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NEUER WEG

WINTERSPORT Römertopf

Der Neue Weg, nun ja, ist nach Aussage der Förster eben jener, welcher erst vor einigen Jahren angelegt worden ist. Er startet auf Höhe des Meinerzhagener Stadtteils Korbecke östlich der A45 und verläuft auf dreieinhalb Kilometern S-förmig durch das Naturschutzgebiet Ebbemoore. Die nördliche Kurve windet sich um eines der bekanntesten Hangmoore der Region, die Grundlose. Bereits 1940 wurde dieses sechs Hektar große Feuchtbiotop unter Naturschutz gestellt.

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Die Grundlose. Kaum ein Begriff könnte die besondere Bodenbeschaff enheit eines Moores treff ender beschreiben, und selbstverständlich sind auch in der Grundlose die Zeitgenossen versunken. – Wenn der Leser sich von dem sagenhaften Gericht verführen lässt, das ihm der Meinerzhagener Heimatforscher Fred Oehm in seinem Buch „Als Junkern Stine noch spukte“ auftischt!

Wegepate: Bernd Strotkemper, Regionalmanager Naturpark Sauerland Rothaargebirge

Demnach bekriegten sich kurz nach Christi Geburt in den hiesigen Breiten die ortsansässigen Germanenstämme der Sigamberer und der Marsen mit den aus dem Rheinland vorstoßenden Römern. Sigamberer – Oehm zufolge haben sie ihren Namen sogar von den unergründlichen Sümpfen, in denen dieses tapfere Volk lebte.

Nachdem die Römer unter ihrem siegreichen Feldherrn Germanikus ein Volksfest der Sigamberer genutzt hatten, um ihre Gegner abzuschlachten, sannen die Hinterbliebenen auf Rache. Vom Ebbegebirge aus zogen die Germanen auf Gummersbach, wo die römischen Legionäre ihr Lager errichtet hatten, und legten es in Schutt und Asche. Anschließend lockten sie die Römer, die die Verfolgung aufgenommen hatten, über den Ebbekamm in die Sümpfe Grundlose und Wilde Wiese, wo sie sich bestens auskannten. Mit Mann und Pferd gingen die Römer in den Sümpfen unter. Wer des Nachts durch die Grundlose wandert, kann, so Oehm, noch heute die Schreie der versinkenden Römer hören, ebenso das Gurgeln der Ertrinkenden, und wie ein letztes Aufblitzen in den Augen der Sterbenden funkelt das fahle Mondlicht in den Tümpeln und Pfützen.

Spooky, nicht wahr? Aber was ist dran? Zog das Moor die ortsunkundigen Eroberer tatsächlich hinunter in seinen Schlund? Übte die Natur ungewollt Rache für den frevelhaften Völkermord, den die Südeuropäer an den Sigamberern und Marsen verübten?

Nun ja, die ziemlich alte Grundlose – ihr Alter wird auf etwa 5500 bis 6000 Jahre geschätzt – weist eine grundwassergespeiste, durchnässte Torfschicht von bis zu 145 Zentimetern auf und gehört damit zu den mächtigsten Hangquellmooren im Ebbegebirge. Steckenbleiben, zum Beispiel mit einem Karren, das geht. Bis zur Hüfte im Wasser versinken, geht auch. Aber untergehen? Anders als in den Droste-Hülshoffschen Hochmooren der niederdeutschen Tiefebene wirken hier keine Sogkräfte, die den verirrten Wanderer hinunterziehen und im Schlamm für die Ewigkeit konservieren.

Am Schluss seiner Erzählung schreibt Heimatforscher Oehm: „Der aufgeklärte Mensch von heute sieht nur in den aufblitzenden Lichtern aufflammende Faulgase oder Glüh- würmchenschwärme, im Gurgeln erkennt er nur kleine Wasserstrudel. Das ist schade, mit der verlorengegangenen Phantasie verliert der Mensch ein Stück von sich und seinen Wurzeln, die bis zu unseren tapferen Vorfahren, den Sigamberern, zurückreichen.“

„Unsere Augen sehen, was ist. Den Rest erledigt unser Gehirn.“ - Bernd Strotkemper -

Mag sein, aber am Ende ist es genau das, was wir in der Grundlose sehen:

Wasserstrudel und Glühwürmchen. 83

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