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DIE ZUKUNFT DES EBBEGEBIRGES
Multikulti im Wald
„Auf großen Strecken, namentlich auf dem nördlichen Abhang des Gebirges hat sich ein überaus üppiger Heidekrautwuchs, welcher sogar der Birke nur spärlichen Zutritt gewährt, entwickelt und bedeckt als Leichentuch das Zerstörungswerk des Menschen“, schreibt ein Forstmeister 1904 über das Ebbegebirge. Jahrhundertelang hatten sich die Waldbauern, der Adel, die Hammerwerksbesitzer und frühen Industriellen an allem bedient, was der Ebbekamm zu bieten hatte: Holz, Erz, Weideland, Wild. Den preußischen Inspektoren, die Ende des 19. Jahrhunderts die Region begutachteten und letztlich entschieden, die Fichte sei der am besten geeignete Baum, um die Gegend wieder aufzuforsten, muss sich ein verstörendes Landschaftsbild präsentiert haben: kahle Höhen, arme Böden, die nur den Bewuchs robuster Heidegewächse und niedriger Sträucher zuließen – und ebenso verarmte Anwohner, denen Wald und Feld kaum noch das Nötigste zum Überleben boten.
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Wiederholt sich die Geschichte? Wird das Ebbegebirge schon in wenigen Jahren wieder so aussehen? Kahl und karg? Abgeholzte Hänge jedenfalls prägen schon heute den Anblick, der sich von den Forstwegen aus an vielen Stellen bietet. Und es werden noch mehr werden. Die abgestorbenen und vom Borkenkäfer befallenen Fichten müssen gerodet und abtransportiert werden. Da die Monokulturen jahrzehntelang das Bild einer dunkelgrünen, dicht bewaldeten Hügelkette vermittelten, scheint das Ebbegebirge sich tatsächlich wieder in seinen früheren Zustand zurückzuentwickeln. Wie schrieb doch gleich der Forstmeister: „das Zerstörungswerk des Menschen“; die Formulierung ließe sich heutzutage 1:1 auf den fortschreitenden Klimawandel und seine Folgen beziehen.
Die Revierförster schätzen, dass in fünf bis sechs Jahren die Fichtenkulturen abgeholzt und freigeräumt sind. Zeit für einen Neuanfang – der allerdings schon längst begonnen hat. Denn Forstwirte und Forstwissenschaft haben schon früh erkannt, dass die Fichtenmonokultur auf Dauer keine allein seligmachende Lösung darstellt. Schon im 19. Jahrhundert gab es einzelne Mahner; ihre Zahl wurde später mehr. In den 1980er und 1990er Jahren schließlich gewann das Konzept einer naturnahen Waldwirtschaft zunehmend Befürworter und mündete 1990 in das Gesamtkonzept „Wald 2000“ für eine ökologische Waldbewirtschaftung des Staatswaldes in Nordrhein-Westfalen.
Die Förster selbst probieren seit Jahren bereits aus, welche Baumarten sich für die Erneuerung des Ebbegebirges eignen könnten. Einen langen Atem muss allerdings jeder haben, der sich dieser Aufgabe stellt: Ob eine Baumart sich wirklich langfristig in der Region etablieren kann, steht oft erst fest, wenn der Förster längst in Rente ist. So bleibt eben oft nur das – vermeintlich willkürliche – Ausprobieren.
Schon heute zeigen sich auch Lichtblicke am Horizont: Das Konzept einer systematischen Naturverjüngung funktioniert. So wachsen und gedeihen bereits an vielen Stellen im Ebbe zwischen uralten und oft schon toten Fichten junge Buchen, Eichen, Tannen, Ahorne und viele weitere Baumarten. Auf den abgeholzten Flächen holen sich Birken, Erlen und Eschen den Raum zurück; Samen, die viele Jahre lang reglos im Erdboden geschlummert haben, keimen plötzlich, und so wachsen auf den Kahlfl ächen nach einiger Zeit auch wieder hier und da vereinzelt Fichten.

Ein bunter Mix entsteht, eine Multikulti-Waldgesellschaft, und vielleicht ist es genau diese Vielfalt – die vielbeschworene Artendiversität –, die dem Ebbegebirge das Überleben als zusammenhängendes Waldgebiet ermöglichen wird.