u s c h i
F e l l n e r
Look into my Life Eltern sind den Kindern peinlich. Aber noch peinlicher sind immer die Kinder.
Foto: Susanne Spiel, Styling: Mariana Hiebl
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Ich wollte mit elf zum ersten Mal heiraten, den Sohn der Nachbarin, er hieß Franz …
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uschi.fellner@bundeslaenderinnen.at
ier Kinder zu haben bedeutet nicht, dass man von Erziehung eine Ahnung hat. Dass mein jüngster Sohn nicht der bescheidene, zurückhaltende Mensch ist, zu dem ich ihn gerne erzogen hätte, wurde mir zum ersten Mal recht deutlich klar, als ich ihn vor Jahren in den Kindergarten brachte. Damals gab er einer wildfremden Frau, die ihrer kleinen Tochter ahnungslos die Schuhe auszog, einen Klaps auf den Hintern und sagte: „Hallo, Arschgeige!“ Dazu kann ich nur sagen: Von mir hat er das nicht! Auch nicht seinen ausgeprägten Sinn fürs Materielle. Einmal im Flugzeug, da muss er fünf gewesen sein, bin ich eingenickt, und als ich wieder aufwachte, war der Bursche verschwunden. Sitz neben mir leer. Ja, wo ist er denn jetzt wieder?, dachte ich. Da sehe ich, wie er mit der Papier-Spuck-Tüte in der Hand von einem Passagier zum nächsten geht und höflich fragt: „Gibst du mir ein Geld, bitte?“ Mann, ist sowas peinlich! Als ich aus der Versenkung wieder auftauchte, waren in seinem Klingelbeutel schon fünf Euro zwanzig. Gegen solche Geschäftstüchtigkeit kann man schwer anerziehen; als ich mit roten Ohren und „Entschuldigen-Sie-vielmals“-murmelnd das Geld zurückgab, schrie der Knabe aufgebracht: „Und wovon sollen wir uns im Urlaub jetzt das Essen kaufen, hä?!“ Habe ich mir nur eingebildet, dass mich die Leute alle so komisch anschauten? Falls Sie jetzt einen fatalen Eindruck von mir haben: Es wird leider noch schlimmer. Heutzutage werden die Kinder ja immer früher reif. Ich wollte mit elf zum ersten Mal heiraten, den Sohn der Nachbarin, er hieß Franz. An Franz gefiel mir alles, außer sein Name, weshalb ich mir fest vornahm, ihn bei der Hochzeit umzutaufen. Am liebsten in Giovanni. Mein heute zehnjähriger Sohn wollte mit sechs zum ersten Mal heiraten, eine Fünfjährige namens Carla. Als die angepeilte Gattin erstmals zum Spielen bei uns war, habe ich die beiden kichernd im Bett erwischt, so weit ist es zwischen mir und Giovanni nie gekommen! „Wir spielen verliebt“, rief das Paar, als ich steif vor Schreck die Decke wegzog (unter der Carla vollständig bekleidet und mein Sohn im Batman-Kostüm lag). „Ja, und wie haben Sie reagiert?“, fragte mich argwöhnisch später Carlas Mutter. Mein Gott, wie schon! Man sagt: „Wollt ihr was trinken oder essen?“ Und dann geht man halt wieder. Im Prinzip war gegen die Beziehung der beiden auch nichts einzuwenden, ein Jahr lang führten sie ein harmonisches Leben mit allen Ups und Downs einer normalen Partnerschaft. Die Verlobung wurde annulliert, als sich Carla mit sieben neu verliebte und mein Sohn beschloss, dass Mädchen blöd sind. Schade, denn das Reihenhaus, das zwischen unserem und Carlas Wohnhaus steht, war kurz danach frei geworden. Ich nehme an, die beiden wären mit acht dort eingezogen. PS: Falls mein Sohn jemals zu Ihnen kommen sollte und treuherzig um eine kleine Spende bittet: Ich hab ihn nicht geschickt!
TIROLERIN März 2013 | 255