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Auerhahnbergweg


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Der Letzte seiner Art
Kopfüber hängt er am Haken. Das schwarz-braune Gefi eder wirkt schon ein wenig zerfl eddert, die Augen sind trüb. Der Tribut der Jahre. Der letzte Auerhahn des Ebbegebirges fristet heute sein präpariertes Dasein in einer Glasvitrine in einer Ecke des Wilkenberger Dorfgemeinschaftshauses. Seiner Behausung ist anzusehen, auch sie hat bereits einige Schützenfeste hinter sich.
Viele Jahrhunderte lang fühlten sich Tetrao urogallus, das Auerhuhn, und auch Tetrao tetrix, das Birkhuhn, in den Mittelgebirgslagen des Sauer- und Siegerlandes heimisch. Der Auerhahnberg trägt seinen Namen nicht von ungefähr. Gebalzt wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts unter anderem in Elminghausen (Revier Beckerhof), auf Wilde Wiese, im Piwitt (Revier Valbert) und am besagten Auerhahnberg. Danach nahm die Population jedoch stark und sukzessive ab. Über die Ursachen darf spekuliert werden: Zu starke Bejagung oder gar Wilderei? Veränderte Umwelt- und Lebensbedingungen, etwa durch die monotonen Fichtenforste anstelle von Laubmischwäldern mit Weichlaubhölzern wie Espe, Birke und Eberesche, die für die Ernährung der Raufußhühner essentiell sind?
Zwischen 1954 und 1962 versuchte das Forstamt Attendorn, das Auerwild in einem kostenintensiven Aufzucht- und Wiederansiedlungsprojekt erneut zu einem gewohnten Anblick im Ebbegebirge zu machen. Allein, vergeblich! Den Frust des Misslingens teilt man sich mit vielen anderen Regionen in ganz Deutschland: Elf Aussiedlungsprojekte seit 1950, mehr als 5.400 freigelassene Tiere. Fast alle Projekte schlugen fehl, unter anderem, weil in menschlicher Obhut aufgezogene Auerhühner unangemessen auf Feinde reagieren, eine gestörte Nahrungsverwertung und Abnormalitäten im Verhalten zeigen. So lautet in der Rückschau das Urteil von Experten. Auch dem Wilkenberger Auerhahn wurde seine Vertrautheit mit Menschen off enbar zum Verhängnis. 1960 überquerte ein Auerhahn aus der Auswilderungsstation am Auerhahnbergweg den Ebbekamm und setzte sich in Wilkenberg auf das Dach einer Scheune. Ein Bauer, der das Tier nicht zuordnen konnte, schoss ihn herunter. Erst beim Präparator wurde den Wilkenbergern klar, dass sie ein geschütztes Wild erlegt hatten. Ein Gerichtsverfahren schloss sich an, in dem der Schütze und seine Gehilfen schlussendlich freigesprochen wurden.
Der Wilkenberger Schützenverein hält den tragisch ums Leben gekommenen Auerhahn seither im Gedächtnis der Bevölkerung, denn dort wird der Schützenkönig traditionell durch das Werfen von Steinen auf einen hölzernen Vogel (der allerdings wenig Ähnlichkeit mit einem Auerhahn hat) ermittelt.
Die übrigen Auerhühner – 1956 sollen sechs Hähne und vier Hennen im Ebbegebirge ausgewildert worden sein – verschwanden im Laufe der Jahre auf ungeklärte Weise.
Ein naher Verwandter des Auerhuhns, das Haselhuhn Tetrastes bonasia, könnte aber, so vermuten Förster, bis heute klammheimlich im Ebbegebirge überlebt haben und sich – ungestört und unbeirrt – auf den vom frühmorgendlichen Tau benetzten Lichtungen, vielleicht sogar am Auerhahnbergweg, tummeln. Bitte nicht stören!
„Trotz großer Anstrengungen waren die Wiederansiedlungsversuche vergeblich.“ - Günter Hortmann, 1990 Schützenkönig in Wilkenberg, stellvertretend für den letzten Auerhahn des Ebbegebirges (siehe Foto), der aufgrund seines tragischen Endes nicht mehr für sich selbst sprechen kann -