Migros-Magazin-38-2021-d-AA

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20 | 20.9.2021 | HERBSTGENUSS

Mit dem Jäger im Wald Anders als die Treibjagd mit vielen Menschen, Hunden und vielen Wildtieren ist die Ansitzjagd auf Wildschweine langwierig und leise. Ein Augenschein in der Abenddämmerung. Text: Dinah Leuenberger   Bild: Beat Schweizer

Die Jagd ist eine stille Angelegen­ heit, auch wenn ein lauter Knall ihr Ende signalisiert. Der Jäger, mit dem ich heute unterwegs bin, hat das Auto bei der Hasen­ matt SO zurückgelassen, zu ­hören ist nur das Knistern unter unseren bedächtigen Schritten. Und ­Kyros, der Jagdhund, der nervös den Boden abschnuppert. Offenbar haben vor uns unzähli­ ge ­Tiere diesen Weg ­genommen. Wir machen uns schweigend bergauf, den Waldweg entlang zu einer Kirrung. Diese Futter­ stelle sorgt dafür, dass sich das Schwarzwild – wie man Wild­ schweine in der Jägersprache nennt – im Wald beschäftigt und nicht auf den F ­ eldern Schäden anrichtet. Sie ist mit Mais g­ efüllt und soll die Wildschweine mit ­ihren feinen Nasen anlocken. ­ In der Nähe befindet sich ein kleiner Hochsitz, schräg an ­einen Baum gelehnt. Christian Schulthess ist zufrieden: Bei der Kirrung ist alles in Ordnung. Er pfeift Kyros zurück, denn hier wird er heute Abend nicht ­an­­­sitzen und ein Wildschwein zu ­jagen versuchen. Sein Glück versucht er etwas weiter unten, fast am Waldrand. Dieser Hochsitz liegt nicht an ­einem Weg, zielstrebig schreitet

Schulthess durch das Dickicht. Seinen richtigen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen – noch immer haben Jäger einen schweren Stand, bekommen teil­ weise gar Morddrohungen, wenn sie sich öffentlich zu ihrer Tätig­ keit äussern. «Dabei bin ich kein Waffennarr, der wahllos Tiere erlegt, im Gegenteil. Das Gewehr ist für mich schlicht ein Arbeits­ instrument.» Bei der Revierjagd, wie sie im Kanton Solothurn stattfindet, werden Wildschweine zwischen Juli und Februar ge­ jagt. Die Jäger halten so die ­grösser werdende Wildschwein­­ population in Schach. Dies ist notwendig, weil die Tiere sonst in der Landwirtschaft zu grosse Schäden anrichten. Dabei wer­ den vor allem Jungtiere geschos­ sen. Bache und Keiler, wie Weib­ chen und Männchen heissen, bleiben eher verschont. «Aber auf ein Fünf-Kilo-Schweinchen schiesse ich sicher auch nicht.» In der Dämmerung aktiv

Inzwischen sind wir bei «unse­ rem» Hochsitz angelangt, auch dieser befindet sich unmittelbar bei einer Kirrung. Wir klettern ein paar Meter die Leiter nach oben und steigen in einen höl­ zernen Kasten. Zunächst ist es

darin für uns stockdunkel. Erst allmählich gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit, Luken, die sich zu allen Seiten hin ­öffnen lassen, werden sichtbar. Schon besser! Auch wenn es be­ reits dämmert, sind die Umrisse der Bäume, Büsche und Sträu­ cher noch gut zu erkennen. Je dunkler es wird, desto aktiver sind die Tiere. Wir richten uns auf der gepolsterten Bank ein, Schulthess legt das Gewehr ­bereit, das Fernglas auf dem Schoss. Falls eine Wildschweinrotte – wie die Herde heisst – auftaucht, muss er bereit sein. «Ich lasse die Tiere aber meist bei der Kirrung ankommen und schiesse nicht sofort. Das gibt mir auch Zeit, abzuschätzen, ob ein Schuss sinnvoll ist, und falls ja, auf welches Tier.» Doch Tiere sind gerade nicht in Sicht. Keine Wildschweine. Aber auch keine Rehe, Füchse oder Dachse, die allesamt auch gejagt werden könnten. Nach ­einer Stunde tut sich noch im­ mer nichts. Die Sicht ist noch gut – zumindest für Schulthess, obwohl es schon ganz schön dunkel ist. «Zum Schiessen ­ginge es noch.» So warten wir weiter still. Je weniger die Augen ­sehen, desto mehr hören die

Ein Jäger muss auch überprüfen, ob im ­Revier alles in ­Ordnung ist. Schulthess ­unterwegs mit seinem Hund.


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