Mittendrin in V
„ ABER WOLLEN DIE FRAUEN DENN SICHTBAR SEIN?“ Tausende Likes auf Instagram, Millionen Clicks auf Youtube, ein Auftritt bei Armin Wolf in der ZiB 2, ein Zitat in den VN. Wer in der heutigen Zeit sichtbar ist, hat auch was zu sagen. Sichtbarkeit ist Macht. Und diese Sichtbarkeit ist auch 2022 noch hauptsächlich männlich. Text: Angelika Simma-Wallinger, Illustrationen und Gedankenexperiment: Luca Martina Huber
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ine kluge Studentin fragt mich in einer Lehrveranstaltung: „Aber wollen die Frauen denn sichtbar sein? In meinem Umfeld ist den meisten lieber, im Hintergrund zu bleiben“. Ich beiße innerlich die Zähne zusammen und hole kurz aus über den Zusammenhang zwischen auch 2022 immer noch vorherrschenden Rollenstereotypen und dem Selbstbild, das wir im Spiegel anderer und der Gesellschaft entwickeln. Einigkeit über die Antwort war in der akademischen Runde schnell hergestellt. Unsere Realität definiert sich primär über die mediale Vermittlung. Die klassischen Massenmedien, aber auch die sozialen Medien beeinflussen unser Denken und Handeln und spiegeln und formen unsere gesellschaftlichen Strukturen gleichermaßen. Das betrifft vor allem auch alle Fragen von Diversität und Gleichstellung, daher ist die Sichtbarkeit ein wichtiger Schlüssel. Für den aktuellen Bericht des Global Media Monitoring Projekts haben Kolleg:innen der Uni Salzburg österreichische Nachrichtenbeiträge aus Print, TV, Radio und Online auf ihre Diversität untersucht. Nur ein Viertel der vorkommenden Personen war weiblich, wiederum ein Bruchteil davon (6 Prozent) wurden als Expertinnen befragt.
„Es ist wichtig, dass die Vielfalt in den Redaktionen und in der Berichterstattung nicht nur das sogenannte Gleichgewicht der Geschlechter umfasst, das oft zu einem binären Verhältnis zwischen Männern und Frauen führt, sondern auch die Vielfalt in Bezug auf Alter, Klasse, Geschlechtsidentität, Religion, Migrationshintergrund und Behinderung“.
Eine weitere aktuelle Studie hat 146.000 Nachrichtenbeiträge zum Thema Covid in englischsprachigen Medien untersucht: Auf ein Zitat einer Expertin aus dem Bereich der Naturwissenschaften kamen 19 Zitate von Männern, auf ein Zitat einer Wirtschaftsexpertin sechs Zitate ihrer Kollegen. Nur wenn es um Kinderbetreuung und Auswirkungen von Covid auf die Familie ging, wurden mehrheitlich Frauen befragt. Andere Studien belegen, dass Frauen auch heute noch öfter von Redaktionen angerufen werden, wenn es um Hochzeit, Familie und Scheidungen geht. Und damit schließt sich der Kreis zur Frage der Studentin. Medial transportierte Rollenbilder sind immer noch (zu) stereotyp, mehrheitlich von Männern für Männer gemacht und zementieren jene strukturelle Ungleichheit, die Menschen an ihrer freien Entwicklung hindert. Hier entgegenzuwirken erfordert ein Umdenken in Redaktionen, das ist nichts, was man erst bei Redaktionsschluss tun kann. Expertinnendatenbanken wie vorarlberg.speakerinnen.org, www.frauendomaene.at oder auch die von Kathi Zechner ins Leben gerufene Expertinnendatenbank im ORF können unterstützen. Hier kommt eine zweite Dimension des Themas ins Spiel: Nicht nur die Präsenz von Frauen in der Berichterstattung, sondern auch die Zusammensetzung der (leitenden) Redaktionen trägt zu mehr Vielfalt bei. Journalistinnen greifen beispielsweise deutlich öfter kritische Gleichstellungsthematiken auf.