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Muff elweg

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Bildnachweise

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Ein Einwanderer, der nicht blieb

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Wer den Weg der Industriearbeiter des 18. und 19. Jahrhunderts, die Bobbahn, hinabwandert, der stößt, bevor er die Talsohle erreicht, auf einen rechter Hand abzweigenden Pfad, der sich am Hang hinaufschraubt. Seit 2013 heißt er Muff elweg. Die Fichten, die hier einst standen, sind abgeholzt und geben den Blick auf die gegenüberliegende Kiesberter Hardt frei. So, wie der Sümberg in der Mittagssonne döst, fällt die Vorstellung nicht schwer, dass hier einst Muffl ons (Ovis orientalis) die Steilhänge erklommen haben.

Jagdinteresse habe dem Versuch einer Ansiedlung des Europäischen Wildschafes zugrunde gelegen, vermuten die Revierförster. Ursprünglich lebte es auf den Mittelmeerinseln Sardinien, Korsika und Zypern, die sich durch felsiges Gebirge und trockenes Klima auszeichnen. Bereits um 1900 wurde begonnen, es auch in anderen Regionen Europas zu beheimaten, meist in dichten Waldgebieten ab einer Höhenlage von 500 Metern.

Zwischen 1944 und 1955 wurde Muff elwild im Ebbegebirge, vorwiegend im Revier Ebbetal, ausgesiedelt. Im Sommer wurden die Tiere vor allem an der Rehberger Hütte und am Hirschkumpen (bis zur Rüenhardt), im Winter an der Kiesberter Haardt gesichtet. Das Wildschaft schien sich gut einzuleben, wurde jedoch seit Anfang der 1960er Jahre im Ebbegebirge nicht mehr gesichtet. Unterschiedliche Erklärungen werden mit seinem Verschwinden in Zusammenhang gebracht.

Muffl ons sind Paarhufer. Ihre Schalen, also die Klauen an den Vorder- und Hinterläufen, wachsen ständig nach. Auf den trockenen, steinigen Untergründen ihrer Herkunftsgebiete nutzen sich die Schalen ab, so dass Wachstum und Verschleiß im Verhältnis zueinander stehen. Auf den weichen Waldböden des Ebbegebirges wuchsen die Schalen jedoch in die Länge und behinderten die Tiere bei der Fortbewegung.

Hinzu kam wahrscheinlich noch die Moderhinke, eine bakterielle Klaueninfektion bei Schafen und anderen Wiederkäuern, die zu schmerzhaften, eitrigen Entzündungen der Klauen führt. Die Bodenbeschaff enheit im Ebbegebirge könnte eine Infektion begünstigt haben: Auf Kalkböden kommt die Moderhinke seltener vor als auf feuchten oder nassen Böden, wie sie das Ebbegebirge aufweist.

Das Muffl on ist ein Beispiel für problematische Eingriff e von Menschenhand in ein bestehendes Ökosystem. Die gesundheitlichen Probleme der Tiere selbst stehen auf der einen Seite, auf der anderen die Vegetationsschäden, die das Muffl on dort anrichtet, wo es – eigentlich – nicht zu Hause ist. Ein Lebensraum beruht in der Regel auf einem exakten Zusammenspiel ökologischer Grundlagen (Boden, Wasser etc.) mit den dort natürlich vorkommenden Tier- und Pfl anzenarten. Die Natur braucht lange, um ein Ökosystem einzurichten. Wer hier eingreift, kann nur schwer alle Auswirkungen vorhersehen.

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Rückkehr eines früheren Bewohners im Ebbegebirge ist übrigens der Schwarzstorch (Ciconia nigra).

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