechnik ins Auge, die zunächst einmal in der industriellen Fertigung umgesetzt werden muss. Brinkmeyer: Wir hatten uns zwei

Maik Fischer prüft die authentische Optik und Haptik heutiger Finishfolien. Maik Fischer proofs the authentic appearance and feel of modern finish foils.

sign­ findung, sicherlich gelungen, wie die starke Resonanz auf der imm cologne beweist. In Zusammenarbeit mit den Furnierspezialisten von Schorn & Groh haben wir das Nussbaum-Furnier so gestaltet, dass es die Schreibtischplatte wie aus einem Baum geschnitzt und damit massiv wirken lässt. Schauen Sie sich mal die sich nach außen verjüngenden Kanten an! So etwas ließ sich bislang nur mit massivem Holz realisieren. Wir haben hierfür geplankt gelegtes Furnier in einem neuartigen Vakuumverfahren um die MDF-Tischplatte und die Innenrundung gezogen. Dadurch wirkt der organisch geschwungene Schreibtisch wie aus einem Guss, denn auch die Natur kennt keine rechten Winkel. Dazu kommen innovative Konstruktionstechnik und modernste 5-Achs-CNC-Maschinentechnologie, die den Schreibtisch zu einer einzigartigen Möbel­ skulptur machen. In Kombination mit unserer ausgeklügelten Materialkomposition ist so ein außergewöhnliches monolithisches Produkt entstanden. Fischer: Nachdem wir vorhin authentische Holznachbildungen auf

Möbeln angeschaut haben, erleben wir hier, welche ungeahnten Gestaltungsmöglichkeiten sich auch mit Echtholz-Furnier bieten. Die Möbelhersteller und Innenausbauer können auf der interzum die ganze Spannbreite des Angebots erleben. Eine beachtliche Anzahl an Ausstellern werden ihre Neuheiten bei den Furnierprodukten zeigen. Und die Initiative Furnier + Natur e.V. informiert übergreifend über die Einsatzvielfalt von Furnier.

„Initialzündung findet auf der interzum statt“ m+t: Die imm cologne und die

LivingKitchen zeigen, dass die Grenzen zwischen Küche und Wohnraum verschwinden. Frau Brinkmeyer, Sie haben die Ballerina-Küchen mit einem neuen Beschlag ausgestattet,

der den aktuellen Küchentrend deutlich widerspiegelt. Brinkmeyer: Ballerina-Küchen hat sich seit Monaten damit befasst, wie sich Küche und Wohnraum elegant miteinander verbinden und unschöne Arbeitsbereiche verstecken lassen. Wir stießen bei unseren Überlegungen auf das Einschubtürensystem „Eclipse“ der Firma ­Salice. Wie Sie an unseren Exponaten erleben können, lassen sich mit dem Beschlag unterschiedlichste Bereiche wie etwa Waschmaschine und Trockner oder ein Heimarbeitsplatz im Handumdrehen verdecken. Die seitlich inte­ grierten Türen werden einfach aus einer Art Tasche herausgezogen und geschlossen. m+t: Das sieht auf den ersten

Blick nach einer komfortablen Lösung für den Endverbraucher

Aufgaben gestellt: Dem Endverbraucher eine komfortable Lösung zu bieten und gleichzeitig eine unproblematische Montage des Beschlags bei uns im Werk zu ermöglichen. Daher fiel die Wahl auch auf das „Eclipse“-System von Salice, denn es wird uns vormontiert angeliefert, so dass wir den Beschlag im Werk leicht einbauen können. Außerdem bietet uns das Einschubtürensystem Möglichkeiten, weitere Einrichtungslösungen zu realisieren. Zur Entwicklung des Beschlags kann aber Herr Huntebrinker von Salice besser Auskunft geben. Huntebrinker: Salice hat den Beschlag erstmals auf der interzum im Jahr 2017 vorgestellt und in den Folgemonaten weiterentwickelt. In Köln fand sicherlich die Initialzündung für den Einsatz in der Möbelindustrie statt. Die heutige Variante mit unserer patentierten magnetischen Dämpfung gab im Folgejahr auf der ZOW in Bad Salzuflen ihr Debüt. Seither wird „Eclipse“ vorkonfektioniert an die Küchenmöbelindustrie geliefert und dort am Korpus montiert. Beim Kunden vor Ort braucht der Monteur dann nur noch die Türen an die Scharniere zu hängen. Effizienter geht das nicht! Die ZOW war für Salice also eine ideale Bühne, um mit den Möbelherstellern intensiver ins Gespräch zu

Maik Fischer und Richard Barth lassen sich bei Walter Knoll den skulpturalen Schreibtisch „Tama Desk“ erklären. Maik Fischer and Richard Barth get informed about the sculpture-like “Tama Desk”at Walter Knoll. ­m aterial+technik möbel 01|19 ­­­23

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Fokus

Möbelbezüge für die ganze Welt Die diesjährige Heimtextil empfing ihre Besucher mit einer veränderten Hallenaufteilung. Die Einbindung der Messehalle 12 hatte eine Umplatzierung einiger Produktbereiche zur Folge und bedeutete insbesondere für Anbieter im Bereich Schlafen andere Standorte. 1|„Moss“ in Wollfilzoptik zählt zur neuen „Stretch“-Kollektion von Crevin, die elastische Stoffe für organische Formen umfasst. “Moss” in wool-felt look is part of Crevin’s new “Stretch” collection, which includes elastic fabrics for organic forms. 2| Das neue Kunstleder von Hornschuch verfügt über eine feine Fischgratprägung. The new synthetic leather from Continental has a fine herringbone embossing. 3| Beaulieu zeigte weiche, feingewebte Möbelstoffe für die Polstermöbelindustrie. Beaulieu showed soft, finely woven upholstery fabrics for the upholstered furniture industry. Photos: Barth

Mit 3.025 Ausstellern, von denen 2.724 und damit rund 90 Prozent aus dem Ausland stammten, war die Heimtextil nicht nur die erste Einrichtungsmesse im neuen Jahr, sondern erneut eine der größten internationalen Messeveranstaltungen für die Polstermöbelsparte. Nachdem im Vorjahr 2.972 Unternehmen an Bord waren, verbuchte die Messe Frankfurt vom 8. bis zum 11. Januar die höchste Beteiligung seit 15 Jahren. Die zusätzlichen Aussteller konnten von dem Hallenneubau profitieren, der mit einer modernen und großzügigen Fläche aufwartete, für die Besucher aber auch längere Wege bedeutete. Hinsichtlich der Besucherzahlen zeigte sich die Heimtextil nicht ganz so erfolgreich: Deren Zahl sank gegenüber dem Vorjahr leicht auf

67.500 Personen. Die Messeleitung führt dies auf die erschwerten Anreisebedingungen durch das Schneechaos im Alpenraum, und die Flughafenstreiks in Deutschland und nicht zuletzt auf die unsichere politische und konjunkturelle Lage zurück. 2018 hatte die Messe rund 70.000 Interessenten angezogen. Durch die zeitliche Nähe zur Kölner Möbelmesse zeigten die deutschen Polstermöbelproduzenten nur geringes Interesse an dem umfangreichen Bezugsstoffangebot auf der Messe, das sich auf die Messehallen 4 und 8 konzentrierte. Für die westeuropäische Polstermöbelindustrie ist weiterhin die Proposte am Comer See aufgrund ihrer Terminierung im April das wichtigste Event. Für einige Jahrzehnte hatte die MoOD (vormals

Decosit) in Brüssel die Hauptrolle gespielt, doch in den letzten Jahren hat sie insbesondere für die deutsche Polstermöbelindustrie an Bedeutung verloren. Breitgefächerte Besuchergruppe Frankfurt ist für die Polstermöbelindustrie außerhalb von Westeuropa das wichtigste Schaufenster, was sich im breitgefächerten Angebot der Aussteller widerspiegelte. Rund 76 Prozent der Besucher stammten aus dem Ausland, sie kamen aus 156 Ländern. Sie bekamen in Frankfurt sowohl preiswerte Bezugsmaterialien aus Fernost als auch hochwertige Kollektionen von Großhändlern und Textilverlagen zu sehen. Letztere hatten in der Halle 8, die bislang von den Anbietern von Bettwaren belegt war, eine neue Plattform erhalten. Die

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Fokus

Besucher konnten hier Firmen wie etwa Saum & Viebahn und N.V. Wind aus Belgien antreffen. Doch auch auf der gegenüber dem Vorjahr nahezu doppelt so großen Präsentation des Faserherstellers ­Trevira in Halle 4.2 präsentierten sich namhafte Stoffverlage. Auf der 2.200 m2 großen Fläche waren Editeure wie etwa JAB Anstoetz oder Gerriets anzutreffen. Insgesamt hatte der Faserhersteller auf seinem Gemeinschaftsstand 26 Partnerunternehmen ver4| Rückkehr von Microfibres: Der türkische Weber Sertex hatte 2017 die Vermögenswerte übernommen. Return of Microfibres: The Turkish weaving company Sertex had taken over the assets in 2017. 5| Trevira zeigte einen Webstoff aus recycelter Trevira-CS-Garn. Trevira showed the first woven fabrics made of recycled ­ Trevira CS yarn. 6| ATN stellte Kunstleder/ Mikrofaser mit integrierter LED-Beleuchtung vor. ATN presented artificial leather and microfibres with integrated LED lighting.

sammelt, neben Verarbeitern von Trevira CS auch einige Garnproduzenten. Gleichzeitig machte das Unternehmen auf seine jüngsten Innovationen und insbesondere auf die ersten schwer entflammbaren Filamentgarne aufmerksam, die auf Basis von recycelten PET-Flaschen entstanden sind. Das hierfür eingesetzte Regranulat wird bei der Trevira-Muttergesellschaft in Thailand gewonnen. Ein ausgestellter Stoff der Firma Schmitz Textiles war bereits zu 100 Prozent aus diesem neuartigen Filamentgarn gewebt. Laut Trevira sollen bald auch schwer entflammbare recycelte Fasern zur Verfügung stehen. Zur Nachhaltigkeit kam als weitere Innovation die Outdoor-Fähigkeit der Trevira-CS-Produkte. Erstmals präsentierte der Faserhersteller eine Palette von spinngefärbten Filmanentgarnen in 22 Farben, bei denen hohe Lichtbeständigkeit mit Schwerentflammbarkeit kombiniert werden konnte. Als weitere Neuheit wurden Melange-Optiken vorgestellt, die in einem einstufigen Badfärbeprozess erzeugt werden können. Hierbei werden flammhemmende, kationisch anfärbbare Garne mit normal anfärbbaren Garnen in unterschiedlichen Zusammensetzungen kom-

biniert, die dann individuelle Melange-Optiken ergeben. Die Schwerentflammbarkeit des Webartikels bleibt nach Angaben von Trevira dadurch erhalten. Last, but not least informierte das Unternehmen, dass es seine flammhemmenden Fasern schon bald standardmäßig antimonfrei anbieten wolle. Eine antimonfreie Version der Filamentgarne sei ebenfalls geplant, gab der Faserhersteller bekannt. Mit „Recron FS“ hat der indische Konzern Reliance Industries ebenfalls ein flammhemmendes Polyestergarn entwickelt und damit begonnen, dieses an europäische Textilfabriken zu vermarkten. Als Vorteile seines Markengarns führt das Unternehmen die dauerhafte flammhemmende Wirkung sowie das bessere Brandverhalten gegenüber bisherigen Verfahren an. Nachhaltigkeit und Umweltschutz Nicht nur bei Trevira waren Gesundheitsaspekte, Nachhaltigkeit und die Verwendung von Recycling-Materialien wichtige Themen. Auch auf anderen Messeständen wurden diese Themen in den Fokus gestellt. Die Messeleitung hatte daher unter dem Namen „Green Directory“ ein Ausstellerverzeichnis mit rund 150 Firmen erarbeitet, die nachhaltig

produzierte Textilien anbieten. Zu diesen zählt u. a. die niederländische Weberei Raymakers, die auf der Heimtextil einen neuen, aus BCI-zertifizierter Baumwolle gewebten Velours präsentierte. Das Kürzel BCI steht für die „Better Cotton Initiative“, die das Ziel verfolgt, eine nachhaltige Produktion von Baumwolle zu fördern. Nachhaltigkeit war das große Thema vor allem im Bettwarenbereich. So erhielt die Bettware „andeo“ der Bettfedernfabrik Otto Keller auf der Messe das Umweltsiegel „Blauer Engel“ verliehen. Der Artikel besteht zu 100 Prozent aus BioBaumwolle. Der Faserhersteller Lenzing präsentierte den erstmaligen Einsatz seiner „Refibra“-Technologie bei Bettwaren bzw. im Einrichtungsbereich. Bei dieser Technologie werden bei der Produktion der Zellstofffaser „Lyocell“ neben frischem Zellstoff rund 20 Prozent recyceltes Material aus Baumwollstoffresten verwendet. Ein spezielles Identifikations­ system soll zudem dafür sorgen, dass die “Refibra“-Fasern im Endprodukt unverwechselbar nachgewiesen werden können. Auch die Produkte mit „Refibra“-Technologie zeichnen sich laut Anbieter durch hohe Feuchtigkeitsabsorpti-

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